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ZETTELS KLEINES ZIMMER

Das Forum zu "Zettels Raum"



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Dieses Thema hat 60 Antworten
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 Kommentare/Diskussionen zu "Zettels Raum"
Seiten 1 | 2 | 3
Llarian Offline



Beiträge: 7.120

06.06.2015 09:41
#26 RE: Bildungsgerechtigkeit Antworten

Zitat von xanopos im Beitrag #21
Auch herje, Hauptschule in Österreich und Deutschland scheinen ja wirklich unterschiedliche Dinge zu sein, hier in Ö endet die Hauptschule nach der 8. Schulstufe, danach stehen einem wirklich so gut wie alle Schulen mit Matura (=Abitur) offen.

Wie schon gesagt, von der Theorie her ist das in Deutschland auch möglich. Aber erlebt habe ich das noch nicht und es ist mit Sicherheit vergleichsweise selten.

Zitat
Gibt es in Deutschland keine Leistungsgruppen? In Deutsch, Englisch und Mathematik wird der Unterricht in drei verschieden Leistungsgruppen abgehalten, Zwischen der 1. Leistungsgruppe und einem Gymnasium besteht kein sehr großer Unterschied mehr.


Solche Einteilungen gibt es wohl tatsächlich. An Gesamtschulen. Und die leben auch mit der Illusion das das Niveau angeblich dem gymnasialen ähnlich wäre. Nur ist das in aller Regel nicht der Fall.

Zitat
Deckt sich nicht unbedingt mit meiner Erfahrung, die Abendschule gilt als leichteste Form zur Matura zu kommen.


In Deutschland würde ich behaupten, ist es genau umgekehrt.

Zitat
Ein Experte hat sich extra eine Abendschule mit den minimalsten Mathematikanforderungen ausgesucht, um dann etwas technisches zu studieren.


Solche Strategen gibts immer wieder. Ich habe auch einige Grundstudiumsveranstaltungen von lehrender Seite mitgemacht, und ich fand es immer wieder erstaunlich warum irgendwelche Experten, die dann Sport und Deutsch im Abitur hatten, meinen Informatik studieren zu müssen. Das sind dann in aller Regel zwei verschwendete Jahre, bis die geblickt haben, dass es nix wird.

Llarian Offline



Beiträge: 7.120

06.06.2015 09:51
#27 RE: Bildungsgerechtigkeit Antworten

Zitat von hubersn im Beitrag #24
Meine Erfahrungen mit dem BaWü-Schulsystem legen nahe, dass die Durchlässigkeit zumindest im Moment noch exzellent ist. Es ist kein Problem, als Hauptschüler den Realschulabschluss nachzumachen und dann z.B. über das Wirtschaftsgymnasium oder das Technische Gymnasium die Hochschulreife zu erwerben, dazu kommen die Möglichkeiten übers Abendgymnasium. Wer im Gymnasium die 9. Klasse erfolgreich abschließt, hat automatisch den Hauptschulabschluss, nach der 10. Klasse den Realschulabschluss - also auch andersrum Durchlässigkeit.

Durchlässigkeit nach unten war noch nie das Problem. :)

Zitat
Wo fehlt es denn Ihrer Ansicht nach an der Durchlässigkeit? Die Möglichkeiten sind nicht nur theoretisch, und ich kenne reichlich praktische Beispiele von Realschulstartern die dann erfolgreich studiert haben.


Es ist erfreulich, wenn das in BaWü tatsächlich so ist. In Bayern sind beispielsweise die Hauptschulen ja auch deutlich besser als im Norden, das mag in BaWü dann ganz ähnlich sein. In NRW ist dem aber nicht so, zumindest nicht dort, wo ich es erlebt habe. Zum einen bestehen halt mit zunehmender Klasse immer größere Leistungsunterschiede (das ist ja auch naheliegend), zum anderen habe ich den Standesdünkel sowohl an der Schule als auch später an der Uni erlebt (da waren es nur die Fachhochschüler, die demnächst für den Master zugelassen werden sollten (->Bologna-Prozess), die einigen Profs sauer aufgestossen sind). Die Möglichkeit übers Abendgymnasium sehe ich ja durchaus, aber jeder, der dieser Weg geht ist locker 3-6 Jahre im Nachteil gegenüber denjenigen, die auf einem normalen Gymnasium das Abitur machen.
Ich kann natürlich nichts beschreiben, was auf anderen Schulen passiert, aber an meiner Jahrgangsstufe (und auch nicht in den angrenzenden) ist nie einer oder eine jemals von der Hauptschule oder einer Gesamtschule zu uns gewechselt. Der umgekehrte Weg ist dagegen des öfteren vorgekommen (meine Erfahrung ist die, dass die, die es auf dem Gymnasium nicht schaffen, in der Regel das Gesamtschulabitur erreichen, und meistens ein ziemlich "gutes").

Wenn ich mich im Generellen irren sollte, dann ist das gut so. Denn ich halte diese Durchlässigkeit für essentiell und wichtig.

xanopos ( gelöscht )
Beiträge:

06.06.2015 13:04
#28 RE: Bildungsgerechtigkeit Antworten

Zitat von Llarian im Beitrag #26
Solche Strategen gibts immer wieder. Ich habe auch einige Grundstudiumsveranstaltungen von lehrender Seite mitgemacht, und ich fand es immer wieder erstaunlich warum irgendwelche Experten, die dann Sport und Deutsch im Abitur hatten, meinen Informatik studieren zu müssen. Das sind dann in aller Regel zwei verschwendete Jahre, bis die geblickt haben, dass es nix wird.
Er hat den Bachelor (an der FH) auch brav in Regelstudienzeit geschafft, nur ein paar Mal wäre er fast gestolpert. Den Master hat er dann bleiben lassen.

xanopos ( gelöscht )
Beiträge:

07.06.2015 10:55
#29 RE: Bildungsgerechtigkeit Antworten

Zitat von Llarian im Beitrag #18
Zum einen ist natürlich der Inhalt von Hauptschule und Gymnasium ein anderer. Hauptschulen legen Wert auf andere Dinge und das Gesamtniveau ist trivialerweise deutlich niedriger.

Die Bundesbildungsministerin: „Das Fach ’Alltagswissen’ fände ich gut. Dort könnten die Schüler Dinge lernen, die für ihr praktisches Leben wichtig sind“, sagte Wanka der „Bild am Sonntag.“ Sie denke etwa an Fallen in Handyverträgen, handwerkliche Fähigkeiten, aber auch an Grundkenntnisse in richtiger Ernährung und Kochen. http://www.faz.net/aktuell/politik/inlan...n-13633393.html
Ich bin erstaunt, solche Dinge waren zumindest vor 20 Jahren (bis auf die Handytariffallen) an Hauptschulen Standard.

Llarian Offline



Beiträge: 7.120

07.06.2015 16:57
#30 RE: Bildungsgerechtigkeit Antworten

Zitat von xanopos im Beitrag #29
Zitat von Llarian im Beitrag #18
Zum einen ist natürlich der Inhalt von Hauptschule und Gymnasium ein anderer. Hauptschulen legen Wert auf andere Dinge und das Gesamtniveau ist trivialerweise deutlich niedriger.

Die Bundesbildungsministerin: „Das Fach ’Alltagswissen’ fände ich gut. Dort könnten die Schüler Dinge lernen, die für ihr praktisches Leben wichtig sind“, sagte Wanka der „Bild am Sonntag.“ Sie denke etwa an Fallen in Handyverträgen, handwerkliche Fähigkeiten, aber auch an Grundkenntnisse in richtiger Ernährung und Kochen. http://www.faz.net/aktuell/politik/inlan...n-13633393.html
Ich bin erstaunt, solche Dinge waren zumindest vor 20 Jahren (bis auf die Handytariffallen) an Hauptschulen Standard.

Also ich habe meine Zweifel, lieber xanopos, dass man tatsächlich vor 20 Jahren bei Ihnen richtige Ernährung, respektive Ökotrophologie, unterrichtet hat. Das Hauswirtschaft und Handwerken auf dem Lehrplan einer Hauptschule steht, ist widerum nicht so ungewöhnlich. Ich glaube der lieben Frau Wanka ging es eher darum, dass viele heutige Schüler kaum in der Lage sind einen Dübel in die Wand zu kriegen oder eine Überweisung richtig auszufüllen. Das ist nur m.E. nach weniger ein Problem der Schule als des Elternhauses. Wer seinem Kind mit 10 Jahren nicht den Umgang mit Geld beibringt, darf sich nicht wundern, wenn diese mit 14 dann sehr dumme Handyverträge abschliessen. Alltagswissen zu vermitteln ist Sache der Eltern. Wenn Eltern dagegen zunehmend meinen, sie seien allenfalls dazu da, um Abends den Schmusekameraden zu mimen, dann ist es eben das, was dabei rauskommt.

Fluminist Offline




Beiträge: 2.015

07.06.2015 17:35
#31 RE: Bildungsgerechtigkeit Antworten

Zitat von Llarian im Beitrag #30
Zitat von xanopos im Beitrag #29
Zitat von Llarian im Beitrag #18
Zum einen ist natürlich der Inhalt von Hauptschule und Gymnasium ein anderer. Hauptschulen legen Wert auf andere Dinge und das Gesamtniveau ist trivialerweise deutlich niedriger.

Die Bundesbildungsministerin: „Das Fach ’Alltagswissen’ fände ich gut. Dort könnten die Schüler Dinge lernen, die für ihr praktisches Leben wichtig sind“, sagte Wanka der „Bild am Sonntag.“ Sie denke etwa an Fallen in Handyverträgen, handwerkliche Fähigkeiten, aber auch an Grundkenntnisse in richtiger Ernährung und Kochen. http://www.faz.net/aktuell/politik/inlan...n-13633393.html
Ich bin erstaunt, solche Dinge waren zumindest vor 20 Jahren (bis auf die Handytariffallen) an Hauptschulen Standard.

Also ich habe meine Zweifel, lieber xanopos, dass man tatsächlich vor 20 Jahren bei Ihnen richtige Ernährung, respektive Ökotrophologie, unterrichtet hat. Das Hauswirtschaft und Handwerken auf dem Lehrplan einer Hauptschule steht, ist widerum nicht so ungewöhnlich. Ich glaube der lieben Frau Wanka ging es eher darum, dass viele heutige Schüler kaum in der Lage sind einen Dübel in die Wand zu kriegen oder eine Überweisung richtig auszufüllen. Das ist nur m.E. nach weniger ein Problem der Schule als des Elternhauses. Wer seinem Kind mit 10 Jahren nicht den Umgang mit Geld beibringt, darf sich nicht wundern, wenn diese mit 14 dann sehr dumme Handyverträge abschliessen. Alltagswissen zu vermitteln ist Sache der Eltern. Wenn Eltern dagegen zunehmend meinen, sie seien allenfalls dazu da, um Abends den Schmusekameraden zu mimen, dann ist es eben das, was dabei rauskommt.

Es sind ja nicht immer/nur die Eltern, die das meinen, sondern Politiker einer bestimmten Sorte sehen in Eltern vermehrt gleichheitsverhindernde Störfaktoren im Erziehungswesen, deren Rolle tunlichst auf Zeugung und Steuerzahlung beschränkt werden sollte. Früher, ja früher hat man all die geforderten Punkte in der Familie gelernt, jedenfalls wenn man das Glück hatte Kind ordentlich-bürgerlicher Eltern in einer intakten Familie zu sein. Aber das ergab ja schon eine Ungleichheit durch zufällige Benachteiligung der Pechvögel, die dieses Glück nicht hatten. Deshalb wird heute von der politischen Planung her alles auf das Präkariat als Baseline nivelliert und auf Fälle wie chronisch überforderte berufstätige Alleinerziehende ausgerichtet, die heute keine Seltenheit mehr sind.
Kindergarten und Schule sollen da zum sozialistischen Familienersatz werden, und alle lernen alles gemeinsam und treten mit gleichen Chancen wie aus dem Eierkarton ins Leben.



A free society is a society where it is safe to be unpopular. - Adlai Stevenson

xanopos ( gelöscht )
Beiträge:

08.06.2015 07:24
#32 RE: Bildungsgerechtigkeit Antworten

Zitat von Llarian im Beitrag #30
Also ich habe meine Zweifel, lieber xanopos, dass man tatsächlich vor 20 Jahren bei Ihnen richtige Ernährung
Stand damals schon am Lehrplan.

Zitat
Alltagswissen zu vermitteln ist Sache der Eltern.

Ich bin der Meinung, das ist auch Sache der Schule. Die Kinder sitzen je nach Alter rund Schultyp bis zu 40 Wochenstunden in der Schule, da lässt es sich gar nicht vermeiden, dass auch Alltagswissen vermittelt wird.

xanopos ( gelöscht )
Beiträge:

08.06.2015 09:39
#33 RE: Bildungsgerechtigkeit Antworten

Zum Thema Alltagswissen, die FAZ klärt auf:

Zitat
Der Einstieg ist für Verbraucher oft günstig, die Folgekosten sind dafür hoch. Etwa bei Nassrasierern oder Kaffeemaschinen mit Kapseln. Fesseln Unternehmen mit dem sogenannten Rockefellerprinzip ihre Kunden an sich?

http://www.faz.net/aktuell/finanzen/mein...o-13634887.html
Da hatte wohl ein Redakteur gerade nichts sinnvolles zu tun.

xanopos ( gelöscht )
Beiträge:

08.06.2015 10:38
#34 RE: Bildungsgerechtigkeit Antworten

Zitat von Llarian im Beitrag #26

Zitat
Deckt sich nicht unbedingt mit meiner Erfahrung, die Abendschule gilt als leichteste Form zur Matura zu kommen.

In Deutschland würde ich behaupten, ist es genau umgekehrt.

Von Abendmaturanten wird weniger verlangt (*), dafür haben sie in den einzelnen Fächern auch weniger Stunden zur Beherrschung es Stoffes zur Verfügung. Speziell Mathe kann für jemanden, der das schon in der Schule gehasst hat, nach Jahren Nichtstun eine Herausforderung sein. Und das neben Vollzeitjob und vielleicht schon Kindern.

(*): Wobei nach de ersten Runde Zentral-Matura bin ich mir da gar nicht mehr so sicher.

Ulrich Elkmann Online




Beiträge: 14.547

08.06.2015 11:34
#35 RE: Bildungsgerechtigkeit Antworten

Zitat von xanopos im Beitrag #33
Da hatte wohl ein Redakteur gerade nichts sinnvolles zu tun.


Schlichter: da hat einer das Coole Neue Teil (Frankfurt! FAZ!!) aufmunitioniert & musste erstaunt feststellen, daß er das nicht über die Portokasse laufen lassen konnte, sondern selbst in Vorlage gehen musste. Überhaupt der Eindruck: häufen sich im Schurrnalismus in letzter Zeit solche selbstreferentiellen Nichtigkeiten à la "Wie unser Redakteur beim Marathonlauf versackte"?



Les hommes seront toujours fous; et ceux qui croient les guérir sont les plus fous de la bande. - Voltaire

xanopos ( gelöscht )
Beiträge:

09.06.2015 13:26
#36 RE: Bildungsgerechtigkeit Antworten

Alltagswissen, die Zweite:

Zitat
Die Schuldnerberatung ortet bei vielen neuen Unternehmern eine zu geringe Finanzbildung. So sei oft der Unterschied zwischen Gewinn und Umsatz nicht klar.

http://diepresse.com/home/wirtschaft/eco...=/home/index.do
Soll ich jetzt Lachen oder Weinen?

TF Offline



Beiträge: 281

09.06.2015 22:53
#37 RE: Bildungsgerechtigkeit Antworten

Zitat von xanopos im Beitrag #36
Alltagswissen, die Zweite:

Zitat
Die Schuldnerberatung ortet bei vielen neuen Unternehmern eine zu geringe Finanzbildung. So sei oft der Unterschied zwischen Gewinn und Umsatz nicht klar.
http://diepresse.com/home/wirtschaft/eco...=/home/index.do
Soll ich jetzt Lachen oder Weinen?



Das ist in der Tat erschreckend, glaube ich aber absolut. Nicht wenige meinen ja auch, etwas werde vom Finanzamt bezahlt, wenn man es von der Steuer absetzen kann. Für die meisten sind Abschreibungen nicht etwa Aufwand, sondern irgendwas zum Steuern sparen. Grundlegendes über Bilanz und GuV wäre sicher etwas, was man in der Schule lernen sollte. Tut man aber normalerweise nicht. Überhaupt ist es eine falsche Tendenz statt Wissen "Kompetenzen" vermitteln zu wollen. Ein solides Basiswissen ist unabdingbar, ohne das bekommt man auch mit rumgooglen so schnell keinen Durchblick und ohne dieses hilft dann auch z. B. der Wikipedia-Artikel zum Thema, selbst wenn der gut sein sollte. Und wo in Wikipedia Unsinn steht, weiß oder ahnt man nur, wenn ein Basiswissen auf dem Gebiet hat. Aber auch in sonstigen Medien steht oft Falsches.

Ulrich Elkmann Online




Beiträge: 14.547

09.06.2015 23:49
#38 RE: Bildungsgerechtigkeit Antworten

Zitat von TF im Beitrag #37
Überhaupt ist es eine falsche Tendenz statt Wissen "Kompetenzen" vermitteln zu wollen. Ein solides Basiswissen ist unabdingbar, ohne das bekommt man auch mit rumgooglen so schnell keinen Durchblick.


Dazu kommt noch das factum brutum, daß 90% dieses Weltwissens nicht über die Schule vermittelt werden; auch nie wurden: das wurde in lebenspraktischer Hinsicht (, ) durch das familiäre Umfeld, den Bekanntenkreis, die Lebenserfahrungen zwischen dem 10. & dem 18. Lebensjahr erledigt, was die "Allgemeinbildung", das "Basiswissen, um selber weitermachen zu können" () (um Schwanitzens geplanten Untertitel zu variieren) ergab sich aus raumgreifender Wildbeuter-Lektüre. Heute scheint das auf 2 Alternativen hinauszulaufen: entweder das nicht sekundär, sondern primär analphabetische geistige Abstinenzlertum, das ja wohl nicht nur als Hartz-IV-Klischee figuriert; oder die Betriebsblindheit der Vollschulung mit einem Acht- bis Elfstundentag, der für keinerlei Inhalte außer dem angesetzten Lee/hrstoff Atemluft lässt. In beiden Fällen bleibt den Schulen als letzte Auffangstation am Ende der undankbare Job, zumindest vorzugeben, hier Ausgleich zu schaffen.


Andererseits:

Zitat von Nicolaus Fest, 20.5.
Längere Gespräche mit einem Sozialarbeiter aus Schleswig-Holstein. ... Auch im übrigen die Gespräche eher desillusionierend. Das von der CSU durchgesetzte Betreuungsgeld halte vor allem diejenigen Kinder von Kita und Kindergarten fern, die den dortigen Umgang und Unterricht am dringendsten nötig hätten. Ganz generell seien die meisten Familienleistungen nach seiner Erfahrung sinnlos. Milliarden würden ausgegeben, der Ertrag sei kläglich. Was sich Familienpolitik nenne, sei häufig Betreuungspolitik, nämlich Klientelpolitik für Betreuer, für Sozialarbeiter, Kitas, Hilfsorganisationen. Aus seiner Sicht helfe nur ein strenges, mindestens halbjährliches Monitoring der Kindesentwicklung ab dem 2. oder 3. Lebensjahr, verbunden mit drakonischen Eingriffen des Staates. Würden Defizite erst bei der Einschulung festgestellt, sei es zu spät. Dass sich Eltern von selbst um ihre Kinder kümmern oder irgendeine Einsicht in die Bedürfnisse ihrer Kinder hätten, wäre eine zwar optimistische, von der Wirklichkeit aber oftmals nicht gedeckte Vorstellung. Vor allem bei grenzschlichten Personen sei jede ‚Einbindung’ der Eltern vergebens; hier würden nur detaillierteste Anordnungen helfen: Was die Kinder in die Schule mitnehmen, was sie danach im Kühlschrank finden müssten, was zum Abendbrot. Wieviele Brote, welcher Aufstrich, Milch statt Cola. Hanuta sei kein Mittagsessen, Bier mit Zucker kein Getränk für 6-jährige, auch wenn die dann‚ immer so gut schlafen’. Selbst am allereinfachsten Basiswissen fehle es. Was früher jedes Bauernmädchen wusste, ist irgendwie verlorengegangen.



http://nicolaus-fest.de/tag/dublin-iii/

Das Ausmaß der Misere ist schwer abzuschätzen. Die Klage über den Verlust elementarster Sozialkompetenzen & Kulturtechniken zieht sich seit Anfang der 50er durchs mediale Hintergrundrauschen der Industriestaaten; zum ersten Mal großes Aufregerthema war das 1955 in den USA mit Rudolf Fleschs "Why Johnny Can't Read" & findet sich dann mindestens 1x pro Jahrzehnt, gerade auch im Zusammenhang mit der Jugendkriminalität & seit 30 Jahren auch mit den No-Go-Areas der europäischen Metropolen.



Les hommes seront toujours fous; et ceux qui croient les guérir sont les plus fous de la bande. - Voltaire

xanopos ( gelöscht )
Beiträge:

10.06.2015 08:43
#39 RE: Bildungsgerechtigkeit Antworten

Zitat von Ulrich Elkmann im Beitrag #38
Dazu kommt noch das factum brutum, daß 90% dieses Weltwissens nicht über die Schule vermittelt werden; auch nie wurden: das wurde in lebenspraktischer Hinsicht (, ) durch das familiäre Umfeld, den Bekanntenkreis, die Lebenserfahrungen zwischen dem 10. & dem 18. Lebensjahr erledigt, was die "Allgemeinbildung", das "Basiswissen, um selber weitermachen zu können" () (um Schwanitzens geplanten Untertitel zu variieren) ergab sich aus raumgreifender Wildbeuter-Lektüre.
Ich bin schon der Meinung, dass da die Schule einen Beitrag leisten kann und muss.

Zitat
oder die Betriebsblindheit der Vollschulung mit einem Acht- bis Elfstundentag, der für keinerlei Inhalte außer dem angesetzten Lee/hrstoff Atemluft lässt

Ich bin in eine Schule mit einem bis zu 11-Stunden-Tag gegangen, da war Zeit, viel Zeit, für Inhalte außerhalb des Lehrstoffes. Es gab Fächer, wie Religion, da gab es gar keinen angesetzten Lehrstoff.

Fluminist Offline




Beiträge: 2.015

10.06.2015 09:53
#40 RE: Bildungsgerechtigkeit Antworten

Zitat von xanopos im Beitrag #39
Zitat von Ulrich Elkmann im Beitrag #38
Dazu kommt noch das factum brutum, daß 90% dieses Weltwissens nicht über die Schule vermittelt werden; auch nie wurden: das wurde in lebenspraktischer Hinsicht (, ) durch das familiäre Umfeld, den Bekanntenkreis, die Lebenserfahrungen zwischen dem 10. & dem 18. Lebensjahr erledigt, was die "Allgemeinbildung", das "Basiswissen, um selber weitermachen zu können" () (um Schwanitzens geplanten Untertitel zu variieren) ergab sich aus raumgreifender Wildbeuter-Lektüre.
Ich bin schon der Meinung, dass da die Schule einen Beitrag leisten kann und muss.

Zweck der Schule: "Die Kinder sind aus dem Haus, aber nicht auf der Straße."
Meine eigene Schulerfahrung deckt sich weitgehend damit und mit der Elkmannschen Einschätzung.

xanopos ( gelöscht )
Beiträge:

10.06.2015 10:05
#41 RE: Bildungsgerechtigkeit Antworten

Zitat von Fluminist im Beitrag #40
Zweck der Schule: "Die Kinder sind aus dem Haus, aber nicht auf der Straße."
Meine eigene Schulerfahrung deckt sich weitgehend damit und mit der Elkmannschen Einschätzung.


Hmmm, meine Schulerfahrung deckt sich damit überhaupt nicht. Ich fand die Schule immer als Ort des Lernens und intellektueller Herausforderungen. Natürlich muss man das als Schüler das Angebot annehmen. Aber vielleicht hatte ich damals einfach zu wenige sonstige Ablenkungen.

Fluminist Offline




Beiträge: 2.015

10.06.2015 10:20
#42 RE: Bildungsgerechtigkeit Antworten

Zitat von xanopos im Beitrag #41
Zitat von Fluminist im Beitrag #40
Zweck der Schule: "Die Kinder sind aus dem Haus, aber nicht auf der Straße."
Meine eigene Schulerfahrung deckt sich weitgehend damit und mit der Elkmannschen Einschätzung.


Hmmm, meine Schulerfahrung deckt sich damit überhaupt nicht. Ich fand die Schule immer als Ort des Lernens und intellektueller Herausforderungen. Natürlich muss man das als Schüler das Angebot annehmen. Aber vielleicht hatte ich damals einfach zu wenige sonstige Ablenkungen.

Das Angebot, so dürftig es war, habe ich schon angenommen. Bei mir hat die Schule die Funktion bestens erfüllt, mir frühzeitig klarzumachen, daß ich mich zur Befriedigung meiner Neugier (d.h. dem Erwerb dessen, was man nachher im Rückblick als "Bildung" bezeichnet) nicht auf das, was der auf einen damals noch größeren kleinsten gemeinsamen Nenner zurechtgestutzte Leerplan und die mit mancherlei Problemen kämpfenden Lehrkörper bieten konnten, verlassen, sondern lieber der "raumgreifenden Lektüre" zuwenden durfte.

Aber ich glaube gern, daß andere Schulen und Schüler anders waren und sind.



In a PC world, humour is a capital offence. ~ Taki

xanopos ( gelöscht )
Beiträge:

10.06.2015 10:31
#43 RE: Bildungsgerechtigkeit Antworten

Zitat von Fluminist im Beitrag #42
sondern lieber der "raumgreifenden Lektüre" zuwenden durfte.
Private Lektüre habe ich damals auch schon in großen Mengen verschlungen. Der österreichische Schultyp der HTL bot relativ wenig was unter Allgemeinbildung (Literatur, Geschichte, Philosophie, usw.) fällt. Aber diese Themen habe ich mich gerne freiwillig gewidmet (und tue das bis heute).

Dennis the Menace Offline




Beiträge: 459

10.06.2015 15:29
#44 RE: Bildungsgerechtigkeit Antworten

Zitat von Ulrich Elkmann im Beitrag #38
Zitat von TF im Beitrag #37
Überhaupt ist es eine falsche Tendenz statt Wissen "Kompetenzen" vermitteln zu wollen. Ein solides Basiswissen ist unabdingbar, ohne das bekommt man auch mit rumgooglen so schnell keinen Durchblick.


Dazu kommt noch das factum brutum, daß 90% dieses Weltwissens nicht über die Schule vermittelt werden; auch nie wurden: das wurde in lebenspraktischer Hinsicht (, ) durch das familiäre Umfeld, den Bekanntenkreis, die Lebenserfahrungen zwischen dem 10. & dem 18. Lebensjahr erledigt, was die "Allgemeinbildung", das "Basiswissen, um selber weitermachen zu können" () (um Schwanitzens geplanten Untertitel zu variieren) ergab sich aus raumgreifender Wildbeuter-Lektüre.


Nu ja, aber ob man über's Strümpfestopfen was weiß oder über die Differentialrechnung was weiß ist halt schon ein Unterschied, obwohl beides in der Kiste "Weltwissen" gehört. Es gibt ja eigentlich nix, was da nicht reingehört - kunterbunt durcheinander. Das auseinanderzuklabüstern und plausibel zu ordnen (kannste vergessen versus merk dir das für dein Leben) ist doch die viel diskutierte "Kompetenz": Was empfiehlt sich für mich zu wissen - aus all dem Wissenskram da draußen. Ob man Strümpfestopfen und/oder Differentialrechnung beherrschen sollte erheischt jedenfalls eine Kommt-drauf-an-Antwort. Gut, für beides ist Schule nicht zwingend notwendig. Im Grunde ist das so ähnlich wie beim Führerschein. Papa und/oder Mama können dem Nachwuchs das Autofahren auch beibringen. Er ist indessen ein gewisses Sicherheitszertifikat für die anderen Verkehrsteilnehmer. Schulabschlüsse sind eigentlich nix anderes - im Idealfall .



Zitat von Ulrich Elkmann im Beitrag #38

Das Ausmaß der Misere ist schwer abzuschätzen. Die Klage über den Verlust elementarster Sozialkompetenzen & Kulturtechniken zieht sich seit Anfang der 50er durchs mediale Hintergrundrauschen der Industriestaaten;


Elementarst, elementar, jenseits von elementar weiterführend, höhere Bildung weit weg von elementar……und, und. Was wird da jeweils reingepackt und was nicht? Das Ausmaß der Misere ist möglicherweise deswegen schwer abzuschätzen, weil die Misere ständig neu definiert wird und über diverse mögliche Definitionen obendrein Uneinigkeit herrscht. Beispiel: Englischkenntnisse in D galten vor 50 Jahren noch nicht als elementarer Bestandteil des Bildungskanons. Wird heute mit guten Gründen anders gesehen.

Auch diese Angelegenheit (gilt heute in Mathe allgemein als elementar) war mal 'n ganz heißes Eisen. Wittgenstein hätte die Frage auf dem SPIEGEL-Cover aus vollem Herzen bejaht und empfohlen, die Jugend (inkl. höhere Schulen) von diesem Zeugs fernzuhalten.

"Verderber der Jungend" gab's halt schon viele - von Sokrates über Georg Cantor bis zu Karl May.

Zitat von Ulrich Elkmann im Beitrag #38

zum ersten Mal großes Aufregerthema war das 1955 in den USA mit Rudolf Fleschs "Why Johnny Can't Read" & findet sich dann mindestens 1x pro Jahrzehnt, gerade auch im Zusammenhang mit der Jugendkriminalität & seit 30 Jahren auch mit den No-Go-Areas der europäischen Metropolen.


Tja, die Immerschlimmerritis ist halt seit alters her ein beliebtes Narrativ. Gute Nachrichten sind nun mal schlechte Nachrichten .

R.A. Offline



Beiträge: 8.171

10.06.2015 16:53
#45 RE: Bildungsgerechtigkeit Antworten

Zitat von Ulrich Elkmann im Beitrag #38

Zitat von Nicolaus Fest, 20.5.
Selbst am allereinfachsten Basiswissen fehle es. Was früher jedes Bauernmädchen wusste, ist irgendwie verlorengegangen.


Wie üblich. Das "früher war alles besser" gelingt nur beim Ausblenden der Realität (bzw. durch konsequente Nichtbeschäftigung damit, wie es früher eigentlich gewesen ist).

Meine Großmutter hat in den 30er Jahren Kurse über Ernährung und Hygienie für die Bäuerinnen im Donaumoos gehalten (Opa war der Landarzt). Da mußte sie bei fast Null anfangen.

Z. B. war es bis dahin üblich, die Flasche mit der Milch fürs Baby auf dem Fensterbrett aufzubewahren. Und wenn die nicht ausgetrunken wurde, dann wurde einfach am nächsten Tag mit frischer Milch aufgefüllt. Wenn ein Baby also nicht wirklich täglich die Flasche leerte, bekam es letztlich die Keime von letzter Woche, vermehrt bei Zimmertemperatur ...
Die Kindersterblichkeit war entsprechend hoch.

"Was früher jedes Bauernmädchen wußte" - lächerliche Vorstellung eines städtischen Intellektuellen.

xanopos ( gelöscht )
Beiträge:

11.06.2015 09:36
#46 RE: Bildungsgerechtigkeit Antworten

Zitat von R.A. im Beitrag #45
Meine Großmutter hat in den 30er Jahren Kurse über Ernährung und Hygienie für die Bäuerinnen im Donaumoos gehalten (Opa war der Landarzt). Da mußte sie bei fast Null anfangen.

Z. B. war es bis dahin üblich, die Flasche mit der Milch fürs Baby auf dem Fensterbrett aufzubewahren. Und wenn die nicht ausgetrunken wurde, dann wurde einfach am nächsten Tag mit frischer Milch aufgefüllt. Wenn ein Baby also nicht wirklich täglich die Flasche leerte, bekam es letztlich die Keime von letzter Woche, vermehrt bei Zimmertemperatur ...
Die Kindersterblichkeit war entsprechend hoch.

"Was früher jedes Bauernmädchen wußte" - lächerliche Vorstellung eines städtischen Intellektuellen.
Ich habe noch im Vorjahr einen Bauern davon zu überzeugen versucht, dass es für die Gesundheit seiner Kätzchen zuträglich ist, wenn er ab und zu den Fressnapf reinigen würde. Erfolglos. Stur wie ein Bauernschädel!

Simon Offline



Beiträge: 334

11.06.2015 10:38
#47 RE: Bildungsgerechtigkeit Antworten

Zitat
"Ich habe noch im Vorjahr einen Bauern davon zu überzeugen versucht, dass es für die Gesundheit seiner Kätzchen zuträglich ist, wenn er ab und zu den Fressnapf reinigen würde. Erfolglos. Stur wie ein Bauernschädel!"





Klug, wie ein Bauer nun mal ist,
weiß, dass ein Kätzchen wie ein Kindchen frisst.
Der Unterschied liegt nur im Intellekt,
weil Kätzchen seinen Teller - meistens -
sauber schleckt.

Simon

saxe Offline



Beiträge: 95

11.06.2015 22:15
#48 RE: Bildungsgerechtigkeit Antworten

Ich las gerade Buschkowskys "Andere Gesellschaft". Die in den letzten Kapiteln erfolgende vehemente Befürwortung von Kita-Pflicht und zwingender Ganztagsbeschulung erscheint im Lichte der im Buch vorher ausführlich dargestellten Zustände logisch und richtig. Allerdings verstehe ich nicht wirklich, warum der brave Kleinstadtkleinbürger dazu verdonnert werden soll, nur weil in diversen Großstädten Teile der Bevölkerung diesbezüglich dringend bedürftig erscheinen. In dieser Hinsicht würde ich Differenzierung in Rechten und Pflichten für sinnvoll empfinden. Das scheint aber undurchführbar: alle Bürger oder keine.

Johanes Offline




Beiträge: 2.637

15.06.2015 18:21
#49 RE: Bildungsgerechtigkeit Antworten

Zitat von Llarian im Beitrag #11
Der ambitionierteste Schulleiter der Welt kann nur mit dem arbeiten was er hat, und das ist ein bestimmter Personalschlüssel und ein bestimmter Stamm an Schülern. Er kann aus Schülern mit einem IQ von 80 keine Schüler mit einem IQ von 130 machen.


Wirklich nicht?
Es gibt genug wissenschaftliche Untersuchungen, die zeigen, dass der IQ, den ein Mensch vielleicht mit 12 gemessen bekommt, deshalb nicht stark mit den IQ mit 18 oder später korreliert. Natürlich lässt sich das Abschneiden im IQ-Test durch das richtige Training beeinflussen, nicht umsonst sieht z. B. der Mensa-Test einen gewissen Abstand zwischen zwei Tests vor, um einen Lerneffekt zu vermeiden.
Etwas harsch ausgedrückt: Man sollte das pädagogische Versagen nicht mit der Ausrede, die Schüler seien eben zu dumm, rechtfertigen.

Um Missverständnissen vorzubeugen betone ich noch mal, dass ich das pädagogische Versagen keineswegs ausschließlich bei den Lehrkräften sehe.

Zitat von Llarian im Beitrag #11
Als damals die Rütli-Schule ihren berühmten Brandbrief geschrieben hat, hatte ich auch den Eindruck, dass es sich hier um sehr ambitionierte Lehrkräfte handelt. Dennoch wäre wirklich jedem Schüler zu empfehlen einen Riesenbogen um eine solche Schule zu machen.


Das ist unter anderen einer der Gründe, warum ich für die Abschaffung der Hauptschulen plädiere.

Zitat
Das mehrgliederige Schulsystem basiert auf der Idee Schüler nach Lernniveau zu trennen, um den vorher genannten Fehler zu vermeiden



Um das dreigliedrige Schulsystem in Deutschland zu verstehen, muss man meines Erachtens zunächst die historische Herkunft dieses Schulsystems betrachten. Dabei zeigt es sich, dass bei Einführung des dreigliedrigen keineswegs pädagogische Erwägungen oder Lernpsychologie im Vordergrund stand(en), wir haben es hier vielmehr mit einem historisch so übergekommenen System zu tun.

Die Aufteilung der Schüler in Haupt-, Realschüler und Gymnasiasten, die so viel Einfluss auf den späteren Lebensweg der Schüler hat, entspricht deshalb auch nicht irgendwelchen realen "Leitungsklassen" von Schülern.
Dafür ist das System auch viel zu unflexibel. Wir kennen sicher den ein oder anderen Mitschüler, der z. B. in Sprachen ausgezeichnet war, aber Probleme mit Mathematik hatte. So ein Schüler wird in unseren Bildungssystem entweder "falsch" auf eine bessere Schulform einsortiert, auf der er dann zwar große Probleme mit Mathe hat, dafür aber sein Sprachtalent voll entfalten kann oder er wird "richtig" (aber eigentlich ebenso falsch) auf eine schlechtere Schulform einsortiert. Dort wird er in Mathematik vielleicht durchschnittliche Leistungen erbringen, aber sein Talent für Sprache wird unkultiviert bleiben, eine Chance auf den "höheren" Schultyp besser gefördert und gefordert zu werden hat er nicht. Vielleicht wird er deshalb niemals merken, dass er ein Talent hatte.

Auch ist der Leitungsunterschied zwischen den Schülern der verschiedenen Schulformen nicht so groß, dass den einen langweilig werden muss, damit die anderen nicht überfordert werden. Bei diesen Aussagen fühle ich mich immer an Berichte über Hochbegabte erinnert.
Die Wahrheit ist eher, dass leistungsstärkere Hauptschüler sich wahrscheinlich ohne Probleme an einem Gymnasium etablieren könnten, wenn dort wohl auch zunächst unter den weniger leistungsstarken (und mit enormen Wissenslücken, je nachdem, wann der Wechsel erfolgt).
Um den Einwand vorzugreifen: Tut man Schülern wirklich gut, indem man sie die großen Fische im kleinen Teich sein lässt? Will man sie als Liberaler nicht auf den Wettbewerb in der Wirtschaft vorbereiten?

Zitat
Ich denke man muss dahin kommen, dass jeder genau das aus sich machen kann, was seine Talente ihm erlauben.



Diesen satz sollte man aber nicht etatistisch interpretieren, indem einen vorschwebt, dass der Staat zunächst feststellt, welche Talente ein Kind hat und es dann "sanft" auf die für ihn richtige Bahn lenkt.
Vielmehr sollte man den Schüler selbst die Chance lassen, seine Stärken und Schwächen zu erkunden. Dass der ein oder andere sich übernehmen wird und deshalb scheitert, geschenkt, doch scheint mir das immer noch weniger ärgerlich zu sein als ein Mensch, der unter seinen Leistungen bleibt. Grade in einer alternden Gesellschaft wie der unserigen, die davon lebt, dass es seht gut ausgebildetes Personal in ihr gibt.

Grade die naturwissenschaftlichen Fächer könnten für die Schüler ein Anreiz sein. Doch werden sie meines Erachtens nach eher als Abschreckung verwendet.

Johanes Offline




Beiträge: 2.637

15.06.2015 18:45
#50 RE: Bildungsgerechtigkeit Antworten

Zitat von TF im Beitrag #17
Kann ich bestätigen. Die beiden ehemaligen Hauptschüler, die ich in meiner eigenen Oberstufenzeit erlebte (in NRW), waren allerdings bei weitem zu dumm fürs Abitur und schnell wieder weg.


Die alter Frage nach Ursache und Wirkung. Waren diese Hauptschüler dumm und sind deshalb auf die Hauptschule gekommen oder sind sie erst auf der Hauptschule mangels Anregung und echten Herausforderungen verdummt?
Das ändert vielleicht nichts mehr, wenn das Kind erst in den sprichwörtlichen Brunnen gefallen ist, aber bei einer Debatte um das richtige Schulsystem sollte man das doch im Hinterkopf behalten.

Zitat
Je mehr Schüler man mit großzügiger Notenvergabe in höhere Schulformen kommen, desto mehr wird die Hauptschule allerdings zur Restschule und damit wird der Aufstieg der verbleibenden Hauptschüler natürlich schwieriger.



Das hängt beileibe nicht nur damit zusammen. Der gelehrte Schulstoff auf einer Hauptschule unterscheidet sich von dem eines Gymnasiums. Das ist kein Geheimnis und soll ja auch so sein.
Wenn nun ein Hauptschüler in Klasse 9 die Möglichkeit wahrnehmen will, auf ein Gymnasium zu wechseln, dann muss er unter Umständen viel wichtigen Lehrstoff in Mathematik, den er nicht vermittelt bekommen hat, nachholen, zudem eine zweite Fremdsprache (gibt es an Hauptschulen zumeist nicht) und noch diverse andere Fähigkeiten. Dafür hat er in seiner Zeit auf der Hauptschule bereits jede Menge Dinge gelernt, die ein Gymnasiast wohl entweder nebenbei oder gar nicht gelernt hat, Hauswirtschaft oder grundsätzliches Arbeiten an der Werkbank zum Beispiel. Nur qualifizieren die in diesen Unterrichtsstunden erlernten Fähigkeiten nicht zu einem erfolgreichen Einstieg in den Beruf. Entgegen anderslautenden Gerüchten interessieren sich da nämlich auch Handwerks- und Gastronomiebetriebe eher für Mathe und Deutsch.

Zitat
Wer Abitur hat, empfindet z. B. eine Handwerkslehre als unter seiner Würde, obwohl man danach oft besser verdient als nach vielen berüchtigten Nutzlosstudiengängen für Minderbegabte.



Das hängt auch mit den gesellschaftlichen Ansehen zusammen.
Zudem ist ein Studium für einen jungen Menschen attraktiver als eine Ausbildung.
Die Ausbildung ist praktisch die Fortsetzung des Schulunterrichts mit anderen Mitteln. Zudem ist der Betrieb gemäß BBiG auch berechtigt, zur charakterlichen Erziehung des Azubis beizutragen, was häufig darauf hinausläuft, dass er den Hof fegen darf oder erst Mal nur Ersatzteile durch die Gegend trägt.
Als Student dagegen hat man deutlich mehr Freiheit. Es gibt keine Person, die einen sagt, wann man lernen muss oder auf welchen Weg. Als Student kann man zwar nebenher arbeiten und muss das auch oft tun, aber man ist dabei eben eine Aushilfskraft oder ein "normaler" Angestellter.

Grade in einem Alter, in dem es als normal gilt sich mehr nach einen eigenen Leben und mehr Selbstständigkeit zu sehnen, ist die Entscheidung für ein Studium daher völlig nachvollziehbar. Eher die freiwillige Entscheidung für das Gegenteil erschiene mir erklärungsbedürftig.

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