Zitat von Llarian im Beitrag #22Kein Mensch weiss wie lange der Ausfall dauert.
Das ist natürlich ein wichtiger Punkt. Bei Stromausfall wird jeder Fillialleiter wohl erst einmal gleich reagieren: Räumung des Ladens und Abschließen.
Aber wenn sich nach ein paar Stunden herausstellt (dazu müßte er natürlich Radioempfang haben), daß eine größere Region betroffen ist und es einige Tage dauern wird (was m. E. schnell feststehen und dann auch gemeldet wird) - dann muß er sich halt entscheiden. Und dann ist es schon sinnvoll, mindestens die Frisch- und Kühlware formlos abzugeben. Und zwei/drei Tage später dann auch die Büchsen etc., wenn die Leute echt Hunger haben. Dann kann es sogar sein, daß die Polizei die Herausgabe der Vorräte erzwingt. Unterlassene Hilfeleistung ist ja auch strafbar.
Zitat von Peter Zeller im Beitrag #21Menschen ohne Nahrungsmittel sind kein Mob.
Nicht per se. Aber die, die gewaltsam einen Laden aufbrechen und plündern kann man schon so bezeichnen.
Die Erfahrung zeigt, daß bei unkontrollierter Situation die Leute sich eben nicht nur mit dem Nötigsten versorgen, sondern daß immer auch echte Plünderungen stattfinden (z. B. bei den Schnapsvorräten ...). Das ist dann schon Mob.
Zitat von Peter Zeller im Beitrag #23Daß das Telefonnetz autonom versorgt sei, trifft nicht zu. Wenn im Ort der Strom ausfällt, ist auch das Festnetz weg.
Mir passiert: Morgens um 8 Uhr Anruf aus dem Nachbarort wegen Leichenschau. Mir war klar, Tod durch Lungenödem, eine Spritze hätte retten können. Auf meinen Vorwurf, warum man mich in der Nacht nicht gerufen hatte, die Antwort: Haben wir versucht, aber wir konnten Sie nicht erreichen.Peinlich. Rettung Telekom: von 24 h bis 8 h kein Strom im ganzen Ort.
Es steht bereits oben, lieber Herr Zeller: Bei analogen Telefonen ist das eben nicht der Fall, zumindest dann, wenn der Stromausfall nicht auch die Vermittlungsstelle hinrafft. Nu gibts auch immer weniger analoge Anschlüsse.
Btw. Ich kann nicht ganz nachvollziehen, wie man jemanden mit lebensbedrohenden Problemen liegen lässt, nur weil das Telefon ausfällt. Das Auto sollte ja davon nicht betroffen sein. Ist es nicht eher so, dass die Angehörigen die Bedrohung selber nicht richtig eingeschätzt haben ?
Wasserschlösser werden gebaut, damit der Druck in den Leitungen immer gleich bleibt (hydrostatischer Druck). Sie werden mW permanent befüllt (durch elektrich betriebene Pumpen), die Wasserreservoire sind idR unterirdisch.
Frankreich: Hier sind die Ortschaften weiter voneinander entfernt als zB in D.Hier zahlt man überall mit Scheckkarte, mittlerweile sogar beim Bäcker und Zeitschriftenhändler.Hier im der Bresse sind alle Stromleitungen oberirdisch und anfällig wegen des weichen Bodens und der häufig heftigen Stürme. Wir hatten einen Ausfall von 4 Tagen:kein Kühlschrank, Inhalt Gefrierschrank ruiniert, kein Festnetz, kein Internet. Durch eien Trick ließ sich der Gasherd starten, also wenigstens Kaffee.
Zitat von Llarian im Beitrag #25aber sie sagen deutlich etwas über die Erwartung von Investoren aus
Und die Investoren wissen eben derzeit (wie alle übrigen) nicht, wie es weitergeht. Insbesondere nicht, ob der Brexit überhaupt kommt und wenn ja, wann und zu welchen Bedingungen. Hätte ich britische Aktien, würde ich die doch jetzt nicht panikartig abstoßen - denn die Sache geht am Ende doch aus wie das Hornberger Schießen.
Zitat Die britische Wirtschaft hatte schon vor dem Brexit gewaltige Probleme ...
Aber weniger als viele andere europäischen Länder. Die jetzigen Erwartungen wg. Brexit basieren natürlich immer auf den schon vorhandenen Stärken und Schwächen.
Zitat Ich würde eher behaupten, dass der Brexit für die Wirtschaft von GB nicht absolut kriegsentscheidend ist, ...
Davon gehe ich auch aus - eben weil ich erwarte, daß die Konditionen am Ende so wie bei Norwegen/Schweiz wären. D.h. offiziell Nicht-Mitglied, de facto Mitglied mit minderen Rechten. "Kriegsentscheidend" könnte der Brexit natürlich werden, wenn anders verhandelt wird, wenn also z. B. am Ende ein Ausscheiden aus dem Binnenmarkt incl. Freizügigkeit stünde. Unwahrscheinlich, aber möglich.
Zitat von R.A. im Beitrag #30Insbesondere nicht, ob der Brexit überhaupt kommt und wenn ja, wann und zu welchen Bedingungen.
Das Ding ist ja seit dem ersten Tag nicht tot zu kriegen. Nur mal ab von der deutschen Kampfpresse sieht es kaum danach aus, als wolle GB diesen Schritt nicht gehen. Ich glaube die meisten Briten werden, wenn sie wählen müssen zwischen einer Demokratie und der Mitgliedschaft in der EU, die Demokratie wählen. Und nebenbei bemerkt, wenn man sieht was sich seit dem in der EU getan hat, könnte ich mir auch vorstellen, dass das Votum heute noch deutlicher ausfallen würde.
Zitat Hätte ich britische Aktien, würde ich die doch jetzt nicht panikartig abstoßen - denn die Sache geht am Ende doch aus wie das Hornberger Schießen.
Das halte ich für Wunschdenken.
Zitat
Zitat Die britische Wirtschaft hatte schon vor dem Brexit gewaltige Probleme ...
Aber weniger als viele andere europäischen Länder.
Mag wohl sein, es ging aber auch eher um den Begriff "Powerhouse", den der Fluminst eingeworfen hat. Derzeit muss man konstatieren, dass kaum ein europäisches Land derzeit eine besonders gesunde Struktur hat. Natürlich ist der Einäugige unter den Blinden König, aber viel sehen tut er trotzdem nicht.
Zitat Davon gehe ich auch aus - eben weil ich erwarte, daß die Konditionen am Ende so wie bei Norwegen/Schweiz wären. D.h. offiziell Nicht-Mitglied, de facto Mitglied mit minderen Rechten.
Das glaube ich nicht. Ich bin sogar sicher, dass das nicht passieren wird. Die Freizügigkeit ist seit der Vernichtung von Dublin durch Merkel nicht mehr im Interesse der Briten. Und die werden mit aller Wahrscheinlichkeit lieber diverse bittere Pillen schlucken als sich dem deutschen Irrweg anzuschliessen. Wieder nebenbei bemerkt: Ich denke das viele europäische Länder das so sehen. Sie machen es nur nicht so laut wie die Briten und haben noch mehr Angst alleine zu stehen.
Zitat "Kriegsentscheidend" könnte der Brexit natürlich werden, wenn anders verhandelt wird, wenn also z. B. am Ende ein Ausscheiden aus dem Binnenmarkt incl. Freizügigkeit stünde. Unwahrscheinlich, aber möglich.
Und das ist eben falsch. Das Ende der Freizügigkeit tut den Briten nicht weh und ein Ausscheiden aus dem Binnenmarkt eben auch nur etwas. Davon geht das Land nicht kaputt. 200 Nationen weltweit sind nicht Teil des europäischen Binnenmarktes, und die verhungern auch nicht. Es wird schaden, klar, aber gemessen an den anderen Problemen, die, wie ich schon sagte, fast alle Nationen in Europa haben, ist das nichts dramatisches. Machen wir es ganz simpel: Die Kosten für das Ausscheiden aus dem Binnenmarkt sind deutlich (!) geringer als die Kosten, die Merkel mit ihrer Flüchtlingskrise verursacht hat. Und das sind nur die monetären Kosten, die gesellschaftlichen Folgen dürften noch weit gravierender sein. Der einzige Grund, warum sich Deutschland das leisten kann, ist seine erfolgreiche Wirtschaft. Die Briten starten in einer schlechteren Startposition, aber die Lasten die durch ein solches Ausscheiden aus dem Binnenmarkt entstehen, sind deutlich geringer als die Politik Merkel. Und auch hier wieder die Randbemerkung: Ich habe die Befürchtung das dieses Ausscheiden am Ende den Deutschen noch am meisten schaden wird. Eigentlich müssten sich die Deutschen aus purem Eigeninteresse dafür einsetzen einen Freihandelsvertrag auf den Brexit folgen zu lassen. Aber man ist lieber die beleidigte Leberwurst, kümmert ja keinen wer da wieder seine Arbeit verliert.
Zitat von Doeding im Beitrag #7Nachtrag: ich hoffe, das ist dem Threadersteller Noricus nicht zu sehr OT; ansonsten erbitte ich einen Zaunpfahl.
Kein Zaunpfahl, sondern die Bitte, die von dem bescheidenen Anstoß meines Artikelchens ausgehende, äußerst interessante Diskussion fortzusetzen!
Im Übrigen pflichte ich auch Fluminist bei:
Zitat von Fluminist im Beitrag #9 [OT kann das doch nicht sein, das Thema sind schließlich Kollateralschäden von ideologisch motivierten Fühlgutentscheidungen.]
Was mich am meisten beeindruckt ist, daß Natur- und Landschaftsschutz nicht mehr zählen wenn es darum geht Windräder oder Äcker und Fabriken für Biomasse zu errichten. Ich frage mich immer was das soll. Es heißt man muss die Umwelt retten. Und was hab ich nach der Rettung? Eine Welt voll mit Windrädern, Maisfeldern und Gärbottichen. Ich bin mir nicht sicher ob drei Grad Erderwärmung ähnliche Zerstörungen hervorrufen können.
Zitat von R.A. im Beitrag #30Insbesondere nicht, ob der Brexit überhaupt kommt und wenn ja, wann und zu welchen Bedingungen.
Das Ding ist ja seit dem ersten Tag nicht tot zu kriegen. Nur mal ab von der deutschen Kampfpresse sieht es kaum danach aus, als wolle GB diesen Schritt nicht gehen. Ich glaube die meisten Briten werden, wenn sie wählen müssen zwischen einer Demokratie und der Mitgliedschaft in der EU, die Demokratie wählen. Und nebenbei bemerkt, wenn man sieht was sich seit dem in der EU getan hat, könnte ich mir auch vorstellen, dass das Votum heute noch deutlicher ausfallen würde.
Ich denke nach wie vor, dass die Einstellung der Briten zum Brexit den Ergebnissen der Austrittsverhandlungen mit der EU folgen wird. Wir haben hier ja den seltenen Fall, dass die Rechnung schon präsentiert wird, bevor das Mahl gegessen ist. Trotz aller Einschüchterungsversuche seitens der EU kann das UK ein Jahr und 364 Tage nach der Austrittsmitteilung immer noch erklären, dass es in der EU verbleibt. Ich glaube, an anderer Stelle bereits ausgeführt zu haben, dass nach allgemeinem Völkervertragsrecht eine Beendigungserklärung bis zu ihrem Wirksamwerden zurückgezogen werden kann und es sich auch aus ganz fundamentalen Rechtssätzen ergibt, dass ein Antragsverfahren ohne die vom Antragsteller begehrte Entscheidung endet, wenn der Antragsteller sein Gesuch vor der finalen Entscheidung zurückzieht.
Da ich ja zum OT ermutigt habe: Wie wäre in Deutschland die Stimmung gewesen, wenn Kohl annis 89/90 detailliert ausgeführt hätte, dass die Landschaften nicht für lau blühen, sondern er den Kostenpunkt wenigstens annähernd zutreffend bekannt gegeben hätte? (Ich bin vielleicht so naiv, Kohl keine böse Absicht zu unterstellen. Viele, auch ich, haben sich darüber getäuscht, wie desolat die DDR vor der Wende tatsächlich dastand.)
Zitat von Noricus im Beitrag #34Wie wäre in Deutschland die Stimmung gewesen, wenn Kohl annis 89/90 detailliert ausgeführt hätte, dass die Landschaften nicht für lau blühen, sondern er den Kostenpunkt wenigstens annähernd zutreffend bekannt gegeben hätte?
Der Vorlauf läßt sich einigermaßen terminieren: Bis etwa Mitte Februar 90 herrschte nur zahlenloser Taumel "wenn die Wiedervereinigung kommt, dann wird das aber kosten..." Danach wurden dann die ersten Schätzwerte laut (meiner Erinnerung nach aus Sozenzirkeln), das lautete auf 20 Mrd; das steigerte sich über 30 bis auf 50 im Juni - ab da war das ein Horrorwert/wort, unnennbar wie Voldemorts Namen; und im August war auf einmal der Nennwert "80 Milliarden" in den Medien. Darauf hat Schäuble ziemlich kategorisch Funkstille an alle Beteiligten befohlen, um nicht, zumal vor den Wahlen, die Pferde scheu zu machen.
Les hommes seront toujours fous; et ceux qui croient les guérir sont les plus fous de la bande. - Voltaire
Zitat von Noricus im Beitrag #34 Trotz aller Einschüchterungsversuche seitens der EU kann das UK ein Jahr und 364 Tage nach der Austrittsmitteilung immer noch erklären, dass es in der EU verbleibt. Ich glaube, an anderer Stelle bereits ausgeführt zu haben, dass nach allgemeinem Völkervertragsrecht eine Beendigungserklärung bis zu ihrem Wirksamwerden zurückgezogen werden kann und es sich auch aus ganz fundamentalen Rechtssätzen ergibt, dass ein Antragsverfahren ohne die vom Antragsteller begehrte Entscheidung endet, wenn der Antragsteller sein Gesuch vor der finalen Entscheidung zurückzieht.
Das ist erst einmal deine Einschätzung, lieber Noricus, es gibt durchaus einige Leute, auch Juristen, die das anders sehen. Aber "for the sake of argument", nehmen wir das einmal an: Die Briten könnten wirklich noch einmal darüber nachdenken. Allerdings kaum mit einem Votum sondern nur per Parlamentsentscheidung. Und die entscheiden sich dann gegen den Brexit. Kann man sich die Folgen vorstellen? Das ganze Land würde zerreissen und es wäre eine Farce, die sich kaum Demokratie nennen dürfte. Wie würdest Du Dich fühlen, wenn dein erklärter (!) Wille, derart penetrant ignoriert würde? Dagegen ist normale "Poltikverdrossenheit" sehr harmlos. Dazu kommt das wir von einer Situation in wenigstens 2 Jahren reden. Bis dahin wirds der EU nicht besser gehen, ganz im Gegenteil. Die Auflösungserscheinungen der letzten Monate waren ja schon deutlich. Das ist nicht gerade ein Argument drin zu bleiben. In deutschen Zeitungen wird permanent der Eindruck erweckt, die Briten hätten eigentlich bei ihrer Abstimmung gar nicht gewusst, was sie da tun. Und wenn sie es wüssten, würden sie es nicht tun. Das ist eine ziemlich typisch deutsche Arroganz. Ich denke das eine Menge Leute durchaus sehr bewusst abgestimmt haben, und das durchaus in Kenntnis, das es nicht für lau sein würde. Aber sie betrachten andere Dinge als wichtiger.
Zitat Da ich ja zum OT ermutigt habe: Wie wäre in Deutschland die Stimmung gewesen, wenn Kohl annis 89/90 detailliert ausgeführt hätte, dass die Landschaften nicht für lau blühen, sondern er den Kostenpunkt wenigstens annähernd zutreffend bekannt gegeben hätte? (Ich bin vielleicht so naiv, Kohl keine böse Absicht zu unterstellen. Viele, auch ich, haben sich darüber getäuscht, wie desolat die DDR vor der Wende tatsächlich dastand.)
Ich glaube nicht, dass sich viel geändert hätte, denn die Wende war schon etwas besonderes und ich kann mich durchaus erinnern, dass ich in meiner Familie (aufgrund meines Alters) fast der einzige war, der die deutsche Einheit eher in Frage gestellt hat. Da spielen eben nicht nur wirtschaftliche Überlegungen eine Rolle. Das Problem der Briten lässt sich nicht auf Wirtschaft reduzieren und Menschen sind durchaus bereit auch wirtschaftliche Nachteile hinzunehmen, wenn sie etwas für richtig halten. Das ist ja bei Energiequatsch und Flüchtlingsmumpitz auch nicht anders.
Zitat von Noricus im Beitrag #1Die Energiewende eröffnet so einige moralische Dilemmata, auch und gerade wenn man sich in einem grünen Paradigma bewegt. Ein Beispiel.
Lieber Noricus.
Ich habe schon viel über das von dir hier thematisierte nachgedacht und es erscheint mir mehr als nur ein moralisches Dilemmata zu sein. Es ist schlicht ein grandioses Beispiel dafür, dass in Deutschland mit den falschen Argumenten Politik gemacht wird und deswegen zwangsläufig falsche Entscheidungen getroffen werden.
Die Argumente zur Energiewende oder zum Abschalten der AKWs waren falsch, wie auch die daraus entstandenen Entscheidungen. Es gäbe nun unzählige gute Argumente gegen die Energiewende aber diese werden nicht bemüht. Stattdessen betrauert man ein paar Vögel.
Nicht falsch verstehen. Naturschutz ist eine sinnvolle Sache aber wenn die Energiewende für den Menschen den goldenen Weg in die Zukunft bedeuten würde, wären ein paar Vögel belanglos. Genauso wie ein paar Käfer nicht ein Argument gegen das Wohl vieler Menschen sein dürfen.
Es wird diffus in der Emotion argumentiert, statt in der Sache. So kommt zwangsläufig Unsinn heraus. Oder wie du es nennst Dilemmata. Die Ausrottung der Menschheit durch das Atom oder die Energiewende als Errettung vor einer neuen Sintflut sind genauso sinnlose Argumente wie ein paar tote Vögel oder Käfer, wenn es um das Gemeinwohl geht.
Wohlgemerkt: Dies ist keine Absage Naturschutz, sondern das Beklagen einer emotionsgeladenen, sachfremden Debattenkultur. Und das gilt ja nicht nur für die Energiewende. Es gilt für die Euro Politik, die Brexit Debatte und in sehr hohem Maße für die aktuelle Migratiospolitik (und vieles mehr).
Vernünftige Entscheidungen rücken in weit Ferne, weil völlig sinnbefreit ausschließlich Emotionen als Argumente ins Feld geführt werden anstelle von Vernunft. Ein Trauerspiel deutscher Politik. Und seine "Eliten" entblöden sich nicht es zu spielen und für gut zu befinden.
Deswegen besitze ich derzeit auch keine kurzfristige Hoffnung auf eine neue, an der Vernunft orientierten, politischen Kraft. Zuallererst muss dazu hierzulande die bestehende Empathokratie überwunden werden und bis dahin wird man nicht mehr als zwischen zwei Übeln wählen können und sollte versuchen dies so zu tun, dass nicht eines der beiden zu mächtig wird.
Herzlich
nachdenken_schmerzt_ nicht
ps: Man verzeihe mir bitte Form und Formulierung des Beitrags. Das i phone ist mir als Input Device eine Qual.
"Dort, wo es keine sichtbaren Konflikte gibt, gibt es auch keine Freiheit." - Montesquieu
Zitat von Fluminist im Beitrag #9Auch war der Startpunkt der britischen Wirtschaft ausgesprochen gut: vor dem 23. Juni war Großbritannien dieses Jahr gewissermaßen das europäische Powerhouse, endlich ging es unverkennbar aufwärts;
Das halte ich aber für ganz schwere Legendenbildung, lieber Fluminist. Die britische Wirtschaft hatte schon vor dem Brexit gewaltige Probleme, vor allem die Feststellung das die postindustrielle Dienstleistungsgesellschaft eben doch nicht so dolle funktioniert, wie man gedacht hat. Wie gut ein "Powerhouse" aus "Finanzprodukten" besteht, hat schon die Krise 2008 eindringlich belegt.
Ist natürlich alles relativ. Gemeint hatte ich, daß das britische Wirtschaftswachstum zuletzt, in der 1. Hälfte 2016, so gut war wie seit der Finanzkrise nicht mehr, so daß es für einen Moment so aussah, als käme das Land fürs erste aus dem gröbsten heraus; aber das ist ja nun alles Schnee von gestern. Die langfristigen strukturellen Probleme sind natürlich noch eine ganz andere Baustelle, aber daran wurde in den letzten Jahren schon auch gearbeitet.
Andererseits liegt es aber doch auf der Hand, daß die durch das Übergewicht der Finanzdienstleistungsindustrie herbeigeführten Probleme durch eine Entscheidung, die den freien Kapitalverkehr mit den europäischen Ländern nur behindern kann, verschärft werden. Während man vom schwachen Sterling-Wechselkurs wegen des beschränkten Anteils an produzierender Industrie nicht so sehr profitieren kann.
Zitat von Llarian im Beitrag #31Ich glaube die meisten Briten werden, wenn sie wählen müssen zwischen einer Demokratie und der Mitgliedschaft in der EU, die Demokratie wählen.
Das ist eine Scheinalternative genau in dem pathetischen Stil, mit dem die Leave-Kampagne Stimmung gemacht hat. Dazu muß man sich vor Augen halten, daß in Großbritannien "Demokratie" seit je "parlamentarische Demokratie" heißt und das demagogisch-plebiszitäre Verfahren nur jetzt von den UKIP-Leuten so hochgejubelt wird, weil sie auf dem normalen repräsentativ-demokratischen Weg seit Jahrzehnten nichts gebacken kriegen. Was immer dieses Referendum war, hinsichtlich der Qualität seiner Fragestellung und der vorhergehenden Kampagnen auf beiden Seiten war es alles andere als eine Sternstunde der Demokratie.
Zitat von Llarian im Beitrag #36Aber "for the sake of argument", nehmen wir das einmal an: Die Briten könnten wirklich noch einmal darüber nachdenken.
Die Briten könnten nicht nur noch einmal darüber nachdenken, sondern sie müssen sogar. Daß der Artikel 50 noch nicht aktiviert wurde, hat ja nicht allein mit taktischem Zögern zu tun, sondern schlicht damit, daß die Regierung noch gar keine genaue Vorstellung davon hat, was eigentlich das Ziel des Brexit sein soll. Weil eben der angeblich so klare Wählerauftrag wegen der Schwammigkeit der Fragestellung überhaupt nicht klar ist. Dafür, ein Referendum zu gewinnen, reicht ein plattes "nichts wie raus hier" offenbar aus, aber um wirklich in Verhandlungen zu treten, braucht man schon etwas konkretere Zielvorgaben. Und da wird sich auch der eingefleischte Brexiteer, der passender- oder listigerweise mit dem Amt des Ministers für den Austritt aus der EU betraut wurde, schwer tun, einen wirklich mehrheitsfähigen Plan auf die Füße zu stellen. Die immer wieder ins Spiel gebrachte Norwegen/Schweiz-Verlegenheitslösung beispielsweise hat den gravierenden Schönheitsfehler, daß sie Großbritanniens Position gerade in den Punkten, die die Hauptanliegen der Leave-Kampagne waren, verschlechtert und unter dem Strich (wenn man sie eben nüchtern betrachtet und nicht im Taumel einer Scheinalternative Demokratie vs EU oder "control our own destiny" vs Fremdbestimmung) nicht besser aussieht als die EU-Mitgliedschaft.
Das Referendum vom 23. Juni gibt bestenfalls den Auftrag, eine Lösung für den Austritt aus der EU zu erarbeiten. Diese Lösung müßte dann aber, wenn man wirklich so viel auf Demokratie hält, direkt konkurrierend mit dem Status Quo zur Abstimmung gestellt werden, im Parlament oder meinetwegen in einem Referendum. Die vorangehenden Debatten hätten dann konkrete Anhalts- und Angriffspunkte und könnten eine rationalere Entscheidung vorbereiten als das mehr ans Bauchgefühl appellierende Geschwurbel von Schicksal*, Blut** und Boden***, das bisher die Diskussion dominiert.
* "Control your own destiny" ** Farage erinnert in letzter Zeit vermehrt an Enoch Powell, den mit den "rivers of blood" *** "I want my country back"
Zitat von Noricus im Beitrag #1Die Energiewende eröffnet so einige moralische Dilemmata, auch und gerade wenn man sich in einem grünen Paradigma bewegt. Ein Beispiel.
Die Argumente zur Energiewende oder zum Abschalten der AKWs waren falsch, wie auch die daraus entstandenen Entscheidungen. Es gäbe nun unzählige gute Argumente gegen die Energiewende aber diese werden nicht bemüht. Stattdessen betrauert man ein paar Vögel.
Sie haben ja Recht.
Aber Spaß macht es halt schon, zu sehen wie diejenigen, die noch vor ein paar Monaten wegen eines Käfers ein Infrastruktur Großprojekt stoppen wollten, jetzt rumeiern wenn es um viel größere Tiere geht.
Und warum nicht auch die Waffen des Gegners nutzen? Die Grünen sind durch diese Emotionalisierung groß geworden. Ich finde es durchaus angebracht sie damit auch zu bekämpfen. Argumente und Tatsachen interessieren außerhalb dieses Forums doch eh keinen mehr.
Zitat von nachdenken_schmerzt_nicht im Beitrag #37Deswegen besitze ich derzeit auch keine kurzfristige Hoffnung auf eine neue, an der Vernunft orientierten, politischen Kraft. Zuallererst muss dazu hierzulande die bestehende Empathokratie überwunden werden und bis dahin wird man nicht mehr als zwischen zwei Übeln wählen können und sollte versuchen dies so zu tun, dass nicht eines der beiden zu mächtig wird.
Ich glaube ja inzwischen, daß an den Sprüchen vom Typ "uns geht es einfach zu gut" viel dran ist. Wenn es dem Esel zu gut geht, geht er aufs Eis. Ganz trivial und platt: erst mit einer großen, und für die allergrößten Bevölkerungsteile spürbaren Krise (insbesondere Wirtschaft inkl. Währung, äußere Sicherheit, Energie oder Naturkatastrophe) wird die Vernunft wieder einziehen. Dann übrigens rasend schnell und recht "nachhaltig", so meine Vermutung; je nachdem, wie abrupt die Krise einsetzt.
In gewisser Weise halte ich das gegenwärtige Deutschland für psychisch gestört. Und so wie viele psychische Erkrankungen eine Menge Zeit (für Kopfkino) und ja doch recht sichere Lebensbedingungen brauchen, um aufblühen zu können (eine Anorexie ist nur in einer Überflußgesellschaft überhaupt denkbar, in Regionen mit Nahrungsknappheit wird sie niemals beobachtet), so ist vieles, was wir heute sehen, mit der Westerwelleschen spätrömischen Dekadenz (oder halt Wohlstandsneurose) wohlumschrieben. Man kann ein Volk aber nicht "therapieren" (i. s. von aufklären, an die Vernunft appelieren), das offensichtlich eine Art sekundären Krankheitsgewinn aus seinen Neurosen zieht (u. a. kurzfristige Entlastung vom Nazischuldgefühl unter gleichzeitiger Perpetuierung desselben). Es wird ein böses Erwachen geben (müssen), das man sich paradoxerweise gleichwohl nicht herbeiwünschen sollte.
Zitat ps: Man verzeihe mir bitte Form und Formulierung des Beitrags. Das i phone ist mir als Input Device eine Qual.
Hey, Siri?
Herzliche Grüße, Andreas
"Man kann einen gesellschaftlichen Diskurs darüber haben, was Meinungsfreiheit darf. Oder man hat Meinungsfreiheit." (Christian Zulliger)
Zitat von Doeding im Beitrag #41Ich glaube ja inzwischen, daß an den Sprüchen vom Typ "uns geht es einfach zu gut" viel dran ist. Wenn es dem Esel zu gut geht, geht er aufs Eis.
Es gibt m.E. einen zweiten Faktor. Vielen voll im Berufsleben Stehenden fehlt einfach die Zeit und der Kopf sich umfassender zu informieren und sich vielleicht darüber hinaus auch noch zu engagieren. Das sind Leute, die die Realität der Wirtschaft kennen, auf deren Kosten aber eine verantwortungslose Politkaste ihr Unwesen treibt. Bricht die Wirtschaft ein werden sich auch solche Leute wieder einmischen. Ich denke an meinen jüngsten Bruder mit 6 Tage-Woche und maximal 2-3 Wochen Urlaub im Jahr: Seine einzige Informationsquelle ist der Deutschlandfunk, den er während Autofahrten nebenbei verfolgt.
Zitat In gewisser Weise halte ich das gegenwärtige Deutschland für psychisch gestört. Und so wie viele psychische Erkrankungen eine Menge Zeit (für Kopfkino) und ja doch recht sichere Lebensbedingungen brauchen, um aufblühen zu können (eine Anorexie ist nur in einer Überflußgesellschaft überhaupt denkbar, in Regionen mit Nahrungsknappheit wird sie niemals beobachtet), so ist vieles, was wir heute sehen, mit der Westerwelleschen spätrömischen Dekadenz (oder halt Wohlstandsneurose) wohlumschrieben. Man kann ein Volk aber nicht "therapieren" (i. s. von aufklären, an die Vernunft appelieren), das offensichtlich eine Art sekundären Krankheitsgewinn aus seinen Neurosen zieht. Es wird ein böses Erwachen geben (müssen), das man sich paradoxerweise gleichwohl nicht herbeiwünschen sollte.
Das sind die Folgen eines Nannystaates in dem nachteilige Folgen des individuellen Verhaltens auf ein recht erträgliches Maß begrenzt werden, und in dem nicht Chancengleichheit, sondern möglichst Ergebnisgleichheit propagiert werden. Woher sollen die Menschen Feedback bekommen, das ihrer Eigenleistung angemessen ist? Die Menschen sind nicht gestört, sie haben sich lediglich dem Biotop angepasst. Eine Ratio aber, dass solche Frösche den Teich freiwillig austrocknen lassen in dem sie sitzen wäre dagegen schon eher eine Störung.
Zitat von Doeding im Beitrag #41Zitat:In gewisser Weise halte ich das gegenwärtige Deutschland für psychisch gestört. Und so wie viele psychische Erkrankungen eine Menge Zeit (für Kopfkino) und ja doch recht sichere Lebensbedingungen brauchen, um aufblühen zu können (eine Anorexie ist nur in einer Überflußgesellschaft überhaupt denkbar, in Regionen mit Nahrungsknappheit wird sie niemals beobachtet), so ist vieles, was wir heute sehen, mit der Westerwelleschen spätrömischen Dekadenz (oder halt Wohlstandsneurose) wohlumschrieben. Man kann ein Volk aber nicht "therapieren" (i. s. von aufklären, an die Vernunft appelieren), das offensichtlich eine Art sekundären Krankheitsgewinn aus seinen Neurosen zieht. Es wird ein böses Erwachen geben (müssen), das man sich paradoxerweise gleichwohl nicht herbeiwünschen sollte.
Das sind die Folgen eines Nannystaates in dem nachteilige Folgen des individuellen Verhaltens auf ein recht erträgliches Maß begrenzt werden, und in dem nicht Chancengleichheit, sondern möglichst Ergebnisgleichheit propagiert werden. Woher sollen die Menschen Feedback bekommen, das ihrer Eigenleistung angemessen ist? Die Menschen sind nicht gestört, sie haben sich lediglich dem Biotop angepasst. Eine Ratio aber, dass solche Frösche den Teich freiwillig austrocknen lassen in dem sie sitzen wäre dagegen schon eher eine Störung.
Um in Ihrem Bild zu bleiben, lieber Martin: das Biotop selbst ist pathologisch, gleichsam toxisch, und in einem solchen Biotop gedeiht eben seinerseits nicht viel gesundes (wie auch?). Sich an pathologische Rahmenbedingungen anzupassen bedeutet eben in Teilen, seinerseits pathologisch zu agieren. Ich vermute, wir meinen da schon ähnliches. Freilich kann man es in sehr unterschiedlichen Bildern ausdrücken. Ich meine ja nicht, daß die Deutschen kollektiv und unabänderlich geisteskrank seien. Ich bin da in meiner Disziplin eher konservativer Anhänger des Situationismus.
Herzliche Grüße, Andreas
"Man kann einen gesellschaftlichen Diskurs darüber haben, was Meinungsfreiheit darf. Oder man hat Meinungsfreiheit." (Christian Zulliger)
Um in Ihrem Bild zu bleiben, lieber Martin: das Biotop selbst ist pathologisch, gleichsam toxisch, und in einem solchen Biotop gedeiht eben seinerseits nicht viel gesundes (wie auch?). Sich an pathologische Rahmenbedingungen anzupassen bedeutet eben in Teilen, seinerseits pathologisch zu agieren. Ich vermute, wir meinen da schon ähnliches. Freilich kann man es in sehr unterschiedlichen Bildern ausdrücken. Ich meine ja nicht, daß die Deutschen kollektiv und unabänderlich geisteskrank seien. Ich bin da in meiner Disziplin eher konservativer Anhänger des Situationismus.
Herzliche Grüße, Andreas
Lieber Andreas, im Ergebnis sind wir nicht weit auseinander, ich wollte nur betonen, dass ich die menschliche Anpassungsfähigkeit nicht als Störung betrachte. Seine im persönlichen Erlebnishorizont unauffälligen Rahmenbedingungen als pathologisch zu erkennen erfordert schon außergewöhnliche Fähigkeiten oder aber Erfahrung außerhalb, oder eine deutlich erkennbare Bedrohung des Biotops. Das wäre das von Ihnen skizzierte Szenario im vorangegangenen Beitrag, das man sich paradoxerweise nicht herbeiwünschen sollte (Teich wird ausgetrocknet).
Zitat von Llarian im Beitrag #31Nur mal ab von der deutschen Kampfpresse sieht es kaum danach aus, als wolle GB diesen Schritt nicht gehen.
Die deutsche Presse lese ich zu diesem Thema gar nicht mehr. Und in den britischen Medien wird sehr kontrovers darüber diskutiert, ob es am Ende wirklich zum Brexit kommen wird.
Zitat Ich glaube die meisten Briten werden, wenn sie wählen müssen zwischen einer Demokratie und der Mitgliedschaft in der EU, die Demokratie wählen.
Selbstverständlich, würde ich selber ja auch. Aber es muß eben niemand zwischen Demokratie und EU-Mitgliedschaft wählen. Man kann - wie die aktuelle Realität beweist - problemlos beides haben. Aber wie die aktuelle Realität auch beweist (insbesondere im Merkel-Deutschland) kann Demokratie mit vielen Fehlern und Problemen behaftet sein. Das hat dann aber mit der EU-Mitgliedschaft selber nicht viel zu tun.
Zitat Natürlich ist der Einäugige unter den Blinden König, aber viel sehen tut er trotzdem nicht.
Ein Einäugiger sieht sehr viel mehr als der Blinde und fast soviel wie der Zweiäugige. Das ist hier aber nicht der Punkt. Wenn man die wirtschaftliche Situation GBs beurteilt dann natürlich in Relation zu vergleichbaren Staaten, nicht in Relation zu einem Idealbild.
Zitat Die Freizügigkeit ist seit der Vernichtung von Dublin durch Merkel nicht mehr im Interesse der Briten.
Falls Du es nicht mitbekommen hast: Merkels Grenzöffnungspolitik hat sich in der EU nicht durchgesetzt. Sie hat Deutschland ein Privatproblem mit einer Million Zuwanderern beschert, ansonsten sind die Grenzen wieder dicht gemacht worden und es gibt keine Mehrheit in der EU für mehr Flüchtlinge von außen. Damit können auch die Briten leben. Und umgekehrt haben natürlich viele Briten ein sehr hohes Interesse daran, frei in die übrigen EU-Staaten reisen zu können incl. der Möglichkeit, dort zu studieren oder zu arbeiten. Natürlich teilen nicht alle Briten dieses Interesse. Den Brexit-Anhänger im ländlichen (man könnte auch sagen: zurückgebliebenen) Raum fehlen oft die persönlichen Eigenschaften um Freizügigkeit nutzen zu wollen. Aber während der Kampagne haben ja die Brexiteers so getan, als könne man gleichzeitig die volle Freizügigkeit der Briten behalten, die der anderen EU-Europäer aber einschränken. Auf diese Lüge sind einige Wähler reingefallen, und das kann schon mehrheitsrelevant sein.
Zitat Das Ende der Freizügigkeit tut den Briten nicht weh und ein Ausscheiden aus dem Binnenmarkt eben auch nur etwas.
Das ist vorsichtig gesagt eine kühne These. Die meisten Brexit-Szenarien gehen sehr wohl davon aus, daß GB die Vorteile des Binnenmarkts weiter nutzen kann.
Zitat 200 Nationen weltweit sind nicht Teil des europäischen Binnenmarktes, und die verhungern auch nicht.
Die liegen aber geographisch weit weg und nutzen komparative Vorteile, die GB nicht hat. GB lebt nicht vom Rohstoffexport, nicht von seinen billigen Arbeitskräften, nicht von seiner technologischen Kompetenz, nicht von der Strahlkraft seiner Luxusprodukte, nicht von seiner Attraktivität als Touristenziel. Es lebt von seiner Stärke in Handel und Finanzmarkt und davon, englischsprachiger Stützpunkt innerhalb der EU für Investoren aus anderen Kontinenten zu sein. Ohne die Vernetzung mit Europa ist GBs Wirtschaft ein Torso.
Zitat Die Kosten für das Ausscheiden aus dem Binnenmarkt sind deutlich (!) geringer als die Kosten, die Merkel mit ihrer Flüchtlingskrise verursacht hat.
Sie sind etwa vergleichbar. Und Du hast schon den entscheidenden Punkt getroffen: Der Brexit ist ein ähnlich massiver Fehler wie Merkels Grenzöffnung. Beides populistisch und aufs Wohlfühlen angelegt, ohne die Folgeprobleme zu berücksichtigen.
Es gibt ja Leute in Deutschland, die begrüßen den Brexit als Vorboten eines deutschen EU-Austritts. Dann hätten wir beide Schäden kombiniert - Flüchtlinge und Wirtschaftsdemontage.
Zitat Eigentlich müssten sich die Deutschen aus purem Eigeninteresse dafür einsetzen einen Freihandelsvertrag auf den Brexit folgen zu lassen.
Selbstverständlich. Der soll ja auch verhandelt werden. Aber Deutschland hat natürlich überhaupt kein Interesse daran, den Brexiteers ihre Extrawürste zu finanzieren. Freihandel ja, aber zu fairen Konditionen, wie mit Norwegen und der Schweiz.
Zitat von Fluminist im Beitrag #38Die immer wieder ins Spiel gebrachte Norwegen/Schweiz-Verlegenheitslösung beispielsweise hat den gravierenden Schönheitsfehler, daß sie Großbritanniens Position gerade in den Punkten, die die Hauptanliegen der Leave-Kampagne waren, verschlechtert und unter dem Strich (...) nicht besser aussieht als die EU-Mitgliedschaft.
Was würde sich denn im Sinne der Leavers dabei verschlechtern? (Bei oberflächlicher Betrachtung sieht es eher so aus, als würden sie in diesem Fall weniger bekommen, als sie sich erhofft haben; sie erhielten ihr Land gewissermaßen nur zu 2/3 zurück - aber eine Verschlechterung? In welcher Hinsicht?)
Zitat von Kallias im Beitrag #46Was würde sich denn im Sinne der Leavers dabei verschlechtern?
Die Variante Norwegen/Schweiz hieße für GB höhere Zahlungen an die EU und weniger Einfluß auf die Regeln des Binnenmarkts. Das wäre schon eine klare Verschlechterung. Es lassen sich natürlich auch andere Varianten aushandeln, aber die hätten dann natürlich andere Nachteile.
Man kann natürlich bei jeder dieser Varianten argumentieren, daß die jeweiligen Vorteile für GB die jeweiligen Nachteile wert sind.
Aber die Leavers haben eben in einer völlig unseriösen und populistischen Kampagne lauter Vorteile versprochen und die etwaige Nachteile abgestritten. Das kann natürlich nicht funktionieren.
Zitat von Fluminist im Beitrag #38Die immer wieder ins Spiel gebrachte Norwegen/Schweiz-Verlegenheitslösung beispielsweise hat den gravierenden Schönheitsfehler, daß sie Großbritanniens Position gerade in den Punkten, die die Hauptanliegen der Leave-Kampagne waren, verschlechtert und unter dem Strich (...) nicht besser aussieht als die EU-Mitgliedschaft.
Was würde sich denn im Sinne der Leavers dabei verschlechtern? (Bei oberflächlicher Betrachtung sieht es eher so aus, als würden sie in diesem Fall weniger bekommen, als sie sich erhofft haben; sie erhielten ihr Land gewissermaßen nur zu 2/3 zurück - aber eine Verschlechterung? In welcher Hinsicht?)
Punkt "EU-Ausländer raus" und "Wir wollen unsere Grenzen selber kontrollieren" : ein Norwegen/Schweiz-Deal würde prima facie (wenn nicht wieder eine Extrawurst gebraten wird, was in der gegenwärtigen Lage unwahrscheinlich ist) Schengen-Mitgliedschaft voraussetzen, also deutlich weniger Kontrolle über die Migration über die britische Grenze als im Moment.
Punkt "Wir bezahlen zu viel ein in die EU" : der Zugang zum Binnenmarkt wird auf jeden Fall Beiträge kosten. GB hatte hier traditionell in der EU Sonderkonditionen; einen solchen Rabatt müßte man erst einmal wieder heraushandeln, und dabei hat ein widerspenstiges Mitglied, das die anderen im Kreise zu halten versuchen, viel bessere Karten als jemand, der sich ohnehin gerade verabschiedet.
Punkt "EU ist nicht demokratisch genug, und wir wollen unsere Gesetze selbst machen" : als Klon von Norwegen/Schweiz wird GB keinerlei Mitspracherechte in der EU haben und nur am Empfängerende der politischen Vorgaben sitzen. Die Teilnahme am Binnenmarkt wird aber de facto eine Übernahme aller relevanten EU-Regeln in die britische Gesetzgebung erfordern.
Fazit: ein Norwegen/Schweiz-Deal würde zwar formal der Vorgabe eines EU-Austritts entsprechen, aber im einzelnen keine der Forderungen der Leave-Kampagne erfüllen. Ich kann mir nicht vorstellen, daß das sonderlich mehrheitsfähig wäre. Abgesehen davon, daß diese "Lösung" auch die can of worms, die der Brexit in Sachen Nordirland aufmacht, nicht aus der Welt schafft; zumindest müßte dann auch Irland dem Schengenraum beitreten.
Zitat von Fluminist im Beitrag #48Punkt "EU-Ausländer raus" und "Wir wollen unsere Grenzen selber kontrollieren" : ein Norwegen/Schweiz-Deal würde prima facie (wenn nicht wieder eine Extrawurst gebraten wird, was in der gegenwärtigen Lage unwahrscheinlich ist) Schengen-Mitgliedschaft voraussetzen, also deutlich weniger Kontrolle über die Migration über die britische Grenze als im Moment.
Ganz so weit wohl nicht: GB ist ja derzeit kein Schengen-Vollmitglied und müßte dies wohl auch nicht wegen der Austrittsverhandlungen werden.
Die Brexiteer-Kampagne war bei diesem Thema besonders wirr. Denn GB hat ja derzeit und als EU-Mitglied das Recht, seine Grenzen selber zu kontrollieren und macht das auch. Es hat auch überhaupt keinen Grund, sich vor Merkels "Flüchtlingen" zu gruseln - GB hatte das Recht sich gegen diese Zuwanderer abzuschotten und hat das auch konsequent gemacht.
Die ganze Flüchtlingsdebatte war in der Brexit-Kampagne nur vorgeschoben. Reales Ziel der Ressentiments mancher Brexiteers waren die polnischen Handwerker. Die einen sehr positiven Beitrag zur britischen Wirtschaft leisten und keinerlei Ärger machen.
Zitat von R.A. im Beitrag #49GB ist ja derzeit kein Schengen-Vollmitglied und müßte dies wohl auch nicht wegen der Austrittsverhandlungen werden.
Richtig. Aber es ginge hier nicht um den Austritt aus der EU, sondern um den Beitritt zu EFTA oder EEA: hierfür ist meines Wissens schon die Erwartung, daß ein Beitrittskandidat auch Schengen beitritt. Ist natürlich Verhandlungssache, aber besonders viel guten Willen wird sich GB mit seiner jüngsten Eskapade nun nicht zugezogen haben.
Zitat von R.A. im Beitrag #49Die ganze Flüchtlingsdebatte war in der Brexit-Kampagne nur vorgeschoben. Reales Ziel der Ressentiments mancher Brexiteers waren die polnischen Handwerker. Die einen sehr positiven Beitrag zur britischen Wirtschaft leisten und keinerlei Ärger machen.
Der ganze Einwanderer-Punkt war in der Leave-Propaganda ziemlich wirr. Eben rein auf das Bauchgefühl abgezielt, möglichst unter Ausschluß des Verstandes. Da war natürlich der polnische Handwerker und Feldarbeiter als Thema, das aber aus dem Grund, den Sie eben genannt haben, so gut wie nichts hergab. Dann war da rumänische Migrant der besonderen Art, der zwar als Schreckgespenst taugt, aber rein quantitativ auch nicht viel hermacht.
Aber bei den beiden anderen Horrorszenarien, die noch kurz vor der Abstimmung massiv aufgetischt wurden, hat Mrs Merkel wichtige Hilfestellung geleistet mit verschiedenen Aspekten ihrer Politik des letzten Jahres: Einerseits das vorgeschlagene EU-weite Flüchtlingsverteilungssystem und, nachdem das nicht auf viel Gegenliebe gestoßen war, die Aussicht (realistisch oder nicht), daß die in D Angekommenen möglichst ganz schnell integriert, d.h. mit deutschen Pässen versehen werden, die ihnen dann Freizügigkeit in der EU sichern (worauf sie sich flugs auf die Insel aufmachen lt. Theorie). Andererseits der Türkei-Deal, der den Türken bald Bewegungsfreiheit in der EU und längerfristig Vollmitgliedschaft bescheren sollte (woraufhin Millionen Türken nichts besseres zu tun haben als sich in GB niederzulassen lt. Theorie). Und alles auf alleiniger Basis des Willens einer deutschen Kanzlerin, die die Briten nicht gewählt haben.
Mit diesen Visionen, denen im Juni zumindest eine gewisse Glaubhaftigkeit verliehen werden konnte, wurde die Stimmung, am Ende erfolgreich, aufgeheizt.
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