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ZETTELS KLEINES ZIMMER

Das Forum zu "Zettels Raum"



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 Kommentare/Diskussionen zu "Zettels Raum"
Seiten 1 | 2 | 3
RichardT Offline




Beiträge: 287

06.08.2015 21:49
#26 RE: Vom Bundesanwalt und der Unerträglichkeit Antworten

Zitat von Meister Petz im Beitrag #25

Zitat
Meines Wissens hat der Chef vom Verfassungsschutz Anzeige erstattet. Daraufhin mußte der GBA zwingend ein Ermittlungsverfahren einleiten. Das wollte der BMdJ stoppen?

Muss er nur, wenn ihm der Anfangsverdacht ausreichend erscheint. Das war ja der Streit beim NSA-Thema, wo er es nicht getan hat.

Gruß Petz




Da könnte man jetzt sagen: Wie er's macht ist's falsch!

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Wer ist John Galt?

Paul Offline




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06.08.2015 23:22
#27 RE: Vom Bundesanwalt und der Unerträglichkeit Antworten

Zitat von Meister Petz im Beitrag #23
Zitat von Paul im Beitrag #21
Zunächst musste der Generalbundesanwalt klären, ob überhaupt Landesverrat vorliegt. Im Rahmen dieser Vorklärung wurde er bereits heftig attackiert. Das ist im Rechtsstaat eine Ungeheuerlichkeit.

Nein, ist es nicht. Im Rechtsstaat muss er das aushalten. Wenn gegen mich ein Ermittlungsverfahren läuft, das ich für unangemessen halte, werde ich mich nicht wie ein Lamm zur Schlachtbank führen lassen, sondern mich mit allen Rechten dagegen wehren, die mir zustehen. Und die Meinungsäußerung steht mir, neben anderen Rechten wie Aussageverweigerung, anwaltlicher Beratung und vielem anderen definitiv zu.

Der Rechtsstaat kann gegen mich ermitteln, er kann mich verurteilen. Aber er kann mich nicht zwingen, alle seine Maßnahmen mit wohlwollendem Schweigen zu ertragen. Der Rechtsstaat kann mich nicht einmal dafür bestrafen, wenn ich als rechtskräftig verurteilter Straftäter aus dem Gefängnis entfliehe (er kann mich lediglich wieder einfangen und meine Strafe zu Ende verbüßen lassen).



Lieber Meister Petz,
da stimme ich Ihnen vollkommen zu. Diese Rechte haben Sie und die dürfen Sie auch wahrnehmen.
Habe meine Beiträge noch einmal durchgelesen und nichts gefunden, was dem widersprechen würde.

Sie können sich privat gegen jede staatliche Willkür (auch wenn sie nur gefühlt ist und objektiv nicht vorliegt) mit den gegebenen rechtsstaatlichen Mitteln zur Wehr setzen.

Den beiden Netzblockbetreibern steht das Recht auch zu.

Das was aber von den Medien, nicht von den Netzblockbetreibern, gemacht wurde: Polemische Berichterstattung, die zum Propagandakrieg wurde; Organisation von Demonstrationen, ist der unzulässige Versuch das Recht in die eigenen Hände zu nehmen.
Im Ergebnis war es erfolgreich, weil sich sowohl der Justizminister als auch die Kanzlerin dem erzeugten Mediendruck gebeugt haben. Das widerspricht den Prinzipien eines Rechtsstaates.

Das lässt mich sorgenvoll in die Zukunft blicken.

Aber, dass ist meine Hoffnung, das letzte Wort ist in dieser Angelegenheit noch nicht gesprochen.


LG, Paul

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Paul Offline




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06.08.2015 23:59
#28 RE: Vom Bundesanwalt und der Unerträglichkeit Antworten

Zitat von Meister Petz im Beitrag #23
Aber das Gutachten ist doch bereits Teil der Ermittlungen. es wurde von Anfang an von Landesverrat ausgegangen. Und diese Anzeige muss der GBA keineswegs verfolgen. Denn die Einschätzung des Straftatbestandes obliegt ihm und nicht dem Anzeigenden.


Das sehe ich, lieber Meister Petz, ein klein wenig anders.
Das Gutachten ist die Grundlage für die Ermittlung. Der Generalbundesanwalt war sich nicht sicher, ob Landesverrat vorliegt. Nicht jeder Jurist ist in allen Rechtsgebieten zu Hause. Wenn er sich sicher gewesen wäre, hätte er das Gutachten nicht in Auftrag geben müssen. Insofern widerspreche ich Ihnen.

Ich wiederhole Ihre Meinung:

Zitat
Denn die Einschätzung des Straftatbestandes obliegt ihm und nicht dem Anzeigenden.


Da haben Sie vollkommen recht. Aber genau für diese Einschätzung brauchte er, nach seiner Meinung, das Gutachten.

Er hat also vollkommen korrekt gehandelt und nicht par Ordre du Mufti entschieden.

Ihr Beispiel, das Sie im Weiteren aufgeführt haben ist richtig, trifft aber, wie ich Oben verständlich machen wollte, auf diesen Sachverhalt nicht zu,

Natürlich lösen offensichtliche Falschanzeigen kein Ermittlungsverfahren aus. (Beim Beispiel mit der Ohrfeige wäre ich vorsichtig. Sie erinnern sich an die Ohrfeige mit Todesfolge für das junge Mädchen auf dem Parkplatz? Da lief wohl auch das Ermittlungsverfahren wegen Mordverdacht?)

LG, Paul

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JE SUIS JUIF

Paul Offline




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07.08.2015 00:23
#29 RE: Vom Bundesanwalt und der Unerträglichkeit Antworten

Zitat von Meister Petz im Beitrag #24
Aber noch einen Satz zum Gutachten: Ein Rechtsgutachten ist nicht zur Objektivität verpflichtet, genau so wenig, wie Ihr Anwalt, wenn Sie vor Gericht stehen. Das heißt, dass ein Rechtsgutachten nicht klären kann, ob Landesverrat vorliegt oder nicht. Das kann nur ein Richter.



Lieber Meister Petz,
da wird Ihnen niemand widersprechen. Ich auch nicht.
Trotzdem kann das Gutachten die Grundlage für ein Ermittlungsverfahren sein. Denn ohne Ermittlungsverfahren kein Strafverfahren und ohne Strafverfahren kein Richterspruch.
Dem GBA kann also kein Vorwurf gemacht werden.
Dem BJM mache ich den Vorwurf der Strafvereitlung im Amt. Wie ich gehört habe, soll in Berlin schon eine entsprechende Anzeige vorliegen. Mal sehen was daraus wird?

LG, Paul

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Paul Offline




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07.08.2015 00:40
#30 RE: Vom Bundesanwalt und der Unerträglichkeit Antworten

Zitat von Meister Petz im Beitrag #25

Zitat
Meines Wissens hat der Chef vom Verfassungsschutz Anzeige erstattet. Daraufhin mußte der GBA zwingend ein Ermittlungsverfahren einleiten. Das wollte der BMdJ stoppen?

Muss er nur, wenn ihm der Anfangsverdacht ausreichend erscheint. Das war ja der Streit beim NSA-Thema, wo er es nicht getan hat.



Die Verquickung dieses Themas mit NSA halte ich für sehr unglücklich, weil es sich um eine ganz andere Situation handelt.
Der GBA war der Meinung, dass keine Beweise für die Abhöraktionen der NSA vorliegen bzw. die vorgebrachten Beweise nicht beweiskräftig genug waren. Das mit dem Kanzlerhandy hat sich wohl auch in Luft aufgelöst?
Außerdem befürchtete er internationale Verwicklungen. Deshalb hat er kein Ermittlungsverfahren eröffnet. Übrigens im Einvernehmen mit dem BJM und der Kanzlerin.

Im vorliegenden Fall liegt völlig anders. Klar war, dass aus einem Geheimdokument veröffentlicht wurde. Deshalb war das Ermittlungsverfahren schlüssig. Unklarheiten gab es über den Straftatbestand. Die Klärung hat der Justizminister par ordre du Mufti herbei geführt.

Hoch lebe der Rechtsstaat.

LG, Paul

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Meister Petz Offline




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07.08.2015 02:44
#31 RE: Vom Bundesanwalt und der Unerträglichkeit Antworten

Zitat von Paul im Beitrag #27
Das was aber von den Medien, nicht von den Netzblockbetreibern, gemacht wurde: Polemische Berichterstattung, die zum Propagandakrieg wurde; Organisation von Demonstrationen, ist der unzulässige Versuch das Recht in die eigenen Hände zu nehmen.

Auch die Organisation von Demonstrationen ist nach Art. 5 GG keineswegs unzulässig. Sie haben doch selber schon an welchen teilgenommen . Das hat nichts damit zu tun, das Recht in die eigenen Hände zu nehmen, sondern schlicht und ergreifend Artikulation von Interessen.
Zitat von Paul im Beitrag #27
Im Ergebnis war es erfolgreich, weil sich sowohl der Justizminister als auch die Kanzlerin dem erzeugten Mediendruck gebeugt haben. Das widerspricht den Prinzipien eines Rechtsstaates.

Das wäre der Fall, wenn ein Richter aufgrund der öffentlichen Meinung sich anders entschieden hätte. Ansonsten ist es einfach politisch motiviertes Handeln. Ich kann es nicht oft genug wiederholen: Im Rahmen des Rechtsstaates, weil eine gesetzliche Handhabe vorliegt.

Eine ganz andere Frage, die sich mir in dem Zusammenhang stellt: Warum hat nicht de Maizière einfach den Verfassungsschutzpräsi zurückgepfiffen und ihn die Anzeige zurücknehmen lassen? Wäre die elegantere Lösung gewesen - wo kein Kläger, da kein Richter.

Gruß Petz

Free speech is so last century. (Brendan O'Neill)

Meister Petz Offline




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07.08.2015 03:05
#32 RE: Vom Bundesanwalt und der Unerträglichkeit Antworten

Zitat von Paul im Beitrag #28

Zitat
Denn die Einschätzung des Straftatbestandes obliegt ihm und nicht dem Anzeigenden.

Da haben Sie vollkommen recht. Aber genau für diese Einschätzung brauchte er, nach seiner Meinung, das Gutachten.


Ich glaube, es lohnt sich, die Vorgänge mal genauer zu betrachten. Hier sind sie meines Wissens korrekt wiedergegeben:
https://www.tagesschau.de/inland/netzpol...96b171552e.html

Das Ganze wirft einige Fragen auf:

1. So wie es aussieht, hat die Anzeige gegen die Journalisten erst nach der zweiten Veröffentlichung stattgefunden. Gegen das interne Leck hat man (wie sie mich zu Recht korrigiert haben) schon vorher ermittelt, offensichtlich erfolglos. Warum lautete die Anzeige gleich auf Landesverrat und nicht auf Verrat von Dienstgeheimnissen? Die Mühe, auch das erste Gutachten, hätte man sich sparen können, ginge es nur darum, das Leck zu stopfen.

2. Nachdem man erfolglos im Verfassungsschutzamt rumermittelt hat, und die Journalisten nicht aufhören mit dem Veröffentlichen, werden sie, klickeradomms, ebenfalls angezeigt. Das riecht schon arg nach Einschüchterung.

3. Es gibt ja in Wirklichkeit zwei Gutachten: Das erste vom Verfassungsschutz selber . Dem traut Range zu Recht nicht und gibt ein zweites, unabhängiges in Auftrag. Aber warum wartet er nicht, bis es da ist, sondern beginnt die Ermittlungen schon drei Wochen vorher?

Zitat von Paul im Beitrag #28
Er hat also vollkommen korrekt gehandelt und nicht par Ordre du Mufti entschieden.

Kann er auch gar nicht. Weil er kein Mufti ist. der Mufti ist Maas.

Zitat von Paul im Beitrag #28
Natürlich lösen offensichtliche Falschanzeigen kein Ermittlungsverfahren aus. (Beim Beispiel mit der Ohrfeige wäre ich vorsichtig. Sie erinnern sich an die Ohrfeige mit Todesfolge für das junge Mädchen auf dem Parkplatz? Da lief wohl auch das Ermittlungsverfahren wegen Mordverdacht?)

Wenn es so wäre, würde es mein Beispiel genau bestätigen. Denn eine Tötungsabsicht aus einer Ohrfeige zu konstruieren ist genau der Maximalvorwurf. Körperverletzung mit Todesfolge tuts auch.

Gruß Petz

Free speech is so last century. (Brendan O'Neill)

Meister Petz Offline




Beiträge: 3.923

07.08.2015 03:30
#33 RE: Vom Bundesanwalt und der Unerträglichkeit Antworten

Zitat von Paul im Beitrag #30
Die Verquickung dieses Themas mit NSA halte ich für sehr unglücklich, weil es sich um eine ganz andere Situation handelt.
Der GBA war der Meinung, dass keine Beweise für die Abhöraktionen der NSA vorliegen bzw. die vorgebrachten Beweise nicht beweiskräftig genug waren. Das mit dem Kanzlerhandy hat sich wohl auch in Luft aufgelöst?
Außerdem befürchtete er internationale Verwicklungen. Deshalb hat er kein Ermittlungsverfahren eröffnet. Übrigens im Einvernehmen mit dem BJM und der Kanzlerin.

Die Situationen sind ähnlicher als Sie meinen. Denn im einen Fall ging es um diplomatische Verwicklungen, im anderen Fall um eine Einschränkung der Pressefreiheit. Beide Male eine Güterabwägung nach dem Opportunitätsprinzip, das - der Vollständigkeit halber, durchaus rechtsstaatlich ist. Wie immer erleichtert ein Blick ins Gesetz die Rechtsfindung - 153d Strafprozessordnung ist hier einschlägig. http://www.gesetze-im-internet.de/stpo/__153d.html
Zitat von Paul im Beitrag #30
Im vorliegenden Fall liegt völlig anders. Klar war, dass aus einem Geheimdokument veröffentlicht wurde. Deshalb war das Ermittlungsverfahren schlüssig. Unklarheiten gab es über den Straftatbestand. Die Klärung hat der Justizminister par ordre du Mufti herbei geführt.

Das Ermittlungsverfahren gegen die Quelle war schlüssig. Nicht das gegen die Journalisten. Und ich weiß gar nicht, warum Sie so auf dem Ordre de Mufti rumreiten. Es ist nun mal im Gesetz so vorgesehen, dass der Justizminister anschafft und der GBA ausführt. Deshalb spielt es auch keine Rolle ob vorher ein Einvernehmen bestand oder nicht.

Ob das Thema "Strafvereitelung im Amt" Aussicht auf Erfolg hat, kann ich nicht beurteilen - es hängt wohl an der Frage, welcher Wert dem zweiten Gutachten beigemessen wird und ob Range oder Maas glaubwürdiger ist.
Zitat von Paul im Beitrag #30
Hoch lebe der Rechtsstaat.

Um nicht missverstanden zu werden: Ich finde diese Regel auch problematisch, und würde mir wünschen, dass es eine hier eine klarere Gewaltenteilung gäbe. Aber solange geltendes Recht eingehalten wird, gibt es keinen Grund, einen Abgesang auf den Rechtsstaat anzustimmen.

Gruß Petz

Free speech is so last century. (Brendan O'Neill)

nachdenken_schmerzt_nicht Offline




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07.08.2015 10:34
#34 RE: Vom Bundesanwalt und der Unerträglichkeit Antworten

Zitat von Meister Petz im Beitrag #33
Ob das Thema "Strafvereitelung im Amt" Aussicht auf Erfolg hat, kann ich nicht beurteilen - es hängt wohl an der Frage, welcher Wert dem zweiten Gutachten beigemessen wird und ob Range oder Maas glaubwürdiger ist.
Ich mag mich täuschen, aber ich erwarte nicht, dass es diese Untersuchung geben wird. Was sicherlich auch damit zusammenhängt, dass die Verquickungen rechtlich sind, wie sie sind.

Zitat von Meister Petz im Beitrag #33
gibt es keinen Grund, einen Abgesang auf den Rechtsstaat anzustimmen
In meinen Augen ist das richtig. Es gibt aber zwei Dinge, die trotzdem kritisch sind:

1) Die Verwquickung von Politik und Justiz, die sich in diesem Falle klar als mindestens problematisch herausstellt. Das haben Sie ja ebenfalls mehrfach erwähnt.

2) Wie oben geschrieben, liegt es im Bereich des möglichen, dass ein Justizminister sich der Strafvereitelung im Amt schuldig machte. Wir haben es also nicht mit einem Abgesang auf den Rechtsstaat zu tun, aber möglicherweise mit einem Justizminister, der Justizia die Augenbinde im eigenen Interesse auch gerne einmal abnimmt. Mit solch einem Minister hätte ich persönlich ein echtes Problem und ich wünschte mir, dass dies geklärt wird. Was wohl nicht geschieht und das ist sehr problematisch. Wenn das auch keinen Abgesang auf den Rechtsstaat rechtfertigt, verdeutlicht es noch einmal eine aktuelle Schwäche des unseren.


Vielen dank übrigens für die sehr anregende Diskussion zwischen Paul und Ihnen. Ich habe einiges gelernt und mir ist noch einmal viel klarer geworden, dass die mitunter große Erregung über die Verquickung vieler unterschiedlicher Themen entsteht.

1) Die Zeitschiene des Geschehens und die sich ändernden Haltungen der Beteiligten, vor allem der Minister / Bundeskanzlerin, in dieser Zeitlinie.

2) Die möglicher Unverhältnismäsigkeit im Rahmen der Verfahrenseröffnung

3) Der Vergleich zur NSA

4) Das formal richigte Verhalten des Justizministers, das aber möglicherweise strafrechtlich nicht einwandfrei ist.

5) Die Art und Weise der Kommunikation zwischen Minister und GBA

6) Die mehrfach erwähnte, unglückliche Verquickung von Justiz und Politk.

Alles müßte eigentlich getrennt Diskutiert werden, um die Diskussion klar führen zu können. Leider aber geschieht oft das genaue Gegenteil: Mit Argumenten zu einem bestimmten Punkt wird versucht Argumente zu einem anderen zu bekräftigen oder zu widerlegen.

Herzlich


nachdenken_schmerzt_nicht

"Dort, wo es keine sichtbaren Konflikte gibt, gibt es auch keine Freiheit." - Montesquieu

Paul Offline




Beiträge: 1.285

07.08.2015 15:00
#35 RE: Vom Bundesanwalt und der Unerträglichkeit Antworten

Lieber Meister Petz,
vielen Dank für diesen Link,

Edith: aus #32
Ich glaube, es lohnt sich, die Vorgänge mal genauer zu betrachten. Hier sind sie meines Wissens korrekt wiedergegeben:
https://www.tagesschau.de/inland/netzpol...96b171552e.html

der sehr übersichtlich den Vorgang auflistet. Auch die Schwachstelle, Maas versus Range wird m.E. gut dargestellt. Es steht Wort gegen Wort und jeder kann sich seinen "Reim darauf machen".
Das können wir auch unterschiedlich bewerten. Ich beurteile das eher als das Einknicken von Maas, der sich bei den Medien aus der "Schusslinie bringen möchte". Das ist verständlich, aber m.E. wird es dann unehrenhaft, wen ein Anderer, in diesem Fall Range, auf die "Schlachtbank" gelegt wird.

Sie bewerten das anders, wenn ich Sie richtig verstanden habe.
Damit liefern wir einen schönen Beweis für Meinungsfreiheit.

Leider hat die verlinkte Tagesschauzusammenstellung einen, m.E. schon nicht mehr kleinen, "Schönheitsfehler":

Zitat
13. Mai: Der Generalbundesanwalt leitet ein Ermittlungsverfahren gegen Beckedahl und Meister ein.



Das mag noch durchgehen. Für mich ist das nicht überprüfbar, weil ich das Originalschreiben nicht finden konnte.

Hier wird es dann aber schon falsch. Durch Weglassung falsch:

Zitat
24. Juli: Auf diesen Tag ist der Brief datiert, in dem der Generalbundesanwalt Beckedahl und Meister über die Einleitung des Ermittlungsverfahrens informiert.

30. Juli: Der Brief geht bei Beckedahl und Meister ein. Sie stellen ihn online, der Fall wird öffentlich bekannt und löst einen Sturm der Entrüstung aus.



Der angehängte Link (ist im Original abrufbar) verweist auf die Tagesschau, ist also ein Eigenzitat.

Netzwerk.org hat selbst den Wortlaut der Mitteilung korrekt veröffentlicht (darauf habe ich auch schon hingewiesen).
Hier "Zwecks Eindringlichkeit und Reklame", wie meine Oma zu sagen pflegte, noch einmal:

Zitat
Wir haben Post vom Generalbundesanwalt erhalten. Darin bestätigt er die Ermittlungen gegen Markus, mich und Unbekannt „wegen Verdachts des Landesverrats“ nach § 94 Strafgesetzbuch:
Hervorhebung von mir.


https://netzpolitik.org/2015/verdacht-de...unsere-quellen/

Warum wird in den Medien, auch in der Tagesschau, dieses sehr wichtige "und Unbekannt" weg gelassen?
"Ein Hundsfott, wer Böses dabei denkt?"

Für mich ist diese Weglassung eine ganz perfide Art der Verdrehung von Tatsachen, weil sie so schwer durchschaubar ist. Jeder, na ja, fast jeder, springt auf den Zug auf der heißt: Achtung die Pressefreiheit ist bedroht. Das ist Propaganda, das ist Demagogie. Kann sein, dass mich 40 Jahre DDR allergisch gemacht haben, mich besonders sensibilisiert haben.

Lieber Meister Petz,
nichts für Ungut. Aber von dieser Meinung werde ich nicht abgehe, es sei den Sie haben noch starke Fakten oder Argumente gegen meine Meinung "im Köcher".

Eine andere Bewertung der Fakten steht Ihnen zu und ich will Sie auch nicht überzeugen, sondern nur meine, eine andere Meinung, dagegen setzen.

LG, Paul

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JE SUIS JUIF

Meister Petz Offline




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07.08.2015 15:40
#36 RE: Vom Bundesanwalt und der Unerträglichkeit Antworten

Zitat
Lieber Meister Petz,
nichts für Ungut. Aber von dieser Meinung werde ich nicht abgehe, es sei den Sie haben noch starke Fakten oder Argumente gegen meine Meinung "im Köcher".

Eine andere Bewertung der Fakten steht Ihnen zu und ich will Sie auch nicht überzeugen, sondern nur meine, eine andere Meinung, dagegen setzen.



Für ihr Argument spricht, dass tatsächlich in den Medien von der Anzeige gegen Unbekannt so wenig die Rege ist, dass ich es auch nur mit einiger Recherche rausgefunden habe und bis gestern der Meinung war, dass dieses Verfahren noch aussteht.

Gegen Ihr Argument spricht, gerade in bezug auf den Tagesschau-Link, dass da ja von der Anzeige die Rede ist:

Zitat
Netzpolitik.org zitiert in einem Artikel aus internen Unterlagen des Bundesamts für Verfassungsschutz (BfV). Darin geht es um Pläne des Inlandsgeheimdiensts, massenhaft Internet-Inhalte auszuwerten. BfV-Präsident Hans-Georg Maaßen sieht einen Verrat von Staatsgeheimnissen: Er stellt eine erste Strafanzeige. Sie richtet sich gegen "Unbekannt". Die Namen von Markus Beckedahl und Andre Meister werden in der Anzeige aber erwähnt.Das BfV reicht die Anzeige aber nicht bei der eigentlich zuständigen Staatsanwaltschaft in Berlin ein, sondern beim Staatsschutz im Landeskriminalamt (LKA). Der ist für normale Dienstgeheimnisse gar nicht zuständig - kann jedoch tätig werden, wenn es um den Verrat eines Staatsgeheimnisses geht. Das BfV bittet darum, die Sache "unter allen rechtlichen Gesichtspunkten" zu überprüfen.



Daraus geht hervor, dass auch gegen Unbekannt ermittelt wird - mit dieser Information habe ich ja Ihren Hinweis auf die Ermittlungen hinsichtlich der Quelle für mich bestätigt, also hier hatte ich nicht den Eindruck, dass etwas weggelassen würde. Dass Unbekannt in dem Brief nicht mehr auftaucht, erklärt sich auch so, dass es lediglich um die Information der Journalisten ging. Einem Unbekannten kann man schließlich kein Schreiben zustellen, dass gegen ihn ermittelt wird.

Zitat
Für mich ist diese Weglassung eine ganz perfide Art der Verdrehung von Tatsachen, weil sie so schwer durchschaubar ist. Jeder, na ja, fast jeder, springt auf den Zug auf der heißt: Achtung die Pressefreiheit ist bedroht. Das ist Propaganda, das ist Demagogie. Kann sein, dass mich 40 Jahre DDR allergisch gemacht haben, mich besonders sensibilisiert haben.


Wie gesagt, so perfide ist sie gar nicht, weil der Sachverhalt ja aus dem Text hervorgeht. Und deshalb gilt für mich auch hier: https://de.wikipedia.org/wiki/Hanlon%E2%80%99s_Razor

Und noch ein Punkt spielt rein, der ebenfalls nichts mit Demagogie zu tun hat: Der Nachrichtenwert. Dass gegen einen Beamten, der Interna an die Presse weitergibt, ermittelt wird, ist Tagesgeschäft und interessiert auf Deutsch gesagt keine Sau. Wenn gegen einen Journalisten ermittelt wird, ist das außergewöhnlich, weil es selten vorkommt. Deshalb ist es interessanter und steht im Fokus - gerade wenn es sich noch dazu um einen Kollegen der eigenen Zunft handelt.

Aber ihr letzter Satz hat mir zu denken gegeben. Deshalb, darf ich mal ganz vorsichtig nachfragen, wie 40 Jahre DDR Sie in bezug auf die Überwachung der Bürger durch Inlandsgeheimnidienste sensibilisiert haben? Ich bin ja durchaus geneigt, Llarian zuzustimmen, dass der Inhalt des Papiers ein starkes Stück zeigt, das der Verfassungsschutz sich da rausnimmt.

Gruß Petz

Free speech is so last century. (Brendan O'Neill)

Llarian Offline



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08.08.2015 11:13
#37 RE: Vom Bundesanwalt und der Unerträglichkeit Antworten

Zitat von Emulgator im Beitrag #4
Sie meinen öffentliche Daten. Daten werden erst zu Informationen, wenn sie verarbeitet/interpretiert werden. Wenn der Roboter mich begleitet, dann erhebt er Daten über mich. Er fängt nicht einfach Daten auf, die es schon fertig von mir gibt. Beispielsweise verletzt es mein Recht am eigenen Bildnis, wenn ich unerlaubt photographiert werde.

Was ist denn das Recht am eigenen Bildnis ? Doch am Ende nichts weiter als eine Manifestation, dass niemand ein Bild von Ihnen machen darf, auch wenn es in der Öffentlichkeit (!) geschieht. Das Prinzip ist genau das selbe: Sie begeben sich an einen öffentlichen Ort und haben trotzdem das Recht, dass niemand ein Bild von Ihnen macht. Genauso übrigens (ein vielleicht besserer Vergleich) wie sie auch ein Recht darauf haben, dass niemand Sie belauscht. Denn Sie haben auch das Anrecht auf die Vertraulichkeit des Wortes. Und das, obschon sie Daten selbstverständlich (!) durchaus öffentlich verfügbar sind. Oder von Ihnen durch ein Telefon gesprochen werden.

Zitat
Aber wer meine Postkarte betrachtet oder den Selfie von meiner elektronischen Postkarte kopiert, der erhebt keine Daten über mich, sondern nutzt einfach, wo ich mein Verfügungsrecht über meine Daten freigiebig ausgeübt habe.


Und genau das haben Sie eben nicht getan. Wenn ich die Öffentlichkeit betrete, gebe ich mein Recht am eigenen Bild nicht auf. Wenn ich telefoniere, auch ohne das Gespräch zu verschlüsseln, habe ich trotzdem mein Recht an der Vertraulichkeit des Wortes nicht aufgegeben. Und wenn ich meine Wohnungstür nicht abschliesse gebe ich auch die Unverletzlichkeit der Wohnung nicht auf. Und genauso halte ichs mit meinen Datenverbindungen. Sie sind öffentlich erreichbar, klar, genauso wie ich fotographiert werden kann, wie man meine Gespräche abhören kann oder in meine offene Wohnung eindringen kann, aber ich habe dem nie zugestimmt. Ich war nie freigiebig. Unvorsichtig vielleicht, aber nie freigiebig.

Zitat
Die Daten können ja auch von privaten Kriminellen abgefangen werden oder von einem Drittstaat (der sie via Geheimdienstkooperation an unseren Staat weiterverkauft).


Kriminelle können auch bei mir einbrechen, deswegen gebe ich dem Staat nicht das Recht das auch zu tun. Und ich fühle mich tatsächlich von kriminellen "Internetabhörern" (mal ab von staatlichen) auch nicht wirklich bedroht. Zum einen haben die nicht die Ressourcen um das flächendeckend zu treiben, zum anderen stehen die nicht morgens an meiner Wohnungstür und wollen mir was. Wenn die NSA Daten über mich sammelt ist das doof für mich, aber die haben in Deutschland keine Jurisdiktion. Einfache Kriminelle erst recht nicht.

Zitat von Llarian im Beitrag #3
Sie zahlen also bar.

Mal so, mal so. Aber zum einen fand (und finde) ich den Sturz des Bankgeheimnisses immer noch daneben, zum anderen übermittelt Aldi nicht mehr als eine Summe, da ist der Schaden noch übersichtlich. Es ist genau der selbe Punkt wie oben: Ich bestreite nicht, dass der Staat das kann. Ich bestreite, dass er es dürfen sollte.

Llarian Offline



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08.08.2015 11:31
#38 RE: Vom Bundesanwalt und der Unerträglichkeit Antworten

Zitat von Meister Petz im Beitrag #5
Wenn der GBA im Fall netzpolitik.org weisungsgebunden ist gegenüber Maas und der Kanzlerin, dann ist er es im Fall NSA auch. Du kannst ihm also nicht persönlich ankreiden, dass er da nicht ermittelt hat. Denn er ist abhängig von der Zustimmung und Anweisung seines Dienstherrn.

Das tu ich auch nicht, lieber Petz. Vielleicht habe ich es nicht so gut rübergebracht, aber mir ist die Person Range eigentlich vergleichweise egal. Meine Bemerkung ging eher in die Richtung, was das überhaupt für eine Republik ist, die zum einen Ermittlungen gegen die absolut offensichtlichen (!) Rechtsbrüche der NSA wegen "mangelndem Verdacht" einstellt, aber hier den Landesverrat auspackt. Dabei gehts nicht um Range sondern um das System dahinter, bei dem die Wertvorstellungen inzwischen vollkommen durcheinander sind. Ob Maas dahintersteckt, Merkel oder Diabolo Huggi Bär ist mir zwar nicht schnurz, aber das ist nicht das wichtige. Entscheidend scheint mir zu sein, was hier passiert ist. Und die Einstellung durch Maas, die für sich ja auch stinkt, hilft dem nicht ab, wie es bis dahin gelaufen ist.

Zitat
Die Antwort ist für einen Verfechter des Rechtsstaates ganz einfach. Nicht der Exekutive, schon gar nicht der Kommentarspalten (oder wie ich formuliert habe, der PRD). Er soll der Büttel des Gesetzes sein. Sonst niemandes.


Dann müsster er Teil der Judikative sein. Das ist er aber nicht. Wobei ich sogar der Meinung bin, dass auch Richter für die Allgemeinheit arbeiten und nicht für einen Gesetzestext. Wenn es eine massive Diskrepanz gibt zwischen öffentlicher Meinung und Gesetz, dann muss man wenigstens die Frage stellen, ob das Gesetz so richtig sein kann. Am Ende müssen auch die Gesetze eine Reflektion unser aller Willen sein. Und, um dem Einwand zuvor zu kommen, in einer Gesellschaft mit Gesetzen, die egal wie sehr sie einzelne schützen, von einer Mehrheit abgelehnt werden, kann es früher oder später nur zu schweren Konflikten kommen.

Zitat
Aber ehrlich gesagt wundert mich etwas, dass Du der öffentlichen Meinung so einen hohen Stellenwert einräumst, weil Du gerade im Hinblick auf das Rechtsstaatsverständnis der breiten Masse sonst eher skeptisch bist.


Ich glaube auf die lange Bank ist die "breite Masse" deutlich besser als ihr Ruf. Und das muss sie auch sein, sonst können wir den deutschen Rechts(!)staat auch nicht aufrecht erhalten. Man muss nur die Masse vom Mob unterscheiden. Wenn gerade wieder ein Kindermörder (schönen Gruss an Herrn Gäfgen) wieder für Furor sorgt, sind die Rufe nach Körperstrafen wieder total mehrheitsfähig. Das ist dann die typische Mobmentalität. Aber hat sich die Emotion gelegt, ist diese Mehrheit irgendwann nicht mehr da. Entgegen der berüchtigten Umfragen (die natürlich immer dann gemacht werden, wenn der Furor tobt) dürfte eine Mehrheit eigentlich keine Körperstrafen wünschen.
Um auf den Fall zu kommen: Ich glaube das die Pressefreiheit, genauso wie der Wunsch nicht ausspioniert zu werden, den meisten Leuten auch langfristig am Herzen liegt. Genau deshalb hat ja Merkel, respektive Maas, so schnell versucht das Steuer rumzureissen. Aber die Diskrepanz, die ich so wichtig finde, hat sich vor allem in den Wochen vor der Öffentlichkeitsnummer der beiden abgespielt.

Meister Petz Offline




Beiträge: 3.923

08.08.2015 12:50
#39 RE: Vom Bundesanwalt und der Unerträglichkeit Antworten

Zitat von Llarian im Beitrag #38

Zitat
Die Antwort ist für einen Verfechter des Rechtsstaates ganz einfach. Nicht der Exekutive, schon gar nicht der Kommentarspalten (oder wie ich formuliert habe, der PRD). Er soll der Büttel des Gesetzes sein. Sonst niemandes.

Dann müsster er Teil der Judikative sein. Das ist er aber nicht. Wobei ich sogar der Meinung bin, dass auch Richter für die Allgemeinheit arbeiten und nicht für einen Gesetzestext. Wenn es eine massive Diskrepanz gibt zwischen öffentlicher Meinung und Gesetz, dann muss man wenigstens die Frage stellen, ob das Gesetz so richtig sein kann. Am Ende müssen auch die Gesetze eine Reflektion unser aller Willen sein. Und, um dem Einwand zuvor zu kommen, in einer Gesellschaft mit Gesetzen, die egal wie sehr sie einzelne schützen, von einer Mehrheit abgelehnt werden, kann es früher oder später nur zu schweren Konflikten kommen.


Nein, er muss nicht Teil der Exekutive sein. Die ausführende Gewalt, also Regierung, Polizei und Staatsanwaltschaft beschäftigen sich mit der Durchsetzung der Gesetze (im Englischen ist der Begriff klarer, man spricht von law enforcement). Regierung und Staatsanwalt wie auch Polizei sind keine Dienstleister, sondern erhalten den Rechtsstaat aufrecht (dass dazu natürlich ein Mindestmaß an rechtsstaatlichem Denken gehört, darüber sind wir uns einig).

Was nun die Tatsache angeht, dass Gesetze oft vom Rechtsempfinden der Bevölkerung abweichen: das ist explizit keine Aufgabe für die Regierung. Dafür sieht der Rechtsstaat eine Gesetzgebung in Form von Parlamenten vor, die die Gesetze im Auftrag der Bevölkerung ändern. Nicht rechtsstaatlich ist es, wenn die Exekutive sich über das Gesetz hinwegsetzt mit der Begründung "Volkswillen", das ist ein typisches Kennzeichen von Unrechtsstaaten.

Aber das passiert ja sowieso in den seltensten Fällen. Schwieriger ist es, wenn das Gesetz (wie viele Gesetze) einen Spielraum bieten. So ist es ja hier auch: Maaßen kann die Journalisten anzeigen, muss es aber nicht. Range kann gegen sie ermitteln, muss es aber nicht. Maas kann die Ermittlungen laufen lassen, muss es aber nicht. Da ist kluges Handeln gefragt, und das sehe ich zugegeben bei keinem der Beteiligten.

Zitat von Llarian im Beitrag #38

Zitat
Aber ehrlich gesagt wundert mich etwas, dass Du der öffentlichen Meinung so einen hohen Stellenwert einräumst, weil Du gerade im Hinblick auf das Rechtsstaatsverständnis der breiten Masse sonst eher skeptisch bist.

Ich glaube auf die lange Bank ist die "breite Masse" deutlich besser als ihr Ruf. Und das muss sie auch sein, sonst können wir den deutschen Rechts(!)staat auch nicht aufrecht erhalten. Man muss nur die Masse vom Mob unterscheiden. Wenn gerade wieder ein Kindermörder (schönen Gruss an Herrn Gäfgen) wieder für Furor sorgt, sind die Rufe nach Körperstrafen wieder total mehrheitsfähig. Das ist dann die typische Mobmentalität. Aber hat sich die Emotion gelegt, ist diese Mehrheit irgendwann nicht mehr da. Entgegen der berüchtigten Umfragen (die natürlich immer dann gemacht werden, wenn der Furor tobt) dürfte eine Mehrheit eigentlich keine Körperstrafen wünschen.
Um auf den Fall zu kommen: Ich glaube das die Pressefreiheit, genauso wie der Wunsch nicht ausspioniert zu werden, den meisten Leuten auch langfristig am Herzen liegt. Genau deshalb hat ja Merkel, respektive Maas, so schnell versucht das Steuer rumzureissen. Aber die Diskrepanz, die ich so wichtig finde, hat sich vor allem in den Wochen vor der Öffentlichkeitsnummer der beiden abgespielt.


Ich glaube auch, dass die breite Masse besser ist als ihr Ruf. Schwierig ist nur (und man sieht es in der Diskussion zur PRD), die breite Masse hinter all denen zu finden, die sich anmaßen, für sie zu sprechen. Letztere sind nämlich oft nicht weit (oder gar nicht) vom Mob entfernt.

Gruß Petz

Free speech is so last century. (Brendan O'Neill)

Emulgator Offline



Beiträge: 2.875

08.08.2015 17:31
#40 RE: Vom Bundesanwalt und der Unerträglichkeit Antworten

Zitat von Llarian im Beitrag #37
Das Prinzip ist genau das selbe: Sie begeben sich an einen öffentlichen Ort und haben trotzdem das Recht, dass niemand ein Bild von Ihnen macht. Genauso übrigens (ein vielleicht besserer Vergleich) wie sie auch ein Recht darauf haben, dass niemand Sie belauscht.
Das Prinzip ist nicht dasselbe, und ich habe kein Recht darauf, daß jemand auf der öffentlichen Straße stehend sein Ohr nicht zum Lauschen an meine Haustür hält. Um den Unterschied zu begreifen, muß man betrachten, mit wem ich eine Übereinkunft welchen Inhaltes habe. Mit denen in meinem Hause: Jawohl, meine Gäste dürfen dort keine Wanzen anbringen, weil ich es nicht erlaube. Mit der Telefongesellschaft: Auch mit ihr. Sie darf nicht die Telefonate mitschneiden und auswerten, außer um mir vertragsgemäß Rechnungen zu schreiben. Mit den Menschen in der Öffentlichkeit: Ebenfalls, allerdings implizit. Wäre die Öffentlichkeit ein akzeptierter Ort, um Feindseligkeiten auszutragen, könnte man nur noch auf die Straße gehen, indem man alle Menschen in Sichtweite totschießt. Die Teilnahme an der Öffentlichkeit setzt also voraus, daß dort bestimmte Rechte der Unverletzlichkeit geachtet werden (deswegen "funktioniert" überhaupt erst Terrorismus, weil diese äußerst grundlegende, ja, lebenswichtige Ordnung durch Terroristen bestritten wird). Deswegen darf ich dort auch nicht wie wild fotographiert werden.
Aber haben Sie eine Übereinkunft mit den Ihnen unbekannten Serverbetreibern, die Ihre Emails durchleiten? In welchem Umfang? Nur die Headerzeilen? Und wie lang ist das Datenpaket überhaupt? Wann ist die Mail zuende? Muß man da nicht den Text bis zum Ende scannen, wo das EOF-Zeichen steht? Natürlich werden die Ihre Emails abspeichern und auswerten. Andernfalls wäre es unmöglich sie weiterzusenden. Die Krux bei der Internetkommunikation ist einfach, daß sie technisch und Institutionell nie für vertrauliche Kommunikation ausgelegt wurde, sondern bloß für ausfallsichere.

Zitat von Llarian im Beitrag #37
Denn Sie haben auch das Anrecht auf die Vertraulichkeit des Wortes.
Der Terminus "Vertraulichkeit des Wortes" bezieht sich darauf, daß der eigene Gesprächspartner den Gesprächsinhalt nicht aufzeichnet und weiterverbreitet. Wer im Beichtstuhl dem Priester Privatgeheimnisse zubrüllt, kann sich auf kein Recht berufen, daß die zufällig anwesenden Kirchenbesucher davon in Kenntnis kommen.

Zitat von Llarian im Beitrag #37
Und wenn ich meine Wohnungstür nicht abschliesse gebe ich auch die Unverletzlichkeit der Wohnung nicht auf.
Wer in Ihrer unverschlossenen Wohnung klaut, macht sich zumindest nicht so schwer strafbar, wie wenn er erst eine Tür aufbricht. Die verschlossene Tür ist eine Willenserklärung. Genauso die verschlüsselte Mail. Deswegen macht man sich bei einem Waldspaziergang in Deutschland auch nicht strafbar wegen Hausfriedensbruch. Weil Wälder nämlich bei uns nicht umzäunt sind, sind sie keine umfriedeten Bereiche. So ist auch die Etymologie: Mit "Hausfrieden" ist nicht gemeint, daß es daheim Freude und Eierkuchen gibt, sondern daß das Haus umfriedet ist durch Zäune, Schlösser oder Riegel!

Zitat von Llarian im Beitrag #37
Ich war nie freigiebig. Unvorsichtig vielleicht, aber nie freigiebig.
Vielleicht können wir als Konsens zumindest festhalten, daß wir mit diesen Postings oder mit hypothetischen Facebook-Einträgen sehr wohl freigiebig sind, und Kreti und Pleti und Generalstaatsanwälte und Geheimdienstler es betrachten können?

Zitat von Llarian im Beitrag #37
Kriminelle können auch bei mir einbrechen, deswegen gebe ich dem Staat nicht das Recht das auch zu tun. Und ich fühle mich tatsächlich von kriminellen "Internetabhörern" (mal ab von staatlichen) auch nicht wirklich bedroht. Zum einen haben die nicht die Ressourcen um das flächendeckend zu treiben, zum anderen stehen die nicht morgens an meiner Wohnungstür und wollen mir was.
Ich teile Ihr Anliegen durchaus. Im Grunde halte ich auch einen Verfassungsschutz für widersinnig, denn eine Verfassung schützt man viel besser, indem man es ermöglicht, daß man sich wehrhaft macht, ohne damit seine Ablehnung der Verfassung ausdrücken zu müssen. Dann hätte die Verfassung wehrhafte unterstützer, ohne auf notorisch rechtsbrüchige Institutionen angewiesen zu sein.

Wir sind uns auch einig, daß die Folgen nicht wünschenswert sind, wenn der Staat unsere Postings ggf. unseren Klarnamen mit Adresse zuordnen kann, und so schon weiß, wen eine künftige repressive Regierung nachts von daheim abholen würde. Allerdings folgt für mich daraus eben nicht, daß wegen des unerwünschten Ergebnisses eine Handlung unzulässig ist, die materiell nicht falsch sein muß. Da hängen Sie eine induktiven Argumentation an, die für mich nicht evident ist.

mücke Offline



Beiträge: 5

08.08.2015 19:47
#41 RE: Vom Bundesanwalt und der Unerträglichkeit Antworten

Danke, danke Ihnen und Paul -aber auch den anderen Mitstreitern- für diese Sternstunde in ZkZ!!!
Mücke

Llarian Offline



Beiträge: 7.120

08.08.2015 19:48
#42 RE: Vom Bundesanwalt und der Unerträglichkeit Antworten

Lieber n_s_n,
(an der Stelle muss ich mal fragen, ob es eigentlich LiebeR oder Liebe heissen muss)
warum ich der Meinung bin, dass der Staat generell für das Volk arbeitet, dürfte eine Ausarbeitung sein, für die ich Stunden benötige. Und vielleicht selbst dann nicht hinbekomme. Erlauben Sie mir -ausnahmsweise- an dieser Stelle einfach mal kurz zu kneifen und das auf (sehr viel) später zu verschieben. Ich sehe ihre Einwände (wie die von Petz) absolut ein, ich sehe mich nur im Moment nicht in der Lage sie angemessen anzusprechen. Gestatten Sie mir auf die etwas "einfacheren" Aspekte einzugehen:

Zitat von nachdenken_schmerzt_nicht im Beitrag #15
Wer sollte Ihrer Meinung nach festlegen, wann der Schaden einer Ermittlung größer ist, als ihr rechtsstaatlicher Nutzen und ob sie damit zulässig ist oder nicht?

Der Staatsanwalt natürlich. Genauso wie er das heute auch schon tut. Es sind ein paar mehr oder weniger absurde Beispiele hier genannt worden: Wenn Sie jemanden ohrfeigen und der Staatsanwalt will daraus einen versuchten Mord konstruieren, dann ist er schwer auf dem Holzweg. Verfolgt er es gar nicht, ebenso. Es ist sein Job die richtige Abwägung, Stichwort Verhältnismäßigkeit, zu treffen. Das ist, selbstredend, ein Akt, der durchaus eine ordentliche Portion Willkür enthält. Und dennoch glaube ich, dass die meisten Staatsanwälte ihren Job durchaus vernünftig hinkriegen (mit einigen, populären Ausnahmen). Hier in diesem Beispiel hat Range nach meinem Dafürhalten breitflächig versagt. Der Schaden, alleine durch das Ermittlungsverfahren, ist rechtsstaatlich verheerend. Nicht nur ein bischen übel, sondern total verheerend. Denn in dieser Ermittlung ging es nicht um eine Verurteilung, sondern um das Ermittlungsverfahren. Alleine das Verfahren war eine Drohung gegen die Blogger und gleichzeitig natürlich umso mehr für den oder die Informanten. Maaßen war nicht in der Lage die Spitzelei zu beenden, und darum brauchte er einen öffentlichen Knall. Und genau den hat Range ihm gegeben. Seine Abwägung war sehr schlecht.

Zitat
Ich sehe durchaus, die emotionale Belastung und die potentiellen Folgeprobleme, welche ein Verfahren mit sich bringen kann und sehe sie alles andere als Bedeutungslos an.


Ich glaube, lieber n_s_n, Sie haben ein weiteres, zentrales Problem übersehen: Es geht nur in einer Linie um die beiden Blogger, die dem Verfahren ausgesetzt worden sind (und die vermutlich von dem ganzen Zirkus am Ende mehr profitiert haben, als sie es sich je hätten erträumen können). Es geht ebenso um die Botschaft, die der Staat an Geheimnisverräter und Presse geschickt hat: Kommt uns nicht in Quere, oder es geht Euch ganz schnell richtig schlecht. Und wer wird sich dann darauf verlassen, ob noch einmal die Öffentlichkeit dagegen aufsteht. Mit der ganzen Aktion hat Range, bzw. die, für die er arbeitet, eine Grenze überschritten, die bis dato in mehr als fünfzig Jahren niemand überschritten hat.

Zitat
Ein Polizeistaat kennt keine Grundrechte des Bürgers, die er durch eine unabhängige Justiz überwacht. Das kennt nur der Rechtsstaat.


Das ist am Ende eine Frage von Definitionen und Streit um Definitionen ist einfach nur dröge, und, weit schlimmer, vollkommen unergiebig. Ich kanns plakativ vereinfachen: Ein Staat, der keine Verhältnismäßigkeit in der Anwendung seiner Gesetze wahrt, kann kein Rechtsstaat sein. Ob man das Polizeistaat nennt oder nicht, ist tatsächlich unwichtig.

Zitat
In meinen Augen wird durch solche, stark vereinfachende Argumentation, welche mit viel persönlicher Ansicht versehen ist, die Diskussion um die Grundlagen unserer Rechtsstaalichkeit nicht gerade vereinfacht, wenn nicht gar faktisch unmöglich gemacht.


Ich denke, dass man die Diskussion nicht ohne ihren Kontext führen kann und darf. Zitat (sinngemäß) aus einem Film, wo es darum geht, ob man etwas anzeigt oder dicht hält: "Wenn jemand dem Lehrer eine Heftzwecke auf den Stuhl legt, dann sagt man nichts und schweigt. Aber wenn man sieht wie einer auf einen anderen mit einer Waffe losgeht, dann sagt man nichts, man schreit!".
Ich halte die NSA Affäre für die größte staatliche Schweinerei der letzten Jahrzehnte. Und wenn unser Verfassungsschutz sich jetzt in die selbe Richtung begeben will, dann sagt man nichts, man schreit. Ich kann insofern den beiden Bloggern nur beipflichten, wenn sie die Chance gehabt haben etwas darüber zu veröffentlichen. Und wenn der Verfassungsschutz diese Diskussion, denn um genau die geht es, unterbinden will, dann zeigt das deutlich welches Rechtsverständnis dort inzwischen eingezogen ist. Man kann natürlich eine -intelektuell vermutlich sehr hochwertige- Diskussion darüber führen, ob es sich bei der Veröffentlichung von geheimen Dokumentes des Verfassungsschutzes um Landesverrat handeln kann. Ich könnte mir sogar vorstellen, dass dem so ist. Aber das würde mir nur belegen, dass es eben zwischen einem freiheitlichen Rechtstaat und einem Rechtstaat ohne Verhältnismäßigkeit (um den Begriff des Polizeistaates nicht schon wieder zu verwenden) einen erheblichen Unterschied gibt. Ich will es noch weiter simplifizieren: Ich möchte nicht in einem Land der Totalüberwachung, wie es scheinbar Herrn Maaßen und ganz sicher der NSA vorschwebt, nicht leben. Wenn ich in einem Mehrheit dabei bin, dann möchte ich mit einer solchen Mehrheit alles dagegen tun, dass es dahin kommt. Bin ich dagegen in einer Minderheit, ist ohnehin alles verloren. Dann kann man auch die beiden Journalisten verfolgen, eine freie Gesellschaft wird das dann ohnehin nicht mehr.

nachdenken_schmerzt_nicht Offline




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08.08.2015 23:02
#43 RE: Vom Bundesanwalt und der Unerträglichkeit Antworten

Zitat von Llarian im Beitrag #42
Es geht ebenso um die Botschaft, die der Staat an Geheimnisverräter und Presse geschickt hat: Kommt uns nicht in Quere, oder es geht Euch ganz schnell richtig schlecht.
Wie schlecht es den Bloggern ergangen ist, sieht man ja..... Lieber Llarian, Sie scheinen hier mehr in ihrer eigenen Vorstellung zu argumentieren, als an den Fakten. Den Bloggern ist bisher garnichts geschehen, im Gegenteil. Spendengelder fliessen ihnen zu, Solidarität fliest ihnen zu, sie kraftmeiern beide etwas mit Sprüchen und sie stehen besser da als je zuvor - ganz gleich, wie sie das Vorgehen des Staatsanwalts auch sehen. Ich kann nicht sehen, dass das Verhalten des Staatsanwaltes das Gewicht hat, welches Sie ihm beimessen.

Zitat von Llarian im Beitrag #42

Zitat
Ein Polizeistaat kennt keine Grundrechte des Bürgers, die er durch eine unabhängige Justiz überwacht. Das kennt nur der Rechtsstaat.

Das ist am Ende eine Frage von Definitionen und Streit um Definitionen ist einfach nur dröge, und, weit schlimmer, vollkommen unergiebig. Ich kanns plakativ vereinfachen: Ein Staat, der keine Verhältnismäßigkeit in der Anwendung seiner Gesetze wahrt, kann kein Rechtsstaat sein. Ob man das Polizeistaat nennt oder nicht, ist tatsächlich unwichtig.

Man kann natürlich Diskussionen um Definitionen dröge finden. Man kann sogar, wie Sie es hier tun, die Definition bestimmter Dinge sehr eigen auslegen. Aber lieber Llarian: In meinen Augen diskutiert man dann nicht in der Sache. Man vertritt eine Meinung, meist eine starke Meinung. Vielleicht weil man fest davon überzeugt ist, Recht zu haben. Das ist seit einiger Zeit nicht mehr meines. Aus vielerlei Gründen.

Herzlich


nachdenken_schmerzt_nicht

"Dort, wo es keine sichtbaren Konflikte gibt, gibt es auch keine Freiheit." - Montesquieu

Paul Offline




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08.08.2015 23:19
#44 RE: Vom Bundesanwalt und der Unerträglichkeit Antworten

Zitat von Llarian im Beitrag #42



Lieber Llarian,
nach meinem Gefühl hängen Sie manches sehr hoch.
Jetzt mache ich mal den Versuch es tiefer zu hängen.

Es wird eine Anzeige erstattet und ein Ermittlungsverfahren eröffnet. Dieses Verfahren braucht einen Titel. Der den Titel formulierende Staatsanwalt wird nicht stundenlang Literatur wälzen, um den Titel zu vergeben. Er nimmt das Nächstliegendste, also z.B. bei der Ohrfeige mit tödlichem Ausgang: "Körperverletzung mit Todesfolge." Wenn sich während der Ermittlungen herausstellt, dass es Totschlag oder Mord war, dann wird die Anklage entsprechend formuliert. Der Titel des Ermittlungsverfahrens ist irrelevant. Entscheidend ist, "was Hinten raus kommt." Auch der Richter ist weder an die Formulierung des Ermittlungsverfahrens noch an die der Anklage gebunden.

Konnte ich verständlich machen, worauf ich hinaus will?

Der Titel des Ermittlungsverfahrens den Range gewählt hat ist nicht von der Bedeutung, die Sie dem zuschreiben.
Er war nur der Anlass für eine beispiellose Medienkampagne.

Sie haben geschrieben, in welchem Land Sie nicht leben möchten, welche Entwicklung Sie befürchten.
Das darf ich dann auch?
In einem Land in dem die Medien die Macht ausüben, die sie jetzt schon anstreben und teilweise schon haben, möchte ich nicht leben. Ich werde alles mir Mögliche tun, dies zu verhindern. Befinde ich mich mit dieser Meinung in einer Minderheit, dann ist eh alles verloren. Dann wird die Gesellschaft zum Spielball der Medien, eine freie Gesellschaft wird es dann nicht mehr geben.

LG, Paul

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JE SUIS JUIF

Paul Offline




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08.08.2015 23:32
#45 RE: Vom Bundesanwalt und der Unerträglichkeit Antworten

Zitat von Llarian im Beitrag #42
Es geht ebenso um die Botschaft, die der Staat an Geheimnisverräter und Presse geschickt hat: Kommt uns nicht in Quere, oder es geht Euch ganz schnell richtig schlecht.


Lieber Llarian,
Sie bringen es auf den Punkt.
Genau dies erwarte ich von diesem Staat, dessen Bürger ich bin: Geheimnisverrätern zu sagen, dass dies strafbar ist und sie deshalb auch zur Rechenschaft gezogen werden; der Presse zu sagen, dass sie nicht in einem rechtsfreien Raum agiert, sondern bei Straftaten ebenso zur Rechenschaft gezogen wird.
Die Pressefreiheit darf keine Straftaten rechtfertigen!

LG, Paul

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JE SUIS JUIF

Llarian Offline



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09.08.2015 03:48
#46 RE: Vom Bundesanwalt und der Unerträglichkeit Antworten

Zitat von nachdenken_schmerzt_nicht im Beitrag #43
Wie schlecht es den Bloggern ergangen ist, sieht man ja.....

Zum einen: Das war aber sicher nicht im Sinne des Senders, lieber n_s_n. Die Spiegel Affäre hat am Ende Augstein auch deutlich genutzt und die Karriere von FJS wurde durch die Aktion zumindest deutlich eingedellt, böse Zungen würden sagen beendet. Das lag auch nicht im Sinne der Initiatoren, sie hatten nur nicht, wie Range und Maaßen diesmal auch nicht, mit dem öffentlichen Protest gerechnet. Ob das dumm war oder nicht, ist dabei eigentlich ziemlich zweitrangig. Ich würde vermuten, und das ist natürlich ab hier eben auch nur das, daß das Kalkül von Maaßen und Range das war, dass man nicht so viel Aufhebens "um ein paar Blogger, die ja nichtmal richtige Journalisten sind" machen würde. In der CDU hat das ja auch bis zum öffentlichen Aufschrei super funktioniert. Am Ende war das Kalkül falsch, aber das ist keine Leistung sondern ein Fehler. (Übrigens lohnt es sich zum Vergleich mal die Spiegel Affäre nachzuschlagen, es ist erstaunlich wieviele Parallelen man findet.)
Zum anderen: Wer kann sich drauf verlassen, dass ein anderer für einen aufsteht ? Sollen sich Journalisten, die etwas zu verlieren haben, beispielsweise eine Familie oder eine bürgerliche Existenz, darauf verlassen, dass beim nächsten Mal wieder ein Sturm losbricht und ein Minister einknickt ? Was ist, wenn das nicht passiert ? Öffentliche Empörung dauert maximal ein paar Wochen, eher ein paar Tage, dann kommt die nächste Sau durchs Dorf. Was ist, wenn dann ein Minister nichts auf die Öffentlichkeit gibt ? Soll ich mir wirklich das Risiko antun, dass meine Existenz beendet wird ? Das ist die Botschaft, die Maaßen senden wollte und Range versucht hat für ihn zu senden. Hier ist eine Grenze überschritten worden, die nicht wieder zurückgenommen werden kann.

Zitat
Ich kann nicht sehen, dass das Verhalten des Staatsanwaltes das Gewicht hat, welches Sie ihm beimessen.


Das werden Sie auch nie sehen, weil die Wirkung nicht öffentlich stattfindet, sondern in der Güterabwägung des Journalisten im privaten.

Zitat
Man kann natürlich Diskussionen um Definitionen dröge finden. Man kann sogar, wie Sie es hier tun, die Definition bestimmter Dinge sehr eigen auslegen.


Richtig. Und man kann sich auch bemühen zu verstehen, was der andere sagt, ohne an jedem Wort Bedeutungsexegese zu treiben. Ich für meinen Teil habe eigentlich selten Probleme verstanden zu werden. Aber: Man muss das nicht tun. Dann ist es aber auch nicht mehr meins. Aus mancherlei Gründen.

Llarian Offline



Beiträge: 7.120

09.08.2015 04:49
#47 RE: Vom Bundesanwalt und der Unerträglichkeit Antworten

Zitat von Paul im Beitrag #44
nach meinem Gefühl hängen Sie manches sehr hoch. Jetzt mache ich mal den Versuch es tiefer zu hängen.

Tja, lieber Paul, ich hänge es jetzt sogar noch höher. Und es tut mir leid, jetzt vielleicht ein paar Dinge deutlicher zu sagen, als ich das sonst gerne tue.

Zitat
Es wird eine Anzeige erstattet und ein Ermittlungsverfahren eröffnet. Dieses Verfahren braucht einen Titel. Der den Titel formulierende Staatsanwalt wird nicht stundenlang Literatur wälzen, um den Titel zu vergeben.


Unter Umständen sogar tagelang. In diesem Fall hat sich der "Staatsanwalt" sogar noch externen Gutachten bemüht. Da beisst die Maus keinen Faden ab: Range hat ganz genau (!) gewusst, was er da tut. Das war ausgiebig geplant, ein Mann mit seiner Erfahrung und Kenntnis hat Schnellschüsse nicht nötig. Er hat ja entsprechend auch die Ministerien informiert, weil er wusste, dass das ganze durchaus nicht ungefährlich war. Und das nebenbei gesprochen, das Label von essentieller Bedeutung ist, wird schon daran klar, dass die berüchtigte Vorratsdatenspeicherung genau bei dem benannten Delikt "Landesverrat" sehr wohl greift und eben nicht bei einem anderen. Das gerade die benannte Datenspeicherung in der Ermittlung der "Datenspuren" von nahezu essentieller Bedeutung ist, setzt dem ganzen die berühmte Krone auf.

Zitat
Der Titel des Ermittlungsverfahrens den Range gewählt hat ist nicht von der Bedeutung, die Sie dem zuschreiben.
Er war nur der Anlass für eine beispiellose Medienkampagne.


Es war sicher eine Menge, aber ganz sicher keine beispiellose (!) Medienkampagne (!). Das Label haben Range und Maaßen gewählt. Nicht die Presse. Und beispiellos ist daran so gar nichts, das ist gerade mal ein laues Medienlüftchen. Zwei Tage Schlagzeilen und danach unter dem Subressort (man vergleiche das wirklich mit der Spiegel Affäre oder mit der Je-Suis-Charlie Berichterstattung), wichtiger noch dagegen ist, dass es um etwas geht, was einige Menschen Menschen sehr interessiert. Es sind eine Menge Menschen der Meinung, dass das Vorgehen von Range völlig daneben ist, dafür braucht es keine Presse die das skandalisiert.

Zitat
Sie haben geschrieben, in welchem Land Sie nicht leben möchten, welche Entwicklung Sie befürchten. Das darf ich dann auch?


Sie dürfen das schreiben. Aber leben kann nur einer von uns beiden in einer solchen. Und das ist die Stelle, wo ich leider inhaltlich vielleicht etwas zu direkt werde: Unser Verständnis von einer freien Gesellschaft und Staat unterscheidet sich, lieber Paul. Und zwar fundamental. Ich will Ihnen an diesem Punkt nicht zu nahe treten, aber die Gesellschaft, die Ihnen vorschwebt, hat mir deutlich zu hohe Anteile von der zweiten deutschen Diktatur, die zurecht vor 25 Jahren mit Pauken und Trompeten zusammengebrochen ist. Wenn Sie schreiben, dass die Pressefreiheit Grenzen hat, dann gebe ich Ihnen recht. Aber nur und nur da, wo diese im Widerspruch zu anderen Grundrechten (!) steht. Das ist der übliche Widerspruch, der sich eben aus entgegenstehenden Grundrechten verschiedener Personen ergibt. Und hier greift die berühmte Verhältnismäßigkeit.
Die in diesem, unseren Beispiel, extrem schief liegt. Hier wird ein essentielles Grundrecht, die Pressefreiheit, geschleift, damit der Staat seine Pläne (ich würde eher sagen Schweinereien) nicht offen diskutieren muss. Das ist dermaßen unverhältnismäßig, dass es kracht.
Und wenn sich andere Journalisten hinter ihre Kollegen stellen, dann ist das naheliegend und auch zu begrüssen. Genau das selbe ist vor 50 Jahren passiert. Und das war absolut richtig so. In der zweiten, deutschen Diktatur hätte es das nie gegeben. Oder simpel gesagt: Die BRD hat damals gezeigt, dass sie eine freie Gesellschaft sein wollte und wurde. Der DDR ist das nie gelungen. Sie mögen das als "Spielball der Medien" betrachten. Ich nicht.
Und zwar aus diversen Gründen, die zu erläutern, hier zuwenig Platz ist. Aber vielleicht nur kurz, vor allem deshalb weil ich die einfachen Menschen für weit kompetenter und besser halte, als sie oftmals wahrgenommen werden. Zu meinen eine Presse könne sich wirklich zu einer Gewalt erheben und steuern wie sie will, ist nichts weiter als eine Verachtung des Bürgers. Es stellt den Bürger als dumm dar, der nicht in der Lage ist für sich selber zu denken und sich von seiner Zeitung sagen lässt, was er denken soll. Dem ist aber nicht so. Die Presse kann beeinflussen, aber nie steuern. Meistens redet sie dem Bürger nach dem Mund, und wenn sie das nicht tut, dann geht so etwas auch schonmal schief. Als beispielsweise dann doch eine siebenstellige Zahl von Bürgern dieses böse Buch gekauft haben, wo doch die ganze Presse verkündet hat, wie böse und wenig hilfreich (TM Merkel) es ist.
Oder anders gesagt: Wenn eine Sympathiewelle für die Blogger durch Deutschland geht und die meisten (?) Leute der Meinung sind, dass ein solches Verfahren nie hätte in Gang gesetzt werden dürfen, dann hat das nicht die Presse in die Welt gesetzt. Sie hat vielleicht einen Drall gegeben, aber die Meinung war vorher dar, vielleicht diffuser, aber vorhanden. Eben wie es in einer freien Gesellschaft auch sein sollte.

Werwohlf Offline




Beiträge: 997

09.08.2015 12:59
#48 RE: Vom Bundesanwalt und der Unerträglichkeit Antworten

Zitat von Llarian im Beitrag #47
Hier wird ein essentielles Grundrecht, die Pressefreiheit, geschleift, damit der Staat seine Pläne (ich würde eher sagen Schweinereien) nicht offen diskutieren muss. Das ist dermaßen unverhältnismäßig, dass es kracht.
Was für eine Dramatik. Ist denn in dieser Diskussion allen das Kleingeld ausgegangen?

Es wurde überhaupt nichts "geschleift", sondern ein Ermittlungsverfahren eingeleitet. Abwägungen in Sachen Grundrechte und Verhältnismäßigkeit haben auch in dem noch locker Platz, geschweige denn im weiteren Weg über Anklageerhebung und Gerichtsverfahren. Man mag ja gerne einigen handelnden Personen alle möglichen sinistren Motive unterstellen (auch das ist ein Grundrecht), aber die Qualität eines Rechtsstaats zeigt sich eben nicht in denen, sondern darin, wie die Gesamtheit seiner Institutionen damit umgeht. Nach einem Urteil könnte ich eine entsprechende Aufregung ja noch verstehen, aber bis zu dem wäre es noch ein sehr, sehr langer Weg.

Viel bedenklicher erscheint mir, dass Teile eines rechtsstaatlichen Verfahrens einfach so per politischer Ordre de Mufti beeinflusst werden können.

--
Bevor ich mit den Wölfen heule, werd‘ ich lieber harzig, warzig grau,
verwandele ich mich in eine Eule oder vielleicht in eine graue Sau.
(Reinhard Mey)

Ulrich Elkmann Offline




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09.08.2015 16:02
#49 RE: Vom Bundesanwalt und der Unerträglichkeit Antworten

Zitat von Llarian im Beitrag #47
...weil ich die einfachen Menschen für weit kompetenter und besser halte, als sie oftmals wahrgenommen werden. Zu meinen eine Presse könne sich wirklich zu einer Gewalt erheben und steuern wie sie will, ist nichts weiter als eine Verachtung des Bürgers. Es stellt den Bürger als dumm dar, der nicht in der Lage ist für sich selber zu denken und sich von seiner Zeitung sagen lässt, was er denken soll.


Daß die Presse sich so verhält, hat ja Gründe; der hauptsächliche ist, daß das seit Jahren Standard ist & die 4. Gewalt damit durchkommt. Bei der Energiewende & dem Auslöser Fukushima konnte man vollerblüht sehen, wie das möglich ist. Da gab es ja überhaupt kein Gegengewicht in den Medien, die "falscher Alarm" riefen (um das "L..."- Wort zu vermeiden) oder darauf hingewiesen haben, daß das vorn & hinten nicht funktionieren kann. Der Protest bleibt beim folgenlosen Grummeln über hohe Strompreise. Im Grund ist das bei bei den "Umweltthemen" seit dem Waldsterben (Anfang der 80er) oder gar der Sahelzone (Anfang der 70er) klar: wer auf der Schiene fährt, braucht keinen Gegenwind zu fürchten & hat die Lufthoheit abonniert. Und die Gefahr, daß die Hochmoralische Position entzaubert wird, ist ganz genau Null. Es könnte sogar sein, daß die Durchgrünung des medialen & politischen Diskurses in den letzten 30 Jahren eben nicht irgendwelchen Sachzwängen geschuldet ist, sondern dieser Garantie, immer mit Full House plus Joker dazusitzen. (Für den Genderkrempel kann man Gleiches vermuten; nur schafft der iaR keine Folgen, die die Wirtschaft gegen die Wand fahren.)

Der Widerspruch gegen die geschlossene Meinungsfront bleibt ja im privaten Bereich; auf jeden, der das Nichthilfreiche Buch gekauft & gelesen hat, kommen ja mindestens 4, denen der Anblick von DSAB im Regal Anlaß zur Entfreundung von so Einem sein dürfte.



Les hommes seront toujours fous; et ceux qui croient les guérir sont les plus fous de la bande. - Voltaire

Paul Offline




Beiträge: 1.285

09.08.2015 16:33
#50 RE: Vom Bundesanwalt und der Unerträglichkeit Antworten

Zitat von Llarian im Beitrag #47



Lieber Llarian,
uff, das war ja mal eine Philippika!
Zunächst mal sehe ich es von der positiven Seite. Mit Engagement und Herz tragen Sie Ihre Meinung vor. Das versuche ich auch immer. Nur gibt es auch Grenzen. Leider neige ich auch dazu sie manchmal zu überschreite.
Im vorliegenden Fall, das ist jedenfalls mein Eindruck, hat jemand "seine Notdurft in Ihrem Vorgarten verrichtet". Das führt dann zu einer heftigen Reaktion. Wäre bei mir nicht anders.

Ich vertrage auch eine Menge, weil ich selber austeile.

Zitat von Llarian im Beitrag #47
Zitat von Paul im Beitrag #44

Zitat: Sie haben geschrieben, in welchem Land Sie nicht leben möchten, welche Entwicklung Sie befürchten. Das darf ich dann auch?

Sie dürfen das schreiben. Aber leben kann nur einer von uns beiden in einer solchen. Und das ist die Stelle, wo ich leider inhaltlich vielleicht etwas zu direkt werde: Unser Verständnis von einer freien Gesellschaft und Staat unterscheidet sich, lieber Paul. Und zwar fundamental. Ich will Ihnen an diesem Punkt nicht zu nahe treten, aber die Gesellschaft, die Ihnen vorschwebt, hat mir deutlich zu hohe Anteile von der zweiten deutschen Diktatur, die zurecht vor 25 Jahren mit Pauken und Trompeten zusammengebrochen ist.


Lieber Llarian,
vor dem Hintergrund, dass Sie wissen, dass ich 40 Jahre in der DDR "gelebt" habe, muss ich Ihnen leider sagen, dass sie zu direkt geworden sind und Sie sind mir in diesem Punkt auch zu Nahe getreten.

Das verüble ich Ihnen nicht. Im Eifer der Diskussion kann sowas schon mal passieren. Stillschweigend darüber hinweg gehen konnte ich auch nicht, da mir schon viel daran liegt, dass Sie das wissen.

Deshalb aber nichts für Ungut und .
Bei anderen Fragen kann ich Ihnen auch oft recht geben. Nur hier leider nicht.

LG. Paul

PS: Die Grenze der Pressefreiheit liegt bei mir bei Gesetzesübertretungen und strafbaren Handlungen.

___________________________
JE SUIS JUIF

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