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ZETTELS KLEINES ZIMMER

Das Forum zu "Zettels Raum"



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Dieses Thema hat 94 Antworten
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 Kommentare/Diskussionen zu "Zettels Raum"
Seiten 1 | 2 | 3 | 4
Elmar Offline



Beiträge: 282

22.08.2013 14:57
#26 RE: Wird in Berlin gerade das Christentum ausgelöscht? Antworten

Hmm, da ist auch etwas falsch, lieber adder:

-Japan ist eine freie Demokratie "dank" der USA nach dem WWII.
-Taiwan verdankt seine Unabhängigkeit wohl vor allem den USA, sonst wären sie schon lange Teil von China.
-Island ist selbstverständlich ein christiliches Land (wie alle skandinavischen Länder bereits seit mehreren Jahrhunderten). Zur germanischen Religion bekennen sich etwa 3%
der Isländer
.
-Die Aborigines leben in Australien und das gilt gemeinhin als freies Land und auch ein christliches.
-Südkorea ist mittlerweile ein christliches Land: 31% bekennen sich zum Christentum, 23,7% Buddhisten, 31% [onfessionslos.

Das christliche Gesellschaften auch unfrei sein können hat auch keiner abgestritten. Das Gesellschaften frei sind, ohne das Christentum kann ich nicht sehen. Israel ist hier einmal meine, die Regel bestätigende Ausnahme

Erling Plaethe Offline




Beiträge: 4.660

22.08.2013 16:19
#27 RE: Wird in Berlin gerade das Christentum ausgelöscht? Antworten

Zitat von adder im Beitrag #25

Möchte jemand argumentieren, dass die Aborigines untereinander einen Tyrannen haben?

Oh ja, ich. Die Aborigines waren Jäger und Sammler und lebten in Stämmen. Ihre Zugehörigkeit zu einem Volk ist ihnen von außen aufgezwungen worden. Der Tyrann war der Stammesführer.
Ich betrachte jede Stammeskultur als Tyrannei, muss ich dazu sagen.
Ihre Entwicklung hin zu einer Zivilisation, die eine Sesshaftigkeit voraussetzt, ist einzig und allein durch Zwang von außen geschehen. Wo diese Assimilation erfolgreich war, wurden sie Teil der Demokratie westlicher Einwanderer die ihnen diese Chance gaben. Wo nicht, sind sie entwurzelt, alkoholkrank und ein schwerwiegendes soziales Problem.

Viele Grüße, Erling Plaethe

R.A. Offline



Beiträge: 8.171

22.08.2013 16:22
#28 RE: Wird in Berlin gerade das Christentum ausgelöscht? Antworten

Das Christentum wird zwar nicht "ausgelöscht", dazu ist so eine Medaille viel zu unwichtig. Aber es wird bewußt ausgegrenzt, das finde ich durchaus bedenklich.

Mal vom Hintergrund her gedacht: Es geht um die Anerkennung und Förderung von ehrenamtlichem Engagement. Es geht um die Menschen, die mit allen möglichen Tätigkeiten für einen gewissen Zusammenhalt in einer Gemeinde sorgen. Und aufgeführt in der ursprünglichen Fassung sind typische Beispiele, wo ein solches Engagement stattfindet:

Zitat
Die zu ehrende Person/Gruppe/Initiative soll sich durch ein herausragendes Engagement über einen längeren Zeitraum in Gesellschaftsbereichen wie zum Beispiel Jugend und Familie, Kultur, Soziales, Sport, Religion, Umwelt, Entwicklung, Innovation, Wirtschaft und ein friedliches Miteinander verdient gemacht haben.



Da geht es m. E. NICHT darum, daß jemand in seinem stillen Kämmerchen über viele Jahre heimlich erstklassige Bilder malt (Bereich Kultur), daß jemand beständig irgendwo auf der Welt Golfturniere gewinnt (Sport), daß jemand besonders hingebungsvoll jeden Sonntag stundenlang betet (Religion) oder mit Intraday-Trading vom heimischen PC aus viel Geld verdient hat (Wirtschaft).

Sondern es geht um Leute, die ein Straßenmusikfestival organisieren (Kultur), die Jahrgang für Jahrgang beim Sportverein die Jugend trainieren (Sport), die das Gemeindefest oder den Kirchenbasaar mitgestalten (Religion) oder im Gewerbeverein die Belebung der örtlichen Fußgängerzone angeregt haben (Wirtschaft).

Man hätte vielleicht die ganze Satzung umformulieren können, damit die eigentliche Absicht des "Engagements für die Gemeinschaft" klarer wird und die Anwendungsbeispiele weglassen (es gibt ja schließlich noch andere Möglichkeiten).
Aber ich finde es schon unangenehm, wenn gezielt nur ein Bereich herausgenommen wird und damit ehrenamtliches Engagement nicht mehr als erwünscht eingestuft wird, wenn es sich im Rahmen einer Kirchengemeinde abspielt. Das ist eine beabsichtigte Herabwürdigung der Menschen, die sich mit diesem Gemeindeleben identifizieren.

Insofern ist der Alarmismus der Zeitung zwar deutlich überzogen. Aber der Antrag der Piraten zeigt in meinen Augen eine ziemlich miese Einstellung, auf jeden Fall intolerant und fast schon "asozial" im Wortsinn.

stefanolix Offline



Beiträge: 1.959

22.08.2013 16:25
#29 RE: Wird in Berlin gerade das Christentum ausgelöscht? Antworten

Zitat von Elmar im Beitrag #26
Hmm, da ist auch etwas falsch, lieber adder:

-Japan ist eine freie Demokratie "dank" der USA nach dem WWII.
-Taiwan verdankt seine Unabhängigkeit wohl vor allem den USA, sonst wären sie schon lange Teil von China.
-Island ist selbstverständlich ein christiliches Land (wie alle skandinavischen Länder bereits seit mehreren Jahrhunderten). Zur germanischen Religion bekennen sich etwa 3%
der Isländer
.
-Die Aborigines leben in Australien und das gilt gemeinhin als freies Land und auch ein christliches.
-Südkorea ist mittlerweile ein christliches Land: 31% bekennen sich zum Christentum, 23,7% Buddhisten, 31% [onfessionslos.

Das christliche Gesellschaften auch unfrei sein können hat auch keiner abgestritten. Das Gesellschaften frei sind, ohne das Christentum kann ich nicht sehen. Israel ist hier einmal meine, die Regel bestätigende Ausnahme



Ich finde es wieder einmal sehr interessant, wie man hier zum Nachdenken und Recherchieren gezwungen wird ;-)

Japan ist nun seit Jahrzehnten unabhängig von den USA. Die dortigen Religionen Shintō und Buddhismus haben das Rad der Geschichte nicht zurückdrehen können. Ich denke, dass sich die Entwicklung Japans nach dem Ende der Isolation vom Feudalismus bis hin zur Demokratie auch ohne die Niederlage im Zweiten Weltkrieg vollzogen hätte. Vielleicht nicht so schnell und auf andere Weise, aber sie wäre nicht aufzuhalten gewesen. Ähnliches scheint mir für Taiwan zu gelten.

Natürlich kann man sagen: Das Vorbild für die Demokratie haben sie im Vereinigten Königreich, in den USA oder in anderen westlichen Staaten gesehen. Aber bei Licht betrachtet stammt die Demokratie ursprünglich aus Griechenland und Rom. Dort waren an der Entwicklung eher keine Christen beteiligt.

Der Verweis auf die Urvölker (wie die Aborigines) scheint mir sehr interessant: Wie hätten sie sich ohne die Kolonialisierung entwickelt? Wie eng waren Religion und Gesellschaft verbunden? Wie frei oder unfrei war ihre Gesellschaft?




Interessant ist in Bezug auf Südkorea (und andere Staaten dieser Erde), dass fundamentalistische Christen wissenschaftliche Erkenntnisse über die Evolution zurückdrängen bzw. zurückdrängen wollen. Das scheint mir ein Signal für Unfreiheit und für einen unheilvollen Einfluss auf Bildung und Wissenschaft zu sein:

Zitat von Wikipedia-Artikel über Südkorea
Der Einfluss des christlichen Fundamentalismus ist in Südkorea in den vergangenen Jahren auffallend gestiegen. So besitzt mittlerweile etwa das führende Forschungsinstitut des Landes, das Korea Advanced Institute of Science and Technology, eine Forschungsgruppe für den „Kreationismus“, und auf Geheiß des nationalen Ministeriums für Kultur, Wissenschaft und Technologie streichen mittlerweile Verlage Passagen zur Evolutionstheorie aus Schulbüchern, da diese dem Kreationismus widersprechen.







Die Frage ist: Nehmen wir für die Bezeichnung eines Landes als »christlich« die absolute Mehrheit oder die relative Mehrheit an? Gehen wir nach dem Bekenntnis auf dem Papier oder nach der Zahl der aktiven Gläubigen? Im BZ-Artikel spricht ein Vertreter der Evangelischen Kirche von »weit über tausend aktiven Christen« in Kreuzberg. Der Bezirk hat allein ca. 150.000 Einwohner. Ich würde Kreuzberg somit nicht mehr unbedingt als christlich geprägten Bezirk bezeichnen.

c0ldcall Offline



Beiträge: 1

22.08.2013 16:25
#30 RE: Wird in Berlin gerade das Christentum ausgelöscht? Antworten

Sehr geehrter stefanolix.

Danke für den Artikel, der mir die Gelegenheit gibt ausführlicher zu kommentieren, als es bei Twitter möglich ist.

Wie Sie richtig bemerken sind Staat und Kirche in Deutschland - aus gutem Grund - getrennt.
Da dies so ist, ist religiöses Engagement eben eine vornehmlich private Entscheidung.
So wie auch Engagement im Sport oder im kulturellen Bereich.
Für die Bezirksmedaille ist Kategorie Religion nun ausdrücklich entfernt worden. Sport und Kultur zB nicht.
Es geht hier also gerade nicht um Bekenntnisfreiheit.

Ein ehrenamtlicher Platzwart, der jahrelang für seinen Sportverein den Rasen pflegt, wäre sicher ein guter Kandidat für eine Auszeichnung.
Aber ein ehrenamtlicher Bibliothekar, der zB eine eine kirchliche Bibliothek verwaltet? Fällt dies eher in die Kategorie Kultur oder doch Religion? Macht es einen Unterschied, wenn der Bibliothekar Atheist ist?

"Jede Person, die sich auf diesen Gebieten engagiert, kann selbstverständlich für die Bezirksmedaille nominiert werden..."
Formaljuristisch regelt die Drucksache wer die Auszeichnung erhält(!), nicht wer nominiert(!) wird. Nominiert werden kann auch das Rumpelstilzchen. Es erhält die Medaille aber nicht zwangsläufig. Durch die Entfernung von "Religion" aus der Aufzählung von Beispielen erhält diese einen bindenden Charakter.

"Die Bezirksmedaille wird nicht für ein bestimmtes Bekenntnis, sondern für bürgerschaftliches Engagement verliehen."
Ist soziales Engagement eines Christen nicht gleichzeitig Bürgerschaftlich?

Natürlich werden Christen nicht explizit von der Nominierung ausgeschlossen. Die Regelung wäre dann schlicht ungültig. Aber
bisher wurde die Auszeichnung problemlos ohne Ansehen des Bekenntnisses oder der Religion vergeben. Das wird sich nun ändern.
Wird in Berlin das Christentum ausgelöscht? Es geht nicht um Berlin, sondern nur um einen Bezirk. Nicht um Auslöschung, aber um Verdrängung aus der öffentlichen Wahrnehmung. Und wenn Rot/Rot/Grün/Piraten "Religion" sagt, meinen sie natürlich nicht alle Religionen gleichermaßen.

MFG @c0ldcall

stefanolix Offline



Beiträge: 1.959

22.08.2013 16:33
#31 RE: Wird in Berlin gerade das Christentum ausgelöscht? Antworten

Zitat von R.A. im Beitrag #28
Das Christentum wird zwar nicht "ausgelöscht", dazu ist so eine Medaille viel zu unwichtig. Aber es wird bewußt ausgegrenzt, das finde ich durchaus bedenklich.

Mal vom Hintergrund her gedacht: Es geht um die Anerkennung und Förderung von ehrenamtlichem Engagement. Es geht um die Menschen, die mit allen möglichen Tätigkeiten für einen gewissen Zusammenhalt in einer Gemeinde sorgen. Und aufgeführt in der ursprünglichen Fassung sind typische Beispiele, wo ein solches Engagement stattfindet:

Zitat
Die zu ehrende Person/Gruppe/Initiative soll sich durch ein herausragendes Engagement über einen längeren Zeitraum in Gesellschaftsbereichen wie zum Beispiel Jugend und Familie, Kultur, Soziales, Sport, Religion, Umwelt, Entwicklung, Innovation, Wirtschaft und ein friedliches Miteinander verdient gemacht haben.


Da geht es m. E. NICHT darum, daß jemand in seinem stillen Kämmerchen über viele Jahre heimlich erstklassige Bilder malt (Bereich Kultur), daß jemand beständig irgendwo auf der Welt Golfturniere gewinnt (Sport), daß jemand besonders hingebungsvoll jeden Sonntag stundenlang betet (Religion) oder mit Intraday-Trading vom heimischen PC aus viel Geld verdient hat (Wirtschaft).

Sondern es geht um Leute, die ein Straßenmusikfestival organisieren (Kultur), die Jahrgang für Jahrgang beim Sportverein die Jugend trainieren (Sport), die das Gemeindefest oder den Kirchenbasaar mitgestalten (Religion) oder im Gewerbeverein die Belebung der örtlichen Fußgängerzone angeregt haben (Wirtschaft).

Man hätte vielleicht die ganze Satzung umformulieren können, damit die eigentliche Absicht des "Engagements für die Gemeinschaft" klarer wird und die Anwendungsbeispiele weglassen (es gibt ja schließlich noch andere Möglichkeiten).
Aber ich finde es schon unangenehm, wenn gezielt nur ein Bereich herausgenommen wird und damit ehrenamtliches Engagement nicht mehr als erwünscht eingestuft wird, wenn es sich im Rahmen einer Kirchengemeinde abspielt. Das ist eine beabsichtigte Herabwürdigung der Menschen, die sich mit diesem Gemeindeleben identifizieren.

Insofern ist der Alarmismus der Zeitung zwar deutlich überzogen. Aber der Antrag der Piraten zeigt in meinen Augen eine ziemlich miese Einstellung, auf jeden Fall intolerant und fast schon "asozial" im Wortsinn.



Die Absicht der Piraten und der linken Parteien sehe ich wohl. Die ist natürlich fies. Aber die Wirkung bestreite ich. Am Ende liest man doch aus dem Satz das Vernünftige heraus: Die zu ehrende Person oder Organisation soll sich durch ein herausragendes gesellschaftliches Engagement über einen längeren Zeitraum verdient gemacht haben. Und das trifft unabhängig vom Bekenntnis den Kern der Sache. Somit haben Linksgrüne und Piraten einen symbolischen »Sieg« davongetragen, aber eigentlich nichts erreicht.

adder Offline




Beiträge: 1.073

22.08.2013 17:03
#32 RE: Wird in Berlin gerade das Christentum ausgelöscht? Antworten

Zitat von stefanolix im Beitrag #29
Zitat von Elmar im Beitrag #26
Hmm, da ist auch etwas falsch, lieber adder:

-Japan ist eine freie Demokratie "dank" der USA nach dem WWII.
-Taiwan verdankt seine Unabhängigkeit wohl vor allem den USA, sonst wären sie schon lange Teil von China.
-Island ist selbstverständlich ein christiliches Land (wie alle skandinavischen Länder bereits seit mehreren Jahrhunderten). Zur germanischen Religion bekennen sich etwa 3%
der Isländer
.
-Die Aborigines leben in Australien und das gilt gemeinhin als freies Land und auch ein christliches.
-Südkorea ist mittlerweile ein christliches Land: 31% bekennen sich zum Christentum, 23,7% Buddhisten, 31% [onfessionslos.

Das christliche Gesellschaften auch unfrei sein können hat auch keiner abgestritten. Das Gesellschaften frei sind, ohne das Christentum kann ich nicht sehen. Israel ist hier einmal meine, die Regel bestätigende Ausnahme



Ich finde es wieder einmal sehr interessant, wie man hier zum Nachdenken und Recherchieren gezwungen wird ;-)


Und wie stark sich die Wahrnehmungen der Fakten teilweise unterscheiden.

Zitat
Japan ist nun seit Jahrzehnten unabhängig von den USA. Die dortigen Religionen Shintō und Buddhismus haben das Rad der Geschichte nicht zurückdrehen können. Ich denke, dass sich die Entwicklung Japans nach dem Ende der Isolation vom Feudalismus bis hin zur Demokratie auch ohne die Niederlage im Zweiten Weltkrieg vollzogen hätte. Vielleicht nicht so schnell und auf andere Weise, aber sie wäre nicht aufzuhalten gewesen. Ähnliches scheint mir für Taiwan zu gelten.



Ja, das sehe ich genauso. Japans Feudalgesellschaft war ja nach der Meiji-Restauration auf dem Weg in eine konstitutionelle Monarchie (wie das Vereinigte Königreich lange Zeit eine war und noch immer in gewisser Weise ist) und in der Zwischenkriegsperiode war dieses Ziel erreicht worden. Sicherlich hätten sich einige feudal oder kulturell bedingte Unterschiede zu heute ergeben, hätte das Kaiserreich Großjapan nicht die falschen Verbündeten gewählt und sich in einen Krieg gegen die USA gestürzt. Aber im großen und ganzen waren es nach dem Krieg ebenfalls Japaner, die die Änderungen in der Verfassung hin zu einer Demokratie mit einem repräsentativen Monarchen ausgearbeitet haben (und sicherlich nicht mehrheitlich Christen).
Shintoismus und Teile des Buddhismus sind eben auch nicht für ihre Illiberalität und authoritäre Sitten bekannt - andere Teile des Buddhismus schon eher (doch das gilt genauso auch für das Christentum).

Zitat
Natürlich kann man sagen: Das Vorbild für die Demokratie haben sie im Vereinigten Königreich, in den USA oder in anderen westlichen Staaten gesehen. Aber bei Licht betrachtet stammt die Demokratie ursprünglich aus Griechenland und Rom. Dort waren an der Entwicklung eher keine Christen beteiligt.



Japan hat sich bei der Meiji-Verfassung am Vereinigten Königreich und Preussen orientiert. Das UK hat seine demokratische Tradition aus römisch-griechischen und angelsächsischen Traditionen entwickelt. Beide nicht inhärent christlich - als die Insel von den jeweiligen späteren Machthabern erobert wurden, waren weder Römer noch Angeln, Jüten und Sachsen Christen. Die Festlandsachsen wurden erst einige hundert Jahre später mit Feuer und Schwert zum Christentum gezwungen (von einem, dessen Name für einen Preis für die Einigung Europas verwendet wird), die Insel-Angelsachsen nahmen langsam aber sicher die christliche Religion der anderen Bewohner an, tatkräftig von friedlichen irischen Mönchen überzeugt.

Zitat
Der Verweis auf die Urvölker (wie die Aborigines) scheint mir sehr interessant: Wie hätten sie sich ohne die Kolonialisierung entwickelt? Wie eng waren Religion und Gesellschaft verbunden? Wie frei oder unfrei war ihre Gesellschaft?



Gleiche Frage gilt ja auch etwas abgeändert für die "christlichen" Gesellschaften in Europa: wie hätten sich denn heidnische Dänen, Schweden, Angelsachsen oder Sachsen entwickelt? Ich denke, wir hätten eine ziemlich äquivalente Entwicklung gesehen - denn die Aufklärung, die ja entscheidend für den Durchbruch liberaler Ideen in Europa war, ist maßgeblich von der Renaissance antiker Wertvorstellungen und heidnischer (nicht nur römisch-griechischer) Kunst, Literatur, Wissenschaft beeinflusst worden.
Nein - die Germanen und die nordischen Völker hätten auch ohne Christentum die demokratischen Elemente ihrer Gesellschaft immer stärker betont.

Wir sollten auch nicht vergessen, dass die Germanen ihre Anführer bestimmten - und nicht einfach einem Autokraten folgten - und natürlich, dass freie Männer ebenso wie in Athen oder Rom immer ein Mitspracherecht hatten. Sklaverei/Leibeigenschaft und die passive Rolle der Frau (die im Hintergrund mehr Macht über die Entscheidungen ihres Mannes hatte als heute) waren ja kein religiöses, sondern ein gesellschaftliches "Problem".

Zitat
Interessant ist in Bezug auf Südkorea (und andere Staaten dieser Erde), dass fundamentalistische Christen wissenschaftliche Erkenntnisse über die Evolution zurückdrängen bzw. zurückdrängen wollen. Das scheint mir ein Signal für Unfreiheit und für einen unheilvollen Einfluss auf Bildung und Wissenschaft zu sein:

Zitat von Wikipedia-Artikel über Südkorea
Der Einfluss des christlichen Fundamentalismus ist in Südkorea in den vergangenen Jahren auffallend gestiegen. So besitzt mittlerweile etwa das führende Forschungsinstitut des Landes, das Korea Advanced Institute of Science and Technology, eine Forschungsgruppe für den „Kreationismus“, und auf Geheiß des nationalen Ministeriums für Kultur, Wissenschaft und Technologie streichen mittlerweile Verlage Passagen zur Evolutionstheorie aus Schulbüchern, da diese dem Kreationismus widersprechen.





Ja, auch das ist in letzter Zeit wieder häufig zu beobachten. Leider, denn bereits einmal haben christliche Authoritäten Wissen und Erkenntnis unterdrückt.


Zitat
Die Frage ist: Nehmen wir für die Bezeichnung eines Landes als »christlich« die absolute Mehrheit oder die relative Mehrheit an? Gehen wir nach dem Bekenntnis auf dem Papier oder nach der Zahl der aktiven Gläubigen? Im BZ-Artikel spricht ein Vertreter der Evangelischen Kirche von »weit über tausend aktiven Christen« in Kreuzberg. Der Bezirk hat allein ca. 150.000 Einwohner. Ich würde Kreuzberg somit nicht mehr unbedingt als christlich geprägten Bezirk bezeichnen.



Nun ja. 3% bekennende Heiden in Island soll ja gering klingen. Ist es aber gar nicht, denn auch in Island wurde jahrhundertelang jeder Heide schwer verfolgt. Und ich kenne viele "Christen", die zwar ihre Kirchensteuern schön bezahlen, aber gerade ansonsten eher überhaupt nicht glauben. Andererseits kenne ich keinen Heiden, der zwar registriert wäre, aber nicht glauben würde. Geht ja auch in DE nicht, da Heidentum unter "sonstige" zusammengefasst wird.

Llarian Offline



Beiträge: 7.124

22.08.2013 18:05
#33 RE: Wird in Berlin gerade das Christentum ausgelöscht? Antworten

Zitat von stefanolix im Beitrag #15
Sie ist jüdisch-christlich + aufgeklärt.

Das ist aber kein Zufall. Betrachtet man Christen- wie Judentum, dann sieht man die Wurzeln der Aufklärung an allen Ecken und Kanten. Das Judentum ist stark von Gesetzen getrieben, Gesetze, die nicht nur für die normalen Gläubigen, sondern für alle aufgestellt waren. Da zeigen sich Ansätze eines Rechtsstaates. Jesus widerum spricht sich eindeutig für eine Trennung von Glauben und Staat aus. Ich könnte es jetzt wortwörtlich nachschlagen, aber dort steht sowohl das Gebot "Gebt dem Caesar, was dem Caesar ist" als auch ein "Mein Königreich ist nicht von dieser Welt". Christlicher wie jüdischer Glauben sind die Grundlagen der Aufklärung, es hat nur eben sehr lange gedauert. Man kann problemlos (!) an nahezu all das glauben was Jesus von sich gegeben hat und dennoch ein glühender Verfechter des Rechtsstaates sein, da ist kein Widerspruch.

Zitat
Würde man nämlich die Fundamentalisten an die Macht lassen, sähe es sehr dunkel aus.


Christliche Fundamentalisten sind eigentlich ziemlich harmlos. Meistens wollen sie eher unter sich bleiben. Natürlich gibt es haufenweise Leute, die die Religion gerne verwenden, um Macht auszuüben, was der zentrale Fehler der Kirche gewesen ist, aber das ist eigentlich nicht der fundamentale Kern des Christentums. Das Christentum ist kein Macht- sondern ein Glaubenskonstrukt. Himmelweiter Unterschied (no pun intended).

Llarian Offline



Beiträge: 7.124

22.08.2013 18:07
#34 RE: Wird in Berlin gerade das Christentum ausgelöscht? Antworten

Zitat von stefanolix im Beitrag #21
Im Islam muss ein Aufklärungsprozess durchlaufen werden, der diese Trennung ermöglicht.

Das passiert nur nicht. Seltsam, oder ? Wie lange sollen wir denn noch warten ? Ist ne ganz ernst gemeinte Frage.

Llarian Offline



Beiträge: 7.124

22.08.2013 18:44
#35 RE: Wird in Berlin gerade das Christentum ausgelöscht? Antworten

Zitat von adder im Beitrag #25
Zitat von Llarian im Beitrag #7
Es gibt weltweit nahezu keine freie Gesellschaft, die nicht auf christlichen Wurzeln steht.



Das ist nicht logisch - es ist sogar eine Annahme, die fundamental falsch ist.

Zunächst mal ist es keine Annahme, sondern eine Aussage (sorry der Spalterei wegen). Aber ich basiere nix auf dieser Aussage. Und falsch kann sie sein, aber sicher nicht fundamental.

Zitat
Japan ist eine Demokratie, die Japaner sind nicht unfreier als wir.


Ist das so ? Halten Sie Japan für einen Rechtsstaat, der dem unseren vergleichbar wäre ?

Zitat
Island hat eine nordisch-paganistische Tradition zusätzlich zum (aufgezwungenen) Christentum. Die Isländer sind aber auch nicht unfreier als wir. (Gleiches gilt für Finland)


Ich würde schon behaupten das Island wie Finland sehr stark christlich geprägt sind. Wie ich weiter oben sagte, es kommt nicht darauf an, was jemand glaubt. Es kommt darauf an, was ihn prägt. Sie mögen nicht glauben oder vielleicht an ein fliegendes Spagetthimonster glauben, es ändert nichts an ihrer christlich-jüdischen Prägung, die Sie durch die Kultur dieses Landes erfahren haben. Die Werte, die Ihnen gelehrt wurden, stammen aus dieser Tradition. Gerade die asiatischen Beispiele die sie aufzählen (die ich durchaus nicht für so frei wie Deutschland halte), sind durchaus davon geprägt. In unterschiedlichen Dosen. Dort wo die Prägung durch den Westen weniger stark ist (beispielsweise Nordkorea, China oder Vietnam) haben sie auch durchweg weniger demokratische Rechtsstaaten.

Zitat
Möchte jemand argumentieren, dass die Aborigines untereinander einen Tyrannen haben?


Aber hallo. Ich kann mir kaum etwas unfreieres vorstellen als unter der Knute eines Diktators zu leben, egal ob der sich Häuptling oder Stammesführer nennt. Stammesgesellschaften sind etwas durch und durch unfreies, von Ideen wie Demokratie oder Rechtsstaat nichtmal angefangen.

Zitat
Taiwan ist ebenfalls ein buddhistisch/taoistisch/shintoistisch geprägtes, freies und demokratisches Land - genauso wie Südkorea.


Südkoreas verbreiteste Religion ist das Christentum, spricht nicht für eine kleine Prägung. Taiwan wiederum ist ein etwas schwieriges Beispiel: Bis 1987 war Taiwan keine Demokratie, das ist noch nicht so lange. Und in den vierzig Jahren davor stand Taiwan unter massivem Einfluss der USA, vor allem in kulturellen Hinsicht. Da ist die Prägung irgendwann da. Ob die Demokratie ohne den massiven Einfluss von aussen gekommen wäre, darf zumindest insofern bezweifelt werden, dass die Nachbarn, die derlei Prägung nicht erfahren haben, nicht dahin gekommen sind.

Es ist mir natürlich bewusst das in dieser Argumentation irgendwann der Kreis geschlossen ist: Jede Demokratie, jeder Rechtsstaat geht irgendwo auf diese Prägung zurück. Aber das ist eben auch genau der Grundtenor: Der moderne, demokratische Rechtsstaat ist eine christlich-jüdische Erfindung. Und versucht sich von dort auszubreiten. Viele Werte, die das Christentum vermittelt, wie Nächstenliebe, Rücksicht auf Schwächere, fundamentaler Respekt vor dem Leben, sind Werte, die es einem Rechtsstaat einfach viel, viel einfacher machen sich zu etablieren. Vielleicht können Sie einen Rechtsstaat auch dort einführen, wo Menschen keinen Respekt voreinander empfinden, wo ihnen nicht gepredigt wird auch dem Feind zu vergeben, wo das Recht des Stärkeren als positiv empfunden wird, das mag gehen, aber es ist viel, viel schwerer. Und darum scheitern die Leute auch daran. Plakativ: In Deutschland wurde nach 1945 ein demokratischer Rechtsstaat aufgebaut. In Afghanistan und im Irak hat man genau das selbe versucht. Und ist gnadenlos gescheitert. Es mag prinzipiell möglich sein, die Amerikaner haben fest daran geglaubt und viel dafür bezahlt, aber sie haben das Problem unterschätzt. Wir können alle nichts dagegen tun, wie wir erzogen worden sind, egal wie sehr wir uns das wünschen.

Zitat
Auf der Gegenseite [...]


Über die Gegenseite habe ich nichts ausgeführt. Es ist auch bedeutungslos, spätestens Hinweise auf das Mittelalter belegen ganz furchtbare Ideen, die durch die Kirche umgesetzt wurden. Es ändert aber nix an der Aussage, dass weltweit nahezu keine freie Gesellschaft existiert, die nicht auf christlichen Wurzeln steht.

Doeding Offline




Beiträge: 2.612

22.08.2013 18:53
#36 RE: Wird in Berlin gerade das Christentum ausgelöscht? Antworten

Zitat von Coldcall
Wird in Berlin das Christentum ausgelöscht? Es geht nicht um Berlin, sondern nur um einen Bezirk. Nicht um Auslöschung, aber um Verdrängung aus der öffentlichen Wahrnehmung. Und wenn Rot/Rot/Grün/Piraten "Religion" sagt, meinen sie natürlich nicht alle Religionen gleichermaßen.



Das ist wohl so, lieber Coldcall. Ich glaube, daß das Wort Auslöschung zu stark ist. Marginalisierung scheint es mir besser zu treffen, und hier würde ich Ihrem und dem Tenor von Llarian weiter oben zustimmen wollen: wir beerdigen einen Teil unserer kulturellen Identität, mithin einen Teil unseres Selbstbewußtseins; übrigens unabhängig davon, wie der Einzelne zu religiösen Fragen steht. Man muß hier wohl sehr zwischen de jure (Stefanolix) und de facto (Sie und Llarian) unterscheiden. Beides stimmt.

Herzliche Grüße,
Andreas Döding

Florian Offline



Beiträge: 3.180

22.08.2013 19:11
#37 RE: Wird in Berlin gerade das Christentum ausgelöscht? Antworten

Zitat von stefanolix im Beitrag #31
Zitat von R.A. im Beitrag #28
Das Christentum wird zwar nicht "ausgelöscht", dazu ist so eine Medaille viel zu unwichtig. Aber es wird bewußt ausgegrenzt, das finde ich durchaus bedenklich.
(...)



Die Absicht der Piraten und der linken Parteien sehe ich wohl. Die ist natürlich fies. Aber die Wirkung bestreite ich. Am Ende liest man doch aus dem Satz das Vernünftige heraus: Die zu ehrende Person oder Organisation soll sich durch ein herausragendes gesellschaftliches Engagement über einen längeren Zeitraum verdient gemacht haben. Und das trifft unabhängig vom Bekenntnis den Kern der Sache. Somit haben Linksgrüne und Piraten einen symbolischen »Sieg« davongetragen, aber eigentlich nichts erreicht.




Christ zu sein ist natürlich kein Ausschlusskriterium für die Medaille. Insofern hat die Zeitung hier übertrieben bzw. die Sache falsch dargestellt.

Ich sehe die Sache aber so wie R.A.
Ziel der Preisverleihung ist es, ein Engagement für die Gesellschaft zu würdigen.
Da gibt es eine sehr große Bandbreite an Möglichkeiten.
Aber ein Engagement für eine Religionsgemeinschaft gehört nun nicht mehr dazu.

Wenn also z.B. jemand jahrelang seine Freizeit dafür verwendet, Kindern den Umweltschutz näher zu bringen, dann ist das ggf. preiswürdig.
Wenn hingegen jemand jahrelang seine Freizeit dafür verwendet, z.B. Kindern Konfirmationsunterricht zu geben, dann nicht.

Das kann man natürlich machen. Und zwar mit der durchaus nachvollziehbaren Begründung, dass Religion eben Privatsache sei.
Aber nach der gleichen Logik ist Umweltschutz Privatsache. (bzw. gewisse Theorien von Umweltschützern haben durchaus auch etwas quasi-religöses).
Warum ist also das eine gesellschaftliche Engagement preiswürdig, das andere nicht?

Und was sind die Folgen?
Natürlich ist diese Medaille viel zu unwichtig, als dass jemand sein Engagement davon abhängig machen würde. Da haben Sie sicher recht, lieber Stefanolix. Insofern wird das sicher keine großen realen Folgen haben.
Aber die Grundrichtung, dass der Staat beurteilt, die Unterstützung welcher "Ideologie" sozial wünschenswert ist, finde ich problematisch.
Und insbesondere ist es eben schon ein Zeichen der Zeit, dass die vielen freiwilligen Helfer in christlichen Gemeinden nun plötzlich keine sozial sinnvolle Arbeit mehr leisten sollen.

stefanolix Offline



Beiträge: 1.959

22.08.2013 20:13
#38 RE: Wird in Berlin gerade das Christentum ausgelöscht? Antworten

Herzlich willkommen in Zettels kleinem Zimmer, lieber c0ldcall,

hier kann man in der Tat besser diskutieren, als es Twitter zulässt. Es gab auch zu diesem Artikel schon einige interessante Kommentare.

Zitat von c0ldcall im Beitrag #30
Danke für den Artikel, der mir die Gelegenheit gibt ausführlicher zu kommentieren, als es bei Twitter möglich ist.

Wie Sie richtig bemerken sind Staat und Kirche in Deutschland - aus gutem Grund - getrennt.
Da dies so ist, ist religiöses Engagement eben eine vornehmlich private Entscheidung.
So wie auch Engagement im Sport oder im kulturellen Bereich.
Für die Bezirksmedaille ist Kategorie Religion nun ausdrücklich entfernt worden. Sport und Kultur zB nicht.
Es geht hier also gerade nicht um Bekenntnisfreiheit.


Über die Intention der Initiatoren der Streichung mache ich mir keine Illusionen. Ich bin nur der Meinung, dass sie ihr Ziel nicht erreicht haben und nicht erreichen werden.

Nach wie vor wird es (auch) religiöse Menschen geben, die nach außen wirken und sich mit ihrem Engagement einen Namen machen. Jede Person hat doch viele Seiten: Sie ist aktiv (oder auf dem Papier) Mitglied einer Kirche. Sie spendet für gemeinnützige Zwecke. Sie arbeitet an manchen Stellen ehrenamtlich. All das kann ganz oder teilweise durch religiöse Überzeugungen bestimmt und beeinflusst sein. Wie will man als Außenstehender die Anteile an der Motivation bemessen? Hilft die Person, weil sie Christ ist oder weil sie soziale Verantwortung übernimmt?

Zitat von c0ldcall im Beitrag #30
Ein ehrenamtlicher Platzwart, der jahrelang für seinen Sportverein den Rasen pflegt, wäre sicher ein guter Kandidat für eine Auszeichnung.
Aber ein ehrenamtlicher Bibliothekar, der zB eine eine kirchliche Bibliothek verwaltet? Fällt dies eher in die Kategorie Kultur oder doch Religion? Macht es einen Unterschied, wenn der Bibliothekar Atheist ist?

"Jede Person, die sich auf diesen Gebieten engagiert, kann selbstverständlich für die Bezirksmedaille nominiert werden..."
Formaljuristisch regelt die Drucksache wer die Auszeichnung erhält(!), nicht wer nominiert(!) wird. Nominiert werden kann auch das Rumpelstilzchen. Es erhält die Medaille aber nicht zwangsläufig. Durch die Entfernung von "Religion" aus der Aufzählung von Beispielen erhält diese einen bindenden Charakter.


Jeder Vorschlag muss doch aber begründet werden. Nehmen wir an, Herr X. und Frau Y. engagieren sich im Ökumenischen Obdachlosen-Café. Dann ist das einerseits soziale Arbeit und dient dem Miteinander der Bürger. Andererseits ist ihr Engagement christlich motiviert. Es gibt überhaupt keinen Grund, Frau Y. und Herrn X. nicht für die Ehrung vorzuschlagen.

Ich weiß nicht, ob ein Atheist eine kirchliche Bibliothek verwalten würde ;-)
Für mich wäre bei der Bibliothek entscheidend, ob sie von öffentlichem Interesse ist und ob sie von der Öffentlichkeit wirklich genutzt wird.

Die Begründung eines Vorschlags nur mit dem Aspekt »Religion« halte ich offen gesagt für unzureichend. Die christliche Mission (nach außen) und die innerkirchliche Arbeit sind wichtig für die Kirchgemeinde und die Kirche, aber nicht für die Kommune. Da hat der Staat sich weder mit Tadel noch mit Lob einzumischen.

Zitat von c0ldcall im Beitrag #30
"Die Bezirksmedaille wird nicht für ein bestimmtes Bekenntnis, sondern für bürgerschaftliches Engagement verliehen."
Ist soziales Engagement eines Christen nicht gleichzeitig Bürgerschaftlich?

Natürlich werden Christen nicht explizit von der Nominierung ausgeschlossen. Die Regelung wäre dann schlicht ungültig. Aber
bisher wurde die Auszeichnung problemlos ohne Ansehen des Bekenntnisses oder der Religion vergeben. Das wird sich nun ändern.
Wird in Berlin das Christentum ausgelöscht? Es geht nicht um Berlin, sondern nur um einen Bezirk. Nicht um Auslöschung, aber um Verdrängung aus der öffentlichen Wahrnehmung. Und wenn Rot/Rot/Grün/Piraten "Religion" sagt, meinen sie natürlich nicht alle Religionen gleichermaßen.

MFG @c0ldcall


Diese Frage in der zweiten Zeile des Zitats trifft den Kern: Das soziale Engagement eines Gläubigen ist in der Regel für die Bürgerschaft wertvoll. Entscheidend ist dann nicht seine Religion, sondern sein Tun. Es heißt ja auch »An ihren Taten sollt Ihr sie erkennen« ;-)

Herzliche Grüße
Stefanolix

.

stefanolix Offline



Beiträge: 1.959

22.08.2013 20:40
#39 RE: Wird in Berlin gerade das Christentum ausgelöscht? Antworten

Zitat von Florian im Beitrag #37
Christ zu sein ist natürlich kein Ausschlusskriterium für die Medaille. Insofern hat die Zeitung hier übertrieben bzw. die Sache falsch dargestellt.

Ich sehe die Sache aber so wie R.A.
Ziel der Preisverleihung ist es, ein Engagement für die Gesellschaft zu würdigen.
Da gibt es eine sehr große Bandbreite an Möglichkeiten.
Aber ein Engagement für eine Religionsgemeinschaft gehört nun nicht mehr dazu.

Wenn also z.B. jemand jahrelang seine Freizeit dafür verwendet, Kindern den Umweltschutz näher zu bringen, dann ist das ggf. preiswürdig.
Wenn hingegen jemand jahrelang seine Freizeit dafür verwendet, z.B. Kindern Konfirmationsunterricht zu geben, dann nicht.

Das kann man natürlich machen. Und zwar mit der durchaus nachvollziehbaren Begründung, dass Religion eben Privatsache sei.
Aber nach der gleichen Logik ist Umweltschutz Privatsache. (bzw. gewisse Theorien von Umweltschützern haben durchaus auch etwas quasi-religöses).
Warum ist also das eine gesellschaftliche Engagement preiswürdig, das andere nicht?

Und was sind die Folgen?
Natürlich ist diese Medaille viel zu unwichtig, als dass jemand sein Engagement davon abhängig machen würde. Da haben Sie sicher recht, lieber Stefanolix. Insofern wird das sicher keine großen realen Folgen haben.
Aber die Grundrichtung, dass der Staat beurteilt, die Unterstützung welcher "Ideologie" sozial wünschenswert ist, finde ich problematisch.
Und insbesondere ist es eben schon ein Zeichen der Zeit, dass die vielen freiwilligen Helfer in christlichen Gemeinden nun plötzlich keine sozial sinnvolle Arbeit mehr leisten sollen.



Ich muss ganz ehrlich und bei allem Respekt vor den ehrenamtlichen Helfern beim Konfirmationsunterricht sagen: Nein, diese Tätigkeit wäre für mich kein Grund, jemandem die Ehrenmedaille des Stadtbezirks zu verleihen. Dafür sollte es eine Ehrenmedaille der Synode geben. Der Konfirmationsunterricht ist eine Sache des Pfarrers und der Kirchgemeinde.

Dass »die vielen freiwilligen Helfer in christlichen Gemeinden nun plötzlich keine sozial sinnvolle Arbeit mehr leisten sollen« scheint mir aus dem Beschluss nicht hervorzugehen. Diese Helfer müssen sich nur ein Engagement aussuchen, das nach außen (in den Stadtbezirk hinein) wirkt.

Sollte eine kirchliche Umweltarbeit wirklich seriös angelegt sein und die Umwelt im Stadtbezirk verbessern, spricht z. B. viel für eine Ehrung: die Umwelt im Stadtbezirk hat ja auf alle Bürger Einfluss. Hier wäre die Verbindung zum Nutzen für die Kommune leicht herzustellen: Es gibt kirchliche Umweltgruppen, die wirklich mit ihrer Hände Arbeit etwas für die Umwelt tun (Bäume pflanzen, Baumpatenschaften im Bezirk übernehmen etc.). Diese sollten dann auch in die engere Wahl für die Ehrung kommen.

Nun zum »Staat«: Ich habe diese Wendung in den Kommentaren auch verwendet, aber sie ist nicht ganz korrekt. Exakt ausgedrückt geht es um die BVV, also das Stadtteilparlament. Hier spiegeln sich die Mehrheitsverhältnisse im Wahlkreis wider. Die Mehrheit aus Linken, SPD, Grünen und Piraten war für die Streichung der Religion aus der Liste. Die CDU ist wohl nur mit ganz wenigen Abgeordneten vertreten und die FDP ist in der außerparlamentarischen Opposition.

Also müssen die Religionsgemeinschaften sich im demokratischen Wettstreit neue Mehrheiten schaffen ;-)

stefanolix Offline



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22.08.2013 20:43
#40 RE: Wird in Berlin gerade das Christentum ausgelöscht? Antworten

Zitat von Doeding im Beitrag #36

Zitat von Coldcall
Wird in Berlin das Christentum ausgelöscht? Es geht nicht um Berlin, sondern nur um einen Bezirk. Nicht um Auslöschung, aber um Verdrängung aus der öffentlichen Wahrnehmung. Und wenn Rot/Rot/Grün/Piraten "Religion" sagt, meinen sie natürlich nicht alle Religionen gleichermaßen.


Das ist wohl so, lieber Coldcall. Ich glaube, daß das Wort Auslöschung zu stark ist. Marginalisierung scheint es mir besser zu treffen, und hier würde ich Ihrem und dem Tenor von Llarian weiter oben zustimmen wollen: wir beerdigen einen Teil unserer kulturellen Identität, mithin einen Teil unseres Selbstbewußtseins; übrigens unabhängig davon, wie der Einzelne zu religiösen Fragen steht. Man muß hier wohl sehr zwischen de jure (Stefanolix) und de facto (Sie und Llarian) unterscheiden. Beides stimmt.



Ich würde neben de jure und de facto ein Drittes setzen: Das Symbol in der Politik. Die Abgeordneten im Stadtbezirksparlament haben ein Symbol gesetzt. Rechtliche und praktische Auswirkungen sehe ich nicht.

stefanolix Offline



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22.08.2013 21:03
#41 RE: Wird in Berlin gerade das Christentum ausgelöscht? Antworten

Zitat von Llarian im Beitrag #35
(…) Es ist mir natürlich bewusst das in dieser Argumentation irgendwann der Kreis geschlossen ist: Jede Demokratie, jeder Rechtsstaat geht irgendwo auf diese Prägung zurück. Aber das ist eben auch genau der Grundtenor: Der moderne, demokratische Rechtsstaat ist eine christlich-jüdische Erfindung. Und versucht sich von dort auszubreiten. Viele Werte, die das Christentum vermittelt, wie Nächstenliebe, Rücksicht auf Schwächere, fundamentaler Respekt vor dem Leben, sind Werte, die es einem Rechtsstaat einfach viel, viel einfacher machen sich zu etablieren. Vielleicht können Sie einen Rechtsstaat auch dort einführen, wo Menschen keinen Respekt voreinander empfinden, wo ihnen nicht gepredigt wird auch dem Feind zu vergeben, wo das Recht des Stärkeren als positiv empfunden wird, das mag gehen, aber es ist viel, viel schwerer. Und darum scheitern die Leute auch daran. Plakativ: In Deutschland wurde nach 1945 ein demokratischer Rechtsstaat aufgebaut. In Afghanistan und im Irak hat man genau das selbe versucht. Und ist gnadenlos gescheitert. Es mag prinzipiell möglich sein, die Amerikaner haben fest daran geglaubt und viel dafür bezahlt, aber sie haben das Problem unterschätzt. Wir können alle nichts dagegen tun, wie wir erzogen worden sind, egal wie sehr wir uns das wünschen.


Meines Erachtens liegen die Wurzeln der Demokratie in Griechenland. Viele Elemente des Rechtsstaats gehen auf das Alte Rom (auch auf die Zeit vor Christi Geburt und vor der Verbreitung des Christentums) zurück. In beiden Fällen kann es noch keinen christlichen Einfluss gegeben haben.

Richtig ist, dass es später einen christlichen Einfluss auf die Entwicklung des Rechts und des Rechtsstaats gegeben hat. Ich glaube auch, dass man in diesem Einfluss insgesamt mehr positive als negative Aspekte sehen kann. Aber es gab schon einen Stand (im Römischen Reich), auf dem man aufbauen konnte.

Ich bin nicht sicher, ob es in Afghanistan primär an der Religion liegt. Es gibt dort von jeher bewaffnete Interessengruppen. Nicht alle diese Gruppen sind religiös. Teilweise liegen die Feindschaften wohl in den alten Stammesstrukturen begründet. Afghanistan ist IMHO aus einer Zeit herausgerissen worden, in der Stammesfehden mit relativ primitiven Waffen ausgetragen wurden. Die Kolonialisierung scheiterte am Selbstbehauptungswillen der Stämme und an der Geographie des Landes. Die Stämme und Stammesgruppen wurden dann von außen instrumentalisiert (durch die USA, die UdSSR, den Iran, Pakistan …) und bekamen ein Übermaß an modernsten Waffen in die Hand. Sie waren überhaupt nicht reif für eine moderne Gesellschaftsordnung.

stefanolix Offline



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22.08.2013 21:12
#42 RE: Wird in Berlin gerade das Christentum ausgelöscht? Antworten

Zitat von Llarian im Beitrag #34
Zitat von stefanolix im Beitrag #21
Im Islam muss ein Aufklärungsprozess durchlaufen werden, der diese Trennung ermöglicht.

Das passiert nur nicht. Seltsam, oder ? Wie lange sollen wir denn noch warten ? Ist ne ganz ernst gemeinte Frage.



Das Christentum hat ca. 600 Jahre Vorsprung ;-)

Hausmann Offline



Beiträge: 710

22.08.2013 21:13
#43 RE: Wird in Berlin gerade das Christentum ausgelöscht? Antworten

Möchte mich generell gegen die staatsbürokratische Verschwendung meiner Steuergelder für irgendwelche "Medaillen" oder anderen Blödsinn verwahren!!

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Mehr Liberalismus wäre dringend vonnöten. Zettel

stefanolix Offline



Beiträge: 1.959

22.08.2013 21:19
#44 RE: Wird in Berlin gerade das Christentum ausgelöscht? Antworten

Zitat von Hausmann im Beitrag #43
Möchte mich generell gegen die staatsbürokratische Verschwendung meiner Steuergelder für irgendwelche "Medaillen" oder anderen Blödsinn verwahren!!


Das ist keine staatsbürokratische Verschwendung. Das ist ein Beschluss der Bezirksverordneten, die wiederum direkt durch die Bürger gewählt wurden. So etwas gehört zur repräsentativen Demokratie ;-)

adder Offline




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22.08.2013 21:22
#45 RE: Wird in Berlin gerade das Christentum ausgelöscht? Antworten

Zitat von Llarian im Beitrag #33
Zitat von stefanolix im Beitrag #15
Sie ist jüdisch-christlich + aufgeklärt.

Das ist aber kein Zufall. Betrachtet man Christen- wie Judentum, dann sieht man die Wurzeln der Aufklärung an allen Ecken und Kanten. Das Judentum ist stark von Gesetzen getrieben, Gesetze, die nicht nur für die normalen Gläubigen, sondern für alle aufgestellt waren. Da zeigen sich Ansätze eines Rechtsstaates



Gleiches gilt aber doch auch für andere Religionen, die Europa früher hatte (und heute noch hat). Die nordisch-sächsische Tradition hat schon früh einen Gott des Gesetzes (und der Gesetzeseinhaltung) gehabt - Tyr bzw. Tyr Sahsnot (Tyr der Sachsen, Saxnot). Ein Gott, der seine rechte Hand opfert, um den Fenriswolf zu fesseln, der ihm diese abbeißt, weil Sahsnot ein einziges Mal nicht sein Wort gehalten hat. Gesetze und Beschlüsse der Gemeindeversammlungen in Sachsen und Dänemark galten für alle - der Kriegsführer wurde gewählt.

Zitat
. Jesus widerum spricht sich eindeutig für eine Trennung von Glauben und Staat aus. Ich könnte es jetzt wortwörtlich nachschlagen, aber dort steht sowohl das Gebot "Gebt dem Caesar, was dem Caesar ist" als auch ein "Mein Königreich ist nicht von dieser Welt". Christlicher wie jüdischer Glauben sind die Grundlagen der Aufklärung, es hat nur eben sehr lange gedauert. Man kann problemlos (!) an nahezu all das glauben was Jesus von sich gegeben hat und dennoch ein glühender Verfechter des Rechtsstaates sein, da ist kein Widerspruch.



Gerade hier zeigt sich aber auch der Widerspruch zum Judentum - und die Einflüsse römischer und griechischer Religionen (wie z.B. des Mithraskultes), die alle zwischen Staat und "Kirche" unterschieden. Einzig in der römischen Republik waren Götter "verstaatlicht" - aber auch auf eine Weise, die fairer, liberaler und assimilierender nicht gewesen sein könnte: in Rom gab es zu jeder Zeit einen Altar des unbekannten Gottes - und fremde Götter, die nicht einfach mit eigenen vergleichbar gewesen wären, wurden einfach recht schnell zu Staatsgöttern. In germanisch-nordischen Gesellschaften hingegen waren Religion und Staat getrennt. Religion war Privatsache und "Priester" gab es so auch nicht - die wurden je nach Bedarf von den Anwesenden gewählt.

Zitat von Llarian im Beitrag #35
Zunächst mal ist es keine Annahme, sondern eine Aussage (sorry der Spalterei wegen). Aber ich basiere nix auf dieser Aussage. Und falsch kann sie sein, aber sicher nicht fundamental.


Die Aussage ist falsch. Die Annahme, die dieser Aussage zugrunde liegt, ist auch falsch.

Zitat

Zitat
Japan ist eine Demokratie, die Japaner sind nicht unfreier als wir.


Ist das so ? Halten Sie Japan für einen Rechtsstaat, der dem unseren vergleichbar wäre ?




Japan ist ein Rechtsstaat. Und Japaner sind nicht weniger frei als wir. Siehe auch meinen Post hier.


Zitat
Es ist mir natürlich bewusst das in dieser Argumentation irgendwann der Kreis geschlossen ist: Jede Demokratie, jeder Rechtsstaat geht irgendwo auf diese Prägung zurück. Aber das ist eben auch genau der Grundtenor: Der moderne, demokratische Rechtsstaat ist eine christlich-jüdische Erfindung.



Genau das bezweifele ich. Demokratie und Rechtsstaat gehen nicht auf die christliche Prägung der Europäer zurück - sondern auf die Aufklärung. Und die wiederum basiert weitaus stärker auf antiken Denkwesen und Werten als auf "christlichen".

Zitat
Viele Werte, die das Christentum vermittelt, wie Nächstenliebe, Rücksicht auf Schwächere, fundamentaler Respekt vor dem Leben, sind Werte, die es einem Rechtsstaat einfach viel, viel einfacher machen sich zu etablieren.



Nächstenliebe ist aber kein Wert, der für einen Rechtsstaat unbedingt nötig ist. Für einen Sozialstaat schon eher. Respekt vor dem Leben? Gerade den ließ die Kirche und der christliche Glauben doch auch ständig nicht weniger stark vermissen wie andere Religionen.
Der wichtigste Wert jedoch für die Etablierung eines Rechtsstaates ist die Einsicht darin, dass Gesetze und deren Einhaltung einen Vorteil für alle darstellen und die Partikularinteressen des Einzelnen nicht über dem Gesetz stehen sollten, aber diese Interessen angemessen vom Gesetzgeber vertreten werden müssten.

Zitat
Vielleicht können Sie einen Rechtsstaat auch dort einführen, wo Menschen keinen Respekt voreinander empfinden, wo ihnen nicht gepredigt wird auch dem Feind zu vergeben, wo das Recht des Stärkeren als positiv empfunden wird, das mag gehen, aber es ist viel, viel schwerer.



Christliche Arroganz. Wer sagt Ihnen denn, dass Shintos oder Taoisten keinen Respekt voreinander empfinden? Oder Heiden? Die germanischen Gesellschaften waren übrigens dem "Recht des Stärkeren" nicht besonders zugetan - ansonsten hätten sich keine Gemeindeversammlungen, Gemeinschaftsproduktionsmittel (gemeinsam bewirtschaftete Landwirtschaftsflächen, die von allen genutzt waren aber auch von allen zu pflegen waren) oder Wahl-Anführerschaften (die sich ja bis weit in die christliche deutsche Geschichte im Wahlkönig- bzw. Wahlkaisertum des deutschen Reiches bzw. Heiligen Römischen Reiches wiederspiegelten). gegeben.

Zitat
Und darum scheitern die Leute auch daran. Plakativ: In Deutschland wurde nach 1945 ein demokratischer Rechtsstaat aufgebaut. In Afghanistan und im Irak hat man genau das selbe versucht. Und ist gnadenlos gescheitert. Es mag prinzipiell möglich sein, die Amerikaner haben fest daran geglaubt und viel dafür bezahlt, aber sie haben das Problem unterschätzt. Wir können alle nichts dagegen tun, wie wir erzogen worden sind, egal wie sehr wir uns das wünschen.



Auch das läßt sich immer noch mit Antike, Hochbildung und Aufklärung erklären - weit besser als mit "Liebe Deinen Nächsten".

Zitat
Es ändert aber nix an der Aussage, dass weltweit nahezu keine freie Gesellschaft existiert, die nicht auf christlichen Wurzeln steht.



Diese Aussage wird durch Wiederholung nicht wahrer. Sagen wir lieber, es gibt weltweit nahezu keine freie Gesellschaft, die nicht auf der Aufklärung und deren antiken Wurzeln basiert oder von dieser mindestens indirekt beeinflusst wurde.

Llarian Offline



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22.08.2013 22:12
#46 RE: Wird in Berlin gerade das Christentum ausgelöscht? Antworten

Zitat von stefanolix im Beitrag #41
Meines Erachtens liegen die Wurzeln der Demokratie in Griechenland. Viele Elemente des Rechtsstaats gehen auf das Alte Rom (auch auf die Zeit vor Christi Geburt und vor der Verbreitung des Christentums) zurück. In beiden Fällen kann es noch keinen christlichen Einfluss gegeben haben.

Die Idee kommt wohl daher, aber die Idee alleine reicht nicht für ihre Verbreitung und ihre Durchsetzung. Griechenland ist untergegangen, und die demokratische Idee zunächst mit. Auch der römische Staat ist zusammengebrochen (wobei er selbstredend sehr lange, sehr erfolgreich war. Allerdings vermutlich weniger aufgrund seiner Rechtsstaatlichkeit). Beide wurden sehr lange nicht nachgeahmt. Die Formulierung "der moderne, demokratische Rechtsstaat ist eine christlich-jüdische Erfindung" ist sicher übertrieben, aber es ist und bleibt auffällig das die Idee nahezu nur da umgesetzt wurde, wo sich vorher (!) das christlich-jüdische Weltbild verbreitet hat. Man kann den Schuh auch umgekehrt aufziehen: Vielleicht hat sich das Christentum nur da erfolgreich verbreitet, wo von vorneherein die Werte kompatibel waren. Das ist mir unterm Strich gleich, denn es geht mir ja gerade nicht um Glaube sondern um Kultur. Ob wir die römisch, römisch-katholisch, griechisch, christlich oder jüdisch oder alles gemixt nennen, ist mir eigentlich ziemlich egal. Was mir dagegen nicht egal ist, ist den heutigen modernen Rechtsstaat einzig auf die Aufklärung zurückzuführen. Das reicht nämlich nicht. Denn die Aufklärung ist sehr selektiv erblüht, nämlich dort, wo der Boden reif war.

Zitat
Aber es gab schon einen Stand (im Römischen Reich), auf dem man aufbauen konnte.


Ja, aber das ist ungefähr so grundlegend wie die Erfindung des Rades auch mal dazu geführt hat, dass wir heute Auto fahren können. Dennoch datieren wir die Erfindung des Autos eher auf das neunzehnte Jahrhundert. Gemessen an dem was die heute unter einem demokratischen Rechtsstaat verstehen ist weder Rom noch Athen ein funktionierendes Beispiel.

Zitat
Ich bin nicht sicher, ob es in Afghanistan primär an der Religion liegt.


Es liegt nie an DIESER Religion. Egal in welchem Land es Probleme gibt, es ist nie die Schuld DIESER Religion. Aber selbst wenn wir Afghanistan rausnehmen, in anderen Ländern hat es auch nicht funktioniert.

Llarian Offline



Beiträge: 7.124

22.08.2013 22:18
#47 RE: Wird in Berlin gerade das Christentum ausgelöscht? Antworten

Zitat von stefanolix im Beitrag #42
Das Christentum hat ca. 600 Jahre Vorsprung ;-)

Das Christentum hat vor allem Jesus. Der Islam hat Mohammed. Man vergleiche die beiden Ideale und setze sie mal in Bezug auf die Werte der Aufklärung. Und man hat eine Antwort.

Und selbst wenn wir unterstellten, dass es überhaupt möglich wäre, so hat die Welt keine 600 Jahre Zeit. Nicht nur leben wir in einer Zeit von Massenvernichtungswaffen, nein, wir haben auch die Situation, dass zunehmende Bevölkerungsteile vom Islam geprägt sind. Ich habe keine Zeit 600 Jahre zu warten, unsere Kinder erst recht nicht, denn die werden irgendwann damit leben, dass diese Religion in eine Mehrheit gerät. Stampfen wir dann den Rechtsstaat für 500 Jahre ein ?

stefanolix Offline



Beiträge: 1.959

23.08.2013 06:34
#48 RE: Wird in Berlin gerade das Christentum ausgelöscht? Antworten

Die Vorsteherin der BVV hat sich in einer Pressemitteilung zu dem Beschluss geäußert:
http://www.xhain.net/pm/2013/bvv-vorsteh...itaet-im-bezirk

Zitat von Kristine Jaath
Kriterium soll dagegen nicht sein, sich um eine bestimmte Religion besonders verdient gemacht zu haben. Welche Religion besonders auszeichnungswürdig ist, kann nicht Gegenstand der Beratung für die Verleihung einer Bezirksmedaille sein. Es würde gegen die gebotene staatliche Neutralität gegenüber Weltanschauungen verstoßen.

(…)

Dabei spielt es keine Rolle, worin dieses besondere Engagement seine Motivation findet, ob aus einem Glauben heraus oder aus anderen Gründen.

Als Vorsteherin der BVV Friedrichshain-Kreuzberg hoffe ich deshalb, dass sich die Kirchengemeinden und religiösen Gemeinschaften von falschen Berichterstattung nicht abhalten lassen und auch weiterhin ihre Vorschläge für die Verleihung der Bezirksmedaille von Friedrichshain-Kreuzberg einbringen.



Aus meiner eigenen Erfahrung mit Medien(kritik) stelle ich folgende Hypothese auf:
1. Die Änderung wurde beschlossen.
2. Die Boulevardzeitung BZ ist einige Monate später darauf aufmerksam geworden.
3. Die BZ hat Vertreter der Evangelischen Kirche mit ihrer dramatisierenden Auslegung konfrontiert.
4. Die Vertreter der Evangelischen Kirche haben entsprechend ungehalten reagiert.

Es ist jedenfalls sehr unwahrscheinlich, dass die Vertreter der Evangelischen Kirche vor der ganzen Aufregung bei der BVV oder ihrer Vorsteherin nachgefragt haben.

stefanolix Offline



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23.08.2013 07:35
#49 RE: Wird in Berlin gerade das Christentum ausgelöscht? Antworten

Zitat von Llarian im Beitrag #46
Zitat von stefanolix im Beitrag #41
Meines Erachtens liegen die Wurzeln der Demokratie in Griechenland. Viele Elemente des Rechtsstaats gehen auf das Alte Rom (auch auf die Zeit vor Christi Geburt und vor der Verbreitung des Christentums) zurück. In beiden Fällen kann es noch keinen christlichen Einfluss gegeben haben.

Die Idee kommt wohl daher, aber die Idee alleine reicht nicht für ihre Verbreitung und ihre Durchsetzung. Griechenland ist untergegangen, und die demokratische Idee zunächst mit. Auch der römische Staat ist zusammengebrochen (wobei er selbstredend sehr lange, sehr erfolgreich war. Allerdings vermutlich weniger aufgrund seiner Rechtsstaatlichkeit). Beide wurden sehr lange nicht nachgeahmt. Die Formulierung "der moderne, demokratische Rechtsstaat ist eine christlich-jüdische Erfindung" ist sicher übertrieben, aber es ist und bleibt auffällig das die Idee nahezu nur da umgesetzt wurde, wo sich vorher (!) das christlich-jüdische Weltbild verbreitet hat. Man kann den Schuh auch umgekehrt aufziehen: Vielleicht hat sich das Christentum nur da erfolgreich verbreitet, wo von vorneherein die Werte kompatibel waren. Das ist mir unterm Strich gleich, denn es geht mir ja gerade nicht um Glaube sondern um Kultur. Ob wir die römisch, römisch-katholisch, griechisch, christlich oder jüdisch oder alles gemixt nennen, ist mir eigentlich ziemlich egal. Was mir dagegen nicht egal ist, ist den heutigen modernen Rechtsstaat einzig auf die Aufklärung zurückzuführen. Das reicht nämlich nicht. Denn die Aufklärung ist sehr selektiv erblüht, nämlich dort, wo der Boden reif war.

Zitat
Aber es gab schon einen Stand (im Römischen Reich), auf dem man aufbauen konnte.

Ja, aber das ist ungefähr so grundlegend wie die Erfindung des Rades auch mal dazu geführt hat, dass wir heute Auto fahren können. Dennoch datieren wir die Erfindung des Autos eher auf das neunzehnte Jahrhundert. Gemessen an dem was die heute unter einem demokratischen Rechtsstaat verstehen ist weder Rom noch Athen ein funktionierendes Beispiel.

Zitat
Ich bin nicht sicher, ob es in Afghanistan primär an der Religion liegt.


Es liegt nie an DIESER Religion. Egal in welchem Land es Probleme gibt, es ist nie die Schuld DIESER Religion. Aber selbst wenn wir Afghanistan rausnehmen, in anderen Ländern hat es auch nicht funktioniert.




Natürlich ist die Gesellschaftsordnung im alten Rom und in Griechenland mit unserer heutigen Gesellschaftsordnung nicht in jeder Hinsicht vergleichbar. Aber das ist doch eine Frage der Entwicklung. Architektur und Bauwesen haben sich seitdem auch weiterentwickelt, trotzdem sind die Ursprünge erkennbar.




Zu Afghanistan: Ich meine in der Tat, dass es nicht nur die eine Ursache (religiöser Fundamentalismus) gibt. In dem Land wird seit Jahrzehnten mehr oder weniger offen Krieg geführt. Eine Nation Afghanistan in unserem Sinne gibt es überhaupt nicht. Das Land wurde niemals unter einem Leitbild vereinigt und entwickelt. Das Land befand sich mit seiner Entwicklung auf einem ganz primitiven Stand, als die ersten Europäer versuchten, das Land zu erobern. Deshalb kann man bei der Bewertung Afghanistans auch nicht die Maßstäbe anlegen, die wir an einen zivilisierten europäischen Staat anlegen würden. Nicht zu vergessen: Afghanische Stämme und Gruppen wurden in blutige Stellvertreterkriege hineingezogen und sie haben sich natürlich auch (aus ihrer Sicht berechtigt) gegen Besatzer gewehrt.

Die Westdeutschen sind nach der Niederlage im II. Weltkrieg ziemlich bereitwillig zu Demokraten geworden, weil sie vorher schon die Demokratie gekannt haben und weil sie einen Nutzen daraus erwarteten. Die Menschen in Afghanistan haben nie eine Demokratie nach unseren Maßstäben kennengelernt und sie sehen überhaupt nicht ein, warum sie sich durch Besatzungsmächte eine Demokratie aufzwingen lassen sollen. In weiten Teilen des Landes waren die Wahlen eine Farce und sie werden es auch bleiben, wenn sie von außen aufgezwungen werden.

stefanolix Offline



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23.08.2013 07:46
#50 RE: Wird in Berlin gerade das Christentum ausgelöscht? Antworten

Zitat von Llarian im Beitrag #47
Zitat von stefanolix im Beitrag #42
Das Christentum hat ca. 600 Jahre Vorsprung ;-)

Das Christentum hat vor allem Jesus. Der Islam hat Mohammed. Man vergleiche die beiden Ideale und setze sie mal in Bezug auf die Werte der Aufklärung. Und man hat eine Antwort.

Und selbst wenn wir unterstellten, dass es überhaupt möglich wäre, so hat die Welt keine 600 Jahre Zeit. Nicht nur leben wir in einer Zeit von Massenvernichtungswaffen, nein, wir haben auch die Situation, dass zunehmende Bevölkerungsteile vom Islam geprägt sind. Ich habe keine Zeit 600 Jahre zu warten, unsere Kinder erst recht nicht, denn die werden irgendwann damit leben, dass diese Religion in eine Mehrheit gerät. Stampfen wir dann den Rechtsstaat für 500 Jahre ein ?


Kurze Antwort: Wir müssen unseren eigenen Rechtsstaat stärken und die integrationswilligen Migranten bewusst integrieren. Ich sehe gute Chancen, dass sich dann viele Muslime vom Fundamentalismus abwenden. In den gemäßigten Muslimen, die die Trennung von Staat und Religion anerkennen, sehe ich überhaupt keine Gefahr für den demokratischen Rechtsstaat. Sollen sie ihres Glaubens leben. Wir müssen bewusst diejenigen Migranten stärken, die laizistisch oder gemäßigt religiös sind. Und dazu gehört auch, dass wir sie in die Polizei und in den Öffentlichen Dienst integrieren.

Momentan fehlen dazu die Konzepte und es fehlt vor allem das Problembewusstsein. Denn wir müssen auch denjenigen Grenzen setzen, die sich hier nicht integrieren. Es darf keine rechtsfreien Räume geben. Es kann und darf z. B. nicht sein, dass Angriffe auf Juden und jüdische Einrichtungen weniger konsequent verfolgt werden, wenn sie von arabischen Tätern verübt werden.

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