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ZETTELS KLEINES ZIMMER

Das Forum zu "Zettels Raum"



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Dieses Thema hat 63 Antworten
und wurde 5.642 mal aufgerufen
 Kommentare/Diskussionen zu "Zettels Raum"
Seiten 1 | 2 | 3
Llarian Offline



Beiträge: 7.117

05.08.2016 00:51
#26 RE: Mal wieder die Meinungsfreiheit Antworten

Zitat von R.A. im Beitrag #24
Zitat von Llarian im Beitrag #14
Zitat von R.A. im Beitrag #13
Das heißt nicht, daß es verboten wäre, diese Meinung zu äußern. Aber wie bei allen Handlungen im Leben muß man eben auch die Konsequenzen seiner Entscheidungen tragen.

Und das ist eben exakt (!) die Argumentation der Denunzianten.

Aber überhaupt nicht!
Andreas hat dazu ja schon einiges gesagt, dem ich mich nur anschließen kann.

Und er hat genauso Unrecht wie Du.
Was ihr beide überseht ist als Begriff bereits gefallen und das ist die Verhältnismäßigkeit. Wenn ich eine Anzeige in der Bild schalte und schreibe "Alle Schalker sind doof", dann wird das vielleicht dazu führen, dass ich in Gelsenkirchen schief angesehen werde. Das ist tatsächlich die Konsequenz. Und die ist auch naheliegend.
Wenn ich aber privat auf einer Feier die selbe Äusserung von mir gebe, jemand das aufzeichnet, das Ding im Netz verbreitet und ich dann meine wirtschaftliche Grundlage ruiniert wird, ist das auch eine Konsequenz. Aber keine, die in irgendeiner Form akzeptabel ist. Die Gesinnungspolizisten ala Maas und Daniel wollen, dass wir für alles was wir irgendwo von uns geben, mit maximaler Härte der Gesinnungspolizei bestraft werden, bis zu unserer sprichwörtlichen Vernichtung. Und nennen das dann auch Konsequenz. Und sie würden ziemlich genau deine Worte verwenden.

Zitat
Jeder Mensch hat das Recht, nach eigenem Ermessen (legale) Konsequenzen zu ziehen, wenn ihm die Meinungsäußerung eines Anderen nicht paßt. Wenn Du Dich enthuasiastisch lobend über Schalke äußerst, dann ist es freie und legitime Entscheidung des Stammtischs in Dortmund, Dich nicht am Tisch haben zu wollen. Mit dieser Konsequenz mußt Du leben.


Ein sehr niedliches Beispiel. Andreas brachte ja auch unser kleines Zimmer. Nur ist der Verweis aus dem Zimmer oder aus dem Stammlokal nicht so richtig zu vergleichen mit der Idee deine wirtschaftliche Existenz genommen zu bekommen.
Ich kann durchaus damit leben, dass ich aufgrund meiner Meinung schon aus diversen Foren geflogen bin. Das nehme ich recht sportlich. Wenn meine Meinung aber meinen Job gefährdet, meine Existenz, meine Familie, dann ist Schluss mit lustig. Und dann habe ich die Schere in meinem Kopf. Und die gehört da nicht hin.

Zitat

Zitat
Man darf sich bei all dem dann auch nicht mehr wundern, wenn freie Rede sich nur noch die leisten können, die wirtschaftlich unabhängig sind und ansonsten alles nur noch im Verborgenen gährt.


Das ist nun wirklich weitab der Realität.



Ganz im Gegenteil. Genau da sind wir. Wie der Fall auch eindrucksvoll belegt.

Zitat
Na hallo, hast Du die fragliche Aussage komplett gelesen?


Das habe ich. Und dennoch bin ich der Meinung, dass man nicht aus den kurzen Aussagen ein Urteil folgern kann, auch wenn die Aussage dumm und empathielos ist. Um es plakativ auszudrücken: Menschen erzählen eine Menge Stuss. Vor allem wenn ihre Informationslage schlecht ist oder sie sich produzieren wollen. Lass mich Dir eine kleine Geschichte erzählen, eine "Lightbulb-Memory", die ich vermutlich nie vergessen werde: 11. September 2001. Nachmittag, knapp drei Uhr. Ich kann mich erinnern in meinem Büro gesessen zu haben und gearbeitet zu haben. Es kam ein Kollege herein und erzählte, dass er jetzt nach Hause fahre, in den USA hätte es einen Anschlag gegeben. Und was war mein erster Gedanke: Jetzt erwischt es die Amis endlich auch mal selber. Und ich habe auch nicht verstanden, warum man jetzt so ein Fass aufmacht. Es war ein dummer Gedanke, empathielos, hirnlos und unreflektiert. Ich kann mich trotzdem erinnern ihn auch geäussert zu haben. Weil ich nicht die geringste Ahnung hatte was überhaupt passiert war. Mir war weder Dimension noch Hintergrund des Ganzen bewusst. Als ich am Abend die Menschen in die Tiefe springen sah, war meine Sicht eine andere. Was wäre nun gewesen, wenn jemand diesen ersten Moment, dieses Momentversagen, irgendwo veröffentlicht hätte ? Genug um ein Urteil über mich zu treffen ?

Ich treffe ein Urteil (oder bemühe mich das zu tun), wenn jemand in Angesicht (!) von Brutalität und Gewalt seine Sympathie bekundet. Wenn jemand auch wirklich weiss, wovon er redet. Und es auch wirklich ernst meint. Aber nicht weil jemand auf Twitter/Gesichtsbuch oder sonsteiner hirnlosen Seite einmalig seine Dummheit zelebriert. Und ich möchte auch selber so behandelt werden. Wenn ich für jede dumme Äusserung, die ich in meinem Leben mal von mir gegeben habe, verurteilt werde, dann wäre ich ziemlich einsam.

Doeding Offline




Beiträge: 2.612

05.08.2016 08:44
#27 RE: Mal wieder die Meinungsfreiheit Antworten

Zitat von Llarian im Beitrag #26
Zitat von R.A. im Beitrag #24
Zitat von Llarian im Beitrag #14
Zitat von R.A. im Beitrag #13
Das heißt nicht, daß es verboten wäre, diese Meinung zu äußern. Aber wie bei allen Handlungen im Leben muß man eben auch die Konsequenzen seiner Entscheidungen tragen.

Und das ist eben exakt (!) die Argumentation der Denunzianten.

Aber überhaupt nicht!
Andreas hat dazu ja schon einiges gesagt, dem ich mich nur anschließen kann.

Und er hat genauso Unrecht wie Du.
Was ihr beide überseht ist als Begriff bereits gefallen und das ist die Verhältnismäßigkeit.

Und Du schmeißt hier, glaube ich, zwei Dinge zusammen, die Du sonst sehr sauber zu trennen weißt, nämlich staatliches und privates Handeln . Wie Krischan schon richtig gesagt hat: Meinungsfreiheit ist ein Abwehrrecht des Bürgers gegen den Staat und eben kein Jagdschein zum Schutz vor sozialen Konsequenzen für jeden Quark den einer erzählt. Es ist mein Recht, im Rahmen geltender Gesetze unverhältnismäßig zu sein (oder richtiger: ich habe keine Pflicht zur Verhältnismäßigkeit); der Staat (und damit auch Maas) hat dieses Recht jedoch nicht. Hätte Dein Chef 9/11 Deinen Spruch mitbekommen und Dich daraufhin gekündigt, dann mag man das hart finden, aber es hat nix mit dem zu tun, was heute von Maas und Konsorten ausgeht. Und überhaupt nix mit Meinungsfreiheit. Willst Du nun, daß der der Staat Dich vor solchen Konsequenzen schützt? Dann bist Du bei Maas in der Tat falsch; dann muß Du zu Schwesig und Nahles gehen, ein wenig und irgendwas mit Diskriminierung erzählen.

Zitat
Das habe ich. Und dennoch bin ich der Meinung, dass man nicht aus den kurzen Aussagen ein Urteil folgern kann, auch wenn die Aussage dumm und empathielos ist. Um es plakativ auszudrücken: Menschen erzählen eine Menge Stuss.



Das stimmt schon; das kann man jedoch bestenfalls als "humanistischen Appell" formulieren (und als solchen teile ich Deine Meinung, zumindest in dieser Allgemeinheit; ich würde dennoch mit der Absenderin des Tweets zu München privat nix zu tun haben wollen. Du denn? Mal ehrlich...). Aber das ist wiederum keinesfalls in den gleichen Topf mit Meinungsfreiheit/Maas zu werfen.

Herzliche Grüße,
Andreas

"Man kann einen gesellschaftlichen Diskurs darüber haben, was Meinungsfreiheit darf. Oder man hat Meinungsfreiheit." (Christian Zulliger)

R.A. Offline



Beiträge: 8.171

05.08.2016 11:22
#28 RE: Mal wieder die Meinungsfreiheit Antworten

Zitat von Llarian im Beitrag #26
Wenn ich eine Anzeige in der Bild schalte und schreibe "Alle Schalker sind doof", dann wird das vielleicht dazu führen, dass ich in Gelsenkirchen schief angesehen werde. Das ist tatsächlich die Konsequenz. Und die ist auch naheliegend.
Wenn ich aber privat auf einer Feier die selbe Äusserung von mir gebe, jemand das aufzeichnet, das Ding im Netz verbreitet und ich dann meine wirtschaftliche Grundlage ruiniert wird, ist das auch eine Konsequenz. Aber keine, die in irgendeiner Form akzeptabel ist.

Merkwürdiges Beispiel.
Mit einer Anzeige in der BILD erreichst Du weit mehr Öffentlichkeitswirkung als mit einer im Netz verbreiteten Privatmeinung.
Und es ist auch nicht die Verbreitungsart, die Einfluß auf die wirtschaftliche Grundlage hat.
Sondern die Frage ist, was Du halt beruflich machst.
Wenn Du irgendeinen normalen Beruf außerhalb von Gelsenkirchen ausübst, dann wird die Äußerung normalerweise überhaupt keine Folgen haben. Egal ob in der BILD oder über Internet.
Aber wenn Du in Gelsenkirchen ein Geschäft mit Normalpublikum hast, egal ob Friseur oder Autoverkauf, dann kannst Du Dich mit solchen Äußerungen ruinieren. Selbst schuld. Hat nichts mit dem Internet und nichts mit Denunziantentum zu tun.

Zitat
Die Gesinnungspolizisten ala Maas und Daniel wollen, dass wir für alles was wir irgendwo von uns geben, mit maximaler Härte der Gesinnungspolizei bestraft werden, bis zu unserer sprichwörtlichen Vernichtung.


Das wollen sie. Und sie dürfen das wollen. Solange es nur ihre privaten Entscheidungen betrifft, sie also z. B. nicht mehr in Deinem Geschäft einkaufen.
Kritisch wird es erst, wenn sie andere Leute dazu zwingen wollen, diese Entscheidung umzusetzen. Und genau das habe ich ja als entscheidenden Unterschied genannt.
Die Konsequenz, daß andere Leute sich aufgrund einer Äußerung Dir gegenüber anders verhalten - die mußt Du immer tragen. Aber nicht irgendwelche staatliche Pressionen.

Zitat
Nur ist der Verweis aus dem Zimmer oder aus dem Stammlokal nicht so richtig zu vergleichen mit der Idee deine wirtschaftliche Existenz genommen zu bekommen.


Ja sicher. Deswegen wird man sich das bei Äußerungen auch überlegen. Wenn man mutwillig gegen die Regeln im kleinen Zimmer verstößt, wird man rausgeworfen. Dabei ist völlig egal, wie hart das den Delinquenten trifft. Die meisten Pöbler scheinen wohl wenig Angst vor dieser Konsequenz zu haben, andere verkneifen sich lieber mal eine harte Replik, weil ihnen an der Teilnahme hier liegt.
Wenn ich öffentlich über meine Firma herziehe, können die mich dafür feuern. Legitim, diese Konsequenz habe ich mir selber zuzuschreiben. Vielleicht mache ich es trotzdem, weil ich gerade fett geerbt habe und sowieso kündigen wollte. Aber es kann auch die Vernichtung meiner wirtschaftlichen Existenz bedeuten. Aber das kann eben nicht bedeuten, daß mir öffentliche Pöbeleien gegen meine Firma nun gestattet sein müssen, nur weil die Konsequenz schmerzhaft für mich wäre.

Zitat
Und dennoch bin ich der Meinung, dass man nicht aus den kurzen Aussagen ein Urteil folgern kann, auch wenn die Aussage dumm und empathielos ist.


Sicher kann man das - so etwas machen wir täglich. Aus minimalen Informationen ein Urteil über eine Person oder einen Sachverhalt bilden. Völlig legitim und auch sinnvoll, weil man gar nicht die Zeit aufbringen kann, sich immer ausführlich zu informieren.

Entscheidend ist halt, was für eine Art Urteil das ist. Bin ich der zuständige Richter, der wegen der Äußerung über Strafbarkeit zu befinden hat, dann werde ich sehr viel Sorgfalt aufwenden, um den Kontext und die Person zu verstehen.
Aber wenn es nur darum geht, ob ich nun mit dieser mir ansonsten unbekannten Person nähere Bekanntschaft schließen möchte - dann reicht mir so ein Satz für die Negativentscheidung. Weil mir auch täglich andere potentielle Bekannte über den Weg laufen, die sich solche Schoten nicht leisten.

Zitat
Menschen erzählen eine Menge Stuss.


Ja sicher. Ich habe vor kurzem eine sehr interessante Position in einem Projekt nicht bekommen, weil ich den Projektleiter vor Jahren mit einer zynischen Bemerkung geärgert habe. Ärgerlich, aber aus seiner Sicht legitim. Und ich bereue nichts, der Witz war einfach zu gut.

nachdenken_schmerzt_nicht Offline




Beiträge: 2.007

05.08.2016 11:42
#29 RE: Mal wieder die Meinungsfreiheit Antworten

Zitat von R.A. im Beitrag #13
Wenn man seine Meinung so artikuliert, daß es zu einem Streit mit anderen kommt - dann ist man eben schuld an diesem Streit.
"Schuld" kann nicht einseitig sein. Es erscheint mir eindeutig, dass auch der Meinungsrecipient es auf Streit anlegen könnte.

Zitat von Werwohlf im Beitrag #25
Wer heute AfD-Mitglied (oder bald auch ALFA-Mitglied) ist, trägt ein enormes wirtschaftliches Risiko, das brave Anhänger der etablierten Parteien nicht haben.
Dies würde ich so unterschreiben. Vielleicht höre ich Flöhe husten oder leide unter Paranoia: Leute, welche mich hier aus dem Forum kennen, werden mich hoffentlich nicht als unumgänglichen, radikalisierten Hatepspeech Enthusiast empfinden. Mit meiner Meinung halte ich mich aber im "nicht privaten Umfeld" zurück. Wir sind tatsächlich wieder in einer Gesellschaft angelangt, in der man sich überlegt, was von seiner (sachlichen!) Meinung man wo sagen kann, um damit nicht seine wirtschafllichen Grundlagen zu beschneiden.

Als die AfD noch die biedere Lucke AfD war (mit einem Parteiprogramm, dass ich zu 90% unterschrieben hätte), wurde sie selbst in Medien wie der FAZ als rechtspopulistisch bezeichnet und durchaus auch in rechtsradikale Nähe gerückt. Selbes erwarte ich durchaus auch für die ALFA, sollte sie sich irgendwann in die Wahrnehmbarkeit verirren. Wenn man liberal, konservative Werte nicht mehr offen vertreten kann in einer Gesellschaft, ist nach meiner persönlichen Meinung etwas "sehr faul im Staate Dänemark".

Zitat von Fluminist im Beitrag #16
Zitat von Doeding im Beitrag #15
Zitat von Llarian im Beitrag #14
Zitat von R.A. im Beitrag #13
Das heißt nicht, daß es verboten wäre, diese Meinung zu äußern. Aber wie bei allen Handlungen im Leben muß man eben auch die Konsequenzen seiner Entscheidungen tragen.

Und das ist eben exakt (!) die Argumentation der Denunzianten.

Nein.

Jedenfalls ist es exakt die Argumentation von Herrn Maas.
Ich denke die "für und wider" Diskussion, die in diesem Zusammenhang hier geführt wird, dreht sich im Kern nicht um staatliche Eingriffe in die Meinungsfreiheit, sondern um den Punkt, dass sich in unserer Gesellschaft wieder eine "soziale Norm" etabliert, die man als überwunden geglaubt hätte: Das Denunziantentum.

Die allgemein akzeptierte/goutierte politische Position unserer Gesellschaft hat sich über die letzten Jahrzehnte stark verändert. Hin zu einer "links/ökologischen Empathokratie". Nun kommt noch das goutieren von Denunzianten dazu, um diese Position in der Gesellschaft zu schützen und eine Regierung, die solches Denunziantentum nicht nur toleriert, sondern sogar fördert.

Gleich wie man die Details im Einzelnen bewertet, sind die zugrunde liegenden Mechanismen durchaus mit den Mechanismen vergleichbar, die dem Blockwart zugrunde lagen. Da man bei sowas immer gerne Mißverstanden wird: Das bezieht sich auf den Vorgang an sich, nicht auf die drohenden Repressionen oder das politische, gesellschaftliche System.

Herzlich


nachdenken_schmerzt_nicht

"Dort, wo es keine sichtbaren Konflikte gibt, gibt es auch keine Freiheit." - Montesquieu

Fluminist Offline




Beiträge: 2.015

05.08.2016 12:54
#30 RE: Mal wieder die Meinungsfreiheit Antworten

Zitat von nachdenken_schmerzt_nicht im Beitrag #29
Zitat von R.A. im Beitrag #13
Wenn man seine Meinung so artikuliert, daß es zu einem Streit mit anderen kommt - dann ist man eben schuld an diesem Streit.
"Schuld" kann nicht einseitig sein. Es erscheint mir eindeutig, dass auch der Meinungsrecipient es auf Streit anlegen könnte.

Richtig. Im Englischen heißt der Vorgang korrekt "to take offence", wodurch die aktive Beteiligung dessen, der Anstoß nimmt, klar ausgedrückt ist. Die Denunzianten machen das oft stellvertretend für hypothetische Opfer, deren Existenz und Betroffenheit sie a priori annehmen.
Zitat von nachdenken_schmerzt_nicht im Beitrag #29
Ich denke die "für und wider" Diskussion, die in diesem Zusammenhang hier geführt wird, dreht sich im Kern nicht um staatliche Eingriffe in die Meinungsfreiheit, sondern um den Punkt, dass sich in unserer Gesellschaft wieder eine "soziale Norm" etabliert, die man als überwunden geglaubt hätte: Das Denunziantentum.
Die allgemein akzeptierte/goutierte politische Position unserer Gesellschaft hat sich über die letzten Jahrzehnte stark verändert. Hin zu einer "links/ökologischen Empathokratie". Nun kommt noch das goutieren von Denunzianten dazu, um diese Position in der Gesellschaft zu schützen und eine Regierung, die solches Denunziantentum nicht nur toleriert, sondern sogar fördert.

Als ich vor ca. einem Vierteljahrhundert in Vicenza an Palladios schöner Basilika den diskreten Einwurfschlitz mit der in Marmor gemeißelten Aufschrift "per le denuncie segrete" sah, schüttelte ich den Kopf ob der kruden, ganz offiziellen Sitten der Vergangenheit. Jetzt schüttelt es wieder und läuft kalt über den Rücken.

R.A. Offline



Beiträge: 8.171

05.08.2016 13:17
#31 RE: Mal wieder die Meinungsfreiheit Antworten

Zitat von nachdenken_schmerzt_nicht im Beitrag #29
Es erscheint mir eindeutig, dass auch der Meinungsrecipient es auf Streit anlegen könnte.

Das ist natürlich richtig.

Zitat
Wir sind tatsächlich wieder in einer Gesellschaft angelangt, in der man sich überlegt, was von seiner (sachlichen!) Meinung man wo sagen kann, um damit nicht seine wirtschafllichen Grundlagen zu beschneiden.


In jeder Gesellschaft und zu allen Zeiten sollte man sich überlegen, in welcher Situation man welche Meinung sagt oder wann man besser den Mund hält, weil man sonst mit entsprechenden Reaktionen rechnen muß. Seiner Erbtante die Wahrheit zu sagen hat schon Manchem die wirtschaftliche Zukunft ruiniert ;-)
Und wenn man mit seinen wirtschaftlichen Grundlagen auf das Wohlwollen spezieller Leute angewiesen ist, dann sollte man eben darauf achten, diese Leute nicht mit bestimmten Äußerungen vor den Kopf zu stoßen. War immer so, wird nie anders sein.

Und daß man sich unbeliebt macht, wenn man sich gegen die Mehrheitsmeinung äußert, das war auch schon immer so und wird nie anders sein.

Das plötzliche Erschrecken mancher AfD-Anhänger liegt m. E. weniger an einer veränderten gesellschaftlichen Behandlung von Minderheiten-Äußerungen. Sondern schlicht daran, daß diese Leute keinen Gegenwind gewohnt sind. Als braver konservativer Unionsanhänger konnte man sich ja darauf verlassen, daß man mit seinen Positionen immer Gleichgesinnte um sich hatte. Nicht umbedingt als Mehrheit, aber man war halt nie alleine.
Und jetzt machen sie die Erfahrungen, die Andersdenkende schon immer machen mußten - und reagieren mit "Mimimi".

Zitat
Als die AfD noch die biedere Lucke AfD war (mit einem Parteiprogramm, dass ich zu 90% unterschrieben hätte), wurde sie selbst in Medien wie der FAZ als rechtspopulistisch bezeichnet und durchaus auch in rechtsradikale Nähe gerückt.


Das war natürlich Unsinn - aber die Lucke war auch von Anfang an zu unpolitisch, um eine wirksame Abgrenzung nach rechtsaußen zu schaffen.
Die Leute, die heute die AfD dominieren und die ihn rausgedrängt haben, die waren damals nur eine Minderheit. Aber sie waren von Anfang an präsent und wurden geduldet. Da darf man sich auch nicht beklagen, wenn einem das vorgehalten wird.
Die SPD bekommt ja auch die Hinz vorgehalten, obwohl die nicht für eine Parteitagsmehrheit steht.

Zitat
Ich denke die "für und wider" Diskussion, die in diesem Zusammenhang hier geführt wird, dreht sich im Kern nicht um staatliche Eingriffe in die Meinungsfreiheit ...


Für mich kann sie sich eigentlich nur darum drehen. Denn wie Privatleute auf irgendwelche Äußerungen reagieren, das ist wieder alleine deren Freiheit und da kann ihnen auch keiner Vorschriften machen.

Zitat
Die allgemein akzeptierte/goutierte politische Position unserer Gesellschaft hat sich über die letzten Jahrzehnte stark verändert.


Die Mehrheitsmeinung hat sich verändert. Was aber normal und unvermeidlich ist (ich hätte mir natürlich eine andere Änderung gewünscht).
Aber der Umgang der Mehrheit mit der Minderheit hat sich nicht sehr geändert. Früher war man halt der Paria, wenn man sich für Schwule aussprach - heute ist man der Paria, wenn man gegen Schwule ist.

Zitat
Gleich wie man die Details im Einzelnen bewertet, sind die zugrunde liegenden Mechanismen durchaus mit den Mechanismen vergleichbar, die dem Blockwart zugrunde lagen.


Eben nicht. Das Problem beim "Blockwart" ist die Rolle des Staats. Ohne Staat ist der Blockwart nur eine bedeutungslose Einzelfigur.

nachdenken_schmerzt_nicht Offline




Beiträge: 2.007

05.08.2016 16:32
#32 RE: Mal wieder die Meinungsfreiheit Antworten

Zitat von R.A. im Beitrag #31
Und wenn man mit seinen wirtschaftlichen Grundlagen auf das Wohlwollen spezieller Leute angewiesen ist, dann sollte man eben darauf achten, diese Leute nicht mit bestimmten Äußerungen vor den Kopf zu stoßen.
Diesen Einwand habe ich mir selbst schon beim Schreiben überlegt, aber ich habe ihn verworfen.

Das "fortgeschrittene Nachkriegsdeutschland" war eine Gesellschaft in der Persönliches und Politisches getrennt war. Das empfinde ich grundsätzlich als einen recht zivilisierten Ansatz. Das Arbeitsverhältnis würde ich dabei dem persönlichen Umfeld zurechnen. Heute befinden wir uns in einem Zustand in dem von immer mehr Menschen diese Trennung wieder aufgeweicht wird. Das halte ich für einen zivilisatorischen Rückschritt.



Zitat von R.A. im Beitrag #31
Aber sie waren von Anfang an präsent und wurden geduldet. Da darf man sich auch nicht beklagen, wenn einem das vorgehalten wird.
Ich beklage mich über nichts. Ich stelle fest, dass weite Teile der Intellektuellen mehr Wert auf Polemik und Unsachlichkeit als auf inhaltliche Schärfe legt. Wie kann man allen ernstens andauernd einen sachlichen Dialog einfordern, sich über Unsachlichkeit des Gegenübers beschweren und gleichzeitig den Dialog verweigern, indem man dem politischen Gegner unsachlich begegnet?

Das zeigt meines Ermessens die geistige Armut derer, die sich selbst als die intellektuelle Elite dieses Landes sehen und mitunter titulieren.



Zitat von R.A. im Beitrag #31
Das Problem beim "Blockwart" ist die Rolle des Staats.
Dem stimme ich nicht zu. Das Problem beim Blockwart ist meines Ermessen die Gesellschaft und zwar bezüglich der Frage, ob der Blockwart gesellschaftlich akzeptiert wird oder nicht. Die Akzeptanz des Blockwarts bedeutet nämlich implizit die Akzeptanz der Beschneidung von Persönlichkeitsrechten aufgrund von politischer oder Weltanschaulicher Position. Dies ist ein zivilisatorischer Rückschritt und meines Ermessens auch nicht Konform mit dem Geiste unseres Grundgesetzes.

Der Staat definiert lediglich die "Auswirkungen" des Blockwarts unter Berücksichtigung des staatlichen Gewaltmonopols. Da wir aber ohnehin in einer funktionierend Demokratie leben, kann die Gesellschaft den Blockwart verhindern, wenn sie es möchte. Dass das Kabinett Merkel in Person von Mass und Schwesig, den Blockwart mit Frau Kahane wieder einführt, steht in letzter Konsequenz zur freien Wahl. Wenn der Blockwart bleibt ist es ein Problem der Gesellschaft, nicht des Staates.

Herzlich


nachdenken_schmerzt_nicht

"Dort, wo es keine sichtbaren Konflikte gibt, gibt es auch keine Freiheit." - Montesquieu

R.A. Offline



Beiträge: 8.171

05.08.2016 17:04
#33 RE: Mal wieder die Meinungsfreiheit Antworten

Zitat von nachdenken_schmerzt_nicht im Beitrag #32
Das "fortgeschrittene Nachkriegsdeutschland" war eine Gesellschaft in der Persönliches und Politisches getrennt war.

Aber nun wirklich nicht! Eine komplette Trennung gibt es wohl sowieso in keiner Gesellschaft.
Man kann zu diesem idyllischen Eindruck kommen, wenn die eigene persönliche politische Meinung halbwegs im Einklang mit dem Mehrheitskonsens ist.
Aber man frage mal Leute, die deutlich andere Positionen vertreten haben als die Mehrheit des "fortgeschrittenen Nachkriegsdeutschlands" (das nehme ich mal als Westdeutschland vor 1990) - die mußten immer mit entsprechenden Konsequenzen leben.

Zitat
Das Arbeitsverhältnis würde ich dabei dem persönlichen Umfeld zurechnen.


Welcher Arbeitgeber hat denn vor 1990 einen bekennden Kommunisten eingestellt?
Wandel gab es im Prinzip nur darin, welche Positionen jeweils als Mehrheit, noch akzeptabel oder grenzwertig galten. Aber ansonsten hat sich nicht viel geändert.

Zitat
Ich stelle fest, dass weite Teile der Intellektuellen mehr Wert auf Polemik und Unsachlichkeit als auf inhaltliche Schärfe legt.


Das ist richtig. Aber auch nichts Neues. Die deutschen Intellektuellen waren schon immer ein moralisch verlotterter Haufen und haben jeden totalitären Zeitgeist begeistert mitgemacht.

Zitat
Das zeigt meines Ermessens die geistige Armut derer, die sich selbst als die intellektuelle Elite dieses Landes sehen und mitunter titulieren.


Richtig. Aber nicht neu.

Zitat
Die Akzeptanz des Blockwarts bedeutet nämlich implizit die Akzeptanz der Beschneidung von Persönlichkeitsrechten ...


Der Blockwart alleine kann keine Persönlichkeitsrechte beschneiden. Das kann nur der Staat. Es wird immer Leute geben, die von ihrer Persönlichkeitsstruktur gerne Blockwart wären. Das ist aber unschädlich, solange sie eben nur ihre privaten Ressentiments pflegen können.

Zitat
Dass das Kabinett Merkel in Person von Mass und Schwesig, den Blockwart mit Frau Kahane wieder einführt ...


Eben, genau da wird es kritisch.
Eine Kahane ist für sich völlig unwichtig und ungefährlich. Aber daß der Staat sie mit Geld und Machtmitteln ausstattet, das ist ein Skandal und eine Gefahr für die Grundrechte.

Werwohlf Offline




Beiträge: 997

05.08.2016 17:08
#34 RE: Mal wieder die Meinungsfreiheit Antworten

Zitat von R.A. im Beitrag #31
In jeder Gesellschaft und zu allen Zeiten sollte man sich überlegen, in welcher Situation man welche Meinung sagt oder wann man besser den Mund hält, weil man sonst mit entsprechenden Reaktionen rechnen muß. Seiner Erbtante die Wahrheit zu sagen hat schon Manchem die wirtschaftliche Zukunft ruiniert ;-)
Und wenn man mit seinen wirtschaftlichen Grundlagen auf das Wohlwollen spezieller Leute angewiesen ist, dann sollte man eben darauf achten, diese Leute nicht mit bestimmten Äußerungen vor den Kopf zu stoßen. War immer so, wird nie anders sein.
Du übersiehst einen wesentlichen Unterschied, nämlich dass man "diese Leute" in den hier besprochenen Fällen gar nicht kennt und die Ausgrenzung sozusagen eine offiziell gesamtgesellschaftliche ist. Irgendwelche aktivistischen Deppen greifen irgendwo eine Äußerung von dir (oder auch nur die reine Tatsache einer Mitgliedschaft) auf und knallen sie deinem Arbeit- oder Auftraggeber oder deinen Kunden vor die Füße, verbunden mit massivem öffentlichen Druck. Du hast keine Chance, dich zu erklären, sondern die Ankläger sind auch die Richter. Dein Arbeit- oder Auftraggeber geht dann den Weg des geringsten Widerstands - wer will es ihm verübeln? Und die Kunden haben ja die Wahl - entweder Stress, wenn sie dich aufsuchen, oder keinen Stress, wenn sie woanders hingehen. Sowas willst Du ernsthaft damit vergleichen, dass man sich in bestimmter Umgebung am besten mit bestimmten Aussagen zurückhält? Staatliche oder, wie es heute so schön heißt, "zivilgesellschaftliche" Gegenreaktionen im Sinn von Demokratie und Meinungsfreiheit bleiben aus, denn: Als es die NPD traf, hielt man still. Die Nazis mochte man eh nicht. Als es die AfD traf, hielt man still, denn zu denen gehörte man nicht. Wenn es die ALFA trifft, wird man aus demselben Grund stll halten. Glaubst Du wirklich, die FDP wäre davor sicher?
Zitat von R.A. im Beitrag #31
Das plötzliche Erschrecken mancher AfD-Anhänger liegt m. E. weniger an einer veränderten gesellschaftlichen Behandlung von Minderheiten-Äußerungen. Sondern schlicht daran, daß diese Leute keinen Gegenwind gewohnt sind. Als braver konservativer Unionsanhänger konnte man sich ja darauf verlassen, daß man mit seinen Positionen immer Gleichgesinnte um sich hatte. Nicht umbedingt als Mehrheit, aber man war halt nie alleine.
Und jetzt machen sie die Erfahrungen, die Andersdenkende schon immer machen mußten - und reagieren mit "Mimimi".
Reden wir von denselben Dingen? Aktionen, die darauf gerichtet sind, die wirtschaftliche Existenz anderer zu vernichten, nennst Du "Gegenwind"? Und Angst um seine Existenz (oder auch nur sein Eigentum und seine körperliche Unversehrtheit) zu haben, ist "Mimimi"? Es sind genau solche Einstellungen, aufgrund derer die Antifa und ihre "journalistischen" Helfershelfer ungehindert ihr übles Geschäft betreiben können.
Zitat von R.A. im Beitrag #31
Die Leute, die heute die AfD dominieren und die ihn rausgedrängt haben, die waren damals nur eine Minderheit. Aber sie waren von Anfang an präsent und wurden geduldet. Da darf man sich auch nicht beklagen, wenn einem das vorgehalten wird.
Die SPD bekommt ja auch die Hinz vorgehalten, obwohl die nicht für eine Parteitagsmehrheit steht.
"Vorhalten" ist auch eine sehr schöne Vokabel für in der Praxis ganz unterschiedliche Dinge. Vielleicht treten in der SPD Essen ein paar Genossen aus (warum auch immer). Aber wenn eine Partei als "rechtspopulistisch" eingestuft wird, und zwar derart, dass dieses Adjektiv in den Medien so unweigerlich vor dem Parteinamen kommen muss wie der seine zahlreichen Titel vor der Erwähnung von Erich Honecker in der "ak", dann bedeutet das kaumn etwas anderes, als dass sie öffentlich für vogelfrei erklärt wird. Jeder aufrechte Bürger darf dann gegenüber dieser Partei seine Empörung zum Ausdruck bringen (so wird man, wenn man schon von "Gegenwind" und "Vorhalten" spricht, die Aktionen der Antifa dann wohl bezeichnen).

Mit Verlaub: Mir liegt nichts an der AfD. Aber die Typen, die vor keinen Mitteln zurückschrecken, um diese Partei aus dem öffentlichen Leben zu drängen, die hören damit nicht auf, wenn sie es geschafft haben. Die haben noch ganz andere Ziele. Und ich fürchte, wenn sie das mit der AfD einmal durchexerziert haben, aufgrund konkludenten Nichthandelns quasi mit staatlichem und gesellschaftlichem Siegel, dann ist das endgültig institutionell etabliert. Dann war's das mit der Nachkriegsdemokratie - ach nein, ich habe ganz vergessen: Wir werden ja noch Kreuzchen machen dürfen.

--
Bevor ich mit den Wölfen heule, werd‘ ich lieber harzig, warzig grau,
verwandele ich mich in eine Eule oder vielleicht in eine graue Sau.
(Reinhard Mey)

Doeding Offline




Beiträge: 2.612

05.08.2016 17:18
#35 RE: Mal wieder die Meinungsfreiheit Antworten

Zitat von nachdenken_schmerzt_nicht im Beitrag #32
Zitat von R.A. im Beitrag #31
Und wenn man mit seinen wirtschaftlichen Grundlagen auf das Wohlwollen spezieller Leute angewiesen ist, dann sollte man eben darauf achten, diese Leute nicht mit bestimmten Äußerungen vor den Kopf zu stoßen.
. Das "fortgeschrittene Nachkriegsdeutschland" war eine Gesellschaft in der Persönliches und Politisches getrennt war. Das empfinde ich grundsätzlich als einen recht zivilisierten Ansatz. Das Arbeitsverhältnis würde ich dabei dem persönlichen Umfeld zurechnen. Heute befinden


Worauf stützt sich Deine Vermutung? Ich stelle mir gerade einen "Stift" in den 60er Jahren vor, der als Maurerlehrling morgens die obligatorische Kiste Bier für Meister und Gesellen geschleppt hat und dann beiläufig hätte fallen lassen, daß er begeistertes Mitglied der Jungsozialisten gewesen sei. Wenn man heute Ekel-Alfred schaut, dann betrachtet man das ja inzwischen als herrlich politisch unkorrektes Gefrotzel (Punsch! Das ist PUNSCH du dusslige Kuh!). Aber gemeint war das damals als Persiflage und beißender Spott auf einen bestimmten Typus des Kleinbürgers, der das politische Klima im Nachkriegsdeutschland erheblich mitbestimmt hat und der ebenso voller Ressentiments war wie diejenigen, über die wir uns heute aufregen. Nur eben aus dem anderen, damals noch eher mainstreamigen pol. Lager. Und hätte der Typus Ekel-Alfred Facebook, Twitter und dergleichen gehabt, dann hätte er sich womöglich auf Sozijagd begeben. Ich wüßte jedenfalls nicht, warum man ihm hier hehrere oder demokratietreuere Motive unterstellen sollte.

Herzliche Grüße,
Andreas

"Man kann einen gesellschaftlichen Diskurs darüber haben, was Meinungsfreiheit darf. Oder man hat Meinungsfreiheit." (Christian Zulliger)

nachdenken_schmerzt_nicht Offline




Beiträge: 2.007

05.08.2016 17:51
#36 RE: Mal wieder die Meinungsfreiheit Antworten

Zitat von R.A. im Beitrag #33
Aber man frage mal Leute, die deutlich andere Positionen vertreten haben als die Mehrheit des "fortgeschrittenen Nachkriegsdeutschlands" (das nehme ich mal als Westdeutschland vor 1990) - die mußten immer mit entsprechenden Konsequenzen leben.
[...]
Welcher Arbeitgeber hat denn vor 1990 einen bekennden Kommunisten eingestellt?
[...]
Wandel gab es im Prinzip nur darin, welche Positionen jeweils als Mehrheit, noch akzeptabel oder grenzwertig galten. Aber ansonsten hat sich nicht viel geändert.


Lieber R.A. in meinen Augen verwechselt du hier konsequent zwei Dinge.

1) Gegenwind und Eingriff in Persönlichkeitsrechte

2) Politische Gegner und Verfassungsfeindliche politische Gegner

Ich glaube sehr wohl, dass es bis vor noch ca 10 - 20 Jahren völlig unerheblich war, welcher (verfassungskonformen) Partei man angehörte. Es mag vereinzelt persönliche Reaktionen gegeben haben, die man als eine politische Sanktionierung auf der persönlichen Ebene interpretieren kann aber nichts was einer "offiziellen gesellschaftlichen" Ächtung gleichkäme. 2000 war es ziemlich egal, welcher Partei im Bundestag du angehörst bei einer Einstellung und ich selbst habe in den 80er Jahren ganz offen mit Grünen Ideen sympathisiert und dadurch keine Ächtung erfahren. Höchstens ein lächeln ala "jung und naiv".

Das was die AFD erfährt ist kein Gegenwind. Wenn Parteizugehörigkeit zu einer Partei, die durch den Verfassungsschutz als "unbedenklich" eingestuft ist, zu gesellschaftlichen Konsequenzen führt (und eben nicht nur zu persönlichen!). Wenn Politikern die Autos abgefackelt werden, wenn Listen mit Adressen und Gewaltaufrufen und wiederkehrende Anschläge auf Büros und Wahlkampfstände keine öffentliche Empörung hervorrufen (weil es nach eigenem Ermessen die Richtigen trifft), dann ist das kein Gegenwind, sondern faktisch die Unterdrückung von (politischen) Minderheiten.

Und nochmal, weil es so gerne falsch verstanden wird: Das hat null komma null null nichts damit zu tun, dass es um die AFD geht. Das hat damit was zu tun, zu welchen Mitteln man zu greifen bereit ist.

Was meinst du denn warum sich die FDP noch immer nicht klar gegen Energiewende, Planwirtschaft, Mindestlohn, EUR Rettung und anderen (aus liberaler Sicht) Wahnsinn stellt und warum sie nicht deutlich für den Kapaitalismus und teilweisen Sozial- und Bürokratieabbau eintritt? Ich glaube ein Grund dürfte der sein, dass vielen klar ist, dass dann die Methoden, die gerade an der AfD durchexerziert werden, auch die FDP träfen.

Da bin ich ganz beim Werwohlf. An den Methoden erkennt man die Qualität des Gegners, nicht an der inhaltlichen Gegenposition. Und glaube nicht, dass die welche jetzt die AfD bekämpfen, nach einem eventuellen Sieg "stop" rufen.

Und um auch dem Vorwurf Vorzubeugen:
Nein ich glaube nicht, dass ein "Sieg" der AfD in diesem "politischen Konflikt" diesen Sachverhalt besser machen würde. Das ist aber unerhbelich bei der Beurteilung derer, die sich gerade massiv daneben benehmen und gleichzeitig als die Lordsiegelbewahrer der westlichen Demokratie ausrufen.

Herzlich


nachdenken_schmerzt_nicht

"Dort, wo es keine sichtbaren Konflikte gibt, gibt es auch keine Freiheit." - Montesquieu

R.A. Offline



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05.08.2016 17:51
#37 RE: Mal wieder die Meinungsfreiheit Antworten

Zitat von Werwohlf im Beitrag #34
... knallen sie deinem Arbeit- oder Auftraggeber oder deinen Kunden vor die Füße, verbunden mit massivem öffentlichen Druck.

Wieviele Fälle gibt es denn wirklich, wo ein privater Arbeitgeber wirtschaftlichen Schaden auf sich nimmt, weil ein paar wildgewordene Aktivisten ihm obskure Drohungen vorsetzen?
Klar, es gibt solche Fälle. Es gab immer solche Fälle. Ich sehe aber keine generelle Zunahme und schon gar nicht, daß das Meinungsklima schwieriger wäre als früher - ganz im Gegenteil. Bis auf wenige Themen (z. B. Umgang mit Schwulen) gab es früher deutlich mehr politische Tabus.

Zitat
Und die Kunden haben ja die Wahl ...


Auf die Kunden können die Aktivisten überhaupt keinen Druck aufbauen, sie werden sie im Normalfall nicht einmal erreichen.

Es gibt einen Punkt, wo ich Dir recht gebe, wo es vorübergehend schlimmer geworden ist. Und das ist das "shitstorm"-Phänomen in den sozialen Medien.
Das gibt es erst wenige Jahre, das hat auch in diversen Fällen zu Reaktionen geführt, weil die Angesprochenen das nicht richtig einordnen konnten. Inzwischen ist das aber wieder auf Abflauen, gerade die Firmen haben gemerkt, daß schlichtes Aussitzen normalerweise die beste Reaktion ist, weil das sehr kurzlebige Effekte sind.

Zitat
Glaubst Du wirklich, die FDP wäre davor sicher?


Natürlich nicht. Im Gegenteil: Bis zum Auftauchen von rechten Bewegungen (Reps/Schill...) war die FDP (und die CSU außerhalb Bayerns Hauptadressat solcher Diffamierungen.
In der Schule galt ich als Linksradikaler, an der Uni als Nazi. Muß man halt aushalten. Diverse Jobchancen muß man sich halt auch abschminken wenn man sich offen zu einer Partei bekennt, die in der veröffentlichten Meinung als Inbegriff von sozialer Kälte und lebensfeindlichem Wirtschaftslobbyismus dargestellt wird.
Wir bekommen schon immer Spenden von lokalen Geschäftsleuten mit der dringenden Auflage, niemandem etwas davon zu verraten - weil sie nicht mit Liberalismus in Verbindung gebracht werden wollen, würde dem Geschäft schaden.

Alles unerfreulich - aber eben freie Entscheidung von Leuten, die das Recht dazu haben.
Solange der Staat das nicht unterstützt, muß man mit solchen Effekten leben.

Zitat
Und Angst um seine Existenz (oder auch nur sein Eigentum und seine körperliche Unversehrtheit) zu haben, ist "Mimimi"?


Moment! Aktionen gegen das Eigentum oder gar die körperliche Unversehrheit sind gesetzwidrig. Ganz andere Baustelle, und das ist natürlich nie zu tolerieren. Gehört aber übrigens auch schon immer zu den ekligen Begleiterscheinungen mancher Wahlkämpfe.

Zitat
Aber wenn eine Partei als "rechtspopulistisch" eingestuft wird, und zwar derart, dass dieses Adjektiv in den Medien so unweigerlich vor dem Parteinamen kommen muss ...


Daß wir schlechte Medien haben brauchst Du mir nicht zu erzählen. Aber das beständige Schimpfwort "neoliberal" ist so viel besser nicht.

Zitat
Jeder aufrechte Bürger darf dann gegenüber dieser Partei seine Empörung zum Ausdruck bringen ...


Ja, das darf er. Solange er sich dabei an die Gesetze hält.
Ist kein angenehmes Erlebnis, wenn man Ziel dieser Empörung ist. Ziemlich am unangenehmsten sind übrigens die AfD-Anhänger, wenn sie bei den Vertretern einer "Systempartei" ihren Unmut auskotzen. Da werden die gesetzlichen Grenzen auch schnell und regelmäßig überschritten.

Zitat
Aber die Typen, die vor keinen Mitteln zurückschrecken, um diese Partei aus dem öffentlichen Leben zu drängen ...


Genau diese Pressionsversuche gegen die AfD stärken die Partei doch. Ohne die Angriffe der Antifa würden die sich doch nur noch den internen Streitigkeiten widmen.
Ob die AfD in zehn Jahren noch eine Rolle spielen wird hängt im wesentlichen nur von der Politik in Berlin ab. Ohne Merkel würde es die Partei schon fast nicht mehr geben. Die lächerlichen Demontage-Versuche der Medien oder die Angriffe der Antifa nützen der AfD.

nachdenken_schmerzt_nicht Offline




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05.08.2016 17:53
#38 RE: Mal wieder die Meinungsfreiheit Antworten

Zitat von Doeding im Beitrag #35
Worauf stützt sich Deine Vermutung?
Auf persönliche Erfahrung zwischen den 80er und 2000er Jahren.

"Dort, wo es keine sichtbaren Konflikte gibt, gibt es auch keine Freiheit." - Montesquieu

R.A. Offline



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05.08.2016 18:07
#39 RE: Mal wieder die Meinungsfreiheit Antworten

Zitat von nachdenken_schmerzt_nicht im Beitrag #36
1) Gegenwind und Eingriff in Persönlichkeitsrechte

In die Persönlichkeitsrechte eingreifen kann nur der Staat. Wenn es Private machen, wäre es illegal und man kann sich juristisch dagegen wehren.

Zitat
2) Politische Gegner und Verfassungsfeindliche politische Gegner


Dass halte ich beim Thema Meinungsfreiheit für keinen relevanten Unterschied. Man darf nicht als Partei verfassungsfeindliche Ziele verfolgen (in der Theorie). Aber ansonsten gehören auch verfassungsfeindliche Meinungen zum zulässigen Spektrum.

Zitat
Ich glaube sehr wohl, dass es bis vor noch ca 10 - 20 Jahren völlig unerheblich war, welcher (verfassungskonformen) Partei man angehörte. Es mag vereinzelt persönliche Reaktionen gegeben haben, die man als eine politische Sanktionierung auf der persönlichen Ebene interpretieren kann aber nichts was einer "offiziellen gesellschaftlichen" Ächtung gleichkäme.


Oh nein.
Du hast nicht mitbekommen, was 1982 los war als die allgemeine Hetzjagd gegen die "Verräter" von der FDP stattfand. Dagegen waren die Sachen, über die sich die AfDler derzeit beklagen reiner Kindergeburtstag.
Und obwohl ich die Grünen noch nie gemocht habe: In den ersten Jahren sind sie teilweise heftig angemacht worden. Nicht so sehr in den Medien, aber das Börner-Zitat mit der Dachlatte war nicht weit weg von der gelebten Realität.

Ungefährlich war immer nur, sich zu Union oder SPD zu bekennen. Das war Mainstream, damit konnte man selten etwas falsch machen. Außer vielleicht als Juso im ländlichen Bayern oder als RCDSler an manchen Unis.

Zitat
Wenn Politikern die Autos abgefackelt werden ...


Dann ist das kriminell und wird verfolgt.
Adreßlisten? Gewaltaufrufe? Angriff auf Büros oder Wahlkampfstände? Haben andere Parteien auch schon erlebt. Alles nicht in Ordnung, aber Mitleid bekommt man dafür nie.

Zitat
Was meinst du denn warum sich die FDP noch immer nicht klar gegen Energiewende, Planwirtschaft, Mindestlohn, EUR Rettung und anderen (aus liberaler Sicht) Wahnsinn stellt und warum sie nicht deutlich für den Kapaitalismus und teilweisen Sozial- und Bürokratieabbau eintritt?


Weil noch zu viele Parteimitglieder anderer Meinung sind. So eine inhaltliche Umkehr dauert halt.

Zitat
Ich glaube ein Grund dürfte der sein, dass vielen klar ist, dass dann die Methoden, die gerade an der AfD durchexerziert werden, auch die FDP träfen.


Vielleicht - aber eher nicht. Ist aber egal, dieses Risiko schreckt niemand, der schon etwas länger in der FDP ist.

Nochmal zur Verdeutlichung: Alle diese beschriebenen unfairen Methoden sind natürlich abzulehnen. In einer idealen Demokratie würde so etwas nicht vorkommen.
Nur ist es halt unrealistisch, eine ideale Demokratie zu erwarten.
In der Realität kommen unfaire Methoden immer vor, die gab es schon lange und massiv vor der AfD, und eine Demokratie kann das aushalten. Bleibt ihr nämlich gar nichts anderes übrig.

Doeding Offline




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05.08.2016 18:31
#40 RE: Mal wieder die Meinungsfreiheit Antworten

Zitat von R.A. im Beitrag #37
Zitat von Werwohlf im Beitrag #34
... knallen sie deinem Arbeit- oder Auftraggeber oder deinen Kunden vor die Füße, verbunden mit massivem öffentlichen Druck.

Wieviele Fälle gibt es denn wirklich, wo ein privater Arbeitgeber wirtschaftlichen Schaden auf sich nimmt, weil ein paar wildgewordene Aktivisten ihm obskure Drohungen vorsetzen?
Klar, es gibt solche Fälle. Es gab immer solche Fälle. Ich sehe aber keine generelle Zunahme und schon gar nicht, daß das Meinungsklima schwieriger wäre als früher - ganz im Gegenteil.


Ich sehe bzw. erwarte da schon eine deutliche Zunahme, und zwar nicht weil mir dergleichen heuer mehr zu Ohren kommt (was der Fall ist) -allerdings hat dieses "mehr zu Ohren kommen" den gleichen Grund: die sozialen Medien. Die dadurch mögliche Vernetzung, die sehr viel bessere "Abstimmung" von Aktivisten untereinander, die kurzen Reaktionszeiten, die Anonymität, die rasche Verbreitung und Multiplikation von Informationen. Der "shitstorm" ist da nur die Spitze des Eisbergs, meine ich. Dieses "Vehikel" ist einfach unglaublich geeignet für denunziatorische und erpresserische Zwecke, und die Wirkung von Denunziation wird dadurch erheblich verstärkt, was wiederum die pädagogische Wirkung der Belohnung und Ermunterung für solche armseligen Gestalten und deren ebenso armselige Handlungen entfaltet. Die Möglichkeit, eine homogene Filterblase um sich herum zu schaffen, die zu einer Scheinbestätigung des eigenen Weltbildes unter Abschottung gegenüber abweichender Information ermöglicht -all das gab es früher auch schon, aber es wird durch intensive Nutzung sozialer Medien deutlich erleichtert und verstärkt. Es ist vor diesem Hintergrund eine Zunahme dieses Phänomens schlicht zu erwarten, weil sich die (technischen) Rahmenbedingungen für Denunzianten und Aggressoren verbessert haben. Und dabei habe ich noch gar kein Wort über die politischen Rahmenbedingungen, den Staat also und Maas, verloren

Herzliche Grüße,
Andreas

"Man kann einen gesellschaftlichen Diskurs darüber haben, was Meinungsfreiheit darf. Oder man hat Meinungsfreiheit." (Christian Zulliger)

Llarian Offline



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06.08.2016 01:27
#41 RE: Mal wieder die Meinungsfreiheit Antworten

Zitat von Doeding im Beitrag #27
Und Du schmeißt hier, glaube ich, zwei Dinge zusammen, die Du sonst sehr sauber zu trennen weißt, nämlich staatliches und privates Handeln .

Ganz im Gegenteil, ich rede nämlich nicht von Ersterem. Lies mal den letzten Satz des Originalbeitrages nach, oder meinen ersten Diskussionsbeitrag in diesem Thread. Das staatliche Thema ist gerade hier nicht meins, ich rede von der Gesellschaft. Es ist nicht der Staat, der die Existenz dieser Dame zu vernichten versucht, es ist eine Denunziant und seine Helfershelfer und unsere Gesellschaft sieht zu und findet das richtig. Selbst gestandene Liberale reden von Mimimi (sorry, muss an der Stelle sein). Ich frage mich einfach ob das die Entwicklung ist, die wir haben wollen, respektive ich finde es eher "ganz schlimm", dass das die Entwicklung ist.
Was der Denunziant hier tut, ist am Ende nicht illegal. Es ist nicht verboten sich eine grosse Gruppe von Gleichgesinnten zu suchen und wirtschaftlichen Druck aufzubauen. Genauso wie auf Universitäten Studenten Unterschriftenlisten gegen ihre Dozenten aufstellen oder ein Nobelpreisträger wie Tim Hunt durch ganz ähnliche "Aktivisten" durch den Dreck gezogen wird, bis er seine Existenz aufgibt. Das ist alles nicht illegal. Aber was für eine Gesellschaft sind wir, die solchen Aktivisten nicht deutlich ihre Grenzen aufzeigt und ihnen sagt, dass sie nicht alle Latten am Zaun haben, sondern stattdessen eher Hohn für die Opfer übrig hat ? Mein Artikel ist Gesellschaftskritik, keine am Staate. Natürlich sind es auch Figuren wie Maas und Schwesig, die genau das fördern, aber sie sind nicht ursächlich und sie sind auch nicht "die Gesellschaft".
Wir driften zumindest in meiner Empfindung in einen gesellschaftlichen Totalitarismus, der es für völlig normal hält jemanden aufgrund einer abweichenden Meinung zu vernichten. Und ich meine zu vernichten. Das sich dann auch Idioten finden, die wirklich Steine schmeissen, Autos abfackeln oder Todesdrohungen schicken sind nur die Ausläufer genau diesen Denkens.
Was meines Erachtens fehlt ist ein gesellschaftlicher Kosens darüber, dass wir eben nicht nur genetisch divers sind, sondern auch unterschiedliche Meinungen haben und haben dürfen. Dieser Konsens ist zwar in nahezu jeder westlichen Verfassung festgehalten, aber er muss auch gelebt werden. Er muss geatmet werden. Und das wird er meiner Empfindung nach immer weniger.
Und wenn ich es mir als Randbemerkung noch erlauben darf: Es ist heute politisch vollkommen korrekt im Rahmen meiner Religionsfreiheit zu fordern, dass Frauen sich unter einem schwarzen Sack befinden sollen, aber es reicht für die Zerstörung meiner wirtschaftlichen Existenz wenn ich Gender-Mainstreaming als Schwachsinn bezeichne. Irrsinn.

Zitat
Es ist mein Recht, im Rahmen geltender Gesetze unverhältnismäßig zu sein (oder richtiger: ich habe keine Pflicht zur Verhältnismäßigkeit);


Wie schon geschrieben, das "Recht" hast Du, genauso wie besagter Daniel das Recht hat Briefe an deinen Arbeitgeber zu schreiben. Aber willst Du in einer solchen Gesellschaft leben, die das für richtig befindet ? Denunziantentum war in Deutschland nie illegal, Denunzianten gab es immer und wirds auch immer geben. Allein, es ist die Frage wie man damit umgeht und wie man das als Gesellschaft bewertet.

Zitat
ich würde dennoch mit der Absenderin des Tweets zu München privat nix zu tun haben wollen. Du denn? Mal ehrlich...


Ich hab keine Ahnung, ich kanns so recht an den drei Sätzen nicht festmachen. Was hat Sie denn genau gesagt ? Das Sie kein Mitleid empfindet ("richtig so"), dass sie an eine Verschwörung glaubt und das sie meint es wird noch schlimmer kommen. Letzterem stimme ich zu. Dem mittleren würde ich zwar widersprechen, aber Verschwörungstheorien sind weit verbreitet, in der türkischen Community würden an diese spezielle vermutlich sogar eine Mehrheit glauben, finde ich nicht dramatisch. Bleibt also die Empathielosigkeit. Ist ein Mensch automatisch für mich ein rotes Tuch, weil er keine Empathie empfindet ? Ich denke nicht. Ich empfinde auch nicht für alles Mitleid, für das andere welches empfinden. Mitgefühl und Pietät sind sehr unterschiedlich verbreitet. Es ist sicher kein Pluspunkt, aber ich denke in meinen Bekanntenkreis habe ich eine ganze Kollektion von Menschen mit sehr unterschiedlichen Gefühlsregungen.
Ich denke es wäre ein Unterschied, wenn sie ihren Ausbruch den Angehörigen ihrer Opfer an den Kopf knallen würde, aber was sie auf ihrer privaten Seite mit vielleicht 50 Bekannten von sich gibt.... ? Herrschaftszeiten.

Doeding Offline




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06.08.2016 07:30
#42 RE: Mal wieder die Meinungsfreiheit Antworten

Zitat von Llarian
Aber willst Du in einer solchen Gesellschaft leben, die das für richtig befindet ?


Nein, das möchte ich natürlich nicht. Aber Deine Überschrift zu diesem thread lautet ja "wieder was mit Meinungsfreiheit", und das scheint mir schon eine Vermischung mit Deiner "Gesellschaftskritik" abseits staatlichen Handelns zu sein.
Ich muß nochmal auf meinen Beitrag #5 zurückkommen. Da hatte ich mich ja von dem Denunziantenthema etwas gelöst und das Arbeitgeberverhalten isoliert betrachtet, und mir scheint, daß ein Teil der Diskussion sich hieran entzündet hat. Um das nochmal auseinanderzudröseln. Ich sehe hier drei Ebenen, die ich recht unterschiedlich bewerten würde.

1. Der Staat (Maas) fördert und ermuntert zu Denunziationen und Bespitzelungen nicht justiziabler Meinungen und sanktioniert diese durch Löschung von Beiträgen bei Facebook: absolutes Nogo, Skandal ersten Ranges und eines demokratischen Rechtsstaats nicht nur unwürdig, sondern eine Gefährdung für diesen.

2. Privatpersonen organisieren sich und betätigen sich als Trüffelschweine und Handlanger für obiges: ein ekelhaftes Phänomen und guter Anlaß für "Gesellschaftskritik" wie Dein Ausgangspost, dem ich im wesentlichen zustimme. Fast bekommt man Lust, die Denunzianten zu denunzieren und im Netz bloßzustellen .

3. Privatpersonen, die ihre sozialen Beziehungen miteinander aushandeln und dabei auch "Meinungsäußerungen" berücksichtigen und die ebenfalls zu "sozialen Konsequenzen" wie Ablehnung, Ärger und ggf. auch das Auflösen eines Arbeitsverhältnisses (hier steht dem Entlassenen der Rechtsweg ja offen) führen können und dabei weder "Verhältnismäßigkeit" (abseits vom genannten Rechtsweg; wer soll die für Privatpersonen festlegen?) noch zwingend "Toleranz" (z. B. durch zugutehalten, daß eine Äußerung unbedacht gefallen sein mag) walten lassen: kein Skandal, nichtmal ein Anlaß für Gesellschaftskritik (mMn) sondern normales Verhalten freier Menschen.

Worum es mir in meinen letzten Beiträgen gegangen ist, war 1. und 2. von 3. abzugrenzen, da ich das für sehr wichtig (i. S. von Freiheit) halte.

Herzliche Grüße,
Andreas

"Man kann einen gesellschaftlichen Diskurs darüber haben, was Meinungsfreiheit darf. Oder man hat Meinungsfreiheit." (Christian Zulliger)

Werwohlf Offline




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07.08.2016 18:40
#43 RE: Mal wieder die Meinungsfreiheit Antworten

Zitat von R.A. im Beitrag #37
Wieviele Fälle gibt es denn wirklich, wo ein privater Arbeitgeber wirtschaftlichen Schaden auf sich nimmt, weil ein paar wildgewordene Aktivisten ihm obskure Drohungen vorsetzen?
Ich kenne sie nicht alle, und ich zähle sie nicht. Aber es gibt sie. Es trägt ja auch nicht jeder seine Parteimitgliedschaft wie eine Monstranz vor sich her. Im Übrigen steht der Arbeitgeber in solchen Situationen nicht vor der Wahl, einen wirtschaftlichen Schaden auf sich zu nehmen oder nicht. Er steht nur vor der Wahl, welchen. Die Kunden werden eben doch erreicht, wenn z.B. "Aktivisten" vor dem Geschäft oder der Praxis des AfDlers aufmarschieren und Leute, die ihn aufsuchen wollen, direkt ansprechen. Vielleicht ist ja sogar ein "Fotojournalist" vorbei...
Zitat von R.A. im Beitrag #37
Klar, es gibt solche Fälle. Es gab immer solche Fälle. Ich sehe aber keine generelle Zunahme und schon gar nicht, daß das Meinungsklima schwieriger wäre als früher - ganz im Gegenteil.
"Das Meinungsklima" ist schwer zu bewerten. Aber es geht ja auch im Wesentlichen nur um eine Partei (oder genauer: um zwei). Wenn z.B. früher vielleicht mal Aktionen gegen die FDP unternommen wurden, so wurden diese von den Medien eben nicht mit kaum verhohlener Schadenfreude begleitet. Der Punkt ist: Es gehört offiziell nicht nur zum guten Ton, sondern geradezu zur Pflicht aufrechter Bürger, etwas gegen die AfD oder gegen "Rechts" allgemein zu unternehmen. Und wenn dieses "unternehmen" sich dann mal in Farbbeutelattacken auf Wohnungen, abgefackelten Autos oder Tortenwürfen auf Politikerinnen äußert, dann führt das eher zu Verständnis (es sind ja die Bösen). Zu Empörung noch nicht einmal im Ansatz. Und genau so ergeht es dem kleinen Parteimitglied, der ins Visier der "Aufrechten" gerät. Er gehört ja einer quasi-offiziell "menschenverachtenden" Partei an, also soll er doch froh sein, dass es ihn nur den Job kostet.
Zitat von R.A. im Beitrag #37
Daß wir schlechte Medien haben brauchst Du mir nicht zu erzählen. Aber das beständige Schimpfwort "neoliberal" ist so viel besser nicht.
Also "die neoliberale FDP" wurde und wird in den Nachrichtensendungen genau so wenig gesagt wie "die linkspopulistische Linke".Nur bei der AfD ist offensichtlich das Bedürfnis immens, diese Partei im Sinne der Sender einzuordnen. Und wenn ein Sender dann irgendwann damit aufhört, hagelt es sofort Kritik - man kann also kaum von Zufall ausgehen.
Zitat von R.A. im Beitrag #37
Aktionen gegen das Eigentum oder gar die körperliche Unversehrheit sind gesetzwidrig. Ganz andere Baustelle, und das ist natürlich nie zu tolerieren. Gehört aber übrigens auch schon immer zu den ekligen Begleiterscheinungen mancher Wahlkämpfe.
Ja, aber die Reaktionen darauf unterscheiden sich.
Zitat von R.A. im Beitrag #37
Ja, das darf er. Solange er sich dabei an die Gesetze hält.
Ist kein angenehmes Erlebnis, wenn man Ziel dieser Empörung ist. Ziemlich am unangenehmsten sind übrigens die AfD-Anhänger, wenn sie bei den Vertretern einer "Systempartei" ihren Unmut auskotzen. Da werden die gesetzlichen Grenzen auch schnell und regelmäßig überschritten.
Mir sind keine Fälle bekannt, in denen ein AfD-Anhänger je den Mumm gehabt hätte, etwas anderes zu tun als (wenn auch zum Teil äußerst üble) E-Mails oder Briefe zu schreiben. Die Art "Empörung", die ich meinte, widerfährt in diesem Land unter allgemeinem Beifall nur den "Rechten".
Zitat von R.A. im Beitrag #37
Genau diese Pressionsversuche gegen die AfD stärken die Partei doch.
Soll das denjenigen freuen, der davon betroffen wird? Den Nutzen haben die Parteipromis, die sich meist in wirtschaftlichen Verhältnissen befinden, wo der zu erwartende Schaden minimal ist, entweder weil sie vom Staat alimentiert werden (Höcke, Gauland) oder weil sie gar keine nennenswerte eigene wirtschaftliche Existenz vor ihrem Parteileben hatten (Pretzell). Mir geht es aber um den gemeinen Bürger, der sich entschlossen hat, politisch aktiv zu werden und damit relativ ungeschützt zum Ziel von echten Hassfratzen.

--
Bevor ich mit den Wölfen heule, werd‘ ich lieber harzig, warzig grau,
verwandele ich mich in eine Eule oder vielleicht in eine graue Sau.
(Reinhard Mey)

R.A. Offline



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08.08.2016 12:20
#44 RE: Mal wieder die Meinungsfreiheit Antworten

Zitat von Werwohlf im Beitrag #43
Zitat von R.A. im Beitrag #37
Wieviele Fälle gibt es denn wirklich, wo ein privater Arbeitgeber wirtschaftlichen Schaden auf sich nimmt, weil ein paar wildgewordene Aktivisten ihm obskure Drohungen vorsetzen?
Ich kenne sie nicht alle, und ich zähle sie nicht. Aber es gibt sie.

Dann diskutieren wir doch mal ein paar konkrete Beispiele. Die ganze Zeit wabert diese "Bedrohung der wirtschaftlichen Existenz" durch die Diskussion, bleibt aber im Ungefähren. Ich kann derzeit nicht erkennen, daß wir hier über ein ernst zu nehmendes Phänomen redn.

Zitat
Wenn z.B. früher vielleicht mal Aktionen gegen die FDP unternommen wurden, so wurden diese von den Medien eben nicht mit kaum verhohlener Schadenfreude begleitet.


Aber selbstverständlich kam das vor, oft genug. Nicht in "ruhigen Zeiten" natürlich, aber die Auseinandersetzungen um die AfD gehen ja auch noch nicht so lange.

Zitat
Es gehört offiziell nicht nur zum guten Ton, sondern geradezu zur Pflicht aufrechter Bürger, etwas gegen die AfD oder gegen "Rechts" allgemein zu unternehmen.


Sagt wer? Und wieviele Leute außer den üblichen Verdächtigen nehmen das ernst?

Zitat
Und wenn dieses "unternehmen" sich dann mal in Farbbeutelattacken auf Wohnungen, abgefackelten Autos oder Tortenwürfen auf Politikerinnen äußert, dann führt das eher zu Verständnis (es sind ja die Bösen).


Das hat es alles auch schon bei diversen "etablierten" Politikern gegeben. In der Regel ohne größere Reaktion. Selbst der abgefackelte CDU-Bus jetzt in Berlin ist doch nur mit einem Schulterzucken kurz durch die Nachrichten gegangen.

Zitat
Ja, aber die Reaktionen darauf unterscheiden sich.


Die Reaktionen der Justiz auf kriminelle Aktionen unterscheiden sich nicht nach Parteiangehörigkeit der Opfer.

Zitat
Mir sind keine Fälle bekannt, in denen ein AfD-Anhänger je den Mumm gehabt hätte, etwas anderes zu tun als (wenn auch zum Teil äußerst üble) E-Mails oder Briefe zu schreiben.


Weil Du ihnen offenbar im realen Leben nur selten über den Weg läufst.
Schon klar, in der Anfangs-AfD gab es viele anständige Menschen und auch jetzt noch sind die meisten Parteimitglieder normale Bürger.
Aber ansonsten hat keine Partei einen so asozialen Mob in ihrer Anhängerschaft. Selbst linke Gruppen in den schlimmsten Zeiten haben nicht so aggressiv an den Wahlkampfständen der "Etablierten" gepöbelt, incl. Gewalt gegen Sachen. Theoretisch könnte man da regelmäßig Anzeigen schreiben, ist halt den Aufwand nicht wert.

Zitat
Mir geht es aber um den gemeinen Bürger, der sich entschlossen hat, politisch aktiv zu werden und damit relativ ungeschützt zum Ziel von echten Hassfratzen.


Und da gilt halt wie schon immer: Wer sich mit ungewöhnlichen Positionen aus dem Fenster hängt, muß auch mit aggressiven Reaktionen rechnen. Insbesondere dann, wenn man die Grundüberzeugungen anderer Menschen angreift.
Es geht bei politischen Diskussionen um mehr als die bevorzugte Margarine-Marke, da sind ganz andere Emotionen im Spiel.
Der Eine hat Angst um den Planeten, der vom globalisierten Kapitalismus zerstört wird. Der Nächste will die Zukunft seiner Kinder vor Ausländerhorden retten. Oder seine religiösen Überzeugungen ausleben. Und natürlich ist Politik auch immer Machtkampf um Pfründen, Karrierechancen und das persönliche Einkommen.
Und deswegen kann man froh sein, wenn politische Diskussionen wenigstens friedlich und im Rahmen der Gesetze bleiben. Die Regel ist das historisch und weltweit gesehen nämlich nicht.
Im heutigen Deutschland gibt es volle Meinungsfreiheit und man kann so ungefährdet seine Meinung sagen wie selten in der Geschichte. Aber politische Auseinandersetzungen werden nie den Charakter eines Teekränzchens englischer Seniorinnen haben.

nachdenken_schmerzt_nicht Offline




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08.08.2016 13:17
#45 RE: Mal wieder die Meinungsfreiheit Antworten

Zitat von R.A. im Beitrag #39
Nur ist es halt unrealistisch, eine ideale Demokratie zu erwarten.


Ich erwarte keine ideale Demokratie, lieber R.A.

Es erscheint mir allerdings augenscheinlich, dass das Bürgertum unserer Republik sehr langmütig auf Verfehlungen, begangen aus „totalitären Motiven“ heraus, reagiert und dass darüber hinaus, die Transparenz, mit der solche "totalitären Verfehlungen" in unserer Gesellschaft sichtbar werden, in Teilen mangelhaft ist.

Ich habe weiter oben geschrieben, dass sich unsere Gesellschaft verändert hat, weil sie den Denunzianten wieder goutiert. Möglicherweise. Vielleicht ist es aber auch weniger spektukulär einfach eine Mischung aus Trägheit des und Einflußnahme auf das Bürgertum.

Betrachten wir, zu Erläuterungszwecken was ich meine, das ganze einmal am Beispiel politisch motivierter Gewalt:

Was die politische Klasse selbst betrifft, haben wir ein Regierungslager, welches „totalitäre linke Übergriffe“ nicht thematisiert und „totalitäre Rechte Übergriffe“ als bedrohendes Schreckgespenst zeichnet. Dass dabei die Zahl der links motivierten politischen Gewalttaten fast doppelt so hoch ist, ist dabei augenscheinlich nicht relevant. Auf der anderen Seite haben wir derzeit eine erstarkende, aber immer noch marginale, politische Gegenbewegung, die rechte Gewalt in gleichem Maße verharmlost.

Was die Medien betrifft, so ist die Positionierung eindeutig pro Regierung. Linke politische Gewalt wird großflächig bagatellisiert. Rechte im Vergleich dazu überzeichnet. Der geschätzte Stefanolix beschreibt das anhand eines Zeit Artikels ausgezeichnet in seinem Blog.

Eine Sache dabei finde ich in diesem Zusammenhang ebenfalls erwähnenswert: Die Zahl der sogenannten Propaganda Delikte, welche den größten Teil politischer Straftaten ausmachen. Während die Symbole des Rechtsextremismus in Deutschland verboten sind, unterliegen Symbole des Linksextremismus, z.B. des Stalinismus, keinerlei Beschränkung. Also schon das Mass, mit dem man mißt, ist unterschiedlich.

Worauf will ich damit hinaus?

Nicht mehr, als dass ein Ungleichgewicht herrscht. Auf der einen Seite Regierung und Medien. Auf der anderen Seite eine Minderheiten Opposition. Dazwischen das träge Bürgertum, welches aufgrund der beschriebenen „Beschallung“ ein gefärbtes Selbstverständnis entwickelt.

In meinen Augen ist das die derzeit akute Gefahr: Nicht, dass das Bürgertum radikalen Spinnern von links oder rechts nachläuft, sondern dass es desinteressiert wegschaut, während solche leise sprechenden, Machtmenschen wie Maas, den Rechtsstaat systematisch unterwandern. Deswegen ist es mir persönlich auch unverständlich, dass während eine 20% AfD ein Schreckgespenst darstellt, distinguierte Interviews mit unserem Justizminister niemanden zu bewegen scheinen.

Mir läuft es alleine bei diesem Bild schon kalt den Rücken hinunter.

Herzlich


nachdenken_schmerzt_nicht

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Werwohlf Offline




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08.08.2016 22:19
#46 RE: Mal wieder die Meinungsfreiheit Antworten

Zitat von R.A. im Beitrag #44
Dann diskutieren wir doch mal ein paar konkrete Beispiele. Die ganze Zeit wabert diese "Bedrohung der wirtschaftlichen Existenz" durch die Diskussion, bleibt aber im Ungefähren. Ich kann derzeit nicht erkennen, daß wir hier über ein ernst zu nehmendes Phänomen redn.
Ich sammle diese Nachrichten nicht, wenn ich sie bemerke. Aber ein Fall ist bei mir noch präsent: Der eines Berliner Arztes (ich glaube, Zahnarzt), vor dessen Praxisräumen die Aufrechten aktiv wurden.
Zitat von R.A. im Beitrag #44
Sagt wer? Und wieviele Leute außer den üblichen Verdächtigen nehmen das ernst?
Das sagen "seriöse" Politiker, und das sagen in politischen Diskussionsrunden praktisch alle bis auf die Betroffenen selbst. Gerade erst Sonntag im "Presseclub" erlebt, als die Frage diskutiert wurde, wie man die "Rechtspopulisten" denn am besten stoppen könne. Wenn die nicht gerade in die Schweiz gehen, um Roger Köppel einzuladen, werden sie in Deutschland wohl kaum einen Journalisten finden, der eine Gegenposition bezieht ("Junge Freiheit" geht ja gar nicht).
Zitat von R.A. im Beitrag #44
Selbst der abgefackelte CDU-Bus jetzt in Berlin ist doch nur mit einem Schulterzucken kurz durch die Nachrichten gegangen.
Schulterzucken vielleicht, aber Null Häme.
Zitat von R.A. im Beitrag #44
Die Reaktionen der Justiz auf kriminelle Aktionen unterscheiden sich nicht nach Parteiangehörigkeit der Opfer.
Das ist natürlich eine starke Gegenrede, allerdings auf eine von mir nicht aufgestellte Behauptung.
Zitat von R.A. im Beitrag #44
Im heutigen Deutschland gibt es volle Meinungsfreiheit und man kann so ungefährdet seine Meinung sagen wie selten in der Geschichte. Aber politische Auseinandersetzungen werden nie den Charakter eines Teekränzchens englischer Seniorinnen haben.
Ungefährdet - man verliert aufgrund von Fremdzuschreibungen vielleicht seinen Job, wird aus dem örtlichen sozialen Leben ausgeschlossen und muss des öfteren die Maler und Glaser kommen lassen und Kontakt zu seiner Autoversicherung aufnehmen, aber festgenommen wird man deswegen nicht. Juchhu. Aber alles andere wäre ja auch Teekränzchen, ich verstehe.

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Bevor ich mit den Wölfen heule, werd‘ ich lieber harzig, warzig grau,
verwandele ich mich in eine Eule oder vielleicht in eine graue Sau.
(Reinhard Mey)

Ulrich Elkmann Offline




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08.08.2016 22:31
#47 RE: Mal wieder die Meinungsfreiheit Antworten

Zitat von R.A. im Beitrag #31
Erfahrungen, die Andersdenkende schon immer machen mußten - und reagieren mit "Mimimi".


https://www.neues-deutschland.de/artikel...s-gezaehlt.html
http://www.stuttgarter-zeitung.de/inhalt...20e779da07.html
http://www.n-tv.de/politik/Unbekannte-sc...le16922286.html
http://www.huffingtonpost.de/2016/05/15/..._n_9982228.html
http://www.welt.de/politik/deutschland/a...en-die-AfD.html
http://preussischer-anzeiger.de/2016/08/...en-ueberfahren/

Ich erinnere mich, daß das in den 70er/80ern genau so gegen die F.D.P. ging, besonders nach dem Regizid 82. Sagen wir mal so: wenn es den ersten Toten gibt, sollte da eine Entschuldigung drin sein...



Les hommes seront toujours fous; et ceux qui croient les guérir sont les plus fous de la bande. - Voltaire

R.A. Offline



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09.08.2016 11:16
#48 RE: Mal wieder die Meinungsfreiheit Antworten

Zitat von Werwohlf im Beitrag #46
Der eines Berliner Arztes (ich glaube, Zahnarzt), vor dessen Praxisräumen die Aufrechten aktiv wurden.

Und deswegen sollen die Patienten zu einem anderen Arzt wechseln? Dürfte selten sein.

Zitat
Das ist natürlich eine starke Gegenrede, allerdings auf eine von mir nicht aufgestellte Behauptung.


Dann habe ich die Behauptung nicht verstanden. M. W. hat die AfD exakt denselben Schutz gegen Kriminelle wie jede andere Partei.

Zitat
- man verliert aufgrund von Fremdzuschreibungen vielleicht seinen Job


Wie schon gesagt: Da vermisse ich die konkreten Fälle.

Zitat
wird aus dem örtlichen sozialen Leben ausgeschlossen


Und das ist eine legitime private Reaktion anderer Bürger.
Und auch nichts Neues: Wer sich außerhalb gewisser Biotope im alten Westdeutschland zum DDR-Kommunismus bekannte war im Vereinsleben etc. im Dorf auch nicht mehr gern gesehen. In vielen ländlichen Gebieten war es auch nicht ratsam, sich als Atheist zu positionieren.

Zitat
und muss des öfteren die Maler und Glaser kommen lassen und Kontakt zu seiner Autoversicherung aufnehmen


Diese Fälle gibt es und die sollten nicht sein. Angesichts von 20.000 Parteimitgliedern und einigen 100.000 Leuten, die ihre AfD-Meinung offen äußern (von einigen Millionen Wählerpotential zu schweigen), ist das keine echte Bedrohung der Meinungsfreiheit und es ist ja auch nicht so, daß die AfDler sich mit ihren Meinungsäußerungen zurückhalten würden. Im Gegenteil bin ich erstaunt, wieviele von ihnen auch offen kriminelle Meinungsäußerungen tätigen.

Es gibt lokal einige Orte, wo eine besonders militante Antifa aktiv ist. Spontan fallen mit da Göttingen und Berlin ein. Diese Orte sind auch für die Mehrheit der politischen Gewalttaten verantwortlich, im Rest des Landes kommen die fast nicht vor.
Das Problem mit diesen Antifa-Szenen ist aber kein spezielles AfD-Problem, sondern das existiert schon länger, richtet sich gegen alle möglichen Ziele (auch ohne politische Äußerungen) und es ist skandalös, daß die Sicherheitsbehörden gegen diese bekannten Gruppen fast nicht vorgehen. Da gibt es eine ähnliche Zurückhaltung wie gegen diverse Formen von Ausländerbandenkriminalität in manchen Stadtvierteln.

Frank2000 Offline




Beiträge: 3.424

09.08.2016 13:13
#49 RE: Mal wieder die Meinungsfreiheit Antworten

Zitat von R.A. im Beitrag #48

Diese Fälle gibt es und die sollten nicht sein. Angesichts von 20.000 Parteimitgliedern und einigen 100.000 Leuten, die ihre AfD-Meinung offen äußern (von einigen Millionen Wählerpotential zu schweigen), ist das keine echte Bedrohung der Meinungsfreiheit und es ist ja auch nicht so, daß die AfDler sich mit ihren Meinungsäußerungen zurückhalten würden. Im Gegenteil bin ich erstaunt, wieviele von ihnen auch offen kriminelle Meinungsäußerungen tätigen.



Ich bin zwar selbst aus der AfD ausgetreten. Aber deswegen werde ich nicht automatisch zum Elch-Kritiker. In so weit kann ich Ihre Aussage so nicht stehen lassen.

Mit welcher Überzeugung Sie, werter R.A., die Lynchstimmung gegen die AfD kleinreden, ist schon beeindruckend. Ich kann mich jedenfalls nicht erinnern, dass in den letzten 40 Jahren Mordaufrufe zum Beispiel gegen "Atheisten" zu lesen gewesen wären oder Atheisten entlassen wurden (wenn man von der in der Tat auch arbeitsrechtlich schwierigen Situation absieht, wenn ein Atheist unbedingt in einer kirchlichen Einrichtung arbeiten wollte). Ich kann mich in den letzten 40 Jahren nicht daran erinnern, dass es ein derartiges Trommelfeuer gegen Linke gegeben hätte, noch nicht mal zu Zeiten der RAF. Wenn es solche landesweiten Kampagnen gegeben hat, dann muss das vor den 70ern gewesen sein.

Die sozialen Aktionen und Maßnahmen gegen die AfD haben eine völlig neue Dimension erreicht. Am ehesten könnte man noch die Beobachtung der "Linke" durch den Verfassungsschutz einiger Bundesländer nennen (und das war eine rein formale Angelegenheit, die zu keinem Zeitpunkt eine Wirkung in das mediale oder soziale Leben hatte. Im Gegenteil. Das galt eher als "lustig" oder "sind eben Aktivisten")

Wie sehr Sie sich auf Ihre Sichtweise eingeschossen haben sieht man an der völlig aus der Luft gegriffenen Behauptung "es ist ja auch nicht so, daß die AfDler sich mit ihren Meinungsäußerungen zurückhalten würden". Woher nehmen Sie diese kühne These? Wie wollen Sie denn wissen, wie oft ein AfD-Mitglied oder AfD-Wähler sich NICHT zu Wort meldet, weil er/sie damit rechnen muss, von Nachbarn/Kollegen/Vorgesetzten/Diskussionsteilnehmern auf das übelste persönlich beschimpft und bedroht zu werden?

Und auch die These der "kriminellen Meinungsäußerungen" ist mal ziemlich gewagt. Mir sind jedenfalls keine nennenswerte Anzahl von Verurteilungen von AfD-Prominenz auf Grund von Meinungsäußerungen bekannt. Könnten Sie mit dem "kriminell" vielleicht "mir persönlich moralisch suspekt" gemein haben?

Nun könnten Sie zu Recht einwenden, dass aus liberaler Sicht das recht der Meinungsäußerung eben auch das Recht umfassen muss, andere Leute dumm oder blöd zu finden. Wie so etwas funktioniert sieht man ja in den USA. In so weit hat die Kampagne gegen die AfD zwar eine neue Qualität, aber ist theoretisch nur schwer zu packen. In etwa vergleichbar mit der demokratischen Wahl eines Antidemokraten wie Erdogan: in der Theorie gedeckt und durchaus der Definition von "Demokratie" entsprechend, hinterlässt es trotzdem ein "G´schmäkle". Irgendwie fühlt man, dass der Vorgang zwar in der Theorie gedeckt ist, aber in der Praxis falsch ist.

Und so sehe ich die mediale und soziale Kampagne gegen die AfD. Zwar in der Theorie irgendwie gedeckt, aber in der praktischen Auswirkung falsch - und zwar nicht, weil es die AfD ist. Sondern, weil es so umfassend ist. Weil es so selbstverständlich ist. Weil es so verlogen ist - es wird ja nicht mal zugegeben, dass die AfD mittels Kollektivmaßnahmen bestraft wird ("Pack"). ´Wieso wird ein "Indymedia" politisch, künstlerisch, journalistisch und sozial gefeiert und unterstützt? Und AfD-Politiker müssen sich fast schon Leibwachen anschaffen, nur weil sie die Einhaltung von Schengen vorschlagen? Und da sehen Sie kein Ungleichgewicht?

___________________
Kommunismus mordet.
Ich bin bereit, über die Existenz von Einhörnern zu diskutieren. Aber dann verlange ich außergewöhnlich stichhaltige Beweise.

R.A. Offline



Beiträge: 8.171

09.08.2016 17:01
#50 RE: Mal wieder die Meinungsfreiheit Antworten

Zitat von Frank2000 im Beitrag #49
Mit welcher Überzeugung Sie, werter R.A., die Lynchstimmung gegen die AfD kleinreden, ist schon beeindruckend.

Es gibt keine "Lynchstimmung gegen die AfD". Sondern es gibt eine allgemeine Abneigung, die vielen AfD-Anhängern unangenehm ist. Und es gibt die übliche Gewaltbereitschaft einer kleinen Gruppe linksradikaler Spinner.

Zitat
Ich kann mich jedenfalls nicht erinnern, dass in den letzten 40 Jahren Mordaufrufe zum Beispiel gegen "Atheisten" zu lesen gewesen wären ...


Atheismus war ein Feindbild in den 50er/60er Jahren. Ansonsten sind "Mordaufrufe" leider relativ verbreitet, werden aber meistens nicht ernst genommen. Es ist aber kein Problem genug Leute zu finden, die "Merkel sollte man aufhängen" oder "die Regierung gehört an die Wand gestellt" oder ähnliche Sprüche machen. In seltenen Fällen wird mal jemand dafür belangt, wenn es im Internet zu öffentlich wird.
Gott sei Dank bedeutet "politische Morddrohung" in Deutschland fast nichts. Mir fallen eben gerade einmal drei wirklich durchgeführte Mordanschläge ein - Karry (FDP), Lafontaine (damals SPD), Reker (bürgerlich-parteilos, eigentlich wollte der Täter Merkel treffen).

Zitat
Die sozialen Aktionen und Maßnahmen gegen die AfD haben eine völlig neue Dimension erreicht.


Wer verbal so hart austeilt, muß auch einstecken können. War immer so, wird immer so sein.

Zitat
völlig aus der Luft gegriffenen Behauptung "es ist ja auch nicht so, daß die AfDler sich mit ihren Meinungsäußerungen zurückhalten würden".


Es gibt genügend AfD-Anhänger, die sich in keiner Weise zurückhalten. Kann man täglich in den Internet-Foren nachlesen. Und diese Typen habe ich auch regelmäßig am Wahlkampfstand erlebt. Mit wüsten Beleidigungen gegen alle möglichen Leute aus den "Systemparteien" und auf lokaler Ebene geht es dann halt gegen den grünen Bürgermeister oder den liberalen Landtagsabgeordneten, die diese Pöbler gerne an die Wand stellen oder in Lager sperren würden.

Zitat
Wie wollen Sie denn wissen, wie oft ein AfD-Mitglied oder AfD-Wähler sich NICHT zu Wort meldet, weil er/sie damit rechnen muss, von Nachbarn/Kollegen/Vorgesetzten/Diskussionsteilnehmern auf das übelste persönlich beschimpft und bedroht zu werden?


Ich weiß nicht, wie oft das vorkommt. Einen realen Grund gibt es für Angst nicht, wenn man sich schon vor Beschimpfungen fürchtet, darf man halt nicht politisch aktiv werden.

Zitat
Und auch die These der "kriminellen Meinungsäußerungen" ist mal ziemlich gewagt. Mir sind jedenfalls keine nennenswerte Anzahl von Verurteilungen von AfD-Prominenz auf Grund von Meinungsäußerungen bekannt.


Natürlich hält sich die AfD-Prominenz öffentlich zurück. Und ich hatte schon gesagt, daß ich nach wie vor davon ausgehe, daß sehr viele / die meisten AfD-Mitglieder durchaus normale und gesittete Leute sind. Ist ja bei "Linken" und Grünen auch so.
Aber im politischen Umfeld findet man halt an beiden Rändern genug üble Pöbler. Und die scheuen sich nicht vor kriminellen Meinungsäußerungen, weder bei der Antifa noch bei den AfD-Sympathisanten.

Zitat
´Wieso wird ein "Indymedia" politisch, künstlerisch, journalistisch und sozial gefeiert und unterstützt?


Weil die Linken an der Regierung sind und die AfD in der Opposition. Das ist der wesentliche Unterschied.

Ansonsten möchte ich noch einmal wiederholen: Alle diese Beleidigungen, Bedrohungen und vor allem die staatsfinanzierte Hetze sind eindeutig abzulehnen. In der realen Welt werden solche Sachen aber immer vorkommen, dennoch haben wir grundsätzlich Meinungsfreiheit.

Genauso ist ja auch abzulehnen, daß im Frankfurter Bahnhofsviertel die Gesetzestreue nicht im selben Maße eingehalten wird wie in München-Grünwald. Die öffentliche Sicherheit ist in Deutschland grundsätzlich gewährleistet, trotz zunehmender Defizite immer noch besser als in fast allen anderen Staaten dieser Welt.
Trotzdem muß man sich eben auf gewisse Risiken einstellen, wenn man nachts um 2:00 durchs Frankfurter Bahnhofsviertel geht und offen seine 500-Euro-Scheine zählt. Sollte man damit Pech haben, ist das kriminell und abzulehnen. Aber kein Beleg dafür, daß Deutschland in Anarchie verfallen wäre.

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