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ZETTELS KLEINES ZIMMER

Das Forum zu "Zettels Raum"



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Dieses Thema hat 90 Antworten
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 Kommentare/Diskussionen zu "Zettels Raum"
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Meister Petz Offline




Beiträge: 3.923

05.11.2014 12:34
#76 RE: Wie die gewünschte Konformität zur Vielfalt umgedeutet und Intoleranz als Toleranz verstanden wird. Antworten

Zitat von Dennis the Menace im Beitrag #73
Das "Problem" (rein technisch ausgedrückt) ist halt, dass man damit hier im Zimmer mehr oder weniger offene Türen einrennt, weil eh niemand ernsthaft die grundsätzliche Legitimität der Argumente von Frau Henkel (NZZ) in Frage stellt, so dass man gleich sozusagen zur Tagesordnung übergeht und sich mit den Äußerungen Henkel/Cook selbst beschäftigt, die man natürlich jeweils kritisch beurteilen kann.

Generalisierungen sind immer schwierig, vor allem dann, wenn sie alle betreffen.

Ich kann also nicht für das Zimmer, sondern nur für mich sprechen. Aus meiner Sicht ist es immer schwierig, bei Argumenten von "Legitimität" zu sprechen, denn dann ist man genau in dem Bereich der Tabus, die Sie - wenn ich Sie richtig verstanden habe - auch ablehnen. Argumente können strenggenommen nicht einmal richtig oder falsch sein (das unterscheidet sie von Tatsachenbehauptungen), sondern mehr oder weniger überzeugend, mehr oder weniger konsistent, mehr oder weniger passend.

Und Frau Henkels Argument fand ich gar nicht überzeugend, wenn ich mich richtig erinnere, habe ich sogar das Wort "Käse" gebraucht.

Zitat von Dennis the Menace im Beitrag #73
Ich bin nicht ganz einverstanden damit, dass die "Wertung sexueller Orientierung" nicht das Thema von Frau Henkel gewesen sei. Das war im- und explizit schon dabei, was selbstverständlich auch ligitim ist. Bei der Bewertung "nuturgegeben" stimme ich ihr ja ausdrücklich zu. Jedenfalls kommt man dann schnell vom Hundertsten ins Tausendste, zumal es u.a. um Sex geht, ein prickelndes Thema halt , das einen leicht ablenkt, also zu off-topic verleitet; aber warum auch nicht - ich finde das völlig okay.

Ich lese nicht heraus, dass sie selbst wertet. Die Hauptaussage ist doch eher, dass sie (berechtigt oder nicht) Cook unterstellt, dass er wertet.

Übrigens sind politische Diskussionen über Sex so ziemlich das unprickelndste Thema, das ich mir vorstellen kann

Zitat von Dennis the Menace im Beitrag #73
In einem Apple Fanforum (USA) -- ja,ja, da bin ich dabei, soviel peinliches Outing muss sein -- gab es zum Thema Cook+gay weit über 2.000 Einträge in kürzester Zeit - so ungefähr das zehn- bis zwanzigfache als üblicherweise zu Produkt-/Computer-/u.ä.-Themen, Sex sells. Durchaus kontrovers, hin und her, vielfach humoristisch,z.B. Q: "I wonder if the Samsung CEO will suddenly become gay, too" A: "Apple would immediately sue him and prove a patent infringement".

Made my day!

Gruß Petz

"The problem with quotes from the Internet is that it is difficult to determine whether or not they are genuine" - Abraham Lincoln

adder Offline




Beiträge: 1.073

05.11.2014 18:16
#77 RE: Wie die gewünschte Konformität zur Vielfalt umgedeutet und Intoleranz als Toleranz verstanden wird. Antworten

Zitat von Fluminist im Beitrag #75
Zitat von nachdenken_schmerzt_nicht im Beitrag #67
In Konsequenz zu Ende gedacht, bedeutet dies letzten Endes das Äusserungen wie die von Cook die Diskriminierung befeuern und verfestigen, denn sie verfestigen die "zu wertende Ungleichheit", das Kriterium, mit dem man sich auseinandersetzen muß.

Das ist ein wichtiger Punkt. Wenn ich den Gedanken von der "Stichwortliste" noch einmal fortspinnen darf: Homosexualität stand ja schon vorher auf der Stichwortliste, nur war die vorgeschriebene stereotype Reaktion eine sehr negative. Die "gay activists" sind nun erfolgreich darum bemüht, die negative stereotype Reaktion durch eine positive zu ersetzen, ohne das Prinzip in Frage zu stellen: solange sie gut dabei wegkommen, haben sie nichts gegen das Tabu und begrüßen es offenbar sogar.

Im Sinne eines freien und unbefangenen Umgangs in der Gesellschaft wäre es allerdings viel besser, den Eintrag ganz von der Stichwortliste zu streichen und überhaupt die ganze Liste in den Papierkorb zu werfen. Dafür setzt sich allerdings kaum jemand ein; ja weil die Liste selbst auf ihr steht, wird die Verweigerung des Kotaus vor diesem Geßlerhut selbst scharf sanktioniert, und die wenigen, die den Mut haben, sich als Freund der Freiheit zu outen, riskieren, nach dem ganzen Tabukatalog herauf und herunter ostraziert zu werden.


das ist alles richtig.

Zitat
Der Fall Cook ist übrigens selbst für willige Anwender der Stichwortliste problematisch. Die unter dem Stichwort "gay outing" vorgeschriebene Reaktion beinhaltet bewundernde Anerkennung der Person und verbietet streng jede Hinterfragung ihrer Motivation; wer es schafft, das Wort "mutig" unterzubringen, bekommt ein Sternchen.
Andererseits ist beim Stichwort "CEO = Großkapitalist" hämische Diskreditierung der Person vorgeschrieben und jegliche Empathie Anathema. Eine schwierige Abwägung also, welches Stereotyp hier Vorrang hat.



Gilt denn das Stichwort "Großkapitalist" (=böse) auch für Apple? Oder ist dieses Unternehmen wie auch die Solarbranche und andere "gute" Industrie davon wiederum ausgenommen, da ja auch viele GrünInnen und GrünInnen ein Apple-Gerät besitzen werden (da immer noch besser als das ganz böse "Microsoft")...

Werwohlf Offline




Beiträge: 997

05.11.2014 22:11
#78 RE: Wie die gewünschte Konformität zur Vielfalt umgedeutet und Intoleranz als Toleranz verstanden wird. Antworten

Zitat von Dennis the Menace im Beitrag #73
Das "Problem" (rein technisch ausgedrückt) ist halt, dass man damit hier im Zimmer mehr oder weniger offene Türen einrennt, weil eh niemand ernsthaft die grundsätzliche Legitimität der Argumente von Frau Henkel (NZZ) in Frage stellt, so dass man gleich sozusagen zur Tagesordnung übergeht und sich mit den Äußerungen Henkel/Cook selbst beschäftigt, die man natürlich jeweils kritisch beurteilen kann. Ich bin nicht ganz einverstanden damit, dass die "Wertung sexueller Orientierung" nicht das Thema von Frau Henkel gewesen sei. Das war im- und explizit schon dabei, was selbstverständlich auch ligitim ist.

Ich kann das, wie andere vorher auch, hier nicht erkennen. Woher kommt der Drang, hinter einer Kritik, die Outings mitunter auch nur zum Anlass nimmt, stets mindestens Ablehnung von Homosexualität zu vermuten? Das hatten wir ja schon mal beim Thema "Lucke und Hitzelsperger". Nein, Frau Henkel kritisiert nicht Cooks sexuelle Orientierung, sondern seinen Umgang damit. Man muss diese Sichtweise nicht teilen - ich tue das auch nicht -, aber auch nicht umgekehrt eine "hidden agenda" dahinter vermuten.

Zur Diskussion um das "Gottesgeschenk" würde ich übrigens nur noch einwerfen wollen, dass es sich hier schlicht um eine amerikanische Variante des "und das ist auch gut so" handelt. Also bitte nicht überbewerten und -interpretieren.

Paul Offline




Beiträge: 1.285

06.11.2014 01:04
#79 RE: Wie die gewünschte Konformität zur Vielfalt umgedeutet und Intoleranz als Toleranz verstanden wird. Antworten

Zitat von xanopos im Beitrag #65

Zitat
Dann schon eher so eine Art Größenwahn: "Seht her, ich bin der Auserwählte Gottes."
Ich sehe auch meine positiven und negativen Eigenschaften als gottgegeben an (wenn ich nicht gerade eine agnostische Phase habe). Bin ich jetzt auch größenwahnsinnig?



Wenn Sie, lieber xanopos, das wirklich Ernst meinen und es nicht nur eine rhetorische, provozierende Floskel ist, dann muss ich Ihre Frage bejaen.
Andererseits kann ich mir nicht vorstellen, dass jemand mit agnostischen Phasen diese Gottgegebenheit glauben kann.

Ich bin katholisch. Mir würden solche Gedanken nicht kommen.

Herzlich, Paul

___________________________
In dubio, pro reo.

xanopos ( gelöscht )
Beiträge:

06.11.2014 06:54
#80 RE: Wie die gewünschte Konformität zur Vielfalt umgedeutet und Intoleranz als Toleranz verstanden wird. Antworten

Zitat von Paul im Beitrag #79
Andererseits kann ich mir nicht vorstellen, dass jemand mit agnostischen Phasen diese Gottgegebenheit glauben kann.
Genauso habe ich meine Phasen in denen ich an einen Gott glaube. Als gelernter Naturwissenschaftle rtue ich mir schwer mit Dingen, die man werde beweisen noch widerlegen kann.

Zitat
Ich bin katholisch. Mir würden solche Gedanken nicht kommen.

Technisch gesehen bin ich auch Katholik, was sagt eigentlich der Katechismus zur Herkunft gute rund schlechter Eigenschaften?

Paul Offline




Beiträge: 1.285

06.11.2014 13:04
#81 RE: Wie die gewünschte Konformität zur Vielfalt umgedeutet und Intoleranz als Toleranz verstanden wird. Antworten

Zitat von xanopos im Beitrag #80
was sagt eigentlich der Katechismus zur Herkunft gute rund schlechter Eigenschaften?


Lieber xanophos ich versuche es mal und lasse Sie an der Suche teilnehmen.

Suchbegriff:
- Herkunft guter und schlechter Eigenschaften: Kein Ergebnis
- Herkunft guter und schlechter Eigenschaften des Menschen: Kein Ergebnis
- Gute und schlechte Eigenschaften des Menschen: Kein Ergebnis
- Eigenschaften des Menschen: Kein Ergebnis
- Menschliche Eigenschaften: Kein Ergebnis
- Das Böse im Menschen: http://www.alt.dbk.de/katechismus/index.php (Band II,S.473) Hilft aber auch nicht weiter
- Das Gute im Menschen: Kein Ergebnis
- Ursache des Bösen im Menschen: Kein Ergebnis

Ich versuche es mal anders:
- Geschenk Gottes: Link wie oben Band I,S.224 Ist allgemein, aber interessant. -- Band II,S.179 Es werden nur positive Geschenke aufgeführt. Homo ist nicht dabei. --- Band II,S.208 Der Sabbat als Geschenk Gottes --- Band II, S.212 Der christliche Sonntag ist auch ein Geschenk Gottes --- Band II, S.318 Das "Kommen des Retters, des Messias Jesus (Lk 2,11). Dieser Friede ist ein Gnadengeschenk Gottes, das Jesus den Menschen vermitteln will."
Mehr gibt es zu diesem Suchbegriff nicht im Katechismus.

Für mich war dieses Ergebnis interessant. Habe dadurch mein Glaubenswissen aufgefrischt.

Auch wenn es Ihre Erwartungen nicht erfüllen sollte, war es für mich nicht umsonst.

Gut verstehen kann ich, dass Sie als Wissenschaftler alles wissen wollen.
Aber auch Sie werden letztendlich ohne Glauben nicht auskommen, weil unser Wissen immer an eine Grenze kommt. Durch Wissenszunahme wird die Grenze nicht aufgehoben, sondern nur verschoben.
Lese gerade das Buch von Markolf H. Niemz: "Sinn". Die Frage, was vor dem Urknall war ist bisher nicht geklärt. Da geht es dann für mich mit dem Glauben weiter.

LG, Paul

edit
Notwendige Ergänzung:
Mit dem Link kommt man nur zum Katechismus. Man muss den Band anklicken und anschließend die Seite eingeben. Dann hat man den ganzen Text in dem der Suchbegriff enthalten ist.

Mit einem anderen Suchweg bekommt man die Seite mit der entsprechenden Texthervorhebung.
Dazu muss man das Kästchen "Volltextsuche" anklicken. Auf der sich dann öffnenden Seite muss unter "Suchbegriff" der Text eingegeben werden. Dann der Band oder auch beide. Dann wird die erste Seite gezeigt. An der Oberkante können dann auch alle andern Seiten, die ich im Text genannt habe direkt aufgerufen werden.

Ein bischen kompliziert. Aber anders geht es wohl nicht. Jedenfalls nicht für mich PC-Laien.

___________________________
In dubio, pro reo.

Nola Offline



Beiträge: 1.719

06.11.2014 13:14
#82 RE: Wie die gewünschte Konformität zur Vielfalt umgedeutet und Intoleranz als Toleranz verstanden wird. Antworten

Lieber Paul,
sehr interessante Ausführung.

Zitat
Aber auch Sie werden letztendlich ohne Glauben nicht auskommen, weil unser Wissen immer an eine Grenze kommt. Durch Wissenszunahme wird die Grenze nicht aufgehoben, sondern nur verschoben.



Folgt dem die Gradwanderung zwischen Genie und Wahnsinn?

♥lich Nola

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Status quo, nicht wahr, ist der lateinische Ausdruck für den Schlamassel, in dem wir stecken.
Zettel im August 2008

Paul Offline




Beiträge: 1.285

06.11.2014 13:50
#83 RE: Wie die gewünschte Konformität zur Vielfalt umgedeutet und Intoleranz als Toleranz verstanden wird. Antworten

Zitat von Nola im Beitrag #82
Lieber Paul,
sehr interessante Ausführung.

Zitat
Aber auch Sie werden letztendlich ohne Glauben nicht auskommen, weil unser Wissen immer an eine Grenze kommt. Durch Wissenszunahme wird die Grenze nicht aufgehoben, sondern nur verschoben.


Folgt dem die Gradwanderung zwischen Genie und Wahnsinn?




Da antworte ich doch gleich, liebe Nola.
Zunächst habe ich heftig Schmunzeln müssen. - Nicht ganz so doll aber so ähnlich.

Das könnte sicherlich passieren.
Mich bewahrt der Glaube davor.

Mein Stand nach dem ich das erwähnte Buch gelesen habe:
Der Ursprung ist die Energie. Die Energie - der Urknall - hat Raum und Zeit geschaffen. Also ist alles Energie. Die Materie ist, das habe ich mir jetzt ausgedacht, geronnene Energie.
So und nun wird es spannend. Was war vor der Energie? Da war der Geist. Damit bekommt die Schöpfungsgeschichte eine neue Bedeutung, weil auch der Geist Gottes über allem schwebte.
Die Energie ist der geronnene Geist Gottes.
Damit bin ich wieder bei meinem Glauben. Gott ist überall.Ich glaube, meine Kirche sagt das auch. Muss ich mal nachsehen. (Aber jetzt muss ich erst mal Essen machen, sonst verhungert meine Frau.)

Ja, ich gebe zu, das ist Küchenphilosophie oder -theologie, aber es bewahrt mich vor dem Wahnsinn.

LG, Paul

___________________________
In dubio, pro reo.

Ulrich Elkmann Offline




Beiträge: 14.547

06.11.2014 15:50
#84 RE: Wie die gewünschte Konformität zur Vielfalt umgedeutet und Intoleranz als Toleranz verstanden wird. Antworten

Zitat von Paul im Beitrag #83
Der Ursprung ist die Energie. Die Energie - der Urknall - hat Raum und Zeit geschaffen. Also ist alles Energie. Die Materie ist, das habe ich mir jetzt ausgedacht, geronnene Energie.


Das wird ja zumeist mit der bekanntesten aller Formeln, E=mc², umrissen.

Zitat
So und nun wird es spannend. Was war vor der Energie? Da war der Geist. Damit bekommt die Schöpfungsgeschichte eine neue Bedeutung, weil auch der Geist Gottes über allem schwebte.
Die Energie ist der geronnene Geist Gottes.



Oh, oh - da kommen wir aber theologisch schnell in ein sehr kabbeliges Fahrwasser. Das ist nämlich der deus sive natura Spinozas - nur daß Spinoza noch nichts von den Beschränkungen ahnen konnte, denen alles, was Teil des Universums (bzw. des nicht-transzendenten Bereichs) ist, unterliegt: der Lichtgeschwindigkeit, der Thermodynamik, den Maxwell'schen Feldgleichungen, der Lokalität aller Information: da bleibt dann nur noch Gott als "erste Ursache" übrig & die Theologie alter Schule mag nimmer: . Nach der thomistischen Auffassung braucht es dagegen Gott, das Transzendente, das Absolute (es folgt dann gleicht die Betonung, daß diese Namen nur leere Chiffren sind, weil sie sich auf a priori Nicht-Beschreibbares beziehen) als Garant für den Bestand des Ganzen. Quantenmechanisch ausgedrückt: als "Beobachter", der die Indeterminiertheit des Systems verhindert.

Satirisch ist die Verknüpfung der Einstein-Formal mit der Theologie schon in Karel Čapeks Roman "Die Fabrik des Absoluten" von 1922 gelungen (Satire & Theologie funktioniert ja mindestens seit Swifts "Tonnenmärchen" gut; Satire & Religionspraxis wird in aller Regel ungenießbar krachlederne "Pfaffenfresserei"). Da hat ein schlauer Kopf im Zukunftsjahr 1941 eine Maschine erfunden, mit der die Materie rückstandslos in Energie umgeandelt werden kann & verkauft das als Ultimaten Motor. Unglücklicherweise gibt es aber doch einen Rückstand, der Matiere & Energie bislang miteinander verleimt hatte: eben das Absolute - das jetzt frei vagabundiert & sich in den geeignetsten Orten einnistet, also den Menschenhirnen & flugs zu In-Zungen-Reden, Weltuntergangsprophezeihungen & Kreuzzügen führt.

Nola Offline



Beiträge: 1.719

06.11.2014 18:23
#85 RE: Wie die gewünschte Konformität zur Vielfalt umgedeutet und Intoleranz als Toleranz verstanden wird. Antworten

Zitat

Zitat Ulrich Elkmann

Oh, oh - da kommen wir aber theologisch schnell in ein sehr kabbeliges Fahrwasser. Das ist nämlich der deus sive natura Spinozas - nur daß Spinoza noch nichts von den Beschränkungen ahnen konnte, denen alles, was Teil des Universums (bzw. des nicht-transzendenten Bereichs) ist, unterliegt: der Lichtgeschwindigkeit, der Thermodynamik, den Maxwell'schen Feldgleichungen, der Lokalität aller Information: da bleibt dann nur noch Gott als "erste Ursache" übrig & die Theologie alter Schule mag nimmer: . Nach der thomistischen Auffassung braucht es dagegen Gott, das Transzendente, das Absolute (es folgt dann gleicht die Betonung, daß diese Namen nur leere Chiffren sind, weil sie sich auf a priori Nicht-Beschreibbares beziehen) als Garant für den Bestand des Ganzen. Quantenmechanisch ausgedrückt: als "Beobachter", der die Indeterminiertheit des Systems verhindert.

Satirisch ist die Verknüpfung der Einstein-Formal mit der Theologie schon in Karel Čapeks Roman "Die Fabrik des Absoluten" von 1922 gelungen (Satire & Theologie funktioniert ja mindestens seit Swifts "Tonnenmärchen" gut; Satire & Religionspraxis wird in aller Regel ungenießbar krachlederne "Pfaffenfresserei"). Da hat ein schlauer Kopf im Zukunftsjahr 1941 eine Maschine erfunden, mit der die Materie rückstandslos in Energie umgeandelt werden kann & verkauft das als Ultimaten Motor. Unglücklicherweise gibt es aber doch einen Rückstand, der Matiere & Energie bislang miteinander verleimt hatte: eben das Absolute - das jetzt frei vagabundiert & sich in den geeignetsten Orten einnistet, also den Menschenhirnen & flugs zu In-Zungen-Reden, Weltuntergangsprophezeihungen & Kreuzzügen führt.



Bewundernswert, lieber Ulrich Elkmann, wie Sie immer wieder Wissenschaft, Philosophie und auch den Umweg zur Theologie aufbereiten und somit eine Bereicherung in die Hirne plazieren.

♥lich Nola

---------------------------

Status quo, nicht wahr, ist der lateinische Ausdruck für den Schlamassel, in dem wir stecken.
Zettel im August 2008

Reisender ( gelöscht )
Beiträge:

06.11.2014 20:53
#86 RE: Wie die gewünschte Konformität zur Vielfalt umgedeutet und Intoleranz als Toleranz verstanden wird. Antworten

Zitat von Paul im Beitrag #81
Die Frage, was vor dem Urknall war ist bisher nicht geklärt. Da geht es dann für mich mit dem Glauben weiter.



Die Bögen werden ja immer weiter :.) Vllt. trifft dies Ihr Interesse: http://www.amazon.de/Gott-moderne-Physik...+moderne+physik

Fluminist Offline




Beiträge: 2.015

07.11.2014 09:47
#87 RE: Wie die gewünschte Konformität zur Vielfalt umgedeutet und Intoleranz als Toleranz verstanden wird. Antworten

Zitat von Reisender im Beitrag #86
Vllt. trifft dies Ihr Interesse: [...]

Und dann gibt es ja auch noch den Klassiker von damals aus dem New Age: Fritjof Capras The Tao of Physics.



It is only by the collision of adverse opinions that the remainder of the truth has any chance of being supplied. - J. S. Mill

Ulrich Elkmann Offline




Beiträge: 14.547

07.11.2014 10:21
#88 RE: Wie die gewünschte Konformität zur Vielfalt umgedeutet und Intoleranz als Toleranz verstanden wird. Antworten

Na ja - Capra fällt aber nicht mehr unter Quantenphysik, sondern Quantenmystik.
Ist aber selbst im Heimatland dieser Art von Erleuchtetsein, Kalifornien, mittlerweile so vergessen wie bei uns der Papalagi.

Ulrich Elkmann Offline




Beiträge: 14.547

07.11.2014 11:47
#89 RE: Wie die gewünschte Konformität zur Vielfalt umgedeutet und Intoleranz als Toleranz verstanden wird. Antworten

Thomas Hürlimann im Tagesanzeiger:

"Toleranzpropaganda ist alles andere als tolerant"


Was mich bei der EU vor allem stört, ist ihr Versuch, ein neues Menschenbild durchzusetzen. Es ist der areli­giöse, antirassistische, antifaschis­tische, homophile, multikultibe­jahende Toleranzler. Schlimm daran sind nicht die einzelnen Eigenschaften, diese Eigenschaften sind durchaus richtig, schlimm ist, dass diese Schablone voraussetzungslos als gültig erklärt wird. Wenn Sie darüber diskutieren möchten, werden Sie sofort feststellen, dass die Toleranzpropagandisten alles andere als tolerant sind. Abweichler werden von einer Phalanx aus Politkommissaren, Richtern, Pädagogen, anonymen Internetjägern und Medienbütteln abgeurteilt. Aber ich höre besser auf. Meine Freundin würde sagen: Jetzt macht er wieder sein grimmiges Anti-EU-Gesicht.

Emulgator Offline



Beiträge: 2.875

07.11.2014 18:52
#90 RE: Wie die gewünschte Konformität zur Vielfalt umgedeutet und Intoleranz als Toleranz verstanden wird. Antworten

Zitat von nachdenken_schmerzt_nicht im Beitrag #67
Nun weiß ich, dass auch die Wertung der sexuellen Orientierung Teil der Argumente in dieser Diskussion war/ist. Für mich ist das ein Beleg dafür, wie wenig wir uns alle vom Zeitgeist, von dem Denken über die Natur dessen was wir für das Problem zu halten glauben (müssen), frei machen können. Wir sind Gefangene unserer Zeit und der Wahrnehmung, welche sie prägt. Unser Denken schwebt niemals im luftleeren Raum. Die eine, von mir bereits zitierte Einlassung von Emulgator, hat mir dabei klar gemacht, wo diese Gefangennahme durch den Zeitgeist in vorliegendem Thema erfolgt:
Durch das künstliche Erschaffen eines Kriteriums, zu dem es unmöglich ist, keine Positionierung einzunehmen. Ob man dafür ist oder dagegen oder ob man indifferent ist: Man kann sich der geschaffenen Tatsache, dass es dieses Kriterium gibt, nicht entziehen und man diskriminiert in allen drei Fällen zwangsläufig. Entweder positiv oder negativ oder, im Falle einer indifferenten Position, durch den Umstand, dass man die Ungleichheit von Menschen in einem zu wertenden Merkmal anerkennt, welches man aber persönlich nicht werten möchte. – Auch letzteres ist in meinen Augen schon eine Vorstufe zur Diskriminierung.

Ja, ich muß einräumen, daß man auch dann noch eine gewisse Wertung vornimmt, wenn man die Existenz des (nicht) zu wertenden Merkmals negiert. Zwar ist das keine vernichtende oder herabwürdigende Wertung, aber diejenigen, die die (selbst)Zuschreibung dieses Merkmals zu einem wichtigen Teil der eigenen Identität gemacht haben, nimmt man natürlich etwas weg, wenn man ihnen sagt, dieses Merkmal existiere gar nicht. Das wird dann bei diesen Menschen als eine Abwertung dieser Identität empfunden und so erzeugt das erfundene Kriterium weiter Unfrieden. Langfristig kann man aber hoffen, daß die Leere dieses Begriffs allgemein erkannt wird.

Ein sehr interessanter Aufsatz, der sich dafür ausspricht, ist übrigens hier zu finden. Darauf bin ich gestoßen, als ich bestätigende Stimmen für meine Auffassung gesucht habe.


Zitat von nachdenken_schmerzt_nicht im Beitrag #67
Mein Anliegen ist, mithilfe der neuen Erkenntnisse hier formuliert, wie das Schaffen solcher Kriterien dazu dient Gesellschaftspolitik zu machen. Konformitätsdruck auf die Mißliebigen zu erzeugen, sie auszugrenzen, zu stigmatisieren, um dem eigenen Gesellschaftsbild Geltung zu verschaffen.
Ich glaube nicht, daß da jemand absichtlich so etwas initiieren wollte. Das mag es in kolonialistischen Zeiten gegeben haben, divide et impera zu betreiben, wobei diese Politik in ihrer Zeit auch als gut erachtet wurde. Ich glaube, daß all diese Sachen eigentlich aus guter Absicht entstanden sind. Man wollte sich von der als feudalistisch-unterdrückerisch empfundenen Ordnung emanzipieren. So versuchte man alles neu zu erfinden. Irgendwann ist man mit dem Aufklärerischen zu weit gegangen, hat den Menschen gewissermaßen zu einem unfreien Spielball des Laplace'schen Dämons gemacht und die Grenzen der wissenschaftlichen Disziplinen verwischt. (Man kann bei der Gelegenheit ja auch mal überlegen, ob das mit der Homosexualität nun eine moralische, juristische, soziologische oder medizinische Angelegenheit ist.) Und schon brauchte man Homosexualität als Vorhersagefaktor für sexuelles Verhalten. Und weil man es so sehr gebraucht hat, war es plötzlich wissenschaftlich vorhanden.

Für mich sieht man daran, wie schön und hilfreich mehr Rigorosität beim Nachdenken sein könnte.

Erling Plaethe Offline




Beiträge: 4.660

07.11.2014 20:05
#91 RE: Wie die gewünschte Konformität zur Vielfalt umgedeutet und Intoleranz als Toleranz verstanden wird. Antworten

Zitat von Ulrich Elkmann im Beitrag #89
Thomas Hürlimann im Tagesanzeiger:

"Toleranzpropaganda ist alles andere als tolerant"

Was mich bei der EU vor allem stört, ist ihr Versuch, ein neues Menschenbild durchzusetzen. Es ist der areli­giöse, antirassistische, antifaschis­tische, homophile, multikultibe­jahende Toleranzler. Schlimm daran sind nicht die einzelnen Eigenschaften, diese Eigenschaften sind durchaus richtig, schlimm ist, dass diese Schablone voraussetzungslos als gültig erklärt wird. Wenn Sie darüber diskutieren möchten, werden Sie sofort feststellen, dass die Toleranzpropagandisten alles andere als tolerant sind. Abweichler werden von einer Phalanx aus Politkommissaren, Richtern, Pädagogen, anonymen Internetjägern und Medienbütteln abgeurteilt. Aber ich höre besser auf. Meine Freundin würde sagen: Jetzt macht er wieder sein grimmiges Anti-EU-Gesicht.



Womit wir dann wieder beim Ausgangsthema von n_s_n.

Viele Grüße, Erling Plaethe

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