Zitat von TiefseetaucherNein, hier ein einfaches Beispiel zur Veranschaulichung. Wenn ich z.B. behaupte, dass die Temperatur in dem Zimmer, in dem ich mich gerade aufhalte, 100°C beträgt, lüge ich, da ich weiß, dass die Temperatur nicht 100°C beträgt, auch wenn ich nicht weiß, ob die Temperatur jetzt vielleicht 20°C, 19°C oder 21°C beträgt, ich also die Wahrheit nicht kenne.
Schönes Beispiel. Ich glaube aber, daß sich, um in dem Bild zu bleiben, die fiesen Diskussionen eher weniger um die Frage der Temperatur an sich drehen, sondern um die Frage, ob dies etwa als "kalt" oder "warm" zu empfinden sei. Sie können im gleichen Raum schwitzen, ich frieren. Beides ist für uns, schon aus unmittelbarem Erleben heraus, subjektiv wahr. Und wenn Sie jetzt das Fenster aufmachen wollen, ich aber die Heizung aufdrehen, dann haben wir wohl ein Problem mit der jeweiligen Meinung des anderen.
Das halte ich für ein Gerücht. Eine pädophile "Grundhaltung" i. S. einer Neigung (ohne erfolgte Straftaten, die aktenkundig geworden wären) ist ja qua definitionem nicht bekannt und kann folglich nicht zu einer Zwangsbehandlung führen. Und wenn ein pädophil Veranlagter sich freiwillig in Behandlung begibt (was nicht selten der Fall ist), ohne je strafbar geworden zu sein, dann braucht es keine Zwangsbehandlung mehr. Ich wüßte auch nicht, daß dergleichen politisch betrieben würde. Edit der erste Teil stimmt aber. Pädophilie gehört nach der WHO-Psychiatrieklassifikation zu den sog. Paraphilien und gilt damit als Krankheit. Nur Zwangsbehandlung gibt es nicht. (Ende Edit) Etwas anderes ist es natürlich, wenn pädophil Veranlagte auch auffällig/strafbar geworden sind durch sexuelle Handlungen an Minderjährigen. Dann greift natürlich die Zwangsbehandlung, ggf. auch Maßregelverzug. Oder einfach Knast. Herzliche Grüße, Andreas Döding
Werter Döding, ich will mich mit diesem für mich wiederwärtigen Thema nicht länger beschäftigen als nötig... nur so weit: Sie haben in so weit Recht, als das, was ich in Erinnerung hatte, Osteuropa betraf, und nicht Deutschland.
An der grundsätzlichen Frage, dass Gesellschaften eine Grenze ziehen müssen, ab wann eine Abnormität zur Zwangsbehandlung führen darf, ändert sich nichts. Nur, dass wir hier noch nicht ganz so weit sind. Und hoffentlich auch nie sein werden.
Zitat Zitat -------------------------------------------------------------------------------- Der Holocaust - besser die Shoa - ist eine Tatsache. --------------------------------------------------------------------------------
Das sehe ich auch so. Aber wenn nun jemand durch sehr einseitige Information zum Schluß kommt, es wäre keine Tatsache?
Ich bin hier auf der Seite von R.A. Eine Unterscheidung zwischen "Tatsache" und "Meinung" hilft nicht weiter. Denn jede Tatsachen-Feststellung kann immer nur vorläufig und subjektiv sein.
Selbst bei besonders sicher etablierten "Tatsachen" ist das so. Die Wissenschaftsgeschichte ist doch voll von Beispielen von wissenschaftlich als gesichert geltenden "Tatsachen", die sich durch spätere Erkenntnisse als nicht haltbar herausgestellt haben. Würde man das Bestreiten dieser "Tatsachen" nicht durch die Meinungsfreiheit decken, dann käme der wissenschaftliche Fortschritt zum erliegen.
Einmal ganz abgesehen davon, dass es dann immer die Mehrheit ist, die festlegt, was "Tatsache" ist. Die Grundrechte sind aber gerade keine Rechte zum Schutz der Mehrheit (denn die Mehrheit benötigt keinen Schutz), sondern sie dienem dem Schutz der Minderheit. Auch wenn 99,9% der Bevölkerung davon überzeugt ist, dass die Erde eine Kugel ist - die 0,1%-Minderheit hat ein Recht auf ihre Meinung, dass es eine Scheibe sei.
Das Holocaust-Beispiel ist in Deutschland natürlich vermintes Gelände. Daher einmal ein (aus deutscher Sicht) neutrales Beispiel, das aber deutlich macht, warum Einschränkungen auch in diesem Fall problematisch sind:
In Frankreich gilt m.W. der Völkermord an den Armeniern als Tatsache und seine Leugnuns steht unter Strafe. In der Türkei gilt hingegen als Staatsdoktrin, dass es keinen Völkermord an den Armeniern gab. Dies zu behaupten steht m.W. unter Strafe. Ganz offensichtlich sieht mindestens eine dieser beiden Staaten die "Tatsachen" falsch. Und für einen freiheitlichen Diskurs wäre es sicher besser, wenn keine von beiden Behauptungen unter Strafe stehen würde. (Konkret erscheint mit der intellektuelle Austausch unter Historikern dieser beiden Länder kaum möglich bzw. er kann nur auf neutralem Gebiet stattfinden).
Aber trotzdem,lieber Tiefsetaucher( Beitrag #19*), nichts für ungut, ich versuche es auch noch mal, weil es kein böser Wille von Ihnen ist, sondern einfach ein Denkfehler:
- Die Wahrheit: 20 Grad Zimmertemperatur. - Die Mitteilung: 100 Grad Zimmertemperatur, obwohl ich weiß, dass dies nicht stimmt. Es ist also eine Lüge, weil ich weiß, dass es nicht stimmt. Es ist keine Meinung, sondern eine Behauptung, von der ich aber weiß, dass sie nicht stimmt. Die Wahrheit, dass es 20 Grad sind, muss ich dazu nicht wissen.
Ich hoffe lieber Tiefseetaucher, dass ich mich verständlich machen konnte.
Ich habe nach einer Differenzierung gesucht und meinte sie in der Bezeichnung Meinung und Lüge gefunden zu haben. Das war ein Irrtum.
Jetzt gehe ich davon aus, dass es Wahrheit und Behauptung ist.
Die Behauptung wird durch die Meinungsfreiheit nicht gedeckt.
Ich versuche es mit einem Beispiel, um diese These praxistauglich zu machen:
"Je früher die Kinder freiwillig Sex mit einem Erwachsenen haben, desto besser ist es für Ihre geistige, persönliche und sexuelle Entwicklung."
Das ist eine Behauptung, die nicht durch die Meinungsfreiheit gedeckt wird.
Zitat von PaulDie Behauptung wird durch die Meinungsfreiheit nicht gedeckt
.
Woiß I net, lieber Paul...
Lügen haben kurze Beine Ehrlich währt am längsten Der frühe Vogel fängt den Wurm Einmal ist keinmal ...
Was hätte wohl Ihre von mir unbekannterweise hochgeschätzte Oma dazu gesagt, wenn Sie ihr all diese objektiv unwahren Tatsachenbehauptungen abspenstig gemacht hätten?
Zitat von Paul im Beitrag #18 Aber ist es nicht so, dass ich, wenn ich weiß, dass die Tatsache die ich behaupte, nicht stimmt, ich die Wahrheit kennen muss?
Nein, hier ein einfaches Beispiel zur Veranschaulichung. Wenn ich z.B. behaupte, dass die Temperatur in dem Zimmer, in dem ich mich gerade aufhalte, 100°C beträgt, lüge ich, da ich weiß, dass die Temperatur nicht 100°C beträgt, auch wenn ich nicht weiß, ob die Temperatur jetzt vielleicht 20°C, 19°C oder 21°C beträgt, ich also die Wahrheit nicht kenne.
Entschuldigung daß ich vorpresche aber da bin ich ganz anderer Meinung: Die Wahrheit in diesem Bespiel ist doch, daß die Temperatur NICHT 100° beträgt. Ob sie nun genau 19,23758110942387° beträgt steht damit aus meiner Sicht in keinem (ok, fast keinem) Zusammenhang.
Herzlich Ungelt
Genau das wollte ich mit meinem Beispiel verdeutlichen. Es reicht aus zu wissen, dass die Aussage, die man tätigt, eine falsche Aussage ist.
Ich sehe in meinem Beispiel die Analogie zum Widerspruchsbeweis in der Mathematik, der ist auch meist einfacher zu führen als andere Beweismethoden.
Ich habe Paul nämlich so verstanden (er möge mich korrigieren, falls ich ihm da Unrecht tue), dass es aus seiner Sicht in meinem Beispiel erforderlich wäre zu wissen, wie hoch die Temperatur ist, also eine wahre Aussage machen zu können. Der Begriff Wahrheit ist in meinem Beispiel vielleicht etwas zu hoch gegriffen, wahre Aussage ist hier wohl besser.
A common mistake that people make when trying to design something completely foolproof is to underestimate the ingenuity of complete fools. Douglas Adams
Grundsätzlich gilt als liberale Maxime: Die Freiheitsrechte des Einzelnen sollten möglichst weit gefasst sein. Sie enden allerdings dort, wo sie die Freiheitsrechte des Anderen beschneiden.
Soweit erst einmal die Theorie. Problematisch wird es dann, wenn man beurteilen soll, welches Recht nun welches andere Recht beschneidet.
Klar dürfte noch sein, dass körperliche Schädigungen eines anderen in dessen Rechte eingreift. "Schlagt alle Schwaben tot" dürfte daher nicht mehr durch die Redefreiheit gedeckt sein.
Aber auch schon in der Stufe darunter gibt es Graubereiche. "Alle Schwaben sind doof" zum Beispiel ist ein Angriff auf das Persönlichkeitsrecht eines Schwaben. Ich möchte jetzt gar nicht Schiedsrichter spielen, welches Recht nun gewinnen sollte (das Recht auf freie Rede? Oder das Persönlichkeitsrecht, nicht beleidigt zu werden?). Sondern hier nunr folgender Hinweis:
Der Blickwinkel ist in Deutschland ein komplett anderer als z.B. in den USA. Dies wird symbolisch schon am Grundrechtskatalog deutlich. In Deutschland lautet Art.1GG: "Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt. (...)" In den USA lautet das 1. Grundrecht (1st Amendment) hingegen: "Congress shall make no law (...) abridging the freedom of speech, or of the press (...)."
In den USA wird die Redefreiheit viel höher gehalten als in Deutschland. Vollkommen undenkbar, dass ein amerikanischer Präsident damit durchkäme, einem Bürger die Behauptung zu verbieten, er färbe sich die Haare.
Zitat von Florian im Beitrag #33Klar dürfte noch sein, dass körperliche Schädigungen eines anderen in dessen Rechte eingreift. "Schlagt alle Schwaben tot" dürfte daher nicht mehr durch die Redefreiheit gedeckt sein.
Schon an dieser Stelle findet ein Kurzschluß statt, der der ganzen PC-Ideologie zugrundeliegt.
Dadurch, daß jemand 'Schlagt alle Schwaben tot' sagt, hat er doch noch keinem Schwaben körperlich geschadet. Er hat zwar etwas sehr Dummes gesagt, dem niemand zustimmen muß oder sollte, aber ich sehe keinen Grund, warum es nicht durch die Redefreiheit gedeckt sein sollte. Es ist etwas anderes, wenn er einen Verein gründet, der es sich zum Ziel setzt, alle Schwaben totzuschlagen, und konkrete Anstalten dazu macht: das ist zu Recht strafbar.
Danke für die sehr tiefen und guten Überlegungen, in der Tat ein schwieriges Gebiet.
Ein Punkt, den ich bisher vermisst habe ist die Unterscheidung der verschiedenen Formen der sprachlichen Äußerungen. Konkret wäre zu nennen
Äußern einer Meinung Aufforderung zu einer Straftat Volksverhetzung Beleidigung
Lauf Gesetz ist nur die erste sprachliche Form durch das Grundgesetz mit einer Freiheitsregel bedacht, die anderen sprachlichen Äußerungen sind verboten, auch wenn dadurch keine Menschen unmittelbar zu Schaden kommen. Nach der Rechtsgeschichte der Bundesrepublik ist das auch nur zu verständlich, denn Worte können unter Umständen mehr Schaden anrichten als Taten.
Die Differenzierung zwischen den Äußerungen ist oftmals sehr schwierig und unsere Gerichte haben sich zum Teil lange damit auseinandergesetzt. Das Beispiel ist hier der Spruch "Soldaten sind Mörder". Meines Wissens war die Rechtssprechung zuerst so, dass dies unter Beleidigung fiel und daher verboten, inzwischen wird es aber zur Meinungsfreiheit gezählt, wenn nicht durch Umstände oder andere Handlungen des Äußernden klar wird, dass bestimmte Soldaten gemeint sind, dann ist es wieder eine Beleidigung.
Zitat von Ulrich Elkmann im Beitrag #20Das ist es mit so einigen hoch-berühmten Zitaten, die Allgemeingut geworden sind
Da muß ich dann auch an den Propagandabegriff "La Grande Nation" denken. Die meisten Deutschen sind sich des beleidigenden Gehalts gar nicht bewußt, das kann dann bei Franzosen zu ziemlichen Irritationen führen.
Zitat von Paul im Beitrag #29"Je früher die Kinder freiwillig Sex mit einem Erwachsenen haben, desto besser ist es für Ihre geistige, persönliche und sexuelle Entwicklung."
Das ist eine Behauptung, die nicht durch die Meinungsfreiheit gedeckt wird.
Dem würde ich widersprechen (wie auch der Behauptung selber).
Das ist m. E. schon eine zulässige Äußerung, es sollte auch möglich sein, solche Thesen mit Pro und Contra zu diskutieren. Es gehört aber auch zur Meinungsfreiheit, daß man Menschen, die solche Behauptungen ernsthaft vertreten, mit recht deutlichen und negativen Bewertungen versieht.
Zitat von Fluminist im Beitrag #34Dadurch, daß jemand 'Schlagt alle Schwaben tot' sagt, hat er doch noch keinem Schwaben körperlich geschadet. Er hat zwar etwas sehr Dummes gesagt, dem niemand zustimmen muß oder sollte, aber ich sehe keinen Grund, warum es nicht durch die Redefreiheit gedeckt sein sollte.
Das kommt halt sehr auf den Kontext an.
Wenn das jemand am gemütlichen Stammtisch in der Freiburger Altstadt sagt, und dann alle mit einem fröhlichen "Prost" antworten - dann ist das natürlich ok.
Wenn das aber jemand ausruft, wenn vor ihm eine Meute wütender und bewaffneter Badener das Regierungspräsidium stürmen will, aus dessen Fenster angsterfüllt die aus Stuttgart entsandten Beamten schauen - dann würde das wohl strafrechtliche Folgen haben. Und zwar unabhängig davon, ob im Anschluß wirklich Schwaben zu Schaden kommen.
Zitat von Frank2000 im Beitrag #25 Lügen ist in Deutschland grundsätzlich erlaubt - und zwar unabhängig von der freien Meinungsäußerung. Erstaunlich, dass ich diese simple Wahrheit immer wieder erklären muss... Lügen ist erlaubt. Punkt. Das ist Teil der Persönlichkeitsrechte. Es gibt Bereiche, die vom Recht auf Lüge AUSGENOMMEN sind, aber GRUNDSÄTZLICH darf ich Lügen so viel ich will.
Lieber Frank, auch ich muss dies bisher überlesen haben. Es gilt wieder das alte Sprichwort: "Lügen verbreiten sich alleine, die Wahrheit hat es sehr viel schwerer."
Sicherlich war in meinem Kopf auch zu sehr die Moral im Vordergrund und weniger das Gesetz.
Egal, ich will Dir glauben, auch wenn Du ja gefahrlos lügen könntest. ( Das war jetzt ein kleiner Kalauer, den ich einfach nicht "liegen lassen " konnte.)
Sicherlich habe ich das auch noch mit der Strafbarkeit der Folgen einer Lüge in "einen Topf geworfen".
Bisher habe ich aus dem Begriffspaar Meinung - Lüge auch das Paar Meinung - Behauptung gemacht.
Meine These: Die Meinungsfreiheit deckt nicht eine unwahre Behauptung.
Zitat von R.A. im Beitrag #38Das kommt halt sehr auf den Kontext an.
Stimmt, der Kontext ist das A und O. Wenn der Satz Teil einer Regierungserklärung ist (und das ist leider kein hypothetischer Fall), dann ist er natürlich verheerend.
Kontext ist extrem wichtig und wird ja in bestimmten Bereichen schon vom Recht gewürdigt: so kann dieselbe (auch rein verbale) Handlung ein harmloser Flirt oder ein strafbarer sexueller Übergriff sein, je nachdem ob die Zielperson sich dadurch belästigt fühlt oder nicht. Das bloße Empfinden einer Person liefert hier den (oft schwer überschaubaren und insbesondere sehr schwer vorhersehbaren) Kontext, der alles völlig verändert.
Andererseits ist es gerade bei der 'political correctness' üblich, den Kontext auszublenden und jede Äußerung separat einer maximal ungünstigen Interpretation zu unterwerfen; gerade dieser Aspekt macht PC so destruktiv. Ein Beispiel hat kürzlich der Skandal um den Auftritt des Alleinunterhalters Reginald D. Hunter gegeben, der ein Tabuwort zwar in eindeutig ironischem und humoristischem Kontext verwendet hat, aber dennoch jedem Anschein und jeder Logik zum Trotz als Rassist gebrandmarkt wurde. Der Kontext wird dabei bewußt und absichtlich ausgeblendet:
Zitat von sp!kedHow could a black man’s ironic use of ‘nigga’ in a comedy routine possibly be branded as racially offensive? Because, as a statement from the FA’s official anti-racism lobby Kick It Out made clear, the football establishment now ‘condemns racial slurs, the use of the n-word, irrespective of context’. The words which should really grate with any thinking person here are ‘irrespective of context’.
Nicht nur der Kontext, sondern auch die Absicht des Sprechenden wird ignoriert:
Zitat von sp!kedThe institutionalised idiocy of the concept of ‘unwitting racism’ was written into UK law and every organisation’s rules following the Macpherson Report into the racist murder of Stephen Lawrence in London 20 years ago. It basically declares that people are so stupid that we can be racist without even knowing it, and that words can be racist even if the user did not mean them to be. Or, as the FA and PFA have it, ‘regardless of its context’. So one outraged liberal commentator could seriously say of Hunter that ‘a racial slur is a racial slur’ – even if the accused is not a racist, and is not slurring anybody?
Wenn man das konsequent weiterführt, dann erreicht man bald eine Situation, in der die Sprache auf einen kleinen erlaubten Kern zurechtgestutzt ist, der es nur noch erlaubt bestimmte Inhalte auszudrücken. Aussagen wie die, die Llarian in seinem Artikel als Prüfstein verwendet, können dann gar nicht mehr gemacht, langfristig nicht einmal gedacht werden. Schlimmer: die Aussagen, die dann noch gemacht werden können, können nicht mehr relativierend in Frage gestellt werden. Das ist zwar das Ziel von PC, aber es ist auch das Ende der geistigen Kultur.
xanopos
(
gelöscht
)
Beiträge:
10.05.2013 15:18
#41 RE: Meinungsfreiheit. Ein Gastbeitrag von Llarian
Zitat von Paul im Beitrag #7Nur ein Gedanke noch: Tatsachenbehauptungen fallen bei mir nicht unter Meinungsfreiheit. Der Holocaust - besser die Shoa - ist eine Tatsache. Wenn ich die abstreite,lüge ich. Lügen fallen bei mir nicht unter Meinungsfreiheit. Lügen ist verboten.
Ist es verboten (rechtlich, moralisch, whatever) zu behaupten die bemannten Mondflüge waren ein Hoax.
Zitat von R.A. im Beitrag #14 Nur mal als Beispiel: Die anthropogene Klimakatastrophe gilt bei vielen Leuten als wissenschaftlich gesicherte Tatsache. Diese Theorie kritisch zu sehen wäre dann nach ihrer Maxime eine Lüge und könnte im Prinzip - wie die Holocaust-Lüge - bestraft werden. Was ja auch von einigen Fanatikern schon gefordert wurde.
Danke, lieber R.A., für dieses Beispiel. Es kommt nicht darauf an, was Viele für eine Tatsache halten, sondern darauf, was eine Tatsache ist. Ich gebe zu, es ist schwierig abzugrenzen, was eine Tatsache ist und was nur eine Behauptung. Aber schon, wenn es heißt "viele", deutet dies darauf hin, dass es auch "andere" gibt. Ich kann also auswählen, ohne in die Gefahr zu geraten, dass ich mit meiner Meinung nicht den Schutz der Meinungsfreiheit genieße.
Zitat von Paul im Beitrag #7 Der Holocaust - besser die Shoa - ist eine Tatsache.
Das sehe ich auch so. Aber wenn nun jemand durch sehr einseitige Information zum Schluß kommt, es wäre keine Tatsache?
Dann irrt er sich und das hat zunächst keine Folgen. Wenn er aber diese Auffassung als Wahrheit verkündet, dann wird dies durch die Meinungsfreiheit nicht gedeckt. Es geht auch immer einher mit der Behauptung, dass die Anderen lügen.
Grundsätzlich wäre ich dafür, nach US-Vorbild alle Meinungsäußerungen zuzulassen - wenn sie nicht direkt in die Rechte anderer Menschen eingreifen (Beleidigung, Hetze zu Straftaten ...).
Dem stimme ich zu. Das wäre der "Königsweg". Jeder Unterschriftensammlung, die dies verlangt, würde ich mich anschließen.
Auch dem was Sie zur Strafbarkeit des Holocaust vertreten, kann ich vorbehaltlos zustimmen.
Zitat von Paul im Beitrag #7 Ihre Antwort auf meine Meinung zur "Gewalt bei Verhören" (Sie wissen welchen Beitrag ich meine - Stichwort "Bürgerkrieg") hat mich schon sehr betroffen gemacht. Um des lieben Friedens willen, auch sprachlos. Ihren Gastbeitrag verstehe ich als eine Erklärung, die ich nachvollziehen und auch akzeptieren kann.
Es war nicht in dem Sinne persönlich gemeint, lieber Paul. Ihre Äusserung, vor allem in ihrer Stringenz, die ja nun auf einer sehr reflektierten Standpunkt hindeutet, ist für mich, aufgrund ihres Inhaltes, tatsächlich sehr schwer zu ertragen. Deswegen will ich Ihnen nichts Böses, ich habe nur versucht klar zu machen, wie massiv mich dieser Ansatz trifft und wie weit ich gehen würde, um Bemühungen in dieser Richtung zu verhindern. Deswegen spreche ich Ihnen nicht das Recht ab, diese Meinung zu äussern. Nur steht meine dem eben diametral entgegen.
Zitat Tatsachenbehauptungen fallen bei mir nicht unter Meinungsfreiheit. Der Holocaust - besser die Shoa - ist eine Tatsache. Wenn ich die abstreite,lüge ich. Lügen fallen bei mir nicht unter Meinungsfreiheit. Lügen ist verboten.
Dazu haben ja inzwischen einige was gesagt, deswegen will ich da nix wiederholen. Aber vielleicht einen anderen Aspekt beleuchten: Ich habe meinen Beitrag mit Meinungsfreiheit überschrieben, aber die staatliche, juristische Seite ist für mich nur ein Aspekt der Problematik. Gerade im letzten Beispiel meiner "Treppe" habe ich versucht dazustellen, dass es auch um das geht, was wir persönlich, also ohne Staat, bereit sind zu ertragen. Was sind wir bereit hinzunehmen ? Das nur als Kontext zum Folgenden:
Ich finde es problematisch, sowohl von eigener Seite als auch von staatlicher Seite festzulegen was Wahrheit ist. Vielleicht bin ich zu sehr von Sokrates beeinflusst, der die Wahrheit ja auf dem Marktplatz auch nicht so recht finden konnte. Viele historische "Tatsachen" gelten heute als wiederlegt. Noch viel mehr wissenschaftliche Tatsachen sind wiederlegt. Und dennoch gibt es eine Menge Menschen, die die Unwahrheit verkünden. Nehmen wir ein vielleicht ungefährlicheres Beispiel als den Holocaust: Es gibt Menschen die glauben an den Moon Hoax (Xanopos hat ihn ja auch gerade zitiert). Der Moon Hoax gilt, gemessen an allen Kriterien der Juristerei, wohl als absoluter Unsinn. Die "Belege" sind mies, meistens kaum einer einfachen Nachfrage standhaltend, es gibt tausende von Zeugen, die dem entgegenstehen und jede Menge Material. Und dennoch hätte ich ganz grosse Bauchschmerzen wenn ein Gericht beschlösse, dass die "Moon-Hoaxer" ihre Meinung nicht äussern dürften. Ich vertrete da eher die Meinung "Jeder blamiert sich so gut er kann". Aber irgendwo in mir drin ist auch eine kleine Rebellion, die sagt, naja, natürlich ist es Unsinn, tausende müssten in einer Verschwörung zugange gewesen sein, die so perfekt ist, dass keine je vom Menschen entwickelte Geschichte auch nur in die Nähe käme, aber, es kann schon sein. Es ist lächerlich unwahrscheinlich, so unwahrscheinlich dass ich es als Unsinn qualifiziere, aber es kann theoretisch sein. Wenn etwas unwahrscheinlich ist, dann ist es eben genau das, aber nicht unmöglich. Juristen neigen, nach meiner Meinung fatalerweise, schlussendliche Wahrheiten zu befehlen. Das finde ich problematisch. Denn die Gegenthese mag unwahrscheinlich sein, aber möglich. Und ich war nicht dabei.
Jetzt haben die anderen das im Wesentlichen ja schon geschrieben und ich muss es kaum wiederholen, darum setze ich noch das Gegenstück: Genausowenig wie ich glaube, dass die Unwahrheit immer unerträglich ist (die Moon Hoaxer sind ja eher unterhaltsam), so bin ich auch nicht so sicher, dass Wahrheit immer erträglich ist. Ich gebe zu, ich komme jetzt auf etwas, zurecht, vermintes Gelände. Aber wer A sagt, muss ja auch B sagen. Vor einigen Jahren führte ich mal eine Diskussion um die Bell-Kurve. Dazu kann man jetzt viel sagen, aber ein Teil davon war die Diskussion ob Menschen einer bestimmten Hautfarbe intelligenter sind als Menschen einer anderen Hautfarbe. Ob dem so ist, sei erst einmal dahingestellt, das ist hier nicht wichtig: Entscheidender ist die Frage, wie geht man damit um, wenn es richtig wäre ? Nehmen wir einfach mal an grüne Menschen seien im Schnitt dümmer als blaue Menschen. Und Schuld daran sei die Genetik, die solche Merkmale weitergibt. Jetzt fühlen sich, aufgrund der Einschätzung dessen, dass Intelligenz sehr wichtig ist, grüne Menschen dadurch beleidigt. Und vielleicht zurecht. Es ist generell schwer zu ertragen, wenn jemand diese vermeintliche Faktum wiedergibt. Obwohl es in unserer Annahme wahr ist. Es entspricht nicht unbedingt unserer ersten Intuition zu sagen, man dürfe die Wahrheit nicht sagen. Juristisch mag das wohl stimmen. Aber wie ich ja oben vorrausschickte, geht es nicht nur um juristische Aspekte. Auch die Wahrheit ist nicht immer leicht zu ertragen. Und manchmal ist es besser, diese für sich zu behalten. Ich weiss, das das vom wissenschaftlichen her eine Katastrophe ist und ich sage das auch nicht leichtfertig, aber auch Wahrheit kann verletzen und im Extremfall sogar schaden.
Stellen wir uns mal vor, es liefe irgendwo das Kind eines brutalen, toten, Serienmörders rum. Dieses Kind weiss davon aber nichts. Und jetzt geht jemand daher und teilt ihm das ungefragt mit. Und das Kind wird damit nicht fertig und springt damit von der nächsten Brücke. Der Jemand sagt: Ich habe nix gemacht, es war nur die Wahrheit. Stimmt. Und trotzdem kann ich verstehen, wenn jemand Lust hätte ihn hinterherzuwerfen.
Zitat von Albert im Beitrag #8 Vielleicht liegt das daran, dass ich die Meinung - bzw. deren Äußerung - als bereits gängige Rechtslage reflektiert habe.
Ein interessanter Aspekt, lieber Albert: Dann würde man aber Meinungsäusserung anhand dessen bewerten, welche Wirkung sie hat. Dann würden allerdings eine Menge Utopisten schwer in Schwierigkeiten geraten und George Orwell hätte vermutlich nie wieder das Tageslicht gesehen. :)
Zitat Mein Rettungsstrohhalm, an den sich mein Bewusstsein (und mein Mageninhalt) klammert, ist der, dass eine solche Meinung in der Legislative vertreten würde - dort wäre ich tatsächlich womöglich auch unter Opfern dafür, die Meinung offen vorbringen zu können - und würde den Inhalt mit allen zur legitimen, Verfügung stehenden Mitteln bekämpfen.
Wobei bei diesem speziellen Falle die Chancen ganz gut stünden. Solche Versuche sind ja vor 30 Jahren gemacht worden. Und gescheitert. Aus ihrem Aspekt heraus, würde ich natürlich sehen, dass alleine die Diskussion darüber das Recht hier schwächen würde. Allerdings muss man sagen, das hat in der Vergangenheit nicht funktioniert.
Zitat von Doeding im Beitrag #5 Übrigens sehe ich das in keinerlei Widerspruch zu dem Bedürfnis, daß man nicht mit jeder Meinung überall konfrontiert werden will und sich auch davor schützt. Mein Wohnzimmer ist so ein Ort. Oder auch Zettels kleines Zimmer, in dem die Forumsregeln Leitplanken definieren.
Meinungsfreiheit ist nicht das selbe wie das Recht diese in jedem privaten Raum auch äussern zu müssen. Und dennoch: Es geht zumindest mir nicht alleine um das Recht. Es geht mir auch um das, was man selber bereit ist zu ertragen. Für mich, der ich mich selber als radikalen Anhänger der Freiheit definiere, ist die Aussage, dass ich Probleme mit "Nummer 6" habe, ein Eingeständnis, dass ich noch Widersprüche zwischen meinem Verstand und meinem Gefühl habe. Diese Diskrepanz stört mich, aber ich lebe auch schon eine Weile mit ihr. Meine Gedanken sollen zumindest ein bischen dazu dienen, dass vielleicht auch der eine oder andere darüber reflektiert, wo seine Grenzen liegen. Und wie liberal er oder sie so ist. Die ausgesprochen positive Resonanz hier (für die ich mich sehr bei allen (!), die geschrieben haben bedanke) zeigt mir, dass mir das durchaus gelungen ist.
Zitat von ungelt im Beitrag #21Entschuldigung daß ich vorpresche aber da bin ich ganz anderer Meinung: Die Wahrheit in diesem Bespiel ist doch, daß die Temperatur NICHT 100° beträgt. Ob sie nun genau 19,23758110942387° beträgt steht damit aus meiner Sicht in keinem (ok, fast keinem) Zusammenhang.
Wesentlich ist doch, dass die Temperatur im Zimmer in einer ganz anderen Größenordnung als 100°C liegt. In bewohnten Räumen erwarten wir Temperaturen in der Größenordnung zwischen 10°C und 30°C. Wer also behauptet »In unserem Raum herrscht eine Temperatur von 100°C« ist entweder nicht bei klarem Verstand oder er möchte eine bewusst ironische Bemerkung machen, oder er befindet sich in Wirklichkeit in einer Sauna. In den ersten beiden Fällen dürfte es nicht hilfreich sein, diese Person auf die tatsächliche Temperatur hinzuweisen, denn dann lügt sie ja nicht bewusst.
Die "zweite Maus" werde ich mir merken, kann sie doch das derbe "Wir sind immer die schnellsten: Wenn andere noch fallen, liegen wir schon auf der Schnauze!" ersetzen.
Mit respektvollen Grüßen am Rande einer ziemlich vertrackten und lehrreichen Debatte!
uva
P.S. Noch mal zu den Mäusen und dem Käse: Zeitgenössische Mäuse "fliegen" auf Nutella (oder andere süße Erbnußbutter-Kakao-Produkte)!
Zitat von ava42Die "zweite Maus" werde ich mir merken, kann sie doch das derbe "Wir sind immer die schnellsten: Wenn andere noch fallen, liegen wir schon auf der Schnauze!" ersetzen. Mit respektvollen Grüßen am Rande einer ziemlich vertrackten und lehrreichen Debatte!
Liebe(r) uva42,
Darf ich Sie bitten, zu zitieren, auf wen oder was Sie sich beziehen? Wie das geht finden Sie hier: 6. Schreiben und Zitieren
Es dient der Lesbarkeit und Verständlichkeit Ihrer Beiträge, von daher ist es sicher auch in Ihrem Interesse.
Ich trete für eine sehr weit gefasste Meinungs-/ Redefreiheit ein: 1. Wenn die Mehrheit festlegt was gesagt werden darf und was nicht ist die Meinungsfreiheit eigentlich schon am Ende. Meinungsfreiheit ist ein Minderheitenrecht und für eine Einschränkung ist immer schnell eine Begründung gefunden. 2. Mir ist es lieber wenn ich ehrlich weiß was der Andere denkt. Wenn mir jemand gegenüber steht und sagt der Holocaust wäre eine Lüge, dann weiß ich wenigstens sofort, daß ich es mit einem unverbesserlichen Schwachkopf zu tun habe.
Allerdings müsste dann auch das AGG abgeschafft werden. Denn ich muß dann auch das Recht haben einen solch unverbesserlichen Schwachkopf zu diskriminieren und keinerlei privaten oder geschäftlichen Umgang mit ihm zu pflegen.
Vielleicht läßt sich so mancher Aspekt der Debatte erden, indem man nicht auf ins Extreme getuneten Idealaussagen abhebt ("alle xxx sind yyy & sollten zzz"), sondern auf schlichte, nachprüfbare Fakten & die daraus ableitbaren (aber vielleicht nicht statthaften?) Schlußfolgerungen.
Ein aktuelles Beispiel anhand einer seit geraumer Zeit geführten Debatte: Wie aus dieser Grafik http://wattsupwiththat.files.wordpress.c...na-loa-week.jpg ersichtlich ist, hat 8. Mai 2013 der CO2-Gehalt der Erdatmosphäre den Wert von 400 ppm, ganztägig, überschritten.
Die Frage stellt sich nach den sich daraus ergebenden zulässigen Reaktionen. Die Bandbreite findet sich hier: http://wattsupwiththat.files.wordpress.c..._looks_like.jpg treffend illustriert. Ebenso deutlich dürfte sein, daß von den Positionen [(1) (2) (3]] [(4) (5) (6)] die Optionen (2), (4) und (6) im öffentlichen Diskurs tabu sind & nicht einmal mit Sanktionen geahndet werden müssen, weil sie schlicht nicht vorkommen.
Eine weitere Option wäre es, die Richtigkeit der Meßkurve in Zweifel zu ziehen - als mgw. verfälscht oder nur von lokaler Bedeutung.
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