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Das Forum zu "Zettels Raum"



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Dieses Thema hat 56 Antworten
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 Kommentare/Diskussionen zu "Zettels Raum"
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Noricus Offline



Beiträge: 2.362

14.03.2014 20:28
#26 RE: Meckerecke: Wie die "Welt" den Rechtsstaat versteht Antworten

Zitat von notquite im Beitrag #25
Zitat von Noricus im Beitrag #21
Ich finde es ja äußerst seltsam, dass führende Politiker unseres Landes einen Menschen dazu beglückwünschen, dass er ein Rechtsmittel nicht ergreift. Und nach dem, was ich auf Bayern 5 gehört habe, scheint es in Volkes Seele überwiegend ähnlich zu denken.

Man findet es also gut, dass sich H. mit dem Urteil abfindet. Dass es hier gar nicht so fern liegen würde, die Entscheidung vom BGH auf Rechtsfehler untersuchen zu lassen, kommt den Gratulanten wohl nicht. Das ist dann doch eine sehr eigenartige Einstellung zum Rechtsstaat.

Aber hier geht es zweifellos darum, dass auf ihr Image bedachte Politiker und der Durchschnittsbürger H. im Knast sehen wollen. Nicht vergessen werden darf aber, dass sich die Staatsanwaltschaft noch nicht entschlossen hat, ob sie in Revision geht oder auf Rechtsmittel verzichtet.


Nach allem, was man so lesen kann, hat Hoeness gemessen an der Schwere seiner Straftat ja wenig zu befürchten. Es wurde doch schon unmittelbar nach der Urteilsverkündung spekuliert, dass er angesichts seiner Vorgeschichte und seiner Sozialprognose wahrscheinlich noch im Laufe dieses Jahres "Freigänger" werden könnte, mithin also nur noch zur Nachtruhe im Gefängnis erscheinen müsste. Die Akzeptanz des Urteils hat ja auch einen weiteren offensichtlichen Vorteil - jegliche weitere Nachforschungen und juristischen Konzequenzen bezüglich der Herkunft seines Spekulationskapitals sind damit Geschichte. Was sind da schon dreieinhalb Jahre, von denen Hoeness wahrscheinlich nicht mehr als die Hälfte absitzen muss und davon noch einmal die Hälfte als Freigänger?


Nun, lieber Notquite, wie Sie selbst schreiben, ist dies Spekulation. Aus welchen Gründen H. auf Rechtsmittel verzichtet, weiß nur er selbst und ist mir völlig gleichgültig. Ich finde es nur albern bis grenzwertig, wenn Repräsentanten dieses Rechtsstaats jemanden loben, der von einer rechtsstaatlichen Verteidigungsmöglichkeit keinen Gebrauch macht.

Erling Plaethe Offline




Beiträge: 4.660

14.03.2014 21:12
#27 RE: Meckerecke: Wie die "Welt" den Rechtsstaat versteht Antworten

Diejenigen, welche das Urteil gegen Ulli Hoeneß als Beweis für die Funktionsfähigkeit unseres Rechtsstaates feiern, tun dies als Empfänger der Steuereinnahmen und in stoischer Ignoranz der Tatsache, dass der Staat gesuchte Straftäter gezielt kontaktiert und diesen Millionenbeträge aus eben diesen Steuern für ihr Diebesgut bezahlt um mit dieser Hehlerware Druck auf Steuerhinterzieher auszuüben sich zu offenbaren.
Auch die Umgehung des Bankgeheimnisses halten diese Politiker für rechtsstaatlich.
Dabei übersehen sie, dass das Rechtsstaatsprinzip seine Prüfung nicht besteht, wenn ein prominenter Bürger eine Strafe erhält, die Vertreter der Staatsmacht für angemessen halten, sondern wenn diese Staatsmacht gezwungen wird, sich genauso an Gesetze zu halten wie prominente und nichtprominente Bürger.
Unser Rechtsstaat ist also mit dem Urteil nicht stärker geworden, er wurde geschwächt als der Staat sich mit Kriminellen verbündete um seine Einnahmen zu steigern. Von diesem Rückschlag kann er sich durch das Bejubeln des Urteils gegen Ulli Hoeneß nicht erholen.

Viele Grüße, Erling Plaethe

Thomas Pauli Offline




Beiträge: 1.486

14.03.2014 22:31
#28 RE: Meckerecke: Wie die "Welt" den Rechtsstaat versteht Antworten

Lieber Erling Plaethe,

leider haben Sie damit den Nagel genau auf den Kopf getroffen.

Herzlich, Thomas

adder Offline




Beiträge: 1.073

15.03.2014 09:01
#29 RE: Meckerecke: Wie die "Welt" den Rechtsstaat versteht Antworten

Zitat von Erling Plaethe im Beitrag #27
Diejenigen, welche das Urteil gegen Ulli Hoeneß als Beweis für die Funktionsfähigkeit unseres Rechtsstaates feiern, tun dies als Empfänger der Steuereinnahmen und in stoischer Ignoranz der Tatsache, dass der Staat gesuchte Straftäter gezielt kontaktiert und diesen Millionenbeträge aus eben diesen Steuern für ihr Diebesgut bezahlt um mit dieser Hehlerware Druck auf Steuerhinterzieher auszuüben sich zu offenbaren.


Lieber Erling Plaethe. Aus Sicht dieser Menschen hat tatsächlich der Rechtsstaat seine Funktionsfähigkeit bewiesen. Das Gericht hat einen Steuerhinterzieher, den aus ihrer Sicht schlimmsten Kriminellen nach dem Bankster, mit einer Milde geantwortet, die für diese Menschen nicht nachvollziehbar ist. Immerhin hat Uli H. eine Strafe erhalten, die nicht einmal viermal so hoch ist wie die typische Strafe für Sozialbetrüger.
In einem Linksstaat wäre das anders gewesen...

Zitat
Auch die Umgehung des Bankgeheimnisses halten diese Politiker für rechtsstaatlich.



Hehlerei und Spionage sind doch nur von neoliberalen erfundene, sogenannte "Verbrechen". Eigentlich ist das nicht schlimm, genausowenig wie Sozialbetrug oder "Deutsche klatschen". Halt Verbrechen, die weder von Neoliberalen noch von "Rechten" begangen werden.

Zitat
Dabei übersehen sie, dass das Rechtsstaatsprinzip seine Prüfung nicht besteht, wenn ein prominenter Bürger eine Strafe erhält, die Vertreter der Staatsmacht für angemessen halten, sondern wenn diese Staatsmacht gezwungen wird, sich genauso an Gesetze zu halten wie prominente und nichtprominente Bürger.



Das ist - zumindest nach Meinung unserer Avangarde - eine typisch neoliberale Sicht auf den Staat und seinen moralischen Überbau. Veraltet, rückwärtsgewand und nicht die faktische Macht der Bewegung/Partei/kommunistischen Internationale anerkennend. Recht kann nur Recht sein, wenn es dem Ziele dient. Ansonsten ist es ein Relikt aus einer schlechteren Zeit.

Zitat
Unser Rechtsstaat ist also mit dem Urteil nicht stärker geworden, er wurde geschwächt als der Staat sich mit Kriminellen verbündete um seine Einnahmen zu steigern. Von diesem Rückschlag kann er sich durch das Bejubeln des Urteils gegen Ulli Hoeneß nicht erholen.



Ich stimme Ihnen allerdings vollumfänglich zu. Das ändert allerdings nichts daran, dass weder unsere (linken) Politiker von CDU bis Linkspartei, noch die Mehrheit der veröffentlichten "Meinung des Volkes" das genauso sehen.
Gerade der Fall Uli H. zeigt aber doch, dass die Sozialisten leider, leider mit ihrer Einschätzung des Volkes richtig liegen: das Volk läßt sich leicht manipulieren und folgt wie Lämmer seinen Führern. Es ist zu dumm, die Gefahr für sich selbst zu sehen. Leider.

RichardT Offline




Beiträge: 287

15.03.2014 14:17
#30 RE: Meckerecke: Wie die "Welt" den Rechtsstaat versteht Antworten

Zitat von FTT_2.0 im Beitrag #10
Zitat von Noricus im Beitrag #1
Sympathiebekundungen für jemanden, der als unschuldig zu gelten hat? Nicht doch, wenn es nach der Welt geht.




Ich habe mir das Video gar nicht erst angeschaut. Die Unterschrift ",Mia san mia’ statt Rechtsstaat" hat mir schon gereicht. Es ist schon abgedroschen bzw. tausendmal gesagt worden, aber mich würden doch wirklich mal die veröffentlichten Reaktionen der Berufsempörten und -betroffenen interessieren, wenn eine analoge Unterschrift nicht auf Bayern, sondern auf die Türkei oder Zigeuner angewendet worden wäre. Da wäre der Rassismusvorwurf sicher nicht weit.




Ich hatte kürzlich in einer Kneipe eine kleine Diskussion mit einem tüpischen Tübinger. Er hat mir erklärt, wie intolerant und vorurteilsbehaftet wir Bayern im Gegensatz zu aufgeklärten Menschen wie z.B. Tübingern sind. Beim Gehen habe ich ihm gesagt, daß er als derart toleranter Mensch einen wie mich doch locker aushalten können muß.

Seither spricht er nicht mehr mit mir.

RichardT Offline




Beiträge: 287

15.03.2014 14:38
#31 RE: Meckerecke: Wie die "Welt" den Rechtsstaat versteht Antworten

Zitat von Llarian im Beitrag #7
............... das Skandalöse ist eher das Strafmaß mit dem man einen sozial integrierten Ersttäter hier niederschlägt. Wenn ich einen Menschen zusammentrete, dann ist meine Straferwartung niedriger. Wenn ich eine alte Dame um ihre Ersparnisse betrüge, ist meine Straferwartung niedriger. Wenn ich fahrlässig den Tod von anderen Menschen verursache, ist meine Straferwartung niedriger. Wenn ich betrunken durch die Stadt fahre und einen dicken Unfall verursache, dann ist meine Straferwartung niedriger. DAS ist skandalös. Uli Hoeneß hat in seinem Leben zehnmal mehr Steuern bezahlt als einer der ganzen Gesellschaftsklempner, die sich jetzt alle öffentlich das Maul zerreissen, je für die Gesellschaft leisten werden. Und weil er eben nicht mehr ganz so viel teilen wollte, werfen wir ihn in der Strafgrössenordnung auf einen Haufen mit Kinderschändern, Vergewaltigern und Räubern. Das finde ich skandalös.
..............




Dazu passend dies Meldung http://www.swr.de/landesschau-aktuell/bw...id=1602/dkv19j/


Vielleicht sollte man das Grundgesetz ändern. Aus Art.1 die Würde des Menschen rausnehmen und ersetzen durch beispielsweise: Die Abgabenpflicht des Bürgers ist unantastbar, oder die Steuereinnahmen des Staates sind unantastbar, oder die Gier der Politiker ist unendlich....


Jedenfalls weiß mein Sohn jetzt, daß es in unserem Land weniger schlimm ist jemanden fast totzuschlagen als dem Staat Steuern vorzuenthalten.
Wieder was gelernt, oder, um es mit einem bekannten fränkischen Weltfussballer zu sagen: Again what learned!

HR ( gelöscht )
Beiträge:

16.03.2014 00:02
#32 RE: Meckerecke: Wie die "Welt" den Rechtsstaat versteht Antworten

Llarian schrieb:

Fehler im Kleinen, sicher. Aber das ist alles nicht von Gewicht. Bei einem Bankräuber ist es auch sekundär ob er mit 50.000 oder mit 55.000 abgehauen ist. Die eigentliche Tat wird ja nicht bestritten und damit muss das Gericht sich damit gar nicht mehr auseinandersetzen. Es muss sich rein mit der Frage der Wirksamkeit der Selbstanzeige befassen.

Ja, es geht nur um die Frage der Wirksamkeit der Selbstanzeige.Diese soll eine Steuerschuld von bis zu 50 Millionen beinhaltet haben (Link zum Artikel reiche ich nach-muß suchen).
Hier war das Gericht am Zug.Dieses bemängelte, daß die vollständigen Unterlagen zur Selbstanzeige erst sehr spät durch H. eingereicht wurden, nämlich auf die letzte Aufforderung
des Finanzamtes hin.Klingt ganz so, als habe er diese Frist eingehalten.Zudem war er auf seine Bank angewiesen.Diese mußte die Unterlagen (70.000 Blatt Papier) zusammenstellen.
Die Version des Finanzamt-ITlers, daß diese Unterlagen einen Tag nach der Selbstanzeige erstellt wurden (als PDF) stellte sich als falsch heraus.
Es bleibt zudem die Frage, ob H. wirklich Herr über diese Vielzahl der Transaktionen war.
Es bleibt auch die Frage der Schuld seiner Steuerberater, die anscheinend eine unwirksame Selbstanzeige ausgearbeitet haben.
Es bleibt die Frage nach der Komplexität, derer die Staatsanwaltschaft offensichtlich nicht gewachesen war (3,5 Millionen)
Insofern bleibt das Scheitern der Selbstanzeige im Dunkeln.Hier hätte eine Revision vielleicht erhellt.

Und grundsätzlich, da es immer gerne als Argument gegen Hoeneß Selbstanzeige angebracht wird. Die Panik aus der diese geboren wurde
ist rechtlich irrelevant.Hoeneß hat sich laut Richter "selbst ans Messer geliefert".Am Ende aus rein formalen Gründen.
Hier wird die Politik nun wach: "Anforderungen an die Selbstanzeige verschärfen", da ein kühlerer Kopf als Hoeneß hier der Gefängnisstrafe entkommen wäre.
Da scheitert jemand an den Anforderungen an eine strafbefreihende Selbstanzeige, und der Schluß der Politiker ist, diese Anforderungen zu verschärfen.Absurd.

Die himmelschreiende Ungerechtigkeit, daß Hoeneß für einen Verlust durch ein paar Jahren Roulette-Spiel nun Abermillionen Steuern zahlen muß, macht mich krank.
Er hat unserem Gemeinwohl nicht nur nicht geschadet, er hat ihm genützt.

So albern ich Online-Petitionen finde, hier hab ich mich eingetragen:

http://www.steuerzahler.de/wcsite.php?wc_b=4462

Llarian Offline



Beiträge: 6.920

16.03.2014 02:22
#33 RE: Meckerecke: Wie die "Welt" den Rechtsstaat versteht Antworten

Zitat von HR im Beitrag #32
Ja, es geht nur um die Frage der Wirksamkeit der Selbstanzeige.Diese soll eine Steuerschuld von bis zu 50 Millionen beinhaltet haben (Link zum Artikel reiche ich nach-muß suchen).

So hat es zumindest auch in der FAZ gestanden. Nur: So funktioniert das ganze nicht. Es genügt nicht zu schreiben: "Hiermit bezichtige ich mich 50 Millionen an Steuern hinterzogen zu haben." und dann mal abzuwarten was die Steuerfahndung alles so findet. Zum Zeitpunkt der Anzeige müssen die Unterlagen vollständig sein und das hat das Gericht wohl an dieser Stelle auch scharf ausgelegt.

Zitat
Zudem war er auf seine Bank angewiesen.Diese mußte die Unterlagen (70.000 Blatt Papier) zusammenstellen.


Das ist aber sein Problem. Wenn ich eine Frist für die Abgabe meiner Steuerunterlagen nicht einhalte, kann ich mich auch nicht auf meine Bank berufen. Ich kann natürlich das Finanzamt um Aufschub bitten (!), dieses ist aber keinesfalls gehalten diesen Aufschub auch zu gewähren.

Zitat
Es bleibt zudem die Frage, ob H. wirklich Herr über diese Vielzahl der Transaktionen war.


Das wäre am Ende die Standardverteidigung jedes Steuerhinterziehers. Es ist aber tatsächlich nicht wirklich relevant, entscheidend ist, dass er Herr seiner Transaktion hätte sein können, wenn er es gewollt hätte.

Zitat
Es bleibt auch die Frage der Schuld seiner Steuerberater, die anscheinend eine unwirksame Selbstanzeige ausgearbeitet haben.


Das ist nun vollständig irrelevant. Wenn ich eine Steuererklärung anfertigen lasse muss ich mir die darin enthaltenen Fehler genauso zurechnen lassen. Für die strafrechtliche Beurteilung der Steuerhinterziehung selber ist es irrelevant und die schlechte Wahl des Steuerberaters kann keine strafmildernde Wirkung haben.

Zitat
Es bleibt die Frage nach der Komplexität, derer die Staatsanwaltschaft offensichtlich nicht gewachesen war (3,5 Millionen)


Diese Argumentation sehe ich noch immer nicht im Ansatz: Die Tat wird zugegeben. Einzig die Frage ob die Selbstanzeige wirksam war ist von Relevanz und die Komplexität dieser Frage ist simpel, wenn darauf abgehoben wird, dass sie nicht vollständig war.

Zitat
Insofern bleibt das Scheitern der Selbstanzeige im Dunkeln.Hier hätte eine Revision vielleicht erhellt.


Wohl eher nicht. Der Bundesgerichtshof geht mit Steuerhinterziehung eher noch schärfer um. Ich weiss auch beim besten Willen nicht was hier im Dunkeln bleiben soll: Man kann hier unterschiedlich beurteilen was wirksam ist, aber im Dunkeln liegt hier wenig.

Zitat
Die Panik aus der diese geboren wurde ist rechtlich irrelevant.Hoeneß hat sich laut Richter "selbst ans Messer geliefert".Am Ende aus rein formalen Gründen.


Den ersten Satz kann ich teilen, den Rest absolut nicht. Hoeneß hat sich selbst ans Messer geliefert, hätte er das aber nicht getan, wäre er vermutlich wenige Tage später ans Messer geliefert worden. Er hatte schlicht keine Zeit mehr. Man kann nicht argumentieren, dass er davon gekommen wäre, wenn er sich mehr Zeit genommen hätte, die Zeit hatte er schlicht nicht.

Zitat
Hier wird die Politik nun wach: "Anforderungen an die Selbstanzeige verschärfen", da ein kühlerer Kopf als Hoeneß hier der Gefängnisstrafe entkommen wäre.


Man muss schon so fair sein zu sagen, dass die Forderung aus der Politik schon deutlich länger existiert. Ziemlich genau seit der Staat mit der CD Hehlerei angefangen hat, ist aber ein etwas anderes Thema.

Zitat
Die himmelschreiende Ungerechtigkeit, daß Hoeneß für einen Verlust durch ein paar Jahren Roulette-Spiel nun Abermillionen Steuern zahlen muß, macht mich krank.


NEIN. Und hier muss man auch deutlich sagen: NEIN. Das Hoeneß Steuern zahlen muss, hat etwas mit unserem Steuersystem zu tun. Das kann man generell ungerecht finden, ich meine nur nicht, dass Herr Hoeneß hier eine besondere Rolle zukommt. Das Herr Hoeneß widerum bestraft wird hat damit zu tun, dass er das Gesetz gebrochen hat. Man kann die Strafe unangemessen finden (das ist meine Meinung), aber DAS gestraft wird, ist absolut nicht zu beanstanden. Das ist ganz sicher keine himmelschreiende Ungerechtigkeit. Das weiss auch Herr Hoeneß, nebenbei gesprochen. Er hat sich im ganzen letzten Jahr entsprechend geäussert. Hoeneß ist sicher kein Verbrecher, als den ihn unsere Politik gerne abstempeln will, aber er ist NICHT unschuldig. Absolut nicht. Wenn ich in einem Jahr 100.000 Euro verdiene und diese mit 40% besteuert werden (nicht unrealistisch), die Jahre darauf aber nix verdiene aber von irgendwas leben muss, kann ich die Kosten auch nicht retrospektiv auf meine alten Steuern anrechnen. Das kann dann eben auch nicht Uli Hoeneß.

Noricus Offline



Beiträge: 2.362

16.03.2014 08:35
#34 RE: Meckerecke: Wie die "Welt" den Rechtsstaat versteht Antworten

Zitat von Llarian im Beitrag #33
Man muss schon so fair sein zu sagen, dass die Forderung aus der Politik schon deutlich länger existiert. Ziemlich genau seit der Staat mit der CD Hehlerei angefangen hat, ist aber ein etwas anderes Thema.


Aber ein sehr interessantes. Der Staat hat die Möglichkeit der Selbstanzeige zweifellos deshalb geschaffen, weil er vor der Elektronisierung der Korrespondenz und des Zahlungsverkehrs und vor dem Abschluss entsprechender Abkommen die Höhe der Einkünfte einer Person nicht wirklich gut überwachen konnte. Um Einnahmen zu generieren, die ihm andernfalls entgangen wären, war der Staat also darauf angewiesen, dass sich der Steuerhinterzieher als solcher outet. Und das hätte dieser natürlich nicht getan, wenn ihm dafür Knast gedroht hätte.

Mittlerweile ist es viel schwieriger geworden, Einnahmen vor dem Finanzamt zu verstecken. Zumal der Staat ja auch nicht davor zurückschreckt, Straftaten (Hehlerei) zu begehen, um den Steuerbürger zu kontrollieren. Die Selbstanzeige ist für den Staat also weitgehend nutzlos geworden. Deshalb wird sie über kurz oder lang mit ziemlicher Sicherheit abgeschafft werden.

Dies auch deshalb, da Steuerhinterziehung als Delikt gegen die Gemeinschaft angesehen wird und in Deutschland die Gemeinschaft ja traditionell über dem Einzelnen rangiert. Für den Kollektivisten ist es zweifellos weniger schlimm, wenn ein altes Mütterlein von einem Betrüger um seine kärglichen Ersparnisse gebracht wird, als wenn dem Kollektiv etwas vorenthalten wird, worauf sich dieses selbst einen Anspruch eingeräumt hat. Dass ein Delikt gegen die Allgemeinheit durch die Möglichkeit der Selbstanzeige gegenüber einem Individualdelikt privilegiert wird, ist in dieser Sichtweise also völlig unverständlich.

Und es wird vermutlich nicht bei der Beseitigung der Selbstanzeige bleiben. Es ist vielmehr davon auszugehen, dass die steuerliche Überwachung des Bürgers weiter verstärkt wird und die Ungestörtheit der Privatsphäre sowie die Vertraulichkeit der Kommunikation weiter beschnitten werden. Und der Michel wird dazu seinen Segen geben, denn wenn es nicht die NSA ist, die ihn überwacht, sondern der deutsche Staat zum Zwecke der Einnahmenerzielung, dann hat er nichts dagegen. Man kann dann nur noch hoffen, dass Karlsruhe die rote Karte zieht.

Erling Plaethe Offline




Beiträge: 4.660

16.03.2014 13:53
#35 RE: Meckerecke: Wie die "Welt" den Rechtsstaat versteht Antworten

Zitat von Noricus im Beitrag #34

Dies auch deshalb, da Steuerhinterziehung als Delikt gegen die Gemeinschaft angesehen wird und in Deutschland die Gemeinschaft ja traditionell über dem Einzelnen rangiert.

Dies ist überhaupt der wichtigste und interessanteste Punkt. Er taucht bei jeder Diskussion um Steuerhinterziehung auf. Es geht dann nicht mehr nur um eine individuelle Straftat, sondern um die offensichtliche Harmlosigkeit dieser opferlosen Straftat umzukehren in eine moralisch aufgeladene Straftat, ein Verbrechen sozusagen.
Ob Politiker nur leichtsinnig, gedankenlos oder geschichtsvergessen sind - sie spielen mit dem Feuer.
Denn in der Gleichsetzung von Staat und Allgemeinwohl oder Staat und Gesellschaft liegt die Wurzel der nationalsozialistischer Gleichschaltung. Den Pluralismus von Staat und Gesellschaft aufzuheben heißt, totalitär zu denken und birgt die Gefahr auch so zu handeln.
Die Steuerhinterziehung ist kein Vergehen am Allgemeinwohl. Sie zwingt den Staat mit weniger Geld auszukommen - nicht mehr und nicht weniger. Der Staat selbst liefert unzählige Beispiele wie er dem Allgemeinwohl schweren Schaden zufügt, in dem er das zwangsweise entzogene Eigentum der Bürger verschwendet, vergeudet und verantwortungslos damit umgeht. Obwohl er gelobt genau dies vermeiden zu wollen. Manche Formen dieser Verschwendungssucht haftet gar der Anschein des Vorsatzes an. Die Energiewende ist solch ein Beispiel.
Den Staat und das Allgemeinwohl gleichzusetzen mag für Politiker verführerisch sein; es ist aber brandgefährlich und sollte so stark kritisiert werden wie es die Bedrohung für die individuelle Freiheit ist, welche sich aus dieser Gleichschaltung ergibt.

Viele Grüße, Erling Plaethe

Kritiker Offline



Beiträge: 274

16.03.2014 14:38
#36 RE: Meckerecke: Wie die "Welt" den Rechtsstaat versteht Antworten

Zitat von Erling Plaethe im Beitrag #35

Die Steuerhinterziehung ist kein Vergehen am Allgemeinwohl. Sie zwingt den Staat mit weniger Geld auszukommen - nicht mehr und nicht weniger. Der Staat selbst liefert unzählige Beispiele wie er dem Allgemeinwohl schweren Schaden zufügt, in dem er das zwangsweise entzogene Eigentum der Bürger verschwendet, vergeudet und verantwortungslos damit umgeht. Obwohl er gelobt genau dies vermeiden zu wollen. Manche Formen dieser Verschwendungssucht haftet gar der Anschein des Vorsatzes an.


Mooooment
Hier sieht man so klar, wie sonst nirgendwo, dass hier im kleinen Zimmer asymmetrisch gedacht und argumentiert wird.

Auf der einen Seite ist Steuerhinterziehung eine Opferlose Tat. Opferlos, weil der Staat nicht als Person zu werten ist. Daher sollte Steuerhinterziehung nicht oder nur minder schwer bestraft werden. Sie ist sogar etwas Positives, weil sie den Staat zum Gutem zwingt. Sollte man Steuerhinterziehung vielleicht noch belohnen?

Aber der Staat selbst ist so richtig böse. Er fügt dem Allgemeinwohl schweren Schaden zu. Nicht nur, dass er Bürger enteignet, nein, er verschwendet. Plötzlich ist der Staat eine Person. Er kann Macht missbrauchen, er kann böse sein und Vorsätze haben. Sollte man ihn nicht besser einsperren?

Solange das Thema auf einem solchen Niveau diskutiert wird, kann man es gar nicht diskutieren. Die Form ist vollkommen identisch zu dem, was die hier doch oft kritisierte "Linkspresse" so tut. Wer so argumentiert predigt Wasser und trinkt Wein. Pluralismus und Sachlichkeit geht bei dieser Art der Argumentation vollständig verloren.

Übrigens: Ich meine nicht sie persönlich, Lieber Erling Plaethe, ich meine den mehrheitlichen Tonfall zu vieler hier (und da dann auch sie), die sich gegenseitig hochschaukeln und damit eine Meinungswelle bilden, die den Versuch eines "pluralistischen" oder gar "liberalen" Forums mit den Füßen treten.

Der Kritiker

P.S
Es könnte sein, dass jemand fragt, was ich denn für das sachlich Richtige halte.
Nun denn: Steuerhinterziehung ist eine Straftat und gehört bestraft. Genau dazu gibt es Gesetze.
Verschwendung des Staates ist nicht Thema eines Gesetzes, kann daher nicht bestraft werden. Wohl aber Amtsmissbrauch, Vorteilnahme oder ähnliches. Hier kann man die Gesetze und die Verfolgung der Täter noch besser gestalten. Das trifft aber (wie soll es anders sein) immer nur Einzelpersonen, keine politischen Gruppen (auch die missliebigen linken Gruppen nicht, zu der die Mehrheit der Bevölkerung gehört)
Wer Verschwendung des Staates unter Strafe stellen will, soll bitte schön vorschlagen, wie dies zu machen ist. Dann hätte man eine sachliche Grundlage zur Diskussion.

Florian Offline



Beiträge: 3.136

16.03.2014 16:15
#37 RE: Meckerecke: Wie die "Welt" den Rechtsstaat versteht Antworten

Zitat von Noricus im Beitrag #34

Mittlerweile ist es viel schwieriger geworden, Einnahmen vor dem Finanzamt zu verstecken. Zumal der Staat ja auch nicht davor zurückschreckt, Straftaten (Hehlerei) zu begehen, um den Steuerbürger zu kontrollieren. Die Selbstanzeige ist für den Staat also weitgehend nutzlos geworden. Deshalb wird sie über kurz oder lang mit ziemlicher Sicherheit abgeschafft werden.



Es gibt beim Thema "Selbstanzeige" ein weitverbreitetes Missveständnis, das ich hier gerne aufräumen möchte.
"Selbstanzeige" ist formaljuristisch nichts anderes als die Korrektur einer Steuererklärung.

Die Formulierung wird also i.d.R. nicht lauten "Hiermit bezichtige ich mich selbst, 1 Mio Steuern hinterzogen zu haben".
Sondern z.B.: "Hiermit teile ich Ihnen mit, dass ich meine Steuererklärung wie folgt korrigiere: Das Einkommen aus Kapitalvermögen beträgt 5,0 Mio. und nicht wie angegeben 4,0 Mio.".

WARUM die ursprüngliche Steuererklärung fehlerhaft war, ob aus Absicht oder aus Versehen, ist dabei irrelevant.
Und das ist auch sinnvoll. Denn wie wollte man auch in den Kopf eines Menschen hineinsehen um seine Motive zu entschlüsseln?


Die Korrektur einer Steuererklärung sollte aber auch in Zukunft möglich sein.

Begründung:
Das deutsche Steuerrecht ist sagenhaft komplex.
Eine Person mit halbwegs umfangreicher Geschätstätigkeit kann daher auch ohne jede Hinterziehungs-Absicht in die Situation kommen, eine falsche Steuererklärung abgegeben zu haben.
(Vielleicht hat man irgendwelche Erträge einfach vergessen. Oder ist irrtümlich von ihrer Steuerfreiheit ausgegangen. Oder man ging bei einem Geschäftsvorfall fälschlich von 7% Mwst. aus anstelle von 19%. Vielleicht hat man auch irgendeine Gesetzesänderung nicht mitbekommen. Sagen wir mal die Verlängerung der Spekulationsfrist bei Immobilengeschäften, so dass man irrtümlich glaubte, der Erlös aus einem Immobilienverkauf sei steuerfrei. Sowas kann im übrigen aufgrund der Komplexität der Vorschriften auch dem besten Steuerberater einmal passieren).
Was soll diese Person nun tun, wenn ihr der Fehler 2 Jahre später auffällt?

Bei derzeitiger Gesetzeslage ist die Sache einfach: Sie schreibt ihrem Finanzamt und korrigiert ihre Steuererklärung. Es gibt einen neuen Steuerbescheid (in dem die verspätet gezahlte Steuer übrigens sehr üppig verzinst werden muss). Causa finita.

Wenn man diese Möglichkeit nun aber abschaffen würde, dann bliebe dieser Person nur, darauf zu hoffen, dass der Fehler nicht auffällt.
Man würde damit völlig unnötig sehr viele Menschen kriminalisieren.

Erling Plaethe Offline




Beiträge: 4.660

16.03.2014 16:34
#38 RE: Meckerecke: Wie die "Welt" den Rechtsstaat versteht Antworten

Lieber Kritiker, Sie können mich ruhig persönlich meinen, denn Sie antworten auf meine persönliche Meinung und die muss keine, und ist auch gar nicht so oft eine, Mehrheitsmeinung im kleinen Zimmer sein. Deswegen würde ich es sehr schätzen, wenn Sie sich an mir abarbeiten und nicht anderen Forumsmitgliedern zuordnen, was meinem asymetrischen Denken entspringt.
Danke übrigens für das Kompliment.

Nein, ich behandle den Staat nicht als Person. Selbstverständlich geht es um Politiker die das Allgemeinwohl und den Staat gleichzusetzen versuchen, in dem sie die Begründung für ein härteres Vorgehen gegen Steuerhinterziehung, welches vor der bereits genannten Herausforderung des Rechtsstaates und der faktischen Aufhebung des Bankgeheimnisses nicht zurückschreckt, benutzen, um eben dies zu postulieren.

Viele Grüße, Erling Plaethe

Noricus Offline



Beiträge: 2.362

16.03.2014 17:39
#39 RE: Meckerecke: Wie die "Welt" den Rechtsstaat versteht Antworten

Zitat von Florian im Beitrag #37
Zitat von Noricus im Beitrag #34

Mittlerweile ist es viel schwieriger geworden, Einnahmen vor dem Finanzamt zu verstecken. Zumal der Staat ja auch nicht davor zurückschreckt, Straftaten (Hehlerei) zu begehen, um den Steuerbürger zu kontrollieren. Die Selbstanzeige ist für den Staat also weitgehend nutzlos geworden. Deshalb wird sie über kurz oder lang mit ziemlicher Sicherheit abgeschafft werden.



Es gibt beim Thema "Selbstanzeige" ein weitverbreitetes Missveständnis, das ich hier gerne aufräumen möchte.
"Selbstanzeige" ist formaljuristisch nichts anderes als die Korrektur einer Steuererklärung.


Im Steuerrecht existieren mehrere Normen, die eine Berichtigung ermöglichen bzw zu dieser verpflichten, lieber Florian. Die "Selbstanzeige bei Steuerhinterziehung" ist in § 371 AO geregelt und betrifft nur die (vorsätzliche) Steuerhinterziehung nach § 370 AO. Für die leichtfertige Steuerverkürzung nach § 378 AO sind dort in Abs. 3 zum Teil auf den § 370 AO verweisende Strafbefreiungsregelungen vorgesehen. § 153 AO verpflichtet unabhängig vom Verschulden/von einem strafbaren Handeln zu einer Berichtigung fehlerhafter Steuererklärungen (wenn der Fehler vor Ablauf der Festsetzungsfrist erkannt wird). Es wäre jetzt ein Leichtes, den § 371 AO zu streichen und den Verweis in § 378 Abs. 3 AO durch eine komplett ausformulierte Bestimmung zu ersetzen.

Ich denke, es geht in der ganzen Diskussion nur um § 371 AO, also die Strafbefreiung bei (vorsätzlicher) Steuerhinterziehung. Den § 378 Abs. 3 AO zu streichen wäre angesichts der Komplexität des deutschen Steuerrechts in der Tat höchst bedenklich, weil dann wirklich eine Kriminalisierung weiter Teile der Bevölkerung einträte.

Noricus Offline



Beiträge: 2.362

16.03.2014 18:13
#40 RE: Meckerecke: Wie die "Welt" den Rechtsstaat versteht Antworten

Zitat von Kritiker im Beitrag #36

Auf der einen Seite ist Steuerhinterziehung eine Opferlose Tat. Opferlos, weil der Staat nicht als Person zu werten ist. Daher sollte Steuerhinterziehung nicht oder nur minder schwer bestraft werden. Sie ist sogar etwas Positives, weil sie den Staat zum Gutem zwingt. Sollte man Steuerhinterziehung vielleicht noch belohnen?

Aber der Staat selbst ist so richtig böse. Er fügt dem Allgemeinwohl schweren Schaden zu. Nicht nur, dass er Bürger enteignet, nein, er verschwendet. Plötzlich ist der Staat eine Person. Er kann Macht missbrauchen, er kann böse sein und Vorsätze haben. Sollte man ihn nicht besser einsperren?


Gute Idee. Der Staat in Ketten, das dürfte für einen freiheitlich-rechtsstaatlich denkenden Menschen doch ein Ideal sein. Man sollte den Staat in dem Sinne einsperren, dass man ihn auf bestimmte Aufgaben reduziert und dadurch dem Zuschaufeln von Zuständigkeiten und der damit einhergehenden Erhöhung des Mittelbedarfs Grenzen setzt. Es muss nicht, wenn irgendwo zwischen Hintertupfing und Bad Posemuckel ein Fahrrad umfällt, ein neues Gesetz her, dessen Vollzug wieder etwas kostet. Der Staat ist nicht böse, es sind ggf die für ihn handelnden Personen.

Erling Plaethe hat völlig Recht, wenn er konstatiert, dass bei der Steuerhinterziehung in der öffentlichen Diskussion ein Opfertransfer vom Staat zur Gesellschaft vorgenommen wird. Denn dadurch lässt sich die Sache erst moralisch aufladen. Also müssen die nicht gebauten Kindertagesstätten und die fehlende Umverteilung für die Schwachen beklagt werden. Schon seltsam, dass niemand erwähnt, dass durch die Schuld der bösen Steuerhinterzieher vielleicht auch keine Kriegswaffen gekauft und keine Kohlekraftwerke subventioniert worden sind. Müsste man dann die Steuerhinterzieher für ihren zivilen Ungehorsam nicht wirklich belohnen?

Sie mögen das ja anders sehen, lieber Kritiker, aber ich erkenne in der Hyperventilation gegen die bösen Steuerhinterzieher Anzeichen eines despotischen Paternalismus, der - um seine Klienten zu befriedigen - denjenigen, bei denen es eventuell noch was zu holen gibt, immer mehr auf den Leib rückt. Und das ist mit der freiheitlich-demokratischen Grundordnung nicht zu vereinbaren. Wir wollen zwar grundsätzlich keine Strafverfolgung um jeden Preis, aber wenn es darum geht, für den Staat höhere Einnahmen zu generieren, dann ist plötzlich jedes Mittel recht. Da man im Steuer(straf)recht - bildlich gesprochen - die Großen hängt und die Kleinen laufen lässt, gibt es dafür den Beifall der breiten Mehrheit.

Kritiker Offline



Beiträge: 274

16.03.2014 19:39
#41 RE: Meckerecke: Wie die "Welt" den Rechtsstaat versteht Antworten

Zitat von Erling Plaethe im Beitrag #38

Sie können mich ruhig persönlich meinen, denn Sie antworten auf meine persönliche Meinung und die muss keine, und ist auch gar nicht so oft eine, Mehrheitsmeinung im kleinen Zimmer sein. Deswegen würde ich es sehr schätzen, wenn Sie sich an mir abarbeiten und nicht anderen Forumsmitgliedern zuordnen, was meinem asymetrischen Denken entspringt.
Danke übrigens für das Kompliment.

Nein, ich behandle den Staat nicht als Person. Selbstverständlich geht es um Politiker die das Allgemeinwohl und den Staat gleichzusetzen versuchen, in dem sie die Begründung für ein härteres Vorgehen gegen Steuerhinterziehung, welches vor der bereits genannten Herausforderung des Rechtsstaates und der faktischen Aufhebung des Bankgeheimnisses nicht zurückschreckt, benutzen, um eben dies zu postulieren.

Nun, sie haben formuliert, was in vielen Beiträgen anklang. Es sieht nach einem Hang nach gegenseitiger Bestätigung aus. Aber sie haben den Staat doch als Person benannt, indem sie ihm Verschwendung und sogar Vorsatz zugeordnet haben.

Und Politiker machen das, womit sie Mehrheiten bekommen oder erhalten können. Warum wohl hat unsere Obermutti viele Meinungen übernommen, die eigentlich der SPD oder den Grünen zuzuodnen sind. Insofern spiegeln Politiker das wieder, was die Mehrheit der Bürger denkt. Muss einem nicht gefallen, nennt sich aber Demokratie.

Zwar ist das härtere Vorgehen gegen Steuersünder vielleicht erst in letzter Zeit modern geworden, aber letztlich konsequent, wenn man die Einhaltung von Gesetzen fordert. Es darf in einer freiheitlichen Demokratie nicht zwei Arten von Recht geben.
Die Frage, ob man dafür so etwas wie ein Steuergeheimnis opfern darf, ist kontrovers. Auf dem Altar der Strafverfolgung werden viele Bürgerrechte geopfert und in den USA, eigentlich dem Mutterland der hier hochgelobten Freiheit, sind Bürgerrechte nichts wert, wenn die Sicherheit des Staaates als Begründung gewählt wird. Da kann man sogar vor ein Gericht gestellt werden, ohne dass man öffentlich sagen darf, wessen man angeklagt ist. In Deutschland schauen die entsprechenden Minister neidisch auf solche Möglichkeiten, da ist die Hehlerei mit Steuer CDs nur eine Kleinigkeit.
Nein, eine freiheitliche Debatte darf nicht die Strafwürdigkeit des Brechens von Gesetzen in Frage stellen, wohl aber die Rechtmäßigkeit der Aushöhlung von Bürgerrechten, selbst wenn das bedeutet, dass man manche Straftäter nicht fasst. Aber die, die man fasst, die sollen auch bestraft werden.


Zitat von Noricus im Beitrag #40

Der Staat ist nicht böse, es sind ggf die für ihn handelnden Personen.


Und es wäre gut und richtig, wenn die Haftbarkeit der handelnden Personen verstärkt wird. Was für einen Sinn hat denn ein Eid, sich für das Wohl des deutschen Staates einzusetzen, wenn der Bruch dieses Eides nicht einklagbar ist?

Zitat von Noricus im Beitrag #40

Sie mögen das ja anders sehen, lieber Kritiker, aber ich erkenne in der Hyperventilation gegen die bösen Steuerhinterzieher Anzeichen eines despotischen Paternalismus, der - um seine Klienten zu befriedigen - denjenigen, bei denen es eventuell noch was zu holen gibt, immer mehr auf den Leib rückt.


Nein, ich sehe das nicht anders.
Aber ich weigere mich, das Kind mit dem Bade auszuschütten. Rechtsbruch bleibt Rechtsbruch. Punkt.

Den despotischen Paternalismus bekämpft man nicht dadurch, indem man sich für Steuersünder einsetzt und damit sich in die moralische Falle begibt. Er kann höchstens dadurch bekämpft werden, indem er öffentlich gemacht und in seinen Konsequenzen dargestellt wird. Ich gebe zu, dass das schwierig ist. Und oft nicht gelingt, weil die Menschen sich Freiheit nicht zutrauen.
Aber es wird ja noch nicht einmal versucht.

Statt dessen wird ein erfolgreicher Unternehmer zum Held erklärt, weil er zwar gerne spendet, aber sich weigert, Steuern zu zahlen.

Der Kritiker

Noricus Offline



Beiträge: 2.362

16.03.2014 20:12
#42 RE: Meckerecke: Wie die "Welt" den Rechtsstaat versteht Antworten

Zitat von Kritiker im Beitrag #41

Zitat von Noricus im Beitrag #40

Sie mögen das ja anders sehen, lieber Kritiker, aber ich erkenne in der Hyperventilation gegen die bösen Steuerhinterzieher Anzeichen eines despotischen Paternalismus, der - um seine Klienten zu befriedigen - denjenigen, bei denen es eventuell noch was zu holen gibt, immer mehr auf den Leib rückt.


Nein, ich sehe das nicht anders.
Aber ich weigere mich, das Kind mit dem Bade auszuschütten. Rechtsbruch bleibt Rechtsbruch. Punkt.

Den despotischen Paternalismus bekämpft man nicht dadurch, indem man sich für Steuersünder einsetzt und damit sich in die moralische Falle begibt.


Lieber Kritiker, das mit der moralischen Falle verstehe ich nicht ganz. Man kann doch ein Delikt weniger schlimm finden als das andere oder für die Abschaffung eines Straftatbestandes plädieren. Ich z.B. finde es weniger schlimm, wenn ein Jugendlicher seine zu geringe Frustrationstoleranz an einer Mülltonne auslässt, anstatt dass er sich am Kopf eines am Boden liegenden Mitmenschen abreagiert. Ich finde es richtig, dass beide Verhaltensweisen bestraft werden, aber wenn im ersten Fall hyperventiliert wird, die vorsätzliche Beschädigung der Mülltonne sei "die schlimmste Form asozialen Verhaltens" und wenn dem Jugendlichen dazu gratuliert wird, dass er das erstinstanzliche Urteil annimmt, dann finde ich das überzogen und äußere das auch.

Ich bin z.B. dafür, den Besitz von Cannabis komplett zu legalisieren (obwohl ich selbst nichts davon hätte), finde es also schlecht, dass Cannabisbesitzer bestraft werden. Tappe ich da in die moralische Falle?

Natürlich: Ein Gericht muss das geltende Recht anwenden und kann nicht einen Straftatbestand außer Acht lassen, weil er ihm rechtspolitisch fragwürdig erscheint. Aber darum geht es in der Diskussion ja auch nicht.

Erling Plaethe Offline




Beiträge: 4.660

16.03.2014 20:14
#43 RE: Meckerecke: Wie die "Welt" den Rechtsstaat versteht Antworten

Zitat von Kritiker im Beitrag #41
Aber sie haben den Staat doch als Person benannt, indem sie ihm Verschwendung und sogar Vorsatz zugeordnet haben.

Verschwendung und Anzeichen von Vorsatz des Staates durch die handelnden Politiker.
Zitat von Kritiker im Beitrag #41
Und Politiker machen das, womit sie Mehrheiten bekommen oder erhalten können. Warum wohl hat unsere Obermutti viele Meinungen übernommen, die eigentlich der SPD oder den Grünen zuzuodnen sind. Insofern spiegeln Politiker das wieder, was die Mehrheit der Bürger denkt. Muss einem nicht gefallen, nennt sich aber Demokratie.

Nein, das nennt sich nicht Demokratie. Das ist eine Ochlokratie oder Laokratie.
http://de.wikipedia.org/wiki/Ochlokratie
Zitat von Kritiker im Beitrag #41
Nein, eine freiheitliche Debatte darf nicht die Strafwürdigkeit des Brechens von Gesetzen in Frage stellen, wohl aber die Rechtmäßigkeit der Aushöhlung von Bürgerrechten, selbst wenn das bedeutet, dass man manche Straftäter nicht fasst. Aber die, die man fasst, die sollen auch bestraft werden.

Das stimmt. Und das habe ich auch nicht getan. Mein Punkt war die Gleichsetzung von Staat und Gesellschaft.

Viele Grüße, Erling Plaethe

adder Offline




Beiträge: 1.073

16.03.2014 21:36
#44 RE: Meckerecke: Wie die "Welt" den Rechtsstaat versteht Antworten

Zitat von Erling Plaethe im Beitrag #43

Zitat von Kritiker im Beitrag #41
Und Politiker machen das, womit sie Mehrheiten bekommen oder erhalten können. Warum wohl hat unsere Obermutti viele Meinungen übernommen, die eigentlich der SPD oder den Grünen zuzuodnen sind. Insofern spiegeln Politiker das wieder, was die Mehrheit der Bürger denkt. Muss einem nicht gefallen, nennt sich aber Demokratie.

Nein, das nennt sich nicht Demokratie. Das ist eine Ochlokratie oder Laokratie.
http://de.wikipedia.org/wiki/Ochlokratie


Demokratie bleibt nur solange Demokratie, wie sie einen funktionierenden Minderheitenschutz hat. Ansonsten gleitet sie ab - und zwar meist in die Tyrannei einer einzelnen Partei. Wir hatten auf deutschem Boden bereits zwei davon - eine dritte möchte ich nicht.

Nola Offline



Beiträge: 1.719

17.03.2014 09:09
#45 RE: Meckerecke: Wie die "Welt" den Rechtsstaat versteht Antworten

Zitat von adder im Beitrag #44
Zitat von Erling Plaethe im Beitrag #43

Zitat von Kritiker im Beitrag #41
Und Politiker machen das, womit sie Mehrheiten bekommen oder erhalten können. Warum wohl hat unsere Obermutti viele Meinungen übernommen, die eigentlich der SPD oder den Grünen zuzuodnen sind. Insofern spiegeln Politiker das wieder, was die Mehrheit der Bürger denkt. Muss einem nicht gefallen, nennt sich aber Demokratie.

Nein, das nennt sich nicht Demokratie. Das ist eine Ochlokratie oder Laokratie.
http://de.wikipedia.org/wiki/Ochlokratie


Demokratie bleibt nur solange Demokratie, wie sie einen funktionierenden Minderheitenschutz hat. Ansonsten gleitet sie ab - und zwar meist in die Tyrannei einer einzelnen Partei. Wir hatten auf deutschem Boden bereits zwei davon - eine dritte möchte ich nicht.


oh, oh, lieber adder, jetzt weiß ich auch warum unsere Regierung sich so demonstrativ und öffentlich um Gesetzesschutz für Minderheiten bemüht. Bislang dachte ich immer, unser GG und damit unsere demokratische Gesetzgebung umschließt alle Menschenrechte, also auch die der Minderheiten. Das es sich z. Zt. zuvorderst um sexuelle "Praktiken" von Minderheiten handelt ist also somit auch für die Einhaltung der Demokratie förderlich. Ja, wenn das so ist. Gut zu wissen, das hier wenigstens ein Klientel zufriedengestellt wird. Für Mehrheiten sehe ich z.Zt. allerdings weniger Chancen, in ihren Bedürfnissen gehört und zufriedengestellt zu werden.

Dennoch, der Demokratie ist Genüge getan und dann kann ja in allen anderen "weniger wichtigen" Bereichen weiter geschlampt werden. Betrachtet man dazu auch noch die GroKo, gebildet aus 2,5 Volksparteien, die sich inhaltlich auch nicht wesentlich unterscheiden (auch wenn zunächst nur für 4 Jahre) habe ich schon Bedenken, daß "ideologische" Wunschträume bedient werden.

Zitat
http://www.focus.de/politik/deutschland/neue-verhaeltnisse-in-der-laenderkammer-grosse-koalition-muss-ohne-mehrheit-im-bundesrat-regieren_id_3435656.html

Aber auch ohne Mehrheit im Bundesrat ist die Situation für Schwarz-Rot vergleichsweise komfortabel. Denn weil die Opposition keine Mehrheit hat, kann sie – anders als zuletzt bei Schwarz-Gelb – keine Gesetze mehr verhindern, die im Bundesrat zustimmungsfrei sind.

Für zustimmungspflichtige Regelungen fehlt der großen Koalition zwar die Mehrheit in der Länderkammer. Das muss sie aber keineswegs handlungsunfähig machen. Denn viele Gesetze lassen sich so gestalten, dass ihnen der Bundesrat nicht zustimmen muss.

Schwierig wird es für eine große Koalition, wenn sie das Grundgesetz ändern will. Denn die dafür erforderliche Zweidrittel-Mehrheit hätte Schwarz-Rot zwar im Bundestag, nicht aber im Bundesrat. Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) hat bereits den entschiedenen Widerstand seiner Partei für den Fall angekündigt, dass eine schwarz-rote Koalition im Alleingang alle möglichen Grundgesetzänderungen durchsetzen wolle. Das könnte bei einer Abschaffung oder der Lockerung des Kooperationsverbotes in der Bildung von Bedeutung sein.



edit:

Zitat

http://boess.welt.de/2014/03/15/steuerhi...immer-als-mord/

Zitat Böss
"Übrigens: Wer heute Nacht in der U-Bahn jemanden ins Koma prügelt, hat gute Chancen, noch vor Uli Hoeneß wieder aus dem Gefängnis entlassen zu werden".




Das muß wohl Demokratie sein, oder?

♥lich Nola

---------------------------

Status quo, nicht wahr, ist der lateinische Ausdruck für den Schlamassel, in dem wir stecken.
Zettel im August 2008

Martin Offline



Beiträge: 4.129

17.03.2014 10:38
#46 RE: Meckerecke: Wie die "Welt" den Rechtsstaat versteht Antworten

Zitat von HR im Beitrag #32

Es bleibt zudem die Frage, ob H. wirklich Herr über diese Vielzahl der Transaktionen war.
Es bleibt auch die Frage der Schuld seiner Steuerberater, die anscheinend eine unwirksame Selbstanzeige ausgearbeitet haben.
Es bleibt die Frage nach der Komplexität, derer die Staatsanwaltschaft offensichtlich nicht gewachesen war (3,5 Millionen)
Insofern bleibt das Scheitern der Selbstanzeige im Dunkeln.Hier hätte eine Revision vielleicht erhellt.

Und grundsätzlich, da es immer gerne als Argument gegen Hoeneß Selbstanzeige angebracht wird. Die Panik aus der diese geboren wurde
ist rechtlich irrelevant.Hoeneß hat sich laut Richter "selbst ans Messer geliefert".Am Ende aus rein formalen Gründen.
Hier wird die Politik nun wach: "Anforderungen an die Selbstanzeige verschärfen", da ein kühlerer Kopf als Hoeneß hier der Gefängnisstrafe entkommen wäre.
Da scheitert jemand an den Anforderungen an eine strafbefreihende Selbstanzeige, und der Schluß der Politiker ist, diese Anforderungen zu verschärfen. Absurd.


Ich habe einzelne Erklärungsversuche gesehen, wie Höneß sich in diese Bredouille hineinreiten konnte, meines Wissen ist aber das, was tatsächlich abgelaufen ist, nicht publik. Beim Handel mit Wertpapieren reicht es ja nicht, am Ende des Jahres Differenzen im Soll und Haben gegeneinander aufzurechnen, sondern man muss zur Ermittlung von steuerlich relevanten Gewinnen und Verlusten allerlei Regeln beachten. Dazu gehören Haltedauer und 'first in, first out' - Regeln. Bis 2009 gab es zudem fast jährliche Änderungen dieser Regeln, mit Unterschieden beispielsweise, ob es sich um Aktien oder sonstige Wertpapiere handelte. Wer in Derivaten handelte, musste evtl. Verfallsregeln von sonstigen Regeln zur Ermittlung von Verlusten beachten.

Wer sich also bei der Haltedauer von beispielsweise 1 Jahr auch nur um einen Tag vertat, konnte einen Verlust plötzlich nicht mehr gegen einen Gewinn verrechnen, das Minus auf dem Konto blieb aber effektiv am Investor hängen. So wäre es möglich gewesen, viel Geld zu verlieren und trotzdem eine hohe Steuerschuld anzuhäufen. Im Übrigen trafen solche Regeln auch auf jeden Bundesbürger zu, der für Geschäfte oder Urlaub Fremdwährungen tauschte und rücktauschte, kaum ein Bürger dürfte dies aber wohl am Ende des Jahres berechnet haben, um eine eventuelle Steuerschuld zu ermitteln.

Ende der 90er-Jahre gab es die ersten online-Bankenangebote, die ein recht einfaches Prozedere für die Teilnahme an den Finanzmärkten erlaubten. Später kamen fast professionelle Tradingwindows dazu. Es gab aber keinerlei Hilfsmittel seitens der Banken, um den Wertpapierhandel unter Kontrolle zu halten. Wer also mit Wertpapieren handeln wollte, der war aus Sicht der Steuerpflicht von vorneherein verloren wenn er seinen Handel nicht mit sorgfältigster Buchhaltung verfolgte, bei der die jeweiligen Regeln abgebildet waren. Die Komplexität konnte dadurch erhöht werden, dass die Anerkennung bestimmter Wertpapiere, ihren Ausschüttungen, Splitting, Umwandlung bei Firmenveränderungen bei der Kategorisierung von Verlusten oder Gewinnen bei den Finanzämtern nicht immer eindeutig und oft erst durch Einschalten der Oberfinanzdirektionen zu klären war.

Wer also als weitgehender Laie dem bequemen Angebot der online-Banken verfiel und neben seinem sonstigen Tagesgeschäft zig-Tausend Handelsgeschäfte in ein paar Jahren tätigte, ohne dies durch einen Profi unter Kontrolle zu halten, dies auch noch mit verschiedenen Banken durchführte, der dürfte mit über 90%iger Wahrscheinlichkeit bereits nach wenigen Monaten den Überblick verloren haben. Die technische Entwicklung im Gefolge des Internets hat mit Höneß wohl eines der ersten Opfer gefordert. Gerade wegen der damit verbunden Komplexität und dem damit verbundenen Aufwand habe ich auch leise Zweifel, dass die tatsächliche Steuerschuld von Höneß überhaupt korrekt ermittelt werden konnte. Keiner der Beteiligten, inklusive Höneß, dürfte sie kennen.

Für mich bleibt da in Folge die Frage, wie kam es dann, wie es gekommen ist. Was macht ein Investor, der weiß, dass er den Überblick verloren hat? Informiert er den Steuerberater korrekt? Dieser würde wohl auch an den Details verzweifeln. Vielleicht ist die Sache schon so weit gelaufen, dass ohne Selbstanzeige und mit dann geschätzten Daten nicht mehr aus der Sache herauszukommen ist? Wollte er ein Schweizer Konto (das per se nicht offengelegt werden musste, soweit es keine zu versteuerten Einkünfte gab) vor dem FA nicht offenlegen? Vermutlich hat Höneß irgendwann den Kopf in den Sand gesteckt.

Man kann darüber den moralischen Zeigefinger heben wie jemand mit einer auf ihn zukommenden Lawine umgeht, ich halte es aber für gewagt, Höneß von vorneherein Betrugsabsicht zu unterstellen. Das in diesem Fall komplexe Steuerrecht mit seinen Detailregelungen trägt das Seine zu dieser Situation bei. Heute übernehmen die Bankenprogramme den Umgang mit diesen Regeln, soweit Transaktionen für sie sichtbar sind. Haltefristen sind inzwischen auch relativiert. Was bleibt: Eigentlich müsste jeder Bürger Devisentausch und -rücktausch protokollieren. Das wird nach wie vor nicht von den Banken erfasst. Sind sehr viele Bürger potentielle Steuerbetrüger? Na ja, solange der € steigt, sind Gewinne unwahrscheinlich.

Vielleicht lässt Höneß mal an dem teilhaben, was wirklich abgelaufen ist. Zeit müsste er jetzt haben.

Gruß, Martin

adder Offline




Beiträge: 1.073

17.03.2014 12:28
#47 RE: Meckerecke: Wie die "Welt" den Rechtsstaat versteht Antworten

Zitat von Nola im Beitrag #45
Zitat von adder im Beitrag #44
Zitat von Erling Plaethe im Beitrag #43

Zitat von Kritiker im Beitrag #41
Und Politiker machen das, womit sie Mehrheiten bekommen oder erhalten können. Warum wohl hat unsere Obermutti viele Meinungen übernommen, die eigentlich der SPD oder den Grünen zuzuodnen sind. Insofern spiegeln Politiker das wieder, was die Mehrheit der Bürger denkt. Muss einem nicht gefallen, nennt sich aber Demokratie.

Nein, das nennt sich nicht Demokratie. Das ist eine Ochlokratie oder Laokratie.
http://de.wikipedia.org/wiki/Ochlokratie


Demokratie bleibt nur solange Demokratie, wie sie einen funktionierenden Minderheitenschutz hat. Ansonsten gleitet sie ab - und zwar meist in die Tyrannei einer einzelnen Partei. Wir hatten auf deutschem Boden bereits zwei davon - eine dritte möchte ich nicht.


oh, oh, lieber adder, jetzt weiß ich auch warum unsere Regierung sich so demonstrativ und öffentlich um Gesetzesschutz für Minderheiten bemüht. Bislang dachte ich immer, unser GG und damit unsere demokratische Gesetzgebung umschließt alle Menschenrechte, also auch die der Minderheiten. Das es sich z. Zt. zuvorderst um sexuelle "Praktiken" von Minderheiten handelt ist also somit auch für die Einhaltung der Demokratie förderlich. Ja, wenn das so ist. Gut zu wissen, das hier wenigstens ein Klientel zufriedengestellt wird. Für Mehrheiten sehe ich z.Zt. allerdings weniger Chancen, in ihren Bedürfnissen gehört und zufriedengestellt zu werden.

Dennoch, der Demokratie ist Genüge getan und dann kann ja in allen anderen "weniger wichtigen" Bereichen weiter geschlampt werden. Betrachtet man dazu auch noch die GroKo, gebildet aus 2,5 Volksparteien, die sich inhaltlich auch nicht wesentlich unterscheiden (auch wenn zunächst nur für 4 Jahre) habe ich schon Bedenken, daß "ideologische" Wunschträume bedient werden.


Liebe Nola, vielleicht ist der Ausdruck Minderheitenschutz hier nicht passend - aber eine Demokratie, in der die Mehrheit Entscheidungen ohne Beachtung der Rechte von Minderheiten trifft, eventuell gerade diese Rechte sogar mit Füssen tritt, ist keine Demokratie, sondern tatsächlich die Pöbelherrschaft Ochlokratie. Wenn zwei Wölfe und ein Reh entscheiden, wer gefressen wird... ist das keine Demokratie. Auch ohne anfängliche Verletzung der Menschenrechte kann eine Mehrheit nämlich Unrecht begehen, das fängt dann mit "Reichensteuer" an und endet mit Enteignung. Daher gibt es in einer funktionierenden Demokratie ein System, welches die Rechte von Minderheiten schützt. Bei uns ist/war dies immer die Kombination aus Koalitionsregierung (schon einmal dort ist eine Minderheit beteiligt) und vor allem Bundesverfassungsgericht und dessen Gesetzesüberprüfungsfunktion. Aber auch die Oppositionsrechte im Bundestag sind Elemente des funktionierenden Minderheitenschutzes in der Bundesrepublik. In der DDR gab es entsprechendes nicht - oder nur inoffiziell (wenn ein Bürger seinem Ortsparteifunktionär die Meinung gegeigt hat) - was eben auch ein Grund für die Illegitimität der sogenannten Demokratie in der Volkseigenen Republik war.

Zitat

Zitat

http://boess.welt.de/2014/03/15/steuerhi...immer-als-mord/

Zitat Böss
"Übrigens: Wer heute Nacht in der U-Bahn jemanden ins Koma prügelt, hat gute Chancen, noch vor Uli Hoeneß wieder aus dem Gefängnis entlassen zu werden".



Das muß wohl Demokratie sein, oder?




Nein. Das ist Versagen der Staatsorgane in dieser Republik.

Ulrich Elkmann Offline




Beiträge: 13.566

17.03.2014 12:40
#48 RE: Meckerecke: Wie die "Welt" den Rechtsstaat versteht Antworten

Zitat von Nola im Beitrag #45

Zitat

http://boess.welt.de/2014/03/15/steuerhi...immer-als-mord/

Zitat Böss
"Übrigens: Wer heute Nacht in der U-Bahn jemanden ins Koma prügelt, hat gute Chancen, noch vor Uli Hoeneß wieder aus dem Gefängnis entlassen zu werden".



Falls die so Aufgestachelten Hans oder Thilo heißen sollten & das Opfer, sagen wir, Mehmet, dürften Hern Böss`Befürchtungen wohl unbegründet sein. Zu ergänzen wäre, daß im Fall Johnny K. das Urteil von 4,5 Jahren für den Haupttäter möglicherweise davon beeinflußt war. daß er schon drei Mal rechtskräftig verurteilt worden war.

Kritiker Offline



Beiträge: 274

17.03.2014 12:50
#49 RE: Meckerecke: Wie die "Welt" den Rechtsstaat versteht Antworten

Zitat von adder im Beitrag #44

Demokratie bleibt nur solange Demokratie, wie sie einen funktionierenden Minderheitenschutz hat. Ansonsten gleitet sie ab - und zwar meist in die Tyrannei einer einzelnen Partei. Wir hatten auf deutschem Boden bereits zwei davon - eine dritte möchte ich nicht.

Minderheitenschutz ist ein schlechtes Wort.

in einer Demokratie muss es eine funktionierende Opposition geben und eine freie Presse.
Ob wir aktuell eine funktionierende Opposition haben, sei dahingestellt, letzte Legislaturperiode hatten wir noch eine.
Unsere Presse ist nominell frei, aber aus wirtschaftlichen Gründen ziemlich gleichgeschaltet (hier funktioniert der Markt nicht).

Dass jede Minderheit unbedingt und immer ihre Interessen politisch durchsetzbar vertreten muss, ist meines Wissens weder vom Grundgesetz noch von dem Demokratiebegriff abgedeckt (Sonst definiere ich mich und meine Familie als Minderheit und fordere staatliche Zuschüsse, damit unser Einkommen auf das eines Beckenbauer anwächst).

Der Kritiker

Rayson Offline




Beiträge: 2.367

17.03.2014 12:51
#50 RE: Meckerecke: Wie die "Welt" den Rechtsstaat versteht Antworten

Zitat von Ulrich Elkmann im Beitrag #48
Falls die so Aufgestachelten Hans oder Thilo heißen sollten & das Opfer, sagen wir, Mehmet, dürften Hern Böss`Befürchtungen wohl unbegründet sein. Zu ergänzen wäre, daß im Fall Johnny K. das Urteil von 4,5 Jahren für den Haupttäter möglicherweise davon beeinflußt war. daß er schon drei Mal rechtskräftig verurteilt worden war.
Man darf bei solchen Vergleichen nicht vergessen, dass viele der vergleichsweise milden Urteile bei Delikten gegen Leib und Leben dadurch zustande kommen, dass bei unter 21jährigen fast durchweg Jugendstrafrecht angewendet wird.

Angeblich ist man bis zu 21 Jahren nicht alt genug, volle Verantwortung für die eigenen Entscheidungen zu übernehmen, aber Verantwortung für das Gemeinwesen übernehmen, sprich: wählen, soll man so früh wie möglich dürfen...

--
L'État, c'est la grande fiction à travers laquelle tout le monde s'efforce de vivre aux dépens de tout le monde. (Frédéric Bastiat)
Je länger das Dritte Reich tot ist, um so stärker wird der Widerstand gegen Hitler und die Seinen. (Johannes Gross)

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