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ZETTELS KLEINES ZIMMER

Das Forum zu "Zettels Raum"



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Dieses Thema hat 66 Antworten
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 Kommentare/Diskussionen zu "Zettels Raum"
Seiten 1 | 2 | 3
Llarian Offline



Beiträge: 7.127

05.08.2015 19:36
Vom Bundesanwalt und der Unerträglichkeit Antworten

Ein paar kurze Thesen zum aktuellen Verfahren wegen Landesverrat.

Emulgator Offline



Beiträge: 2.875

05.08.2015 20:51
#2 RE: Vom Bundesanwalt und der Unerträglichkeit Antworten

Zitat von Llarian im Beitrag #1
Ein paar kurze Thesen zum aktuellen Verfahren wegen Landesverrat.


Ein paar Gegenthesen:

1. Wir haben das an anderer Stelle schon mal diskutiert. Was ich unverschlüsselt über das Internet sende und mit wem ich kommuniziere ist kein Geheimnis, sondern es ist jedem zugänglich, der einen Server auf dem Übermittlungsweg betreibt. Nicht geheime Daten können selbstverständlich und legal genutzt werden. Nachrichtendienste nutzen ja auch Zeitungsberichte für ihre Lagebilder. Ja, alle Journalisten arbeiten den Nachrichtendiensten zu! Und auch, was wir hier schreiben, lesen die!
Letztlich ist auch diese Information kein Geheimnis, und sie auf netzpolitik.org zu veröffentlichen folglich auch kein Verrat. (Wobei ich zugeben muß, in all der öffentlichen Aufregung um die Ermittlung, nicht genau mitbekommen zu haben, was denn nun die inkriminierte Nachricht von netzpolitik.org überhaupt gewesen ist.)

2. Der Generalbundesanwalt ist so eine Art "Advocatus diaboli". Seine Aufgabe ist es, Anklagen zu erheben. Wenn im öffentlichen Interesse es angezeigt ist (so wie jetzt) zu untersuchen, inwieweit und durch wen Veröffentlichungen von bestimmten nachrichtendienstlichen Aktivitäten Verrat sind und wo nicht, dann ist die Ermittlung und die anschließende richterliche Klärung das Mittel der Wahl.

7. (Der Nachtrag): Ein Ermittlungsverfahren kann auch dem Zweck dienen, die Unschuld zu beweisen. Wenn man ins Gerede kommt, kann man sich selber anzeigen, damit formal ermittelt werden muß. Gerede kann noch mehr Schaden verursachen als ein Ermittlungsverfahren. Deswegen hat man ein Recht auf einen ordentlichen Prozeß. Dieses Recht kann man auch durchsetzen. Im Disziplinarrecht spielt das eine größere Rolle als im Strafrecht, aber auch Christian Wulff hat auf einem richtigen Urteilsspruch statt einer Verfahrenseinstellung bestanden, um freigesprochen zu werden.
Nichtsdestotrotz haben Sie natürlich auch Recht, daß Ermittlungsverfahren schädlich sind. Aber das ist eher ein Problem des unprofessionellen Umgangs mit unserer Rechtsordnung. Wenn ein Ermittlungsverfahren eingeleitet wird, verliert man de facto seinen Job und wird ruiniert, obwohl man noch als unschuldig zu gelten hat oder sogar freigesprochen wird. Die Unschuldsvermutung wird dadurch komplett entwertet, und das ist ein Riesenproblem.

Llarian Offline



Beiträge: 7.127

05.08.2015 21:10
#3 RE: Vom Bundesanwalt und der Unerträglichkeit Antworten

Zitat von Emulgator im Beitrag #2
Ein paar Gegenthesen:

Immer her damit ! (Wie man -vielleicht- an der einen oder anderen Formulierung sieht, ist mein Thesenkatalog so ein fester Fels in der Brandung nicht. Ich kann auch durchaus die Position nachvollziehen, dass der Rechtsstaat vergleichsweise blind sein muss, was seine Ergebnisse angeht. Nur habe ich da eben das Problem, dass ich mich schwer tue den Rechtsstaat vom Polizeistaat zu trennen.)

Zitat
1. Wir haben das an anderer Stelle schon mal diskutiert. Was ich unverschlüsselt über das Internet sende und mit wem ich kommuniziere ist kein Geheimnis, sondern es ist jedem zugänglich, der einen Server auf dem Übermittlungsweg betreibt. Nicht geheime Daten können selbstverständlich und legal genutzt werden. Nachrichtendienste nutzen ja auch Zeitungsberichte für ihre Lagebilder. Ja, alle Journalisten arbeiten den Nachrichtendiensten zu! Und auch, was wir hier schreiben, lesen die!


Folgen Sie mir bei folgendem Gedankenexperiment: Nehmen wir an, man könne für kleines Geld einen kleinen, flugfähigen Roboter konstruieren. Und dieser Roboter folgt Ihnen den ganzen Tag. Er erwartet Sie morgens an der Wohnungstür, er verfolgt Sie bis zur Mittagspause, er begleitet Sie auf ihrem Nachmittagsspaziergang und filmt Sie abends bei ihrem Gang ins Restaurant. Diese Information ist prinzipiell absolut öffentlich, nichts was die Drohne aufzeichnet ist geheim. Wäre Ihnen wohl bei dieser Drohne ? Mir nicht. Überhaupt nicht. Ich habe was dagegen das der Staat mich überwacht, auch wenn er das mit ganz öffentlichen Informationen tut. Villeicht ganz platt: Wenn ich morgen zum Aldi fahre, dann will ich nicht, dass der Staat mir dabei über die Schulter sieht.

Zitat
2. Der Generalbundesanwalt ist so eine Art "Advocatus diaboli". Seine Aufgabe ist es, Anklagen zu erheben. Wenn im öffentlichen Interesse es angezeigt ist (so wie jetzt) zu untersuchen, inwieweit und durch wen Veröffentlichungen von bestimmten nachrichtendienstlichen Aktivitäten Verrat sind und wo nicht, dann ist die Ermittlung und die anschließende richterliche Klärung das Mittel der Wahl.


Wie ich im Originalbeitrag schrieb: Es hat schon seinen Grund, warum seit 50 Jahren kein solcher Advokat es gewagt hat dieses Geschütz aufzufahren. Ich würde dazu neigen zu sagen, das öffentliche Interesse setzt erst dann ein, wenn das schützenswerte Rechtsgut in einem entsprechenden Verhältnis zum Rechtsgut der Pressefreiheit steht. Wenn es sich um Nato-Aufmarschpläne handeln würde, während wir gleichzeitig in einer ganz akuten Verteidigungskrise liegen, dann wäre die Verhältnismäßigkeit eine andere. Und ich erwarte auch und gerade vom Chefankläger der Republik ein Gespür für eben solche Verhältnismäßigkeiten. Wer ein Grundrecht in Frage stellt, muss massive Gründe dafür haben.

Zitat
7. (Der Nachtrag): Ein Ermittlungsverfahren kann auch dem Zweck dienen, die Unschuld zu beweisen. Wenn man ins Gerede kommt, kann man sich selber anzeigen, damit formal ermittelt werden muß. Gerede kann noch mehr Schaden verursachen als ein Ermittlungsverfahren.


Das ist natürlich absolut richtig, trifft aber unseren hier vorliegenden Fall nicht wirklich.

Emulgator Offline



Beiträge: 2.875

05.08.2015 21:47
#4 RE: Vom Bundesanwalt und der Unerträglichkeit Antworten

Zitat von Llarian im Beitrag #3
Folgen Sie mir bei folgendem Gedankenexperiment: Nehmen wir an, man könne für kleines Geld einen kleinen, flugfähigen Roboter konstruieren. Und dieser Roboter folgt Ihnen den ganzen Tag. Er erwartet Sie morgens an der Wohnungstür, er verfolgt Sie bis zur Mittagspause, er begleitet Sie auf ihrem Nachmittagsspaziergang und filmt Sie abends bei ihrem Gang ins Restaurant. Diese Information ist prinzipiell absolut öffentlich, nichts was die Drohne aufzeichnet ist geheim. Wäre Ihnen wohl bei dieser Drohne ? Mir nicht. Überhaupt nicht. Ich habe was dagegen das der Staat mich überwacht, auch wenn er das mit ganz öffentlichen Informationen tut.
Da muß man unterscheiden. Sie meinen öffentliche Daten. Daten werden erst zu Informationen, wenn sie verarbeitet/interpretiert werden. Wenn der Roboter mich begleitet, dann erhebt er Daten über mich. Er fängt nicht einfach Daten auf, die es schon fertig von mir gibt. Beispielsweise verletzt es mein Recht am eigenen Bildnis, wenn ich unerlaubt photographiert werde. Aber wer meine Postkarte betrachtet oder den Selfie von meiner elektronischen Postkarte kopiert, der erhebt keine Daten über mich, sondern nutzt einfach, wo ich mein Verfügungsrecht über meine Daten freigiebig ausgeübt habe.

Sie mögen jetzt sagen, daß es manchmal nicht zu vermeiden sei, seine Daten preiszugeben, etwa wenn man gezwungen ist, Zahlungen nur elektronisch zu tätigen oder Mails unverschlüsselt zu versenden. Aber das stimmt nicht, denn in der Bequemlichkeit zulasten Geschäftspartnern liegt die Wurzel des Übels, nicht so sehr im Staat. Die Daten können ja auch von privaten Kriminellen abgefangen werden oder von einem Drittstaat (der sie via Geheimdienstkooperation an unseren Staat weiterverkauft).

Zitat von Llarian im Beitrag #3
Villeicht ganz platt: Wenn ich morgen zum Aldi fahre, dann will ich nicht, dass der Staat mir dabei über die Schulter sieht.

Sie zahlen also bar. Find ich gut, geht nämlich auch schneller als mit Karte, besonders wenn man beim Warten in der Schlange im Kopf die Summe ausrechnet, um sofort möglichst passend zu zahlen. (Das mit dem Bankgeheimnis hat ja die Kavallerie aus Fort Yuma niedergeritten.)

Meister Petz Offline




Beiträge: 3.923

05.08.2015 22:35
#5 RE: Vom Bundesanwalt und der Unerträglichkeit Antworten

Lieber Llarian,

prinzipiell stimme ich Dir ja zu, dass die Ermittlungen, gerade im Hinblick auf die Rolle des Verfassungsschutzes, dem man wohl nicht absprechen kann, dass er eine willkommene Gelegenheit gesehen hat, ein paar Nestbeschmutzern an die Karre zu fahren, "nicht hilfreich" (TM) sind. Zumal er möglicherweise nur ein Vehikel gesucht hat, um die undichte Stelle im eigenen Haus zu finden.

Aber das von mir und n_s_n skizzierte Problem der Gewaltenverschränkung besteht ja unabhängig davon, ob Maas in seiner Weisung richtig gelegen hat oder nicht. Stell Dir mal vor, der Innenminister als Dienstherr des Verfassungsschutzes und der Justizminister sind sich einig - dann hat der GBA keine andere Möglichkeit als zu ermitteln, und die Sache landet glatt vor dem BGH.

Trotzdem noch ein paar Anmerkungen zu Deinen Thesen, ich bin mit zwei davon nicht einverstanden:

Zitat
In was für eine Richtung soll unsere Republik gehen, wenn der Generalbundesanwalt, der höchste Ankläger der Republik, nicht einmal einen Anfangsverdacht sehen will, wenn in Deutschland die NSA nahezu alles was Rang und Namen hat nach Strich und Faden ausspioniert hat, aber gleichzeitig ein Verfahren wegen Landesverrates gegen Journalisten anstrebt, die es wagen solche Methoden (die ja gar nicht existieren….) in Frage zu stellen ?


Hier misst Du meiner Ansicht nach mit zweierlei Maas (pun intended ). Wenn der GBA im Fall netzpolitik.org weisungsgebunden ist gegenüber Maas und der Kanzlerin, dann ist er es im Fall NSA auch. Du kannst ihm also nicht persönlich ankreiden, dass er da nicht ermittelt hat. Denn er ist abhängig von der Zustimmung und Anweisung seines Dienstherrn. Und nur weil Maas im ersteren Fall angesichts der öffentlichen Meinung mit stolzgeschwellter Brust herausgeplärrt hat, dass ER es war, der die Ermittlung gestoppt hat, heißt das nicht, dass er es im NSA- Fall nicht auch getan hat oder hätte. Rausplärren würde er es jedenfalls nicht, weil die öffentliche Meinung umgekehrt ist.

Zitat
Der Bundesanwalt findet die politische Einflussnahme derzeit unerträglich. Ich finde den Mangel an Einflussnahme auf das, was er meint veranstalten zu können deutlich unerträglicher. Der Mann arbeitet für uns. Nicht für eine Regierung, nicht für einen Minister, sondern für uns. Und wenn er etwas tut, was durch die Reihen der Bürger als abwegig bis dumm betrachtet wird (man lese nur die diversen Kommentarspalten öffentlicher Zeitungen), dann darf der Mann sich schon fragen, wessen Büttel er sein will.


Die Antwort ist für einen Verfechter des Rechtsstaates ganz einfach. Nicht der Exekutive, schon gar nicht der Kommentarspalten (oder wie ich formuliert habe, der PRD). Er soll der Büttel des Gesetzes sein. Sonst niemandes.

Aber ehrlich gesagt wundert mich etwas, dass Du der öffentlichen Meinung so einen hohen Stellenwert einräumst, weil Du gerade im Hinblick auf das Rechtsstaatsverständnis der breiten Masse sonst eher skeptisch bist.

Gruß Petz

Free speech is so last century. (Brendan O'Neill)

Meister Petz Offline




Beiträge: 3.923

05.08.2015 22:50
#6 RE: Vom Bundesanwalt und der Unerträglichkeit Antworten

Zitat von Emulgator im Beitrag #2
Wenn ein Ermittlungsverfahren eingeleitet wird, verliert man de facto seinen Job und wird ruiniert, obwohl man noch als unschuldig zu gelten hat oder sogar freigesprochen wird. Die Unschuldsvermutung wird dadurch komplett entwertet, und das ist ein Riesenproblem.

Nicht in diesem Fall:
http://www.taz.de/Unterstuetzung-fuer-ne...ikorg/!5221045/
http://www.turi2.de/wp-content/uploads/2...-berlin-600.jpg

Wie bei Assange und Snowden gilt auch hier die Umkehrung eines traditionellen Sprichworts: Man liebt den Verrat, und noch mehr den Verräter.

Gruß Petz

Free speech is so last century. (Brendan O'Neill)

Ulrich Elkmann Offline




Beiträge: 14.560

05.08.2015 23:25
#7 RE: Vom Bundesanwalt und der Unerträglichkeit Antworten

Zitat von Llarian im Beitrag #3
Folgen Sie mir bei folgendem Gedankenexperiment: Nehmen wir an, man könne für kleines Geld einen kleinen, flugfähigen Roboter konstruieren. Und dieser Roboter folgt Ihnen den ganzen Tag.


Das scheint mir überzwerch, wie die ersten Aufnahmen der Mondrückseite von Luna 3 im Oktober 59: wo die Fotos mit einer Kamera auf chemischem Film gemacht wurden, dann in einer automatischen Dunkelkammer entwickelt, das dann per Photozelle gescannt & die Signale dann Richtung Terra gebeamt wurden. Oder habe ich da beim Bundestrojaner was falsch verstanden?



Les hommes seront toujours fous; et ceux qui croient les guérir sont les plus fous de la bande. - Voltaire

Paul Offline




Beiträge: 1.285

06.08.2015 01:54
#8 RE: Vom Bundesanwalt und der Unerträglichkeit Antworten

Lieber Llarian,
ich muss zugeben, dass ich bei diesem Thema hin und her gerissen bin.

Wir haben in Deutschland die Gewaltenteilung in Legislative, Exekutive und Judikative. Diese Verteilung der Staatsgewalt auf mehrere Staatsorgane sichert die Machtbegrenzung des Staates und die Freiheit und Gleichheit der Bürger.

Im diskutierten Vorgang sehe ich das Bemühen der Journalisten sich aus dieser Gleichheit zu entfernen. Die Medien haben den Hang sich als eine Art Supervisor zu etablieren. Damit wollen sie zur 4.Gewalt werden, sind es teilweise schon, werden auch von der Politik in Sachen Meinungsmache kräftig entsprechend genutzt.

Wie ist das nun mit der Veröffentlichung geheimer Dokumente? Derjenige, der sie an die Medien weiter gibt, begeht eine Straftat. Im juristischen Sinn kann an einer durch eine Straftat erworbenen Sache kein Eigentum erworben werden (Hehler). Nun gilt das nur für Sachen, nicht aber, wie Gerichte schon festgestellt haben, für Informationen (Steuerhinterziehung)z.B. auf Datenträgern gespeichert.
Der Staat ist also mit schlechtem Beispiel vorangegangen und befindet sich jetzt in dem Dilemma, die Weitergabe der Informationen, die die Journalisten zweifellos illegal erworben haben, strafrechtlich zu bewerten. Der Staat hat schlechte Karten.

Ob ich das gut finden soll, weiß ich nicht. Da bin ich hin und her gerissen.

Die Medien, die Journalisten, werden zur 4.Gewalt, zum Supervisor des Regierungshandelns. Will ich das wirklich? Eine handlungsunfähige Regierung? Will ich eine Räteregierung mit den Journalisten im Obersten Rat? Ich meine, eher nicht.

Paracelsus stellte fest, dass es auf die Dosis ankommt. Eine Überdosis ist immer schädlich. Auch bei der Pressefreiheit.

LG, Paul

Das waren meine ersten Gedanken, nachdem ich von diesem Vorgang erfahren habe.

___________________________
JE SUIS JUIF

Paul Offline




Beiträge: 1.285

06.08.2015 02:07
#9 RE: Vom Bundesanwalt und der Unerträglichkeit Antworten

Lieber Llarian,
jetzt eine direkte Antwort auf einen Nebenaspekt der immer wieder als Argument auftaucht: Die Watergate-Affäre.

Zitat
Als Watergate-Affäre (oder kurz Watergate) bezeichnet man, nach einer Definition des Kongresses der Vereinigten Staaten, zusammenfassend eine ganze Reihe von gravierenden „Missbräuchen von Regierungsvollmachten“,[1] die es während der Amtszeit des republikanischen Präsidenten Richard Nixon zwischen 1969 und 1974 gegeben hat.


https://de.wikipedia.org/wiki/Watergate-Aff%C3%A4re

Für mich ist es schon ein Unterschied, ob "Missbräuche von Regierungshandeln" durch Journalisten aufgeklärt werden oder ob Inhalte aus geheimen Dokumenten veröffentlicht werden.

LG, Paul

___________________________
JE SUIS JUIF

Paul Offline




Beiträge: 1.285

06.08.2015 02:18
#10 RE: Vom Bundesanwalt und der Unerträglichkeit Antworten

Die weitere Entwicklung dieser Angelegenheit hat mich zu weiteren Überlegungen veranlasst.

Dieser ganze Vorgang hat mich sehr irritiert, verwirrt und auch erschreckt.

Es wurde ein Internes Dokument der Regierung der Presse zugespielt, wie man so schön umschreibend verschleiernd mitteilt. Dahinter steht, dass ein Regierungsmitarbeiter die ihm arbeitsrechtlich auferlegte Verschwiegenheitspflicht verletzt hat. Ob das schon ein Straftatbestand ist, weiß ich nicht. Arbeitsrechtlich ist es jedenfalls von Relevanz.

Die Veröffentlichung begründet jedenfalls mindestens den Anfangsverdacht einer strafbaren Handlung. Der Generalbundesanwalt macht nach der Anzeige das was seine Pflicht ist: Er eröffnet ein Ermittlungsverfahren. Das heißt noch nicht, das sofort mit der Tatsachenermittlung begonnen wird, sondern nur, das die Möglichkeit der Tatsachenermittlung eröffnet ist. Ohne ein Ermittlungserfahren darf in unserem Rechtsstaat nicht ermittelt werden. Gott sei Dank.

“Das Ermittlungsverfahren (EV) oder Vorverfahren ist Ausgangspunkt jedes Bußgeld- und Strafverfahrens.” https://de.wikipedia.org/wiki/Ermittlungsverfahren
Allein die Ankündigung des Ermittlungserfahrens setzt eine Medienkampagne seltenen Ausmaßes in Bewegung.
Es Irritiert und beunruhigt mich in wie kurzer Zeit es den Medien gelingt bundesweit Demonstrationen von Unterstützern zu mobilisieren. Die Zahl der Demonstranten ist beängstigend.

Bisher bin ich immer von einer Mediendemokratie in der Bundesrepublik ausgegangen. Jetzt gehe ich von einer Mediendiktatur aus.
Die Medien sind die 4.Gewalt geworden. Das will ich nicht. Das beängstigt mich.

Die Ablösung des Generalbundesanwalts ist die eine unangemessene Reaktion der Regierung, vertreten durch den Justizminister. Auch die Bundeskanzlerin ist vor den Medien eingeknickt. Der Rechtsstaat wird handlungsunfähig oder in seiner Handlungsfähigkeit deutlich eingeschränkt.

Das macht mir Angst!

___________________________
JE SUIS JUIF

crastro Offline



Beiträge: 212

06.08.2015 06:03
#11 RE: Vom Bundesanwalt und der Unerträglichkeit Antworten

Lieber Paul,
wenn also die Regierung Pläne ausheckt, die Demokratie einzuschränken oder gleich ganz abzuschaffen, dann ist die Veröffentlichung solchen Planens eine Straftat?
Fällt derlei nicht eher unter Art.20 GG
„Gegen jeden, der es unternimmt, diese Ordnung zu beseitigen, haben alle Deutschen das Recht zum Widerstand, wenn andere Abhilfe nicht möglich ist"

xanopos ( gelöscht )
Beiträge:

06.08.2015 07:38
#12 RE: Vom Bundesanwalt und der Unerträglichkeit Antworten

Zitat
Folgen Sie mir bei folgendem Gedankenexperiment: Nehmen wir an, man könne für kleines Geld einen kleinen, flugfähigen Roboter konstruieren. Und dieser Roboter folgt Ihnen den ganzen Tag.

Das wird an der Flugdauer scheitern. Da hab ich mehr Angst, was mein Smartphone so alles anstellen kann.

Meister Petz Offline




Beiträge: 3.923

06.08.2015 08:22
#13 RE: Vom Bundesanwalt und der Unerträglichkeit Antworten

Zitat
Es wurde ein Internes Dokument der Regierung der Presse zugespielt, wie man so schön umschreibend verschleiernd mitteilt. Dahinter steht, dass ein Regierungsmitarbeiter die ihm arbeitsrechtlich auferlegte Verschwiegenheitspflicht verletzt hat. Ob das schon ein Straftatbestand ist, weiß ich nicht. Arbeitsrechtlich ist es jedenfalls von Relevanz.

Die Veröffentlichung begründet jedenfalls mindestens den Anfangsverdacht einer strafbaren Handlung. Der Generalbundesanwalt macht nach der Anzeige das was seine Pflicht ist: Er eröffnet ein Ermittlungsverfahren. Das heißt noch nicht, das sofort mit der Tatsachenermittlung begonnen wird, sondern nur, das die Möglichkeit der Tatsachenermittlung eröffnet ist. Ohne ein Ermittlungserfahren darf in unserem Rechtsstaat nicht ermittelt werden. Gott sei Dank.


Aber der GBA hat ja nicht gegen die interne Quelle ermittelt (oder wenn, ist das nicht Teil des Skandals, jedenfalls ist nichts darüber bekannt), sondern gegen die Veröffentlicher (siehe hier: Gewaltenteilung)

Zitat
Bisher bin ich immer von einer Mediendemokratie in der Bundesrepublik ausgegangen. Jetzt gehe ich von einer Mediendiktatur aus.
Die Medien sind die 4.Gewalt geworden. Das will ich nicht. Das beängstigt mich.

Die Ablösung des Generalbundesanwalts ist die eine unangemessene Reaktion der Regierung, vertreten durch den Justizminister. Auch die Bundeskanzlerin ist vor den Medien eingeknickt. Der Rechtsstaat wird handlungsunfähig oder in seiner Handlungsfähigkeit deutlich eingeschränkt.


Aber der Generalbundesanwalt ist doch nicht wegen der Demos oder des Medienechos entlassen worden, sondern weil er sich öffentlich gegen seinen Dienstherrn gestellt hat. Wenn Sie von Ihrem Chef eine Anweisung erhalten und daraufhin in der Zeitung sagen, dass Sie es unerträglich finden, dass er Ihnen Anweisungen erteilt, dürfen Sie sich auch Ihre Papiere abholen.

Wie schon einmal betont - ich finde es auch problematisch, dass das Justizministerium diese Machtbefugnisse hat. Aber wenn ich Generalbundesanwalt bin, weiß ich das vorher, und wenn ich mich öffentlich dagegen auflehne, muss ich mit den Konsequenzen leben. Das hat weniger mit Mediendiktatur zu tun als mit einer Gewaltenverschränkung zwischen Justiz und Exekutive.

Gruß Petz

Free speech is so last century. (Brendan O'Neill)

Meister Petz Offline




Beiträge: 3.923

06.08.2015 08:32
#14 RE: Vom Bundesanwalt und der Unerträglichkeit Antworten

Nachtrag: Wenn wir in einer Mediendiktatur leben würden, hätte Merkel Schäuble entlassen (nachdem die Medien ihnen ein zerrüttetes Verhältnis bescheinigt hätten), und der Generalbundesanwalt wäre schon lange nicht mehr im Amt, weil Maas ihn entlassen hätte, nachdem er NICHT gegen die NSA ermittelt hat.

Ich finde ja auch, dass es eine ungesunde Verquickung zwischen Medien, "Netzöffentlichkeit" und Politik gibt, siehe hier: Meckerecke: Die PRD . Aber es ist nicht das Verhältnis einer Diktatur, weil es dabei viel zu wenig um Inhalte geht, sondern eher um Aufmerksamkeit und gut dastehen. Gerade Merkel und Schäuble sind eigentlich relativ resistent gegenüber der veröffentlichten Meinung.

Gruß Petz

Free speech is so last century. (Brendan O'Neill)

nachdenken_schmerzt_nicht Offline




Beiträge: 2.007

06.08.2015 12:58
#15 RE: Vom Bundesanwalt und der Unerträglichkeit Antworten

Lieber Llarian.

Zitat von Vom Bundesanwalt und der Unerträglichkeit
Der Mann arbeitet für uns.

Auch wenn Meister Petz hierauf schon einging möchte ich es ebenfalls tun, da ich hier eine zentrale Fehleinschätzung ihrerseits sehe:

Der GBA arbeitet nicht für uns. Wer sollte auch "uns" sein? Er ist ein Instrument des Rechtsstaates, um ein objektives Verfahren zu gewährleisten. Das ist etwas grundsätzlich ganz anderes. Vor allem müßte der GBA, wenn er den für irgendjemanden arbeiten würde, dessen Interessen vertreten, Und genau das – irgendjemandes Interessen vertreten - darf er per defitionem nicht tun.

Sie verwechseln hier möglicherweise Politiker mit den Angehörigen anderer Institutionen. Politiker sind vom Volk gewählt und man sollte daher erwarten, dass sie dessen Interessen vertreten. Der GBA ist (im weitesten Sinne) Teil der Jusrisdiktion und als solcher dem Bürger gar nichts schuldig, außer die (Verfahrens)Regeln einzuhalten.

Möglicherweise hat diese Mißverständnis in Deutschland aber durchaus Methode: Der geschätzte Emulgator hat an andere Stelle des Forums darauf hingewiesen, dass in Deutschland grundsätzlich ein Problem mit der Gewaltenteilung herrscht, weil „alle Macht“ per GG vom Volke ausgeht und eben nicht geteilt ist. Das ist nicht ganz unproblematisch und möglicherweise auch mit Grund dafür, dass wir solch unglückliche Verschränkungen zwischen den Gewalten, wie hier zwischen Justiz und Politik (Weisungsbefugnis eines Ministers gegenüber dem Ankläger) hinnehmen müssen.


Zitat von Vom Bundesanwalt und der Unerträglichkeit
Aber auch Ermittlungen produzieren Schaden. Denn wenn es kein Schaden ist, können Sie sich vorstellen, lieber Leser, das gegen Sie wegen eines Vergehens ermittelt wird, das strafrechtlich mit der Strafe wie Mord geahndet werden kann? Würde Sie das kalt lassen? Ermittlungen sind eben nicht wertneutral, und der Herr Verfassungsschutzpräsident weiß nur zu gut, dass eine Verurteilung unwahrscheinlich ist.

Lieber Llarian, es erstaunt mich diese Argumentation aus Ihrer Feder zu lesen.

Wer sollte Ihrer Meinung nach festlegen, wann der Schaden einer Ermittlung größer ist, als ihr rechtsstaatlicher Nutzen und ob sie damit zulässig ist oder nicht? Oder wie Sie es ausdrücken, ob eine Verurteilung unwahrscheinlich ist oder eben nicht? (Reicht denn unwahrscheinlich schon aus, müßte es nicht sogar ausgeschlossen sein?)

Sie? Ich? ZkZ? Heiko Maaß? Christian Ströbele? Die Bundeskanzlerin? Die Redaktion der Süddeutschen? Eine Ethikkommision? Ein Volksentscheid?......

Auch hier die Bemerkung: Politiker werden gewählt und man kann durchaus erwarten, dass sie Volkes Wille folgen, gleich aus was man diesen extrahieren möchte: Sei es aus Volksentscheiden, Aktivistenmeinungen, einer Pressemelange oder was auch immer sonst. Die Justiz hat aber Volkes Wille rein gar nichts zu kümmern, einzig die Regeln des Gesetzes sind für sie verbindlich.

Ich sehe durchaus, die emotionale Belastung und die potentiellen Folgeprobleme, welche ein Verfahren mit sich bringen kann und sehe sie alles andere als Bedeutungslos an. Die Blinde Justitia sollte, ja darf aber gerade dafür keine Augen haben. Genau da beginnt die Gesinnung und endet der Rechtsstaat.


Zitat von Vom Bundesanwalt und der Unerträglichkeit
Polizeistaaten sind auch Rechtsstaaten

Das ist eine Fehleinschätzung. Ein Polizeistaat kennt keine Grundrechte des Bürgers, die er durch eine unabhängige Justiz überwacht. Das kennt nur der Rechtsstaat.


Zitat von Vom Bundesanwalt und der Unerträglichkeit
Der Rechtsstaat ist das Werkzeug, kein Selbstzweck.

Der Rechtsstaat ist weder Werkzeug noch ein Selbstzweck. Er ist die Abstrakte Umschreibung für einen Zustand, in dem verfassungsmäßig garantierte Grundrechte des Bürgers von einer unabhängigen Justiz sichergestellt werden. Dazu ist es notwendig, dass Verfahren möglichst frei von Ansichten, alleine aufgrund von Regeln geführt werden.
Ich würde sogar so weit gehen und behaupten, dass eine Rechtssprechung, die eine große Mehrheit immer als gerecht empfände, nicht die eines Rechtsstaates sein kann. Das ist nur mit Gesinnungsjustiz möglich. Deswegen muß es geradezu beruhigen, dass es manchmal Verfahren und auch Urteile gibt, wo einem aufgrund des eigenen Gerechtigkeitssinnes die Haare, wenn man denn welche hat, zu Berge stehen.

Herzlich


nachdenken_schmerzt_nicht


ps:

Zitat von Vom Bundesanwalt und der Unerträglichkeit
In was für eine Richtung soll unsere Republik gehen, wenn der Generalbundesanwalt, der höchste Ankläger der Republik, nicht einmal einen Anfangsverdacht sehen will, wenn in Deutschland die NSA nahezu alles was Rang und Namen hat nach Strich und Faden ausspioniert hat, aber gleichzeitig ein Verfahren wegen Landesverrates gegen Journalisten anstrebt, die es wagen solche Methoden (die ja gar nicht existieren….) in Frage zu stellen ?

In meinen Augen wird durch solche, stark vereinfachende Argumentation, welche mit viel persönlicher Ansicht versehen ist, die Diskussion um die Grundlagen unserer Rechtsstaalichkeit nicht gerade vereinfacht, wenn nicht gar faktisch unmöglich gemacht.

"Dort, wo es keine sichtbaren Konflikte gibt, gibt es auch keine Freiheit." - Montesquieu

Florian Offline



Beiträge: 3.180

06.08.2015 13:27
#16 RE: Vom Bundesanwalt und der Unerträglichkeit Antworten

In den Medien wird ja gerade darüber diskutiert, ob die Beziehung zwischen Justizminister und Generalbundesanwalt in unserem System falsch gehandhabt wird.
Insbesondere wird es als problematisch angesehen, wenn der Justizminister auf die Entscheidungen des Generalbundesantwalts Einfluss nehmen kann.
Ich sehe das auch als sehr problematisch an, weil es die Gewaltenteilung untergräbt.

Aber nur der guten Ordnung halber folgender Hinweis:
Im internationalen Vergleich erlaubt das deutsche System dem Generalbundesanwalt sogar ein vergleichsweise sehr hohes Maß an Unabhängigkeit.

In der angelsächsischen Rechtstradition sieht das z.B. ganz anders aus.
Siehe z.B. das Amt des "Attorney General" in den USA.
Dieser übt in Personalunion die BEIDEN Ämter Justizminister und Generalstaatsanwalt gleichzeitig aus.
( https://de.wikipedia.org/wiki/United_States_Attorney_General).
Zitat aus Wikipedia:

Zitat
Der United States Attorney General ist ein Mitglied des Kabinetts der Vereinigten Staaten und steht dem Justizministerium der Vereinigten Staaten vor, ohne den Titel „Secretary“ (Minister) zu tragen. Zu seinen Aufgaben zählt die Beratung der Regierung in Justizfragen, die Kontrolle der Strafverfolgungsbehörden und die Vertretung der Vereinigten Staaten vor Gericht. Deshalb ist er nach dem deutschen System etwa Justizminister und Generalbundesanwalt zusammen.

Meister Petz Offline




Beiträge: 3.923

06.08.2015 13:46
#17 RE: Vom Bundesanwalt und der Unerträglichkeit Antworten

Zitat von Florian im Beitrag #16
Dieser übt in Personalunion die BEIDEN Ämter Justizminister und Generalstaatsanwalt gleichzeitig aus.
(https://de.wikipedia.org/wiki/United_States_Attorney_General).

Aber dafür hat er einen beschränkteren Wirkungskreis.

Der "Justizminister-Teil" des U.S. Attorney General hat weniger Macht, weil er nicht Teil einer Regierungsmehrheit ist und somit kaum Einfluss auf die Legislative.
Der "Generalbundesanwalt-Teil" ist ausschließlich zuständig für Bundesrecht, und somit nur für einen sehr geringen Teil der Strafverfahren, da die staatlichen Behörden eine viel größere Eigenständigkeit genießen. Z.B. sind Bundesgerichte keine Berufungsinstanz, der BGH schon.

Und er muss vom Senat bestätigt werden, kann also nicht exekutiv-intern besetzt werden (wie Range von Maas und Maas von Merkel).

Gruß Petz

Free speech is so last century. (Brendan O'Neill)

Werwohlf Offline




Beiträge: 997

06.08.2015 14:52
#18 RE: Vom Bundesanwalt und der Unerträglichkeit Antworten

Zitat von Meister Petz im Beitrag #14
Gerade Merkel und Schäuble sind eigentlich relativ resistent gegenüber der veröffentlichten Meinung.
Bei Schäuble stimme ich zu. Merkel kann den übrigens nicht entlassen, weil das sofort erhebliche Unruhe in die Union bringen würde, und mit Unruhe in der Partei gewinnt man keine Wahlen. Was wiederum Merkels einziger Maßstab ist.

--
Bevor ich mit den Wölfen heule, werd‘ ich lieber harzig, warzig grau,
verwandele ich mich in eine Eule oder vielleicht in eine graue Sau.
(Reinhard Mey)

Werwohlf Offline




Beiträge: 997

06.08.2015 15:15
#19 RE: Vom Bundesanwalt und der Unerträglichkeit Antworten

Zitat von nachdenken_schmerzt_nicht im Beitrag #15
Der Rechtsstaat ist weder Werkzeug noch ein Selbstzweck. Er ist die Abstrakte Umschreibung für einen Zustand, in dem verfassungsmäßig garantierte Grundrechte des Bürgers von einer unabhängigen Justiz sichergestellt werden. Dazu ist es notwendig, dass Verfahren möglichst frei von Ansichten, alleine aufgrund von Regeln geführt werden.
So ischt es.

Die Paragrafen 93 ff. existieren. Was also ist der Skandal? Dass sie jetzt auch mal angewendet werden? Dass es Journalisten trifft, weil die von diesen Paragrafen ausgenommen sind, zwar offensichtlich nicht de jure, aber irgendwie meta-legal?
Sicher, der Vorwurf kann unhaltbar sein. Ich meine aber schon mal gehört zu haben, also so ganz dunkel irgendwo, dass dies bei anderen Vorwürfen ebenfalls der Fall gewesen sein soll. Gegen Journalisten, aber auch gegen gemeine Bürger. Ermittlungsverfahren sollen - auch hier beziehe ich mich nur auf Gerüchte - sogar schon mal eingestellt worden sein. Man munkelt auch, dass Gerichte tatsächlich mal nicht anklagten. Und dann, jedenfalls berichten das die Weisen abends am Kaminfeuer, hat es doch glatt auch mal sowas wie öffentliche Gerichtsverhandlungen gegeben, in denen die Angklagten freigesprochen wurden. Wenn also die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens aufgrund eines nicht zutreffenden Vorwurfs ein Skandal ist, und wenn die o.g. Gerüchte alle stimmen sollten, dann geschehen bei uns wohl des öfteren mal solche Skandale, ja viel Schlimmere. Die aber seltsamerweise nie als solche bezeichnet werden. Ganz Hartgesottene nennen sowas sogar "rechtsstaatliches Verfahren". Wo wir doch alle wissen, dass allein die Anhörung der Netzgemeinde über gerecht und ungerecht befinden kann.

Man kann dem Blog netzpolitik.org zu diesem PR-Coup nur gratulieren. Aufmerksamkeit und Knete - die können jetzt expandieren. Augstein und Kollegen mussten damals noch in den Knast, und ihre Büros wurden besetzt. Beckendahl und Meister bekamen Post und brauchten dann nur noch mit Assoziationen zu spielen und mittels hochmoderner Methoden knallhart die wahre Intention des GBA ermitteln. So geht heroischer Journalismus in der Post-Moderne.

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Bevor ich mit den Wölfen heule, werd‘ ich lieber harzig, warzig grau,
verwandele ich mich in eine Eule oder vielleicht in eine graue Sau.
(Reinhard Mey)

RichardT Offline




Beiträge: 287

06.08.2015 18:49
#20 RE: Vom Bundesanwalt und der Unerträglichkeit Antworten

Wenn mich meine Wissensreste aus der Schule nicht täuschen hat der Justizminister selbstverständlich ein Weisungsrecht gegenüber dem Staatsanwalt. Sind sie doch beide ein Teil der Exekutive.
Das einzige was in Deutschland seit Jahrzehnten problematisch ist, ist die Verquickung von Regierungsamt und Parlamentssitz. Denn das Parlament ist die Lesgislative und soll einerseits die Gesetze erlassen und andererseits die Regierung/ Exekutive kontrollieren.
Über das Können und die Fähigkeiten unseres Justizministers will ich nichts sagen, nur daß ich bisher von nichts Gutem weiß muß noch lange nicht heißen, daß es auch nichts Gutes gibt.

Was mich mehr erstaunt ist der Ablauf des Ganzen. Meines Wissens hat der Chef vom Verfassungsschutz Anzeige erstattet. Daraufhin mußte der GBA zwingend ein Ermittlungsverfahren einleiten. Das wollte der BMdJ stoppen? Das find ich etwas seltsam, denn wäre nicht erst das Ergebnis des Ermittlungsverfahren abzuwarten? Sollte dann nicht Maas gehen?

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Paul Offline




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06.08.2015 19:46
#21 RE: Vom Bundesanwalt und der Unerträglichkeit Antworten

Zitat von Meister Petz im Beitrag #13

Aber der GBA hat ja nicht gegen die interne Quelle ermittelt (oder wenn, ist das nicht Teil des Skandals, jedenfalls ist nichts darüber bekannt), sondern gegen die Veröffentlicher (siehe hier: Gewaltenteilung)


Lieber Meister Petz,
so wie Sie es schreiben, stimmt es nicht ganz.

Netzwerk schreibt selber:

Zitat
Heute wurden wir offiziell über Ermittlungen gegen uns und Unbekannt informiert. Der Vorwurf: Landesverrat.



Gegen wen soll der Bundesanwalt sonst ermitteln? Gegen die Veröffentlicher und gegen Unbekannt (das ist die Quelle im Hintergrund). Das ist Rechtens und anders geht es nicht.
Zunächst musste der Generalbundesanwalt klären, ob überhaupt Landesverrat vorliegt. Im Rahmen dieser Vorklärung wurde er bereits heftig attackiert. Das ist im Rechtsstaat eine Ungeheuerlichkeit. Jedenfalls ist das meine Meinung. Wenn das Gutachten ergeben hätte, das die Veröffentlichung nicht den Tatbestand des Landesverrats erfüllt, hätte er gegen die beiden Netzwerkbetreiber das Verfahren nicht eröffnet oder sofort eingestellt. Gegen die Quelle hätte er weiter ermitteln müssen aber auf der Grundlage eines anderen Straftatbestandes. Wenn der auch nicht gegeben ist, liegt nur eine arbeitsrechtliche Dienstpflichtverletzung vor. Ob der Generalbundesanwalt dafür zuständig ist, weiß ich nicht.

Aber es brach sofort der mediengeschürte Aufstand der "Gerechten" aus und verhinderte dem Plan der Medien entsprechend alles Weitere. Mit Rechtsstaat hat das dann nichts mehr zu tun.

Das ist meine Meinung.

LG, Paul

Wenn Sie den Beitrag von Netzwerk lesen, dann wissen Sie was Polemik ist.
https://netzpolitik.org/2015/verdacht-de...unsere-quellen/

Der Gipfel ist der Hinweis auf die Auszeichnung. Was hat die damit zu tun? Die haben sie für ganz was Anderes bekommen. Sie wurde auch schon vorher beschlossen.
Das ist der Gipfel von Desinformation und Polemik.

___________________________
JE SUIS JUIF

Paul Offline




Beiträge: 1.285

06.08.2015 20:12
#22 RE: Vom Bundesanwalt und der Unerträglichkeit Antworten

Zitat von Meister Petz im Beitrag #13


Aber der Generalbundesanwalt ist doch nicht wegen der Demos oder des Medienechos entlassen worden, sondern weil er sich öffentlich gegen seinen Dienstherrn gestellt hat. Wenn Sie von Ihrem Chef eine Anweisung erhalten und daraufhin in der Zeitung sagen, dass Sie es unerträglich finden, dass er Ihnen Anweisungen erteilt, dürfen Sie sich auch Ihre Papiere abholen.


Das ist richtig.
Aber wenn ich mich gegen das unangemessene, evtl. sogar rechtswidrige Verhalten meines Chefs wehre, habe ich, auch beim Arbeitsgericht, keine schlechten Karten.

Dazu mal eine andere Stimme:

Zitat
Der CDU-Innenpolitiker Wolfgang Bosbach zeigt Verständnis für die Kritik von Generalbundesanwalt Harald Range an Justizminister Heiko Maas (SPD). "Die ministerielle Weisung, das bereits in Auftrag gegebene Gutachten auf halbem Weg zu stoppen, ist nicht unproblematisch", sagte Bosbach der "Welt".

Der Innenexperte warnte vor möglichen Folgen des Eingreifens durch den SPD-Politiker: "Es könnte der Eindruck entstehen, dass dem Justizminister die Bewertung des Gutachters wegen seiner Intervention politisch unangenehm sein könnte, weil sich der Eindruck dann verstärkt, der Justizminister habe nicht aus rechtlichen, sondern aus politischen Gründen auf das Verfahren Einfluss genommen", erklärte Bosbach.

Der Generalbundesanwalt hatte zuvor dem Justizminister einen Eingriff in die Ermittlungen gegen Journalisten des Internetportals netzpolitik.org vorgeworfen. Nach Angaben von Range habe er auf Weisung von Maas ein Gutachten stoppen müssen, das zu dem Schluss gekommen wäre, die Redakteure hätten tatsächliche Staatsgeheimnisse publiziert.

Quelle: dts Nachrichtenagentur


http://www.extremnews.com/nachrichten/po...f0d315703c38e77

Die Darstellung des Justizministers ist ein wenig anders. Er vermittelte, dass das Gutachten im gegenseitigen Einverständnis nicht weiter ausgeführt wurde.
Bosbach sagte an anderer Stelle, dass einer von beiden gelogen haben muss.

Na, warten wir mal ab, was daraus wird. Das Lied ist noch nicht zu Ende gesungen.

LG, Paul

Übrigens seit der "Beileidsbekundung" des Justizministers bei den Moslems für die Morde in Paris, halte ich diesen Minister für nicht mehr akzeptabel.

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JE SUIS JUIF

Meister Petz Offline




Beiträge: 3.923

06.08.2015 21:08
#23 RE: Vom Bundesanwalt und der Unerträglichkeit Antworten

Zitat von Paul im Beitrag #21
Zunächst musste der Generalbundesanwalt klären, ob überhaupt Landesverrat vorliegt. Im Rahmen dieser Vorklärung wurde er bereits heftig attackiert. Das ist im Rechtsstaat eine Ungeheuerlichkeit.

Nein, ist es nicht. Im Rechtsstaat muss er das aushalten. Wenn gegen mich ein Ermittlungsverfahren läuft, das ich für unangemessen halte, werde ich mich nicht wie ein Lamm zur Schlachtbank führen lassen, sondern mich mit allen Rechten dagegen wehren, die mir zustehen. Und die Meinungsäußerung steht mir, neben anderen Rechten wie Aussageverweigerung, anwaltlicher Beratung und vielem anderen definitiv zu.

Der Rechtsstaat kann gegen mich ermitteln, er kann mich verurteilen. Aber er kann mich nicht zwingen, alle seine Maßnahmen mit wohlwollendem Schweigen zu ertragen. Der Rechtsstaat kann mich nicht einmal dafür bestrafen, wenn ich als rechtskräftig verurteilter Straftäter aus dem Gefängnis entfliehe (er kann mich lediglich wieder einfangen und meine Strafe zu Ende verbüßen lassen).

Zitat
Wenn das Gutachten ergeben hätte, das die Veröffentlichung nicht den Tatbestand des Landesverrats erfüllt, hätte er gegen die beiden Netzwerkbetreiber das Verfahren nicht eröffnet oder sofort eingestellt. Gegen die Quelle hätte er weiter ermitteln müssen aber auf der Grundlage eines anderen Straftatbestandes. Wenn der auch nicht gegeben ist, liegt nur eine arbeitsrechtliche Dienstpflichtverletzung vor. Ob der Generalbundesanwalt dafür zuständig ist, weiß ich nicht.


Aber das Gutachten ist doch bereits Teil der Ermittlungen. es wurde von Anfang an von Landesverrat ausgegangen. Und diese Anzeige muss der GBA keineswegs verfolgen. Denn die Einschätzung des Straftatbestandes obliegt ihm und nicht dem Anzeigenden. Wenn Sie morgen zur Polizei gehen und Ihren Nachbarn wegen Mordversuchs anzeigen, weil er Sie geohrfeigt hat, wird der zuständige Staatsanwalt trotzdem wegen einfacher Körperverletzung ermitteln. Und genau so ist es hier passiert: Es wurde gleich vom Maximalvorwurf ausgegangen.

Für den Fall des Nicht-Landesverrates liegt gegen die Journalisten gar nix vor und gegen die Quelle ein Verstoß gegen das Dienstgeheimnis vor. Dafür ist zwar auch der GBA zuständig, aber nur nach Ermächtigung der obersten Bundesbehörde, im Fall Verfassungsschutz das BMI. Damit der GBA auf Antrag des Verfassungsschutzes selber tätig werden kann, musste der Landesverrat konstruiert werden.

Zitat
Aber es brach sofort der mediengeschürte Aufstand der "Gerechten" aus und verhinderte dem Plan der Medien entsprechend alles Weitere. Mit Rechtsstaat hat das dann nichts mehr zu tun.


Siehe oben: Wenn man sich das schwerste Geschütz aussucht, das man zur Verfügung hat, darf man sich nicht wundern, wenn es Kritik hagelt.

Gruß Petz

Free speech is so last century. (Brendan O'Neill)

Meister Petz Offline




Beiträge: 3.923

06.08.2015 21:20
#24 RE: Vom Bundesanwalt und der Unerträglichkeit Antworten

Zitat von Paul im Beitrag #22
Aber wenn ich mich gegen das unangemessene, evtl. sogar rechtswidrige Verhalten meines Chefs wehre, habe ich, auch beim Arbeitsgericht, keine schlechten Karten.
Nicht, wenn Sie politischer Beamter sind und jederzeit ohne Angabe von Gründen entlassen werden können. Im übrigen ist das Verhalten ja gar nicht rechtswidrig.

Zitat
Der CDU-Innenpolitiker Wolfgang Bosbach zeigt Verständnis für die Kritik von Generalbundesanwalt Harald Range an Justizminister Heiko Maas (SPD). "Die ministerielle Weisung, das bereits in Auftrag gegebene Gutachten auf halbem Weg zu stoppen, ist nicht unproblematisch", sagte Bosbach der "Welt".

Der Innenexperte warnte vor möglichen Folgen des Eingreifens durch den SPD-Politiker: "Es könnte der Eindruck entstehen, dass dem Justizminister die Bewertung des Gutachters wegen seiner Intervention politisch unangenehm sein könnte, weil sich der Eindruck dann verstärkt, der Justizminister habe nicht aus rechtlichen, sondern aus politischen Gründen auf das Verfahren Einfluss genommen", erklärte Bosbach.


Das stimmt ja auch. Aber das ist ein Problem des Gesetzes, das die Zuständigkeiten und Weisungsrechte regelt, nicht des Rechtsstaates an sich. Dass der Minister in einem Rechtsstaat von seinem Recht Gebrauch macht, auch wenn es manchen unangemessen erscheint, ist eine Frage der Überzeugung und nicht des Rechtsstaates.

Zitat von Paul im Beitrag #22
Die Darstellung des Justizministers ist ein wenig anders. Er vermittelte, dass das Gutachten im gegenseitigen Einverständnis nicht weiter ausgeführt wurde.
Bosbach sagte an anderer Stelle, dass einer von beiden gelogen haben muss.

Das ist offensichtlich, und es ist auch auffällig, dass de Maizière dermaßen die Füße still hält, obwohl sein Ressort eine Schlüsselrolle spielt. Aber noch einen Satz zum Gutachten: Ein Rechtsgutachten ist nicht zur Objektivität verpflichtet, genau so wenig, wie Ihr Anwalt, wenn Sie vor Gericht stehen. Das heißt, dass ein Rechtsgutachten nicht klären kann, ob Landesverrat vorliegt oder nicht. Das kann nur ein Richter.

Zitat
Übrigens seit der "Beileidsbekundung" des Justizministers bei den Moslems für die Morde in Paris, halte ich diesen Minister für nicht mehr akzeptabel.


Na gut, und andere halten ihn nicht für akzeptabel, weil er nicht gegen die NSA ermitteln hat lassen, und wieder andere, weil er die Ermittlungen überhaupt zugelassen hat. So gehts im Pluralismus.

Gruß Petz

Free speech is so last century. (Brendan O'Neill)

Meister Petz Offline




Beiträge: 3.923

06.08.2015 21:26
#25 RE: Vom Bundesanwalt und der Unerträglichkeit Antworten

Zitat
Meines Wissens hat der Chef vom Verfassungsschutz Anzeige erstattet. Daraufhin mußte der GBA zwingend ein Ermittlungsverfahren einleiten. Das wollte der BMdJ stoppen?


Muss er nur, wenn ihm der Anfangsverdacht ausreichend erscheint. Das war ja der Streit beim NSA-Thema, wo er es nicht getan hat.

Gruß Petz

Free speech is so last century. (Brendan O'Neill)

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