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ZETTELS KLEINES ZIMMER

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Dieses Thema hat 55 Antworten
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 Kommentare/Diskussionen zu "Zettels Raum"
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Noricus Offline



Beiträge: 2.362

16.03.2014 20:34
Zitat des Tages: Der verklärte Blick auf die DDR Antworten

Die DDR ist tot, es lebe die DDR - so lässt sich ein Vierteljahrhundert nach dem schicksalhaften Jahr 1989 die Stimmung in Gesamtdeutschland zusammenfassen. Dieser Verklärung des Unrechtsstaats ist entschieden entgegenzutreten.

Erling Plaethe Offline




Beiträge: 4.660

16.03.2014 20:56
#2 RE: Zitat des Tages: Der verklärte Blick auf die DDR Antworten

Zitat von Noricus im Beitrag #1
Die DDR ist tot, es lebe die DDR - so lässt sich ein Vierteljahrhundert nach dem schicksalhaften Jahr 1989 die Stimmung in Gesamtdeutschland zusammenfassen. Dieser Verklärung des Unrechtsstaats ist entschieden entgegenzutreten.

Genau. Danke, lieber Noricus, dass Sie dies tun. In diesem Fall, wie auch in anderen Fällen...

Viele Grüße, Erling Plaethe

Jakob Nierstein Offline



Beiträge: 133

16.03.2014 21:07
#3 RE: Zitat des Tages: Der verklärte Blick auf die DDR Antworten

Ich habe mich schon mich schon vor Wochen gefragt, was passiert, wenn die SED-Milliarden auf einer der ominösen Steuer-CDs auftauchen. Wird das dann auch so verheimlicht und vertuscht wie die Sache bei Edathy?

Am_Rande Offline




Beiträge: 196

16.03.2014 21:57
#4 I beg to differ! Antworten

Sehr verehrte Mitdiskutanten,

ich möchte der These:

Zitat
Damit hat sich letztlich das von der SED alias Die Linke propagierte Narrativ durchgesetzt, die DDR als einen Staat mit Sonnen- und Schattenseiten darzustellen.



des verehrten Autors, Noricus, widersprechen.

Es ist nicht das Narrativ der Partei "Die Linke", das sich durchgesetzt hat.

Es ist nur so, dass das Narrativ der Partei "Die Linke" auch das Narrativ des bundesdeutschen Juste milieu war und ist.

Ich hatte ja schon einmal hier geschrieben, dass mir als das beste Buch über die DDR das Werk "Und willst du nicht mein Bruder sein… Die DDR heute" von Timothy Garton Ash aus dem Jahr 1981 in Erinnerung geblieben ist.

Dies Buch zeigt die Sicht eines liberalen Engländers auf die DDR und ist eben in bester angelsächsischer Manier eine Reportage über die Dinge, wie sie sind. Und kein Meinungsbild, wie die Dinge sein sollen.

Was mir an dem Buch mit am stärksten aufgefallen ist, ist, dass der Autor die DDR nicht so sehr als einen vom Sozialismus geprägten Staat erfahren hat, sondern als einen vom Deutschtum geprägten. Dass heißt, die DDR war seiner Meinung nach, noch sehr viel deutscher als es die damalige BRD gewesen ist. Das ging vom rüden Umgangston der Volks(!)polizisten über den Stechschritt der NVA vor der neuen Wache bis hin zum Mahnmal der Dresdner Frauenkirchenruine gegen die „anglo-amerikanischen Terrorangriffe“.

Wer hingegen ein Buch sucht, welches das Bild des bundesdeutschen Juste milieu der Wendezeit zeichnet, findet dies sehr schön im Buch Reise ins andere Deutschland dargestellt.

Verlagswerbung:

Zitat
Zehn Tage lang fuhren sechs Redakteure (Marion Gräfin Dönhoff, Nina Grunenberg, Marlies Menge, Peter Christ, Rudolf Walter Leonhardt, Gerhard Spörl und Theo Sommer) kreuz und quer durch die DDR. In Gesprächen mit Politikern, Beamten, Offizieren, mit Wissenschaftlern und Künstlern entdeckten sie den Verzicht der DDR-Elite auf alte Parolen und Partei-Schablonen. Ein fernes Land ist es nicht mehr - aber ein anderes Deutschland



Das andere Deutschland - das 'war' die DDR.

Sie 'war' anti-faschistisch, anti-imperialistisch, sozial und anti-konsumeristisch, links, aufgeklärt, anti-amerikanisch, antikapitalistisch, innerlich und echt - und alles, was den Deutschen so wichtig ist.

Und sie 'hatte' vor allem eines, was Westdeutschland nicht hatte: eine saubere Weste, was die Nazi-Vergangenheit anbelangte.

Sie 'war' eben: das Andere Deutschland, als Kürzel für alles, was an deutscher Tradition im Widerstand gegen die Nazibarbarei gut und richtig war.

Zitat
"Wer aber vom Kapitalismus nicht reden will, sollte auch vom Faschismus schweigen."



Wer das glaubt(e) - und welcher echte Deutsche glaubte es nicht? - muss(te) im Anderen Deutschland das bessere Deutschland erkennen.

Frank Böhmert Offline




Beiträge: 927

16.03.2014 22:02
#5 RE: Zitat des Tages: Der verklärte Blick auf die DDR Antworten

Vielen Dank für diesen Artikel, lieber Noricus!

Beim Lesen ging es mir allerdings so, dass ich immer wieder zwischenrufen wollte: Es war nie anders!

Ich kann mich nicht erinnern, dass sich im Westen irgendwelche großen Teile der Bevölkerung jemals ernsthaft dafür interessiert hätten, was in der DDR alles passierte. Da wohnten halt - wenn überhaupt - die armen Verwandten, denen man abgelegte Kleidung schickte; mehr nicht.

Mir wurden, obwohl ich mich für einen politisch wachen Menschen halte, auch erst die Augen geöffnet, als ich Anfang der 1980er Jahre immer mehr Ausgebürgerte kennenlernte und mir ihre Lebens- und Leidensgeschichten anhörte ...

Frankenstein Offline




Beiträge: 891

17.03.2014 01:02
#6 RE: Zitat des Tages: Der verklärte Blick auf die DDR Antworten

Zitat von Noricus im Beitrag #1
Die DDR ist tot, es lebe die DDR - so lässt sich ein Vierteljahrhundert nach dem schicksalhaften Jahr 1989 die Stimmung in Gesamtdeutschland zusammenfassen. Dieser Verklärung des Unrechtsstaats ist entschieden entgegenzutreten.

Ich stimme Ihnen zwar prinzipiell zu, würde jedoch gerne Folgendes anmerken:

Im Vergleich zu anderen sozialistischen Staaten ging es in der DDR in der Tat relativ "human" zu.

Ich entsinne mich im Übrigen folgender beiden Anekdoten aus meiner Jugend:

1. Bei Reisen von und nach Berlin wurde ich bei den Ostgrenzern immer zügig durchgewunken - auf BRD-Seite jedoch mitunter über eine Stunde gefilzt - bis unter die Unterhose (bei harmlosen Äusseren von Fahrer und Mitfahrern). Laut staatlichem Narrativ der BRD gab es Grenzschikanen jedoch ausschliesslich seitens der DDR.

2. Im staatlichen Fernsehen der BRD wurde an einem Bestimmten Wochenende ein riesenlanger Bericht zu einer Auseinandersetzung in der DDR gezeigt (wobei der Bericht aber den Eindruck erweckte, krampfhaft zu versuchen viel Lärm um nichts zu machen). Zeitgleich fand eine große "antiimperialistische" Demo in Berlin statt (ich gestehe zu meiner Schande dabei gewesen zu sein, wobei unsere Clique prinzipiell eher unpolitisch war und wir auch einen Freund und diverse Clubs besucht haben). In der Aktuellen Kamera wurden mehrere Aufnahmen blutüberströmter Demonstranten gezeigt (die BRD-Polizei war seinerzeit nicht gerade zimperlich und hatte viele prügelwütige Beamte in Ihren Reihen), dem BRD-Fernsehen war die Demonstration mit mehreren Zehntausend Demonstranten keine Erwähnung wert.

Wenn man als jugendlicher Linker Zeuge einer derart tendenziösen Berichterstattung (und am eigenen Leibe erfahrener willkürlicher Polizeigewalt) seitens der Organe des freiheitlich-demokratischen Rechtsstaats wird, so kann man verstehen, dass die wahrgenommene Distanz zwischen beiden Systemen kleiner ist als Sie in Ihrem Beitrag empört (?) einfordern.

Ich selber habe dazugelernt und sehe die Dinge heute natürlich anders, kann aber aus meiner eigenen Biographie voll und ganz nachvollziehen, warum so viele Menschen die Dinge anders sehen. Und ich bin mir auch ziemlich sicher, dass die grosse Mehrheit der Repräsentanten des freiheitlich-demokratischen Rechtsstaats prinzipiell genauso gut in einem DDR-Staat funktionieren würden, gerade auch mit Hinsicht auf den Grossteil der politischen Eliten.

Ich selber halte auch heute noch nicht viel vom "Linken-Bashing", viel hilfreicher wäre es, darzulegen, warum der Sozialismus in der DDR nicht einfach nur falsch oder schlecht umgesetzt war, sondern dass die aufgetretenen Systemfehler dem Sozialismus inhärent und unvermeidlich sind. Damit hätte man mich jedenfalls seinerzeit kriegen können, weder Schule noch Medien (oder sonst wer) haben jedoch jemals auf dieser Ebene argumentiert. Es gab lediglich den Zirkelschluss, dass die DDR doof ist, weil sie doof ist und man das nicht in Frage stellen darf.

adder Offline




Beiträge: 1.073

17.03.2014 07:34
#7 RE: Zitat des Tages: Der verklärte Blick auf die DDR Antworten

Zitat von Frankenstein im Beitrag #6
Im Vergleich zu anderen sozialistischen Staaten ging es in der DDR in der Tat relativ "human" zu.


Lieber Frankenstein, für wen "human"? Für die Regimegegner sicher nicht. Dass die "neutralen" oder "gewogenen" Menschen nicht abscheulich behandelt wurden, war sogar in der NS-Diktatur weitgehend so. Dem Normalbürger fehlte es kaum an was, es wurde sogar extra kein totales Rüstungsprogramm gefahren, sondern Fabriken und Rohstoffe für Luxusgegenstände bereitgehalten - bis etwa 1943. Gleiches gilt für die DDR - der Bevölkerung ging es im Vergleich zu den anderen Ostblockstaaten gut - aber auch weil in der DDR auch typisch deutsche Tugenden wirkten und die Mißwirtschaft zumindest ein wenig abmilderten.

Für Regimegegner sah das ganze schon anders aus. Strahlenversuche im Stasi-Knast, Schießbefehl... - aber auch im Kleinen: ich entsinne mich immer noch an die Lebensgeschichte einer Kommilitonin, deren Vater blöderweise in der Kirche aktiv war. Besagtes junges Mädchen wollte gerne Lehrerin werden, durfte aber nicht, da wie gesagt, Vater in der Kirche aktiv. Dann ist die Stasi an sie herangetreten und hat sie rekrutiert - mit dem Versprechen, sie dürfe dann Lehrerin werden, dass ihr Vater in der Kirche aktiv sei, sei dann nicht mehr wichtig - außerdem könne man ihr das Leben noch sehr schwer machen, wenn sie nicht.... Nach der Wende kam dann raus, dass ihr Vater ein hochrangiger Stasi IM war - und die Rekrutierung seiner Tochter befürwortet hatte. Solche Methoden sind nicht nur unschön, sondern tatsächlich Methoden eines Unrechtsstaates.

Natürlich haben Sie aber in einem Recht: wenn man dem Staat wohlwollend gegenüberstand, war das Leben in der DDR nicht schlecht. Toll.

Frankenstein Offline




Beiträge: 891

17.03.2014 07:54
#8 RE: Zitat des Tages: Der verklärte Blick auf die DDR Antworten

Zitat von adder im Beitrag #7
Zitat von Frankenstein im Beitrag #6
Im Vergleich zu anderen sozialistischen Staaten ging es in der DDR in der Tat relativ "human" zu.


Lieber Frankenstein, für wen "human"? Für die Regimegegner sicher nicht. [...]

Werter adder, bitte seien Sie mir nicht böse, aber ich habe Zweifel dass Sie meine Aussage verstanden haben.

Ma abgesehen davon, dass ich "human" ja nun bewusst in Anführungszeichen gesetzt habe, würde mich daher interessieren, wie viele sozialistische Staaten Ihnen bekannt sind, die in Relation zur DDR "humaner" gewesen wären. Mit fällt jedenfalls spontan kein sozialistischer Staat ein, den ich gegenüber der DDR bevorzugt hätte, hätte ich mich dafür entscheiden müssen, in einem zu leben.

Ulrich Elkmann Online




Beiträge: 14.423

17.03.2014 08:31
#9 RE: Zitat des Tages: Der verklärte Blick auf die DDR Antworten

Die "Zeit"-Serie vom Sommer 1986 läßt sich ab der No. 26/86 nachlesen:

Zitat aus der Anmoderation: http://www.zeit.de/1986/25/reise-ins-andere-deutschland
___________________
"Sie redeten mit einem guten Dutzend Schriftstellern, ebenso vielen Schauspielern, einer Frauenforscherin, zwei Bischöfen, einer Reihe von ZK-Mitgliedern, dem Minister für Umweltschutz Reichelt, dem Staatssekretär für Kirchenfragen beim ZK der SED Gysi und dem Wissenschaftler Manfred von Ardenne. Die Stadtarchitekten von Berlin und Gera erklärten ihnen ihre Projekte; in Stralsund, Rostock, Dresden und der DDR-Hauptstadt besichtigten die Reisenden Wiederaufbau- und Sanierungsviertel.
...
Sie erlebten eine DDR, deren Führung Gelassenheit gelernt und Selbstbewußtsein entwickelt hat: „Wir haben uns alle Dummheiten restlos abgestoßen.“ Ihre Minderwertigkeitskomplexe sind aus vielerlei Gründen verflogen. Jetzt heißt es: „Gewiß, es ist kein Himmelreich, aber vieles ist geschafft.“ Krude Agitation – 1964 an der Tagesordnung – gab es so gut wie gar nicht mehr: „Sie haben keine Ahnung, was ein Kommunist, der das 50 Jahre ist, im Laufe der Zeit alles glauben muß; da soll sich die Kirche mal nicht so dicke tun.“ Das kommunistische Paradies? „Wir haben es nie versprochen. Wir haben doch keinen Schimmer, wie der Kommunismus aussehen wird.“ Alles ist im Fluß. Und nicht mehr die marxistischen Sozialingenieure haben das Sagen, sondern die diplomierten Ingenieure: Die DDR ist eine einzige Großbaustelle, die Verwendung der „großen Platte“ im Wohnungsbau wichtiger als der Klassenkampf."
___________________

FrancisoDAnconia Offline



Beiträge: 74

17.03.2014 08:40
#10 RE: Zitat des Tages: Der verklärte Blick auf die DDR Antworten

Nur ein Schlagsatz: "Es war nicht alles schlecht", lief vor kurzem in unserem Medium, daß wir mit der Demokratieabgabe finanzieren dürfen. Und dieses Jahr wird es sogar um glatte 48 ¢ billiger...

AldiOn Offline




Beiträge: 983

17.03.2014 09:26
#11 RE: Zitat des Tages: Der verklärte Blick auf die DDR Antworten

Zitat von Frankenstein im Beitrag #6
viel hilfreicher wäre es, darzulegen, warum der Sozialismus in der DDR nicht einfach nur falsch oder schlecht umgesetzt war, sondern dass die aufgetretenen Systemfehler dem Sozialismus inhärent und unvermeidlich sind. Damit hätte man mich jedenfalls seinerzeit kriegen können, weder Schule noch Medien (oder sonst wer) haben jedoch jemals auf dieser Ebene argumentiert. Es gab lediglich den Zirkelschluss, dass die DDR doof ist, weil sie doof ist und man das nicht in Frage stellen darf.
Es gibt kein richtiges Leben im Falschen wird man Ihnen aktuell auch in Venezuela entgegenhalten. Ist nicht ein Gesellschaftssystem dadurch disqualifiziert, das bis August 1961 bereits drei Millionen Bürger verloren hat? Das es für sinnvoll hielt 17 Millionen Menschen einzusperren.

Zu Ihrem Vorschlag einfach mal an den Stellschrauben zu drehen. Schon in der DDR wurden mehrfach sowohl die Mechanismen als auch die Ziele der Wirtschaftspolitik geändert. Alle Länder des RGW hatten teileweise sehr unterschiedliche Ausformungen sozialistischer Wirtschaftspolitik.

In den 70er Jahren des 20. Jahrhunderts wurden 2/3 der Menschheit von Sozialisten regiert - mit dem Ergebnis von gewaltigen Hungersnöten und anderen Friktionen unter der diese Welt heute noch leidet. Bis auf einige auch aus anderen Gründen schief angesehene Sonderlinge (Zimbabwe) haben sich so gut wie alle vom Sozialismus getrennt.
Und da wollen/wollten Sie noch den Nachweis wonach die

Zitat
aufgetretenen Systemfehler dem Sozialismus inhärent und unvermeidlich sind


Nun, dieser Nachweis lag doch schon in dem - im übrigen auch von Marx prognostizierten und gutgeheißenem - schon vorher vorhergesagtem und dann auch unmittelbar sichtbarem Verfall des Anlagevermögens, der im Ergebnis natürlich zu einer immer einfacheren (=ärmeren) Lebensweise führen muß.

Es war eben nicht so, daß die DDR einfach nur als doof empfunden wurde. Wer es wollte konnte auch klarsichtige Texte (SPIEGEL 19/1977 Kommunismus heute, SPIEGEL 4/1977 Was ist im Ostblock los?) lesen, die das Versagersystem in seinem Kern betrachteten.

adder Offline




Beiträge: 1.073

17.03.2014 09:50
#12 RE: Zitat des Tages: Der verklärte Blick auf die DDR Antworten

Zitat von Frankenstein im Beitrag #8
Zitat von adder im Beitrag #7
Zitat von Frankenstein im Beitrag #6
Im Vergleich zu anderen sozialistischen Staaten ging es in der DDR in der Tat relativ "human" zu.


Lieber Frankenstein, für wen "human"? Für die Regimegegner sicher nicht. [...]

Werter adder, bitte seien Sie mir nicht böse, aber ich habe Zweifel dass Sie meine Aussage verstanden haben.

Ma abgesehen davon, dass ich "human" ja nun bewusst in Anführungszeichen gesetzt habe, würde mich daher interessieren, wie viele sozialistische Staaten Ihnen bekannt sind, die in Relation zur DDR "humaner" gewesen wären. Mit fällt jedenfalls spontan kein sozialistischer Staat ein, den ich gegenüber der DDR bevorzugt hätte, hätte ich mich dafür entscheiden müssen, in einem zu leben.


CSSR 01.1968-07.1968.

Wenn man die Definition etwas weiter fasst: Frankreich (ist recht häufig sozialistisch regiert gewesen), die BR Deutschland und vor allem Schweden (mittlerweile nicht mehr so sehr, da doch zu liberal bei den Einwanderungsbestimmungen), Norwegen und Finnland. Diese (insbesondere letztere) sind zwar nicht planwirtschaftlich orientiert gewesen, aber häufig und lange genug von Sozialisten oder Sozialdemokraten regiert worden, um mittels deren Wohlfahrtsstaaten eine viel bessere Umsetzung der Sozialen Frage zu gestatten, als es den diktatorisch sozialistischen Ländern je möglich war.

Paul Offline




Beiträge: 1.285

17.03.2014 11:14
#13 RE: I beg to differ! Antworten

Zitat von Am_Rande im Beitrag #4


Und sie 'hatte' vor allem eines, was Westdeutschland nicht hatte: eine saubere Weste, was die Nazi-Vergangenheit anbelangte.


Habe mich soeben entschlossen anzunehmen, dass Sie das nicht satirisch-ironisch meinen.

Es ist wohl richtig, dass es in der Bundesrepublik mehr ehemalige Nazis gab, die auch unter den neuen Bedingungen politisch tätig waren als in der DDR. Unter 80 Millionen Bürgern gibt es einfach mehr Nazis als unter 17 Millionen.

Bitte überprüfen Sie selbst, was Sie geschrieben haben bei Google. Habe "Nazis in der DDR" eingegeben und gestaunt.
Hier nur mal ein Beispiel: http://de.wikipedia.org/wiki/Liste_ehema...tische_Republik

In diesem Zusammenhang ist auch das interessant: http://www.antifa-nazis-ddr.de/n/10019451.012.php

Wenn Sie bei Google "Nazis in der Volksarmee" eingeben, "tränen Ihnen die Augen":
http://www.focus.de/politik/deutschland/...aid_162956.html

Es lohnt sich auch, die anderen in Google verlinkten Beiträge zu lesen.

LG, Paul

edit PS hinzugefügt:
PS: Propagandalügen haben eine faszinierende Eigenschaft:
Sie setzten sich nachhaltiger im Bewußtsein der Menschen fest als die Wahrheit. Sie bleiben auch länger im kollektiven Bewußtsein und lassen sich nur sehr schwer (manchmal nie) entfernen. Die Wahrheit hat es eben schwer sich durchzusetzen, wie die guten Äpfel gegen einen faulen.

___________________________
In dubio, pro reo.

Fluminist Offline




Beiträge: 2.015

17.03.2014 11:46
#14 RE: I beg to differ! Antworten

Zitat von Paul im Beitrag #13
Zitat von Am_Rande im Beitrag #4


Und sie 'hatte' vor allem eines, was Westdeutschland nicht hatte: eine saubere Weste, was die Nazi-Vergangenheit anbelangte.


Habe mich soeben entschlossen anzunehmen, dass Sie das nicht satirisch-ironisch meinen.

Wie kann man das denn nicht satirisch-ironisch meinen? Daß das bloße Streichen des Vorsatzes "National-" vom Nationalsozialismus auch einen Strich durch die Vergangenheit macht, war zwar eine angenehme Staatsdoktrin für die DDR, aber ernstnehmen kann man das doch nicht.
Außerdem hat die DDR viele Einzelheiten, vielleicht nicht ideologisch, aber für das alltägliche Leben, vom NS-Staat fortgesetzt (insbesondere natürlich da, wo dieser Affinitäten zum stalinistischen Staat aufwies). Das fing bei den Uniform-Breeches an, ging mit der Identifikation von Gesellschaft, Staat und Partei weiter und hörte mit den Einrichtungen einer ideologisch stramm ausgerichteten Jugendorganisation und einer geheimen Staatspolizei noch lange nicht auf.
Es kommt ja nicht von ungefähr, daß dem ausländischen (und, nebenbei bemerkt, auch dem westdeutschen) Besucher die DDR so viel deutscher vorkam als die westdeutsche Bundesrepublik.

Thomas Pauli Offline




Beiträge: 1.486

17.03.2014 13:07
#15 RE: Zitat des Tages: Der verklärte Blick auf die DDR Antworten

Lieber Ulrich Elkmann,

ja, so habe ich das auch noch in Erinnerung! Wer allerdings beruflich zu dieser Zeit die Textilindustrie in Zittau besichtigen konnte, wer gelegentlich an den Buna- und Leunawerken vorbeifahren mußte, der fühlte sich doch an die Blindheit der Intellektuellen erinnert, denen selbst der Anblick von tausenden Verhungernden an den Bahnhöfen der Ukraine den Glauben an den Sieg des Kommunismus nicht austreiben konnte. Und das zu Zeiten, als der Umweltschutz schon einen prominenten Platz auf der Agenda der 'chattering classes' im Westen einnahm! Die damalige Ausrede war, daß der Sozialismus im Prinzip besser für den Umweltschutz geeignet sei und nur, weil man ja den Westen einholen müsse...
In Zittau haben meine Kollegen einen tonnenschweren ESER-Rechner im Hof verrotten sehen, weil wir ihn mit einem aufgemotzten 286er überflüssig gemacht hatten; die gegen Devisen importierten Westfarbstoffe wurden in einer Baracke, deren Dach leckte, 'aufbewahrt' (=der Verrottung preisgegeben), und nach einem Musterandruck, der 200m Stoff gekostet hatte, wurde nicht etwa weitergedruckt, sondern Pause gemacht - danach mußte die Maschine gereinigt und der Andruck wiederholt werden.
Das industrielle System war - nicht nur dort - durch und durch ineffektiv, verschwenderisch und schmutzig. Einer meiner Bekannten, ein ehemaliger Betriebsleiter, brach beim Anblick 'seines' Betriebes in Tränen aus, nicht einmal Farbe für den Toreingang habe man übrig gehabt.
Hätten die 'Reisenden' einen Blick in die real existierende Welt geworfen, naja, vielleicht wollten sie so etwas ja gar nicht sehen.

Herzlich, Thomas

Frankenstein Offline




Beiträge: 891

17.03.2014 15:49
#16 RE: Zitat des Tages: Der verklärte Blick auf die DDR Antworten

Zitat von adder im Beitrag #12
Zitat von Frankenstein im Beitrag #8
Zitat von adder im Beitrag #7
Zitat von Frankenstein im Beitrag #6
Im Vergleich zu anderen sozialistischen Staaten ging es in der DDR in der Tat relativ "human" zu.


Lieber Frankenstein, für wen "human"? Für die Regimegegner sicher nicht. [...]

Werter adder, bitte seien Sie mir nicht böse, aber ich habe Zweifel dass Sie meine Aussage verstanden haben.

Ma abgesehen davon, dass ich "human" ja nun bewusst in Anführungszeichen gesetzt habe, würde mich daher interessieren, wie viele sozialistische Staaten Ihnen bekannt sind, die in Relation zur DDR "humaner" gewesen wären. Mit fällt jedenfalls spontan kein sozialistischer Staat ein, den ich gegenüber der DDR bevorzugt hätte, hätte ich mich dafür entscheiden müssen, in einem zu leben.


CSSR 01.1968-07.1968.

Wenn man die Definition etwas weiter fasst: Frankreich (ist recht häufig sozialistisch regiert gewesen), die BR Deutschland und vor allem Schweden (mittlerweile nicht mehr so sehr, da doch zu liberal bei den Einwanderungsbestimmungen), Norwegen und Finnland. Diese (insbesondere letztere) sind zwar nicht planwirtschaftlich orientiert gewesen, aber häufig und lange genug von Sozialisten oder Sozialdemokraten regiert worden, um mittels deren Wohlfahrtsstaaten eine viel bessere Umsetzung der Sozialen Frage zu gestatten, als es den diktatorisch sozialistischen Ländern je möglich war.

Die skandinavischen Länder als Beispiele für sozialistische Staaten aufzuführen - das können Sie nicht ernst meinen, oder?

Und einen Staat auf dem Weg aus dem Sozialismus (nichts anderes wäre die Konsequenz aus der Fortsetzung des ungarischen Reformkurses gewesen, weshalb die UdSSR nach kommunistischer Logik folgerichtig einmarschierte) als anderes Beispiel aufzuführen untermauert dann eher meine These von der relativen "Humanität" der DDR.

Frankenstein Offline




Beiträge: 891

17.03.2014 16:04
#17 RE: Zitat des Tages: Der verklärte Blick auf die DDR Antworten

Zitat von AldiOn im Beitrag #11
Zitat von Frankenstein im Beitrag #6
viel hilfreicher wäre es, darzulegen, warum der Sozialismus in der DDR nicht einfach nur falsch oder schlecht umgesetzt war, sondern dass die aufgetretenen Systemfehler dem Sozialismus inhärent und unvermeidlich sind. Damit hätte man mich jedenfalls seinerzeit kriegen können, weder Schule noch Medien (oder sonst wer) haben jedoch jemals auf dieser Ebene argumentiert. Es gab lediglich den Zirkelschluss, dass die DDR doof ist, weil sie doof ist und man das nicht in Frage stellen darf.
Es gibt kein richtiges Leben im Falschen wird man Ihnen aktuell auch in Venezuela entgegenhalten. Ist nicht ein Gesellschaftssystem dadurch disqualifiziert, das bis August 1961 bereits drei Millionen Bürger verloren hat? Das es für sinnvoll hielt 17 Millionen Menschen einzusperren.

Zu Ihrem Vorschlag einfach mal an den Stellschrauben zu drehen. Schon in der DDR wurden mehrfach sowohl die Mechanismen als auch die Ziele der Wirtschaftspolitik geändert. Alle Länder des RGW hatten teileweise sehr unterschiedliche Ausformungen sozialistischer Wirtschaftspolitik.

In den 70er Jahren des 20. Jahrhunderts wurden 2/3 der Menschheit von Sozialisten regiert - mit dem Ergebnis von gewaltigen Hungersnöten und anderen Friktionen unter der diese Welt heute noch leidet. Bis auf einige auch aus anderen Gründen schief angesehene Sonderlinge (Zimbabwe) haben sich so gut wie alle vom Sozialismus getrennt.
Und da wollen/wollten Sie noch den Nachweis wonach die

Zitat
aufgetretenen Systemfehler dem Sozialismus inhärent und unvermeidlich sind

Nun, dieser Nachweis lag doch schon in dem - im übrigen auch von Marx prognostizierten und gutgeheißenem - schon vorher vorhergesagtem und dann auch unmittelbar sichtbarem Verfall des Anlagevermögens, der im Ergebnis natürlich zu einer immer einfacheren (=ärmeren) Lebensweise führen muß.

Es war eben nicht so, daß die DDR einfach nur als doof empfunden wurde. Wer es wollte konnte auch klarsichtige Texte (SPIEGEL 19/1977 Kommunismus heute, SPIEGEL 4/1977 Was ist im Ostblock los?) lesen, die das Versagersystem in seinem Kern betrachteten.


Um zu verstehen, warum Sozialismus nicht funktionieren kann (und nicht einfach nur immer wieder falsch oder schlecht umgesetzt wurde), ist ökonomisches Grundlagenwissen essentiell. Dieses wurde (und wird) in der BRD in der Schule nicht vermittelt und in der Öffentlichkeit fast nicht thematisiert. Das ist ja auch einer der Hauptgründe dafür, dass so viele Intellektuelle (und in Frankreich fast die komplette politische Elite) der Faszination der Planbarkeit erliegen. Dass hierzulande die Linke den gesellschaftlichen Diskurs dominiert, hat genau die gleichen Ursachen. Ansonsten wären Eurorettung, Energiewende, Mindestlohn, Quoten, Antidiskriminierungsgesetze und ähnlicher Irrsinn nicht so einfach und praktisch widerstandslos umsetzbar gewesen.

Worauf Sie mit den "Stellschrauben" anspielen wollen, ist mir ein Rätsel. Ich habe doch explizit erläutert, dass es nicht möglich ist, ein funktionierendes sozialistisches Staatswesen zu etablieren, egal wie aufrichtig und gut die Absichten der verantwortlichen Protagonisten auch sein mögen. Wenn man die Systemfehler eines sozialistischen Gemeinwesens erfolgreich beseitigt, so hat man anschliessend kein sozialistisches Gemeinwesen mehr.

AldiOn Offline




Beiträge: 983

17.03.2014 16:20
#18 RE: Zitat des Tages: Der verklärte Blick auf die DDR Antworten

Zitat von Frankenstein im Beitrag #17
Worauf Sie mit den "Stellschrauben" anspielen wollen, ist mir ein Rätsel. Ich habe doch explizit erläutert, dass es nicht möglich ist, ein funktionierendes sozialistisches Staatswesen zu etablieren, egal wie aufrichtig und gut die Absichten der verantwortlichen Protagonisten auch sein mögen. Wenn man die Systemfehler eines sozialistischen Gemeinwesens erfolgreich beseitigt, so hat man anschliessend kein sozialistisches Gemeinwesen mehr.
Dann habe ich

Zitat
Ich selber halte auch heute noch nicht viel vom "Linken-Bashing", viel hilfreicher wäre es, darzulegen, warum der Sozialismus in der DDR nicht einfach nur falsch oder schlecht umgesetzt war, sondern dass die aufgetretenen Systemfehler dem Sozialismus inhärent und unvermeidlich sind. Damit hätte man mich jedenfalls seinerzeit kriegen können, weder Schule noch Medien (oder sonst wer) haben jedoch jemals auf dieser Ebene argumentiert. Es gab lediglich den Zirkelschluss, dass die DDR doof ist, weil sie doof ist und man das nicht in Frage stellen darf.

völlig mißverstanden. Wobei dann immer noch mein Einwand gilt dass wer lesen wollte es auch tun konnte. Es gab zu jeder Zeit eine hinreichende Menge sowohl sozialismuskritische Literatur als auch Berichte über die wahre DDR. Das der gesellschaftliche Mainstream schon damals in eine andere Richtung ging, ist klar. Dem mußte man aber nicht folgen umso mehr als einfach mal rüberfahren (eigentlich) vollkommen ausreichte.

Frankenstein Offline




Beiträge: 891

17.03.2014 16:36
#19 RE: Zitat des Tages: Der verklärte Blick auf die DDR Antworten

Zitat von AldiOn im Beitrag #18
Zitat von Frankenstein im Beitrag #17
Worauf Sie mit den "Stellschrauben" anspielen wollen, ist mir ein Rätsel. Ich habe doch explizit erläutert, dass es nicht möglich ist, ein funktionierendes sozialistisches Staatswesen zu etablieren, egal wie aufrichtig und gut die Absichten der verantwortlichen Protagonisten auch sein mögen. Wenn man die Systemfehler eines sozialistischen Gemeinwesens erfolgreich beseitigt, so hat man anschliessend kein sozialistisches Gemeinwesen mehr.
Dann habe ich

Zitat
Ich selber halte auch heute noch nicht viel vom "Linken-Bashing", viel hilfreicher wäre es, darzulegen, warum der Sozialismus in der DDR nicht einfach nur falsch oder schlecht umgesetzt war, sondern dass die aufgetretenen Systemfehler dem Sozialismus inhärent und unvermeidlich sind. Damit hätte man mich jedenfalls seinerzeit kriegen können, weder Schule noch Medien (oder sonst wer) haben jedoch jemals auf dieser Ebene argumentiert. Es gab lediglich den Zirkelschluss, dass die DDR doof ist, weil sie doof ist und man das nicht in Frage stellen darf.
völlig mißverstanden. Wobei dann immer noch mein Einwand gilt dass wer lesen wollte es auch tun konnte. Es gab zu jeder Zeit eine hinreichende Menge sowohl sozialismuskritische Literatur als auch Berichte über die wahre DDR. Das der gesellschaftliche Mainstream schon damals in eine andere Richtung ging, ist klar. Dem mußte man aber nicht folgen umso mehr als einfach mal rüberfahren (eigentlich) vollkommen ausreichte.


Also ich hatte keine Illusionen bezüglich der DDR, nahm aber an, dass ich dort als überzeugter Sozialist gut leben könnte. Mises, Hayek, Friedman usw. habe ich jedenfalls erst indirekt übers Internet kennen gelernt.

Wobei ich bei Reagan und Thatcher gestehen muss, voll dem offiziellen Narrativ des linken BRD-Mainstreams auf den Leim gegangen zu sein.

R.A. Offline



Beiträge: 8.171

17.03.2014 16:53
#20 RE: Zitat des Tages: Der verklärte Blick auf die DDR Antworten

Zitat von Frank Böhmert im Beitrag #5
Ich kann mich nicht erinnern, dass sich im Westen irgendwelche großen Teile der Bevölkerung jemals ernsthaft dafür interessiert hätten, was in der DDR alles passierte.

Völlig richtig.
Die Mehrheit der Bundesbürger ohne Verwandte "drüben" nahmen die DDR nur alle vier Jahre wahr: Mit leichtem Ärger beim Medaillenspiegel der olympischen Spiele.
Ansonsten herrschte völliges Desinteresse gegenüber der DDR und allem, was dort passierte.

Was sehr komisch mit der Wahrnehmung insbesondere der DDR-Führung kontrastierte, die sich im ständigen "Systemwettbewerb" mit dem Westen sah. Ein Wettbewerb, von dem der andere angebliche Teilnehmer eigentlich gar nichts wußte.

Es gibt bei Linken ja sogar die These, der westdeutsche Kapitalismus hätte diverse Wohltaten nur deswegen eingeführt, um die westdeutschen Arbeiter angesichts dieses "Systemwettbewerbs" mit den Sozialleistungen der DDR bei der Stange zu halten. Und der angebliche "Sozialabbau" wäre ein Phänomen nach 1990, als die pösen Kapitalisten nicht auf den Wettbewerber DDR Rücksicht nehmen mußten.
Das ist wirklich hochgradig realitätsfern.

R.A. Offline



Beiträge: 8.171

17.03.2014 17:13
#21 RE: Zitat des Tages: Der verklärte Blick auf die DDR Antworten

Zitat
Die Unzulänglichkeit des Arguments, in der DDR sei ja nicht alles schlecht gewesen ...


Dieses "es war ja nicht alles schlecht" ist ja schon eine typische Strohmann-Argumentation.
Denn eigentlich gibt es wohl niemand der ernsthaft behauptet, es wäre in der DDR wirklich alles schlecht gewesen. Sondern es gab natürlich nette Menschen, lustige Feiern, schöne Urlaube und so weiter.

Präzise müßte es heißen: Es war fast alles schlecht, was die SED zu verantworten hatte. Und was gut war zu DDR-Zeiten, das haben die dort lebenden Menschen nicht wegen, sondern trotz der Diktatur hinbekommen.

Ulrich Elkmann Online




Beiträge: 14.423

17.03.2014 17:52
#22 RE: Zitat des Tages: Der verklärte Blick auf die DDR Antworten

Zitat von R.A. im Beitrag #20
Es gibt bei Linken ja sogar die These, der westdeutsche Kapitalismus hätte diverse Wohltaten nur deswegen eingeführt, um die westdeutschen Arbeiter angesichts dieses "Systemwettbewerbs" mit den Sozialleistungen der DDR bei der Stange zu halten. Und der angebliche "Sozialabbau" wäre ein Phänomen nach 1990, als die pösen Kapitalisten nicht auf den Wettbewerber DDR Rücksicht nehmen mußten.
Das ist wirklich hochgradig realitätsfern.



Die These mit dem sozialen Kahlschlag ist um Einiges älter. Das kam als Lückenfüller auf, nachdem sich die "Notstandsgesetze" der GroKo I von '66-'67 denn doch nicht als der Anfang des "Es-ist-wieder-soweit" erwiesen hatten. Die radikale westdeutsche Linke fuhr nach Regierungsantritt Brandt doppelgleisig: auf der elitären Schiene (eigene Genossen, Studenten und die Genossen bei den Medien) drohte Kriminalisierung, Berufsverbote & dgl., was die Kopfgesteuerten ganz gezielt beuteln würde - nischengerechtes Marketing mithin; fürs Proletariat wurde dann die alte Marx'sche Verelendungstheorie in den Modefarben der 70er umgestrichen: eben als "Sozialabbau", so wie aus Lehrlingen Azubis wurden & aus Malochern Arbeitnehmer; "Arbeit" war eh alles, von "Beziehungsarbeit" bis "Trauerarbeit". Staecks Villen im Tessin arbeitet (sic!) damit. Die "sozialen Wohltaten" als Ruhigstellung des Proletariats wurden hauptsächlich von Marcuse propagiert, der deswegen ja dieses als hoffnungslos abschrieb, wegen korrumpiert durch Glotze & Reihenhaus; dazu kam das berüchtigte "zugerechnete Bewußtsein", das die Arbeiterschaft haben müßte (also: "die Revolution machen"), wenn sie eben nicht vom verführt worden wär' - das richtige Bewußtsein war dann bei denen, die entweder diesen Zivilisationskrankheiten entgangen waren - das Marx'sche "Lumpenproletariat" (70ties: "Ausgegrenzte"/"Unterprivilegierte"), oder denen dank Kluger Lektüre (zB von Marcuse) 1 Licht aufgegangen war - also die Studenten. Die Gewalt gegen diese Urgewalt von Seiten des Staates äußerte sich natürlich nicht mehr mit dem Knüppel, sondern als "strukturelle Gewalt" (u.a. in Schulnoten & Konsumterror). Der Kniff eignete sich ganz hervorragend dazu, sich als gemaßregelter Minderjähriger als "Opfer des Faschismus" zu imaginieren.

Für die westdeutsche Linke war die DDR, als Lebenswirklichkeit, zwischen 1970 bis zu Gorbi, aber soo was von Keks... Für die Sozialdemokraten, weil sie ein dauernder Störfaktor war, der von der Beschäftigung mit Wichtigerem ablenkte. Für die richtig-linken Sektierer, weil sie völlig unattraktiv war: Die waren ja entweder nach Kuba (später Nicaragua) ausgerichtet oder nach Maos China (zudem lasen die dort auch nicht Gramsci oder Trotzki oder den ganz späten Sartre oder den Großen Steuermann, waren also sowieso hinterm Mond). Für die Salonlinken der Toskana-Fraktion kam hinzu, daß die Generation Lafo das Prinzip von Wasserpredigen + Weintrinken als Kaderprivileg per direkter Abkürzung entdeckt hatte, ohne erst den Umweg über Wandlitz nehmen zu müssen.

Noricus Offline



Beiträge: 2.362

17.03.2014 18:16
#23 RE: I beg to differ! Antworten

Zitat von Am_Rande im Beitrag #4

Es ist nur so, dass das Narrativ der Partei "Die Linke" auch das Narrativ des bundesdeutschen Juste milieu war und ist.


Da muss man meines Erachtens differenzieren, lieber Am Rande. Bis 1989 war es zweifellos so, dass in der westdeutschen Linken dieses Narrativ vorherrschte. 1989 erfolgte für viele Westlinke eine Desillusionierung: Es wurde vieles über die Zustände in der DDR offenbar, was man vorher nicht sehen wollte. Manche dieser desillusionierten Westlinken sind in das nichtlinke Lager gewechselt.

Seit 1989 ist es m.E. die Partei "Die Linke", die dieses Narrativ wiederzubeleben versucht. In den letzten Jahren mit zunehmendem Erfolg. Das mag freilich auch damit zusammenhängen, dass man hier an eine alte westlinke Tradition anknüpfen kann.

Zitat
Was mir an dem Buch mit am stärksten aufgefallen ist, ist, dass der Autor die DDR nicht so sehr als einen vom Sozialismus geprägten Staat erfahren hat, sondern als einen vom Deutschtum geprägten. Dass heißt, die DDR war seiner Meinung nach, noch sehr viel deutscher als es die damalige BRD gewesen ist.



Das passt ja auch durchaus: Das Modell der geplanten Gesellschaft stand ja schon hinter den Bemühungen des aufgeklärten Absolutismus, es war nach Hayeks überzeugender Darstellung in The Road to Serfdom auch schon im Kaiserreich und bei den deutschen Intellektuellen der 20er- und 30er-Jahre präsent. Dass sowohl die Nazis als auch die DDR die geplante Gesellschaft anstrebten, muss nicht lang erörtert werden. Insofern ist es überhaupt nicht verwunderlich, dass sich ein obrigkeitsstaatlicher Habitus von den aufgeklärt-absolutistischen Monarchien über das Kaiserreich und das Dritte Reich in die DDR hinübergerettet hat. Der Westen wurde nach dem 2. Weltkrieg gottlob zumindest ein bisschen amerikanisiert, was ich für einen großen Glücksfall der Geschichte halte.

adder Offline




Beiträge: 1.073

17.03.2014 18:18
#24 RE: Zitat des Tages: Der verklärte Blick auf die DDR Antworten

Zitat von Frankenstein im Beitrag #16
Zitat von adder im Beitrag #12
Zitat von Frankenstein im Beitrag #8
Zitat von adder im Beitrag #7
Zitat von Frankenstein im Beitrag #6
Im Vergleich zu anderen sozialistischen Staaten ging es in der DDR in der Tat relativ "human" zu.


Lieber Frankenstein, für wen "human"? Für die Regimegegner sicher nicht. [...]

Werter adder, bitte seien Sie mir nicht böse, aber ich habe Zweifel dass Sie meine Aussage verstanden haben.

Ma abgesehen davon, dass ich "human" ja nun bewusst in Anführungszeichen gesetzt habe, würde mich daher interessieren, wie viele sozialistische Staaten Ihnen bekannt sind, die in Relation zur DDR "humaner" gewesen wären. Mit fällt jedenfalls spontan kein sozialistischer Staat ein, den ich gegenüber der DDR bevorzugt hätte, hätte ich mich dafür entscheiden müssen, in einem zu leben.


CSSR 01.1968-07.1968.

Wenn man die Definition etwas weiter fasst: Frankreich (ist recht häufig sozialistisch regiert gewesen), die BR Deutschland und vor allem Schweden (mittlerweile nicht mehr so sehr, da doch zu liberal bei den Einwanderungsbestimmungen), Norwegen und Finnland. Diese (insbesondere letztere) sind zwar nicht planwirtschaftlich orientiert gewesen, aber häufig und lange genug von Sozialisten oder Sozialdemokraten regiert worden, um mittels deren Wohlfahrtsstaaten eine viel bessere Umsetzung der Sozialen Frage zu gestatten, als es den diktatorisch sozialistischen Ländern je möglich war.

Die skandinavischen Länder als Beispiele für sozialistische Staaten aufzuführen - das können Sie nicht ernst meinen, oder?


Alle genannten (FR, DE, SE, NO, FI) haben starke sozialistische oder sozialdemokratische Regierungen gehabt. Alle genannten haben einen Sozialstaat, der diesen Begriff tatsächlich auch verdient. Ob man diese Staaten abseits der Sozialpolitik als sozialistisch bezeichnen kann, ist nicht relevant (das kann man nicht). In jedem von ihnen war das Leben besser, selbst auf der untersten Stufe der Gesellschaft, als es in sozialistischen Ländern je gewesen wäre.

Zitat
Und einen Staat auf dem Weg aus dem Sozialismus (nichts anderes wäre die Konsequenz aus der Fortsetzung des ungarischen Reformkurses gewesen, weshalb die UdSSR nach kommunistischer Logik folgerichtig einmarschierte) als anderes Beispiel aufzuführen untermauert dann eher meine These von der relativen "Humanität" der DDR.



Nicht wirklich. Die "kommode" Diktatur der SED war genauso unmenschlich und böse wie die der NSDAP oder der Bolschewiki. Sie hatte nur nicht die gleichen Möglichkeiten, Schaden anzurichten.

Noricus Offline



Beiträge: 2.362

17.03.2014 18:25
#25 RE: Zitat des Tages: Der verklärte Blick auf die DDR Antworten

Zitat von Frankenstein im Beitrag #6

Wenn man als jugendlicher Linker Zeuge einer derart tendenziösen Berichterstattung (und am eigenen Leibe erfahrener willkürlicher Polizeigewalt) seitens der Organe des freiheitlich-demokratischen Rechtsstaats wird, so kann man verstehen, dass die wahrgenommene Distanz zwischen beiden Systemen kleiner ist als Sie in Ihrem Beitrag empört (?) einfordern.


Meinem Empfinden nach nicht empört, sondern bestimmt, lieber Frankenstein.

Zitat
Und ich bin mir auch ziemlich sicher, dass die grosse Mehrheit der Repräsentanten des freiheitlich-demokratischen Rechtsstaats prinzipiell genauso gut in einem DDR-Staat funktionieren würden, gerade auch mit Hinsicht auf den Grossteil der politischen Eliten.



Das ist zweifellos richtig, und darum misstraut der Rechtsstaat ja der Macht. Er teilt die Gewalten, schafft checks and balances, weil es offensichtlich ist, dass Menschen gern Macht missbrauchen, in die eigene Tasche wirtschaften etc. Der Rechtsstaat hat, ganz wie der Kapitalismus, ein realistisches Menschenbild.

Zitat
Ich selber halte auch heute noch nicht viel vom "Linken-Bashing", viel hilfreicher wäre es, darzulegen, warum der Sozialismus in der DDR nicht einfach nur falsch oder schlecht umgesetzt war, sondern dass die aufgetretenen Systemfehler dem Sozialismus inhärent und unvermeidlich sind.



Da bin ich ganz Ihrer Meinung.

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