Zitat von R.A. im Beitrag #24Gefühle kann man nicht einklagen, aber Verhaltensweisen sehr wohl. Und die Ehe beinhaltet eben deutlich mehr als nur die Liebensbeziehung, die Versorgungsgemeinschaft ist da gesetzlich ganz heftig mit drin (siehe allein das Rentenrecht). Momentan haben wir eine Situation, wo nach Wegfall der Verschuldensfrage bei Scheidungen einseitig nur die materiellen Teile des Eheabkommens rechtlich durchsetzbar sind, alle übrigen Ansprüche (eben auch auf ein gewisses Verhalten) nicht mehr. Das kann zu ganz krassen Ungerechtigkeiten führen.
Und wie war der Anspruch auf ein "Verhalten" vorher durchsetzbar? In Wirklichkeit war es so, dass von Gesetzgeber und Justiz unglaublich viel formuliert wurde, was aber faktisch nicht durchsetzbar war, weil eben Privatsphäre. Folgender Klassiker ist möglicherweise bekannt:
Zitat „Die Frau genügt ihren ehelichen Pflichten nicht schon damit, dass sie die Beiwohnung teilnahmslos geschehen lässt. Wenn es ihr infolge ihrer Veranlagung oder aus anderen Gründen (...) versagt bleibt, im ehelichen Verkehr Befriedigung zu finden, so fordert die Ehe von ihr doch eine Gewährung in ehelicher Zuneigung und Opferbereitschaft und verbietet es, Gleichgültigkeit oder Widerwillen zur Schau zu tragen. Denn erfahrungsgemäß vermag sich der Partner, der im ehelichen Verkehr seine natürliche und legitime Befriedigung sucht, auf die Dauer kaum jemals mit der bloßen Triebstillung zu begnügen, ohne davon berührt zu werden, was der andere dabei empfindet. (...) Deshalb muss der Partner, dem es nicht gelingt, Befriedigung im Verkehr zu finden, aber auch nicht, die Gewährung des Beischlafs als ein Opfer zu bejahen, das er den legitimen Wünschen des anderen um der Erhaltung der seelischen Gemeinschaft willen bringt, jedenfalls darauf verzichten, seine persönlichen Gefühle in verletzender Form auszusprechen.“
(Urteil des BGH, 02.11.1966 - IV ZR 239/65)
Wollen wir da wieder hin? Viel symbolisches Moralisieren, während sich die faktische Rechtsprechung auch damals auf Sorgerecht, Unterhalt, Zugewinn etc. beschränkte. Aber wo ist die "krasse Ungerechtigkeit"?
Zitat Aber worin besteht die Hilfe bei einer Strafbarkeit?
Um die geht es mir nicht, eigentlich denke ich eher über Zivilrecht nach. Weil es eben um einen Vertrag zwischen zwei Leuten geht, der einseitig gebrochen wird.
OK, dann frage ich Dich auch - wie soll eine Regel aussehen?
Zitat Aber mir fehlt noch die Antwort auf: "aber dann würden natürlich eine ganze Reihe von Schutzvorschriften entfallen. Ich bin mir nicht sicher, welche Tragweite das dann hätte."
Ich stehe der Abschaffung der staatlichen Ehe durchaus positiv gegenüber. Aber es wäre eine recht einschneidende Maßnahme, und da würde ich vorher gerne verstehen, welche Folgen und Nebenwirkungen man sich einhandelt. Die spezielle (meist bevorzugte) Stellung des Ehegatten in vielen Gesetzen würde dann ja entfallen. Manches kann man zivilrechtlich ersetzen, manche andere Bevorzugung ist ohnehin nicht mehr zeitgemäß. Aber ich bin momentan unsicher, ob nicht auch Sachen wegfallen würden, die wichtig sind. Immerhin ist die Ehe eine ganz grundlegende Institution in allen Gesellschaften historisch und weltweit. Es gibt keine Erfahrungen mit einer Gesellschaft, in der die Ehe nicht existiert bzw. nicht juristisch abgesichert ist.
Die Frage ist doch die: Gibt es irgendwelche nichtmateriellen Folgen (denn die materiellen sind ja nicht das Thema), wenn man anstatt des Staates die Eheschließung dem lokalen Pfarrer, Guru, Darkroombetreiber oder sonst wem überlässt? Und die Regeln, die in einer Ehe gelten, darf die Gemeinschaft oder die Brautleute im Rahmen der ohnehin gültigen Straf- und Zivilgesetze selber bestimmen. Familienrecht beschränkt sich auf die Bereiche, wo Kinder betroffen sind.
Zitat von R.A. im Beitrag #24Aber ich bin momentan unsicher, ob nicht auch Sachen wegfallen würden, die wichtig sind. Immerhin ist die Ehe eine ganz grundlegende Institution in allen Gesellschaften historisch und weltweit. Es gibt keine Erfahrungen mit einer Gesellschaft, in der die Ehe nicht existiert bzw. nicht juristisch abgesichert ist.
Im weltweiten Vergleich ist aber sicher auch die deutsche Methode mit Eheschließung im Standesamt nicht der Standard.
Nehmen wir mal die USA: Da gibt es kein Standesamt. Sondern eine Ehe wird von einer (privaten) Person geschlossen, die eine entsprechende staatliche Zulassung hat. Häufig ist das z.B. ein Pfarrer. (Die berühmten "wedding chapels" in Las Vegas vollziehen 100% zivilrechtlich gültige Ehen). Der Pfarrer füllt dann ein Formular aus, das beide Ehepartner unterschreiben. Und Ende Gelände. (Das Formular wird auch nicht an irgendeine staatliche Stelle weitergereicht sondern dient nur den Eheleuten selbst als Dokument).
"Juristisch abgesichert" ist diese Ehe natürlich schon auch. Zum Beispiel ist Mehr-Ehe in den USA verboten. Wenn also ein Mann eine Frau heiratet und dann taucht ein anderer früherer Trauschein auf, dann hat er juristische Probleme. Oder z.B. gibt es auch in den USA ein Aussage-Verweigerungs-Recht für Ehepartner. Aber dafür braucht es nicht unbedingt eine staatliche Überwachung des Ehe-Wesens durch z.B. wie in Deutschland Standesämter oder durch Ehe-Melderegister o.ä.
Eine Liberalisierung und Ent-Staatlichung der Ehe wäre also durchaus möglich.
Zitat von Meister Petz im Beitrag #26Und wie war der Anspruch auf ein "Verhalten" vorher durchsetzbar?
War er nicht (bei den meisten Punkten). Aber dann entfiel eben auch der Anspruch auf Gegenleistung. Konkret: Seitensprung wurde nicht verhindert, aber man/frau riskierte damit Geldansprüche im Scheidungsfall.
Zitat Aber wo ist die "krasse Ungerechtigkeit"?
Man kann derzeit als Ehepartner die inmateriellen Versprechen seines Vertrags fast beliebig brechen, ohne bei den materiellen irgendwie schlechter gestellt zu werden.
Zitat Die Frage ist doch die: Gibt es irgendwelche nichtmateriellen Folgen (denn die materiellen sind ja nicht das Thema), wenn man anstatt des Staates die Eheschließung dem lokalen Pfarrer, Guru, Darkroombetreiber oder sonst wem überlässt?
Es geht sehr wohl um materielle Folgen. Z. B. hat ja ein Ehepartner das Recht, den Mietvertrag des verstorbenen Partners zu übernehmen. Oder die Rentenansprüche. Vom Erbrecht ganz zu schweigen. Und es geht natürlich weniger darum, ob nun der Standesbeamte oder der Darkroombetreiber die Eheschließung beurkundet. Sondern um die klare Feststellung des Rechtszustands. Ich hätte es z. B. als Vermieter nicht so gerne, wenn bei Tod eines Mieters plötzlich irgendein Typ auftaucht und mit irgendeiner dubiosen Eheurkunde irgendeiner Instanz in den Mietvertrag einsteigen will. M. E. kann irgendeine privat organisierte Partnerschaft nie einen Rechtsanspruch gegenüber Dritten herstellen. Wenn der Staat sich also aus dem Thema "Ehe" zurückzieht, dann ist es juristisch fast nicht mehr vorhanden. Was durchaus ok sein kann - aber wie oben gesagt, ich überblicke die möglichen Konsequenzen nicht.
Man kann derzeit als Ehepartner die inmateriellen Versprechen seines Vertrags fast beliebig brechen, ohne bei den materiellen irgendwie schlechter gestellt zu werden.
Das Problem ist doch eher das, dass die stattlichen Vorstellungen, wie eine Ehe und eine Scheidung auszusehen hat, so rigoros durchgesetzt werden, dass man nicht einmal vertraglich eine abweichende Regelung treffen kann. Man kann nicht einmal, wenn man es wünscht, die alte Regelung (bei Ehebruch geht der betrügerische Partner leer aus) in vollem Umfang wiederherstellen. So etwas wie hier würde ein Gericht wegen Sittenwidrigkeit kassieren: http://top.de/news/8b9-jesse-james-die-scheidung-pleite
Zitat Die Frage ist doch die: Gibt es irgendwelche nichtmateriellen Folgen (denn die materiellen sind ja nicht das Thema), wenn man anstatt des Staates die Eheschließung dem lokalen Pfarrer, Guru, Darkroombetreiber oder sonst wem überlässt?
Es geht sehr wohl um materielle Folgen. Z. B. hat ja ein Ehepartner das Recht, den Mietvertrag des verstorbenen Partners zu übernehmen. Oder die Rentenansprüche. Vom Erbrecht ganz zu schweigen. Und es geht natürlich weniger darum, ob nun der Standesbeamte oder der Darkroombetreiber die Eheschließung beurkundet. Sondern um die klare Feststellung des Rechtszustands. Ich hätte es z. B. als Vermieter nicht so gerne, wenn bei Tod eines Mieters plötzlich irgendein Typ auftaucht und mit irgendeiner dubiosen Eheurkunde irgendeiner Instanz in den Mietvertrag einsteigen will.
Ich stimme schon zu, dass das ganze Thema nicht ohne Regel ablaufen darf. Aber in anderen Fällen ist die Justiz auch nicht zimperlich bei der Anerkennung dubioser Eheurkunden: http://www.sueddeutsche.de/muenchen/nadj...riert-1.1060088
Zitat von R.A. im Beitrag #28M. E. kann irgendeine privat organisierte Partnerschaft nie einen Rechtsanspruch gegenüber Dritten herstellen. Wenn der Staat sich also aus dem Thema "Ehe" zurückzieht, dann ist es juristisch fast nicht mehr vorhanden. Was durchaus ok sein kann - aber wie oben gesagt, ich überblicke die möglichen Konsequenzen nicht.
Naja, viele Themen wären durch das bürgerliche Recht schon abgedeckt, wenn die "Ehepartner" analog wie eine GbR betrachtet werden.
Zitat von Emulgator im Beitrag #7 Erlauben Sie die Frage: Was ist denn Ihrer Meinung der gute Grund? Daß man mit einem Ergebnis nicht einverstanden war, konsequente Rechtsanwendung eben manchmal wehtut? Oder weil die "Institution Ehe" "überholt" sei?
Nun, einige Antworten sind bereits ausführlichst dargelegt und diskutiert worden, so dass ich so viel Kluges dazu eigentlich kaum schreiben kann. Darum erlauben Sie ebenso, lieber Emulgator, dass ich meine Meinung weniger juristisch als etwas platt ausdrücken möchte: Weil der Staat im Bett nix verloren hat. Okay, das ist jetzt wirklich etwas platt, daher vielleicht etwas anders ausgedrückt: Das Intimleben gehört, wie der Name schon sagt, zu den privatesten Dingen, die ein Mensch so haben kann. Da hat der Staat nix, aber auch gar nichts verloren, wenn es sich irgendwie vermeiden lässt. Ich sehe ein, dass der Staat, der ja in diesem Fall Vertreter der Gesellschaft ist, da eingreifen muss, wo extreme Deviationen zu massiven Schäden anderer führen kann, beispielsweise bei Pädo- oder Nekrophilie. Von solchen Fällen ab soll und muss sich der Staat aus den Schlafzimmer raushalten. Niemand schuldet der Gesellschaft eine Auskunft darüber was in seinem Schlafzimmer abläuft oder abgelaufen ist, niemand schuldet der Gesellschaft Auskunft über Vorlieben, Abneigungen oder die simple Frage wer mit wem schlief. Aber selbst wenn man diese Intimsphäre aufbrechen wollte, hätte man ein massives Problem in der Praxis: Was ist Sex ? Wo fängt das an, wo hört das auf ? Bill Clinton hat der Welt verkündet, dass er keinen Sex mit einer Frau hatte, die den Geschmack seines Schambereiches kannte. Ich habe nicht einmal Zweifel, dass man das denken kann. Aber ernsthaft: Wo fängt das an ? Bei einem Kuss, einer Umarmung, einem Zungenkuss, beim Petting oder erst bei der profanen Penetration ? Und wie wird das bewiesen ? Soll der Staat ernsthaft zu Gericht sitzen und sexuelle Praktiken diskutieren und was jetzt als Betrug qualifiziert ? Ich bin eigentlich ganz froh das wir diese zivilisatorischen Tiefen, die in einigen Bereichen der Welt noch betrieben werden, hinter uns haben. Denn das ist für mich tatsächlich Mittelalter.
Zudem habe ich ein weiteres Problem damit, was den eigentlichen Betrug ausmacht. Denn das ist m.E. nach nicht die Sexualität. Es ist die Täuschung darüber. Wenn zwei Partner sich in dem Sinne nicht mehr viel zu sagen haben und der eine hat Sex mit einer dritten Person, ist niemand betrogen. Wird offen darüber gesprochen, dass der eine plant mit einem dritten Sex zu haben, sehe ich keinen Betrug. Der Betrug qualifiziert sich erst durch die Täuschung. Und die muss sich keinesfalls auf Sexualität einschränken. Es gibt diverse Dinge, die absolut legal sind, von denen ich erwarte, dass mein Partner sie nicht tut. Wenn er sie doch tut und mich darüber täuscht, ist das genau der selbe Betrug. Betrug in der Beziehung (oder Ehe) auf Sexualität einzuschränken, scheint mir tatsächlich aus dem Mittelalter entnommen als man Frauen noch als Besitz des Mannes betrachtet hat. Keiner hat Anspruch auf seinen Partner, schon gar nicht im sexuellen Sinne. Ich finde nur ein jeder hat das Recht (im moralischen Sinne) die Wahrheit zu wissen (um daraus seine Konsequenzen zu ziehen), was aber noch nicht bedeutet, dass der Staat das Recht hat diese Wahrheit auszuforschen.
Ich sehe aber auch nicht das Riesenproblem in dem Sinne. Ehebrechen ist eine Schweinerei. Und auch ohne zu definieren was eine Schweinerei ist, kann man das relativ gut selber einschätzen. Mit aller Subjektivität, die dazu gehört und die im Privatleben auch problemlos gehandhabt werden kann. Ich würde keine Beziehung zu jemandem führen, der Ehe bricht und ich möchte eigentlich auch niemanden in meinem Umfeld haben, der das für richtig hält. Damit komme ich gut klar. Ich sehe keine Notwendigkeit für staatliches Handeln. Aber eine Menge Gründe das nicht zu tun.
Und zuguterletzt noch ein Wort zur "Ehe": Ob die Ehe überholt ist, muss ein jeder für sich entscheiden. Ich für meinen Teil brauche keinen staatlichen Segen um mit meinem Partner das Leben zu leben, dass ich für richtig halte. Wenn mein Partner mich betrügt, dann gibts eine Trennung und ggf. für jemand anderen einen ordentlichen auf die Zwölf. Da brauche ich keinen Staat für.
Zitat von Johanes im Beitrag #25Emulgator schrieb am 23.08.15 um 19:50 Uhr: "Wenn man davon ausgeht, daß das geltende Recht das Moral- und Gerechtigkeitsempfinden abbilden soll[...]"
Ist das eine sonderlich "liberale" Überlegung?
Was sollte sonst Maßgabe sein? Wenn der Staat schon dermaßen tätig wird, dann bitte auf Grundlage vernünftiger Gerechtigkeitserwägungen und nicht aus Jux oder weil eine Partikulargruppe ihr Hobby zur Norm machen will. Irgendeine Motivation oder Zielvorstellung gibt es ja immer bei Gesetzen. Wenn die Gesetze bloß gerecht sein sollen, ist es mir am einfachsten ihnen Folge zu leisten.
Zitat von Johanes im Beitrag #25Die Forderung, dass sich der Staat aus bestimmten Lebensbereichen, wozu zweifellos Ehe und Sexualität gehören, heraushalten soll, ist durchaus nachvollziehbar. Zumindest solange nicht das Ziel verfolgt wird, den Schwächeren zu seinem Rechte zu verhelfen.
Ich weiß nicht, ob sich der Staat wirklich heraushält, indem er ein Gesetz ändert, das vor ihm da war. Man hätte ja auch zusehen können, wie die vorhandenen juristischen Mittel, Ehebruch zu sanktionieren, außer Gebrauch kommen. Wenn ein echter Wandel der Sittlichkeit vorliegt, wäre genau das passiert.
Zitat von Johanes im Beitrag #25Überdies ist es unsinnig, Normen in Gesetzen aufzunehmen, deren Geltung nicht durch Strafen durchgesetzt wird.
Ausgerechnet von einem ehemaligen Polizisten kenne ich den Spruch: "Nur sich Erwischenlassen ist strafbar!" Da ist was wahres dran.
Zitat von Johanes im Beitrag #25Ein Gesetzt sollte nicht dazu dienen, dass der Staat beschreibt wie ers gern hätte oder dazu Empfehlungen zu geben.
Warum denn nicht? Wenn Sie das so schreiben, denkt man natürlich: "Ja, der Staat, das ist ja kein Mensch, das ist ja ein Monster mit spitzen Zähnen, grad so wie der Kapitalismus und die Märkte. Habe ich erst neulich auf einem SED-Plakat gesehen, wie diese Monster aussehen." Tatsächlich sind es ja nur Beschreibungen und Empfehlungen von anderen Menschen. Diesen Charakter wird staatliches Wirken immer haben (es sei denn, man glaubt daran, vom 12. Imam aus der göttlichen Verborgenheit heraus regiert zu werden). Und ehrlich gesagt finde ich es auch gar nicht falsch, mein eigenes Verhalten im Dialog mit anderen zu justieren. Gesetze haben dabei lediglich eine besonders eindringliche Form. Wenn ich trotzdem meine Überzeugung für richtiger halte, lasse ich mich entweder nicht erwischen oder nehme die Strafe einfach hin.
Zitat von Llarian im Beitrag #30Ich sehe ein, dass der Staat, der ja in diesem Fall Vertreter der Gesellschaft ist, da eingreifen muss, wo extreme Deviationen zu massiven Schäden anderer führen kann, beispielsweise bei Pädo- oder Nekrophilie.
Sehen Sie, das wiederum sehe ich nicht ein. Sie argumentieren induktiv vom Ergebnis her. Ich nicht. Ich argumentiere, deduktiv von den Grundkonstanten menschlichen Daseins: Familienbindung, Vertrauen in die Heiligkeit der Verträge, Eigentumsfreiheit, weil das die Dinge sind, mit denen wir unsere Grundbedürfnisse befriedigen. Es ist klar, daß die Bewahrung dieser Grundpfeiler menschlichen Lebens deswegen notwendig für Glück sind, aber sie sind nicht hinreichend. Deswegen brauche ich mir über irgendwelche Schäden nicht so viele Gedanken zu machen. Freunde der induktiven Argumentation dürfen hingegen immer den (u.U. nicht ermittelbaren) Nutzen für die Allgemeinheit ohne und mit der Regelung vergleichen, und wundern sich dann, daß natürlich trotz Diebstahlsparagraphen Inventurschwund eingepreist wird. Und wenn es um Enteignungen für die Allgemeinheit geht, dürfen sie in spekulative und detaillierte Nutzenüberlegungen abtauchen, die sich ändern, wenn das im Interesse der Allgemeinheit zu schützende Tier spontan abwandert.
Zitat von Llarian im Beitrag #30Wo fängt das an ? Bei einem Kuss, einer Umarmung, einem Zungenkuss, beim Petting oder erst bei der profanen Penetration ?
Das ist ganz einfach. Bei der Behandlung, die vernünftigerweise und in Anbetracht der Gebräuche nur der Ehepartner für sich reserviert sehen kann. Die ist landestypisch unterschiedlich, aber das weiß ein von Eifersucht bedrohter und ein Gericht auch ohne Legaldefinition. Es ist ja nicht geeignet den Anstand zu kodifizieren.
Zitat von Llarian im Beitrag #30Zudem habe ich ein weiteres Problem damit, was den eigentlichen Betrug ausmacht. Denn das ist m.E. nach nicht die Sexualität. Es ist die Täuschung darüber. Wenn zwei Partner sich in dem Sinne nicht mehr viel zu sagen haben und der eine hat Sex mit einer dritten Person, ist niemand betrogen. Wird offen darüber gesprochen, dass der eine plant mit einem dritten Sex zu haben, sehe ich keinen Betrug. Der Betrug qualifiziert sich erst durch die Täuschung. Und die muss sich keinesfalls auf Sexualität einschränken.
So richtig. Bei Bill und Hillary war wahrscheinlich sowieso kein Ehebruch möglich, weil Hillary selber womöglich ... fortschrittliche ... Vorstellungen und Erwartungen hatte. Normalerweise ist der Beischlaf mit einem Dritten ja auch nur ein Höhepunkt in der Abkühlung der Beziehung zum Partner. Respektlosigkeit und Nichtachtung im Alltag verdirbt einem Partner die Lust im Bett. Der andere arbeitet aber nicht an sich, sondern sucht sich die bequeme Befriedigung stattdessen woanders. An der Respektlosigkeit kann man juristisch nichts machen, man wollte denn den Anstand kodifizieren. Das sind einfach Dinge, die man mit Empathie und Alltagsvernunft in den Griff bekommen muß. Das Recht kommt dann ins Spiel, wenn plötzlich Vertragsbrüchigkeit als erlaubter, bequemer Ausweg aus dieser Situation erscheint.
Zitat von Llarian im Beitrag #30Es gibt diverse Dinge, die absolut legal sind, von denen ich erwarte, dass mein Partner sie nicht tut. Wenn er sie doch tut und mich darüber täuscht, ist das genau der selbe Betrug.
Das würde ich bloß Täuschung nennen. Betrug ist, wenn man sich zulasten des anderen besser stellt, und das sollte (wir wissen, es ist leider nicht) immer illegal sein. Täuschung kann z.B. vorliegen, wenn der andere lediglich im Zustand der Willensschwäche Erwartungen weckt, denen er eigentlich nicht nachkommen will. Solche Täuschungen sind natürlich sehr weit von den juristischen Zugriffsmöglichkeiten entfernt, aber es sind trotzdem keine Adiaphora (und auch schon nicht mehr Bereich des Anstandes, denn der ist willentlich gewählt).
Zitat von Llarian im Beitrag #30Betrug in der Beziehung (oder Ehe) auf Sexualität einzuschränken, scheint mir tatsächlich aus dem Mittelalter entnommen als man Frauen noch als Besitz des Mannes betrachtet hat.
Genau das hat man im Mittelalter nicht gemacht.
Zitat von Llarian im Beitrag #30Und zuguterletzt noch ein Wort zur "Ehe": Ob die Ehe überholt ist, muss ein jeder für sich entscheiden. Ich für meinen Teil brauche keinen staatlichen Segen um mit meinem Partner das Leben zu leben, dass ich für richtig halte. Wenn mein Partner mich betrügt, dann gibts eine Trennung und ggf. für jemand anderen einen ordentlichen auf die Zwölf. Da brauche ich keinen Staat für.
Staat und Ehe haben ohnehin nichts miteinander zu tun. Die Ehe war schließlich vorher da. Für die 12 von jemand anderem würden Sie übrigens illegal und unmoralisch handeln. Ich finde es dafür nicht unmoralisch, mit Damen anzubandeln, die nicht mindestens verlobt sind. Woher soll man denn wissen, wie verbindlich nun irgendjemand seine selbstdefinierte Beziehung wirklich sieht? Und vielleicht sieht nur der Mann sie so verbindlich, nicht die Frau? Die Ehe hat eben auch den Zweck, daß die Verbindung eines Paares öffentlich bekannt und respektiert wird. Da wir Menschen nicht hellsehen können, sind solche Rituale der Klarheit sehr wichtig.
Zitat von Meister Petz im Beitrag #26In Wirklichkeit war es so, dass von Gesetzgeber und Justiz unglaublich viel formuliert wurde, was aber faktisch nicht durchsetzbar war, weil eben Privatsphäre. Folgender Klassiker ist möglicherweise bekannt:
Zitat „Die Frau genügt ihren ehelichen Pflichten nicht schon damit, dass sie die Beiwohnung teilnahmslos geschehen lässt. Wenn es ihr infolge ihrer Veranlagung oder aus anderen Gründen (...) versagt bleibt, im ehelichen Verkehr Befriedigung zu finden, so fordert die Ehe von ihr doch eine Gewährung in ehelicher Zuneigung und Opferbereitschaft und verbietet es, Gleichgültigkeit oder Widerwillen zur Schau zu tragen. Denn erfahrungsgemäß vermag sich der Partner, der im ehelichen Verkehr seine natürliche und legitime Befriedigung sucht, auf die Dauer kaum jemals mit der bloßen Triebstillung zu begnügen, ohne davon berührt zu werden, was der andere dabei empfindet. (...) Deshalb muss der Partner, dem es nicht gelingt, Befriedigung im Verkehr zu finden, aber auch nicht, die Gewährung des Beischlafs als ein Opfer zu bejahen, das er den legitimen Wünschen des anderen um der Erhaltung der seelischen Gemeinschaft willen bringt, jedenfalls darauf verzichten, seine persönlichen Gefühle in verletzender Form auszusprechen.“
(Urteil des BGH, 02.11.1966 - IV ZR 239/65) Wollen wir da wieder hin? Viel symbolisches Moralisieren, während sich die faktische Rechtsprechung auch damals auf Sorgerecht, Unterhalt, Zugewinn etc. beschränkte.
In der zitierten Passage kann ich eigentlich kein symbolisches Moralisieren erkennen, das sind doch ganz konkrete und detaillierte Verhaltensregeln. Sicher, nachprüfbar ist das nicht so einfach, und in dieser Form auch heute nicht mehr so ohne weiteres vermittelbar (wenngleich die Sinnhaftigkeit doch einleuchtet). Es ist aber nicht so, daß es heute im Prinzip anders wäre, nur der Inhalt hat sich gewandelt: mit dem Begriff der ebenso intimen und nicht immer leicht beweis- oder widerlegbaren "Vergewaltigung in der Ehe" hat der Staat nach wie vor seinen inquisitiven Rüssel im Ehebett.
Zitat In der zitierten Passage kann ich eigentlich kein symbolisches Moralisieren erkennen, das sind doch ganz konkrete und detaillierte Verhaltensregeln. Sicher, nachprüfbar ist das nicht so einfach, und in dieser Form auch heute nicht mehr so ohne weiteres vermittelbar (wenngleich die Sinnhaftigkeit doch einleuchtet). Es ist aber nicht so, daß es heute im Prinzip anders wäre, nur der Inhalt hat sich gewandelt: mit dem Begriff der ebenso intimen und nicht immer leicht beweis- oder widerlegbaren "Vergewaltigung in der Ehe" hat der Staat nach wie vor seinen inquisitiven Rüssel im Ehebett.
Der Punkt mit der Vergewaltigung in der Ehe ist mir auch aufgefallen. Und es wirkt im Text von 1966 so, als ob der Staat das Problem eleganter löst, indem er der Frau einfach gebietet, gefälligst ihren Spaß zu haben (Gleichgültigkeit oder Widerwillen sind verboten).
Aber mit welchem Grund außer der Moral hält der Staat den Rüssel überhaupt hin?
Der ideale eheliche Geschlechtsakt funktioniert dann so:
Zitat Sein von Glück beschwingter Tatendrang litt keinen Aufschub, Guste hätte so viel Temperament nie erwartet. „Du bist doch nicht wie Lohengrin“, bemerkte sie. Als sie aber schon hinglitt und die Augen schloß, richtete Diederich sich nochmals auf. Eisern stand er vor ihr, ordenbehangen, eisern und blitzend. „Bevor wir zur Sache selbst schreiten,“ sagte er abgehackt, „gedenken wir Seiner Majestät unseres allergnädigsten Kaisers. Denn die Sache hat den höheren Zweck, daß wir Seiner Majestät Ehre machen und tüchtige Soldaten liefern.“
„Oh!“ machte Guste, von dem Gefunkel auf seiner Brust entrückt in höheren Glanz. „Bist – du – das – Diederich?“
Ich habe noch eine Nachfrage an diejenigen, die das Postulat eines Ehebruchsverbots vertragstheoretisch begründen (also konkret R.A. und Emulgator): Wie schon erwähnt, sieht die Rechtsprechung sehr viele mögliche Ehevertragsbestandteile, die eine materielle Schlechterstellung im Falle des Bruchs immaterieller Eheversprechen als sittenwidrig an. Ich halte das für völlig paternalistisch, aber wenn der Staat der Herr über die Ehe ist, kann er auch die Regeln bestimmen. So weit, so gut (oder auch nicht).
Was ich mich frage ist: Warum kommt niemand auf die Idee, dass ein Treueversprechen oder gar ein Versprechen von Gefühlen (zu lieben in guten und schlechten Zeiten, bis zum Tod) rechtlich sittenwidrig ist? Bis vor kurzem galt ein Liebeslohn als sittenwidrig und nicht einklagbar, obwohl es dabei um eine konkrete und abgeschlossene Leistung gegen einen konkreten und messbaren Preis geht?
Übrigens, persönlich halte ich das "Vertrauen in die Heiligkeit von Verträgen" keineswegs für eine Grundkonstante des menschlichen Daseins, und in Liebesdingen schon zweimal nicht. Ich sehe es ähnlich wie Llarian, ich kann einer geliebten Person vertrauen und für mich definieren, wann dieses Vertrauen enttäuscht wird. Ein Vertrag ist für mich genau das Gegenteil - ein Ausdruck des Misstrauens und ein Mittel, sich gegen die Folgen abzusichern, falls mein Misstrauen berechtigt ist. Wenn ich einer Person vertraue, brauche ich keinen Vertrag, dann genügt ein Wort und ein Handschlag.
Zitat von Meister Petz im Beitrag #21Ich gehe sogar noch weiter: Wenn der Staat den Anstand regelt, gibt es irgendwann keinen Anstand mehr, sondern nur noch gesetzeskonformes Verhalten. Anstand beruht immer auf Freiwilligkeit.
Nicht zu betrügen, nicht zu stehlen und nicht zu morden ist keine Frage des Anstandes sondern der Moral. Anstand ist es, sich der Situation entsprechend vornehm zu verhalten, eher also Etikette, also nicht zu rülpsen. Aber mir scheint, Sie benutzen das Wort Moral mit negativer Konnotation, denken bei "Moral" also eher an verstaubt und repressiv. Ist das richtig? Für mich ist Moral etwas, was mich in Einklang mit meinen menschlichen Bedürfnissen bringt und als Nebeneffekt mir Friede mit den mir friedlich gesonnenen Mitmenschen bringt. Hinter Moral stehen Philosophie und Theologie.
Zitat von R.A. im Beitrag #13Aber ich sehe schon ein gewisses Problem darin, daß der Staat Ehebruch nun überhaupt nicht mehr als Problem ansieht. Schließlich steht da ein Vertrag dahinter, in dem sich zwei Leute gegenseitig diverse Sachen zugesichert haben. Wenn jetzt einer der Beiden die versprochenen Leistungen nicht bringt, sollte er zumindestens zivilrechtlich etwas machen können.
Wie schon in der Antwort auf den Emulgator: Du wendest ein Konzept der Versorgungsgemeinschaft auf die Liebesheirat an. Gefühle kann man weder erzwingen noch einklagen.
Man heiratet nicht automatisch, wenn man einander liebt. Man heiratet, wenn beide vereinbaren, dasselbe zu wollen. Das ist wie ein Vertrag. Wenn Sie jetzt sagen, Liebe führe nicht dazu, den anderen versorgt wissen zu wollen, dann benutzen Sie das Wort Liebe so, wie ich das Wort Brünstigkeit benutzen würde.
Das können Sie so natürlich machen, wenn Ihnen so etwas wie das "vegetative Leben" der marxistischen Sexualreformer vorschwebt. Das ist allerdings Gift für ein Sozialgefüge.
Zitat von Meister Petz im Beitrag #21Aber worin besteht die Hilfe bei einer Strafbarkeit? In der Abschreckung sicher nicht. Genugtuung für den Betrogenen? Bisschen mager. Also bestünde sie nur in der moralischen Ächtung qua Gesetzgeber für die Leute, die Gesetze für Moral und gesetzeskonformes Handeln für Anstand halten.
Das können Sie auch alles beim Diebstahl sagen, denn die Inventurdifferenzen durch Schwund werden ja doch eingepreist. Strafandrohung ist die eindringlichste Form, etwas zu mißbilligen. Mißbilligt man auf diese Weise etwas, was moralisch gar nicht so falsch ist, mißbraucht man seine Macht. Die Aufhebung einer Strafandrohung wirkt als Billigung. Wird eine Strafandrohung aufgehoben, weiß jeder: "Ab jetzt ist das nicht mehr so schlimm." Wenn man dadurch die Menschen verwirrt, indem sie etwas unmoralisches nunmehr für gerechtfertigt erachten, dann kommt man nicht mehr den Pflichten nach, wegen derer man staatliche Macht überhaupt hat.
Zitat von Meister Petz im Beitrag #21Ich finde, es käme geradezu einer liberalen Revolution gleich, wenn man die engste Form der zwischenmenschlichen Beziehungen den Klauen des Staates entreißt.
Ich vermute, es wäre das Ende staatlicher Organisation, wenn sie keine Rücksicht mehr nähme auf die mächtigste Kraft, die zwischen Menschen regiert.
Zitat von Meister Petz im Beitrag #35Was ich mich frage ist: Warum kommt niemand auf die Idee, dass ein Treueversprechen oder gar ein Versprechen von Gefühlen (zu lieben in guten und schlechten Zeiten, bis zum Tod) rechtlich sittenwidrig ist?
Tja, ich stelle diese Frage mit "Wann". Es kann eben auch totalitäre Demokratien geben, die konstante und gepflegte Gefühle verbieten wollen.
Zitat von Meister Petz im Beitrag #35Ich sehe es ähnlich wie Llarian, ich kann einer geliebten Person vertrauen und für mich definieren, wann dieses Vertrauen enttäuscht wird.
Wenn Sie das wirklich "für sich definieren" und der andere keinen Grund hat vorherzusehen, wann Sie dieses Vertrauen für enttäuscht halten, dann haben Sie sich und Ihrem Partner eine Sprengfalle ins Leben gestellt. Ohne Ihnen zu Nahe treten zu wollen: Es ist doch saudumm, von dem anderen etwas zu erwarten, und ihn in diese Erwartung nicht einzuweihen. Wenn er es konkludent schließen kann -- gut. Wenn nicht: Sie hätten ehrlich nicht mein Mitleid, wenn Ihnen das um die Ohren fliegt.
Ich selber würde mir so eine Situation auch nicht bieten lassen. Wer etwas von mir will, kann das auch offen sagen und dazu stehen. Ich habe z.B. eine Reihe weiblicher Kumpels und würde im Traum nicht auf die Idee kommen, diese Freundschaften stillzulegen aus spekulativer Sorge, meine Freundin hätte "für sich definiert", enttäuscht zu sein, wenn ich diese Freundschaften weiter pflege. Ich glaube, es gehört auch zur Liebe dazu, diese Sicherheit dem anderen zu geben, was er sich erlauben kann und was nicht. Ich würde mich auch nicht darüber freuen, wenn meine Partnerin sich aus der Vorsicht, keine meiner geheimen Enttäuschungsdefinition zu treffen, große Einschränkungen auferlegt.
Zitat von Meister Petz im Beitrag #35Wenn ich einer Person vertraue, brauche ich keinen Vertrag, dann genügt ein Wort und ein Handschlag.
Dann haben Sie doch einen Vertrag. Nur keine Vertragsurkunde. Das wird im Volksmund gerne verwechselt. Der Vertrag ist die erklärte Willensübereinkunft. Das Schriftstück ist nur eine Beurkundung desselben. Ein Vertragsabschluß läuft so ab: Der Antragssteller fragt: "Willst du dies und das und gibst mir jenes?" Der andere stimmt zu. Der Antrag ist dabei an keinerlei Form gebunden. Je nach Situation und Brauch kann dabei das Heben eines Zeigefingers bedeuten: "Diese fünf Rinder für 35.000 f.o.b. Chicago." Oder: Noch ein Bier ! Auch die Zustimmung ist an keine Form gebunden: Die Ware über den Barcodescanner schieben oder ein Bier hinstellen. Alles Kaufverträge.
Dank der Formpflicht der Eheschließung ist es undenkbar, daß man sich durch Heben eines Zeigefingers versehentlich verheiratet. Das ist zweckmäßig.
Zitat von Meister Petz im Beitrag #21Ich gehe sogar noch weiter: Wenn der Staat den Anstand regelt, gibt es irgendwann keinen Anstand mehr, sondern nur noch gesetzeskonformes Verhalten. Anstand beruht immer auf Freiwilligkeit.
Nicht zu betrügen, nicht zu stehlen und nicht zu morden ist keine Frage des Anstandes sondern der Moral. Anstand ist es, sich der Situation entsprechend vornehm zu verhalten, eher also Etikette, also nicht zu rülpsen. Aber mir scheint, Sie benutzen das Wort Moral mit negativer Konnotation, denken bei "Moral" also eher an verstaubt und repressiv. Ist das richtig? Für mich ist Moral etwas, was mich in Einklang mit meinen menschlichen Bedürfnissen bringt und als Nebeneffekt mir Friede mit den mir friedlich gesonnenen Mitmenschen bringt. Hinter Moral stehen Philosophie und Theologie.
Ich glaube, wir geraten hier in eine Begriffsdiskussion, und ich weiß nicht, ob uns die weiterbringt. Ich kann jedenfalls guten Gewissens von mir behaupten, im Großen und Ganzen einen Ruf als anständiger Mensch zu genießen, obwohl ich keineswegs ein "vornehmes" Gebaren an den Tag lege, hier meinen wir also deutlich etwas Unterschiedliches. Aber seis drum.
Ich gebrauche den Begriff der Moral völlig wertfrei, allerdings sehe ich es nicht als Aufgabe des Rechts, Moral durchzusetzen, gerade nicht in Bereichen, wo die Moralvorstellungen in einer Gesellschaft nicht einheitlich sind.
Zitat von R.A. im Beitrag #13Aber ich sehe schon ein gewisses Problem darin, daß der Staat Ehebruch nun überhaupt nicht mehr als Problem ansieht. Schließlich steht da ein Vertrag dahinter, in dem sich zwei Leute gegenseitig diverse Sachen zugesichert haben. Wenn jetzt einer der Beiden die versprochenen Leistungen nicht bringt, sollte er zumindestens zivilrechtlich etwas machen können.
Wie schon in der Antwort auf den Emulgator: Du wendest ein Konzept der Versorgungsgemeinschaft auf die Liebesheirat an. Gefühle kann man weder erzwingen noch einklagen.
Man heiratet nicht automatisch, wenn man einander liebt. Man heiratet, wenn beide vereinbaren, dasselbe zu wollen. Das ist wie ein Vertrag. Wenn Sie jetzt sagen, Liebe führe nicht dazu, den anderen versorgt wissen zu wollen, dann benutzen Sie das Wort Liebe so, wie ich das Wort Brünstigkeit benutzen würde.
Aber warum verengen Sie dann den Vertrauensbruch in einer Ehe so sehr auf das Moment der Brünstigkeit, dass Sie ausgerechnet die strafrechtlich bewehrt sehen wollen? Llarian hat dazu sehr kluge Gedanken geschrieben, die ich weitgehend teile.
Zitat von Emulgator im Beitrag #36Strafandrohung ist die eindringlichste Form, etwas zu mißbilligen. Mißbilligt man auf diese Weise etwas, was moralisch gar nicht so falsch ist, mißbraucht man seine Macht. Die Aufhebung einer Strafandrohung wirkt als Billigung. Wird eine Strafandrohung aufgehoben, weiß jeder: "Ab jetzt ist das nicht mehr so schlimm." Wenn man dadurch die Menschen verwirrt, indem sie etwas unmoralisches nunmehr für gerechtfertigt erachten, dann kommt man nicht mehr den Pflichten nach, wegen derer man staatliche Macht überhaupt hat.
Das können Sie mir jetzt noch 10 mal schreiben, und ich werde Ihnen immer noch nicht zustimmen. Weil ich diesen Schluss von der Gültigkeit eines staatlichen Gesetzes auf ein dahinterliegendes moralisches Gesetz für so fatal halte. Weil er die Moral, oder wie Kant sie nennen würde, die praktische Vernunft aushebelt, dem Individuum entreißt und verstaatlicht.
Zitat von Meister Petz im Beitrag #21Ich finde, es käme geradezu einer liberalen Revolution gleich, wenn man die engste Form der zwischenmenschlichen Beziehungen den Klauen des Staates entreißt.
Ich vermute, es wäre das Ende staatlicher Organisation, wenn sie keine Rücksicht mehr nähme auf die mächtigste Kraft, die zwischen Menschen regiert.
Das tut sie ja eben nicht, sondern sie maßt sich an, darüber zu bestimmen.
Zitat von Meister Petz im Beitrag #35Was ich mich frage ist: Warum kommt niemand auf die Idee, dass ein Treueversprechen oder gar ein Versprechen von Gefühlen (zu lieben in guten und schlechten Zeiten, bis zum Tod) rechtlich sittenwidrig ist?
Tja, ich stelle diese Frage mit "Wann". Es kann eben auch totalitäre Demokratien geben, die konstante und gepflegte Gefühle verbieten wollen.
Moment mal - zwischen vorschreiben und die Einhaltung mit Strafandrohung durchzusetzen auf der einen und verbieten auf der anderen Seite ist noch eine Menge Luft. Können Sie denn den Wunsch, von staatlicher Regulierung verschont zu bleiben, denn so gar nicht nachvollziehen?
Zitat von Meister Petz im Beitrag #35Ich sehe es ähnlich wie Llarian, ich kann einer geliebten Person vertrauen und für mich definieren, wann dieses Vertrauen enttäuscht wird.
Wenn Sie das wirklich "für sich definieren" und der andere keinen Grund hat vorherzusehen, wann Sie dieses Vertrauen für enttäuscht halten, dann haben Sie sich und Ihrem Partner eine Sprengfalle ins Leben gestellt. Ohne Ihnen zu Nahe treten zu wollen: Es ist doch saudumm, von dem anderen etwas zu erwarten, und ihn in diese Erwartung nicht einzuweihen. Wenn er es konkludent schließen kann -- gut. Wenn nicht: Sie hätten ehrlich nicht mein Mitleid, wenn Ihnen das um die Ohren fliegt.
Ich selber würde mir so eine Situation auch nicht bieten lassen. Wer etwas von mir will, kann das auch offen sagen und dazu stehen. Ich habe z.B. eine Reihe weiblicher Kumpels und würde im Traum nicht auf die Idee kommen, diese Freundschaften stillzulegen aus spekulativer Sorge, meine Freundin hätte "für sich definiert", enttäuscht zu sein, wenn ich diese Freundschaften weiter pflege. Ich glaube, es gehört auch zur Liebe dazu, diese Sicherheit dem anderen zu geben, was er sich erlauben kann und was nicht. Ich würde mich auch nicht darüber freuen, wenn meine Partnerin sich aus der Vorsicht, keine meiner geheimen Enttäuschungsdefinition zu treffen, große Einschränkungen auferlegt.
Wo lesen Sie das denn raus, dass ich mit niemandem drüber reden würde? Mit "für mich" meine ich lediglich, dass jeder Mensch eine andere Schwelle hat, bei der das Vertrauen enttäuscht ist, und ich mir nicht anmaße, irgendjemandem darüber Vorschriften zu machen (und auch ziemlich empfindlich reagiere, wenn es jemand anders tut).
Zitat von Meister Petz im Beitrag #35Wenn ich einer Person vertraue, brauche ich keinen Vertrag, dann genügt ein Wort und ein Handschlag.
Dann haben Sie doch einen Vertrag. Nur keine Vertragsurkunde. Das wird im Volksmund gerne verwechselt. Der Vertrag ist die erklärte Willensübereinkunft. Das Schriftstück ist nur eine Beurkundung desselben. Ein Vertragsabschluß läuft so ab: Der Antragssteller fragt: "Willst du dies und das und gibst mir jenes?" Der andere stimmt zu. Der Antrag ist dabei an keinerlei Form gebunden. Je nach Situation und Brauch kann dabei das Heben eines Zeigefingers bedeuten: "Diese fünf Rinder für 35.000 f.o.b. Chicago." Oder: Noch ein Bier ! Auch die Zustimmung ist an keine Form gebunden: Die Ware über den Barcodescanner schieben oder ein Bier hinstellen. Alles Kaufverträge.
Dank der Formpflicht der Eheschließung ist es undenkbar, daß man sich durch Heben eines Zeigefingers versehentlich verheiratet. Das ist zweckmäßig.
Ja, das war ungenau formuliert (ich habe nicht an konkludentes Handeln gedacht), aber ich denke, es ist nachzuvollziehen, worauf ich hinauswill. Wenn ich Ihnen nach dem Bierbestellen 10 Euro leihe und mir einen notariell beglaubigten Schuldschein dafür ausstellen lasse, würden Sie mich für reichlich misstrauisch halten. Sie würden glauben, dass ich Ihnen nicht genug Moral oder Anstand zuschreibe, mir das Geld von sich aus zurückzugeben.
Und so ist es bei der gesetzlichen Ehe auch. Ich will doch nicht, dass meine Partnerin mit mir zusammenlebt, weil sie sich an so etwas Abstraktes wie ein Vertragswerk gebunden fühlt, sondern, wenn's gang, an mich
Dass man den Babst & diverse Kurialen, zumindest heute nicht mehr, in dieser Sache um Rat angehen sollte, scheint einleuchtend & schicklich. Aber was empfiehlt unser Bundespräsident?
Zumindest für die klassische Literatur, von Homer bis Updike, ist der Komplex das Movens schlechtin. Wenn man das unter Kuratel stellt (Emma Bovary...), kann man die Hälfte davon einstampfen. Und die andre Hälfte widmet sich dem crimen oder kommt wg. N-Wörterei in die Stampfe.
Les hommes seront toujours fous; et ceux qui croient les guérir sont les plus fous de la bande. - Voltaire
Zitat von Ulrich Elkmann im Beitrag #40Zumindest für die klassische Literatur, von Homer bis Updike, ist der Komplex das Movens schlechtin.
Ein weites Feld! (Daran sieht man wieder mal meine Verderbtheit, dass die einzige Frage, die ich mir gestellt hab, die ist, warum das dumme Gör ausgerechnet auf diesen pomadigen Schmierlappen von Major reinfällt).
Ja, seis drum. Ich mag nur nicht, wenn die Metonymie zu einer unbewußten Verschiebung des Diskussionsgegenstandes führt.
Zitat von Meister Petz im Beitrag #38Ich gebrauche den Begriff der Moral völlig wertfrei, allerdings sehe ich es nicht als Aufgabe des Rechts, Moral durchzusetzen,
Ja, wozu soll denn sonst das Recht da sein?
Zitat von Meister Petz im Beitrag #38gerade nicht in Bereichen, wo die Moralvorstellungen in einer Gesellschaft nicht einheitlich sind.
Das Zivilrecht läßt ja Ausdifferenzierungen zu. Ich glaube sogar, daß es bei uns nicht sittenwidrig wäre, ein Verschuldensprinzip in den Ehevertrag aufzunehmen. Im Gegenteil widerspräche es dem Grundrecht der Gewissensfreiheit, eine Definition von Ehe akzeptieren zu müssen, die beide Partner für unmoralisch halten. Damit etwas als nicht sittenwidrig gilt, reicht es offenbar aus, daß es in irgendeinem Kulturkreis nicht sittenwidrig ist und diese Situation "importiert" werden kann, ohne neue Konflikte mit Grundrechten und Billigkeit zu schaffen. Mit dem Strafrecht gebe ich Ihnen z.T. recht, bin aber der Meinung (These *), daß das Gefühl der Enttäuschtheit ein Hinweis dafür ist, daß in partnerschaftlicher Treue ein universelles Gut vorliegt. Aber das ist ein sehr umfangreiches Thema.
Zitat von Meister Petz im Beitrag #38Aber warum verengen Sie dann den Vertrauensbruch in einer Ehe so sehr auf das Moment der Brünstigkeit, dass Sie ausgerechnet die strafrechtlich bewehrt sehen wollen?
Mach ich doch gar nicht! Nicht auf das (nicht justiziable) Gefühl, sondern auf den Tatbestand, in den das Gefühl gipfelt. Die Verwirklichung des Tatbestandes ist eine Zäsur, vor der der Mensch genau betrachten kann, daß sein Gefühl unmoralisch ist. Vorher spukt es nur so in ihm herum. Wenn er aber vor der Tat steht, weiß er, was er jetzt macht, daß das mißbilligt wird, und daß er selber im moralischen Ungleichgewicht sein muß, wenn er jetzt trotzdem solches tut. Gleichzeitig ist die Tat der Punkt, an der der Schaden eine besondere Dimension bekommt, gewissermaßen seine Außenwirkung. Natürlich gibt es noch viele Fälle der Unmoral, die nicht in justiziablen Taten münden. Ich habe eben nur von abbilden gesprochen. Ein Abbild ist mit dem Urbild eben nicht identisch.
Zitat von Emulgator im Beitrag #36Das können Sie mir jetzt noch 10 mal schreiben, und ich werde Ihnen immer noch nicht zustimmen. Weil ich diesen Schluss von der Gültigkeit eines staatlichen Gesetzes auf ein dahinterliegendes moralisches Gesetz für so fatal halte. Weil er die Moral, oder wie Kant sie nennen würde, die praktische Vernunft aushebelt, dem Individuum entreißt und verstaatlicht.
Oh, ich glaube jetzt sogar, da sind wir uns eher einig. Die Wirkung von Gesetzen auf das (z.T. irrige) Moralempfinden vieler Menschen ist ja unstrittig. Ich sage daher, das Gesetz soll die Moral abbilden --es wird niemals identisch sein, vor allem nicht, wenn der Gesetzgeber sich nicht dieser Prämisse unterwirft (was ich ja gerade kritisiere in Bezug auf Ehebruch). Deswegen kann man gerade nicht auf ein moralisches Gebot schließen, nur weil es ein staatliches Gesetz suggeriert. Bestes Beispiel ist die Steuerhinterziehung. Da sehe ich keine moralischen Probleme, und ein gewissenhafter Gesetzgeber, sollte allenfalls Steuerbetrug unter Strafe stellen. Das ist allerdings meine Minderheitenmeinung, die Moral eben aus menschlichen Grunddispositionen ableitet und nicht aus dem Wunsch, am Ende genug Beamte haben zu wollen.
Zitat von Emulgator im Beitrag #36Ich vermute, es wäre das Ende staatlicher Organisation, wenn sie keine Rücksicht mehr nähme auf die mächtigste Kraft, die zwischen Menschen regiert.
Das tut sie ja eben nicht, sondern sie maßt sich an, darüber zu bestimmen.
Ja, als sie die entsprechenden Gesetze geändert hat.
Zitat von Ulrich Elkmann im Beitrag #40Zumindest für die klassische Literatur, von Homer bis Updike, ist der Komplex das Movens schlechtin.
Ein weites Feld! (Daran sieht man wieder mal meine Verderbtheit, dass die einzige Frage, die ich mir gestellt hab, die ist, warum das dumme Gör ausgerechnet auf diesen pomadigen Schmierlappen von Major reinfällt).
Gruß Petz
Sie dachte wohl: "Den Kopf wird's schon nicht kosten!" Womit wir wieder bei der Wirkung von Strafandrohungen auf das Moralempfinden angelangt sind.
Zitat von Meister Petz im Beitrag #38Ich gebrauche den Begriff der Moral völlig wertfrei, allerdings sehe ich es nicht als Aufgabe des Rechts, Moral durchzusetzen,
Ja, wozu soll denn sonst das Recht da sein?
Zunächst einmal, um das Zusammenleben der Menschen zu sichern, indem es verschiedene als wünschenswert akzeptierte Güter schützt. Leben, Unversehrtheit, Eigentum. Seit der Aufklärung kommen noch Güter wie freie Meinungsäußerung, Persönlichkeitsentfaltung, Gleichheit etc. dazu. Natürlich sind diese Güter, insofern als sie (zumindest teilweise) grundlegend sind, auch moralisch besetzt. Soweit sind wir uns einig. Auch sind wir uns einig, dass das moralische Gesetz das für den Menschen maßgeblichere Gesetz ist als das positive Recht. Hier fangen allerdings die Probleme an, und die sind sowohl rechts- als auch moralphilosophischer Natur. Man kann dem Ganzen auf zwei Arten begegnen: Mit Ihrer Herangehensweise, dass das Recht ein Abbild der Moral sein sollte, während die Gegenposition der Rechtspositivismus (Weimarer Prägung) ist.
Ich hänge letzterer Position an - nicht aus Mangel an Respekt vor der Moral, sondern weil ich glaube, dass nur durch eine Trennung von moralischem Gesetz und positivem Recht eine Gültigkeit des moralischen Gesetzes über das Recht hinaus postuliert werden kann. Das Recht wird ja nicht weniger positiv, wenn diejenigen, die es setzen, ganz fest behaupten, von moralischen Werten getrieben zu sein. Es findet lediglich eine Verquickung unterschiedlicher Sphären statt. Denn Moral ist, auch wenn gesellschaftliche Konvention und Tradition, immer etwas, was ich vor meinem Gewissen rechtfertigen muss. Beim Gesetz reicht es aus, wenn ich es befolge, und sei es nur aus Furcht vor Strafe. Und die unglaubliche Verlockung für den Staat, die Einhaltung seiner Gesetze moralisch zu untermauern und damit in eine Sphäre aufzuwerten, in die sie nicht gehören, möchte ich ihm nicht gönnen!
Zitat von Meister Petz im Beitrag #38gerade nicht in Bereichen, wo die Moralvorstellungen in einer Gesellschaft nicht einheitlich sind.
Das Zivilrecht läßt ja Ausdifferenzierungen zu. Ich glaube sogar, daß es bei uns nicht sittenwidrig wäre, ein Verschuldensprinzip in den Ehevertrag aufzunehmen. Im Gegenteil widerspräche es dem Grundrecht der Gewissensfreiheit, eine Definition von Ehe akzeptieren zu müssen, die beide Partner für unmoralisch halten. Damit etwas als nicht sittenwidrig gilt, reicht es offenbar aus, daß es in irgendeinem Kulturkreis nicht sittenwidrig ist und diese Situation "importiert" werden kann, ohne neue Konflikte mit Grundrechten und Billigkeit zu schaffen.
Es geht ja nicht darum, ob sie den Vertrag abschließen dürfen, sondern ob der Vertrag vor einem staatlichen Gericht standhält, und daran habe ich meine Zweifel. Aber wenn es beide als unmoralisch empfinden, sollte ja der betrügende Part seine Verfehlung einsehen und der Vertragspflicht ohne staatliche Hilfe nachkommen.
Zitat von Emulgator im Beitrag #42Mit dem Strafrecht gebe ich Ihnen z.T. recht, bin aber der Meinung (These *), daß das Gefühl der Enttäuschtheit ein Hinweis dafür ist, daß in partnerschaftlicher Treue ein universelles Gut vorliegt. Aber das ist ein sehr umfangreiches Thema.
Enttäuschung hin oder her, ich sehe einfach nicht, wem damit geholfen ist.
Zitat von Meister Petz im Beitrag #38Aber warum verengen Sie dann den Vertrauensbruch in einer Ehe so sehr auf das Moment der Brünstigkeit, dass Sie ausgerechnet die strafrechtlich bewehrt sehen wollen?
Mach ich doch gar nicht! Nicht auf das (nicht justiziable) Gefühl, sondern auf den Tatbestand, in den das Gefühl gipfelt. Die Verwirklichung des Tatbestandes ist eine Zäsur, vor der der Mensch genau betrachten kann, daß sein Gefühl unmoralisch ist. Vorher spukt es nur so in ihm herum. Wenn er aber vor der Tat steht, weiß er, was er jetzt macht, daß das mißbilligt wird, und daß er selber im moralischen Ungleichgewicht sein muß, wenn er jetzt trotzdem solches tut. Gleichzeitig ist die Tat der Punkt, an der der Schaden eine besondere Dimension bekommt, gewissermaßen seine Außenwirkung. Natürlich gibt es noch viele Fälle der Unmoral, die nicht in justiziablen Taten münden. Ich habe eben nur von abbilden gesprochen. Ein Abbild ist mit dem Urbild eben nicht identisch.
Da springt natürlich Mt 5,27 ins Auge:
Zitat Ihr habt gehört, dass gesagt worden ist: Du sollst nicht die Ehe brechen. Ich aber sage euch: Wer eine Frau auch nur lüstern ansieht, hat in seinem Herzen schon Ehebruch mit ihr begangen.
Das zeigt das ganze Dilemma auf. Selbst wenn die - wie Sie es nennen - Außenwirkung justiziabel ist ("dass gesagt worden ist" bezeichnet das mosaische Gesetz), deckt die moralische Dimension deutlich mehr ab. Überhaupt findet man in den Evangelien viele gute theologische und philosophische Gründe dafür, dass positives Recht eben kein Mittel zur Durchsetzung der Moral ist.
Zitat von Emulgator im Beitrag #36Ich vermute, es wäre das Ende staatlicher Organisation, wenn sie keine Rücksicht mehr nähme auf die mächtigste Kraft, die zwischen Menschen regiert.
Das tut sie ja eben nicht, sondern sie maßt sich an, darüber zu bestimmen.
Ja, als sie die entsprechenden Gesetze geändert hat.
Zitat von Meister Petz im Beitrag #39Moment mal - zwischen vorschreiben und die Einhaltung mit Strafandrohung durchzusetzen auf der einen und verbieten auf der anderen Seite ist noch eine Menge Luft. Können Sie denn den Wunsch, von staatlicher Regulierung verschont zu bleiben, denn so gar nicht nachvollziehen?
Sehen Sie, für mich stellt sich die Lage so dar: Erst war der Ehe, und der Ehebruch war geächtet. Dann kamen die Stämme. Dann kamen die Königreiche, die man ein bißchen schon Staat nennen konnte. Dann erst kam der Ewige Landfrieden (1495), durch den der Rechtsweg als ausschließliches letztes Mittel der Streitbeilegung obligatorisch wurde. Gleichzeitig band das aber auch die Fürsten daran, daß dieser Rechtsweg zu einer Befriedung tatsächlich geeignet sein muß! Die geistliche Gesetze mußten nunmehr mit den weltlichen Mitteln verfolgt werden. (War das notwendig?) Auf der anderen Seite kam das Konzil von Trient, das den lutherischen Irrtum verwarf, die Ehe sei nicht nur eine Sache des Paares, sondern es können sich auch Fürsten oder die Eltern einmischen und sie sogar zwangsweise scheiden. Dann kam die Zivilehe im 2. Reich. Dann kamen die Sozialisten mit ihrem Programm, die Ehe abzuschaffen. In Rußland mit der Oktoberrevolution, in Deutschland 40 Jahre später. Mittel zum Zweck war es, die zivilrechtlichen und strafrechtlichen Sanktionen abzuschaffen, um das irrige Moralempfinden zu wecken, die Ehe sei reiner Jux.
Zitat von Meister Petz im Beitrag #39Wo lesen Sie das denn raus, dass ich mit niemandem drüber reden würde? Mit "für mich" meine ich lediglich, dass jeder Mensch eine andere Schwelle hat, bei der das Vertrauen enttäuscht ist, und ich mir nicht anmaße, irgendjemandem darüber Vorschriften zu machen (und auch ziemlich empfindlich reagiere, wenn es jemand anders tut).
D.h. Sie meinten "für uns beide"?
Zitat von Meister Petz im Beitrag #39Wenn ich Ihnen nach dem Bierbestellen 10 Euro leihe und mir einen notariell beglaubigten Schuldschein dafür ausstellen lasse, würden Sie mich für reichlich misstrauisch halten. Sie würden glauben, dass ich Ihnen nicht genug Moral oder Anstand zuschreibe, mir das Geld von sich aus zurückzugeben.
Nicht zwangsläufig. Sie können ja die Forderung gegen mich an jemanden verpfänden wollen, der mich nicht kennt. Vertragsurkunden sind eben nützlich, wenn bilaterale Verträge auch für Dritte etwas bedeuten. Z.B. sind Unterhaltsansprüche gegenüber dem Gatten vor allen anderen Ansprüchen zu befriedigen. Die Bank kommt erst zum Schluß an ihr Geld.
Zitat von Meister Petz im Beitrag #39Und so ist es bei der gesetzlichen Ehe auch. Ich will doch nicht, dass meine Partnerin mit mir zusammenlebt, weil sie sich an so etwas Abstraktes wie ein Vertragswerk gebunden fühlt, sondern, wenn's gang, an mich
Wieso? Den Vertrag hätte Sie doch mit genau Ihnen, und zwar willentlich. Lediglich die juristische Begrifflichkeit ist das Abstrakte, nicht die Willensübereinkunft (oder synonym der Vertrag) an sich. Oder wäre es ihnen ausreichend, wenn sie sich an Sie gebunden fühlt, aber nicht durch freie Willensübereinkunft, sondern nur durch einen Zauber? Oder die Wirkung Ihres Haarwassers? Ich verstehe wirklich nicht, wie das Ihnen Stirnrunzeln bereitet. Für Christen ist es ja auch kein Problem zu sagen, Gott liebe sie und Er hat deswegen einen Bund mit ihnen geschlossen. Deswegen auch die Heiligkeit der Verträge. Wir begegnen hier einer Sache, die so grundlegend für das menschliche Dasein ist wie die Schöpfung selbst -- inklusive Sex.
Zitat von FAZDie kanadische Polizei geht davon aus, dass sich zwei Menschen als Folge des Datendiebstahls beim Seitensprungportal Ashley Madison das Leben genommen haben. Sie warnt die Hacker: „Das hier ist kein Spaß mehr.“
Zitat von WELTNachdem pikante Daten des Seitensprung-Portals Ashley Madison ans Licht kamen, ist es zu einer Reihe von Straftaten gekommen.
Nach der Veröffentlichung von Millionen Nutzerdaten des Seitensprung-Portals Ashley Madison durch eine Hackergruppe ist es zu einer Reihe von Erpressungsversuchen und zwei unbestätigten Selbstmordfällen gekommen. Einzelheiten über die beiden Toten wollte die Polizei von Toronto bei einer Pressekonferenz am Montag nicht nennen. Die Fälle würden aber geprüft.
Zitat von Daily MailCaptain Michael Gorhum, who served for 25 years with the San Antonio Police Department in Texas, was named as one of the suicide victims.
Two of the email accounts are reportedly linked to members of the SAPD - the late Capt. Gorhum, and a detective - but Ashley Madison does not verify email addresses, so it is possible to use the site with someone else's email.
San Antonio city officials say that as a result of this, they 'cannot confirm whether these (two) addresses were legitimately used to access the site', adding that Ashley Madison is blocked on City officials' computers.
Another high-profile victim is Jeff Ashton, State Attorney for Orange and Osceola counties in Florida, who has said he is resigning his post after being revealed as an Ashley Madison user.
The prosecutor, who gained national attention as a key player in the unsuccessful murder prosecution of Casey Anthony, said Sunday that he had committed no crime and never followed through with an affair on the cheating website.
Quelle surprise.
Les hommes seront toujours fous; et ceux qui croient les guérir sont les plus fous de la bande. - Voltaire
Zitat von Meister Petz im Beitrag #35Was ich mich frage ist: Warum kommt niemand auf die Idee, dass ein Treueversprechen oder gar ein Versprechen von Gefühlen (zu lieben in guten und schlechten Zeiten, bis zum Tod) rechtlich sittenwidrig ist?
Warum sollte es das sein? Ich sichere etwas zu, was legal und legitim ist, nicht gegen berechtigte Interessen Dritter verstößt und was ich auch leisten kann. Da sehe ich überhaupt keinen Ansatzpunkt für "sittenwidrig".
Zitat Bis vor kurzem galt ein Liebeslohn als sittenwidrig und nicht einklagbar ...
Was ich auch nie richtig fand. Aber da war halt die versprochene Leistung nicht legal, die inhärente Logik stimmte also.
Zitat Übrigens, persönlich halte ich das "Vertrauen in die Heiligkeit von Verträgen" keineswegs für eine Grundkonstante des menschlichen Daseins, und in Liebesdingen schon zweimal nicht.
"Heiligkeit" wäre nicht meine typische Wortwahl. Und bei "Vertrag" meine ich hier alle Formen von Abmachungen/Versprechen, nicht nur die Spezialform eines schriftlichen juristisch formulierten Textes mit Unterschriften. Und ich halte es in der Tat für eine wesentliche Basis einer funktionierenden Gesellschaft, daß die Leute ihre Zusagen üblicherweise auch einhalten.
Zitat Ein Vertrag ist für mich genau das Gegenteil - ein Ausdruck des Misstrauens und ein Mittel, sich gegen die Folgen abzusichern, falls mein Misstrauen berechtigt ist. Wenn ich einer Person vertraue, brauche ich keinen Vertrag, dann genügt ein Wort und ein Handschlag.
Zustimmung. Aber das "Mißtrauen" trifft halt nur, wenn man statt des Worts ein Schriftstück verlangt. Da ich "Vertrag" wie oben beschrieben verstehe, gibt es hier keinen Widerspruch.
Zitat von Meister Petz im Beitrag #29Das Problem ist doch eher das, dass die stattlichen Vorstellungen, wie eine Ehe und eine Scheidung auszusehen hat, so rigoros durchgesetzt werden, dass man nicht einmal vertraglich eine abweichende Regelung treffen kann.
Das glaube ich nicht. Man kann eine staatliche Ehe und deren Bedingungen nicht beliebig durch Privatvereinbarung verändern. Was im Prinzip auch sinnvoll ist - die an diese staatliche Einrichtung geknüpften Privilegien können natürlich nur gewährt werden, wenn man die nötigen Voraussetzungen nicht privat wieder wegdefiniert.
Aber m. E. kann man sehr wohl eine "Ehe" oder überhaupt irgendeine private Form des Zusammenlebens fast nach Belieben selber regeln. Muß dann aber natürlich akzeptieren, daß der Staat die nicht als staatliche Ehe anerkennt und daher auch gewisse Rechte nicht gewährt.
Zitat Ich stimme schon zu, dass das ganze Thema nicht ohne Regel ablaufen darf. Aber in anderen Fällen ist die Justiz auch nicht zimperlich bei der Anerkennung dubioser Eheurkunden: http://www.sueddeutsche.de/muenchen/nadj...riert-1.1060088
Na ja - wir reden hier über eine Neuregelung, die funktionieren soll und keine Probleme schafft. Da ist völlig irrelevant, wenn ein Gericht bei der bestehenden Regelung Schindluder treibt.
Zitat Naja, viele Themen wären durch das bürgerliche Recht schon abgedeckt, wenn die "Ehepartner" analog wie eine GbR betrachtet werden.
Ich kann mir nicht vorstellen, daß das reicht. Es können ja auch heute beliebig viele Menschen beliebigen Geschlechts jederzeit eine GbR miteinander aufmachen. Was ihnen aber nicht eines der Rechte gibt, die der Staat Eheleuten gibt.
Die Idee ist ja auch grundsätzlich interessant (und bei Liberalen sehr verbreitet). Aber leider macht sich auch der Cicero-Autor keine Gedanken darüber, welche Folgen man sich damit einhandelt.
Zitat von Meister Petz im Beitrag #35Was ich mich frage ist: Warum kommt niemand auf die Idee, dass ein Treueversprechen oder gar ein Versprechen von Gefühlen (zu lieben in guten und schlechten Zeiten, bis zum Tod) rechtlich sittenwidrig ist?
Warum sollte es das sein? Ich sichere etwas zu, was legal und legitim ist, nicht gegen berechtigte Interessen Dritter verstößt und was ich auch leisten kann. Da sehe ich überhaupt keinen Ansatzpunkt für "sittenwidrig".
Zitat Bis vor kurzem galt ein Liebeslohn als sittenwidrig und nicht einklagbar ...
Was ich auch nie richtig fand. Aber da war halt die versprochene Leistung nicht legal, die inhärente Logik stimmte also.
Inwiefern war die versprochene Leistung nicht legal? Geschlechtsverkehr zwischen Fremden ist doch nicht verboten.
"Sittenwidrig" ist zwar nicht das richtige Wort dafür, aber einen Vertrag über die eigenen Emotionen für den Rest des Lebens abzuschließen halte ich dennoch für äußerst problematisch. Da die eigene emotionale Entwicklung schwer vorhersehbar und so gut wie nicht steuerbar ist, wird hier schon etwas versprochen, das man in der erhofften authentischen Form u. U. nicht leisten kann (allenfalls, bei entsprechender Opferbereitschaft und Selbstbeherrschung, die hohle äußere Form, auf den Ausdruck von Abscheu und Widerwillen zu verzichten). Durch das erleichterte Scheidungsrecht und die praktische Verringerung des Stigmas einer Scheidung in der Gesellschaft ist das Problem heute einigermaßen gemildert, aber grundsätzlich ist es da und in der Sache (die ein hormongesteuertes zeitabhängiges Lebensphänomen mit langwirkenden rechtlichen Bindungen verknüpft) inhärent.
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