Na ja, dann ich auch noch mal OT. Wenn ich an der Kasse mit "junger Mann" angeredet werde, obwohl erkennbar über 70, entgegne ich manchmal, weil ich sehr zu Leidwesen meiner Umgebung, besonders meiner Tochter, die das ätzend findet und sofort die Flucht ergreift, gerne mit den jüngeren Kassiererinnen schäkere, entwickelt sich manchmal folgendes Gespräch: "Ich glaube, Sie müssen doch mal zum Optiker gehen." (Mit einem freundlichen Lächeln.) "???" "Na, Sie haben eben 'junger Mann' zu mir gesagt." "Wie soll ich sie denn anreden." "Mir egal, wegen meiner mit 'Opa', oder, das würde auch zutreffen: 'alter Mann'." (Verlegenes Lächeln.) "Das würde wohl garnicht gehen?" (Verlegenes) "Hm". "Diese Anrede mit 'junger Mann' wird Ihnen wohl in den Schulungen empfohlen?" "Diese Anrede ist doch allgemein üblich. Wie soll ich Sie denn sonst anreden?" "Früher sagte man in dieser Situation: 'Mein Herr'. Aber das geht jetzt wohl überhaupt nicht mehr?" (Verlegenes Lächeln) "Ach wissen Sie was: dann müssen Sie eben einfach weiter 'junger Mann' zu mir sagen. Ein freundliches gemeinsames Lächeln beschließt das Gespräch und ich beschließe künftig die Kassiererinnen nicht mehr mit solchen Gespräche zu belästigen. Das geht solange, bis der mich reitet und ich wieder damit anfange. Immer auf der Suche nach einer passenden allseits zufrieden stellenden Idee.
Hat jemand eine?
LG, Paul
PS:Merke gerade, dass eine eventuelle Diskussion hier doch hinderlich ist. Deshalb verlagere ich das mal in "Dieses und Jenes" mit dem Titel ""Junger Mann" eine korrekte Anrede?"
PPS:Übrigens, lieber Emulgator, habe gerade gesehen, dass Sie früher auch schon mal etwas zu diesem Thema hier bei Zettel etwas geschrieben haben.
Edmond Rostand, Cyrano de Bergerac (1897), 1. Akt, 1. Szene:
Ein junger Mann (zu Cyrano). Gab Ihnen Montfleury den Grund Zum Haß?
Cyrano (höflich, während er ruhig sitzen bleibt). Ja, hoffnungsvoller junger Mann. Pro primo haß ich ihn als miserablen Mimen; Denn keuchend schleppt er wie ein Karrenhund Die leichten Verse, denen Flügel ziemen. Secundo ... das geht Sie nichts an.
Der alte Bürger (hinter ihm). Sie wollen einen Kunstgenuß uns rauben! Das ist ein Unrecht!
Cyrano (seinen Stuhl nach dem Bürger umdrehend, respektvoll). Wackrer Greis, ein Glück; Ich schütze Sie vor einem schlechten Stück.
Die Preziösen (in den Logen). Das Stück von unserm Baro! Soll man's glauben? Empörend!
Cyrano (seinen Stuhl nach den Logen drehend, galant). Schöne Frauen, Himmelslicht, Herabgesandt, uns Wonnen einzuhauchen, Bezauberndes Geschlecht, wir Dichter brauchen Zwar euren Reiz, doch euer Urteil nicht.
Les hommes seront toujours fous; et ceux qui croient les guérir sont les plus fous de la bande. - Voltaire
Zitat von Paul im Beitrag #1"Mir egal, wegen meiner mit 'Opa', oder, das würde auch zutreffen: 'alter Mann'."
"Opa" ist im manchen Ländern Afrikas ein Eherentitel. Alter Mann heißt lateinisch ja Senex, davon Senator. Alte sind nämlich nicht senil sondern weise. So heißt es in der Bibel (3. Mose 18,32): "Vor einem grauen Haupt sollst du aufstehen und die Alten ehren und sollst dich fürchten vor deinem Gott; ich bin der HERR." Also nix Haare färben!
Zitat von Paul im Beitrag #1"Diese Anrede mit 'junger Mann' wird Ihnen wohl in den Schulungen empfohlen?" "Diese Anrede ist doch allgemein üblich. Wie soll ich Sie denn sonst anreden?" "Früher sagte man in dieser Situation: 'Mein Herr'. Aber das geht jetzt wohl überhaupt nicht mehr?" (Verlegenes Lächeln)
Ja, warum das nicht mehr geht, weiß man wohl nicht. 68er-Erbe? "Trau keinem über 30", und verstehe die Anrede "junger Mann" daher als Kompliment? Oder Hanseatisch: Niemandes Knecht und niemandes Herr? Nun nannten sich die "Pfeffersäcke" durchaus gegenseitig Herr. Für mich behält "junger Mann" einen schnöselhaft herablassenden Ton.
Zitat von Paul im Beitrag #1Immer auf der Suche nach einer passenden allseits zufrieden stellenden Idee.
Hat jemand eine?
Im Geschäftsleben kommt man um den Herrn nicht herum. Das ist ja schon eine Kompromißlösung. Da der Kunde bekanntlich König ist, hätte die Verkäuferin sie sogar mit "königliche Hoheit", "Majestät", "durchlauchtigster Herr" anreden müssen. "Durchlauchtigster Herr" empfiehlt sich besonders am Gemüsestand.
Zitat von Paul im Beitrag #1PPS:Übrigens, lieber Emulgator, habe gerade gesehen, dass Sie früher auch schon mal etwas zu diesem Thema hier bei Zettel etwas geschrieben haben.
Zitat von Ulrich Elkmann im Beitrag #2Edmond Rostand, Cyrano de Bergerac (1897), 1. Akt, 1. Szene:
Lieber Ulrich Elkmann, Sie sorgen immer wieder für meine Allgemeinbildung. Dieses Drama war mir völlig unbekannt. Habe mich inzwischen schlau gemacht. Ist ja wirklich eine ergreifende Geschichte voller Großmut. Damals gab es doch noch wirklich edle Menschen.
Die praktische Nutzanwendung für mich: der nächsten Kassiererin werde ich vorschlagen mich mit "wackerer Greis" anzusprechen. Obwohl, geht auch nicht, weil ich dem Bild eines Greises nicht entspreche, noch nicht. So zerknittert wie auf dem oberen Bild die Frau sehe ich nicht aus. Wenn ich längere Haare hätte, würde ich von hinten so aussehen wie der Mann auf dem unteren Bild. Aber meine Haare sind kürzer. Schau auf mein Avatar. Das ist ein Echtbild von 2008.
Bin also immer noch auf der Suche nach einer geeigneten Anrede.
Zitat von Paul im Beitrag #1PPS:Übrigens, lieber Emulgator, habe gerade gesehen, dass Sie früher auch schon mal etwas zu diesem Thema hier bei Zettel etwas geschrieben haben.
Ach was!? Hab ich das? Werd' ich senil?
Nöö, war nur eine kleine Bemerkung. (Dort die #27.)
Zitat Wenn Bedienungspersonal seinerseits unhöflich und umsatzmindernd wird, redet es einen Kunden mit "junger Mann" an. Damit wird man vorzugsweise von Mittfünfzigerinnen angesprochen, selbst wenn man weit über 30 Jahre alt ist, weil sie sich scheuen, die korrekte Anrede "mein Herr" zu gebrauchen.
Edit: Das hat sich inzwischen geändert. Mich sprechen Kassiererinnen aller Altersklassen so an.
Zitat von Emulgator im Beitrag #3 Im Geschäftsleben kommt man um den Herrn nicht herum. Das ist ja schon eine Kompromißlösung. Da der Kunde bekanntlich König ist, hätte die Verkäuferin sie sogar mit "königliche Hoheit", "Majestät", "durchlauchtigster Herr" anreden müssen. "Durchlauchtigster Herr" empfiehlt sich besonders am Gemüsestand.
Meine Frau "setzt noch eins drauf". Die sagt schon mal "ach du lieber Gott" zu mir.
Zitat von Ulrich Elkmann im Beitrag #2Edmond Rostand, Cyrano de Bergerac (1897)
Der Cyrano ist übrigens ein Schauspiel, bei dem die deutsche Übertragung (zumindest die von Ludwig Fulda) das Original um Längen hinter sich läßt (das gilt auch für die - kongenial sag' ich nicht, sonst krieg' ich wieder 1 Rüffel - Verfilmung mit Ivan Depardieu von 1990, wo die für die dt. Synchronisation verwendet wurde; daß 1 Film in dieser Fassung das Original übertrifft, dürfte ziemlich 1-malig sein.) Am bekanntesten ist noch die Nasenliste, mit der der Held des Stücks seinen ersten Duellgegner (Ende des 1. Akts) in die Hohe Kunst der Schmähung einweist:
Cyrano. Dieses merke sich ein jeder, Der mich beehrt mit seines Witzes Proben; Dem Spötter aber, der ein Wappen führt, Zahl ich von vorn und etwas weiter oben Mit einem Stoß von Stahl und nicht von Leder.
Guiche(ist mit den Marquis von der Bühne herabgestiegen). Er ist recht abgeschmackt!
Valvert(die Achseln zuckend). Er macht sich wichtig.
Guiche. Antwortet niemand?
Valvert. Habe was auf Lager; Gebt acht; das werd ich ihm versetzen. (Er geht auf Cyrano zu und pflanzt sich geckenhaft vor ihm auf.) Ei, Sie haben eine sehr ... sehr lange Nase.
Cyrano. Richtig.
Valvert(lacht). Ha!
Cyrano. Weiter nichts?
Valvert. Wie?
Cyrano. Das war etwas mager. Fällt Ihnen nichts mehr ein? Mir vielerlei, Und auch die Tonart läßt sich variieren! Ausfallend: »Trüg' ich diese Nasenmasse, Ich ließe sie sofort mir amputieren.« Freundlich: »Trinkt sie nicht mit aus Ihrer Tasse? Aus Humpen schlürfen sollten Sie die Suppe.« Beschreibend: »Felsgeklüfte, Berg und Tal, Ein Kap, ein Vorland, eine Inselgruppe.« Neugierig: »Was ist in dem Futteral? Ein Schreibzeug oder eine Zuckerzange?« Anmutig: »Sind Sie Vogelfreund, mein Bester, Und sorgten väterlich mit dieser Stange Für einen Halt zum Bau der Schwalbennester?« Zudringlich: »Wenn Sie Tabak rauchen Und ihr der Dampf entsteigt zum Firmament, Schreit dann die Nachbarschaft nicht laut: ›Es brennt‹?« Warnend: »Sie sollten große Vorsicht brauchen; Sonst zieht das Schwergewicht Sie noch kopfüber.« Zartfühlend: »Spannen Sie ein Schutzdach drüber; Weil sonst im Sonnenschein sie bleichen muß.« Pedantisch: »Das aristophanische Tier Hippokampelephantokamelus Trug ganz unfraglich gleiche Nasenzier.« Modern: »Wie praktisch diese Haken sind, Um seinen Hut dran aufzuhängen!« Begeistert: »Wenn sie niest im scharfen Wind, Braucht nur ein Teil von ihr sich anzustrengen.« Tragisch: »Ein Turm von Babel, wenn sie schwillt!« Bewundernd: »Für Odeur welch Aushängschild!« Lyrisch: »Ist dies die Muschel des Tritonen?« Naiv: »Wann wird dies Monument besichtigt?« Respektvoll: »Wird nicht ein jeder Wunsch beschwichtigt Durch solch ein Häuschen zum Alleinbewohnen?« Bäurisch: »Potz Donnerschlag, was sagst du, Stoffel? Zwergkürbis oder riesige Kartoffel?« Soldatisch: »Dies Geschütz ist schwer beweglich.« Geschäftlich: »Haben Sie vielleicht im Sinn, Sie zu verlosen erster Hauptgewinn?« Zuletzt im Stil des Pyramus, recht kläglich: »Weil sie das Gleichmaß im Gesicht getötet, Ist sie voll Schuldbewußtsein und errötet.« Dergleichen hätten Sie zu mir gesagt, Wenn Sie Gelehrsamkeit und Geist verbänden; Jedoch von Geist, dem Himmel sei's geklagt, Ist keine Spur in Ihren Schädelwänden; Ihr Kopf ist nicht gelehrt und doch so leer! Und hätten Sie genug Erfindungskraft, Um hier vor dieser edlen Hörerschaft Mir all dies Feuerwerk zu bieten und noch mehr, Dann müßten Sie bereits beim ersten Ton Vom ersten Wort des ersten Satzes stoppen; Denn nur mir selbst erlaub ich, mich zu foppen; Ein anderer kommt nicht ungestraft davon.
Das klingt doch wesentlich ... eleganter ... als das Original:
Agressif : « moi, monsieur, si j'avais un tel nez, Il faudrait sur le champ que je me l'amputasse ! » Amical : « mais il doit tremper dans votre tasse : Pour boire, faites-vous fabriquer un hanap ! » Descriptif : « c'est un roc ! ... c'est un pic... c'est un cap ! Que dis-je, c'est un cap ? ... c'est une péninsule ! » Curieux : « de quoi sert cette oblongue capsule ? D'écritoire, monsieur, ou de boîte à ciseaux ? » Gracieux : « aimez-vous à ce point les oiseaux Que paternellement vous vous préoccupâtes De tendre ce perchoir à leurs petites pattes ? »
Da braucht man sich dann mal seiner Einsprachigkeit halber nicht zu grämen. Michael Nymans (der die Musik zu Peter Greenaways Filmen gemacht hat, als der noch Filme machte) "Nose List Song" (1985) ist übrigens keine musikalische Umsetzung dieser Passage, sondern vertont eine Passage aus "Slawkenbergius's Tale", aus dem 1 Kapitel des IV. Buchs des Tristram Shandy: Quantus nasus ! æque longus est, ait tubicina, ac tuba. - Et ex eodem metallo, ait tubicen, velut sternutamento audias. Tantum abest, respondit illa, quod fistulam dulcedine vincit. - Æneus est, ait tubicen. - Nequaquam, respondit uxor. - Rursum affirmo, ait tubicen, quod Æneus est. - Rem penitus explorabo ; prius, enim digito tangam, ait uxor, quam dormivero.
Les hommes seront toujours fous; et ceux qui croient les guérir sont les plus fous de la bande. - Voltaire
Zitat von Ulrich Elkmann im Beitrag #7Der Cyrano ist übrigens ein Schauspiel, bei dem die deutsche Übertragung (zumindest die von Ludwig Fulda) das Original um Längen hinter sich läßt (...) Das klingt doch wesentlich ... eleganter ... als das Original:(...)
Letztlich ist das wohl eine Geschmacksfrage, aber obwohl in diesem Fall die Übersetzung ausnahmsweise einmal als gelungen bezeichnet werden kann, möchte ich doch auf die Schönheit des Originals hinweisen. Rostand war ein absoluter Meister des humoristischen Alexandriners - deutlich besser als z.B. Molière - und der "Cyrano" ist atemberaubend; mehr noch freilich in den raffiniert auf mehrere Personen verteilten Dialogversen als in den längeren Monologen wie dem zitierten. (Der Übersetzer hat auch ein bißchen geschummelt, indem er den strengen Paarreim in ein unregelmäßigeres Muster auflöst (was vielleicht den Eindruck der "Eleganz" fördert); warum er statt des auch im Deutschen wohletablierten und dem barocken Thema angemessenen Alexandriners (s. z.B. Gryphius) auf den Elfsilbler zurückgreift, ist weniger ersichtlich.)
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