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ZETTELS KLEINES ZIMMER

Das Forum zu "Zettels Raum"



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Dieses Thema hat 60 Antworten
und wurde 4.532 mal aufgerufen
 Kommentare/Diskussionen zu "Zettels Raum"
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AldiOn Offline




Beiträge: 983

16.04.2016 03:16
#26 RE: Bis hier war lustig Antworten

Ich hätte da mal 3 Fragen.

Es mag ungebührlich naiv sein aber was hat die Böhmermann-Geschichte eigentlich mit den Abmachungen zur Flüchtlingsfrage zu tun? Nicht zuletzt weil die Türkei ja schon jede Menge Geld bekommen soll und die Wahlkampfhilfe für Erdogan ja schon eingesackt ist. Ich sehe überhaupt keinen Grund für ein übermäßiges Wohlverhalten auf Seiten von Bundeskanzlerin Merkel.

Und dann: Was passiert eigentlich wenn Erdogan - was zu erwarten ist - mit den Entscheidungen Deutscher Gerichte in dieser Sache nicht einverstanden ist? Möglicherweise sind wir mit der heutigen Entscheidung noch lange nicht am Ende.

Vermutlich wird ja Böhmermann zu einer Geldstrafe verurteilt werden. Wird das sein Arbeitgeber zahlen und wird das Geld dann an Erdogan gehen?

__________________________________________
Wegen der aktuellen Krise werde ich fortan Krimsekt, russischen Kaviar, russische Puppen, russische Eier und Boeuf Stroganoff boykottieren

Dennis the Menace Offline




Beiträge: 459

16.04.2016 09:52
#27 RE: Bis hier war lustig Antworten

Zitat von Llarian im Blog
Bis hierhin war lustig




Ich find's eigentlich auch weiter lustig.

Warum ?

Ganz egal wie das ausgeht, es wird niemand mit einem wirklichen spürbaren SCHADEN da rausgehen, schlimmstenfalls mit ein paar Kratzern. Womöglich läuft's aber zur Zufriedenheit aller Beteiligten in Form von win-win-win. Im Übrigen: Was innerhalb der classe politque als "Schaden" gilt, ist im Grunde sowieso nicht weiter ernst zu nehmen.

Herr B. hat mächtig davon was dazu gewonnen, worauf es im Geschäft eigentlich NUR ankommt: Aufmerksamkeit. Zu windfall-profits qua Wichtigtuerei kommt es auch für das ZDF ("wir gehen durch alle Instanzen") und überhaut für die Irgendwas-mit-den-Medien Szene. Man wird sich allenthalben "mutig" solidarisieren und dgl. mehr. Von den Anwälten, den stillen Genießern, und diversen "Experten" in allfälligen Talks ganz zu schweigen.

Herr E. seinerseits ist so oder so der starke Mann - sein Geschäftsmodell.

Frau M. hat aus einer verfahrenen Situation das taktisch einigermaßen Optimale gebastelt. Da ihre Politik eh nur aus taktischen Fisimatenten besteht (ihr Geschäftsmodell), ist das schon was. Sie hat halt hier das Adorno-Problem, das Richtige im Falschen machen zu müssen in Anbetracht der Sachlage, dass das Volk von der Rechtslage keine Ahnung hat und die Dinge - wie üblich - emotionalistisch sieht - aber das wird sich legen. Die Leut' glauben, die Regierung sei die rechtsprechende Gewalt, denn die da oben, die man täglich in der Glotze sieht, sind natürlich für alles zuständig - der alberne Paragraph, um den es hier geht, gibt dieser Idee allerdings auch Futter.

Bald kommen dann wieder neue Säue durchs Dorf, denn auch diese Story wird alsbald langweilig und das Abflachen von Erregungskurven ist allemal der politische Supergau.

lich
Dennis

Doeding Offline




Beiträge: 2.612

16.04.2016 12:17
#28 RE: Bis hier war lustig Antworten

Zitat von Dennis the Menace im Beitrag #27

Zitat von Llarian im Blog
Bis hierhin war lustig
Ganz egal wie das ausgeht, es wird niemand mit einem wirklichen spürbaren SCHADEN da rausgehen, schlimmstenfalls mit ein paar Kratzern. Womöglich läuft's aber zur Zufriedenheit aller Beteiligten in Form von win-win-win. Im Übrigen: Was innerhalb der classe politque als "Schaden" gilt, ist im Grunde sowieso nicht weiter ernst zu nehmen.



Vermutlich haben Sie damit recht, lieber Dennis. Für mich war das gestern in erster Linie eine politische Eselei der Merkelregierung und auch insoweit business as usual .

Was ich, isoliert betrachtet, richtig finde, ist die geplante Abschaffung dieses Gesetzes (sofern die von Emulgator im Beitrag #9 vorgetragenen Bedenken Merkel nicht noch auf die Füße fallen). Diese ganze Beleidigerei juristischer Personen ist mir völlig fremd, und auch das Argument, man beleidige damit Millionen Türken, sticht m. E. nicht. Mit dem Argument müßte man auch die Schmähung von Borussia Dortmund unter Strafe stellen. Auch die Mitgliedschaft in diesem Verein erfolgt mit der Geburt (zumindest in einigen Stadtteilen Dortmunds), ist, im Gegensatz zur türkischen Staatsbürgerschaft unveräußerlich, viele Vereinsmitglieder sind ebenfalls (über)identifiziert mit ihrem Laden, und die Mitgliedschaft endet erst mit dem Tod. Für die Einwohner Gelsenkirchens wäre dagegen ein solches Verbot ein unzumutbarer Verlust von Freiheit, ja von Lebenssinn.

Herzliche Grüße,
Andreas

"Man kann einen gesellschaftlichen Diskurs darüber haben, was Meinungsfreiheit darf. Oder man hat Meinungsfreiheit." (Christian Zulliger)

Doeding Offline




Beiträge: 2.612

16.04.2016 12:25
#29 RE: Bis hier war lustig Antworten

Zitat von AldiOn im Beitrag #26
Ich hätte da mal 3 Fragen.

Es mag ungebührlich naiv sein aber was hat die Böhmermann-Geschichte eigentlich mit den Abmachungen zur Flüchtlingsfrage zu tun? Nicht zuletzt weil die Türkei ja schon jede Menge Geld bekommen soll und die Wahlkampfhilfe für Erdogan ja schon eingesackt ist. Ich sehe überhaupt keinen Grund für ein übermäßiges Wohlverhalten auf Seiten von Bundeskanzlerin Merkel.

Und dann: Was passiert eigentlich wenn Erdogan - was zu erwarten ist - mit den Entscheidungen Deutscher Gerichte in dieser Sache nicht einverstanden ist? Möglicherweise sind wir mit der heutigen Entscheidung noch lange nicht am Ende.

Vermutlich wird ja Böhmermann zu einer Geldstrafe verurteilt werden. Wird das sein Arbeitgeber zahlen und wird das Geld dann an Erdogan gehen?


Viel mehr als der Weg durch sämtliche Instanzen (den sein Anwalt allerdings schon angekündigt hat) bleibt ihm ja nicht. Ob Merkel wegen der Flüchtlinge wirklich erpreßbar geworden ist, ist, glaube ich, gar nicht entscheidend. Allein der Eindruck, daß dem so sein könnte, ist politisch fatal.

Herzliche Grüße,
Andreas

"Man kann einen gesellschaftlichen Diskurs darüber haben, was Meinungsfreiheit darf. Oder man hat Meinungsfreiheit." (Christian Zulliger)

Johanes Offline




Beiträge: 2.604

16.04.2016 15:00
#30 RE: Bis hier war lustig Antworten

Hallo Llarian,

ich sehe irgendwie nicht den springenden Punkt. Wenn man solche "Altlasten" wie den Paragraphen zur Majestätsbeleidigung im Strafgesetzbuch hat, dann kann man sich auf diesen selbstverständlich auch berufen.
So zumindest verstehe ich den Gedanken des Rechtsstaates, zumindest kontinentaleuropäischer Prägung. Es mag sein, dass es in Großbritannien noch uralte, nie aufgehobene Vorrechte des Grafen und der Könige gibt, von denen man aus Tradition absieht gebrauch zu machen während umgekehrt das Parlament davon absieht, sie aufzuheben.
In Amerika mag es ähnliches geben...
Wenn also die Gesetzgeber eine Paragraphen für Majestätsbeleidgung in ihren Strafrecht vorsehen, dann muss dieser prinzipiell genauso gültig oder ungültig betrachtet werden wie jeder andere Paragraph.
Nun stellt sich allerdings eine Frage: Kollidiert die Norm, die im Paragraphen zum Ausdruck kommt, grundsätzlich mit der Gleicheit aller Menschen und widerspreche sie deshalb der Radbruch'schen Formel?

Abgesehen von dieser Frage muss man festhalten, wenn in die Strafbarkeit der Majestätsbeleidigung zwischzeitlich abgeschafft wird, dann wird selbst bei festgestellten Tatbestandsmerkmalen ein Freispruch erfolgen, denn es wird immer die "mildeste" zwischenzeitlich geltende Rechtsnorm angewandt.
Dass allerdings ein Änderungsgesetz die Majestätsbeleidigung "mit sofortiger Wirkung" abschafft, das würde mir schon Sorgen machen. Dieses Gesetz wäre dann ganz offensichtlich politisch beeinflusst.

In Übrigen: Ist es nicht eine staatsmännisch gute Idee, das Gesetz zwar abzuschaffen, aber es doch noch zur Anwendung zu erlauben, um damit die Türkei nicht zu verärgern?

Herzlichst,

Johanes.

Llarian Offline



Beiträge: 7.109

16.04.2016 23:27
#31 RE: Bis hier war lustig Antworten

Zitat von Meister Petz im Beitrag #25
Zitat von Llarian im Beitrag #10

Zitat

Sicher unerfreulich, aber eher ein symbolischer Weltuntergang als ein tatsächlicher.

Für Böhmermann selber nicht. Für den Rechtsstaat schon eher.

Für den auch nicht, oder woran machst Du das fest?


An zwei Dingen. Zum einen daran, dass es im Rechtsstaat in meinen Augen nicht geht, dass man einerseits ein überholtes Gesetz als solches bezeichnet, aber andererseits noch die Gelegenheit nutzt einem eins mit selbigem drüberzubraten. Zum anderen darin, dass die Regierung damit ja auch eine Aussage dazu trifft, wie sie mit Kritik umgeht und wie wichtig ihr in diesem Zusammenhang der Schutz der Grundrechte geht. Nach meinerm Dafürhalten muss in einem funktionierenden, verfassten Rechtsstaat das Grundrecht im Zweifel immer vorgehen. Hier ist das Gegenteil der Fall.

Zitat
Alle unangenehmen Folgen sind politischer, aber nicht rechtlicher Natur.


Wenn man den Rechtsstaat rein auf die Judikative einschränkt, dann ja. Für mich hat aber auch das politische einen rechtsstaatlichen Ausfluss.

Zitat
Das Einzige, wofür es ein Weltuntergang sein könnte, ist das Ansehen von Frau Merkel, und wenn mich nicht alles täuscht, kannst Du da nicht so arg viel dagegen haben


Hier kommen wir vom Begriff des Rechtsstaates weg, aber ich sehe durchaus auch noch mehr schaden. Es geht nicht nur um das Ansehen von Frau Merkel (das ohnehin kaum noch zu retten sein dürfte), es geht auch um das Ansehen der Bundesrepublik. In Zukunft wird es dreimal lächerlicher anmuten, wenn sich die deutsche Aussenpolitik in anderen Ländern um den Umgang mit der Pressefreiheit sorgt. Der Bumerang kommt mit Sicherheit zurück.

Zitat
Aber das entspricht dem Gäfgen-Fall - selbst wenn man das Gesetz an sich ablehnt - solange es gilt, erfordert der Rechtsstaat, dass es für Mörder auch gilt.


Wie gesagt, der 185 gilt für Magnus Gäfgen, ebenso wie für Recep Erdogan. Damit hat die Regierung nix zu tun. Wenn es aber um den 103 geht, dann ist es keine juristische sondern eine politische Frage. Und in diesem Kontext dürfen sehr wohl Unterschiede gemacht werden. Deswegen und nur deswegen gibt es doch dieser Einschränkung. Aus diesem Kontext heraus finde ich ja auch die derzeit ausgegebene Parole, Merkel würde nur die Gewaltenteilung respektieren, so rundheraus lächerlich. An dieser Stelle ist explizit (!) die Zustimmung der Exekutive gefordert. Und zwar nicht indirekt, sondern ganz direkt. Das Gesetz fordert (!) an dieser Stelle eine politische Entscheidung. Die Gewaltenteilung ist dadurch an keiner Stelle betroffen, das Argument ist geradezu abwegig.
Und betrachtet man es rein politisch wirds auch lustig: Vor so gut einem Jahr (oder sinds schon zwei?) kam dieser schöne Film "Das Interview" auf den Markt. In diesem Film wurde Kim Jong Un so richtig durch den Kakao gezogen. Und was hat man in Nordkorea geschäumt. So richtig mit Kriegsdrohungen und allem drum und dran. Was hätte Angela Merkel wohl getan, wenn Kim Jong Un an ihrer Türschwelle ein Verfahren verlangt hätte, wenn der Film in Deutschland gedreht worden wäre ? Hätte sie dann auch die Gewaltenteilung vorgeschützt ? Oder den Ministerpräsidenten von Nordkorea (wenn die etwas vergleichsbares haben) angerufen und festgestellt, wie bewusst (!) verletztend (!) das ganze gewesen ist. Vermutlich doch eher nicht. Wurde Rudi Carrell angeklagt, als er den Ayatollah in Unterwäsche wühlen lies ? Doch wohl eher nicht. Und das ist genau der Punkt. Wenn Merkel nicht zutiefst im Allerwertesten von Erdogan stecken würde, würden wir nicht einmal über den 103 diskutieren. Ausser dem Schah von Persien hat sich in der Geschichte der BRD noch nie jemand auf den Blödsinn berufen. Oder es ist zumindest nicht bekannt geworden, weil damalige Regierungen sich nicht in einer so prekäre Situation manövriert haben wie Merkel das hat.

Llarian Offline



Beiträge: 7.109

16.04.2016 23:41
#32 RE: Bis hier war lustig Antworten

Zitat von Johanes im Beitrag #30
Wenn man solche "Altlasten" wie den Paragraphen zur Majestätsbeleidigung im Strafgesetzbuch hat, dann kann man sich auf diesen selbstverständlich auch berufen.

Was den Staatsanwalt angeht oder sogar Erdogan selber, haben Sie damit zweifelsohne Recht, lieber Johannes. Aber um die geht es ja nicht. Es geht um unsere Bundesregierung, die eine politische Entscheidung getroffen hat dieses absurde Recht noch anzuwenden. Es gibt viele Gesetze, auf die man sich berufen kann, und sich trotzdem lächerlich macht, wenn man es tut.

Zitat
Nun stellt sich allerdings eine Frage: Kollidiert die Norm, die im Paragraphen zum Ausdruck kommt, grundsätzlich mit der Gleicheit aller Menschen und widerspreche sie deshalb der Radbruch'schen Formel?


Vermutlich, aber das ist nicht die entscheidende Frage. Wenn es eine Kollision mit der Verfassung gibt, dann wird es Aufgabe von Richtern sein, das festzustellen. Nur ging es ja explizit hier nicht um Jura.

Zitat
Abgesehen von dieser Frage muss man festhalten, wenn in die Strafbarkeit der Majestätsbeleidigung zwischzeitlich abgeschafft wird, dann wird selbst bei festgestellten Tatbestandsmerkmalen ein Freispruch erfolgen, denn es wird immer die "mildeste" zwischenzeitlich geltende Rechtsnorm angewandt.
Dass allerdings ein Änderungsgesetz die Majestätsbeleidigung "mit sofortiger Wirkung" abschafft, das würde mir schon Sorgen machen. Dieses Gesetz wäre dann ganz offensichtlich politisch beeinflusst.


Und beides passiert aber nur in dem Kontext, dass man vor Erdogan kuschen muss. Wenn man politisch(!) klipp und klar erklärt hätte, "wir verfolgen niemanden wegen Majestätsbeleidigung." wäre dem Gesetz genüge getan gewesen. Und dann hätte man ebenso problemlos in der Folge auch verkünden können: "Und danach heben wir es auch auf". Aber genau das wollte man offensichtlich nicht. Oder besser: Merkel wollte es nicht. Weil sie uns immer noch verkaufen will, dass sie mit ihrem "Deal" eine Katastrophe abgewendet hat. Merkel kann sich einen verärgerten Erdogan nicht leisten.

Zitat
In Übrigen: Ist es nicht eine staatsmännisch gute Idee, das Gesetz zwar abzuschaffen, aber es doch noch zur Anwendung zu erlauben, um damit die Türkei nicht zu verärgern?


Wenn die Türkei sich darüber ärgern möchte, dass in Deutschland Satire erlaubt ist, dann ist das ein Problem der Türkei. Erdogan fühlte sich schon von extra3 beleidigt oder von der Tatsache, dass sich ein deutscher Botschafter in einen türkischen Gerichtssaal gesetzt hat. Die einzige Chance solche Leute nicht zu verägern besteht darin tief in ihren Hintern zu kriechen. Womit wir wieder am Anfang wären. Nein, ich halte das für keine gute Idee.

Semni Offline



Beiträge: 35

16.04.2016 23:54
#33 RE: Bis hier war lustig Antworten

Ich habe das Böhmermann-Video zufällig gesehen. Wer sich selbst die Meinung bilden will, kann das hier noch nachholen - sofern die Mods erlauben, ansonsten bitte den Link löschen.
http://fernsehkritik.tv/folge-179/play/#...nen-draufsetzen


Zitat von Llarian im Beitrag #1
Ein paar Gedanken zur "Regierung".



Zitat

Und diese Entscheidung trifft eine Priorität zwischen der Kunstfreiheit und dem Ehranspruch eines Despoten, der derzeit nicht weniger als 1800 Journalisten vor Gericht zieht, weil die alle sehr Ehre beleidigt haben sollen (was mehr über seine Ehre aussagt als Böhmermanns Werk es könnte).



Es sind ja nicht bloß Journalisten, die sich der Präsidentenbeleidigung schuldig machen, da war auch noch die Ehefrau, die ihrem Mann den Erdogan im Fernsehen madigmachte:
http://www.welt.de/vermischtes/article15...rdogans-an.html

Der Student, der 14 Monate Haft kassierte, weil er im Rahmen der Gezi-Proteste Erdogan einen "Diktator" nannte:
http://www.zeit.de/politik/ausland/2015-...gner-festnahmen

Der Schüler, der meinte, Erdogan sei korrupt (18 Monate Bewährung) ...
http://www.spiegel.de/politik/ausland/er...-a-1052627.html

... oder der Journalist, der aufdeckte, dass Google(!) die Suchbegriffe "Mörder" und "Dieb" mit Erdogan und AKP verknüpft. Offenbar ist das auch Präsidentenbeleidigung.
http://www.spiegel.de/politik/ausland/tu...-a-1072527.html

Unter Berücksichtigung der vielen Prozesse sowie der Tatsache, dass Erdogan auch im Ausland klagt und sich beklagt, bietet Böhmermann ihm eine hilfreiche Veranschaulichung, was Satire darf, wie ich finde.

Zitat

Ich finde es eine Beleidigung, dass wir eine Regierung haben, die sich permanent zur Meinungsfreiheit bekennt, aber keine Probleme damit hat, wenn jemand wegen Majestätsbeleidigung verfolgt wird. Ich finde es einen Skandal das ein Despot, an dessen Händen in nicht gerade geringer Menge Blut klebt, sich in Deutschland auf seinen Ehrschutz berufen kann und mit der Bundesregierung einen Fürsprecher hat.



Ich stimme Ihnen zu und sehe in dieser Doppelmoral einen von vielen Gründen für einen tendenziell rauer werdenden Ton in öffentlichen Diskussionen. Sich stets besinnen und überlegen, was man sagt und wie, ist langfristig frustrierend, aber machbar irgendwie. Solange Worthülsen die Regel sind, vom "wie geht's?" bis zum "wir schaffen das", werden immer ausreichend Phrasen zur Verfügung stehen, um eine Meinung oder einen Dialog vorzutäuschen. Aber will man das?

Wenn ich die Kanzlerin in Worte kleide, trägt sie an guten Tagen Lumpen. Das darf ich sagen und noch mehr, aber wozu? Auf Dauer ist das Watte werfen. Ich schätze, darin liegt auch der Grund, weshalb der Ton sich zunehmend verschärft. Manche schweigen, resignieren; andere frustrieren laut und lauter.

Einem Linksdrall folgt ein Rechtsdrall und umgekehrt, heißt es hie und da, wobei ich argwöhne, dass hier nur Etiketten verteilt werden. Druck erzeugt Gegendruck. Interessen werden verteidigt, wenn es nicht hilft, dann eben lauter, stärker, vehementer - man stemmt sich dagegen, sei es der Hund gegen die Leine oder Menschen gegen eine Politik, die zu sehr in eine Richtung zieht.

Letztlich kann ich nur sagen: Ich habe kein Problem damit, wenn Böhmermann Grenzen überschreitet. Das ist nur zeitgemäß. Grenzen sind zum Überwinden da, nicht wahr, Angela?

Herzlich,
Semni

Meister Petz Offline




Beiträge: 3.923

17.04.2016 02:32
#34 RE: Bis hier war lustig Antworten

Zitat von Llarian
Zum einen daran, dass es im Rechtsstaat in meinen Augen nicht geht, dass man einerseits ein überholtes Gesetz als solches bezeichnet, aber andererseits noch die Gelegenheit nutzt einem eins mit selbigem drüberzubraten.


Natürlich geht das, so lange das Gesetz gilt. Und bei allen anderen Gesetzen, wo es nicht den "Regierungsvorbehalt" gibt, ginge es sogar nur so. Und weil Du sagst überbraten, lies Dir mal folgende tragische Geschichte durch:

Zitat
Am 28. Januar 1948 erschoss Richard Schuh einen Mann, der ihn mit seinem Laster mitgenommen hatte. Schuh wollte die Reifen des Lasters auf dem Schwarzmarkt verkaufen. Er wurde jedoch schnell gefasst und am Landgericht Tübingen zum Tode verurteilt. Der damalige Justizminister von Württemberg-Hohenzollern war Carlo Schmid. Dieser hatte das Thema Todesstrafe in einer Kabinettssitzung angesprochen, weil im Land fünf Todesurteile zur Vollstreckung anstanden. Im Protokoll der Sitzung ist hierzu vermerkt: 'Er (Schmid) vertritt den Standpunkt, dass man in allen Fällen begnadigen solle. Die Vollstreckung der Todesstrafe sei nicht mehr zeitgemäß und stelle eine Degradierung der menschlichen Gesellschaft dar.' Unglücklicherweise für Schuh behandelte das Kabinett Schuh's Gnadengesuch ohne Carlo Schmid, da dieser sich zu diesem Zeitpunkt in Bonn aufhielt und mit an dem neuen Grundgesetz der Bundesrepublik arbeitete. Gebhard Müller, damaliger Regierungschef des Landes und späterer Bundesverfassungspräsident, war grundsätzlich Todesstrafenbefürworter. Er lehnte das Gnadengesuch Schuh's ab. Am Morgen des 18. Februar 1949 – heute vor 60 Jahren – wurde Richard Schuh als letzter Mensch in der Bundesrepublik Deutschland aufgrund eines Urteils eines Zivilgerichts hingerichtet. Am 23. Mai 1949 trat das Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland in Kraft. In diesem heißt es in Artikel 102: 'Die Todesstrafe ist abgeschafft.'

http://www.initiative-gegen-die-todesstr...in-der-brd.html

Nun ist das Gnadengesuch einer der wenigen anderen Fälle, wo auch nicht die Justiz das letzte Wort hat, und es war abzusehen, dass die Todesstrafe in Deutschland keinen Monat lang mehr Gültigkeit haben würde. Andererseits gibt es den Fall einer Kindsmörderin, die ebenfalls 1949 ihr Todesurteil nur überlebt hat, weil nicht rechtzeitig eine Guillotine aufzutreiben war: http://www.berliner-zeitung.de/eine-doku...chland-16000066

Auch wenn es menschlich absolut verachtenswert ist, haben trotzdem alle Beteiligten rechtmäßig gehandelt. Und im Vergleich dazu ist die Causa Böhmermann wirklich eine Kindergartenposse.

Zitat
Zum anderen darin, dass die Regierung damit ja auch eine Aussage dazu trifft, wie sie mit Kritik umgeht und wie wichtig ihr in diesem Zusammenhang der Schutz der Grundrechte geht. Nach meinerm Dafürhalten muss in einem funktionierenden, verfassten Rechtsstaat das Grundrecht im Zweifel immer vorgehen. Hier ist das Gegenteil der Fall.


Nun steht aber das Grundrecht der freien Meinungsäußerung unter einem starken Vorbehalt (Art. 5,2 GG). Außerdem konkurriert es mit den Persönlichkeitsrecht. Du kannst Dir also bei zwei konkurrierenden Grundrechten nicht eines der beiden Grundrechte aussuchen, das vorgehen soll, weil es Dir sympathischer ist oder weil der Träger des anderen ein autoritärer Präsident ist.

Zitat
Es geht nicht nur um das Ansehen von Frau Merkel (das ohnehin kaum noch zu retten sein dürfte), es geht auch um das Ansehen der Bundesrepublik. In Zukunft wird es dreimal lächerlicher anmuten, wenn sich die deutsche Aussenpolitik in anderen Ländern um den Umgang mit der Pressefreiheit sorgt. Der Bumerang kommt mit Sicherheit zurück.


Abgesehen davon, dass dieses Anmahnen ohnehin eher politische Folklore ist: Ist das Ansehen Frankreichs ruiniert, weil Sarko französische Journalisten vom Geheimdienst ausspionieren hat lassen? Iwo, nach dem Charlie Hebdo Attentat hat man der französischen Regierung selbstverständlich abgenommen, dass ihr die Pressefreiheit über alles geht. Ich stimme Dennis zu, dass die Folgen überschaubar sein werden.

Zitat
Und in diesem Kontext dürfen sehr wohl Unterschiede gemacht werden. Deswegen und nur deswegen gibt es doch dieser Einschränkung. Aus diesem Kontext heraus finde ich ja auch die derzeit ausgegebene Parole, Merkel würde nur die Gewaltenteilung respektieren, so rundheraus lächerlich. An dieser Stelle ist explizit (!) die Zustimmung der Exekutive gefordert. Und zwar nicht indirekt, sondern ganz direkt. Das Gesetz fordert (!) an dieser Stelle eine politische Entscheidung. Die Gewaltenteilung ist dadurch an keiner Stelle betroffen, das Argument ist geradezu abwegig.


Aus meiner Sicht schon, aber durch das Gesetz im Ganzen. Ich finde es ein gut rechtsstaatliches Prinzip, dass das letzte Wort ein Gericht spricht, und habe damit meine Probleme, wenn Ausnahmen möglich sind.

Zitat
Vor so gut einem Jahr (oder sinds schon zwei?) kam dieser schöne Film "Das Interview" auf den Markt. In diesem Film wurde Kim Jong Un so richtig durch den Kakao gezogen. Und was hat man in Nordkorea geschäumt. So richtig mit Kriegsdrohungen und allem drum und dran. Was hätte Angela Merkel wohl getan, wenn Kim Jong Un an ihrer Türschwelle ein Verfahren verlangt hätte, wenn der Film in Deutschland gedreht worden wäre ? Hätte sie dann auch die Gewaltenteilung vorgeschützt ? Oder den Ministerpräsidenten von Nordkorea (wenn die etwas vergleichsbares haben) angerufen und festgestellt, wie bewusst (!) verletztend (!) das ganze gewesen ist. Vermutlich doch eher nicht. Wurde Rudi Carrell angeklagt, als er den Ayatollah in Unterwäsche wühlen lies ? Doch wohl eher nicht.


Beim Interview war Deutschland nicht betroffen, aber bei Carrell, dessen "Satire" nicht im Ansatz beleidigend war, wurde ordentlich gebuckelt:

Zitat
In Bonn sagte ein Sprecher des Auswärtigen Amtes, Verunglimpfungen fremder Staats- und Religionsführer seien bedauerlich, die Regierung habe jedoch keinen Einfluss auf das Fernsehprogramm. Die ARD bedauerte, dass „eine Satire-Sendung so missverstanden werden konnte“. Am Mittwoch nach dem Schlüpfer-Gag entschuldigte sich Carrell, der nun unter Polizeischutz stand, öffentlich „beim iranischen Volk“.

http://www.focus.de/kultur/kino_tv/medie...aid_721619.html

Vor allem der erste Punkt ist brisant - denn dort stellt ebenfalls die Regierung eine bedauerliche Verunglimpfung fest, obwohl da weder Paarhufer noch österreichische Sexualstraftäter im Spiel waren. Rudi hatte auch "Politie", und sogar die traditionell satirefreundlichen Holländer knickten ein:

Zitat
Although the transmission of the fragment was scheduled (and announced as such) on 23 February 1987, eight days after the controversial German transmission, something unusual happened: the Dutch minister of foreign affairs, Hans van den Broek (b. 1936), personally called the Dutch Broadcast Corporation. During this telephone call on 23 February, a few sec‐
onds before the start of the program with the contested item, the minister tried to convince the anchorman Paul Witteman (b. 1946) not to broadcast the item discussed.

http://www.anci.ch/_media/beitrag/ancilla2013_15_cliteur.pdf

In einer darauf folgenden Parlamentsdebatte wurde dem Außenminister für sein Verhalten der Rücken gestärkt, und es kam raus, dass er zuvor einen Anruf aus Teheran bekommen hat, der darauf hinwies, wie beleidigend der Iran die Sendung findet. Und nochmal - das alles für ein völlig harmloses Stück, von dem klar war, dass es gegen keinen deutschen (und vermutlich auch niederländischen) Paragraphen verstoßen würde. Trotzdem Entschuldigungen aus Deutschland und Zensurversuche in Holland.

Zitat
Und das ist genau der Punkt. Wenn Merkel nicht zutiefst im Allerwertesten von Erdogan stecken würde, würden wir nicht einmal über den 103 diskutieren. Ausser dem Schah von Persien hat sich in der Geschichte der BRD noch nie jemand auf den Blödsinn berufen. Oder es ist zumindest nicht bekannt geworden, weil damalige Regierungen sich nicht in einer so prekäre Situation manövriert haben wie Merkel das hat.


Na gut, dann verlinke ich halt die Schweizer Bundespräsidentin zum mittlerweile dritten Mal - in der Hoffnung, dass endlich mal wer auf den Link klickt.
http://www.tagesanzeiger.ch/schweiz/stan.../story/16716749

Übrigens - da ja die verfahrensführende Behörde in dem Fall das Auswärtige Amt ist, kam die Zustimmung von einem gewissen Bundesminister Steinmeier. Der jetzt so laut für die Meinungsfreiheit trommelt. Und die weiteren Fälle aus dem Artikel sind auch aufschlussreich:

Zitat
Im Jahr 2010 druckte der Genfer Rechtspopulist Éric Stauffer für den Abstimmungskampf zur Ausschaffungsinitiative 450 Plakate und 15'000 Faltprospekte mit dem Titel: «Er will die Schweiz zerstören». Darauf abgebildet: der damalige Staatschef Libyens, Muammar al-Ghadhafi. Libyen beantragte bei der Schweiz ein Strafverfahren wegen Beleidigung, die Behörden erteilten dieses im November 2010.


Da mischt sich Gaddafi nicht nur in die Berichterstattung, sondern sogar in den Wahlkampf ein, und die Schweizer kuschen. Die Regierung der Schweizer Musterdemokratie hat demnach ganz tief in Gaddafis Allerwertesten gesteckt, od'r?

Gruß Petz

Free speech is so last century. (Brendan O'Neill)

Llarian Offline



Beiträge: 7.109

17.04.2016 14:53
#35 RE: Bis hier war lustig Antworten

Zitat von Meister Petz im Beitrag #34
Und weil Du sagst überbraten, lies Dir mal folgende tragische Geschichte durch:

Ich finde die Geschichte nicht besonders tragisch. Das hier ist aber kaum das geeignete Forum noch der richtige Kontext um über die Todesstrafe zu diskutieren.

Zitat
Nun steht aber das Grundrecht der freien Meinungsäußerung unter einem starken Vorbehalt (Art. 5,2 GG). Außerdem konkurriert es mit den Persönlichkeitsrecht.


Das allgemeine Persönlichkeitsrecht findet sich nicht im GG und ist eine Erfindung des Bundesverfassungsgerichtes, dass sich in völliger Verachtung der Gewaltenteilung Gesetzgebervollmachten angeeignet hat. Und in der Tat steht Artikel 5 unter einem Vorbehalt (schlimm genug und sollte jedem Liberalen ein echter Dorn im Auge sein). Das heisst aber nicht, dass diese Vorbehalte auch Verfassungsrang haben. Im Zweifelsfall (!) muss das Grundrecht entscheidend sein.

Zitat
Ist das Ansehen Frankreichs ruiniert, weil Sarko französische Journalisten vom Geheimdienst ausspionieren hat lassen?


Ruiniert nicht, aber doch geschädigt. Man darf sich nicht wundern, dass die meisten Länder weltweit den Europäern ihre Werte nicht wirklich mehr abnehmen. Diese stehen ja selber nicht dahinter. Genauso wie den Amis Guantanamo massiv geschadet hat. Entweder hat man Werte oder eben nicht. Ein bisschen schwanger geht bekanntlich auch nicht.

Zitat
Ich finde es ein gut rechtsstaatliches Prinzip, dass das letzte Wort ein Gericht spricht, und habe damit meine Probleme, wenn Ausnahmen möglich sind.


Die Ausnahme ist gerade in Beleidigungsprozessen eher die Regel als die Ausnahme. Zurecht. Vielleicht ist der Unterschied in folgendem begründet: Der Paragraph 103 dient nur indirekt dem Ehrenschutz von Majestäten. Der Hauptgrund ist der Schutz der diplomatischen Interessen der BRD. Somit ist der eigentlich Geschädigte nicht Erdogan, sondern die BRD. Und ob diese sich entscheidet einen eigenen Staatsbürger dafür anzuklagen ist keine Frage von Justiz, sondern eine Frage von eigenem Werteverständnis.

Zitat
Beim Interview war Deutschland nicht betroffen, aber bei Carrell, dessen "Satire" nicht im Ansatz beleidigend war, wurde ordentlich gebuckelt:


Ist Carrell wegen 103 angeklagt worden oder nicht ?

Zitat
Und nochmal - das alles für ein völlig harmloses Stück, von dem klar war, dass es gegen keinen deutschen (und vermutlich auch niederländischen) Paragraphen verstoßen würde.


Und auch hier nochmal: Ist er nach 103 angeklagt worden oder nicht ?
Das es diplomatischen Ärger gab ist nix besonderes. Aber das sich der eigene Staat gegen den eigenen Bürger stellte, das hat es erst zweimal gegeben. Und Carrell war keiner davon. Vom Maß der Beleidigung tut sich auch zwischen Böhmermann und dem Ayatollah nicht viel. Und insofern wurde von Böhmermann nicht mehr gegen den 103 verstossen als von Carrell. Der eben nicht angeklagt wurde.

Zitat
Na gut, dann verlinke ich halt die Schweizer Bundespräsidentin zum mittlerweile dritten Mal - in der Hoffnung, dass endlich mal wer auf den Link klickt.


Ich jedenfalls auch diesmal nicht. Wir leben nicht in der Schweiz, wir leben nicht in den Niederlanden. Wir leben in Deutschland und es ist eine deutsche Affäre. Paragraph 103 entstammt nicht dem Schweizer Recht, auch nicht dem niederländischen, sondern dem deutschen. Was für einen Rechtsstaat die Schweiz oder die Niederlande leben ist deren Sache. Ich lebe in Deutschland. Noch.

Zitat
Übrigens - da ja die verfahrensführende Behörde in dem Fall das Auswärtige Amt ist, kam die Zustimmung von einem gewissen Bundesminister Steinmeier. Der jetzt so laut für die Meinungsfreiheit trommelt.


Soll er sich gegen die Frau Bundeskanzler stellen ? Dann kann er auch gleich schmeissen. Ich glaube nicht, dass irgendjemand in Deutschland ernsthafte Zweifel daran hat, dass es sich hier um eine pure Entscheidung Merkel handelt. Sie ist die einzige, die hier wirklich was zu verlieren hat. Und ihr Machtanspruch ist ziemlich absolut. Aber es ist mir bisweilen sogar an der Stelle nicht einmal so wichtig: Steinmeier hat mit Sicherheit nicht für sich persönlich gehandelt, er vertritt die Bundesregierung in dieser Sache. Und das bestreitet die ja auch nicht.

Zitat
Da mischt sich Gaddafi nicht nur in die Berichterstattung, sondern sogar in den Wahlkampf ein, und die Schweizer kuschen. Die Regierung der Schweizer Musterdemokratie hat demnach ganz tief in Gaddafis Allerwertesten gesteckt, od'r?


Möglich. Ist aber ein Schweizer Problem.

Meister Petz Offline




Beiträge: 3.923

17.04.2016 20:39
#36 RE: Bis hier war lustig Antworten

Zitat von Llarian im Beitrag #35
Zitat von Meister Petz im Beitrag #34
Und weil Du sagst überbraten, lies Dir mal folgende tragische Geschichte durch:

Ich finde die Geschichte nicht besonders tragisch. Das hier ist aber kaum das geeignete Forum noch der richtige Kontext um über die Todesstrafe zu diskutieren.

Ich will auch nicht die Todesstrafe diskutieren, sondern die Rechtsstaatlichkeit der Anwendung von Gesetzen, deren Abschaffung geplant ist.

Zitat

Zitat
Nun steht aber das Grundrecht der freien Meinungsäußerung unter einem starken Vorbehalt (Art. 5,2 GG). Außerdem konkurriert es mit den Persönlichkeitsrecht.


Das allgemeine Persönlichkeitsrecht findet sich nicht im GG und ist eine Erfindung des Bundesverfassungsgerichtes, dass sich in völliger Verachtung der Gewaltenteilung Gesetzgebervollmachten angeeignet hat. Und in der Tat steht Artikel 5 unter einem Vorbehalt (schlimm genug und sollte jedem Liberalen ein echter Dorn im Auge sein). Das heisst aber nicht, dass diese Vorbehalte auch Verfassungsrang haben. Im Zweifelsfall (!) muss das Grundrecht entscheidend sein.



Also hat Art 5,1 GG bei Dir Verfassungsrang, 5,2 GG aber nicht? Welche Teile des Grundgesetzes gehören dann zur Verfassung und welche nicht?

Zitat

Zitat
Ist das Ansehen Frankreichs ruiniert, weil Sarko französische Journalisten vom Geheimdienst ausspionieren hat lassen?


Ruiniert nicht, aber doch geschädigt. Man darf sich nicht wundern, dass die meisten Länder weltweit den Europäern ihre Werte nicht wirklich mehr abnehmen. Diese stehen ja selber nicht dahinter. Genauso wie den Amis Guantanamo massiv geschadet hat. Entweder hat man Werte oder eben nicht. Ein bisschen schwanger geht bekanntlich auch nicht.



Ich denke, jede Art von politischer Entscheidung ist "ein bisschen schwanger", sobald konkurrierende Interessen betroffen sind. Überhaupt überzeugt mich dieses Argument immer weniger, je öfter es wiederholt wird. Das klingt genauso schön und passend in einer Bundestagsrede von Norman Paech zu einem Auslandseinsatz der Bundeswehr.

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Beim Interview war Deutschland nicht betroffen, aber bei Carrell, dessen "Satire" nicht im Ansatz beleidigend war, wurde ordentlich gebuckelt:


Ist Carrell wegen 103 angeklagt worden oder nicht ?



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Und nochmal - das alles für ein völlig harmloses Stück, von dem klar war, dass es gegen keinen deutschen (und vermutlich auch niederländischen) Paragraphen verstoßen würde.


Und auch hier nochmal: Ist er nach 103 angeklagt worden oder nicht ?



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Das es diplomatischen Ärger gab ist nix besonderes. Aber das sich der eigene Staat gegen den eigenen Bürger stellte, das hat es erst zweimal gegeben. Und Carrell war keiner davon. Vom Maß der Beleidigung tut sich auch zwischen Böhmermann und dem Ayatollah nicht viel. Und insofern wurde von Böhmermann nicht mehr gegen den 103 verstossen als von Carrell. Der eben nicht angeklagt wurde.


Natürlich wurde er nicht angeklagt, aber es ist auch nichts bekannt davon, dass die Mullahs eine Anklage verlangt hätten, da sie lieber auf der diplomatischen Ebene Druck erzeugt haben. Also ist es ein hypothetisches Beispiel, das auch durch dreimalige Wiederholung nicht zum Vergleich taugt.

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Na gut, dann verlinke ich halt die Schweizer Bundespräsidentin zum mittlerweile dritten Mal - in der Hoffnung, dass endlich mal wer auf den Link klickt.

Ich jedenfalls auch diesmal nicht. Wir leben nicht in der Schweiz, wir leben nicht in den Niederlanden. Wir leben in Deutschland und es ist eine deutsche Affäre. Paragraph 103 entstammt nicht dem Schweizer Recht, auch nicht dem niederländischen, sondern dem deutschen. Was für einen Rechtsstaat die Schweiz oder die Niederlande leben ist deren Sache.



Wenn Du endlich mal draufgeklickt hättest, wüsstest Du, dass es ein deutscher Prozess nach dem deutschen 103er war, bei dem das Ergebnis ein Strafbefehl zu 50 Tagessätzen wegen Beleidigung der Schweizer Bundespräsidentin war. Und Steinmeier hat zugestimmt (ob Merkel da auch involviert war, geht aus dem Artikel nicht hervor).

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Was für einen Rechtsstaat die Schweiz oder die Niederlande leben ist deren Sache. Ich lebe in Deutschland. Noch.


Dann nimm es als Hilfe für die Auswahl Deines zukünftigen Wohnortes. Immerhin suggeriert Dein Artikel, dass sich Deutschland nun mit einem Schlag aus dem Konzert der Rechtsstaaten verabschiedet hat. Wenn man sich aber umschaut, scheint so ein Vorgehen eher die Regel als die Ausnahme zu sein, und das selbst bei deutlich liberaleren Gesellschaften wie der Schweiz oder Holland.

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Zitat
Übrigens - da ja die verfahrensführende Behörde in dem Fall das Auswärtige Amt ist, kam die Zustimmung von einem gewissen Bundesminister Steinmeier. Der jetzt so laut für die Meinungsfreiheit trommelt.

Soll er sich gegen die Frau Bundeskanzler stellen ? Dann kann er auch gleich schmeissen. Ich glaube nicht, dass irgendjemand in Deutschland ernsthafte Zweifel daran hat, dass es sich hier um eine pure Entscheidung Merkel handelt. Sie ist die einzige, die hier wirklich was zu verlieren hat. Und ihr Machtanspruch ist ziemlich absolut. Aber es ist mir bisweilen sogar an der Stelle nicht einmal so wichtig: Steinmeier hat mit Sicherheit nicht für sich persönlich gehandelt, er vertritt die Bundesregierung in dieser Sache. Und das bestreitet die ja auch nicht.



Ich habe mich auf den verlinkten Fall bezogen.

Gruß Petz

Free speech is so last century. (Brendan O'Neill)

Frank2000 Offline




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18.04.2016 15:52
#37 RE: Bis hier war lustig Antworten

Zitat von Meister Petz im Beitrag #36

Also hat Art 5,1 GG bei Dir Verfassungsrang, 5,2 GG aber nicht? Welche Teile des Grundgesetzes gehören dann zur Verfassung und welche nicht?



Grundrechte und Grundrecht-gleiche Rechte mit Wesensgarantie
https://de.wikipedia.org/wiki/Grundrechte_(Deutschland)

Noch kleiner wird die Anzahl der Kernparagraphen, wenn man nur auf die Artikel mit Ewigkeitsgarantie schaut. Womit gezeigt wäre, dass das deutsche Grundgesetzt ziemlich überfrachtet ist. Was in meinen Jura-Vorlesungen auch von den Professoren so vertreten wurde.

___________________
Kommunismus mordet.
Ich bin bereit, über die Existenz von Einhörnern zu diskutieren. Aber dann verlange ich außergewöhnlich stichhaltige Beweise.

R.A. Offline



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18.04.2016 15:58
#38 RE: Bis hier war lustig Antworten

Zitat von Doeding im Beitrag #2
Gleichzeitig erklärt man das Gesetz für anachronistisch und obsolet und beschließt dessen Abschaffung.

Hier lohnt sich eine etwas präzisere Formulierung. "Man" ist nämlich hier konkret die Person Merkel. Und die hat unbeschadet ihres hohen Verwaltungsamts überhaupt keine Kompetenz, die Abschaffung eines solchen Paragraphen zu beschließen.
Sie hat daher auch nur angekündigt, daß die Koalition ein entsprechendes Gesetz einbringen wird.
Aber wohlgemerkt: Im Jahr 2018. Da ist die derzeit regierende Koalition überhaupt nicht mehr im Amt.

Es wäre m. W. überhaupt kein Problem, daß die Koalition eine eher schlichte Gesetzesänderung dieser Art noch dieses Jahr und auf jeden Fall vor dem Herbst 2017 durchs Parlament bringt.
Die Verschiebung auf 2018 ist völlig unnötig und man muß sich schon fragen, ob hier nicht dafür gesorgt werden soll, daß die Gerichte ausreichend Zeit für eine Verurteilung bekommen.

So nach dem Motto: Das Gesetz ist falsch, aber Erdogan soll es noch nutzen dürfen.

Meister Petz Offline




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18.04.2016 16:06
#39 RE: Bis hier war lustig Antworten

Zitat von R.A. im Beitrag #38
Die Verschiebung auf 2018 ist völlig unnötig und man muß sich schon fragen, ob hier nicht dafür gesorgt werden soll, daß die Gerichte ausreichend Zeit für eine Verurteilung bekommen.
So nach dem Motto: Das Gesetz ist falsch, aber Erdogan soll es noch nutzen dürfen.

Ah ja. Es wäre natürlich viel demokratischer und rechtsstaatlicher, ein Gesetz aufgrund eines laufenden Verfahrens schnell zu ändern.

Gruß Petz

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R.A. Offline



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18.04.2016 16:11
#40 RE: Bis hier war lustig Antworten

Zitat von Erling Plaethe im Beitrag #6
Ein "Nein" hätte bedeutet, dass die Bundesregierung der Justiz verwehrt im Fall Böhmermann den §103 zu verfolgen. Sie hätte die Gewaltenteilung verletzt.

Es wurde ja schon gesagt: Das Gesetz läßt der Regierung völlige Handlungsfreiheit, daher kann weder das Pro noch das Contra irgendwelche Rechtsprinzipien verletzen.

Zitat
Nur mit der Ermächtigung schafft, oder erhält, die Bundesregierung die größtmögliche Unabhängigkeit für die deutsche Justiz.


Die Unabhängigkeit der Justiz ist NICHT davon abhängig, was ihr die Exekutive zur Entscheidung vorlegt!

Mal generell: Die Gewaltenteilung ist KEIN Grundprinzip der deutschen Verfassung, sondern wird im Gegenteil in vielen Punkten im Grundgesetz nicht angewendet. Siehe alleine die Möglichkeit, daß Abgeordnete parallel Minister sind.

Und dann: Wir reden hier erst einmal davon, was die Staatsanwaltschaft macht. Die Staatsanwaltschaft ist KEIN Teil der "unabhängigen Justiz", sondern weisungsabhängiger Teil der Exekutive (auf Landesebene). Und die Bundesregierung ist natürlich auch Exekutive. Und beide knobeln jetzt aus, was mit den Forderungen Erdogans passieren soll.

Und erst wenn die Exekutive sich zur Anklage entschließt, beginnt überhaupt die Stunde der unabhängigen Justiz.

R.A. Offline



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18.04.2016 16:13
#41 RE: Bis hier war lustig Antworten

Zitat von Meister Petz im Beitrag #39
Es wäre natürlich viel demokratischer und rechtsstaatlicher, ein Gesetz aufgrund eines laufenden Verfahrens schnell zu ändern.

Erst einmal: Es ist völlig normal, daß irgendwo Verfahren laufen, wenn am Strafrecht etwas geändert wird. Darauf kann ein Parlament keine Rücksicht nehmen.

Aber es wäre demokratischer und rechtsstaatlicher, wenn man keine neuen Verfahren mehr anstößt, wenn man als Regierung das entsprechende Gesetz für falsch hält und man plant es abzuschaffen.

Florian Offline



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18.04.2016 16:14
#42 RE: Bis hier war lustig Antworten

Es geschehen noch Zeichen und Wunder:

Jakob Augstein schreibt einen Kommentar - und ich stimme ihm zu.
So geschehen:
http://www.spiegel.de/politik/deutschlan...-a-1087731.html


(Was übrigens auch sehr schön zeigt, wie sehr sich der Fall Boehmermann der üblichen "Links-Rechts-Einteilung" entzieht. Da entstehen auf einmal ganz ungewöhnliche Frontlinien.)

Meister Petz Offline




Beiträge: 3.923

18.04.2016 16:26
#43 RE: Bis hier war lustig Antworten

Zitat von R.A. im Beitrag #41
Zitat von Meister Petz im Beitrag #39
Es wäre natürlich viel demokratischer und rechtsstaatlicher, ein Gesetz aufgrund eines laufenden Verfahrens schnell zu ändern.

Erst einmal: Es ist völlig normal, daß irgendwo Verfahren laufen, wenn am Strafrecht etwas geändert wird. Darauf kann ein Parlament keine Rücksicht nehmen.

Es ist ein Unterschied zwischen "keine Rücksicht nehmen" und "das Gesetz ändern, um den Ausgang des Verfahrens zu beeinflussen".

Zitat
Aber es wäre demokratischer und rechtsstaatlicher, wenn man keine neuen Verfahren mehr anstößt, wenn man als Regierung das entsprechende Gesetz für falsch hält und man plant es abzuschaffen.


Vielleicht, wenn man allein dafür verantwortlich ist. Hier aber stößt die Türkei das Verfahren an, und die Bundesregierung entscheidet sich nur, kein Veto einzulegen. Ich gebe zu, dass das Argument einen Punkt hat, und die Bundesregierung eine peinliche Figur abgegeben hat. Aber mir leuchtet Doedings Erklärungsansatz eher ein, dass die Ankündigung der Abschaffung ein fauler kompromiss war, um den Koalitionsfrieden zu erhalten.

Gruß Petz

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R.A. Offline



Beiträge: 8.171

18.04.2016 16:55
#44 RE: Bis hier war lustig Antworten

Zitat von Meister Petz im Beitrag #43
Es ist ein Unterschied zwischen "keine Rücksicht nehmen" und "das Gesetz ändern, um den Ausgang des Verfahrens zu beeinflussen".

Richtig.
Aber darum geht es ja nicht. Die Gesetzesänderung wird das Böhmermann-Verfahren nicht beeinflussen. Höchstens (bei zu langer Prozeßdauer) in genau die Richtung, die die Regierung auch ohne Gesetzesänderung hätte haben können (indem sie auf das Verfahren verzichtet).
Umgekehrt kann die sehr späte Änderung aber sehr wohl Einfluß haben: Böhmermann könnte dann der Letzte sein, der überhaupt noch nach 103 bestraft wird.

Zitat
Vielleicht, wenn man allein dafür verantwortlich ist.


Ist man ja.
Alleine die Bundesregierung ist dafür verantwortlich, Erdogans Antrag durchzuwinken - oder eben nicht. Obwohl sie es grundsätzlich für falsch hält, daß es überhaupt solche Anträge geben kann.

Zitat
Aber mir leuchtet Doedings Erklärungsansatz eher ein, dass die Ankündigung der Abschaffung ein fauler kompromiss war, um den Koalitionsfrieden zu erhalten.


Dem widerspreche ich ja überhaupt nicht.
Selbstverständlich geht es Merkel nicht um die Verbesserung der Gesetze, sondern um ein Herauswinden aus der aktuellen Klemme.

Für den Koalitionsfrieden hätte es aber auch eine Abschaffung in diesem oder nächsten Jahr getan. Das wäre der SPD im Zweifelsfall sogar lieber gewesen. Die Verschiebung auf 2018 ist dagegen ziemlich problematisch.

Martin Offline



Beiträge: 4.129

18.04.2016 17:06
#45 RE: Bis hier war lustig Antworten

Zitat von Meister Petz im Beitrag #43

..... und "das Gesetz ändern, um den Ausgang des Verfahrens zu beeinflussen".


Das ist eine beliebige Interpretation. Man kann aber auch schlicht konstatieren, dass durch den aktuellen Fall ein Paragraph wieder in den Fokus gerückt ist, der nicht mehr zeitgemäß ist. Wenn sich alle einig sind, kann man seine Abschaffung umgehend einleiten.

Zitat
Aber mir leuchtet Doedings Erklärungsansatz eher ein, dass die Ankündigung der Abschaffung ein fauler kompromiss war, um den Koalitionsfrieden zu erhalten.

Gruß Petz



Kann sein oder aber auch nicht. Ich sehe das erst mal so, dass Erdogan eventuell beliebig sauer wäre, wenn der Paragraph in zwei Monaten gestrichen würde. Also bedingt sich Merkel, die sich schon lange keinen sauren Erdogan leisten will, etwas mehr Zeit aus. Darum bitten muss sie dann nur, weil die SPD vielleicht schneller sein wollte. Also ist nicht die Ankündigung ein fauler Kompromiss, sondern der Zeitpunkt, wenn überhaupt. Nach Merkel die Sintflut.

Gruß, Martin

Meister Petz Offline




Beiträge: 3.923

18.04.2016 17:20
#46 RE: Bis hier war lustig Antworten

Zitat von Martin im Beitrag #45
Zitat von Meister Petz im Beitrag #43
..... und "das Gesetz ändern, um den Ausgang des Verfahrens zu beeinflussen".
Das ist eine beliebige Interpretation. Man kann aber auch schlicht konstatieren, dass durch den aktuellen Fall ein Paragraph wieder in den Fokus gerückt ist, der nicht mehr zeitgemäß ist. Wenn sich alle einig sind, kann man seine Abschaffung umgehend einleiten.

Keine beliebige, sondern immerhin die des Vorsitzenden der Parlamentsfraktion einer der Regierungsparteien:

Zitat
SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann plädiert nun für dessen Abschaffung. Das könnte schon, so Oppermann, in der nächsten Plenarwoche erfolgen - also übernächste Woche: "Dann müsste sich die Bundesregierung nicht entscheiden", sagt er mit Blick auf den Fall Böhmermann und das türkische Strafverlangen.

http://www.spiegel.de/politik/deutschlan...-a-1086739.html

Gruß Petz

Free speech is so last century. (Brendan O'Neill)

Martin Offline



Beiträge: 4.129

18.04.2016 17:25
#47 RE: Bis hier war lustig Antworten

Zitat von Meister Petz im Beitrag #46
Zitat von Martin im Beitrag #45
Zitat von Meister Petz im Beitrag #43
..... und "das Gesetz ändern, um den Ausgang des Verfahrens zu beeinflussen".
Das ist eine beliebige Interpretation. Man kann aber auch schlicht konstatieren, dass durch den aktuellen Fall ein Paragraph wieder in den Fokus gerückt ist, der nicht mehr zeitgemäß ist. Wenn sich alle einig sind, kann man seine Abschaffung umgehend einleiten.

Keine beliebige, sondern immerhin die des Vorsitzenden der Parlamentsfraktion einer der Regierungsparteien:

Zitat
SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann plädiert nun für dessen Abschaffung. Das könnte schon, so Oppermann, in der nächsten Plenarwoche erfolgen - also übernächste Woche: "Dann müsste sich die Bundesregierung nicht entscheiden", sagt er mit Blick auf den Fall Böhmermann und das türkische Strafverlangen.
http://www.spiegel.de/politik/deutschlan...-a-1086739.html

Gruß Petz



Ja, aber Oppermann begründet es nicht damit, den Ausgang des Verfahrens beeinflussen zu wollen. Ich dachte die Begründung ist schlicht, dass das Gesetz nicht mehr zeitgemäß ist.

Gruß, Martin

Erling Plaethe Offline




Beiträge: 4.660

18.04.2016 17:28
#48 RE: Bis hier war lustig Antworten

Zitat von R.A. im Beitrag #40
Zitat von Erling Plaethe im Beitrag #6
Ein "Nein" hätte bedeutet, dass die Bundesregierung der Justiz verwehrt im Fall Böhmermann den §103 zu verfolgen. Sie hätte die Gewaltenteilung verletzt.

Es wurde ja schon gesagt: Das Gesetz läßt der Regierung völlige Handlungsfreiheit, daher kann weder das Pro noch das Contra irgendwelche Rechtsprinzipien verletzen.

Stimmt und ich bin inzwischen ja auch schon darauf eingegangen. Will Du das noch einmal diskutieren?
Ich hab das nicht gut formuliert und was Du hier antwortest ist mir klar.

Zitat von R.A. im Beitrag #40

Zitat
Nur mit der Ermächtigung schafft, oder erhält, die Bundesregierung die größtmögliche Unabhängigkeit für die deutsche Justiz.

Die Unabhängigkeit der Justiz ist NICHT davon abhängig, was ihr die Exekutive zur Entscheidung vorlegt!


Das ist m.E. Wortklauberei. Wenn bei einem Gesetz die Ermächtigung der Regierung erforderlich ist, damit die Justiz tätig werden kann ist ihre Unabhängigkeit bei diesem Gesetz eingeschränkt. Ich rede nicht von der Unabhängigkeit der Justiz, sondern von ihrer Abhängigkeit von der Regierung in diesem speziellen Fall des §103!
Wenn die aufgehoben wird, ist sie dann "unabhängiger". Auch bei der Gewaltenteilung, die wir in Deutschland ja gar nicht haben, sondern eine Gewaltenverschränkung, gibt es Verbesserungsmöglichkeiten hinsichtlich einer Gewaltenteilung.
Wenn der § 103 abgeschafft werden kann, ohne dass es zu diplomatischen Verstimmungen wegen des WÜD kommt, ist die Aufhebung einer notwendigen Ermächtigung der Exekutive für die Verfolgung eines § aus dem StGB eine solche Verbesserung, wenn auch nur innerhalb der Exekutive.

Zitat von R.A. im Beitrag #40
Mal generell: Die Gewaltenteilung ist KEIN Grundprinzip der deutschen Verfassung, sondern wird im Gegenteil in vielen Punkten im Grundgesetz nicht angewendet. Siehe alleine die Möglichkeit, daß Abgeordnete parallel Minister sind.

Und dann: Wir reden hier erst einmal davon, was die Staatsanwaltschaft macht. Die Staatsanwaltschaft ist KEIN Teil der "unabhängigen Justiz", sondern weisungsabhängiger Teil der Exekutive (auf Landesebene). Und die Bundesregierung ist natürlich auch Exekutive. Und beide knobeln jetzt aus, was mit den Forderungen Erdogans passieren soll.

Und erst wenn die Exekutive sich zur Anklage entschließt, beginnt überhaupt die Stunde der unabhängigen Justiz.


Das alles hat aber keine Relevanz wenn es darum geht, ob ein Gericht sich mit einer Anklage gem. §103 beschäftigen wird oder nicht. Dass die Staatsanwaltschaft zur Exekutive gehört macht lediglich klar, dass es keine Gewaltenteilung in Deutschland gibt. Nur ist das noch ein Nebenschauplatz.
Es hat gerade kürzlich wieder einen Fall gegeben (Generalbundesanwalt Range) wo sich die Staatsanwaltschaft die Einmischung des Justizministers verbeten hat, wenn auch erfolglos.

Viele Grüße, Erling Plaethe

R.A. Offline



Beiträge: 8.171

18.04.2016 17:31
#49 RE: Bis hier war lustig Antworten

Zitat von Florian im Beitrag #42
Jakob Augstein schreibt einen Kommentar - und ich stimme ihm zu.

Das überrascht mich wirklich.
Ich gehe jetzt gar nicht auf die Augstein-üblichen Nebenpunkte ein (à la "bald ein Irrer im Weißen Haus").
Und seine allgemeine Merkelbegeisterung will ich auch nicht kommentieren.

Augstein schreibt:

Zitat
Merkel hat weder Böhmermann noch die Pressefreiheit "geopfert". Sie hat die Sache an die Justiz weitergegeben. Dort gehört sie hin.


Wie hier schon diskutiert wurde: Dort war die Sache ohnehin schon. Merkels Zusatz hat nur eine juristische Konsequenz: Das Höchststrafmaß für Böhmermann erhöht sich.

Und dann:

Zitat
Was hätte die Kanzlerin sonst machen sollen? Die Ermittlungen nach jenem unsinnigen Paragraf 103 erst unterbinden - und den Paragrafen dann schnell abschaffen? Das wäre ein tolles Beispiel für den vielbeschworenen Rechtsstaat gewesen, den wir den Türken doch vorleben wollen.


Augstein hat die Sachlage ganz offensichtlich nicht verstanden. Genau wenn man den 103 für unsinnig hält, sollte man ihn nicht als Basis für Ermittlungen nehmen. Und genau das hat Merkel ja gemacht.
Mit Rechtsstaat hat dieser inhaltliche Widerspruch nichts zu tun.

Ich kann ja noch zustimmen, wenn Augstein im weiteren Text sagt, daß er den Böhmermannschen Disclaimer nicht für ausreichend hält. Aber ansonsten ist seine Stellungnahme gewohnt platt und politisch einseitig.

Erling Plaethe Offline




Beiträge: 4.660

18.04.2016 17:34
#50 RE: Bis hier war lustig Antworten

Zitat von Martin im Beitrag #47


Ja, aber Oppermann begründet es nicht damit, den Ausgang des Verfahrens beeinflussen zu wollen. Ich dachte die Begründung ist schlicht, dass das Gesetz nicht mehr zeitgemäß ist.

Gruß, Martin

Und wie kommt Herr Oppermann ausgerechnet jetzt darauf dieses Gesetz abzuschaffen? Gab es da keinen Anlass zu? Hat er sich das völlig unabhängig von dem Böhmermann-Theater einfallen lassen?

Viele Grüße, Erling Plaethe

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