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ZETTELS KLEINES ZIMMER

Das Forum zu "Zettels Raum"



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Dieses Thema hat 66 Antworten
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 Kommentare/Diskussionen zu "Zettels Raum"
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Noricus Offline



Beiträge: 2.362

10.08.2016 19:32
#51 RE: Die jungen Totalitären und das Versagen der politischen Mitte Antworten

Zitat von R.A. im Beitrag #44

Zitat
Nach alledem wundert es nicht, dass - entsprechend einem jüngst vernommenen, sehr treffenden Bonmot - Franzosen, die mit einem Gesetz unzufrieden sind, auf die Straße gehen, während Deutsche in der gleichen Lage nach Karlsruhe gehen.

Die Rechtsstaatstradition in Deutschland ist eben wesentlich stärker. Und vor allem: Der Gang nach Karlsruhe ist im Schnitt auch deutlich erfolgreicher als die Blockade von Autobahnen.



Den Franzosen mutet es aber wohl verwunderlich an, dass man sich an den Staat (BVerfG) wendet, wenn man gegen den Staat (Gesetz) aufbegehrt. Für Franzosen atmet dies deutschen Untertanengeist, würde ich mal behaupten.

Von Personen, die wesentlich mehr Einblicke in EU-Gremien bzw. internationale Organisationen haben als ich, hört man immer wieder, dass bei derartigen Versammlungen ein lautes Seufzen ertönt, wenn die Deutschen wieder mit ihrem Bundesverfassungsgericht daherkommen. Das empfundene Kuschen der deutschen Politiker vor Karlsruhe wird bei unseren Nachbarn gern als eine unverständliche Selbstbeschränkung der gewählten Vertreter des Souveräns betrachtet.

Noricus Offline



Beiträge: 2.362

10.08.2016 19:48
#52 RE: Die jungen Totalitären und das Versagen der politischen Mitte Antworten

Zitat von Publius im Beitrag #45

Zitat
Und dann haben wir Deutschland. Hierzulande waren es die aufgeklärt-absolutistischen Fürsten, die ihrem Volk die Aufklärung oktroyierten. Selbiges gilt für Österreich. Maria Theresia, Joseph II. und der Alte Fritz hatten hinsichtlich ihrer Geistehaltung vielleicht mehr Ähnlichkeiten mit Schwesig und Maas, als einem das lieb sein kann. Der aufgeklärte Absolutist als Landesvater oder Landesmutter (Mutti!) wollte durch seine "gute Polizey" den - seiner Ansicht nach - dumpfen Pöbel zu dessen aufklärerischem Glück zwingen. Unter der Voraussetzung dieser Verfahrensbindung (Aufklärung per Dekret) war der Ausgang des Menschen aus seiner selbstverschuldeten Unmündigkeit akzeptabel.

Naja, ich möchte ja nicht bezweifeln, dass die aufgeklärten-absolutistischen Fürsten von der Aufklärung beeinflusst waren und ihr Land reformierten, aber wollten sie wirklich per Dekret von oben, ohne natürlich ihre eigene Macht zu gefährden, das Volk zu aufklärerischen Glück zwingen? Friedrich der Große soll der Meinung gewesen sein, dass "von 10 Millionen keine tausend gebildete zu finden seien und dass man den Pöbel dem Irrtum überlassen müsse". Das klingt nicht danach, das Volk zur Aufklärung zu zwingen.



Lieber Publius, danke für dieses Zitat, das ich nicht kannte.

In Österreich wurde die Unterrichtspflicht durch Maria Theresia eingeführt: Ziel dieser Reform war ein aufklärerisches, nämlich den obskurantistischen Pöbel zu bilden und in gewisser Weise auch Gleichheit zu schaffen. Man mag sich vorstellen, wie begeistert der Kleinbauer über die Aussicht war, seine Kinder zur Ansammlung nutzlosen Wissens in die Schule zu schicken, anstatt sie auf dem heimatlichen Hof als billige und dringend gebrauchte Arbeitskräfte verwenden zu können.

Publius Offline



Beiträge: 127

10.08.2016 20:01
#53 RE: Die jungen Totalitären und das Versagen der politischen Mitte Antworten

Zitat von R.A. im Beitrag #46
Zitat von Publius im Beitrag #45
War es der Umstand, dass Frankreich sich im Krieg mit den europäischen Monarchien befand und auf den Straßen, angeführt von den fanatischen Sansculotten, Druck (und zugleich Angst) ausgeübt wurde?

Diesen Krieg mit den Monarchien hatten die Vertreter des liberalen Bürgerkriegs ziemlich unnötig vom Zaun gebrochen, gegen den Widerstand der (späteren) Jakobiner. Und da der Krieg lange Zeit schlecht lief, hat das die Radikalisierung der Revolution gefördert.

Aber hatten nicht auch die europäischen Monarchien einen Grund, Krieg gegen Frankreich zu führen, weil Teile des Bürgertums in ihren Ländern mit der Revolution in Frankreich sympathisierten, was ihr Machtsystem hätte bedrohen können? Wenn ja, dann wäre der vom liberalen Bürgertum begonnene Krieg auch aus Gründen der Verteidigung und somit nicht ganz unnötig erklärt worden. Und immerhin stellten die europäischen Monarchien nach dem Sieg über Frankreich im Jahre 1815 auf dem Wiener Kongress die alte Ordnung in Europa, also im Zustand vor der Französischen Revolution, wieder her (Restauration).

Gruß
Publius

Publius Offline



Beiträge: 127

10.08.2016 20:13
#54 RE: Die jungen Totalitären und das Versagen der politischen Mitte Antworten

Zitat von Noricus im Beitrag #52
In Österreich wurde die Unterrichtspflicht durch Maria Theresia eingeführt: Ziel dieser Reform war ein aufklärerisches, nämlich den obskurantistischen Pöbel zu bilden und in gewisser Weise auch Gleichheit zu schaffen. Man mag sich vorstellen, wie begeistert der Kleinbauer über die Aussicht war, seine Kinder zur Ansammlung nutzlosen Wissens in die Schule zu schicken, anstatt sie auf dem heimatlichen Hof als billige und dringend gebrauchte Arbeitskräfte verwenden zu können.

Naja, vielleicht wurde der Kleinbauer später dadurch für die verlorene Zeit seiner Arbeitskräfte entschädigt, dass durch vermittelte Bildung die Produktivität seiner Kinder etwas gestiegen ist.

Gruß
Publius

R.A. Offline



Beiträge: 8.171

11.08.2016 13:13
#55 RE: Die jungen Totalitären und das Versagen der politischen Mitte Antworten

Zitat von Publius im Beitrag #53
Aber hatten nicht auch die europäischen Monarchien einen Grund, Krieg gegen Frankreich zu führen, weil Teile des Bürgertums in ihren Ländern mit der Revolution in Frankreich sympathisierten, was ihr Machtsystem hätte bedrohen können?

In der Frühphase der Revolution fühlten sich die übrigen Monarchien nicht bedroht, auch nicht durch mögliche Sympathien im eigenen Land. Monarchen wie Bürger sahen das erst einmal als rein französisches Probleme ohne Vorbildwirkung - schließlich waren die eigenen Länder ja nicht so strukturell verkrustet wie das feudale Frankreich.
Ein direktes Interesse hatten nur die Österreicher, weil ja die französische Königin eine Tochter des Kaisers war. Es gab daher Versuche, die Revolutionäre durch Drohungen einzuschüchtern und die Sicherheit der königlichen Familie in Frankreich zu gewährleisten. Für die übrigen Mächte war eher die Überlegung die Chance zu nutzen und die Schwächung Frankreichs für die Rückeroberung gewisser an Louis XIV verlorenen Gebiete zu nutzen.

Daß das wirklich zum Krieg führte lag aber an den damals in Frankreich dominierenden bürgerlichen Revolutionären. Eine Mischung aus Paranoia und innenpolitischen Profilierungsbedarfs. Erwies sich als eine ziemlich schlechte Idee und führte indirekt zur Machtübernahme durch die Jakobiner.
Erst deren Terrorherrschaft führte dann dazu, daß die übrigen europäischen Mächte die Revolution als echtes Problem sahen.

Ulrich Elkmann Offline




Beiträge: 14.404

11.08.2016 13:49
#56 RE: Die jungen Totalitären und das Versagen der politischen Mitte Antworten

Zitat von Publius im Beitrag #54
Naja, vielleicht wurde der Kleinbauer später dadurch für die verlorene Zeit seiner Arbeitskräfte entschädigt, dass durch vermittelte Bildung die Produktivität seiner Kinder etwas gestiegen ist.


Leider eine weitgehende Illusion. Da gab es ganz-konkrete & nicht nur "gläserne" Decken - & vor allem in der vorindustrialisierten Gesellschaft schlicht keine Nischen, in die/über die man aufsteigen konnte. So ziemlich das einzige, was blieb, außer als Sohn eines Tagelöhners oder Kötters anders weitermachen zu können, war das Militär (wo alle Offiziersstellen natürlich auch unzugänglich waren) oder die christliche Seefahrt. Beides ziemlich letal & brutal. Die lower middle classes (oder was dazu werden sollte) id Städten hatten mehr als genug Nachwuchs, um die eigenen Reihen zu schließen. In England als Vorreiter der industriellen Revolution wird das im Lauf des 18. Jhdt.s für die größeren Städte, vor allem natürlich London, ein Riesenproblem, weil da die Landpomeranzen als billigste Dienstkräfte zuhauf einlaufen & zumeist in der Gosse enden. Das ändert sich erst, als mit der Industrialisierung ein riesiger Bedarf an Arbeitskräften entsteht; nicht zuletzt im Bergbau, um den "carboniferous capitalism" (©Lewis Mumford) anzutreiben.

Die inkrementale Verbesserung buten up'm Land erfolgte durch die "Hausväterliteratur" (die dann über veränderte Fruchtfolge oder veränderte Pflugwiesen/erhöhte Furchenränder & dgl.; Propfungsmethoden im Obstbau ppp. in Kenntnis setzte; u.a. von Jethro Tull [nicht der Pfeifenheini]) - und da brauchte es meist den Anstoß durch den Landadel, die das einführen ließen. Es gibt da Vorformen, daß durch gezielten Aufbau & Ansiedlung von Manufakturen zu fördern -New Lanark in Edinburgh ab den 1730ern etwa. Voltaire hat dann später in Ferney eine kleine Uhrenindustrie hochgezogen, wo dann auch solche Köttersöhne aus der Umgebung angelernt werden konnten; aber das war natürlich kleinteilig & aufgebaut hat er das mit schon fertigen Gesellen.



Les hommes seront toujours fous; et ceux qui croient les guérir sont les plus fous de la bande. - Voltaire

Dennis the Menace Offline




Beiträge: 459

11.08.2016 19:18
#57 RE: Die jungen Totalitären und das Versagen der politischen Mitte Antworten

Zitat von R.A. im Beitrag #49


Das aktuelle Problem liegt wohl vor allem darin, daß die Merkel-Ära eigentlich vorbei ist und nur noch der Anstoß fehlt, sie aufs Altenteil zu schicken.


Wer sollte das tun? Die Produktion von Alternativlosigkeit ist halt schon die Stärke von Frau M. Das hat zwar nicht viel mit Politik zu tun sondern eher was mit Machenschaften, aber böse Zungen behaupten ja, dass das mit Politik eh weitgehend deckungsgleich sei.


Zitat von R.A. im Beitrag #49

Und genau in dieser Phase fällt die SPD als Alternative aus. Wo es damals wenigstens einen Schröder gab, gibt es dort heute de facto ein Personalvakuum.


Richtig. Hinzu kommt die Präsenz der AfD, die dazu geeignet ist, parlamentarisch keine regierungsfähige Mehrheit ohne die CDU entstehen zu lassen. Mit anderen Worten: Die AfD befördert letzlich Merkels Alternativlosigkeit, obschon das die Freunde der AfD vermutlich nicht unbedingt beabsichtigen , sprich: Die Merkel-muß-weg-Litanei scheint ein Schuß zu sein, der eher nach hinten losgeht.

Im Multi-Parteien-Durcheinander der unentbehrliche Joker. Is doch gar nicht so schlecht. Da kann man die nicht sehr schmeichelhaften 35 % oder so verschmerzen.


Zitat von R.A. im Beitrag #49

Zu den strukturellen Schwierigkeiten, in einer modernen Demokratie politisches Führungspersonal zu finden und aufzubauen müßte ich vielleicht einmal einen eigenen Blogbeitrag schreiben.


Bin gespannt auf Ihre Argumente. Meine These gleich mal hier. Einen wirklich gut aussehenden Abgang hat bis jetzt noch kein Bundeskanzler hingekriegt. Wahrscheinlich geht das auch nicht.

Andererseits: Einen Nachfolger gibt's immer. Einen, der vom Vorgänger als Nachfolger gewünscht war, gab's bisher indessen auch noch nicht. Die meisten sind wohl der Auffassung: So gut wie ich kann eh keiner sein. Und beim Parteivorsitz kann's ja auch provisorische Zwischenlösungen geben - wie seinerzeit von den CDU-Granden in Hinblick auf Merkel gedacht, was allerdings bekanntlich 'n bissle schlicht gedacht war.

Eine evtl. ganz gute Lösung: Amtszeitbegrenzungen.

lich
Dennis

R.A. Offline



Beiträge: 8.171

11.08.2016 19:33
#58 RE: Die jungen Totalitären und das Versagen der politischen Mitte Antworten

Zitat von Dennis the Menace im Beitrag #57
Zitat von R.A. im Beitrag #49
Das aktuelle Problem liegt wohl vor allem darin, daß die Merkel-Ära eigentlich vorbei ist und nur noch der Anstoß fehlt, sie aufs Altenteil zu schicken.

Wer sollte das tun?

Da kommen viele in Frage. Die "Alternativlosigkeit" bezieht sich ja nur auf Personal, die beim breiten Publikum als papabile gelten. Nicht auf Leute, die sich selber dafür halten - die gibt es immer reichlich. Und wenn die Not groß genug ist (d.h. wenn man akut Merkel abgesägt hat und eine Nachfolge braucht), dann sinkt auch das Anspruchsniveau.

Das beste Beispiel haben Sie ja selber genannt: Wer hätte Merkel bis drei Minuten vor ihrem Amtsantritt jemals für eine geeignete Nachfolgerin Kohls gehalten? Außer ihr selber?

Zitat
Mit anderen Worten: Die AfD befördert letzlich Merkels Alternativlosigkeit, obschon das die Freunde der AfD vermutlich nicht unbedingt beabsichtigen


Exakt. Das Mephisto-Prinzip in seiner schönsten Ausprägung.

Zitat
sprich: Die Merkel-muß-weg-Litanei scheint ein Schuß zu sein, der eher nach hinten losgeht.


Und vor allem: Diese Konzentration auf eine Personalie ist als Parteiraison riskant. Ist Merkel weg, ist weitgehend auch die Existenzgrundlage der AfD weg. Natürlich sehen das die AfD-Oberen nicht so - aber bei der Anhängerschaft wird es diesen Effekt geben.

Zitat
Meine These gleich mal hier. Einen wirklich gut aussehenden Abgang hat bis jetzt noch kein Bundeskanzler hingekriegt. Wahrscheinlich geht das auch nicht.


Mir geht es eigentlich eher darum, wie Leute überhaupt ins Amt kommen (bzw. vorher ins politische Geschäft). Da ist der spätere Abgang noch nicht so relevant.

Noricus Offline



Beiträge: 2.362

11.08.2016 21:03
#59 RE: Die jungen Totalitären und das Versagen der politischen Mitte Antworten

Zitat von R.A. im Beitrag #58
Wer hätte Merkel bis drei Minuten vor ihrem Amtsantritt jemals für eine geeignete Nachfolgerin Kohls gehalten?


Ich halte sie 11 Jahre danach noch nicht für eine solche.

Noricus Offline



Beiträge: 2.362

11.08.2016 21:25
#60 RE: Die jungen Totalitären und das Versagen der politischen Mitte Antworten

Zitat von Frank2000 im Beitrag #48
Zitat von nachdenken_schmerzt_nicht im Beitrag #47

Es gilt also immer die Königin, respektive ihre Ideengeber im Auge zu behalten. Aber wer macht das?



Zu Zeiten des ewigen Kanzlers waren das:

- Die selbstbewussten Minister (vor allem Außen, Finanzen)
- Die starken und mit eigener Machtbasis ausgestatteten Landesfürsten
- Die kritischen Medien
- Das Zünglein an der Waage FDP
- Die kritischen Künstler
- Die selbstbewussten Fraktionsvorsitzenden

Und zwar in der Reihenfolge.

Zu Zeiten von Deutschlands Totengräberin:

- Die AfD

Weitere Fragen?
Gruß



Zitat von R.A. im Beitrag #49
Da gibt es schon viele Gegengewichte, Frank2000 hat einige aufgezählt (wobei ich seinen aktuellen Vorschlag für recht falsch halte).


Ich denke, wir sind hier bei der Wurzel einer der Missverständnisse angelangt, die es in diesem Forum bei der AfD-Diskussion gibt. Man muss die Diagnose von der Therapie, das Problem von der Lösung unterscheiden.

Frank hat m.E. mit der Diagnose/der Problemumschreibung völlig Recht. Ich verstehe seinen Beitrag auch nicht so, dass er die AfD als die Therapie/Lösung ansieht.

Es ist jedoch ein Problem für den Pluralismus in diesem unserem Lande, wenn ein grüner Ministerpräsident für das Wohlergehen der CDU-Frau Merkel betet und sein SPD-Kollege zugunsten der amtierenden Kanzlerin auf einen Herausforderer verzichten würde. Die Einzigen, die wider diesen Stachel löcken, der doch sehr ungut nach "Ich kenne keine Parteien mehr, nur noch Deutsche" tönt, sind die AfDler (und in begrenztem Maße die CSU).

Dies bedeutet noch lange nicht, dass die AfD die Lösung des Problems ist. Sie ist es nicht. Aber solange die politische Mitte dem Merkel-Mainstream sprach- und widerstandslos gegenübersteht, erscheint die AfD als attraktiv.

R.A. Offline



Beiträge: 8.171

12.08.2016 09:54
#61 RE: Die jungen Totalitären und das Versagen der politischen Mitte Antworten

Zitat von Noricus im Beitrag #60
Ich verstehe seinen Beitrag auch nicht so, dass er die AfD als die Therapie/Lösung ansieht.

Wenn man seine sonstigen Beiträge kennt, kann man das vermuten.
Aber der zitierte Beitrag ist kaum anders zu interpretieren.

Denn er bringt eine Reihe von Faktoren, die früher Macht-begrenzend wirkten und im Kontext dieser Diskussion als positiv zu werten sind. Und als aktueller Faktor kommt dann die AfD.
Nach normaler Sprachlogik wäre dann also die AfD das moderne Äquivalent zu kritischer Presse und starken Ministern etc. Und diese Vorstellung halte ich eben für falsch.

Fluminist Offline




Beiträge: 2.015

12.08.2016 10:28
#62 RE: Die jungen Totalitären und das Versagen der politischen Mitte Antworten

Zitat von R.A. im Beitrag #61
Nach normaler Sprachlogik wäre dann also die AfD das moderne Äquivalent zu kritischer Presse und starken Ministern etc. Und diese Vorstellung halte ich eben für falsch.

Daß mein Sprachgefühl möglicherweise nicht normal ist, haben wir andernorts kürzlich diskutiert, lieber R.A., aber ich muß ehrlich sagen, daß ich Frank2000s Beitrag auch so verstanden habe wie Noricus, und nicht anders. Früher gab es die eigenständig denkenden Ministerpräsidenten etc., heute gibt es statt all dessen nichts als ausgerechnet die (post-Lucke) AfD. Das ist kein Vorschlag, sondern ein Armutszeugnis für die politische Kultur in Deutschland.

nachdenken_schmerzt_nicht Offline




Beiträge: 2.007

12.08.2016 10:50
#63 RE: Die jungen Totalitären und das Versagen der politischen Mitte Antworten

Zitat von Fluminist im Beitrag #62
... daß ich Frank2000s Beitrag auch so verstanden habe wie Noricus, und nicht anders. Früher gab es die eigenständig denkenden Ministerpräsidenten etc., heute gibt es statt all dessen nichts als ausgerechnet die (post-Lucke) AfD. Das ist kein Vorschlag, sondern ein Armutszeugnis für die politische Kultur in Deutschland.

Dieses ist auch mein sehr eindeutiges Sprachgefühl.

Zunächst die Benennung von Faktoren, die früher Macht-begrenzend wirkten und im Kontext dieser Diskussion als positiv zu werten sind. Danach die Nennung der AfD als aktuell einzig Macht-begrenzender Faktor, mit dem Zusatz: "Weitere Fragen?"

Wie will man das anders lesen, als ein Lamento über den derzeitigen politschen Zustand Deutschlands, wenn jemand, der noch dazu erst aus der AfD ausgetreten ist, feststellt, dass die AfD der einzig (politisch) verbliebene Macht-begrenzender Faktor der aktuellen Regierung geblieben ist?

Herzlich


nachdenken_schmerzt_nicht

"Dort, wo es keine sichtbaren Konflikte gibt, gibt es auch keine Freiheit." - Montesquieu

R.A. Offline



Beiträge: 8.171

12.08.2016 11:39
#64 RE: Die jungen Totalitären und das Versagen der politischen Mitte Antworten

Zitat von nachdenken_schmerzt_nicht im Beitrag #63
Dieses ist auch mein sehr eindeutiges Sprachgefühl.

OK, beim Stand von 3:1 gebe ich mich geschlagen ;-)
Und die beschriebenen Interpretationen scheinen tatsächlich mehr Sinn zu geben als mein erster Eindruck.

Ulrich Elkmann Offline




Beiträge: 14.404

12.08.2016 12:57
#65 RE: Die jungen Totalitären und das Versagen der politischen Mitte Antworten

Nicolaus Fest hat den Befund - mit dem ich übereinstimme - vor gut 2 Monaten unter dem provokanten Titel: "Hort der Freiheit - die neuen Rechten" in seinem Diarium festgehalten.

http://nicolaus-fest.de/hort-der-freiheit-die-neuen-rechten/

Zitat von 19.06.2016
Kürzlich meinte der keineswegs konservative eidgenössische Publizist Frank A. Meyer im Züricher ‚Sonntagsblick’: „Zuvorderst die bürgerliche Sozialdemokratie hat vor der Ideologie einer religiös ummäntelten Männerherrschaft abgedankt – und den Kampf für die Frauenrechte, die Religionsfreiheit und den strikt säkularen Staat der äußeren Rechten überlassen. Linke Politik und Publizistik haben den Rechtspopulisten die Freiheitsfahne abgetreten.“ Meyer schrieb dies mit Blick auf die Schweiz – aber seine Feststellung gilt für ganz Europa, und es ist die kürzeste und klügste Analyse der gegenwärtigen politischen Verschiebungen.
...
Dass sich die AfD, trotz aller Fehler, Behinderungen und ohne Betonung ihres sozialen Programms, aus dem Stand in mehreren Bundesländern als dritte Kraft etablieren konnte, ist ein Signal. Denn auch in der verbreiteten Antipathie gegen Brüssel, gegen eine erdrückende und freiheitsfeindliche Bürokratie, äußert sich ein Begehren, dass man den Deutschen nie zutraute: Nach Selbstbestimmung und politischer Freiheit. Diese Ziele aber werden in Deutschland von keiner der Altparteien mehr vertreten. Die immer neu abgebügelte Diskussion um eine Vereinfachung des Steuerrechts zeigt das ebenso wie der Wortbruch beim Soli oder die Drangsalierung der privaten Krankenkassen: Wann immer es um die Frage geht, ob der Einzelne sein Leben nicht besser selbst regeln und eigenständig entscheiden sollte, was er mit seinem Geld macht, entscheidet die Politik für den Nannystaat.
...
Das Aufkommen rechter Alternativen ist daher, anders als behauptet, kein Zeichen einer Renaissance nationalistischen Gedankenguts oder einer Re-Christianisierung; es ist vielmehr ein Zeichen einer neuen Freiheitsdebatte. Sie steht hinter allen Fragen nach Nation und Identität. Wer die Freiheit der westlichen Lebensart verteidigen will, findet nur bei den neuen Rechten Antworten. Die alten Parteien sind so sprachlos wie unglaubwürdig, ihre politische Substanz ist erschöpft.



Als weiterer Faktor kommt für den "Standort D" wohl hinzu, daß viele, wenn nicht fast alle Punkte der Garantierung der öffentlichen Sicherheit, der Vertragswahrung, der Fähigkeit, säumige Vertragspartner überhaupt in Regress nehmen zu können (& sich nicht statt dessen à la Putogan & Erwin erpressbar zu machen), nur über die klassische nationalistische Ausrichtung gewährleistet werden können, in einem Land, wo schon die bloße Erwähnung "nationale Interessen" regelmäßig zu Paroxysmen von PC-Fieberschüben führt.



Les hommes seront toujours fous; et ceux qui croient les guérir sont les plus fous de la bande. - Voltaire

Noricus Offline



Beiträge: 2.362

12.08.2016 20:15
#66 RE: Die jungen Totalitären und das Versagen der politischen Mitte Antworten

Zitat von R.A. im Beitrag #64
Zitat von nachdenken_schmerzt_nicht im Beitrag #63
Dieses ist auch mein sehr eindeutiges Sprachgefühl.

OK, beim Stand von 3:1 gebe ich mich geschlagen ;-)
Und die beschriebenen Interpretationen scheinen tatsächlich mehr Sinn zu geben als mein erster Eindruck.


Methodisch korrekt wäre es wohl, den Urheber der besprochenen Äußerung selbst zu fragen: Wie war Beitrag #48 gemeint, lieber Frank?

Frank2000 Offline




Beiträge: 3.422

14.08.2016 09:17
#67 RE: Die jungen Totalitären und das Versagen der politischen Mitte Antworten

Zitat von Noricus im Beitrag #66

Wie war Beitrag #48 gemeint, lieber Frank?


Noricus, n_s_n und viele andere haben das schon sehr gut beschrieben. R.A. stört sich semantisch zu Recht an der Konstruktion. In einem sachlichen Artikel hätte die Formulierung wie folgt lauten müssen:

Zu Zeiten von Deutschlands Totengräberin:

- Nur noch die AfD


Aber dann hätte es sich nicht so knackig gelesen, nicht wahr?

___________________
Kommunismus mordet.
Ich bin bereit, über die Existenz von Einhörnern zu diskutieren. Aber dann verlange ich außergewöhnlich stichhaltige Beweise.

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