Zitat von notquite im Beitrag #75Zu dem letzten Satz kein Widerspruch, auch wenn fuer mich die Zumutung schon beim einfachen Kopftuch beginnt. Fuer mich ist schon das eine demonstrative Abgrenzungsgeste. Gerade weil Differenzierung wichtig ist, ist es meines Erachtens auch voellig legitim, die radikalen Verhaltensoptionen wie due Burkha massiv abzulehnen und sie aus dem oeffentlichen Raum zu verbannen, gerade auch im Intereese der moderaten Muslime, die doch angeblich die Mehrheit stellen.
Aber dann wäre doch das Habit einer Ordensschwester auch eine demonstrative Abgrenzungsgeste. Kommt es nicht immer darauf an, welche sozialen Beziehungen die Trägerin hat, ob sie auf andere zugeht oder ob sie sich aus der Gesellschaft ausschließt?
Das Kopftuch sehe ich nicht so kritisch, immerhin zeigt uns die Kopftuchträgerin ihr Gesicht und wir können ihr in die Augen schauen.
Die Vollverschleierung würde ich nicht generell staatlicherseits verbieten, weil das illiberal gegenüber denen wäre, die sie aus innerer Überzeugung tragen. Aber ich würde Anlaufstellen für Frauen einrichten, die sich aus einer Situation mit Zwang und Nötigung befreien wollen. Mit Zwang und Nötigung sind ja in bestimmten Fällen so furchtbare Konsequenzen wie Ehrenmorde verbunden.
Zitat Aber dann wäre doch das Habit einer Ordensschwester auch eine demonstrative Abgrenzungsgeste.
Ja, das stimmt. Allerdings soll ihre Ordenskleidung nicht die Norm im Alltag für die Durchschnittsbürgerin werden. Es war schon immer nur ein Weg für einige wenige und aht nicht den Anspruch etwas anderes zu sein.
Soweit ich weiß tragen gläubige Musliminen das Kopftuch oder noch mehr Verhüllendes um zu zeigen, dass sie "anständige" Frauen sind. Und um die Männer von Übergriffen abzuhalten. 1. Meine Frau ist auch ohne Kopftuch anständig 2. Kann ich mich bei allen Frauen beherrschen. Auch wenn sie keine Burma oder Kopftuch tragen. 3. Empfinde ich wegen 1 und 2 das Kopftuch als Unverschämtheit.
Zitat von stefanolix im Beitrag #74An diesen Bekleidungsregeln kann man gut erkennen, dass der Islam eine Religion mit vielen verschiedenen Auslegungen ist.
Sind die Quellen da nicht etwas enger (24:31 + Hadithen)?
----------------------------------------------------- Mehr Liberalismus wäre dringend vonnöten. Zettel
Zitat von stefanolix im Beitrag #74An diesen Bekleidungsregeln kann man gut erkennen, dass der Islam eine Religion mit vielen verschiedenen Auslegungen ist.
Sind die Quellen da nicht etwas enger (24:31 + Hadithen)?
Ein bekanntes Bibelzitat ist »Der Buchstabe tötet«. Über den Zusammenhang in der Bibel hinaus sagt dieses Zitat für mich aus: Jedes heilige Buch ist nur dann etwas wert, wenn die Gläubigen nach bestem Wissen und Gewissen im Rahmen ihres historischen Zeitalters danach leben. Zu einem historischen Zeitalter gehört unter anderem der Stand der Menschenrechte, der Wissenschaft und der Gesellschaftsordnung.
Es gibt im Alten Testament Stellen, die wir heute überwunden haben – und das muss natürlich auch für den Koran gelten. Eine buchstabengenaue Auslegung tötet im Wortsinn und im übertragenen Sinne.
»Der Buchstabe tötet« lässt sich auf die Religionen Christentum, Judentum und Islam anwenden. Überall gibt es fundamentalistische und lebensfeindliche Auslegungen, die den Gläubigen und anderen Menschen Schaden zufügen. Überall gibt es aber auch Auslegungen, die den Glauben und das 21. Jahrhundert miteinander vereinbaren. Zu einer aufgeklärten Auslegung gehört, dass man Worte und Buchstaben neu interpretiert und einige davon buchstäblich auch vergessen muss. Wir können eben nicht mehr nach (allen) Buchstaben leben, die aus der Zeit des Alten Testaments überliefert sind.
Ich zitiere noch kurz die Sätze, die mit »Der Buchstabe tötet« im Zusammenhang stehen:
Nicht dass wir tüchtig sind von uns selber, uns etwas zuzurechnen als von uns selber; sondern dass wir tüchtig sind, ist von Gott, der uns auch tüchtig gemacht hat zu Dienern des neuen Bundes, nicht des Buchstabens, sondern des Geistes. Denn der Buchstabe tötet, aber der Geist macht lebendig.
Zitat von RichardT im Beitrag #78Soweit ich weiß tragen gläubige Musliminen das Kopftuch oder noch mehr Verhüllendes um zu zeigen, dass sie "anständige" Frauen sind. Und um die Männer von Übergriffen abzuhalten. 1. Meine Frau ist auch ohne Kopftuch anständig 2. Kann ich mich bei allen Frauen beherrschen. Auch wenn sie keine Burma oder Kopftuch tragen. 3. Empfinde ich wegen 1 und 2 das Kopftuch als Unverschämtheit.
Sie gehen in Ihrer Reaktion davon aus, was Sie und Ihre Frau über das Tragen des Kopftuchs empfinden. Aber es kommt nicht nur auf die Betrachter, sondern auch auf die Trägerinnen an. Jede Frau (muslimisch, jüdisch, christlich, religionslos …) hat unterschiedliche Beweggründe für die Auswahl ihrer Kleidung. Ihre Motivation dürfte wohl immer extrinsische und intrinsische Anteile haben. In wie vielen Fällen die radikale Vereinfachung aus Ihrem einleitenden Satz zutrifft, weiß ich nicht. Aber ich bin der festen Überzeugung: Wenn wir jeweils in Teheran, Berlin und New York 1.000 repräsentativ ausgewählte Frauen befragen könnten, würde sich ein sehr differenziertes Bild ergeben.
Zitat Aber dann wäre doch das Habit einer Ordensschwester auch eine demonstrative Abgrenzungsgeste.
Ja, das stimmt. Allerdings soll ihre Ordenskleidung nicht die Norm im Alltag für die Durchschnittsbürgerin werden. Es war schon immer nur ein Weg für einige wenige und aht nicht den Anspruch etwas anderes zu sein.
Das ist richtig. Aber wenn muslimische Frauen aus eigener Motivation heraus ein Kopftuch tragen, haben sie vermutlich in den meisten Fällen mehrere Gründe dazu (siehe auch meine Antwort an RichardT).
Ich gehe nicht von dem aus was ich denke sondern was Muslime als Grund für das Kopftuch tragen angeben. Und mir sind die Beweggründe herzlich egal. Möglicherweise ist es nicht die Absicht der Trägerinnen meine Frau oder mich herabzusetzen. Aber die Selbsterhöhung,dass nur bekopftuchte anständig sind setzt eben automatisch als anderen herab. Und das gefällt mir nicht. Und ja, auch mich stört es immer öfter mit Menschen zu tun haben zu müssen die ihre Religiosität so aufdringlich zeigen. P.S. mein Sohn ist Ministrant, ich habe nichts gegen gläubige Menschen.
Zitat von RichardT im Beitrag #83Ich gehe nicht von dem aus was ich denke sondern was Muslime als Grund für das Kopftuch tragen angeben. Und mir sind die Beweggründe herzlich egal. Möglicherweise ist es nicht die Absicht der Trägerinnen meine Frau oder mich herabzusetzen. Aber die Selbsterhöhung,dass nur bekopftuchte anständig sind setzt eben automatisch als anderen herab. Und das gefällt mir nicht. Und ja, auch mich stört es immer öfter mit Menschen zu tun haben zu müssen die ihre Religiosität so aufdringlich zeigen. P.S. mein Sohn ist Ministrant, ich habe nichts gegen gläubige Menschen.
Die Selbsterhöhung, die Herabsetzung anderer Menschen und auch die Provokation haben eines gemeinsam: Sie funktionieren nur dann, wenn die Menschen in der Umgebung entsprechend reagieren. Es liegt also (auch) an jedem Einzelnen, ob er sich ärgert oder ob er andere Standpunkte akzeptieren kann.
In jeder christlich geprägten Stadt gibt es Menschen und Menschengruppen, die ihre Religiosität mehr oder weniger deutlich zeigen. Ich muss ganz ehrlich sagen: Mit vielen Zeichen der Religiosität kann ich etwas anfangen, andere sind mir völlig fremd (z. B. sehe ich keine biblische Begründung für die Verehrung von Reliquien).
Wende ich nun Ihr Argument vom aufdringlichen Zeigen der Religiosität auf Prozessionen oder auf die Bekleidung von Geistlichen und Ordensleuten an, dann tue ich doch diesen Menschen offensichtlich Unrecht. Ich denke, man sollte Zeichen der Religiosität auch danach beurteilen, ob sie bei vernünftig angelegten Maßstäben der Toleranz geduldet und ausgehalten werden können.
Geehrter Stefanolix, ich schätze Sie und Ihre Beiträge und auch Ihr Blog sehr. Hier muss ich aber widersprechen. Reliquien Verehrung findet normalerweise an Plätzen statt. Die kann man meiden. Die dazugehörigen Prozessionen in Deutschland normalerweise einmal im Jahr. Ordensleute in Tracht sind kaum zu sehen. Wenn wir nur über die Kleidung von Imamen sprechen würden hätte ich auch kein Problem. Ganz anders Kopftücher und mehr wie z.B. bodenlange Mäntel. Da sitzt die Kassiererin im Supermarkt und zeigt mir mit ihrem Kopftuch, dass sie den einzig wahren, den rechten Glauben hat. Und eine anständige Frau ist. In Gegensatz zu meiner Frau. Und ja, wir sind christlich geprägt und nicht muslimisch. Daher können sich gewisse Bräuche und Sitten die Kleidung betreffend. Es ist eben auch ein Zeichen der Integrationsbereitschaft wenn man meint seine Kleidungsordnung ohne Rücksicht auf die Gefühle anderer durchziehen zu müssen.
Provokationen: Selbstverständlich kann ich immer sagen ich steh drüber. Aber Ihr Argument ist ein Freibrief für Idioten ungestraft zu pöbeln.
Zitat von stefanolix im Beitrag #66Die freiwillige Annahme des Glaubens kennen wir heute.
Und das ist die Normalität im Christentum. Die wesentliche Ausdehnung des Christentums erfolgte durch freiwillige Konversion, der Zwang war die Ausnahme.
Zitat Ein »Austritt« aus dem Christentum war damals offenbar völlig unmöglich.
Da bin ich nicht sicher. Es gab m. W. nie ein Verbot, zu anderen Religionen überzutreten. Aber problematisch war, wenn jemand eine andere als die offizielle Variante des Christentums lebte oder gar predigte. Es ging also in erster Linie darum, die "richtige" Ausübung des Glaubens zu gewährleisten.
Zitat Durch das Verfassen des ‚Hexenhammers‘ (Malleus Maleficarum) unterstützte und förderte er die menschenverachtende Praxis der Hexenverfolgung.
Ich mag die Dominikaner ja wirklich nicht. Aber die Hexenverfolgung (deren Ausmaß oft sehr übertrieben wird) war überwiegend eine Sache der evangelischen Regionen.
Zitat Wenn das Christentum (zumal das Neue Testament!) durch falsche Auslegung für all die oben aufgeführten Verbrechen missbraucht werden konnte – dann ist es umgekehrt auch möglich, dass der Islam durch eine andere Auslegung des Korans quasi reformiert wird.
Das Problem ist, daß Ursprungstext und Auslegung so unterschiedlich sind. Das Christentum ist im Kern eine friedliche Religion. Nur durch z. T. extrem falsch Auslegung konnten Auswüchse wie die Inquisition gerechtfertigt werden. Und alleine durch Orientierung am Originaltext konnte man diese Auswüchse wieder wegkriegen. Der Islam dagegen ist im Kern eine aggressive und intolerante Religion. Aber wie viele Beispiele zeigen, kann man ihn auch sehr friedlich interpretieren. Wenn man den Originaltext etwas vergewaltigt. Es wird aber nicht möglich sein, den Korantext mit einer Reform zu verbinden.
Zitat Es gibt auch im Christentum Ordensschwestern, die an einer bestimmten Kleidung und Kopfbedeckung zu erkennen sind.
Das ist aber eine Spezialisierung. Diese Kleidung muß nur tragen, wer sich freiwillig dem Orden anschließt, dort gelten eben besondere Vorschriften. Es gibt nicht die geringste Erwartungshaltung, daß sich andere christliche Frauen so kleiden soll - das wäre im Gegenteil eher suspekt. Bei den muslimischen Kleidungsvorschriften wird dagegen erwartet, daß JEDE Frau sich diesen unterwirft. Und jede Frau, die bei dieser Sache mitmacht, erhöht den Druck auf die übrigen. Das halte ich für sehr problematisch.
Zitat von RichardT im Beitrag #85 Da sitzt die Kassiererin im Supermarkt und zeigt mir mit ihrem Kopftuch, dass sie den einzig wahren, den rechten Glauben hat. Und eine anständige Frau ist. In Gegensatz zu meiner Frau. Und ja, wir sind christlich geprägt und nicht muslimisch. Daher können sich gewisse Bräuche und Sitten die Kleidung betreffend. Es ist eben auch ein Zeichen der Integrationsbereitschaft wenn man meint seine Kleidungsordnung ohne Rücksicht auf die Gefühle anderer durchziehen zu müssen.
Ich habe mit der Burka auch ein Problem. Aber so wie Sie das formulieren fühle ich mich direkt zu einer Verteidigung der Koptfuchträgerin an der Supermarktkasse genötigt:
Mein Problem mit der Burka ist, dass sie ein Unterdrückungs-Instrument gegenüber muslimischen Frauen sein kann.
Mein Problem ist aber eindeutig nicht, dass damit ein Signal gesetzt wird, das ggf. die Gefühle der Betrachter verletzen könnte. Dies muss der Betrachter schlicht aushalten. Mit jeder Kleidung wird ein Signal gesetzt. Sehr oft auch das Signal, dass der Träger sich für etwas besseres hält. Natürlich mag es sein, dass sich eine Frau zurück gesetzt fühlt, wenn sie mit einer einfachen Esprit-Handtasche erscheint und eine andere Frau mit der Gucci-Tasche. (Von der Gucci-Trägerin ist dieser Effekt vermutlich sogar einkalkuliert). Aber damit muss die Esprit-Taschen-Trägerin einfach leben. So oder so spielt sich das alles nur im Kopf ab.
Natürlich will die Supermarktkassiererin mit ihrem Kopftuch das Signal aussenden, eine anständige Frau zu sein. Aber wenn nun Ihre Frau daraus ableitet, dass sie selbst als nicht anständig betrachtet wird, dann ist das wirklich ihr eigenes Problem. Auch eine muslimische Supermarktkassiererin darf sich (nach ihren eigenen Wertvorstellungen, die Sie und ich ja nicht teilen müssen) für etwas "besseres" halten. Na und? Dieses Selbstwertgefühl sei ihr doch gegönnt.
Und "Integration" bedeutet auch nicht, dass man den aktuellen Modestil der Gastgesellschaft kopieren muss. Mal ganz schlicht gesagt: In den 50er Jahren war es auch für die katholische Hausfrau noch recht normal, ein Kopftuch zu tragen. Genauso wenig, wie in den 50er Jahren aber eine Ausländerin (gesetzlich oder moralisch) verpflichtet war, in Deutschland Koptuch zu tragen, sollte sie heutzutage verplichtet sein, Hotpants und Tatoos zu tragen, nur weil das deutsche Frauen gerade so schick finden.
Ich kann auf jeden Fall nicht erkennen, dass sich der aktuell in meiner Fußgängerzone zu beobachtende Sommer-Mode-Stil irgendwie aus "gewissen christilichen Bräuchen und Sitten die Kleidung betreffend" ableiten würde. Ich würde sogar vermuten, dass meine katholische Urgroßmutter mit der Kleidung vieler Musliminnen weniger Probleme hätte als mit der Kleidung vieler heutiger christlicher Frauen.
Zitat von Florian im Beitrag #87Aber wenn nun Ihre Frau daraus ableitet, dass sie selbst als nicht anständig betrachtet wird, dann ist das wirklich ihr eigenes Problem.
Wenn es um eine christliche (bzw. nicht-muslimische) Frau geht, sehe ich das auch so.
Gegenüber einer muslimischen Frau ist das Signal "ich bin anständig, aber Du bist eine Schlampe" schon problematischer. Wobei es natürlich erlaubt ist, solche Signale per Kleidung zu senden. Das Gegenstück wäre eine betont moderne Kleidung mit dem Unterton "ich bin modern und integriert und Du bist mittelalterlich zurückgeblieben".
Aber das findet ja alles in einem Kontext statt. Es gibt seit etwa 30 Jahren einen Machtkampf in der türkischen Community. Die Mullahs und diverse reaktionäre Gruppen versuchen die Integration rückgängig zu machen, versuchen insbesondere die Frauen wieder in die alten Schablonen zu pressen. Und da wird harter Druck ausgeübt, vor allem auf die jungen Mädchen. Und ich finde es wichtig, diese Mädchen bestmöglich vor diesem Druck zu schützen und ihnen eine selbstbestimmte Lebensführung zu ermöglichen.
Das heißt dann, daß die Supermarktkassiererin selbstverständlich anziehen kann, was sie für richtig hält und ihr Vorgesetzter akzeptiert. Die dadurch vermittelten Signale muß ein junges Mädchen aushalten.
Aber eine Lehrerin, überhaupt eine Angehörige des öffenltichen Dienstes oder andere Respektspersonen dürfen nach meiner Meinung im Dienst keineswegs die muslimischen Kleidervorschriften durch eigenes Vorbild propagieren. Und es wäre m. E. auch völlig sinnvoll und zulässig, in Schulen ein Kopftuchverbot auch für Schülerinnen zu erlassen.
Zitat von RichardT im Beitrag #85Geehrter Stefanolix, ich schätze Sie und Ihre Beiträge und auch Ihr Blog sehr. Hier muss ich aber widersprechen. Reliquien Verehrung findet normalerweise an Plätzen statt. Die kann man meiden. Die dazugehörigen Prozessionen in Deutschland normalerweise einmal im Jahr. Ordensleute in Tracht sind kaum zu sehen. Wenn wir nur über die Kleidung von Imamen sprechen würden hätte ich auch kein Problem. Ganz anders Kopftücher und mehr wie z.B. bodenlange Mäntel. Da sitzt die Kassiererin im Supermarkt und zeigt mir mit ihrem Kopftuch, dass sie den einzig wahren, den rechten Glauben hat. Und eine anständige Frau ist. In Gegensatz zu meiner Frau. Und ja, wir sind christlich geprägt und nicht muslimisch. Daher können sich gewisse Bräuche und Sitten die Kleidung betreffend. Es ist eben auch ein Zeichen der Integrationsbereitschaft wenn man meint seine Kleidungsordnung ohne Rücksicht auf die Gefühle anderer durchziehen zu müssen.
Provokationen: Selbstverständlich kann ich immer sagen ich steh drüber. Aber Ihr Argument ist ein Freibrief für Idioten ungestraft zu pöbeln.
Es wurde nun schon von anderen Diskussionsteilnehmern gesagt: Wir sind nicht gezwungen, uns von dem Kopftuch einer Kassiererin herabgesetzt zu fühlen. Und es halten sich auch längst nicht mehr alle türkischen/arabischen Zuwanderinnen an diese Kleidungsregeln.
Auf einem Zwischenstopp auf der Heimreise aus dem Urlaub haben wir ein Schnellrestaurant besucht, in dem eine sehr junge Belegschaft vornehmlich türkischer Herkunft gearbeitet hat (mag sein, dass einige noch in Ausbildung waren). Fast keine der jungen Frauen im Service-Bereich trug ein Zeichen der Religion – wenn ich mich recht entsinne, trug eine ein Kopftuch, aber sehr leger. Es gibt also auch in diesen Volksgruppen Tendenzen einer gewissen Liberalisierung.
Um das ganz klarzustellen: Selbstverständlich fühle ich mich mit meiner Lebenserfahrung und meinem religiösen Hintergrund durch keinen christlichen Brauch gestört oder provoziert. In der Dresdner Großstadt-Gesellschaft mit mehrheitlich Nichtgläubigen kennt man aber auch die Fragen und das Unverständnis der einheimischen Mitmenschen. Was ich grundsätzlich sagen will: Jeder religiöse Brauch kann bei kulturell Außenstehenden zu Fragen und Missverständnissen führen.
Es ist historisch noch nicht sehr lange her, dass in der sorbisch-katholischen Oberlausitz alle verheirateten Frauen eine Kopfbedeckung getragen haben. Auf den Dörfern war das damals auch eine Art sozialer Zwang. In der traditionellen Tracht ist die Haube heute noch enthalten und wir kennen vielleicht noch die Redewendung »unter die Haube bringen«.
Ich möchte jedenfalls zu bedenken geben: Es sind alles nur Textilien! Wichtig ist doch, was in den Köpfen passiert und was für Handlungen aus dem jeweiligen Glauben abgeleitet werden. Deshalb würde ich (um auf den Ausgang zurückzukommen) einer Frau mit Kopftuch unter entsprechenden Voraussetzungen die Ehrenmedaille der Stadt durchaus zuerkennen.
Zitat von RichardT im Beitrag #85 Da sitzt die Kassiererin im Supermarkt und zeigt mir mit ihrem Kopftuch, dass sie den einzig wahren, den rechten Glauben hat. Und eine anständige Frau ist. In Gegensatz zu meiner Frau. Und ja, wir sind christlich geprägt und nicht muslimisch. Daher können sich gewisse Bräuche und Sitten die Kleidung betreffend. Es ist eben auch ein Zeichen der Integrationsbereitschaft wenn man meint seine Kleidungsordnung ohne Rücksicht auf die Gefühle anderer durchziehen zu müssen.
Ich habe mit der Burka auch ein Problem. Aber so wie Sie das formulieren fühle ich mich direkt zu einer Verteidigung der Koptfuchträgerin an der Supermarktkasse genötigt:
Mein Problem mit der Burka ist, dass sie ein Unterdrückungs-Instrument gegenüber muslimischen Frauen sein kann.
Mein Problem ist aber eindeutig nicht, dass damit ein Signal gesetzt wird, das ggf. die Gefühle der Betrachter verletzen könnte. Dies muss der Betrachter schlicht aushalten. Mit jeder Kleidung wird ein Signal gesetzt. Sehr oft auch das Signal, dass der Träger sich für etwas besseres hält. Natürlich mag es sein, dass sich eine Frau zurück gesetzt fühlt, wenn sie mit einer einfachen Esprit-Handtasche erscheint und eine andere Frau mit der Gucci-Tasche. (Von der Gucci-Trägerin ist dieser Effekt vermutlich sogar einkalkuliert). Aber damit muss die Esprit-Taschen-Trägerin einfach leben. So oder so spielt sich das alles nur im Kopf ab.
Natürlich will die Supermarktkassiererin mit ihrem Kopftuch das Signal aussenden, eine anständige Frau zu sein. Aber wenn nun Ihre Frau daraus ableitet, dass sie selbst als nicht anständig betrachtet wird, dann ist das wirklich ihr eigenes Problem. Auch eine muslimische Supermarktkassiererin darf sich (nach ihren eigenen Wertvorstellungen, die Sie und ich ja nicht teilen müssen) für etwas "besseres" halten. Na und? Dieses Selbstwertgefühl sei ihr doch gegönnt.
Und "Integration" bedeutet auch nicht, dass man den aktuellen Modestil der Gastgesellschaft kopieren muss. Mal ganz schlicht gesagt: In den 50er Jahren war es auch für die katholische Hausfrau noch recht normal, ein Kopftuch zu tragen. Genauso wenig, wie in den 50er Jahren aber eine Ausländerin (gesetzlich oder moralisch) verpflichtet war, in Deutschland Koptuch zu tragen, sollte sie heutzutage verplichtet sein, Hotpants und Tatoos zu tragen, nur weil das deutsche Frauen gerade so schick finden.
Ich kann auf jeden Fall nicht erkennen, dass sich der aktuell in meiner Fußgängerzone zu beobachtende Sommer-Mode-Stil irgendwie aus "gewissen christilichen Bräuchen und Sitten die Kleidung betreffend" ableiten würde. Ich würde sogar vermuten, dass meine katholische Urgroßmutter mit der Kleidung vieler Musliminnen weniger Probleme hätte als mit der Kleidung vieler heutiger christlicher Frauen.
Danke für die Erklärungen zur Aufnahme und Interpretation »fremdartiger« Kleidung in der täglichen Kommunikation. Das waren auch meine Überlegungen. Und ja: Bei manchen Tätowierungen und mancher Bekleidungsweise in der heutigen Zeit wären die Urgroßmütter und Urgroßväter (ob nun katholisch oder protestantisch) wohl fassungslos gewesen.
Ich komme ja aus einer Stadt mit vergleichsweise geringem Ausländeranteil (wir haben aber eine große TU und viele Forschungseinrichtungen mit internationaler Besetzung). Unter den Ausländern muslimischer Abstammung bzw. muslimischer Prägung gibt es also eine große Bandbreite: Man sieht strenge Kopftücher und wallende Gewänder bis hin zu sehr modischer Bekleidung. Interessanterweise kann auch die sehr strenge Bekleidungsvariante durchaus mit modernsten Geräten wie Smartphone, Tablet und teuren Notebooks verbunden sein.
In der Regel kommen Studentinnen und Wissenschaftlerinnen mit einem Partner hierher oder sie wünschen eher keine private Beziehung mit Männern. So könnte es auch sein, dass sie sich selbstbestimmt in der Öffentlichkeit mit dieser Bekleidung vor Anzüglichkeiten und Avancen schützen wollen.
Auf der anderen Seite gibt es natürlich auch den brutalen Zwang zu einem Verhalten nach bestimmten Normen, bis hin zur Drohung mit drakonischen Strafen (im schlimmsten Fall der »Ehrenmord«) …
Ich hatte in den letzten Jahren beruflich viel mit zugewanderten Muslimen zu tun. Nicht mit Akademikern sondern mit einfachen teilweise ungebildeten Menschen. Ich habe keinen Standesdünkel, ich komme auch aus eher einfachen Verhältnissen und bin von einer Horde Prada Kleiderständern auch abgeschreckt. Ich hatte mit einigen relativ streng gläubigen Muslimen zu tun. Natürlich nur mit den Männern. Offenheit und Ehrlichkeit habe ich kaum erlebt. Dafür aber Abgrenzung. Kontakt außerhalb der Arbeit gleich Null. Nein, nicht wegen mir, ich hatte die Herren zu mir eingeladen und auch kostenlosen Unterricht gegeben. Das mögen persönliche nicht zu verallgemeinernde Erfahrungen sein. Aber die sind eben da. Ich denke ich lehne muslimische Bekleidung ab weil sie für Nicht Integration steht. Und in unserm Städtchen werden es eben immer mehr die so rumlaufen. Nicht gerade beruhigend.
Schon komisch: mit dem Argument der Weltanschaulichen Neutralität lehnen wir Ehrungen wegen religiöser (christlicher?) Betätigung ab und gleichzeitig finden wir es völlig in Ordnung wenn immer mehr Frauen -freiwillig oder auch nicht- sich nach religiösen Vorschriften kleiden.
Zitat von Florian im Beitrag #87 Mein Problem ist aber eindeutig nicht, dass damit ein Signal gesetzt wird, das ggf. die Gefühle der Betrachter verletzen könnte. Dies muss der Betrachter schlicht aushalten.
Ist dem so ? Dann würde ich mal versuchen mit Glatze, braunem Hemd und Springerstiefeln durch Kreuzberg zu marschieren. Oder durch Marxloh. Dann wird man schnell merken wie bereit andere sind, so etwas auszuhalten.
Zitat Aber damit muss die Esprit-Taschen-Trägerin einfach leben. So oder so spielt sich das alles nur im Kopf ab.
Bis es dann auf der Strasse landet, denn das was im Kopf spielt, landet irgendwann da. Im Zentrum von München mag das erst einmal nicht passieren, aber in Marxloh oder in Neukölln ist das Kopfkino ein ganz anderes: Das nämlich Frauen, die keine Kopftücher oder Burkas tragen Schlampen sind. Und es ja wollen, dass die Heranwachsenden sie möglichst begaffen und im nicht mal schlimmsten Fall betatschen. Sowas hat einfach Folgen und Erziehung gehört trivialerweise dazu. Ich weiss nicht, ob man damit leben muss, wenn man das Pech hat in Neukölln zu wohnen. Was ich aber weiss ist, dass viele nicht bereit sind damit zu leben und damit Neukölln verlassen.
Zitat Aber wenn nun Ihre Frau daraus ableitet, dass sie selbst als nicht anständig betrachtet wird, dann ist das wirklich ihr eigenes Problem.
Das stellt sich so dar, als sei dieser Gedankengang allein auf der Seite der Nicht-Kopftuchträgerin. Leider ist das nicht das primäre Problem.
Zitat Und "Integration" bedeutet auch nicht, dass man den aktuellen Modestil der Gastgesellschaft kopieren muss.
Es geht sicher nicht um Mode.
Zitat Genauso wenig, wie in den 50er Jahren aber eine Ausländerin (gesetzlich oder moralisch) verpflichtet war, in Deutschland Koptuch zu tragen, sollte sie heutzutage verplichtet sein, Hotpants und Tatoos zu tragen, nur weil das deutsche Frauen gerade so schick finden.
Verpflichtet sicher nicht. Sowas ist generell schwer zu befehlen. Aber man darf tatsächlich die Frage stellen, warum es nicht passiert. Es ist vollkommen natürlich sich dem Land anzupassen in das man einwandert. Wenn Sie in die USA einwandern, dann wird man, ob zurecht oder nicht ist Diskussionssache, implizit erwarten, dass Sie mit ihrem Jungen auch zum Baseball oder Basketball gehen. Man wird ebenso implizit erwarten das Sie stolz sind Teil dieses Landes zu sein, dass sie seine Verfassung kennen, seine Sprache sprechen und man wird auch erwarten dass Sie keine Lederhosen in der Öffentlichkeit tragen. Es gibt etliche Dinge, die man von Einwanderern erwartet, die nie irgendwo befohlen worden sind. Das Tragen von Hotpants oder Tätowieren gehört sicher nicht dazu, das Tragen von normaler Alltagskleidung dagegen schon.
Zitat Ich würde sogar vermuten, dass meine katholische Urgroßmutter mit der Kleidung vieler Musliminnen weniger Probleme hätte als mit der Kleidung vieler heutiger christlicher Frauen.
Die katholische Urgroßmutter die in der Welt vor 100 Jahren gross wurde, ganz sicher. Aber wäre diese Urgroßmutter 1980 geboren und wäre in Berlin aufgewachsen, dann würde sie im Sommer kurze Röcke tragen und die Chance auf eine Tätowierung im Rücken wäre zumindest nicht zu negieren.
Zitat von R.A. im Beitrag #88 Das heißt dann, daß die Supermarktkassiererin selbstverständlich anziehen kann, was sie für richtig hält und ihr Vorgesetzter akzeptiert.
So würde ich mir das auch wünschen. Leider ist es aber nicht so.
Zitat von R.A. im Beitrag #88 Es gibt seit etwa 30 Jahren einen Machtkampf in der türkischen Community. Die Mullahs und diverse reaktionäre Gruppen versuchen die Integration rückgängig zu machen, versuchen insbesondere die Frauen wieder in die alten Schablonen zu pressen. Und da wird harter Druck ausgeübt, vor allem auf die jungen Mädchen. Und ich finde es wichtig, diese Mädchen bestmöglich vor diesem Druck zu schützen und ihnen eine selbstbestimmte Lebensführung zu ermöglichen.
Der größte Hohn daran ist ja, dass dieser Machtkampf kein spezifisch deutsches Problem ist, dass hier nur durch Wanderung eintritt. In der Türkei ist der Kampf teilweise viel härter geführt (nur leider sieht er wohl jetzt langsam verloren aus). Es ist erstaunlich an wessen Seite die vermeintlich liberalen deutschen Freigeister hier marschieren. Die Laizisten in der Türkei sehen das Kopftuch nämlich nicht so entspannt.
Zitat von Florian im Beitrag #93Und auch eine muslimische Lehrerin darf gegen den Wunsch des Arbeitgebers ein Kopftuch tragen.
Nun ja, bisher ist nur klar, daß ein Kopftuch-Verbot in der Schule gesetzlich begründet sein muß, es reicht nicht etwa ein Erlaß des Ministeriums. Das würde ich sogar nachvollziehen. Es geht um ein wichtiges Thema, das muß schon formal sauber beschlossen werden.
Inhaltlich dagegen steht für mich außer Frage, daß es in jedem Bundesland ein solches Verbot geben sollte und das dann auch konsequent durchgesetzt werden muß.
Wobei ich schon etwas gequält aufstöhne wenn ich die Argumentation des Landes BaWü lese, daß nämlich die Ordenstracht wg. der Tradition zulässig wäre. Tradition ist ein ganz schwaches Argument.
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