Der Fall Relotius legt die Schwachstellen der Selbstbeweihräucherungszeremonien der Journalismusbranche offen. Dass diese Sicherheitslücke gepatcht wird, bezweifle ich.
Zitat von ArtikelEs wird wohl eher darauf hinauslaufen, dass man die Causa Relotius nach langwierigem Aufklärungsgetöse als die Verwirklichung eines Restrisikos bezeichnet, das sich auch in der ansonsten perfekt funktionierenden Maschinerie des deutschen Medienwesens nicht ganz ausschließen lässt.
Oder schlimmer noch, dass gerade die extremen Verfehlungen Relotius', die wie Sie schreiben in ihrem Ausmass und ihrer Dreistigkeit einmalig sind, in Zukunft die Grenze zu Fake-news definieren und alles was minimal dadrunter liegt als legitim angesehen wird. Wenn nciht gar getreu der Lehren der deutschen Geschichte, die "Aufklaerungsarbeit" des Spiegels als Legitimation fuer moralische Kreuzzuege gegen andere verwendet wird.
Zitat von ArtikelEs wird wohl eher darauf hinauslaufen, dass man die Causa Relotius nach langwierigem Aufklärungsgetöse als die Verwirklichung eines Restrisikos bezeichnet, das sich auch in der ansonsten perfekt funktionierenden Maschinerie des deutschen Medienwesens nicht ganz ausschließen lässt.
Oder schlimmer noch, dass gerade die extremen Verfehlungen Relotius', die wie Sie schreiben in ihrem Ausmass und ihrer Dreistigkeit einmalig sind, in Zukunft die Grenze zu Fake-news definieren und alles was minimal dadrunter liegt als legitim angesehen wird.
Deshalb ist es meines Erachtens auch erforderlich, auf die Singularität von Relotius' Vorgehen hinzuweisen. Dieses ist die Realität gewordene Karikatur eines Gesinnungsjournalismus, der sich in der Mehrzahl der Fälle in der Vermischung von Bericht und Kommentar, der wertenden Wortwahl (einmal sind es Aufmärsche, dann Proteste; mal sind es Hetzer, dann Aktivisten), der Fokussierung auf bestimmte Themen, der überproportionalen Sendezeit für Stellungnahmen von Grünen-Politikern etc. manifestiert. Manipulationen à la Relotius sind qualitativ von Besonderheit; quantitativ werden sie von den typischen haltungsbasierten Artikeln um Längen geschlagen. Diese stellen deshalb das eigentliche Problem dar.
Zitat Auch andere Zeitungen haben Beiträge von Relotius veröffentlicht, doch nur beim hansestädtischen Nachrichtenmagazin machte der nunmehr gegeißelte Autor den entscheidenden Karriereschritt und wurde in die Redaktion aufgenommen.
Das ist mir ein bißchen zu sehr auf den Spiegel fokussiert. Relotius hat ja nicht nur bei etlichen Zeitschriften publiziert; er hat auch zahlreiche Preise abgeräumt, in deren Jurys Top-Journalisten saßen, die nicht nur nichts gemerkt haben, sondern die seine Texte auch noch explizit als journalistischen Goldstandard bejubelt haben. (Die 2018 prämierte Reportage z.B. sei ein Text "von beispielloser Leichtigkeit, Dichte und Relevanz, der nie offenlässt, auf welchen Quellen er basiert" [https://www.sueddeutsche.de/medien/claas...preis-1.4260937].)
Wie vermutet, nein, wie ich GEWUSST habe, ändert Relotius rein gar nichts an dem fanatischen Antiamerikanismus, der unsere Gesellschaft ausmacht. Aktuelle Meldung im General-Anzeiger Bonn:
"Weiteres Migrantenkind aus Guatemala stirbt in US-Gewahrsam Ein zweiter tragischer Fall von der US-Grenze erschüttert Guatemala: Nach dem Tod einer Siebenjährigen meldet die US-Grenzschutzbehörde den Tod eines achtjährigen Jungen. Das mittelamerikanische Land fordert eine saubere Aufklärung des Vorfalls." http://www.general-anzeiger-bonn.de/news...cle4006819.html
1. Der Teaser ist Propaganda pur. Das ist nicht mehr "schlechter Journalismus". Das ist Meinungsmache. Volksverhetzung. Mit einem Wort: Populismus. Die Eltern führen diese Kinder willentlich in den Tod. Die US versuchen noch das Leben der Kinder zu retten, aber zu spät. Und der Teaser dreht das so hin, dass die US für den Tod des Kindes irgendwie verantwortlich seien. Das ist so infam und niederträchtig, dass einem die Spucke wegbleibt. Das ist ungefähr auf dem Niveau, dass eine Frau ja "Mitschuld" an der Vergewaltigung durch den Bekannten sei, weil sie nicht freiwillig mit dem Mann geschlafen habe - der habe doch so unter Druck gestanden. Oder dass ein wohlhabender Manager verantwortlich für den Raubmord sei, in dessem Verlauf er umgebracht worden ist: sein Wohlstand habe den Täter ja gezwungen, das Messer zu zücken und für Ausgleich zu sorgen. Der Messerzücker sei quasi "mental vergewaltigt worden" durch den Wohlstand; der Raubmord eher Selbstverteidigung.
Solche Verdrehungen von Schuld und Verantwortung sind inzwischen derart dominant in der Presse und Gesellschaft, dass man schon gar nichts mehr sagt, wenn einem solche Thesen ungefragt aufgedrückt werden. Im Büro, in der Öffentlichkeit.
Das ist wie eine Religion.
2. Und dabei ist diese verdrehte Ideologie noch nicht mal in sich widerspruchsfrei, denn nur bei bestimmten Ländern, nur bei bestimmten Gruppen wird derart Schuld und Verantwortung verdreht. China, Russland, Indien und der komplette Islam werden nicht derart angegangen. Aus diesen Ländern wird nicht berichtet. Und das liegt nicht nur daran, dass solche Länder weder Pressefreiheit noch Selbstkritik kennen. Nein - selbst die Nachrichten, die uns aus diesen Ländern erreichen, werden in Deutschland erst mal gewaschen. Während bei den USA jede Nachricht auf die schlimmstmögliche Auslegung abgeklopft wird, ist das im Rest der Welt genau umgekehrt: jede Nachricht wird erst mal gedreht und verdreht, bis man irgendeine positive Auslegung gefunden hat.
Die Russen mussten die Krim erobern. Die Chinesen sind trotz ein-Parteiendiktatur irgendwie viel demokratischer als wir. Die Inder treiben weibliche Föten ab, aber das muss so sein. Homosexuelle werden im Islam verfolgt, aber die haben ja auch die Friedensreligion provoziert. Und so weiter und so fort.
*** Was ist "normal", was ist "glaubwürdig", was ist "Realität"?
In den Köpfen der allermeisten Menschen ist Realität ein gefilterter Zustand, der so oft durch die eigene soziale Gruppe bestätigt wurde, dass man die These nicht mehr hinterfragt. Die wenigsten Menschen werden je in Bielefeld gewesen sein. Trotzdem glaubt so ziemlich jeder daran, dass es diese Stadt gibt. Warum? Weil diese These jeden Tag aufs Neue bestätigt wird. In Landkarten ist die Stadt eingezeichnet. Menschen berichten davon. Es gibt Waren und Dienstleistungen aus Bielefeld.
Diese Vorgehensweise ist zutiefst sinnvoll und evolutionär erfolgreich: wenn eine Nachricht nur oft genug wiederholt wird, dann wird sie bis zum Beweis des Gegenteils geglaubt. Dummerweise funktioniert das auch mit Propaganda. Propaganda funktioniert, die Geschichte beweist das.
Und wir erleben den umfassenden Sieg der antiamerikanischen Propaganda. Dieses Narrativ ist so umfassend präsent, dass man im Alltag nicht mehr dagegen argumentieren kann, ohne selbst zur Zielscheibe zu werden.
___________________ Jeder, der Merkel stützt, schützt oder wählt, macht sich mitschuldig.
Zitat von Noricus im Beitrag #3Bernd Zeller ist unabhängig von mir und ich unabhängig von ihm auf die Parallele zum Hauptmann von Köpenick gekommen
Das ist ja auch eine ganz hervorragende Parallele. Sie verdeutlicht bestimmte Aspekte des Falls - es wird ein ganzes System entlarvt. Insofern hat Zeller auch sehr recht, wenn er Prantl das zur Ausnahme umdefinieren läßt. Denn wirklich spannend ist ja nicht das Verhalten dieses Einzelnen, der ist in der Tat Ausnahme wie damals der Hauptmann, sondern das Verhalten der übrigen Journalisten mit ihrer Blindgläubigkeit.
Zitat von DrNick im Beitrag #5in deren Jurys Top-Journalisten saßen, die nicht nur nichts gemerkt haben
Das war aber auch nicht ihre Aufgabe. Der Schwindel hätte in den Redaktionen auffliegen müssen, die nachgelagerten Jurys müssen sich eigentlich darauf verlassen können, daß die Fakten überprüft wurden.
Zitat von R.A. im Beitrag #8Das war aber auch nicht ihre Aufgabe. Der Schwindel hätte in den Redaktionen auffliegen müssen, die nachgelagerten Jurys müssen sich eigentlich darauf verlassen können, daß die Fakten überprüft wurden.
Dazu vielleicht eine interessante Parallele: Bei Fotografenpreisen ist es inzwischen oft Bedingung, nicht nur das auszuzeichnende Bild (das in der Regel bearbeitet ist ... mindestens beschnitten ist es ja) sondern auch die Rohdaten einzureichen. Um eben zu verhindern, dass das Bild erst in der Nachbearbeitung zum Award-Fall wird.
Die sind nicht gut vergleichbar. Weil da die Photos nicht unbedingt vorher durch eine Redaktion gelaufen sind. Die Prüfung zeigt auch nur auf, ob das Photo bei der Gestaltung manipuliert wurde. Es kann aber nicht geprüft werden, ob die photografierte Szene echt oder gestellt war. Die Bildqualität mag also stimmen, aber das Photo kann trotzdem journalistisch eine völlige Lüge sein. Wobei natürlich die Preise für Pressephotos auch den Nachrichtenwert berücksichtigen - und da sind ja auch Pallywood et al. schon prämiiert worden.
Zitat von Noricus im Beitrag #1Der Fall Relotius legt die Schwachstellen der Selbstbeweihräucherungszeremonien der Journalismusbranche offen.
Ich habe auch schon gelesen, daß man deswegen die Sache nicht "Fall Relotius" o.ä. nennen sollte - eben weil es nicht wirklich um einen isolierten Betrüger geht. Leider ist "Spiegel-Affäre" als Begriff schon besetzt, aber so etwas wie "Betrugsfall Spiegel" würde die Sache vielleicht besser treffen.
Besonders pikant ist ja, daß genau die beiden Verantwortlichen, die ihn zum Spiegel geholt (Ulrich Fichtner) und dann fest angestellt haben (Matthias Geyer), und die das zuständige Ressort geleitet haben, keinerlei Konsequenzen ziehen müssen - sondern im Gegenteil sogar befördert werden.
Zitat von R.A. im Beitrag #10Es kann aber nicht geprüft werden, ob die photografierte Szene echt oder gestellt war.
Bis zu einem gewissen Punkt schon. Denn die Rohdaten geben auch Auskunft darüber, wann und wo das Bild mit welcher Kamera aufgenommen wurde. Und das lässt sich dann mit dem echten Ereignis schon abgleichen.
Das macht Betrug nicht unmöglich. Nichts kann das. Aber Dass ein Palywood-Bild etwa im Gazastreifen zur Zeit eines Luftagriffs der Israelis aufgenommen wurde, lässt sich dann eben doch einigermaßen plausibel darstellen.
Übertragen auf Relotius: Hätte der Mann neben eigenen Notizen auch noch Zeugen präsentiert, die seine Geschichte bestätigen – zum Beispiel den Bürgermeister oder die beiden "Königskinder" – und wäre das Bedingung gewesen, einen Preis zu gewinnen, hätte er wahrscheinlich nicht so leicht Preise gewinnen können.
Die sind nicht gut vergleichbar. Weil da die Photos nicht unbedingt vorher durch eine Redaktion gelaufen sind. Die Prüfung zeigt auch nur auf, ob das Photo bei der Gestaltung manipuliert wurde. Es kann aber nicht geprüft werden, ob die photografierte Szene echt oder gestellt war. Die Bildqualität mag also stimmen, aber das Photo kann trotzdem journalistisch eine völlige Lüge sein.
Davon ab ist es ein Fehlschluss zu meinen man könne aus Rohdaten oder gar EXIF Informationen sinnvoll auf nicht vorgenommene Manipulation schließen. Es braucht nicht einmal besonderen Sachverstand um eine Datei zu erstellen, die "belegt", dass sie zu Christi Geburt in 10.000 Meter Höhe über dem Bermuda Dreieck aufgenommen wurde. Von forensischer Bildanalyse gar nicht erst angefangen.
Zitat Solche Verdrehungen von Schuld und Verantwortung sind inzwischen derart dominant in der Presse und Gesellschaft, dass man schon gar nichts mehr sagt, wenn einem solche Thesen ungefragt aufgedrückt werden. Im Büro, in der Öffentlichkeit.
Das betrifft ja nicht nur den Journalismus. Auch die ÖR greifen gern auf mehr als fragwürdiege Institutionen zurück:
Mindestens 40.000 Menschen seien in Syrien seit Beginn der Proteste gegen die Regierung Baschar al-Assads im März 2011 getötet worden. Das zumindest meldete erst kürzlich die Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte aus London. Die Organisation ist mit Beginn der Aufstände zu einer der wichtigsten Quellen westlicher Medien geworden. Todeszahlen und Berichte über Gefechte kommen oft von ihr. Auch auf Süddeutsche.de wurden Informationen der Beobachtungsstelle immer wieder zitiert. (...) Doch wer steckt hinter dieser Organisation? Von wem wird sie geleitet? Und welche Ziele verfolgt sie? Wer sich mit der Syrischen Beobachtungsstelle für Menschenrechte eingehend beschäftigt, stößt auf ein kompliziertes Beziehungsgeflecht ominöser syrischer Nachrichten-Protokollanten. Und es wird klar: Allem Anschein nach gibt es in London keine solche Organisation.
Eigentlich ist es längst kein Geheimnis mehr (siehe Berichte beim österreichischen Standard oder Reuters), dass die Beobachtungsstelle ein Ein-Mann-Betrieb mit Sitz in Coventry ist, einer Stadt mit 300.000 Einwohnern, etwa 150 Kilometer nördlich von London. (...) Der Name Abdul-Rahman ist ein Pseudonym. Mit bürgerlichem Namen heißt der Aktivist Osama Suleiman. Im Herbst 2011 wurde er von Kritikern geoutet. Obwohl er daraufhin sogar seinen Pass im Fernsehen präsentierte, lässt er sich immer noch lieber pseudonym zitieren - zu seinem Schutz, aber vor allem, weil er sich mit dem Namen identifiziere. In diesem Text soll er trotzdem Osama Suleiman heißen - denn er war womöglich nicht der einzige, der als Abdul-Rahman auftrat.
Suleiman ist Exil-Syrer, nach eigenen Angaben saß er als Oppositioneller dreimal in syrischen Gefängnissen und wanderte im Jahr 2000 nach Großbritannien aus, um einer vierten Haft zu entgehen. Er zog nach Coventry, wo er mit seiner Frau ein Bekleidungsgeschäft betreibt. Mittlerweile ist er britischer Staatsbürger. (...)
Meines Wissens ist der bis heute noch im "Dienst".
Oder auch die Causa Chemnitz, die auch heute noch genauso vehement "verteidigt bzw. angeführt" wird in den ÖR nebst dem dubiosen Video-"Beweis". Diese Lügerei geht hinauf in viele politische Etagen und wenn es der gewollten Meinungsmache dient, wird davon auch nicht abgelassen.
Zitat von R.A. im Beitrag #10Es kann aber nicht geprüft werden, ob die photografierte Szene echt oder gestellt war.
Bis zu einem gewissen Punkt schon. Denn die Rohdaten geben auch Auskunft darüber, wann und wo das Bild mit welcher Kamera aufgenommen wurde. Und das lässt sich dann mit dem echten Ereignis schon abgleichen.
Solange es keine Kamera gibt, die die Rohdaten mit ausreichend sicherem, geheimem Schlüssel kryptographisch signiert, ist das von Ihnen Behauptete ganz und gar unmöglich, sind die Rohdaten überhaupt keine sichere Quelle für irgendwas. Es kann einem nur eine falsche Sicherheit vermitteln, wie damals dem Stern bei der Prüfung der Echtheit der Hitler-Tagebücher, als sie die Handschrift mit anderen handschriftlichen Hitler-Dokumenten abglichen, die allerdings vom selben Fälscher stammten.
Es würde mich allerdings nicht wundern, wenn in der Welt der Preisverleihungen irgendwelche Rohdaten gerne als Beweis für irgendwas genommen werden würden. Es scheint der Journalistenkaste inhärent zu sein, eigene seltsame Hypothesen besonders zu technischen Begebenheiten aufzustellen, anstelle ein einziges Mal einen Fachmann zu konsultieren.
Zitat von DrNick im Beitrag #5in deren Jurys Top-Journalisten saßen, die nicht nur nichts gemerkt haben
Das war aber auch nicht ihre Aufgabe. Der Schwindel hätte in den Redaktionen auffliegen müssen, die nachgelagerten Jurys müssen sich eigentlich darauf verlassen können, daß die Fakten überprüft wurden.
Richtig. Der Vorwurf, den man den Jurys im hier interessierenden Zusammenhang machen muss, ist das reflexhafte Prämieren von Werken mit politisch erwünschtem Einschlag. Dass Relotius dadurch zu seinen Manipulationen ermutigt wurde, ist für mich offensichtlich.
Zitat von Noricus im Beitrag #1Der Fall Relotius legt die Schwachstellen der Selbstbeweihräucherungszeremonien der Journalismusbranche offen.
Ich habe auch schon gelesen, daß man deswegen die Sache nicht "Fall Relotius" o.ä. nennen sollte - eben weil es nicht wirklich um einen isolierten Betrüger geht. Leider ist "Spiegel-Affäre" als Begriff schon besetzt, aber so etwas wie "Betrugsfall Spiegel" würde die Sache vielleicht besser treffen.
"Fall Relotius" ist eine nicht besonders gute Hilfsbezeichnung, da gebe ich Dir Recht. Bei "Betrugsfall Spiegel" kommt der in meinem vorangehenden Kommentar erörterte Beitrag der Jurys zu kurz.
Zitat von hubersn im Beitrag #15Es würde mich allerdings nicht wundern, wenn in der Welt der Preisverleihungen irgendwelche Rohdaten gerne als Beweis für irgendwas genommen werden würden. Es scheint der Journalistenkaste inhärent zu sein, eigene seltsame Hypothesen besonders zu technischen Begebenheiten aufzustellen, anstelle ein einziges Mal einen Fachmann zu konsultieren.
Na, als Beweis werden die sicher nicht genommen. Aber es gibt eben die Pflicht, sie mitzuliefern. Um es zu übertragen: Retolius musste keine "Rohdaten" mit einreichen. keine seiner Aufzeichnungen, keine Interviews, nur die Geschichte. Die Rohdaten sind kein Beweis. Aber eine Hürde mehr, die man als Betrüger nehmen muss. Mann muss eben auch die noch fälschen. Dass das möglich, einfach und schon passiert ist, stimmt. Dass es den Betrug schwerer macht, aber auch.
Zitat von vielleichteinlinker im Beitrag #18Retolius musste keine "Rohdaten" mit einreichen. keine seiner Aufzeichnungen, keine Interviews, nur die Geschichte.
Vielleicht doch. Bei einer m. E. seriösen Darstellung auf Meedia.de heißt es:
Zitat Dass der Spiegel-Kollege Relotius den Preis in Serie abräumt, obwohl er sich offenbar sogar den dort geltenden Dokumentationspflichten, verweigert, wirft kein gutes Licht auf die Auszeichnung.
Offenbar gibt es also sehr wohl gewisse Belegpflichten - aber die konnte Relotius ignorieren und bekam trotzdem mehrfach den Preis. Was diesen dann komplett diskreditiert.
Wenn also das ganze nicht auf einen Einzelfall beschränkt werden soll und auch nicht auf den Spiegel, dann liegt die Antwort doch auf der Hand:
Fakenews-Skandal
Und genau deswegen wird eine solche (oder ähnliche) Bezeichnung nicht verwendet. Denn der deutsche Journalistenklüngel will um jeden Preis vermeiden, Zweifel am eigenen gutmenschlichen Wahrheitsanspruch aufkommen zu lassen.
___________________ Jeder, der Merkel stützt, schützt oder wählt, macht sich mitschuldig.
Meines Erachtens ist Relotius Verhalten nur konsequent: Bei der Art wie der Spiegel Berichterstattung betreibt kommt es im Endeffekt gar nicht mehr auf den Wahrheitsgehalt an. Der Spiegel versucht anhand von Erzählungen bestimmte Stereotype nachzuzeichnen. Die Geschichten die der Spiegel verbreitet sind von vorneherein nur darauf angelegt höchstens Anekdotische Evidenz zu besitzen, sie sind nicht dazu geeignet irgendetwas zu belegen, geschweige denn etwas neues über die Welt zu lernen. Es fehlt schonlange die Orientierung an quantitativen Fakten und die Reflektion darüber wie sich das Geschehen in größeren Zusammenhängen relativiert.
Zitat von Michel im Beitrag #21Die Geschichten die der Spiegel verbreitet sind von vorneherein nur darauf angelegt höchstens Anekdotische Evidenz zu besitzen ...
Das scheint mir ein generelles Problem mit dem Genre Reportage zu sein. Da soll ja z.B. anhand einer ganz bestimmten amerikanischen Kleinstadt gezeigt werden, wie das ländliche Amerika oder der typische Trump-Wähler so tickt. Wollte man all das wirklich wissen, könnte man sich genauer mit Ergebnissen der empirischen Sozialforschung beschäftigen, aber so etwas liest sich halt nicht so süffig wie ein Text mit narrativem Einschlag.
Zitat von R.A. im Beitrag #19Dass der Spiegel-Kollege Relotius den Preis in Serie abräumt, obwohl er sich offenbar sogar den dort geltenden Dokumentationspflichten, verweigert, wirft kein gutes Licht auf die Auszeichnung.
Cordt Schnibben vom Reporter Forum (stecken hinter dem Reporterpreis) sagt dazu das: "Was hilft: zukünftig besonders bei Auslandsreportagen Recherchebericht plus Telefonnummern der Hauptpersonen. Die Auslandsreportage ist gefährlich in den Händen von Betrügern."
Ich lese das so, dass das KEINE Dokumentationspflicht war. Relotius hätte sich dann nicht verweigert, er hat sie noch nicht einmal erbringen müssen (und das wäre ja vergleichbar mit den "Rohdaten" eines Bildes.
Wie genau die Pflichten aussahen, habe ich bei Schnibben angefragt – bisher ohne Antwort.
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