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ZETTELS KLEINES ZIMMER

Das Forum zu "Zettels Raum"



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Dieses Thema hat 70 Antworten
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 Kommentare/Diskussionen zu "Zettels Raum"
Seiten 1 | 2 | 3
Kallias Offline




Beiträge: 2.309

10.05.2013 08:08
Meinungsfreiheit. Ein Gastbeitrag von Llarian Antworten

In seinem Gastbeitrag betrachtet Llarian eine Schwierigkeit, die viele - oder alle? - mit der Meinungsfreiheit haben.

Tiefseetaucher Offline




Beiträge: 353

10.05.2013 08:41
#2 RE: Meinungsfreiheit. Ein Gastbeitrag von Llarian Antworten

Danke für diesen gelungenen Beitrag.
Er ist ein wahrer Augenöffner.

A common mistake that people make when trying to design something completely foolproof is to underestimate the ingenuity of complete fools.
Douglas Adams

Nola Offline



Beiträge: 1.719

10.05.2013 08:55
#3 RE: Meinungsfreiheit. Ein Gastbeitrag von Llarian Antworten

Genial

Danke für diesen Artikel, lieber Llarian.

♥lich Nola

---------------------------

Status quo, nicht wahr, ist der lateinische Ausdruck für den Schlamassel, in dem wir stecken.
Zettel im August 2008

Meister Petz Offline




Beiträge: 3.923

10.05.2013 09:38
#4 RE: Meinungsfreiheit. Ein Gastbeitrag von Llarian Antworten

Mir ist zum Thema Meinungsfreiheit aufgefallen, dass das Problem schon im Wort liegt. Das deutsche Wort klingt so, als ob der Staat dem Menschen das Recht einräumt, überhaupt eine Meinung zu haben, während im englischen freedom of speech es korrekt um die Äußerung geht.

Und wenn man sich Debatten wie die um den "Extremismus der Mitte" oder "Alltagssexismus" anschaut, kann man beobachten, dass es für die Protagonisten eben nicht nur unerträglich ist, wenn gewisse Meinungen geäußert werden, sondern ihr schieres Vorhandensein. Gedankenverbrechen eben.

Gruß Petz

"The problem with quotes from the Internet is that it is difficult to determine whether or not they are genuine" - Abraham Lincoln

Doeding Offline




Beiträge: 2.612

10.05.2013 10:08
#5 RE: Meinungsfreiheit. Ein Gastbeitrag von Llarian Antworten

Lieber Llarian,

ein wichtiger Artikel zu einem schwierigen Thema. Beim Lesen Ihrer "Treppe" habe ich genau die inneren "Stürme" und Widersprüche erlebt, die Sie geschildert haben; ein changieren zwischen Widerwillen, z. T. Abscheu, zusammen mit dem unbedingten Wunsch, Ihrem Artikel sachlich folgen zu wollen. Der Artikel führt an individuelle Grenzen, und da ich vermute, daß er das auch sollte, ist er mehr als gelungen. Danke dafür.

Ein paar Gedanken zum Inhalt. Ich bin grundsätzlich für eine sehr weite Definition von Meinungsfreiheit. Aber in der Tat ist das manchmal schwierig zu ertragen. Meine Meinung zum Thema Einwanderung und Integration ist meiner Meinung nach Lichtjahre von Rassismus entfernt. Das ist auch begründbar durch die gängigen wissenschaftlichen Definitionen von Rassismus. Dennoch bin ich sicher, daß es manche, vielleicht sogar etliche Menschen aus dem linken oder grünen Spektrum gibt, die meine Meinung dazu als rassitisch und daher mich als Rassisten bezeichnen würden (da dann ja gerne kein Unterschied mehr zwischen Meinung und Person gemacht wird). Und es liegt bei mir, das auszuhalten.
"Psychologen haben alle selbst einen an der Waffel, labern nur rum, sollten sich erstmal selbst therapieren bevor sie Verbrechern und anderen bösen, schlechten Menschen vorzeitig Freigang verschaffen". Muß ich aushalten, weil es das Recht und die Freiheit der Menschen ist, so zu denken. Und weil die meisten Klischees eh einen wahren Kern haben

Hier ist, glaube ich, eine saubere Sprache wichtig. Ich respektiere Meinung xy aber ich teile sie nicht. ist eigentlich schon alles, was man wirklich beherrschen muß.


Unvergessen hierzu Norbert Bolz:

Zitat
Zur Meinungsfreiheit gehört fundamental der Respekt vor Andersdenkenden



http://www.youtube.com/watch?v=ElDlJHgm3es

Übrigens sehe ich das in keinerlei Widerspruch zu dem Bedürfnis, daß man nicht mit jeder Meinung überall konfrontiert werden will und sich auch davor schützt. Mein Wohnzimmer ist so ein Ort. Oder auch Zettels kleines Zimmer, in dem die Forumsregeln Leitplanken definieren. Auch gesetzliche Regeln begrenzen zurecht die Meinungsfreiheit (Beleidigung, üble Nachrede) Auch das gehört zur Freiheit.

Herzliche Grüße,
Andreas Döding

Brutha Offline



Beiträge: 73

10.05.2013 10:38
#6 RE: Meinungsfreiheit. Ein Gastbeitrag von Llarian Antworten

Zitat von Kallias im Beitrag #1
In seinem Gastbeitrag betrachtet Llarian eine Schwierigkeit, die viele - oder alle? - mit der Meinungsfreiheit haben.


Sehr gelungener Beitrag,
die Freiheit des andersdenkenden zu akzeptieren oder wenn jenseits aller eigenen Denkweisen zu ertragen ist mitunter eines der schwierigsten Dinge
die es im Leben zu lernen gibt.
Vielen Dank für den gelungenen Artikel

Herzlich Brutha

Paul Offline




Beiträge: 1.285

10.05.2013 10:51
#7 RE: Meinungsfreiheit. Ein Gastbeitrag von Llarian Antworten

Lieber Llarian,
ich kann Ihre Gedanken gut nachvollziehen, sind es doch auch meine.

Ihre Antwort auf meine Meinung zur "Gewalt bei Verhören" (Sie wissen welchen Beitrag ich meine - Stichwort "Bürgerkrieg") hat mich schon sehr betroffen gemacht. Um des lieben Friedens willen, auch sprachlos.

Ihren Gastbeitrag verstehe ich als eine Erklärung, die ich nachvollziehen und auch akzeptieren kann.

Nur ein Gedanke noch:
Tatsachenbehauptungen fallen bei mir nicht unter Meinungsfreiheit.
Der Holocaust - besser die Shoa - ist eine Tatsache. Wenn ich die abstreite,lüge ich. Lügen fallen bei mir nicht unter Meinungsfreiheit. Lügen ist verboten.

Wie so oft, gibt es eine Ausnahme: Der Verdächtigte darf im Verhör lügen. Aber auch das fällt, jedenfalls nach meiner Auffassung, nicht unter Meinungsfreiheit.

LG, Paul

Albert Offline



Beiträge: 9

10.05.2013 11:03
#8 RE: Meinungsfreiheit. Ein Gastbeitrag von Llarian Antworten

Lieber Llarian,

Herzlichen Dank für den gelungenen Artikel. ich möchte hier - eigentlich nicht meine Art - meine Empfindungen beim Lesen des Artikels schildern.

Eingangs kam mir wie von selbst Voltaires Äußerung in den Sinn "Ich mag verdammen was du sagst, aber ich werde mein Leben dafür geben, dass du es sagen darfst.". Mit diesem Sinnspruch gewappnet, machte ich mich an das Lesen des Artikels und der "Leiter", gewissermaßen der Stufen der Selbserkenntnis. Bereits die ersten 2 Stufen kamen mir komisch vor, denn ich bin dort anderer Meinung als der "Zeitgeist". Zwei weitere Stufen aufwärts (oder ab- ?) wurde mir schon etwas mulmiger. Die Holocaustleugnung konnte ich damit überstehen, dass meinetwegen auch jemand 2+2=3.5 behaupten kann, ohne sanktioniert zu werden (genaugenommen ist 2+2>=2, je nachdem, in welcher Steuerprogressionsstufe man sich befindet ). Beim Lesen der sechsten Stufe wurde mir aber regelrecht übel. Vielleicht liegt das daran, dass ich die Meinung - bzw. deren Äußerung - als bereits gängige Rechtslage reflektiert habe. Rettung jedoch naht: hier musste ich mir zwar den Voltaire'schen Satz mehrmals ins Bewusstsein bringen (sozusagen gewaltsam aus der Ecke zerren, in die er sich aus Angst heineingekuscht hatte), aber dann hatte ich einen festen Punkt. Mir gehts wie Ihnen, lieber Llarian: mein Unterbewusstsein gaukelt mir immer die Bilder vor, die entstünden, wenn die genannte Forderung nach Änderung der Gesetzeslage durchkäme. Mein Rettungsstrohhalm, an den sich mein Bewusstsein (und mein Mageninhalt) klammert, ist der, dass eine solche Meinung in der Legislative vertreten würde - dort wäre ich tatsächlich womöglich auch unter Opfern dafür, die Meinung offen vorbringen zu können - und würde den Inhalt mit allen zur legitimen, Verfügung stehenden Mitteln bekämpfen.

Ist das schon Dialektik in corpore?

Ich geh' jetzt einen Kaffe trinken, um den Magen zu beruhigen

Beste Grüße

Albert
[Edit] P.S.: lieber Paul, danke für den Hinweis auf den Unterschied zwischen Meinung und Behauptung (falscher) Tatsachen.

"Bevor man eine Frage beantwortet, sollte man immer erst eine Pfeife anzünden." – Albert Einstein

Fluminist Offline




Beiträge: 2.015

10.05.2013 11:09
#9 RE: Meinungsfreiheit. Ein Gastbeitrag von Llarian Antworten

Zitat von Paul im Beitrag #7
[...] ist eine Tatsache. Wenn ich die abstreite,lüge ich. Lügen fallen bei mir nicht unter Meinungsfreiheit. Lügen ist verboten.

Da wird es interessant; vielleicht ist das noch eine 7. Treppenstufe unter den im Artikel genannten. Bin ich gewillt, eine Meinung zu respektieren, die etwas widerspricht, das ich für eine Tatsache halte?
Mit den Tatsachen ist es ja nicht immer so einfach. Wie, wenn jemand meint, die Welt und alle Lebewesen seien in 6 Tagen geschaffen worden? Oder es gebe einen Lichtäther? Oder es gebe 'dunkle Materie'? Oder es gebe keine 'dunkle Materie'?

Müssen wir nicht auch noch auf diese 7. Treppenstufe heruntersteigen, um uns wirklich vom Zwang der Vorurteile zu befreien, so schwer und schmerzhaft es auch sein mag?

NB. Eine Lüge ist nach meinem Dafürhalten nicht das Abstreiten einer Tatsache (oder Behaupten einer Unwahrheit), sondern eine Aussage, die dem widerspricht, was derjenige, der sie macht, für wahr hält. Zur Illustration: J. J. Becher hat nach Pauls Definition gelogen, als er vom Phlogiston sprach, nach meiner Definition nicht.

Ulrich Elkmann Offline




Beiträge: 14.425

10.05.2013 11:13
#10 RE: Meinungsfreiheit. Ein Gastbeitrag von Llarian Antworten

Zitat von Albert im Beitrag #8
Eingangs kam mir wie von selbst Voltaires Äußerung in den Sinn "Ich mag verdammen was du sagst, aber ich werde mein Leben dafür geben, dass du es sagen darfst.".


..wieder mal Selbstzitat...

Zitat von Ulrich Elkmann im Beitrag RE: Zwei in Münster ...
An sich ist's ja Tradition, daß in so einer Situation Leute ... ein Zitat von Voltaire in den Raum stellen. Aber ich stelle gerade fest, daß das entsprechende Wort gar nicht von ihm stammt:

Zitat Wikipedia
________
"I disapprove of what you say, but I will defend to the death your right to say it." Though these words are regularly attributed to Voltaire, they were first used by Evelyn Beatrice Hall, writing under the pseudonym of Stephen G Tallentyre in The Friends of Voltaire (1906), as a summation of Voltaire's beliefs on freedom of thought and expression.[11]
- Another possible source for the quote was proposed by Norbert Guterman, editor of "A Book of French Quotations," who noted a letter to M. le Riche (February 6, 1770) in which Voltaire is quoted as saying: "Monsieur l'abbé, I detest what you write, but I would give my life to make it possible for you to continue to write" ("Monsieur l'abbé, je déteste ce que vous écrivez, mais je donnerai ma vie pour que vous puissiez continuer à écrire"). This remark, however, does not appear in the letter.
________
bzw.
________
Je ne suis pas d'accord avec ce que vous dites, mais je me battrai jusqu'au bout pour que vous puissiez le dire.
Attribuée improprement à Voltaire par Evelyn Beatrice Hall dans une biographie de 1906. Elle l'avoue et s'en excuse en 1939. Voir la note 2 de l'article Tolérance.
The Friends of Voltaire, Evelyn Beatrice Hall, éd. Smith Elder & co., 1906, p. 199
________
und Fußnote 2 zu "Tolérance":
________
Pour clore l'histoire de cette fausse citation, Charles Wirz, conservateur de "l'Institut et Musée Voltaire" de Genève, rappelait en 1994, que Miss Evelyn Beatrice Hall, qui a placé, à tort, entre guillemets cette citation dans deux ouvrages qu'elle a consacrés à l'auteur de "Candide", a reconnu expressément que la citation en question n'en est pas une dans une lettre du 9 mai 1939, laquelle a été publiée en 1943 dans le tome LVIII sous le titre "Voltaire never said it" (pp. 534-535) de la revue "Modern language notes", the Johns Hopkins Press, 1943, Baltimore. Voici l'extrait de la lettre en anglais :
"The phrase "I disapprove of what you say, but I will defend to the death your right to say it" which you have found in my book "Voltaire in His Letters" is my own expression and should not have been put in inverted commas. Please accept my apologies for having, quite unintentionally, misled you into thinking I was quoting a sentence used by Voltaire (or anyone else but myself)." Les mots "my own" ont été soulignés personnellement par Miss Hall dans son courrier.
________

Wieder eine verlorene Illusion.



nachdenken_schmerzt_nicht Offline




Beiträge: 2.007

10.05.2013 11:23
#11 RE: Meinungsfreiheit. Ein Gastbeitrag von Llarian Antworten

Lieber Llarian.

Danke für ihren Beitrag.

Ein äußerst interessantes Thema, das wohl auch keine finale und richtige Einsicht bereithält.

Im Prinzip gebe ich ihnen bei jeder ihrer „Treppen“ Recht. Sie sollte durch das Recht auf freie Äußerung abgedeckt sein.

Einzig bei der 4.ten Treppe hat sich (wenn man es so sehen möchte) eine nicht ganz wertneutrale Formulierung eingeschlichen. Wenn man nicht den Verdacht aufkommen lassen möchte gegen bestimmte Gruppen fremdenfeindlich zu sein, sollte die Formulierung lauten:

„…dass alle Menschen, welche in Deutschland leben, aber noch keinen deutschen Pass haben, keine weitere Aufenthaltsgenehmigung bekommen sollten.“

nicht

„…dass alle Türken, die noch keinen deutschen Pass haben, keine weitere Aufenthaltsgenehmigung bekommen sollten.“

Letztere Formulieren könnte mit einiger Berechtigung als „türkenfeindlich“ und damit als Hetze bezeichnet werden.

Ich habe einige Zeit nachgedacht, warum ihre Treppen teils weniger schwer und teils schwieriger „zu ertragen sind“. Möglicherweise ist das der einzige Weg, um sich dem Thema zu nähern.

Was ich dabei feststellte ist, dass eigentlich alle Meinungen äußerst einfach zu ertragen sind, wenn sie eben nur Meinung bleiben. Ich würde dann denken „der hat nicht alle Tassen im Schrank“ und weiter meiner Wege gehen. Den anderen zu respektieren heißt ja nicht auch seine Meinung respektieren zu müssen und auch nicht sich mit ihm und ihr auseinander setzen zu müssen.

Schwierig wird es meines Ermessens erst dann, wenn die Äußerung der Meinung „Fußabdrücke“ in der Gesellschaft hinterlässt.

Nun kann man das eine aber leider nicht vom anderen trennen, weil ja Meinungen auch „Änderungen in der Realität“ einen Weg bereiten sollen. Insofern sollte man vielleicht danach fragen, welche Implikationen eine Umsetzung der Meinung in der Realität haben würde und ob diese mit dem (Grund)Gesetz im Einklang steht.

Bei 1 und 3 würde ich eigentlich sagen: „Nein, tun sie nicht“
(Wobei man wohl auch die Differenzierung treffen muß, ob es nur so daher gesagt oder eine echte Meinung ist. Es ist etwas anderes im Frust zu sagen, „Das sind doch Verbrecher.“, als wenn man dies als echte Meinung vertritt.)
Nimmt man beides als echte Meinung, müßte man sich dagegen verwehren, denn es würde dazu führen dass man Personen aufgrund ihrer Berufe strafrechtlich belangen müßte, würde diese Meinung Eingang in die gesellschaftliche Norm finden. Anders formuliert könnte man es als üble Nachrede belangen.

Auch bei 2 würde ich sagen: „Nein, tut es nicht“
Diese Forderung verstößt gegen den Schutz des privaten Eigentums der im GG verankert ist.

Bei 4 würde ich sagen (wenn man die „Türken“ durch „alle Menschen“ ersetzt): „Keine Kollision mit dem Gesetz, daher zulässig“. Es ist eine Frage der Organisation einer Gesellschaft, wie man die Staatsbürgerschaft regeln will. Vor allem sollte man dabei Staatsbürgerschaft nicht mit einer kulturellen Identität verwechseln, die ja jeder behalten kann, solange sie mit Gesetz und Grundgesetz im Einklang ist, sondern als die Übertragung von Rechten und Pflichten in einer Gesellschaft.

Bei 5 bewege ich mich auf dünnem Eis hier in Deutschland:
Wenn jemand so etwas denkt, halte ich ihn für borniert und beschränkt. Dazu verstößt er gegen bestehendes Gesetz. Damit ist die Äußerung unzulässig.
Auf der anderen Seite hat dieses „kindlich naive Verbieten des Antisemitismus“ in Deutschland in meinen Augen erst dazu geführt, dass Antisemitismus in Deutschland immer noch in der breite gelebt wird. Man hat die Schuld auf einigen Müllhalden abgeladen (dem Holocaust und den Rechten) und alle anderen scheinen dadurch einen Ablaß zu haben für ihre Äußerungen. Man denke nur an das Gedicht von Graß oder die Kolumnen von Augstein.Doch das ist ein anderes Thema.

Bei 6 wird es wirklich schwierig:
Wäre es durch die Meinungsfreiheit abgedeckt Straffreiheit für Möder (oder gar Steuerhinterzieher ;-) ) zu fordern?

Diesen Fall macht in meinen Augen so schwierig, dass er nicht einen Zustand herbeiführen will, der gegen bestehendes Recht verstößt, sondern das Recht einfach ändern will. Auch im Falle, dass ich mich angreifbar mache, lege ich mich einfach einmal fest.
Laut GG ist die Würde des Menschen unantasbar. Diesen Artikel würde kaum einer in Frage stellen.
Der Mord an einem Menschen „verletzt seine Würde“, genauso wie eine sexuelle Handlung an Kindern die Würde des Kindes verletzt. Man kann nun sicher einen ethischen Streit über den Begriff „Würde“ führen, aber wenn man sie so wie ich es hier tue anerkennt, ist diese Äußerung nicht durch die Meinungsfreiheit abgedeckt, weil sie gegen das GG verstößt.


Hmmm, ich bin jetzt auch nicht so sicher über das was ich geschrieben habe. Es ist das was herauskam, als ich versuchte (ohne allzu offensichtlichen zeitgeistlichen Einfluß) ein Axiom zu finden an dem man die Zulässigkeit von „Freedom of Speech“ (tausendmal besser als Meinungsfreiheit) festmachen kann.
Demnach wäre bis auf 4 alle Äußerungen nicht von der freien Meinungsäußerung abgedeckt. Eines äußerst provokantes Ergebnis in einem liberalen Forum. Was hätte mir da Zettel entgegnet?


Was ich bei näherer Überlegung übrigens bezeichnend finde. Da hat die deutsche Sprache der Dichter und Denker oft eine solche Fülle von Begriffen für ein und dasselbe, oft so viel differenzierter als das Englische. Aber im Fall "Meinungsfreiheit" und „Freedom of Speech“ kann sie der Englischen Sprache nicht das Wasser reichen.

Es ist die Gleicheit nicht die Freiheit das Feld der Deutschen.
(Der ist jetzt nicht von Voltaire, sondern vom mir. )

Herzlichst

nachdenken_schmerzt_nicht

\"Dort, wo es keine sichtbaren Konflikte gibt, gibt es auch keine Freiheit.\" - Montesquieu

Paul Offline




Beiträge: 1.285

10.05.2013 11:31
#12 RE: Meinungsfreiheit. Ein Gastbeitrag von Llarian Antworten

Zitat von Fluminist im Beitrag #9
NB. Eine Lüge ist nach meinem Dafürhalten nicht das Abstreiten einer Tatsache (oder Behaupten einer Unwahrheit), sondern eine Aussage, die dem widerspricht, was derjenige, der sie macht, für wahr hält. Zur Illustration: J. J. Becher hat nach Pauls Definition gelogen, als er vom Phlogiston sprach, nach meiner Definition nicht.


Lieber Fluminist,
da haben Sie recht.
Mir ist gerade eingefallen: "Wer lügen will muss die Wahrheit kennen." Weiß nicht wer das gesagt hat? Es ist aber logisch.

Umgangssprachlich bezeichnet man es als "leugnen einer Tatsache". So will ich verstanden werden.
Shoa (Holocaust) ist für mich eine Tatsache, die Behauptung, es habe ihn nicht gegeben, ist keine Meinung.

Ihre Illustration (Becher) kann ich nicht nachvollziehen. Da fehlt mir das Faktenwissen.

LG, Paul

Tiefseetaucher Offline




Beiträge: 353

10.05.2013 11:37
#13 RE: Meinungsfreiheit. Ein Gastbeitrag von Llarian Antworten

Zitat von Paul im Beitrag #12

"Wer lügen will muss die Wahrheit kennen."


Nein, um zu lügen reicht es völlig aus, wenn man weiß, dass die Tatsache, die man behauptet, nicht die Wahrheit ist.

A common mistake that people make when trying to design something completely foolproof is to underestimate the ingenuity of complete fools.
Douglas Adams

R.A. Offline



Beiträge: 8.171

10.05.2013 11:41
#14 RE: Meinungsfreiheit. Ein Gastbeitrag von Llarian Antworten

Zitat von Paul im Beitrag #7
Tatsachenbehauptungen fallen bei mir nicht unter Meinungsfreiheit.

Das sehe ich völlig anders. Gerade die unterschiedliche Sicht, was denn nun Tatsache ist und was nicht macht doch einen großen Teil der notwendigen Diskussion aus.
Nur mal als Beispiel: Die anthropogene Klimakatastrophe gilt bei vielen Leuten als wissenschaftlich gesicherte Tatsache. Diese Theorie kritisch zu sehen wäre dann nach ihrer Maxime eine Lüge und könnte im Prinzip - wie die Holocaust-Lüge - bestraft werden. Was ja auch von einigen Fanatikern schon gefordert wurde.

Zitat
Der Holocaust - besser die Shoa - ist eine Tatsache.


Das sehe ich auch so. Aber wenn nun jemand durch sehr einseitige Information zum Schluß kommt, es wäre keine Tatsache?

Grundsätzlich wäre ich dafür, nach US-Vorbild alle Meinungsäußerungen zuzulassen - wenn sie nicht direkt in die Rechte anderer Menschen eingreifen (Beleidigung, Hetze zu Straftaten ...).

Und weil noch Holocaust-Überlebende bzw. die direkten Angehörigen von Holocaustopfern leben, würde ich das Verbot der Holocaust-Leugnung zum Schutz dieser Menschen noch einige Zeit im deutschen Strafgesetzbuch lassen (das ist nun mal eine deutsche Sondersituation).
Mittelfristig wäre auch das zu streichen. Die Verbrechen anderer Ideologien (insbesondere des Kommunismus) dürfen ja auch straffrei geleugnet werden.

Fluminist Offline




Beiträge: 2.015

10.05.2013 11:43
#15 RE: Meinungsfreiheit. Ein Gastbeitrag von Llarian Antworten

Lieber Paul,

Zitat von Paul im Beitrag #12
Ihre Illustration (Becher) kann ich nicht nachvollziehen. Da fehlt mir das Faktenwissen.

Ein besseres Beispiel wäre ein Schizophrener, der seine Wahnvorstellungen äußert. Da kann man auch nicht von Lüge reden; eher umgekehrt: er lügt, wenn er seinen Wahn verheimlicht (z.B. um Heilung vorzutäuschen und aus der Behandlung entlassen zu werden).

Das Grundproblem bei diesem Thema ist, daß viele Leute Schwierigkeiten damit haben, zwischen dem Äußern einer Meinung und dem Behaupten ihrer Wahrheit zu unterscheiden. So wird alles, was jemand sagt, sofort als unumstößliches und nie mehr zu korrigierendes Indiz seines Charakters aufgefaßt und verwendet. Auch passiv: wenn man eine Aussage hört, die man nicht zu teilen und zu unterstützen bereit ist, dann meint man sofort dagegen einschreiten zu müssen, denn die bloße Duldung ihrer Äußerung würde man selbst und die Gleichgesinnten schon als Unterstützung interpretieren.

Das macht eine sachliche und differenzierte Betrachtung nicht als koscher vordeklarierter Aussagen sehr schwer. Es fehlt da (wenn ich etwas aus der Perspektive meines Metiers sagen darf) im allgemeinen die logisch-mathematische Bildung; denn diese lehrt zwischen der bloßen Formulierung eines Satzes und der Behauptung seiner Wahrheit zu unterscheiden. Wenn diese nüchterne Denkweise verbreiteter wäre, dann könnten wir uns viel Hysterie ersparen, die aus der magischen Denkweise entspringt, die dem bloßen Aussprechen von Worten unmittelbare Wirkung in der Welt unterstellt.

Erling Plaethe Offline




Beiträge: 4.660

10.05.2013 11:46
#16 RE: Meinungsfreiheit. Ein Gastbeitrag von Llarian Antworten

Zitat von ZR
Wir, als Gesellschaft, wähnen uns als furchtbar liberal. Wir bauen auf unsere Grundrechte und sind stolz darauf, wenn wir „die Freiheit des Anderen“ verteidigen. Aber so weit ist es damit gar nicht her. Wir verteidigen in den allermeisten Fällen die Freiheit, die wir uns selber vorstellen können. Aber die Freiheit desjenigen, der wirklich unserem Denken entgegensteht, die verteidigen wir eigentlich eher selten.


Die Freiheit desjenigen zu verteidigen der dem eigenen Denken entgegensteht ist einfacher als einen möglichen Angriff auf die eigenen Persönlichkeitsrechte zu ertragen. Wenn ich ein Politiker bin, möchte ich nicht als Verbrecher bezeichnet werden nur aus dem einzigen Grund ein Politiker zu sein. Und wenn ich ein Soldat bin, möchte ich nicht als Mörder bezeichnet werden. Beide haben beides ohne eine Spur eines Beleges nicht verdient, und - sie müssen das nicht ertragen. Nein, sie sollten es im Namen der Freiheit auch nicht tun.
Personengruppen zu diffamieren, ohne die Gefahr einer Sanktion, ist das Kennzeichen von totalitären Regimen, nicht von Grundrechten achtenden Demokratien. Solch eine "Meinungsfreiheit" missachtet das Grundrecht "Allgemeines Persönlichkeitsrecht".

Zitat von http://www.bundesverfassungsgericht.de/p...n/rufschad.html
Bei der verfassungsrechtlich gebotenen Abwägung der Grundrechte "Allgemeines Persönlichkeitsrecht/Meinungsfreiheit" gilt: Bei Werturteilen geht der Persönlichkeitsschutz regelmäßig der Meinungsfreiheit vor, wenn sich die Äußerung als Angriff auf die Menschenwürde, als Schmähkritik oder als Formalbeleidigung darstellt. Bei Tatsachenbehauptungen hängt die Abwägung vom Wahrheitsgehalt ab. Wahre Aussagen müssen in der Regel hingenommen werden, auch wenn sie nachteilig für den Betroffenen sind, unwahre dagegen nicht.
Nach der - verfassungsrechtlich nicht zu beanstandenden - Rechtsprechung der Zivilgerichte unterliegt derjenige, der nachteilige Tatsachenbehauptungen über andere aufstellt, Sorgfaltspflichten, die sich im einzelnen nach den Aufklärungsmöglichkeiten richten und etwa für die Medien strenger sind als für Privatleute.

Weiterhin wird demjenigen, der sich nachteilig über einen Dritten äußert, im Zivilprozeß eine erweiterte Darlegungslast auferlegt, die ihn anhält, Belegtatsachen für die Wahrheit seiner Behauptung anzugeben. Ist der sich Äußernde nicht in der Lage, seine Behauptung mit Belegtatsachen zu erhärten, wird sie wie eine unwahre behandelt.

Auch diese Rechtsprechung begegnet grundsätzlich keinen verfassungsrechtlichen Bedenken. Die Erfüllung der Darlegungslast macht aber die Wahrheitsermittlung nicht entbehrlich. Auch eine durch Belegtatsachen gestützte Behauptung kann falsch sein. Daher verlangt das allgemeine Persönlichkeitsrecht, daß dem von der Tatsachenbehauptung nachteilig Betroffenen die Möglichkeit, die Unwahrheit der Behauptung im Verfahren geltend zu machen, nicht unter Berufung auf die Erfüllung der Darlegungslast abgeschnitten wird. Nur wenn er den Belegtatsachen seinerseits nichts entgegenzusetzen hat, kann die Wahrheit der Äußerung unterstellt werden. Im übrigen ist der Wahrheitsgehalt aufzuklären, sofern die prozessualen Voraussetzungen dafür vorliegen. Das gilt auch, wenn die behauptete Tatsache Presseberichten entnommen ist.


Es geht bei dem Schutz eines Grundrechtes wie dem der Meinungsfreiheit eben auch darum, es nicht gegen ein anderes auszuspielen. Was durchaus versucht wird. Auch in dem versucht wird, das Allgemeine Persönlichkeitsrecht über das der Meinungsfreiheit zu stellen (Mohammed-Karrikaturen).
Es sind am Ende Einzelfallentscheidungen, wie es eine in diesem Fall werden wird:

Zitat von http://www.welt.de/politik/deutschland/a...n-den-Hals.html
Schade, dass die NSU-Gruppe sich nicht solche [Philipp Rösler] vorgenommen haben, denn das wäre nicht so schlimm!"


Keiner der sich nicht diffamieren lassen will, sollte der Vorwurf gemacht werden können, er beschneide das Recht auf freie Meinung.
Dieses Recht beinhaltet auch noch viel mehr. Nämlich das Recht auf Redefreiheit. Eine Rede in der die eigene Meinung argumentativ dargelegt wird, mit Belegen und einer Herleitung.



Ach ja. Dies noch, oft zitiert aber falsch benannt:

Zitat von http://de.wikipedia.org/wiki/Evelyn_Beatrice_Hall
„Ich mag verdammen, was du sagst, aber ich werde mein Leben dafür einsetzen, dass du es sagen darfst.“
Evelyn Beatrice Hall


Nachtrag: Tut mir leid, lieber Ulrich Elkmann, ich habe Ihren Hinweis auf das Zitat zu spät gelesen.

Viele Grüße, Erling Plaethe

Albert Offline



Beiträge: 9

10.05.2013 11:48
#17 RE: Meinungsfreiheit. Ein Gastbeitrag von Llarian Antworten

Lieber Ulrich Elkmann,

Zitat von Ulrich Elkmann im Beitrag #10

Zitat von Ulrich Elkmann im Beitrag RE: Zwei in Münster ...
An sich ist's ja Tradition, daß in so einer Situation Leute ... ein Zitat von Voltaire in den Raum stellen. Aber ich stelle gerade fest, daß das entsprechende Wort gar nicht von ihm stammt[...]





Touché

Danke für die Aufklärung Vielleicht liest es sich korrekter :"...die Voltaire immer wieder zugeschriebene Äußerung..."

Richtig bleibt der Sinn des Satzes als Maxime für mich () immerhin.

Beste Grüße

Albert

"Bevor man eine Frage beantwortet, sollte man immer erst eine Pfeife anzünden." – Albert Einstein

Paul Offline




Beiträge: 1.285

10.05.2013 12:01
#18 RE: Meinungsfreiheit. Ein Gastbeitrag von Llarian Antworten

Zitat von Tiefseetaucher im Beitrag #13
Zitat von Paul im Beitrag #12

"Wer lügen will muss die Wahrheit kennen."


Nein, um zu lügen reicht es völlig aus, wenn man weiß, dass die Tatsache, die man behauptet, nicht die Wahrheit ist.


Lieber Tiefseetaucher,
vielen Dank für die Ergänzung.
Ja, das ist die zweite Seite der Medaille.

Nein, ich werde jetzt nicht spitzfindig.
Aber ist es nicht so, dass ich, wenn ich weiß, dass die Tatsache die ich behaupte, nicht stimmt, ich die Wahrheit kennen muss?

Aber lassen wir das. Wir sind uns ja einig.

LG, Paul

Tiefseetaucher Offline




Beiträge: 353

10.05.2013 12:09
#19 RE: Meinungsfreiheit. Ein Gastbeitrag von Llarian Antworten

Zitat von Paul im Beitrag #18

Aber ist es nicht so, dass ich, wenn ich weiß, dass die Tatsache die ich behaupte, nicht stimmt, ich die Wahrheit kennen muss?


Nein, hier ein einfaches Beispiel zur Veranschaulichung. Wenn ich z.B. behaupte, dass die Temperatur in dem Zimmer, in dem ich mich gerade aufhalte, 100°C beträgt, lüge ich, da ich weiß, dass die Temperatur nicht 100°C beträgt, auch wenn ich nicht weiß, ob die Temperatur jetzt vielleicht 20°C, 19°C oder 21°C beträgt, ich also die Wahrheit nicht kenne.

A common mistake that people make when trying to design something completely foolproof is to underestimate the ingenuity of complete fools.
Douglas Adams

Ulrich Elkmann Offline




Beiträge: 14.425

10.05.2013 12:15
#20 RE: Meinungsfreiheit. Ein Gastbeitrag von Llarian Antworten

Zitat von Albert im Beitrag #17
Richtig bleibt der Sinn des Satzes als Maxime für mich () immerhin.


Das ist es mit so einigen hoch-berühmten Zitaten, die Allgemeingut geworden sind: sie sind zwar nie von den Betreffenden geäußert worden, aber sie hätten von ihnen stammen können. Das gilt für Adenauers
"Wat kümmert mich ming Jeschwätz von jestern?" wie für des Sonnenkönigs "L'état c'est moi" oder Churchills "Ich glaube nur der Statistik, die ich selbst gefälscht habe" oder Marie Antoinettes "Sollen sie doch Kuchen essen" (die als de facto-Leitschnur im politischen Leben leider etwas verbreiteter scheinen als der Voltaire'sche Idealismus).

PS: Let them eat cake. Daß dieses eigene Lemma Versionen auf Russisch und auf Weißrussisch hat, dürfte sicher keine Subversion andeuten, sondern dem Faktum geschuldet sein, daß die Sentenz im Sozialismus zur Brandmarkung des ancien regime des Öfteren Schulstoff gewesen sein dürfte.

ungelt Offline



Beiträge: 119

10.05.2013 12:29
#21 RE: Meinungsfreiheit. Ein Gastbeitrag von Llarian Antworten

Zitat von Tiefseetaucher im Beitrag #19
Zitat von Paul im Beitrag #18

Aber ist es nicht so, dass ich, wenn ich weiß, dass die Tatsache die ich behaupte, nicht stimmt, ich die Wahrheit kennen muss?

Nein, hier ein einfaches Beispiel zur Veranschaulichung. Wenn ich z.B. behaupte, dass die Temperatur in dem Zimmer, in dem ich mich gerade aufhalte, 100°C beträgt, lüge ich, da ich weiß, dass die Temperatur nicht 100°C beträgt, auch wenn ich nicht weiß, ob die Temperatur jetzt vielleicht 20°C, 19°C oder 21°C beträgt, ich also die Wahrheit nicht kenne.

Entschuldigung daß ich vorpresche aber da bin ich ganz anderer Meinung: Die Wahrheit in diesem Bespiel ist doch, daß die Temperatur NICHT 100° beträgt. Ob sie nun genau 19,23758110942387° beträgt steht damit aus meiner Sicht in keinem (ok, fast keinem) Zusammenhang.

Herzlich Ungelt

G. Linden Offline



Beiträge: 5

10.05.2013 12:31
#22 RE: Meinungsfreiheit. Ein Gastbeitrag von Llarian Antworten

Mir scheint, dass zur Fähigkeit, andere Meinungen gelten zu lassen und zu ertragen auch unbedingt der Mut und die Zivilcourage gehören, die eigene - andere - Meinung dagegen zu setzen. Eine liberale Gesellschaft lebt nicht nur vom Zulassen der aus eigenem Blickwinkel unerträglichen Meinungsäußerung des anderen, sondern ganz entschieden auch von der Debatte, in der ich den anderen Menschen eine Alternative mitgebe.

Frank2000 Offline




Beiträge: 3.424

10.05.2013 12:34
#23 RE: Meinungsfreiheit. Ein Gastbeitrag von Llarian Antworten

@Llarian,
Schöner Artikel.

Zitat von Meister Petz im Beitrag #4

Mir ist zum Thema Meinungsfreiheit aufgefallen, dass das Problem schon im Wort liegt. Das deutsche Wort klingt so, als ob der Staat dem Menschen das Recht einräumt, überhaupt eine Meinung zu haben, während im englischen freedom of speech es korrekt um die Äußerung geht.


Fein beobachtet.
Und tatsächlich gibt es in Deutschland eine ganze Reihe Entwicklungen, die breits die Existenz von Meinung als Charakterentartung und damit verboten eingestuft haben wollen. So gibt es eine ganz starke Fraktion, die breits die Existenz einer pädophilen Grundhaltung als Krankheit klassifizieren wollen - einschließlich der Konsequenz einer zwangsweisen Behandlung. Nun bin ich kein Arzt und ich kann mir sehr gut vorstellen, dass Pädophilie tatsächlich ABNORMAL ist -im Sinne des Wortes- und WIDERWÄRTIG ist es für mich sowieso. Aber die Frage stellt sich schon, ab wann eine blose "Abnormalität" zur "Verbotenen Einstellung" mutiert und deswegen eine Zwangsbehandlung eingeleitet werden muss.

Nach meinem Wertesystem ist auch gelebter Islamismus -also die Einstellung, man habe Gottes Auftrag, seinen Willen herbeizubomben- ABNORMAL und WIDERWÄRTIG. Trotzdem werde ich in Deutschland kaum jemand finden der bereit wäre zuzustimmen, dass solche Leute prophylaktisch in die Klappse zu stecken wären.

Ich sage nicht, dass es schon so weit ist, dass Leute wegen solchen abnormen Einstellungen staatliche Repression fürchten müssten. Aber angedacht ist es schon. Wo ziehen wir also die Grenze? Ich weiß darauf auch keine Antwort. Tendenziell empfinde ich aber das amerikanische System als freiheitlicher und angemessener als das deutsche, auf Absicherung der Konsensgesellschaft ausgerichtete, System.

Doeding Offline




Beiträge: 2.612

10.05.2013 12:40
#24 RE: Meinungsfreiheit. Ein Gastbeitrag von Llarian Antworten

Zitat von Frank
So gibt es eine ganz starke Fraktion, die breits die Existenz einer pädophilen Grundhaltung als Krankheit klassifizieren wollen - einschließlich der Konsequenz einer zwangsweisen Behandlung.



Das halte ich für ein Gerücht. Eine pädophile "Grundhaltung" i. S. einer Neigung (ohne erfolgte Straftaten, die aktenkundig geworden wären) ist ja qua definitionem nicht bekannt und kann folglich nicht zu einer Zwangsbehandlung führen. Und wenn ein pädophil Veranlagter sich freiwillig in Behandlung begibt (was nicht selten der Fall ist), ohne je strafbar geworden zu sein, dann braucht es keine Zwangsbehandlung mehr. Ich wüßte auch nicht, daß dergleichen politisch betrieben würde.

Edit der erste Teil stimmt aber. Pädophilie gehört nach der WHO-Psychiatrieklassifikation zu den sog. Paraphilien und gilt damit als Krankheit. Nur Zwangsbehandlung gibt es nicht. (Ende Edit)

Etwas anderes ist es natürlich, wenn pädophil Veranlagte auch auffällig/strafbar geworden sind durch sexuelle Handlungen an Minderjährigen. Dann greift natürlich die Zwangsbehandlung, ggf. auch Maßregelverzug. Oder einfach Knast.

Herzliche Grüße,
Andreas Döding

Frank2000 Offline




Beiträge: 3.424

10.05.2013 12:41
#25 RE: Meinungsfreiheit. Ein Gastbeitrag von Llarian Antworten

Zitat von Tiefseetaucher im Beitrag #19
Zitat von Paul im Beitrag #18

Aber ist es nicht so, dass ich, wenn ich weiß, dass die Tatsache die ich behaupte, nicht stimmt, ich die Wahrheit kennen muss?


Nein, hier ein einfaches Beispiel zur Veranschaulichung. Wenn ich z.B. behaupte, dass die Temperatur in dem Zimmer, in dem ich mich gerade aufhalte, 100°C beträgt, lüge ich, da ich weiß, dass die Temperatur nicht 100°C beträgt, auch wenn ich nicht weiß, ob die Temperatur jetzt vielleicht 20°C, 19°C oder 21°C beträgt, ich also die Wahrheit nicht kenne.


Die Diskussion ist überflüssig. Lügen ist in Deutschland grundsätzlich erlaubt - und zwar unabhängig von der freien Meinungsäußerung. Erstaunlich, dass ich diese simple Wahrheit immer wieder erklären muss... Lügen ist erlaubt. Punkt. Das ist Teil der Persönlichkeitsrechte. Es gibt Bereiche, die vom Recht auf Lüge AUSGENOMMEN sind, aber GRUNDSÄTZLICH darf ich Lügen so viel ich will.

Hier ein paar prominente Beispiele:

- Das Persönlichkeitsrecht der freien Namenswahl (ich darf mich nennen, wie ich will; lediglich bei der behördlichen oder beurkundeten Identitätsüberprüfung muss ich den richtigen Namen angeben)
- Das Recht auf verschweigen der persönlichen Lebensverhältnisse (das gilt sogar bei Bewerbungsgesprächen) und wenn simples "Nichtantworten" zu verdächtig wäre, dann darf ich auch das blaue vom Himmel herunterlügen

Herzlich Frank

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