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ZETTELS KLEINES ZIMMER

Das Forum zu "Zettels Raum"



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Dieses Thema hat 54 Antworten
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 Kommentare/Diskussionen zu "Zettels Raum"
Seiten 1 | 2 | 3
FrancisoDAnconia Offline



Beiträge: 74

07.05.2013 09:20
#26 RE: Zitat des Tages: Bundesinnenminister Antworten

@123
Jeder Absatz ein Volltreffer.

Mir persönlich gefällt:
"Man könnte glatt auf die Idee kommen, in Deutschland hat diesbezüglich eine besonders effiziente Auslese stattgefunden, oder sich aber eine Kultur etabliert, die besonders kadavergehorsame Mitläufer heranerzieht."

Aber mit ziemlichem Abstand am Besten. Das "könnte" würde ich umschreiben aber ich wüsste auch nicht was man dort hin schreiben sollte. Eien Idee ist es schon lange nicht mehr (IMHO)

R.A. Offline



Beiträge: 8.171

07.05.2013 10:10
#27 RE: Zitat des Tages: Bundesinnenminister Antworten

Zitat von Doeding im Beitrag #15
Lieber R.A., das ist nicht richtig:

Danke für die Korrektur.
Irgendwie haben es die von mir konsumierten "Qualitätsmedien" nicht geschafft, das deutlich zu machen.

Dann schließe ich mich Christophs Meinung an: Friedrichs Aussage ist so geschickt formuliert, daß jeder reinlesen kann, was ihm gefällt ...

Martin Offline



Beiträge: 4.129

07.05.2013 13:20
#28 RE: Zitat des Tages: Bundesinnenminister Antworten

Zitat von Doeding im Beitrag #8
Wo Sie das grad zur Unschuldsvermutung schreiben: wer muß sich eigentlich zwingend in seinen Annahmen und Formulierungen daran halten? (im besten Fall jeder, schon klar). Aber obligatorisch? Natürlich alle Ermittler und Richter, die mit dem jeweiligen Fall zu tun haben. Aber auch die Medien? Politiker, die keinerlei Weisungsbefugnis für zuständige Ermittler haben?

Weiß das jemand?


Lieber Andreas Döding,

wissen tu ich das nicht, aber die Beteiligten haben sichtbar Schwierigkeiten, zwischen 'angklagt' und 'schuldig' zu unterscheiden: http://www.handelsblatt.com/politik/deut...nt/8172012.html

Die (noch) unschuldige Frau Zschäpe darf nicht selbstbewusst auftreten.

Gruß, Martin

Meister Petz Offline




Beiträge: 3.923

07.05.2013 14:17
#29 RE: Berichterstattung Antworten

Zitat von Doeding im Beitrag #22

Zitat von Christoph
PS: um die FAZ tat es mir erst etwas leid, aber nur bis ich gesehen hatte, was für schlechte Verlierer sie sind.


Ja, so ging es mir auch.
Die Presseschau zum ersten Prozeßtag ist ein einziges Desaster. Ein Beispiel. Es war ja irgendwie zu erwarten, daß man sich nicht entblöden würde, die Namen der Strafverteidiger bedeutungsschwanger in die Diskussion einzuführen. So gestern geschehen. Zschäpe habe diese Anwälte "zur Verhöhnung" ausgewählt, und die hätten es sich mit sich machen lassen, heißt es: http://www.welt.de/article115922911/Die-...ein-Zufall.html


Und selten war die Metapher vom inneren Reichsparteitag (für die Journalisten) so angebracht wie hier, wenn man sieht, wie die Namen der Anwälte ihre Fantasie beflügeln. Da kann man sich im Eifer des Gefechts schon mal irren:

Zitat
Update 7. Mai 2013: In einer früheren Version dieses Artikels war der Name eines der Zschäpe-Anwälte mit -Helm- angegeben. Richtig muss es heißen -Heer-.

http://taz.de/Kommentar-NSU-Prozess/!115840/

NACHTRAG: Der Welt-Beitrag wurde von der Seite entfernt: http://www.welt.de/article115922911/Die-...ein-Zufall.html

Gruß Petz

"The problem with quotes from the Internet is that it is difficult to determine whether or not they are genuine" - Abraham Lincoln

vielleichteinlinker Offline



Beiträge: 504

07.05.2013 14:26
#30 RE: Berichterstattung Antworten

Zitat
NACHTRAG: Der Welt-Beitrag wurde von der Seite entfernt



http://www.welt.de/kultur/article1159108...-und-Stahl.html

Doeding Offline




Beiträge: 2.612

07.05.2013 14:31
#31 RE: Berichterstattung Antworten

Zitat von vielleichteinlinker
NACHTRAG: Der Welt-Beitrag wurde von der Seite entfernt

http://www.welt.de/kultur/article1159108...-und-Stahl.html



Das ist ja lustig. Die haben also die Überschrift geändert und den Artikel neu verlinkt (im Text kann ich beim Überfliegen soweit keine Veränderungen [aus dem Gedächtnis] entdecken).

Herzliche Grüße,
Andreas Döding

vielleichteinlinker Offline



Beiträge: 504

07.05.2013 14:36
#32 RE: Berichterstattung Antworten

Zitat
Die haben also die Überschrift geändert und den Artikel neu verlinkt



Ja, lustig. Überschrrift und Vorspann sind neu.

http://webcache.googleusercontent.com/se...ein-Zufall.html

Meister Petz Offline




Beiträge: 3.923

07.05.2013 14:47
#33 RE: Berichterstattung Antworten

Zitat von welt.de
Gerade juristischen Laien fällt es sehr schwer zu akzeptieren, dass auch für solche Täter die Unschuldsvermutung gilt, dass auch sie Anspruch auf ein faires Verfahren haben und dass dazu auch eine ordnungsgemäße Verteidigung gehört.

Warum ist das so? Durch die Einhaltung ihrer selbst geschaffenen Regeln kann eine Gesellschaft in solchen Fällen sich selbst und dem Täter beweisen, dass ihr Gerechtigkeit mehr bedeutet als Willkür, Legitimität mehr als Machtausübung. Für ein lohnendes Ziel kann das aber nur dann gehalten werden, wenn man aus Tätern keine Monster macht, sondern sich klarmacht, dass sie Menschen sind, wenn auch entsetzliche Menschen.


Offensichtlich gilt das aber nicht für die Kollegen aus dem eigenen Stall:

Zitat von bild.de
DER TEUFEL HAT SICH SCHICK GEMACHT FÜR DEN PROZESS DES JAHRES!



Gruß Petz

"The problem with quotes from the Internet is that it is difficult to determine whether or not they are genuine" - Abraham Lincoln

nachdenken_schmerzt_nicht Offline




Beiträge: 2.007

07.05.2013 16:09
#34 RE: Zitat des Tages: Bundesinnenminister Antworten

Werte Mitforisten.

Seit einiger Zeit lese ich hier still mit. Leider war es mir niemals vergönnt den Gründer dieses Raumes in einer aktiven Diskussion selbst kennenzulernen. Zu spät wurde ich auf diesen Blog aufmerksam. Daher bleibt mir nur in seinen alten Artikeln zu stöbern, die auch heute selten an Aktualität verloren haben und die Weisheit seiner Einsichten und seine wohltuenden Umgangsformen zu genießen. Ich vermisse ihn, obwohl ich ihn nie zu Lebzeiten kannte. Nun habe ich mich vom stillen mitlesen verabschiedet und mich angemeldet. Weil auch mir dieses Thema hier unter die Haut geht.

Soviel um mich kurz vorzustellen.

Ich habe dummerweise einen Artikel in „der Zeit“ zum Thema und danach etwas in der zugehörigen Forendiskussion gelesen.
Und wieder einmal frage ich mich: Bin ich paranoid, bewerte ich die äußere Form der Meinungsäußerung und Berichterstattung über oder ist die Geisteshaltung in großen Teilen der Gesellschaft wirklich so bedenklich nahe an faschistoiden Tendenzen, wie ich sie wahrnehme:

Es gilt keine Unschuldsvermutung, es werden vernichtende moralische Urteile vorab gefällt und die (von Politik, Medien und Gesellschaft) formulierten Erwartungen an den Rechtsstaat haben mit der „blinden Justizia“ überhaupt nichts mehr zu tun. – Grund die moralisch/politische Motivation, die man der Angeklagten unterstellt. Ich lese von besonders menschenverachtenden Morden, frage mich ob es auch „nicht besonders menschenverachtende Morde“ gibt und bin erstaunt, was alles öffentlich unwidersprochen unterstellt werden darf.

Ein Mitforist hier hatte einen ähnlichen Gedanken wie ich selbst. Das alles erinnert an eine moderne Hexenverbrennung. Viele Menschen scheinen der Meinung zu sein, dass „wenn die Motive nur edel genug sind“ es keine schlechten Taten mehr gibt. – Für mich persönlich ein Hinweis auf faschistische Geisteshaltung. Oder auch ein Hinweis darauf, dass sich unserer Gesellschaft von der mittelalterlichen gar nicht so sehr unterscheidet. Lediglich die Moral ist eine andere und durch den Wohlstand in der Breite sind die Mittel der Repressionen "zivilisierter" geworden.

Übertreibe ich? Möglicherweise.
Aber die Tatsache, dass viele Menschen und auch gesellschaftliche Eliten ein rechtsstaatliches Verfahren in ein moralisches Tribunal umfunktionieren ängstigt mich.

Nicht, dass ich Frau Zschäpe verteidigen möchte. Ich habe gar keine Ahnung von ihrem Fall, außer ein paar „Brocken aus der Presse“, aufgrund derer mich nicht zu einem sachbezogenen Urteil in der Lage sehe, aber:
Dass in politischen- und Sachfragen das „moralisch, ethische Argument“ heutzutage das Sachargument ersetzt ist man ja leider fast schon gewöhnt. Dass jetzt auch rechtsstaatliche Verfahren durch moralische Argumente ersetzt werden sollen, ist doch mehr als gewöhnungsbedürftig.

Ich muß gerade an die Unterscheidung zwischen "linker" und "rechter" Gewalt im Rahmen eines mit moralischem Impetus einghergehenden Kaberett Abends denken: "Linke Gewalt ist moralisch legitmiert."
An dieser Stelle bin ich aufgestanden und gegangen. Die Lobgesänge auf die moralische Integrität und interlektuelle Weitsicht eines Herrn Lafontain kann man einmal einen Abend lang über sich ergehen lassen. So etwas nicht in meinen Augen. Da wurde für mich eine Grenze überschritten - auch wenn das "interlektuelle, moralische" Publikum frenetisch klatschte. -- Prägende Erlebnisse sind das.

Ich frage mich, was ist der Motor? Was ist das Ziel? Oder ist es ein inkohärenter gesellschaftlicher Prozess, mit seinen Triebfedern in der deutschen Geschichte?

Herzlichst

nachdenken_schmerzt_nicht

Doeding Offline




Beiträge: 2.612

07.05.2013 16:51
#35 RE: Zitat des Tages: Bundesinnenminister Antworten

Lieber nachdenken_schmerzt_nicht,

vielen Dank für Ihren Beitrag. In fast allen Punkten empfinde ich es ähnlich wie Sie.

Ich bin nicht sicher, ob es gleich auf Faschismus/Totalitarismus hinausläuft, auch wenn das vielleicht nicht ausgeschlossen ist. Die Hauptgefahr für die Demokratie sehe ich langfristig eher in Brüssel, zumindest solange die Strukturen dort so undurchsichtig und demokratisch unkontrolliert bleiben.

Ich erlebe diese Zeit als eine Zeit positiv beschleunigter gesellschaftlicher Verkrustung im Denken, im Werten; zunehmend im Handeln und Entscheiden. Die Medien verlieren ihre Funktion als demokratisches Korrektiv (hatten sie sie je wirklich inne? Zumindest mehr als heute), sondern gerieren sich als vierte Macht im Staate, aber ohne die Verantwortung hierfür wirklich zu übernehmen oder gar Selbstkontrollinstanzen zu implementieren. Das NSU-Serienverbrechen (für die ganz pingeligen: das mutmaßliche) haben die Medien mindestens genauso verbockt wie die Behörden. Sonst stecken sie ja auch überall ihre Nase rein. Und die einzigen, die sie heute nicht kritisieren, sind sie selbst. Eitle Heuchler! Es gibt natürlich Ausnahmen und Lichtblicke, aber das sind einzelne Autoren, die bisweilen, wie Fleischhauer, fast als Maskottchen betrachtet werden müssen. Als Feigenblatt.

Warum das so ist, ist mir auch nicht ganz klar; möglicherweise wegen der Medienkonzentration in letztlich sehr wenigen Verlegerhänden. Jedenfalls halte ich einen Großteil der vielbeschworenen Politikverdrossenheit eigentlich für eine indirekte und verkapselte Form der Medienverdrossenheit, wobei die Medien es schaffen, diesen Zusammenhang recht gut zu verwischen.

Dieses Land, seine Menschen, wird sehr viel schlechter geschrieben als es ist, und das liegt nicht nur daran, daß sich schlechte Nachrichten besser verkaufen. Medien suchen inzwischen Macht auszuüben, sie gehen in Konkurrenz zur Politik, und dabei gehen sie immer enthemmter vor. Mit der pol. Klasse sind sie bereits fast verschmolzen (irgendwo habe ich mal gelesen, daß der Sündenfall hierzu der Regierungsumzug nach Berlin gewesen sei, da erst damit die große räumliche Nähe zwischen Politik und Medien befeuert worden sei). Jetzt ist die Unabhängigkeit der Justiz an der Reihe, die sturmreif geschossen werden soll.

Ob dahinter ein richtiger "Masterplan" steckt oder ob das ganze letztlich eigendynamischen Gesetzen folgt, weiß ich nicht. Aber gegenwärtig bilden sich gesellschaftliche Spannungen, die irgendwann abgeführt werden müssen, ähnlich tektonischer Spannungen vor einem Erdbeben. Und die sich dann möglicherweise öffnenden Sollbruchstellen sind bereits erkennbar: Währung Euro/ Zentralistische Europaregierung, das Diktat der Political Correctness, Demographische Entwicklung, gescheiterte Einwanderungspolitik. Wie gesagt, ich weiß nicht, ob wir wirklich auf eine Diktatur zusteuern, zumal in einem schleichenden Prozeß (gab es das schonmal historisch?), aber ich sehe großen Raum für Unruhen und bürgerkriegsähnliche Zustände in Europa in diesem Jahrhundert. Die Stimmung in dieser Gesellschaft, so wie ich sie wahrnehme, treibt genau darauf zu.

Herzliche Grüße,
Andreas Döding

Ulrich Elkmann Offline




Beiträge: 14.560

07.05.2013 17:13
#36 RE: Zitat des Tages: Bundesinnenminister Antworten

Lieber nachdenken_schmerzt_nicht, lieber Andreas Doeding:
volle Zustimmung zu beiden Beitragen. Ob "faschistisch" der richtige Begriff ist, scheint mir auch nicht ausgemacht -es scheint mir hier eine Tendenz zur Selbstverblendung & zur Gersinnungsgleichschaltung am Werk zu sein, die alle Gesellschaften bedroht - der Unterschied ist, daß dies totalitären Gesellschaften von vorneherein eingeschrieben ist. Vielleicht bleibt ja, wenn sich der Prozeß so weiter entwickelt, doch nur noch die Hoffnung auf einen hiesigen Zola, der aufsteht & sein "J'accuse" spricht. Herr Grass wird es nicht sein.

In dem Fall wäre das Beste, was vielleicht - außer der Verhinderung eines gerichtlichen Verfahrens in einen Schauprozeß, mit der 4. Gewalt & nicht ganz wenig Politikpersonal als Anschieber - daß in zehn, vielleicht zwanzig Jahren jeder Deutschschüler in der 8. oder 9. Klasse mit einem Stück - wahlweise auch einem Film - traktiert werden wird: "Der Prozeß": ein Stück,das dann die Funktionen übernehmen wird, die Arthur Millers "Hexenjagd" oder Frischs "Biedermann" einmal hatten, bevor es in den Lehrplänen bunt multikultete.

nachdenken_schmerzt_nicht Offline




Beiträge: 2.007

07.05.2013 18:04
#37 RE: Zitat des Tages: Bundesinnenminister Antworten

Wenn ich meine Verwendung des Begriffes Faschismus kurz erläutern darf:

Ich hänge nicht an diesem Begriff und ich verwende ihn möglicherweise nicht "wissenschafltich korrekt", sondern nach eigenem Empfinden.

Faschismus ist für mich das Kreieren einer übergeordente Moral in derem Namen alles erlaubt ist und ein Zustand in dem der Umgang mit Andersdenkenden keiner Ethik mehr genügen muß.

Dies ist ein erschreckendes Szenario in meinen Augen und das was alle totalitären Gesellschaften so schlimm machte, und ich empfinde dass die Grundzüge dieser Geisteshalteung so tief in vielen Menschen sitzt, dass sie gar nicht mehr wahrgenommen wird.

Ich komme mir dabei selbst manchmal sehr blöd und schwarzseherisch vor. Aber mich läßt der Gedanke nicht los, dass die Vision eines totalitären Regimes auf europäischen/deutschen Boden garnicht so unwahrscheinlich ist. Ob er schleichend oder durch Revolution ensteht, vermag ich nicht zu sagen. So viel hat sich verändert in menschlichen Gesellschaften in den letzten Jahrhunderten und so viel ist gleichgeblieben, dass man unmöglich sagen wie dies zusammenwirkt und gesellschaftliche Entwicklungen zukünftig ablaufen werden. Aber die Intoleranz und moralische Überhöhung und das Selbstverständnis mit der sie in unserer Gesellschaft praktiziert werden, lässt mich an dem Endzustand immer weniger zweifeln. In den USA gibt es dieses Selbstverständnis in dem Maße komischer Weise nicht. Woran immer das auch liegen mag.

Ich glaube alleine der allgemein hohe Wohlstand stellt "die letzte Barriere zu dunkleren Zeiten" in Europa/Deutschland dar.

Als ich einmal mit meinem besten Freund über diese Zusammenhänge diskutierte, kam ich auf folgende "Anekdote" aus der Weimarer Republik:
Auf dem Berliner Alexanderplatz steht 1933 ein Mann und hält ein Schild hoch. Auf dem Schild steht zu lesen: "An dem Unglück der Welt sind die Juden und die Radfahrer schuld." Ein Passant läuft vorüber, liest das Schild und Fragt den Mann: "Warum die Radfahrer?"

Dieser Passant hat ganz gewiss die Verbrechen des dritten Reiches nicht zu verantworten. Aber diese Verbrechen hatten ihr Fundament auf der Moral, die auch er als selbstverständlich erachtete, die gesellschaftlich "commen sense" war. Eine Moral, die sich jenseits einer kritischen (selbst)Reflexion bewegte.

Nun spannen sich meine Gedanken weiter und ich "erfand" folgende "Anekdote", die man sich vielleicht in 100 Jahren einmal erzählen könnte:
Auf dem Berliner Alexanderplatz steht 2013 ein Mann und hält ein Schild hoch. Auf dem Schild steht zu lesen: "An dem Unglück der Welt sind die Klima Leugner und die Radfahrer schuld." Ein Passant läuft vorüber, liest das Schild und Fragt den Mann: "Warum die Radfahrer?"


Die Intention meines Vergleiches ist um Gottes Willen nicht die Gleichsetzung historischer Verbrechen mit aktuellen gesellschaftlichen Themen. Ich bitte darum mir dies nicht zu unterstellen. Ich möchte nur darauf hinweisen, dass auch heute unsere Moral die irssingsten Argumente durchaus hoffähig machen kann. Mit allen Gefahren die daraus erwachsen. Und davor ist (das mußte ich am eigenen Leib schon manchesmal erfahren) keiner von uns gefeit. Einzig die Selbstreflektion kann uns schützen. Und da sehe ich schwarz.

Herzlichst


nachdenken_schmerzt_nicht

"Dort, wo es keine sichtbaren Konflikte gibt, gibt es auch keine Freiheit." - Montesquieu

Ulrich Elkmann Offline




Beiträge: 14.560

07.05.2013 19:31
#38 RE: Zitat des Tages: Bundesinnenminister Antworten

Lieber nachdenken_schmerzt_nicht,

in Münster funktioniert die Radfahreranalogie leider nicht.
Wenn Sie dort jemandem sagen: "An A l l e m sind die Radfahrer schuld," dann werden Sie nicht nur volles Verständnis ernten, sondern es handelt sich auch um die schlichte Wahrheit...

Sideeffect ( gelöscht )
Beiträge:

07.05.2013 21:03
#39 RE: Zitat des Tages: Bundesinnenminister Antworten

Zitat von Doeding im Beitrag #8
Wo Sie das grad zur Unschuldsvermutung schreiben: wer muß sich eigentlich zwingend in seinen Annahmen und Formulierungen daran halten? (im besten Fall jeder, schon klar). Aber obligatorisch? Natürlich alle Ermittler und Richter, die mit dem jeweiligen Fall zu tun haben. Aber auch die Medien? Politiker, die keinerlei Weisungsbefugnis für zuständige Ermittler haben?
Ohne eine abschließende Antwort geben zu wollen, oft hilft es schon, Plus- und Minuspol zu vertauschen.

Das folgende bitte nur als Gedankenexperiment ...
Gelöscht vom Moderator
Schon wird vieles klarer.
Im realen Leben werden Sie mindestens wegen eines Verbrechens nach §186 StGB verurteilt. Und das mit Recht.
Aber über Zschäpe & Co. dürfen Sie ungestraft kübelweise Verbaljauche auskippen.

Bei dem Hexensabbat im Februar 2012 hat Merkel erklärt, dass das "Trio" zehn Menschen ermordet hat. Merkel darf das.
Behaupten Sie mal (nur in Gedanken, bitte nicht in reality), Merkel hätte die zehn Morde begangen.

Glaubt noch jemand an Gleichheit vor dem Gesetz?

Was hier abläuft ist nicht einfach nur die Negierung der Unschuldsvermutung, sondern Hetze der übelsten Art. Merkels Verurteilung wäre schon sehr fragwürdig, wenn an der Täterschaft des "Trio" keine vernünftigen Zweifel bestünden. In ihrer Eigenschaft als Politikerin und ziemlich höchste Repräsentantin des Staats hat sie Vorbild zu sein.
Aber es ja noch schlimmer, weil nicht einfach Zweifel an der Täterschaft bestehen, sondern weil Merkel nicht einen sachlichen Beweis vorlegen kann, auf dem ihr Urteil beruht.
Urteil ohne Urteilsbegründung. Was ist der Unterschied zur Willkür?

Glaubt noch jemand, Deutschland wäre ein Rechtsstaat?
Moderator fordert Sie letztmalig auf, die Forumsregeln zu beachten

C.G.Körner Offline



Beiträge: 5

07.05.2013 21:33
#40 RE: Zitat des Tages: Bundesinnenminister Antworten

quote="Doeding"|p96718]

Zitat von CG Körner
Das Gericht unterlässt ja nichts, um auf seine Unabhängigkeit von Politik und veröffentlichter Meinung aufmerksam zu machen - inclusive sich Lächerlich zu machen. Andererseits verwundert in Politikeräußerungen und Kommentatoren vor allem in Richtung des türkischen Medieninteresses der Ton, die diese Unabhängigkeit als Schwäche zu interpretieren neigt.



Fragt sich, wer sich lächerlich gemacht hat bzw. ob die Gefahr des Lächerlichmachens handlungsleitend für das Gericht hätte sein sollen. Jedenfalls ist mir ein lächerliches aber bis zur Borniertheit unabhängiges Gericht sehr viel lieber als ein für die Mehrheitsmeinung zustimmungsfähiges aber abhängiges Gericht.

Herzliche Grüße,
Andreas Döding[/quote]

Freilich ist Lächerlichkeit noch der sympathischste Zug . Bei Borniertheit einer rechtsprechenden Instanz weiß ich nicht recht, ob ich beipflichten würde, wenn ich wie ein Herr Mollath oder als schnellverurteilter "Jenny-Mörder" deren ungerechte Konsequenzen zu erleiden hätte. Dass bei alledem die Unabhängigkeit der Justiz unverzichtbar ist ... Meine Rede.... das scheint mir gerade bei der aktuellen Justitzschelte etwas in den Hintergrund geraten zu sein! Da bin ich vollkommen Ihrer Meinung, Andreas Döding.

Herzlichen Gruß
Sebastian Schauberger

Erling Plaethe Offline




Beiträge: 4.660

07.05.2013 21:42
#41 RE: Zitat des Tages: Bundesinnenminister Antworten

Zitat von C.G.Körner im Beitrag #40
Freilich ist Lächerlichkeit noch der sympathischste Zug . Bei Borniertheit weiß ich nicht recht, ob ich beipflichten würde, wenn ich wie ein Herr Mollath oder als schnellverurteilter "Jenny-Mörder" deren ungerechte Konsequenzen zu erleiden hätte. Dass die Unabhängigkeit der Justiz unverzichtbar ist ... Meine Rede.... das scheint mir gerade etwas in den Hintergrund geraten zu sein! Da bin ich vollkommen Ihrer Meinung

Auf wen beziehen Sie sich, lieber C.G.Körner? Auf welchen Kommentar oder Kommentator? Sie können die betreffende Person direkt ansprechen oder die Funktion "Diesen Beitrag zitieren" verwenden um dies darzustellen.

Viele Grüße, Erling Plaethe

C.G.Körner Offline



Beiträge: 5

07.05.2013 21:49
#42 RE: Zitat des Tages: Bundesinnenminister Antworten

Freilich ist Lächerlichkeit noch der sympathischste Zug . Bei Borniertheit weiß ich nicht recht, ob ich beipflichten würde, wenn ich wie ein Herr Mollath oder als schnellverurteilter "

Auf wen beziehen Sie sich, lieber C.G.Körner? Auf welchen Kommentar oder Kommentator? Sie können die betreffende Person direkt ansprechen oder die Funktion "Diesen Beitrag zitieren" verwenden um dies darzustellen.
Viele Grüße, Erling Plaethe


Danke für den Tipp und sorry, ich war tagsüber arbeiten und bezog mich auf einen Beitrag von Andreas Döding von heute morgen, den ich nicht mehr gelesen hatte. Da ist inzwischen extrem viel Wasser die Isar hinuntergelaufen.

Doeding Offline




Beiträge: 2.612

07.05.2013 21:56
#43 RE: Zitat des Tages: Bundesinnenminister Antworten

Zitat von C.G. Körner
Danke für den Tipp und sorry, ich war tagsüber arbeiten und bezog mich auf einen Beitrag von Andreas Döding von heute morgen, den ich nicht mehr gelesen hatte. Da ist inzwischen extrem viel Wasser die Isar hinuntergelaufen.



Kein Problem, lieber C. G. Körner. Die Zitierfunktion finden Sie auch hier nochmal erklärt. Auch einige Erläuterungen zum nachträglichen Verändern von Beiträgen :

6. Schreiben und Zitieren

Herzliche Grüße,
Andreas Döding

Yossarian Offline




Beiträge: 99

07.05.2013 22:57
#44 RE: Zitat des Tages: Bundesinnenminister Antworten

Petz schrieb

Zitat
Offensichtlich gilt das aber nicht für die Kollegen aus dem eigenen Stall:

Zitat von bild.deDER TEUFEL HAT SICH SCHICK GEMACHT FÜR DEN PROZESS DES JAHRES!



Gruß Petz



Lange habe ich überlegt, was genau mich an diesem Prozess so irritiert. Es ist nicht die Frage, ob die NSU wirklich das von den Medien so benannte Terrornetzwerk mit weitreichenden Unterstützern war, es ist nicht die Frage, ob Behörden weggeschaut haben, es ist nicht die Frage, ob ein latenter Rassismus im Lande herrscht (das letzte zweifel ich auch stark an), nein, was mich irritiert ist die Rolle der Medien, die nicht mehr begreiflich ist.

Wenn man einen Schritt zurücktritt und sich anschaut, wie die Journalisten und Presseverlage agieren, da wird einem einfach nur noch schlecht.

Hier ein aktueller Artikel aus der Zeit:

http://www.zeit.de/gesellschaft/zeitgesc...s-Bilder-Medien

welcher der eigenen Exkulpation dienen soll. Denn sie wissen was sie tun, aber sie tun es trotzdem mit Fleiss. Man sagt immer, die Presse schreibt in solchen Fällen das, was das Publikum hören will, aber auch das ist einfach Schwachsinn.

Mit den verwirrten Artikeln über Zs Auftritt, mit den Bildunterschriften und reißerischen Titeln ist mir ein Bild in den Sinn gekommen, das viele wohl aus ihrem Schulunterricht kennen oder von den ständigen Guido Knopp Sendungen zum 3. Reich. Das Bild eines Angeklagten in runtergekommenen Kleidung, unrasiert, denen der Gürtel genommen wurde. Damals hat ein menschenverachtendes Regime die Aufrechten abgeurteilt. Mit der Situation heute nicht vergleichbar, aber mir scheint, dass einige Menschen vielleicht eher sehen wollen, dass Z. vor Gericht ähnlich zerlegt wird, als das Recht gesprochen wird. Pevers das Ganze. Das die Gutmenschen manchmal näher bei ihren Dämonen sind, als sie selber denken, sieht man auch an dem unseligen Grünen Landtagsabgeordneten, der Rösler die NSU an den Hals wünschte.

Würde es etwas an Zs. Schuld ändern, wenn sie in Fuß- und Handfesseln und Sackleinen vor dem Richter sitzen würde. Würde den Angehörigen ein Leid genommen werden, wenn Z. anders angezogen wäre? Wer sich über ein Lächeln der Angeklagten echauffiert, dies als Provokation, Häme, Verachtung der Opfer interpretiert, der ist schon über die Vorveurteilung hinaus. Hier soll dämonisiert werden. Das hat mit Rechtsstaat rein gar nichts mehr zu tun.

Den Angehörigen kann man das Nachsehen, den Anwälten der Angehörigen nicht, der Presse schon gleich gar nicht.

Die Journalisten schaden dem Land, den Angehörigen, dem Rechtsstaat, sich selbst. Und sie wissen was sie tun. Wenn sie es nicht wissen sollten, dann ist wirklcih fast alles zu spät.


Yossarian

Calimero ( gelöscht )
Beiträge:

08.05.2013 00:42
#45 RE: Berichterstattung Antworten

Zitat von Meister Petz im Beitrag #33

Zitat von bild.de
DER TEUFEL HAT SICH SCHICK GEMACHT FÜR DEN PROZESS DES JAHRES!



Und für manch anderen hängt der Teufel da wohl auch noch an der Wand.

Zitat von Tagesspiegel
Ein türkischer Beobachter beim NSU-Prozess verlangt vom Oberlandesgericht München, dass das Kruzifix aus dem Verhandlungssaal entfernt wird. Das Kruzifix verstoße gegen die Prinzipien des säkularen Rechtsstaates - und sei eine „Bedrohung“ für alle Nichtchristen.


http://www.tagesspiegel.de/politik/nsu-p...ht/8173022.html

Überhaupt hat der Kollege da im Artikel ganz interessante Ansichten. Ich werde das Gefühl nicht los, dass die deutschen Schuldkultisten da in ihrem Reflex-Wahn Geister gerufen haben, die uns jetzt wie ... Kaugummi an den Schuhen kleben.

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Vertrauen in das Volk ist fast immer unbegründet; Kultur ist das Werk weniger. - Zettel

Paul Offline




Beiträge: 1.285

08.05.2013 06:33
#46 RE: Berichterstattung über den Prozess Antworten

Der Prozess nimmt Fahrt auf.
Das habe ich soeben im TSP gefunden.
Jetzt bin ich aber wirklich wach geworden!

Eine sechsköpfige Parlamentarierdelegation aus der Türkei war am Eröffnungstag im Gericht.
Das Ergebnis?

Zitat
Nach dem Auftakt des NSU-Prozesses hat ein türkischer Politiker das Oberlandesgericht in München aufgefordert, das Kruzifix aus dem Verhandlungssaal zu entfernen. Das christliche Symbol stelle einen Verstoß gegen die Prinzipien des säkularen Rechtsstaats dar, sagte der Parlamentsabgeordnete Mahmut Tanal laut Presseberichten vom Dienstag.

Das Kreuz sei zudem eine „Bedrohung“ für alle Nichtchristen, sagte er mit Blick auf die muslimischen Angehörigen der türkischen NSU-Opfer. Deshalb müsse das Kruzifix „sofort“ verschwinden. Tanal gehört der säkularen Oppositionspartei CHP an und war Mitglied der sechsköpfigen Parlamentarierdelegation aus Ankara, die bei der Prozesseröffnung am Montag im Gerichtssaal anwesend war.


http://www.tagesspiegel.de/politik/nsu-p...ht/8173022.html

Was kommt als Nächstes?
Ein Befangenheitsantrag der Türken gegen das gesamte Gericht, weil die Richter keine türkischen Wurzeln haben, acht der zehn Opfer aber türkischstämmig sind?
Oder wird die Verlegung des Prozesses nach Ankara verlangt.

Eine Schande, das die Deutschen so wenig kooperativ sind.

Uzun Alman-Türk dostluğu yaşamak!
(Es lebe die deutsch-türkische Freundschaft)

KARAMBA, MIR KOCHT DER BLUT!

nachdenken_schmerzt_nicht Offline




Beiträge: 2.007

08.05.2013 09:36
#47 RE: Zitat des Tages: Bundesinnenminister Antworten

Lieber Andreas Döding,

Ich kann Ihren Ausführungen sehr gut folgen und finde viele meiner eigenen Gedankenansätze in Ihren wieder.


Auf folgenden Punkt möchte ich vielleicht noch eingehen:

Zitat von Doeding im Beitrag #35
Die Medien verlieren ihre Funktion als demokratisches Korrektiv (hatten sie sie je wirklich inne? Zumindest mehr als heute), sondern gerieren sich als vierte Macht im Staate, aber ohne die Verantwortung hierfür wirklich zu übernehmen oder gar Selbstkontrollinstanzen zu implementieren. ..... Es gibt natürlich Ausnahmen und Lichtblicke, aber das sind einzelne Autoren, die bisweilen, wie Fleischhauer, fast als Maskottchen betrachtet werden müssen. Als Feigenblatt.

Warum das so ist, ist mir auch nicht ganz klar; möglicherweise wegen der Medienkonzentration in letztlich sehr wenigen Verlegerhänden. Jedenfalls halte ich einen Großteil der vielbeschworenen Politikverdrossenheit eigentlich für eine indirekte und verkapselte Form der Medienverdrossenheit, wobei die Medien es schaffen, diesen Zusammenhang recht gut zu verwischen.

Dieses Land, seine Menschen, wird sehr viel schlechter geschrieben als es ist, und das liegt nicht nur daran, daß sich schlechte Nachrichten besser verkaufen. Medien suchen inzwischen Macht auszuüben, sie gehen in Konkurrenz zur Politik, und dabei gehen sie immer enthemmter vor. Mit der pol. Klasse sind sie bereits fast verschmolzen (irgendwo habe ich mal gelesen, daß der Sündenfall hierzu der Regierungsumzug nach Berlin gewesen sei, da erst damit die große räumliche Nähe zwischen Politik und Medien befeuert worden sei). Jetzt ist die Unabhängigkeit der Justiz an der Reihe, die sturmreif geschossen werden soll.


Durch Ihren und auch Yossarians Beitrag habe ich noch einmal über die Presse nachgedacht. Ich stimme Ihrer Analyse über die vierte Macht im Staat vollkommen zu. Schon seit langem. Ihre Frage warum das so ist, kann ich natürlich ebenfalls nicht beantworten, aber ich habe so etwas wie eine „Theorie“ dazu.

Die (ich nenne sie einmal) „grün moralisch alternative Revolution“ unserer Gesellschaft nahm ihren Ursprung bei den 68ern. Diese hatten zumindest starken Rückhalt bei den damaligen Studenten (vor allem der Geisteswissenschaften) und damit den heutigen Intellektuellen. Zum einen haben diese Menschen sicherlich erkannt, wie wichtig „öffentliche Meinungsbildung“ für die Umsetzung eigener Ziele ist, zum anderen liegt es auf der Hand das intellektuelle Eliten aus den Geisteswissenschaften ohnehin in solche Berufe wie Journalismus drängen. Diese Menschen und ihre Nachfolger verantworten noch heute in großen Teilen das, was man Journalismus nennt und nutzen ihn weiterhin zu „Bewerbung ihrer politischen und gesellschaftlichen“ Ansichten. Insofern ist es eine Art Anachronismus. Ein „Geschenk“ der 68er Revolution, die hier in Deutschland wohl aufgrund der Geschichte des Dritten Reiches weitaus „intensiver“ ablief als anderswo in der Welt. Man hatte mehr zu bewältigen. Solche Entwicklungen gibt es auch in anderen „Berufszweigen“. Öffentlicher Dienst oder Lehrerberuf zum Beispiel.

Und das erklärt in meinen Augen warum sich diese Weltsicht auch bei uns so tief in unserem Selbstverständnis verankert hat. Presse und Lehramt tragen so viel in der Entwicklung Junger Menschen zum Prägen eines Weltbildes bei, welches man dann später nicht mehr hinterfragt.

Ich möchte ein Beispiel anhand meiner eigenen Person bringen.
Geboren 1970 wuchs ich auf mit Waldsterben, mit dem Monster Mensch welches die Natur zerstört. Ich las Artikel, sah Dokumentation, lernte in der Schule wie der Mensch die heile Welt der Natur zerstört, ein Verbrechen an der ihr innewohnenden Moral begeht. Und diese Dokumentationen erschienen mir so richtig, so wichtig, so selbsterklärend in ihrer durch und durch guten Botschaft. Und ich hatte eine tief verwurzelte Angst um unsere schöne Welt.

Ich sah gestern zufällig wieder im WDR eine kurze Dokumentation über einen Baggersee und seine Fauna. Die lieben unschuldigen Vögel, Fische und anderes Getier, der böse Mensch. Und auch wenn ich gerne Naturfilme sehe, weil ich ein Mensch bin der sich auch äußerst gerne und viel in freier Natur aufhält, hat mich diese moralische Botschaft, von der man einfach nicht lassen kann und die sehr durch eine gewisse und auch beschränkte Empfindung geprägt ist, angewidert.

Es hat mich ein bisschen an folgendes erinnert:
Zum einen las Ich Karl May als Kind. Wundervolle Abenteuer. Erstklassige Bücher. Ich habe dann als erwachsener einige seiner Bücher nochmals gelesen und war erschrocken welch chauvinistischen, engstirnigen Werke das sind. Ich möchte sie damit nicht schlecht machen. Es sind immer noch tolle Bücher. Aber dieser Teil des transportierten Weltbildes ist mir einfach entgangen als Kind. Der Blick eines erwachsenen auf seine Geschichten ist nun einmal ein anderer als der eines Kindes.

Was will ich damit sagen?
Uns wird in der Erziehung, über Schule, Medien und Öffentlichkeit ein Selbstverständnis vermittelt, welches wir oft gar nicht mehr hinterfragen können. Im Sinne von Karl May: Wir schaffen es nicht mehr ““erwachsen““ zu werden.

Was mich in Sachen „Gute Natur, böser Mesnch“ geläutert hat, war eher zufällig und (aus meiner Sicht zumindest) eine Verkettung von glücklichen Umständen:
Zum einen ein abgeschlossenes Studium der Physik, mit in der Sache guten Professoren. Ich habe darin begriffen, dass „Moral“ keine Kategorie ist die zur Beschreibung der Natur taugt. Im Gegenteil. Es sind „einfache“ Gesetzmäßigkeiten frei von „aktiver Moral“, welche die Natur, die Interaktion allen Seins bestimmen und regeln. Verneint man dies, versucht man aktiv zu moralisieren, „vergewaltigt“ man die Natur und das „Sein aller Dinge“.
Zum anderen bin ich in meinen Anlagen und durch die Eziehung meiner Eltern ein Mensch den Extreme ängstigen und der alleine deswegen schon gerne widerspricht, um es nicht einseitig werden zu lassen. Dies tat ich auch schon zu meiner Schulzeit gerne. Allerdings nie aus Überzeugung, sondern nur um einen Kontrapunkt zu setzen. Und das machte mitunter einsamer als man mochte. Ich habe da zum Teil noch lebhafte Erinnerungen.

Jetzt bin ich abgeschweift. Was wollte ich eigentlich sagen?

Ach ja die Pressse. :-)

Zettel hat einmal geschrieben (soweit ich mich erinnere), dass die deutsche Presse im Vergleich zur angelsächsischen sehr viel „meinungslastiger“ ist. Das oft gar keine Sachverhalte, sondern Meinung transportiert werden. Da ich nicht wirklich viel englische Presse lese, kann ich das nicht wirklich beurteilen, aber ich glaube Zettel und es passt für mich ins Bild. In Deutschland war die Presse ein Instrument der 68er um Einfluß in der Gesellschaft zu erlangen und das ist sie geblieben. Selbiges gilt für bestimmte „öffentliche“ Berufszweige, wie den Lehrer Beruf. Ich glaube dabei nicht, dass dies ein geplanter und gesteuerter Prozess ist. Es ist einfach eine logische Abfolge gesellschaftlicher Entwicklungen.

Soweit meine Gedanken. Sie mögen falsch sein und vieler Korrekturen bedürfen, doch ich bin ziemlich sicher, dass Sie auch einen zumindest kleinen Teil der Wahrheit in sich tragen.

Herzlichst

Nachdenken_schmerzt_nicht

"Dort, wo es keine sichtbaren Konflikte gibt, gibt es auch keine Freiheit." - Montesquieu

Thanatos Offline



Beiträge: 232

08.05.2013 09:49
#48 RE: Zitat des Tages: Bundesinnenminister Antworten

Zitat von Yossarian im Beitrag #44
Petz schrieb

Zitat
Offensichtlich gilt das aber nicht für die Kollegen aus dem eigenen Stall:

Zitat von bild.deDER TEUFEL HAT SICH SCHICK GEMACHT FÜR DEN PROZESS DES JAHRES!



Gruß Petz


Lange habe ich überlegt, was genau mich an diesem Prozess so irritiert. Es ist nicht die Frage, ob die NSU wirklich das von den Medien so benannte Terrornetzwerk mit weitreichenden Unterstützern war, es ist nicht die Frage, ob Behörden weggeschaut haben, es ist nicht die Frage, ob ein latenter Rassismus im Lande herrscht (das letzte zweifel ich auch stark an), nein, was mich irritiert ist die Rolle der Medien, die nicht mehr begreiflich ist.

Wenn man einen Schritt zurücktritt und sich anschaut, wie die Journalisten und Presseverlage agieren, da wird einem einfach nur noch schlecht. [...]



Lieber Yossarian, danke für den Beitrag, 100% zutreffend. Natürlich wissen die, was sie tun. Es ist die Meute, die ein Opfer gefunden hat und es hetzt. Von keiner Seite wird Einhalt geboten, nein, im Gegenteil: gegenseitige Bestätigung von ARD bis ZEIT. Jede(r) macht mit. In religiösem Eifer wird der aktuelle Satanas bekämpft. Diesen Jagdtrieb, diese Hetze hat man ganz genauso schon bei der Treibjagd auf Herrn Wulff gesehen, schon damals hat es mich extrem angeekelt.

Journalisten stehen seit langem bei mir in der Berufshierarchie GANZ unten. Tiefer geht nicht. Tja.

MfG

Thanatos

--

Unmögliches erledigen wir sofort.

Robin Offline



Beiträge: 317

08.05.2013 10:08
#49 RE: Zitat des Tages: Bundesinnenminister Antworten

Lieber Yossarian,

Zitat von Yossarian im Beitrag #44
Lange habe ich überlegt, was genau mich an diesem Prozess so irritiert. Es ist nicht die Frage, ob die NSU wirklich das von den Medien so benannte Terrornetzwerk mit weitreichenden Unterstützern war, es ist nicht die Frage, ob Behörden weggeschaut haben, es ist nicht die Frage, ob ein latenter Rassismus im Lande herrscht (das letzte zweifel ich auch stark an), nein, was mich irritiert ist die Rolle der Medien, die nicht mehr begreiflich ist.

Interessanterweise wird diese Rolle ja aber völlig unterschiedlich ausgefüllt. Die Bild, die ja in diesem Zusammenhang häufig an erster Stelle genannt wird mit der Bildunterschrift "Der Teufel hat sich schick gemacht" kommt dabei meiner Meinung nach viel ehrlicher daher, als solche Medien, die Seriosität und Unparteilichkeit heucheln und zugleich ganz sublim in Text und Bild manipulieren. Eben kaum greifbar. Nebenbei versteht es die Bild, noch eine Anspielung auf den Titel des Weisberger-Romans unterzubringen.

Zitat von Yossarian im Beitrag #44
Das die Gutmenschen manchmal näher bei ihren Dämonen sind, als sie selber denken, sieht man auch an dem unseligen Grünen Landtagsabgeordneten, der Rösler die NSU an den Hals wünschte.

zur Korrektur: Christopher Kerkovius hat, sowie ich es den Medien entnommen habe, nur für die Grünen kandidiert bei den Wahlen zum Mecklenburger Landtag 2006, hatte aber kein Mandat erlangt. Nach der Kritik an seiner Äußerung ist er ausgetreten (wohl um einem Parteiausschluss zuvorzukommen.)

Viele Grüße
Robin

nachdenken_schmerzt_nicht Offline




Beiträge: 2.007

08.05.2013 10:31
#50 RE: Zitat des Tages: Bundesinnenminister Antworten

Zitat von Ulrich Elkmann im Beitrag #36
-es scheint mir hier eine Tendenz zur Selbstverblendung & zur Gersinnungsgleichschaltung am Werk zu sein, die alle Gesellschaften bedroht - der Unterschied ist, daß dies totalitären Gesellschaften von vorneherein eingeschrieben ist.


Lieber Ulrich Elkmann.

Ich habe gestern noch ein bisschen über diesen Satz nachgedacht. Was meinen Sie damit?

Ich habe es so verstanden, dass Sie glauben es müßte ein „positiv definiertes Kriterium“ geben welches festlegt, dass eine Gesellschaft totalitär werden kann, bzw. das vorhanden sein dieses (wie auch immer ausschauenden) Kriteriums führt automatisch zum totalitären Staat.

Dem würde ich (wenn es so gemeint war) widersprechen wollen.

Da der Mensch an sich ein interessengesteuertes Wesen ist, welches zunächst einmal nur an den eigenen Vorteil denkt, wohnt die Gefahr einer ungesunden Überhöhung eigener Interessen grundsätzlich jedem Menschen inne. Wenn sich diese Interessen innerhalb einer Gesellschaft organisieren, damit auch jeder Gesellschaft.
Überhöhung bestimmter Gesellschaftlicher Interessen und deren rücksichtloses durchsetzen ist das Gegenteil von Liberalismus und damit in meinen Augen Totalitarismus.

Mit anderen Worten: Ich glaube nicht dass es eine „Saat zum Totalitarisumus“ gibt, die in bestimmten Gesellschaften angelegt ist. Sondern ich glaube, dass jede menschliche Gesellschaft grundsätzlich die Anlagen zum Totalitarismus hat, diesen Anlagen aber andere Werte entgegen stehen, die ihn verhindern können. In meinen Augen ein wesentlicher Unterschied zu meinem Verständnis ihrer Beschreibung.



Einer der ganz wesentlichen Werte, die dem Entstehen von Totalitarismus entgegen stehen, ist die „Freiheit“. Einer der Werte die ihn befeuern ist die „Gleichheit“. Und das ist was mich im Hinblick auf Deutschland so unruhig macht.

Es gibt Gesellschaften, die sich traditionell der Freiheit verpflichtet fühlen. Gesellschaften, die den Wert der Freiheit an sich schätzen. So zum Beispiel die USA oder auch die Schweiz. Auch wenn es in diesen Ländern „bedenkliche gesellschaftspolitische Ansätze“ geben mag, wird die gesellschaftliche Wertschätzung von „Freiheit“ einen totalitären Staat, nach meiner Ansicht, immer verhindern.

In Deutschland Verhält sich dies anders. Der Begriff Freiheit führt bestenfalls ein stiefmütterliches Dasein. De facto würde ich sagen, ist er sogar durch und durch negativ konnotiert. Der Begriff Freiheit steht eher für eine „Willkürherrschaft der Starken über die Schwachen“, als das was sie wirklich ist: Das Gegenteil von Unterwerfung durch Willkür. Für die Freiheit zu sein, ist in Deutschland ein moralisch bedenklicher Standpunkt.
Im Gegensatz dazu, ist die Gleichheit ein an sich hoher moralischer Wert unserer Gesellschaft und durch und durch positiv konnotiert.

Die Werte der frz. Revolution waren Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit und es kam Robespierre als man sich von der Freiheit verabschiedete.

Deutschland ist traditionell ein Land, welches sich der Gleichheit verpflichtet sieht und der Freiheit sehr argwöhnisch gegenüber steht.
Ich habe vor einiger Zeit einmal einen sehr erhellenden Artikel mit einer einleuchtenden historischen Erklärung dazu gelesen, warum dem so ist. Weiß aber leider nicht mehr wo und wie die Argumentationslinie war, was ich sehr bedauerlich finde. :-(

Diese Lechzen nach Gleichheit bei gleichzeitigem Argwohn gegen Freiheit mag auch ein Grund dafür sein, dass sowohl Faschismus wie auch Kommunismus in Deutschland (historisch) schon immer auf fruchtbaren Boden fielen und in diesem Zusammenhang sehe ich eben auch bestimmte geselsschaftliche Entwicklungen hierzulande als äußerst bedenklich an.

Herzlichst


nachdenken_schmerzt_nicht

"Dort, wo es keine sichtbaren Konflikte gibt, gibt es auch keine Freiheit." - Montesquieu

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