mit dem Volk Gottes meine ich die gläubigen Juden und die gläubigen Christen. Ich wünschte mir, die Christen wären wirklich ein brüderliches (das gendergerechte "geschwisterlich" ist Neusprech, den ich nicht so mag) Volk, denn de facto sind sie fast lauter Einzelne und haben so auch keine öffentliche Kraft. Statt "Kirchen" (es sollte nur eine geeinte geben nach Jesu Willen) sage ich eben Volk, weil dann alle drin vorkommen und auch die Juden, die doch die Mitte der Ökumene sind (Volk der Ersten Liebe Gottes). Die Heiligen gehören als Vorbilder in dieses Volk, das wie ein großer Menschenzug durch die Zeiten geht. Meine röm.-kath. Kirche unterscheidet die streitende Kirche auf Erden von der siegreichen im Himmel (ecclesia patiens - ecclesia triumphans). Sie hat auch ein Axiom (= Gesetz als Grund von allem), das lautet: "Ein Christ ist kein Christ". Es gibt natürlich auch außerhalb der Kirche, in andern Religionen und bei agnostischen Heiden gute Menschen, Heil und Gnade.
"Gotteserfahrung" bedeutet bei mir die geprüften, gereinigten Erfahrungen davon, was Gott will und wie und wer er folglich ist, Erfahrungen, die im Gottesvolk möglich waren, die in der Bibel aufgeschrieben wurden und die jeder Christ in jeder Zeit, vor allem auf dem Boden einer Lebensgemeinschaft (Gemeinde) verstehen und selber ähnlich machen kann. Ich meine also nicht Visionen, sondern Einsichten, denn Gott ist wesentlich unsichtbar, es sind Erlebtes und Gefühle, die so stark sind wie Liebeserfahrungen, Freude, die uns Menschen intellektuell jauchzen lassen oder uns emotional Tränen in das Auge treiben kann. Wichtig ist noch: Die Gotteserfahrung ist als christliche vermittelt, d. h. wir sehen an Jesus und hören von ihm, was Gott will, wie und was er ist. Das verstehen viele nicht, dass wir einen Menschen WORT Gottes und göttliche PERSON nennen, aber es ist so und ist sehr sehr vernünftig und aufgeklärt, denn ohne diese Vermittlung bleibt doch alles religiöse Wissen Vermutung, subjektiv, relativ. Die Relation (=Beziehung) Jesus - Gott ist zwar Glaube, aber eben religionskritischer Glaube. Jesu Gestalt und Wollen sind historisch, empirisch ganz zugänglich über die Evangelien.
Zitat von Hanna Eiselt im Beitrag #50 Die vielen Heiligen der Kirche,die ihren Weg aus einer Gotteserfahrung heraus fanden, lebten die in einem Volk, so wie Sie es meinen? Sie lebten in und mit der Kirche?
Liebe Frau Eiselt, Sie fragen zwar beim Herrn Weimer nach, darf ich Ihnen aber eine indirekte Antwort geben, auch nur eine, aber aus erlesenem Mund: aus Papst Benedikt XVI. in seiner Enzyklika Spe salvi, genauer: aus dem Kapitel mit der Überschrift in Frageform: Ist die christliche Hoffnung individualistisch? ?
Zitat Der Hebräer-Brief selbst spricht von einer „Stadt“ (vgl. 11,10.16; 12,22; 13,14), also von einem gemeinschaftlichen Heil. Entsprechend wird die Sünde von den Vätern als Zerstörung der Einheit des Menschengeschlechtes, als Zersplitterung und Spaltung aufge-fasst. Babel, der Ort der Sprachverwirrung und Trennung, er-scheint als Ausdruck dessen, was Sünde überhaupt ist. Und so erscheint „Erlösung“ gerade als Wiederherstellung der Einheit, in der wir neu zusammenfinden in einem Einssein, das sich in der weltweiten Gemeinschaft der Gläubigen anbahnt. Wir brau-chen hier nicht auf all diese Texte einzugehen, in denen der gemeinschaftliche Charakter der Hoffnung erscheint. Bleiben wir bei Augustins Brief an Proba, in dem er dies unbekannt Bekannte, das wir suchen, nun doch ein wenig zu umschreiben versucht. Sein Stichwort dafür hatte zunächst einfach gelautet „seliges (glückliches) Leben“. Nun zitiert er Psalm 144 [143], 15: „Selig ist das Volk, dessen Gott der Herr ist.“ Und er fährt fort: „Damit wir zu diesem Volk gehören und [...] zum immerwährenden Leben mit Gott kommen können, darum ist das Ziel der Gebote ,Liebe aus reinem Herzen, gutem Gewissen und un-geheucheltem Glauben‘ (1 Tim 1,5).“11 Dieses wirkliche Le-ben, auf das wir immer irgendwie auszugreifen versuchen, ist an das Mitsein mit einem „Volk“ gebunden und kann nur in diesem Wir für jeden Einzelnen Ereignis werden. Es setzt gera-de den Exodus aus dem Gefängnis des eigenen Ich voraus, weil nur in der Offenheit dieses universalen Subjekts sich auch der Blick auf den Quell der Freude, auf die Liebe selbst – auf Gott – eröffnet. 15. Diese auf Gemeinschaft hin orientierte Sicht des „seligen Lebens“ zielt zwar über die gegenwärtige Welt hinaus, hat aber gerade so auch mit Weltgestaltung zu tun – in sehr unterschied-lichen Formen, je nach dem historischen Kontext und den Möglichkeiten, die er bot oder ausschloss. Zu Augustins Zeit, in der der Einbruch der neuen Völker den Zusammenhalt der Welt bedrohte, in dem eine gewisse Gewähr von Recht und von Leben in einer Rechtsgemeinschaft gegeben war, ging es darum, die wirklich tragfähigen Grundlagen dieser Lebens- und Friedensgemeinschaft zu stärken, um in der Veränderung der Welt überleben zu können. Nur ein eher zufälliger und in man-cher Hinsicht exemplarischer Blick auf einen Augenblick des Mittelalters sei hier versucht. Dem allgemeinen Bewusstsein erschienen die Klöster als die Orte der Weltflucht („contemp-tus mundi“) und des Rückzugs aus der Weltverantwortung in die Suche nach dem privaten Heil. Bernhard von Clairvaux, der mit seinem Reformorden Scharen junger Menschen den Klös-tern zugeführt hat, sah dies ganz anders. Für ihn haben die Mönche eine Aufgabe für die ganze Kirche und so auch für die Welt. Er hat in vielen Bildern die Verantwortung der Mönche für den ganzen Organismus der Kirche, ja, für die Menschheit herausgestellt; auf sie wendet er das Wort des Pseudo-Rufinus an: „Das Menschengeschlecht lebt von wenigen, denn würde es diese nicht geben, würde alle Welt zugrunde gehen ...“12 Die Beschaulichen – contemplantes – müssen Landarbeiter – labo-rantes – werden, so sagt er uns. Der Adel der Arbeit, den das Christentum vom Judentum geerbt hat, war schon in den Or-densregeln Augustins und Benedikts hervorgetreten. Bernhard greift das von neuem auf. Die jungen Adeligen, die zu seinen Klöstern strömten, mussten sich zur Handarbeit bequemen. Bernhard sagt zwar ausdrücklich, dass auch das Kloster das Pa-radies nicht wiederherstellen könne, aber es müsse doch als ei-ne Rodungsstätte praktischer und geistlicher Art das neue Para-dies vorbereiten. Wildes Waldland wird fruchtbar – gerade da, wo zugleich die Bäume des Hochmuts gefällt, der
Anm.: Die Hervorhebungen (zur Veranschaulichung) stammen von mir. Viele Grüße! Simon
Ihr qualifizierter Beitrag führt mich ja direkt in Versuchung, wieder einmal meinen bittersüßen Senf dazuzugeben, gegen alle guten Vorsätze.
Doch die Steilvorlage (Papst + Schrift + Tradition + Vernunft, in zwei Zeilen komprimiert) ist dann doch zu verführerisch, um mich in verbaler Askese zu üben:
Zitat von Simon im Beitrag #52Der Hebräer-Brief selbst spricht von einer „Stadt“ (vgl. 11,10.16; 12,22; 13,14), also von einem gemeinschaftlichen Heil. Entsprechend wird die Sünde von den Vätern als Zerstörung der Einheit des Menschengeschlechtes, als Zersplitterung und Spaltung aufge-fasst.
Wäre das nicht ein Maß für jegliche Reform: Sammelt und vereint, oder spaltet und zersplittert sie? Die entsprechenden biblischen Belege aus Joh spare ich mir, will ja nicht gar zu weit von der Ausgangsfrage abweichen:
Zitat von Hanna Eiselt im Beitrag #50Was meinen Sie mit "Volk" - wie definieren Sie "Volk"
Zitat von Ludwig Weimer im Beitrag #51mit dem Volk Gottes meine ich die gläubigen Juden und die gläubigen Christen.
Volk, Volk Gottes, das wandernde Gottesvolk, wie auch immer, ist wohl auch ein Begriff aus dem Zweiten Vaticanum, vermutlich Lumen Genitum, oder so. Gibt's auch im Netz zum Nachlesen. Wäre mal interessant, die entsprechenden Stellen auf dem Hintergrund der Fragestellung nach Juden und Christen zu lesen.
Und: Ob nach der Kategorie "gläubig" beispielsweise Ben Gurion zum Volk Gottes gehören würde? Oder war er hierfür zu säkular, zu sehr Lebemann?
wenn, wer gläubig ist, inhaltlich gemeint wäre und nur so einer dazugehört, kann das nur Gott wissen. Ich habe da auch gestutzt und gedacht, ich formulier das so wie auf einem Pass: Konfession? "gläubiger Jude", "gläubiger Christ" = wer sich eingeschrieben hat in Synagoge oder Kirche . Also mehr soziologisch, politisch allgemein benannt. "Getaufte" hätte nicht gepasst, wie ebenso "Beschnittene" auch nichts Genaues sagt. Nicht mal "Praktizierende" hilft. Denn da gibt es hinwiederum Heuchler und Macher, die dem Gottesvolk mehr schaden als nützen.
Übrigens fand ich super, dass Papa Franziskus einem Interviewer ("Wie verstehen Sie sich, Heiliger Vater?") antwortete: "Als Sünder".
Zitat von Ludwig Weimer im Beitrag #54Übrigens fand ich super, dass Papa Franziskus einem Interviewer ("Wie verstehen Sie sich, Heiliger Vater?") antwortete: "Als Sünder".
Na, das ist doch mal eine Perspektive! Ähnlich antwortete mal Kardinal Schönborn. Gefragt, was er dazu sage, dass es in der Kirche so viele Verfehlungen, so viele Sünder gebe, meinte er sinngemäß: "Das ist einerseits natürlich bedrückend, andererserseits auch wieder erleichternd, denn dadurch hat es dort auch einen Platz für mich." Den echten Granden im Volk scheint Selbstkritik leichter zu fallen als uns Fußvolk. Insofern besteht doch noch Hoffnung.
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