Die Slogans auf Wahlplakaten sind natürlich immer recht platt und inhaltsleer. Das liegt in der Natur der Sache, Plakate sind nicht das richtige Medium, um komplexe Botschaften zu vermitteln.
Die verschiedenen Parteien geben sich da nicht viel. (Tendenziell sind es nach meiner Beobachtung am ehesten noch die Grünen, die Inhalte auf die Plakate bringen)
Was aber natürlich bei der Europawahl erschwerend schon auffällt ist, dass alle Parteien als politisches Ziel einfach häufig nur "Europa" plakatieren. Das ist wahnsinnig dürftig. Man erkennt das an folgendem kleinen Gedankenexperiment: Man stelle sich die gleichen Wahlplakate für eine Bundestagswahl vor und ersetze lediglich "Europa" durch "Deutschland".
Würde jemals die SPD bei einer Bundestagswahl "Deutschland ist die Antwort" plakatieren? Ganz sicher nicht. Und zwar nicht nur, weil denen das schon viel zu nationalistisch klingen würde. (Noch mehr übrigens der zweite SPD-Spruch "Zeit für ein starkes Europa". Die meisten SPD-Mitglieder würden sich wahrscheinlich eher die linke Hand abhaken, als ein Plakat mit dem Spruch "Zeit für ein starkes Deutschland" aufzuhängen) Sondern auch, weil man ja eigentlich "Deutschland" nicht als politisches Ziel haben kann. Sondern politisches Ziel ist vielmehr die Richtung, in die man Deutschland verändern will.
Mit dieser seltsamen Masche, "Europa" selbst als das politische Ziel auszugeben, kommt allerdings nicht nur die SPD.
Union: "Europa braucht Dich". "Für Deutschlands Zukunft: Unser Europa". (Oder auch wirklich wortgenau gleich wie die SPD: auch "Für ein starkes Europa" habe ich beim Googeln auf CDU-Plakaten gefunden).
Grüne: "Europa: Die beste Idee, die Europa je hatte". "Perfekt ist Europa nicht. Aber ein verdammt guter Start"
FDP: "Weil wir Europa lieben, wollen wir es verändern. Europas Chancen nutzen"
Was ansonsten beim durchgoogeln noch verwundert ist, wie die Parteien mit einzelnen Personen werben. Die Europawahl ist ja eine reine Listenwahl ohne Direktkandidaten. Nun mag es noch sinnvoll sein, mit den nationalen Spitzenkandidaten zu werben (wie Barley oder Weber oder Beer). Aber was sollen die Köpfe von irgendwelchen ohnehin unbekannten Kandidaten auf hinteren Listenplätzen? (Wie z.B. hier: https://www.severint.net/2019/04/08/wahl...zlem-die-linke/ oder hier: https://www.severint.net/2019/04/18/wahl...t-staerken-fdp/)
Auffallend ist ferner speziell bei den Grünen, wer da plakatiert wird: Traditionell haben die Grünen ja eigentlich kaum/wenig Köpfe auf ihren Plakaten. Meist sind es eher Texte. Bei der Europawahl wird aber nun sehr viel mit Köpfen gearbeitet. Allerdings kaum mit dem der Spitzenkandidaten Sven Giegold und Ska Keller. Dafür aber sehr viel mit Robert Habeck, der bei der Wahl ja gar nicht antritt. Dass die Grünen die Person ihres Partei-Chefs in den Mittelpunkt eines Wahlkampfs stellen ist m.W. ein Novum.
Und eine Stilkritik wäre nicht komplett ohne Erwähnung der unsäglichen FDP-Plakate mit Nicola Beer. Frau Beer ist ja eigentlich eine mindestens durchschnittlich attraktive Person. Die Kleidung, in die man sie für die Wahlplakate gesteckt hat, gehen aber gar nicht. Hier (https://www.severint.net/wp-content/uplo...en-fdp-beer.jpg ) lenkt die seltsame Kette um ihren Hals von ihrem netten Lächeln ab und dominiert das ganze Foto. (Eine Kette von ausgesuchter Hässlichkeit. Sieht aus, als hätte sie ihren Kopf in Nudelsalat getaucht). Oder auch hier (https://www.severint.net/2019/04/16/wahl...opa-lieben-fdp/): Was Frau Beer da trägt ist unmodisch und unförmig. Schlimm genug. Aber warum muss man auf das kleine Plakat dann auch noch ein Ganzkörper-Portrait packen, so dass das Outfit in seiner ganzen Hässlichkeit gezeigt wird (und weil man unbedingt Frau Beers Outfit komplett zeigen wollte, ist das untere Plakat-Drittel dann einfach vom schwarzen Fußboden ausgefüllt, auf dem Frau Beers schwarze Hose mangels Kontrast ohnehin kaum sichtbar ist). Frau Beers Gesicht ist auf diesem Plakat (wenn es Format A1 hat), nur wenige Zentimeter groß.
Zitat Was ansonsten beim durchgoogeln noch verwundert ist, wie die Parteien mit einzelnen Personen werben. Die Europawahl ist ja eine reine Listenwahl ohne Direktkandidaten.
Hier in meinem Wahlkreis wirbt die CSU tatsächlich mit ihrer "Spitzenkandidatin" Monika Hohlmeier. Die Frau verfolgt mich seit Münchner Zeiten (wo sie eigentlich kaltgestellt werden sollte, aber das macht man in der CSU nicht mit der Tochter des Patriarchen, also wurde sie doppelt abgeschoben - nach Brüssel und Oberfranken).
Zitat Was ansonsten beim durchgoogeln noch verwundert ist, wie die Parteien mit einzelnen Personen werben.
Hier in meinem Wahlkreis wirbt die CSU tatsächlich mit ihrer "Spitzenkandidatin" Monika Hohlmeier.
Ich habe den Eindruck, mit den Portraits einzelner Kandidaten möchten die Parteien vor allem Erstwähler gewinnen. Neben Nicola Beer (DSGVO) und Monika Hohlmeier (Uschi Filter) will auch die CDU nicht auf ihr Zugpferd Axel Voss (Leistungsschutzrecht) verzichten.
Besonders originell fand ich Frau Barley als sie per twitter feierte, daß Europa nun erlaubt hat, daß die Staaten für ebooks den verminderten MwSt Satz nehmen dürfen:
Wegen der europäischen Vereinheitlichung der Steuern dürfen die Staaten das was früher selbstverständlich war nicht mehr machen. Und dann meint Frau Barley auch noch sich bei Europa bedanken zu müssen, daß Deutschland jetzt das tun darf was es früher immer durfte. https://twitter.com/katarinabarley/statu...326182006861826
Abgesehen davon fand ich Herr der Ringe auch ein tolles Buch.
Alles was im Artikel die SPD betrifft unterschreibe ich. Aber nicht diese Folgerung:
Zitat Die EU ist in ihrer ganzen Konstruktion inzwischen ein durch und durch kollektives Kontrukt und damit der zentrale Strohhalm des linken Denkens. Europa ist die Antwort auf eine verzweifelte Situation linken Denkens.
Die EU ist nicht "kollektivistischer" als es jeder Staat nun einmal von Natur aus ist. Ansonsten ist die EU ziemlich föderalistisch und nur in einigen Politikbereichen überhaupt aktiv. Ja, die Linken sehen Europa derzeit als letzten Strohhalm - aber das ist ihr Problem und nicht das von Europa.
Zitat von Florian im Beitrag #2Was aber natürlich bei der Europawahl erschwerend schon auffällt ist, dass alle Parteien als politisches Ziel einfach häufig nur "Europa" plakatieren.
Das ist eine völlig mißlungene Kommunikation. Die Kampagnenmacher wollen damit offenbar gegen EU-Kritiker angehen - aber dazu müßten sie konkret werden. So pauschal kann das niemand von etwas überzeugen.
Zitat Aber was sollen die Köpfe von irgendwelchen ohnehin unbekannten Kandidaten auf hinteren Listenplätzen?
Das sind in der Regel die regional bestplazierten Bewerber. D.h. wenn das Wahlergebnis reicht, wären das die jeweiligen Ansprechpartner vor Ort. Das ist also m. E. grundsätzlich sinnvoll - es gibt natürlich auch Bewerber, die keine echte Chance haben aber mal etwas Aufmerksamkeit haben wollen.
Zitat Dafür aber sehr viel mit Robert Habeck, der bei der Wahl ja gar nicht antritt. Dass die Grünen die Person ihres Partei-Chefs in den Mittelpunkt eines Wahlkampfs stellen ist m.W. ein Novum.
Ja. Und noch dazu ist Habeck noch nie mit europäischer Politik in Erscheinung getreten. Wenn die CDU Merkel präsentieren würde (ich weiß nicht, ob sie das derzeit macht, bei der letzten Wahl hat sie es noch), dann hat das eine gewisse Logik, auch wenn Merkel nicht fürs EP kandidiert. Aber bei den Grünen ist das nur noch peinlicher Personenkult.
Zitat Die Kleidung, in die man sie für die Wahlplakate gesteckt hat, gehen aber gar nicht.
Zu Klamotten kann ich kein modisches Urteil abgeben. Aber Ganzkörperphotos sind eigentlich meistens eine schlechte Idee.
Zitat von R.A. im Beitrag #6 Die EU ist nicht "kollektivistischer" als es jeder Staat nun einmal von Natur aus ist.
Und wie sie das ist. Nicht jeder Staat hat das Bedürfnis haarklein alles regeln zu wollen (Stichwort Seilbahnverordnung), entscheidender ist aber, dass umso lokaler Strukturen sind, umso stärker sind sie am Individuum und umso weniger an einer anonymen Masse orientiert. Ein Bürgermeister, noch dazu von kleinen Städten, muss seinen Wählern Rede und Antwort stehen. Umso größer die Strukturen aber werden, umso anonymer werden sie und umso kollektivistischer werden die Konzepte. Das ist kein europäisches Phänomen, dass war in der UDSSR nicht anders als in den USA. Warum das am Ende so ist sei dahingestellt, im der Realität passiert es aber. Es mag damit zusammenhängen, dass mit abnehmender Verantwortung und zunehmender Größe sich gerade Leute engagieren, die schon immer die Lösung in kollektiven Konzepten gesehen haben, während sich stärker individualistisch orientierte Menschen eher lokal engagieren.
Zitat Ansonsten ist die EU ziemlich föderalistisch und nur in einigen Politikbereichen überhaupt aktiv.
Und jedes Jahr wird es mehr. Und mehr. Und noch mehr. Die EU war vielleicht mal föderalistisch, eben weil sie als freiwilliger Staatenbund gestartet ist. Aber sie hat sich entwickelt und wird immer mehr zu einem schlimmeren Leviathan als der "normale" Staat. Inzwischen ist das Konstrukt, das eigentlich mal als Werkzeug des Freihandels und der Gemeinschaft gegründet wurde, offen übergriffig geworden. Oder um es anders auszudrücken: Die SPD behauptet die EU sei für den Frieden in Europa verantwortlich. Ich stelle dagegen, es gibt kein Konstrukt, dass so sehr den Konflikt in Europa befördert wie die derzeitige EU.
Zitat Ja, die Linken sehen Europa derzeit als letzten Strohhalm - aber das ist ihr Problem und nicht das von Europa.
Aber selbstredend ist es das. Wenn Du schon siehst, dass jemand, der genau gegenteilige Vorstellungen von der Welt hat, als Du, genau das um nichts in der Welt haben will, dann sollte das nicht nur zu denken geben. Die Linken suchen die EU um IHRE und genau ihre Politik zu zementieren. Und die EU ist genau das passende Instrument dafür, eine Machtkonstruktion, die sich so wunderbar benutzen lässt um anderen den eigenen, vermeintlich guten Willen aufzuzwingen. Alleine die Existenz solcher Macht ist ein Problem, der Zugang zu ihr für linke Autokraten, ist nicht nur ein Problem.
Kant spricht von der selbstverschuldeten Unmündigkeit. Und genau das erleben wir in Deutschland bei den Bürgerlichen und Konservativen. Und bei den Liberalen sowieso.
Das Konstrukt, was uns Freiheit, Wohlstand und gegenseitige Toleranz bringen sollte, wurde unterwandert, vergiftet und ist jetzt ein Monster. Die Linken haben begriffen, wozu das Werkzeug "EU" benutzt werden kann UND sie haben den Willen, es zu tun. Die Bürgerlichen haben die EU an die Macht gebracht, aber die Linken werden es schließlich benutzen.
Und ganz ähnlich, interessanter Weise, ist es ja mit Merkel. An die Macht gebracht von den Bürgerlichen entpuppte sich dieses Werkzeug als tödliche Waffe, die von den Linken genutzt wurde, eine komplette Kulturnation zu vernichten.
Geschossen haben die Linken. Aber die Waffe gebaut und übergeben haben in allen Fällen die Bürgerlichen und Konservativen.
Nach dem verlorenen Krieg waren unsere Sinne geschärft für jede Form von Kollektivismus, Diktatur und Intoleranz von Rechts.
Während der ideologische Krieg gefochten wurde gegen Nationalismus, Militarismus, Tribalismus und Rassismus konnte sich aber der Linksextremismus durch die Gesellschaft fressen. Wie ein Geschwür haben linksradikale Phantasien sich in die Medien gefressen, in die Politik, die Schulen, Unis und die Zivilgesellschaft.
Dieser linke Kollektivismus zerstört jetzt in rasendem Tempo unsere gesamte Kultur, man kann quasi zusehen, wie Geschichte geschrieben wird. Das Selbstwertgefühl der Deutschen ist ausradiert. Deutsche Sitten und Tugenden, die Jahrhunderte lang weitervererbt wurden, verlöschen: Pflichtgefühl, Leistungswille, Selbstverantwortung, Familiensinn, Schutz der Privatsphäre, Ordnung & Verlässlichkeit... alles verdorrt. Wir, die Deutschen, die einst respektiert und bewundert waren in der ganzen Welt (selbst von unseren Feinden) sind jetzt im Tode erstarrt und Mitleid erregend. Wir bekommen kein einziges Bauprojekt mehr zu Ende, unsere Infrastruktur verfällt, unsere Kinder (so fern wir überhaupt noch welche kriegen) demonstrieren für leichtere Prüfungen.
___________________ Jeder, der Merkel stützt, schützt oder wählt, macht sich mitschuldig.
Zitat von Llarian im Beitrag #8Und wie sie das ist. Nicht jeder Staat hat das Bedürfnis haarklein alles regeln zu wollen (Stichwort Seilbahnverordnung), entscheidender ist aber, dass umso lokaler Strukturen sind, umso stärker sind sie am Individuum und umso weniger an einer anonymen Masse orientiert.
Das sehe ich sogar als Vorteil der EU an, dass technische Gesetze in einem möglichst großen Wirtschaftsraum gelten.
Zitat von Xanopos im Beitrag #10Das sehe ich sogar als Vorteil der EU an, dass technische Gesetze in einem möglichst großen Wirtschaftsraum gelten.
In der Pauschalität sehe ich das überhaupt nicht. Eine einheitliche Regelung mag für allgemeine EU-weite Sicherheitsrichtlinien zum Schutz der Verbraucher dienen, darüber hinaus hat der Markt eigene normierende Kräfte, bei denen Regierungen höchstens gelegentlich eine unterstützende Rolle spielen sollten. In der Geschichte der EWG waren im Rahmen des 'new approach' nationale oder internationale Normen lediglich zu Europäischen Normen 'harmonisiert' worden, normiert wurde in regierungsunabhängigen technischen Gremien.
Selbst hier ging die EU den unprofessionellsten (dümmsten) aller Wege, wenn sie im Rahmen der Harmonisierung internationaler Normen zu Europanormen jeder Norm einen Anhang hinzufügen lässt, der dann auflisten soll welcher Teil der Norm welcher Anforderung einer Richtlinie entspricht. So schreiben jetzt in einer ungeheuren Fleißarbeit Leute über einhundert Normen um, weil sich beispielsweise die Medizinprodukteverordnung geändert hat. Andere Länder sparen sich diesen Unsinn.
Und jetzt, wenn die EU versucht technische Normen für den Umweltbereich zu schneidern, kommen entweder Monsterverordnungen heraus, oder - wie bei der Luftreinhalterichtlinie - völlig unzureichende Vorgaben.
Zitat von Llarian im Beitrag #8Nicht jeder Staat hat das Bedürfnis haarklein alles regeln zu wollen (Stichwort Seilbahnverordnung)
OK, in Somalia hat der Staat nicht so ein großes Regelungsbedürfnis. Aber die modernen europäischen Staaten wollen eben alles haarklein regeln - auch wenn wir beide das nicht so gut finden, wir sind damit Minderheit. Es geht in den entsprechenden Bereichen nur um die Wahl, ob 26 Staaten das jeweils haarklein anders für sich regeln oder eine haarkleine EU-Regel gilt.
Und natürlich würde es auch ohne EU Seilbahnverordnungen geben. Jedenfalls in allen Ländern mit Seilbahnbedarf. Aber die Schweizer Seilbahnverordnung gilt auch in den Kantonen, die keine Seilbahnen haben. Oder derzeit noch keine haben - das kann sich ja ändern. Mit den modernen Ideen von Seilbahnen als Transportmittel auch in Städten wird es vielleicht auch in Meck-Pomm welche geben.
Zitat ... entscheidender ist aber, dass umso lokaler Strukturen sind, umso stärker sind sie am Individuum und umso weniger an einer anonymen Masse orientiert.
Das ist richtig. Deswegen sollte man das Subsidiaritätsprinzip beachten - was aber nicht immer konsensfähig ist. Schon das traditionell föderalistische Deutschland hat da heftige Defizite und viel zu viele Kompetenzen nach oben delegiert. Europaweit kommt dann noch der Einfluß von zentralistischen Staaten wie Frankreich dazu. Aber im wesentlichen betrifft die EU-Zuständigkeit nur Bereiche, in denen eine europaweit einheitliche Regelung sinnvoll ist, insbesondere denen mit Auswirkungen auf den Freihandel. Weil es natürlich nicht sinnvoll ist, wenn jede lokale Gemeinde Vorschriften macht, wie Produkte zu genehmigen sind.
Das ist eben ein entscheidender Unterschied zu früher. Viele EU-Gegner sagen ja, sie wollten zurück zur reinen Freihandelszone mit Zollfreiheit und sonst keinen übergeordneten Regelungen. Aber genau das würde heute nicht mehr funktionieren, weil heute nicht die Zölle das wesentliche Handelshindernis sind, sondern die nicht-tarifären Hindernisse. Seit "Verbraucherschutz" und "Umweltschutz" und ähnliche Sachen zu massiven Regelungen führen (und diese Entwicklung hat eben nichts mit der EU zu tun), geht Freihandel nur indem man eben auch alle Regeln in diesem Bereich vereinheitlicht.
Zitat Und jedes Jahr wird es mehr. Und mehr. Und noch mehr.
Absolut nicht. Seit dem Vertrag von Lissabon hat die EU keine neuen Kompetenzen mehr bekommen, und das war 2007.
Zitat Inzwischen ist das Konstrukt, das eigentlich mal als Werkzeug des Freihandels und der Gemeinschaft gegründet wurde, offen übergriffig geworden.
Nein. Sie regelt exakt das, was ansonsten die Einzelstaaten regeln würden. Und das bedeutet für Deutschland: Sie regelt zurückhaltender. Ich möchte mir nicht vorstellen, was eine komplett autonome deutsche Gesetzgebung ohne EU inzwischen in Richtung grüner Diktatur schon beschlossen hätte.
Zitat Die SPD behauptet
Was die SPD behauptet ist mir völlig wumpe. Wenn die sich in den Zielen und Möglichkeiten der EU nicht auskennen, ist das einfach nur die normale Unfähigkeit des Sozis im Umgang mit der Realität.
Zitat von R.A. im Beitrag #12Aber die modernen europäischen Staaten wollen eben alles haarklein regeln - auch wenn wir beide das nicht so gut finden, wir sind damit Minderheit. Es geht in den entsprechenden Bereichen nur um die Wahl, ob 26 Staaten das jeweils haarklein anders für sich regeln oder eine haarkleine EU-Regel gilt.
Und natürlich würde es auch ohne EU Seilbahnverordnungen geben. Jedenfalls in allen Ländern mit Seilbahnbedarf. Aber die Schweizer Seilbahnverordnung gilt auch in den Kantonen, die keine Seilbahnen haben. Oder derzeit noch keine haben - das kann sich ja ändern. Mit den modernen Ideen von Seilbahnen als Transportmittel auch in Städten wird es vielleicht auch in Meck-Pomm welche geben.
Ich denke, hier ist ein großes Missverständnis, das sich offensichtlich durch die ganze EU zieht. Das haarkleine Detail ist in Normen geregelt. Und bei Normen ist es tatsächlich so, dass sie teilweise weltweit gelten, aber nur dort angewandt werden, wo - wie hier - eine Seilbahn gebaut wird. Es ist übergestülpte Bürokratie, eine Verordnung zu erlassen, die auf solche Normen verweist. Da Seilbahnen ortsfest sind muss sich die EU auch nicht in das lokale Genehmigungsverfahren einmischen. Normen liegen dann in der Regel in wenigen Sprachen vor, da bei Ingenieuren die Kenntnis in einer dieser Sprachen vorausgesetzt werden kann. Die Verordnung muss über alle EU-Sprachen gepflegt und verwaltet werden.
Es gibt absolut keinen vernünftigen Grund, solche Einrichtungen EU-weit zu regeln, sozusagen einem recht einfach strukturiertem Prozess einen Verwaltungsapparat überzustülpen - den im Einzelnen zu sezieren mal ganz interessant wäre. Dass einzelne Länder gar keine Seilbahnen haben ist der geringere Punkt.
Beim Verbraucherschutz sieht die Situation ein bisschen anders aus. Hinter dem Verbraucherschutz steht ursprünglich der Sicherheitsaspekt, dass Produkte nämlich sicher sein müssen. Trotzdem muss dies nicht unbedingt der Staat, bzw. die EU regeln. Vor EU-Zeiten gab es starke Prüfinstitute wie VDE oder TÜV, die nach erfolgreicher Prüfung VDE- oder GS-Zeichen vergaben, die europaweit bei Verbrauchern akzeptiert waren. Geprüft wurde nach denselben Normen wie für die Vergabe des CE-Zeichens, nur dass jetzt ein Verwaltungsapparat drübergestülpt ist. Der Freihandel hätte hier auch ohne umfangreiche EU-Verwaltung funktioniert, indem sich die EU auf eine Liste von Normen und einen Anforderungskatalog für Prüfinstitute geeinigt hätte.
Der Umweltschutz ist eine zwiespältige Sache. Die vielfältige Etikettierung von Produkten zur Gängelei von Verbrauchern, denen man keine Reife unterstellt, muss nicht sein. Dass bestimmte Stoffe nicht in Produkten enthalten sein und in die Umwelt gelangen sollen, sehe ich i.O.. Dass wir eine Luftreinhalterichtlinie haben, die in die lokale Luftqualität der Länder hineinregiert, sehe ich für falsch, bzw. sie hätte auf grenzüberschreitende Schadstoffeinträge begrenzt werden müssen.
Vor einer autonomen Gesetzgebung in D hätte ich keine so große Sorge gehabt. Dann wäre für den Bürger die Verantwortung der Regierung nachvollziehbarer gewesen. Deutsche Politiker und EU-Beamte wirken heute an Richtlinien und Verordnungen mit, um dann später in Unschuld mit dem Finger auf die EU zu zeigen. So schleichen sie sich aus der Verantwortung.
Zitat von R.A. im Beitrag #12OK, in Somalia hat der Staat nicht so ein großes Regelungsbedürfnis.
Und Nordkorea ein ziemlich großes. Bringen uns solche Vergleiche irgendwo weiter?
Zitat Aber die modernen europäischen Staaten wollen eben alles haarklein regeln - auch wenn wir beide das nicht so gut finden, wir sind damit Minderheit.
Nein, und das stimmt auch nicht. Den Deutschen kann man noch eine gewisse Regelungswut unterstellen, aber gegen die EU stinken selbst die ab. Kein Land der EU hat diese Fülle von Verordnungen, Normen und Richtlinie erlassen, zu keinem Zeitpunkt der letzten 50 Jahre.
Zitat Und natürlich würde es auch ohne EU Seilbahnverordnungen geben. Jedenfalls in allen Ländern mit Seilbahnbedarf.
Zitat Deswegen sollte man das Subsidiaritätsprinzip beachten - was aber nicht immer konsensfähig ist.
Es gibt keine stärkere Umsetzung dieses Prinzips als einen Pulk von Nationalstaaten, die nur das gemeinsam regeln, was sie frewillig vereinbaren. Das war vor der EU.
Zitat Aber im wesentlichen betrifft die EU-Zuständigkeit nur Bereiche, in denen eine europaweit einheitliche Regelung sinnvoll ist,
Also nach Sicht der EU schlicht .... alles.
Zitat Viele EU-Gegner sagen ja, sie wollten zurück zur reinen Freihandelszone mit Zollfreiheit und sonst keinen übergeordneten Regelungen. Aber genau das würde heute nicht mehr funktionieren, weil heute nicht die Zölle das wesentliche Handelshindernis sind, sondern die nicht-tarifären Hindernisse.
Diese "nicht tarifären" Hindernisse hindern die BRD nicht daran mit dem fernen China Waren im Wert von guten 70 Milliarden Euro zu handeln. Mit dem ach so verhassten Amiland handeln die Deutschen ein größeres Volumen als mit ihren direkten Nachbarn, über 110 Milliarden im Jahr. Ganz ohne EU und mit "nicht tarifären" Hindernissen. Es würde nicht nur heute funktionieren, es funktioniert heute bereits ganz hervorragend. Es hat vorher funktioniert und es funktioniert auch in der Gegenwart. Ich arbeite ja nun in einem Geschäft das mehr als 80% seines Volumens im Ausland findet. Und ob es EU Normen und Richtlinien gibt ist dabei vollkommen nebensächlich. Entscheidend ist, dass man sich beim Verkauf auf ein Normenpaket einigt. Das kann EU sein, waren früher DIN Normen, sind aber genauso amerikanische wie chinesische Normen. Es ist absolute Augenwischerei zu meinen durch die EU wäre hier so viel neues entstanden. Das hat auch vorher funktioniert und funktioniert weltweit überall ganz ohne EU.
Zitat Seit dem Vertrag von Lissabon hat die EU keine neuen Kompetenzen mehr bekommen, und das war 2007.
Sie erlässt ständig neue Normen und Richtlinien. Jüngstes Beispiel war ja Axel Voss mit seinem Urheberrecht. Es wird immer mehr. Jedes Jahr, ja bald jeden Monat. Als nächstes sollen dann EU Steuern kommen. Schritt für Schritt bläst sich der Leviathan weiter auf.
Zitat Ich möchte mir nicht vorstellen, was eine komplett autonome deutsche Gesetzgebung ohne EU inzwischen in Richtung grüner Diktatur schon beschlossen hätte.
Vermutlich deutlicher weniger. Denn in Deutschland alleine können sich die Kollektivos nicht hinter der EU verstecken. Deswegen wollen die ja alle unbedingt mehr Europa. Lokal findet eine viel deutlichere Kontrolle statt und in Deutschland entgleitet ihnen ja gerade die Macht. Und wir hätten auch einen deutlichen Wettbewerb der Regelungssysteme.
Zitat
Zitat Die SPD behauptet
Was die SPD behauptet ist mir völlig wumpe. Wenn die sich in den Zielen und Möglichkeiten der EU nicht auskennen, ist das einfach nur die normale Unfähigkeit des Sozis im Umgang mit der Realität.
Zitat von Llarian im Beitrag #14 Den Deutschen kann man noch eine gewisse Regelungswut unterstellen, aber gegen die EU stinken selbst die ab. Kein Land der EU hat diese Fülle von Verordnungen, Normen und Richtlinie erlassen, zu keinem Zeitpunkt der letzten 50 Jahre.
Ernsthafte Frage: Ist das wirklich so?
Meine Vermutung wäre nämlich eigentlich, dass in Deutschland (selbst wenn man nur die Bundesebene nimmt) deutlich mehr Normen erlassen werden als auf EU-Ebene. Aber das ist zugegeben nur ein Bauchgefühl und ich mag mich täuschen Daher würde mich interessieren: Haben Sie für die obige Aussage ggf. eine Quelle?
Zitat von Florian im Beitrag #15 Meine Vermutung wäre nämlich eigentlich, dass in Deutschland (selbst wenn man nur die Bundesebene nimmt) deutlich mehr Normen erlassen werden als auf EU-Ebene.
Zunächst mal ganz platt muss ich mich für meine eigene Ungenauigkeit entschuldigen: Normen werden nicht erlassen. Normen werden erstellt und sind zunächst erst einmal nix bindendes. Erlassen werden Verordnungen oder Richtlinien, wobei letztere dann zu weiteren Gesetzen führen, insofern sind die beiden Konzepte sich am Ende ähnlich. Und die haben ja nun tatsächlich deutlich zugenommen, denn es gibt inzwischen ein paar tausend davon.
Eine Statistik kann ich leider auch nicht aufbringen, es entspricht allerdings meiner Lebenserfahrung in einem Betrieb, in dem sehr viel normiert wird, bzw. die Kunden sehr stark auf Normierung abheben: Der Aufwand ist die letzten Jahre durch massiv gestiegen. Hat man vor einigen Jahrzehnten noch Anlagen gebaut, die vor allem korrekt funktionieren mussten, müssen sie heute Aberdutzende von Normen selbst für einfachste Produkte abzeichnen. Was seinerseits wieder sehr stark davon getrieben ist, dass diverse EU Verordnungen die Kunden dazu zwingen, all die Normen zu berücksichtigen.
Zitat von Florian im Beitrag #15Meine Vermutung wäre nämlich eigentlich, dass in Deutschland (selbst wenn man nur die Bundesebene nimmt) deutlich mehr Normen erlassen werden als auf EU-Ebene. Aber das ist zugegeben nur ein Bauchgefühl und ich mag mich täuschen Daher würde mich interessieren: Haben Sie für die obige Aussage ggf. eine Quelle?
Da hilft möglicherweise eine Anfrage beim Beuth-Verlag, der nicht nur die deutschen Normen, sondern auch Europanormen verlegt.
Der von mir erwähnte New-Approach hat die in den 80er-Jahren bestehenden Produktnormen versucht mit dem Richtlinienkonzept zu verheiraten, ohne Normen rechtlich verpflichtend zu machen. Formal hat man die quasi-private CEN/CENELEC-Organisation zwischengeschaltet, die (inzwischen meist internationale) Normen zur Harmonisierung vorschlägt. Ich erinnere mich an Diskussionen der Zeit, dass die EWG zu Normenvorschlägen geradezu animiert hatte, mit der Folge einer Flut von neuen Normen. Darüber, wie sich das letztlich zahlenmäßig ausgewirkt hat, habe ich keine Information. Wie gehabt, müsste der Beuth-Verlag die erste Anfragestelle sein.
Was rein deutsche Normen angeht kann ich mir vorstellen, dass es gerade im Umweltbereich (Bauvorschriften, u.a.) viele neue nationale Alleingänge gibt, die international und auch EU-weit nicht interessant sind. Aber alle dürften sie über Beuth verwaltet werden.
Zitat von Xanopos im Beitrag #18Ich finde es etwas skurril, dass ich hier ausgerechnet Werbung für die Grünen sehe.
Ich meine mich erinnern zu können, beim Danisch mal SPD-Wahlwerbung gesehen zu haben. An sowas erkennt man dann immer recht gut, dass die "künstliche Intelligenz" noch in den Kinderschuhen steckt...
Zitat von Xanopos im Beitrag #18ch finde es etwas skurril, dass ich hier ausgerechnet Werbung für die Grünen sehe. bravo]
Wo ist Gerald Hensel, wenn man ihn braucht?
-- Bevor ich mit den Wölfen heule, werd‘ ich lieber harzig, warzig grau, verwandele ich mich in eine Eule oder vielleicht in eine graue Sau. (Reinhard Mey)
Zitat von Florian im Beitrag #15Meine Vermutung wäre nämlich eigentlich, dass in Deutschland (selbst wenn man nur die Bundesebene nimmt) deutlich mehr Normen erlassen werden als auf EU-Ebene. Aber das ist zugegeben nur ein Bauchgefühl und ich mag mich täuschen Daher würde mich interessieren: Haben Sie für die obige Aussage ggf. eine Quelle?
Da hilft möglicherweise eine Anfrage beim Beuth-Verlag, der nicht nur die deutschen Normen, sondern auch Europanormen verlegt.
Der von mir erwähnte New-Approach hat die in den 80er-Jahren bestehenden Produktnormen versucht mit dem Richtlinienkonzept zu verheiraten, ohne Normen rechtlich verpflichtend zu machen. Formal hat man die quasi-private CEN/CENELEC-Organisation zwischengeschaltet, die (inzwischen meist internationale) Normen zur Harmonisierung vorschlägt. Ich erinnere mich an Diskussionen der Zeit, dass die EWG zu Normenvorschlägen geradezu animiert hatte, mit der Folge einer Flut von neuen Normen. Darüber, wie sich das letztlich zahlenmäßig ausgewirkt hat, habe ich keine Information. Wie gehabt, müsste der Beuth-Verlag die erste Anfragestelle sein.
Was rein deutsche Normen angeht kann ich mir vorstellen, dass es gerade im Umweltbereich (Bauvorschriften, u.a.) viele neue nationale Alleingänge gibt, die international und auch EU-weit nicht interessant sind. Aber alle dürften sie über Beuth verwaltet werden.
Gruß Martin
Mir fehlen zwei Aspekt in der Diskussion. Allein um die Menge der Normen geht es nicht. Z.B. im Arbeitsrecht sind es weniger die Normen als die EuGH-Urteile mit denen sich EU-Recht bemerkbar macht.
Aber das Problem mit dem EU-Recht finde ich unter einem anderen Aspekt viel kritischer. Es wird immer mehr über Bande gespielt. Verordnungen, welche auf Staatsebene nicht oder nur mit Widerstand durchsetzbar wären, weil sie der Öffentlichkeit nicht gefallen, werden von der EU erlassen. Die NOx Frage ist hier exemplarisch. Es wird was erlassen. Kaum einer bekommt es mit. Erst wenn das EU-Recht umgesetzt wird und schließlich der Bürger es merkt, dann wird gesagt: Das ist EU-Recht, da können wir nichts mehr machen. Allenfalls wird ein bischen Kosmetik betrieben. Und es ist ja auch so, es gibt keine europäische Öffentlichkeit, sondern nur nationale. Da wird es mit nachträglichen Änderungen schwierig. Das hat leider Prinzip. Wenn es eine Möglichkeit gibt, nicht selber eine Norm erlassen zu müssen, sondern es über die EU zu regeln, dann macht man es. Das ist viel bequemer. Das war dann nicht die SPD oder die Grünen oder die AFD. Das war dann die EU!
Man kann hier schon die Frage nach der demokratischen Legitimität stellen. Dabei sollte man nicht nur formale Aspekte berücksichtigen, sondern was Demokratie eigentlich erreichen will.
Zitat von Xanopos im Beitrag #18Ich finde es etwas skurril, dass ich hier ausgerechnet Werbung für die Grünen sehe.
Google Werbung steht nahezu immer im Kontext zu dem, der sie aufruft. Es ist weniger Zettels Raum, dass die Werbung auslöst, es ist ihr bisheriger, getracktter Surfverlauf. Mir würde im Leben keine grüne Google-Werbung präsentiert, ist auch noch nicht vorgekommen.
Zitat von Xanopos im Beitrag #18Ich finde es etwas skurril, dass ich hier ausgerechnet Werbung für die Grünen sehe.
Google Werbung steht nahezu immer im Kontext zu dem, der sie aufruft. Es ist weniger Zettels Raum, dass die Werbung auslöst, es ist ihr bisheriger, getracktter Surfverlauf. Mir würde im Leben keine grüne Google-Werbung präsentiert, ist auch noch nicht vorgekommen.
Zitat von Rapsack im Beitrag #21Mir fehlen zwei Aspekt in der Diskussion. Allein um die Menge der Normen geht es nicht. Z.B. im Arbeitsrecht sind es weniger die Normen als die EuGH-Urteile mit denen sich EU-Recht bemerkbar macht.
Das Thema ist selbstverständlich breiter. Die Luftreinhalterichtlinie ist ein gutes Beispiel, auch Arbeitsplatzrichtlinie fallen in diese Kategorie, wie vor Jahren die Diskussion über den Schutz vor Sonneneinstrahlung, u.a.. Man kann sich da Begründungen zurechtlegen, warum das EU-weit geregelt sein müsse, ich meine, es muss eben nicht.
Zitat Aber das Problem mit dem EU-Recht finde ich unter einem anderen Aspekt viel kritischer. Es wird immer mehr über Bande gespielt. Verordnungen, welche auf Staatsebene nicht oder nur mit Widerstand durchsetzbar wären, weil sie der Öffentlichkeit nicht gefallen, werden von der EU erlassen. Die NOx Frage ist hier exemplarisch. Es wird was erlassen. Kaum einer bekommt es mit. Erst wenn das EU-Recht umgesetzt wird und schließlich der Bürger es merkt, dann wird gesagt: Das ist EU-Recht, da können wir nichts mehr machen. Allenfalls wird ein bischen Kosmetik betrieben. Und es ist ja auch so, es gibt keine europäische Öffentlichkeit, sondern nur nationale. Da wird es mit nachträglichen Änderungen schwierig. Das hat leider Prinzip. Wenn es eine Möglichkeit gibt, nicht selber eine Norm erlassen zu müssen, sondern es über die EU zu regeln, dann macht man es. Das ist viel bequemer. Das war dann nicht die SPD oder die Grünen oder die AFD. Das war dann die EU!
Man kann hier schon die Frage nach der demokratischen Legitimität stellen. Dabei sollte man nicht nur formale Aspekte berücksichtigen, sondern was Demokratie eigentlich erreichen will.
Im gleichen Faden habe ich vorgestern meine Erfahrung mit EU-Institutionen im Zusammenhang mit der Luftreinhalterichtlinie zusammengefasst.
Ich war vor Jahren involviert in einen Fall, bei dem ein EU-Beamter gegen Rat und Argumente der Medizingeräte-Industrieorganisationen, des ZVEI, der internationalen Normengremien erpresserisch seine persönliche Interpretation einer wichtigen Norm durchgesetzt hat - gegen bestehende Regeln, theoretisch hat er von einem Tag auf den anderen alle in der EU vermarkteten Produkte für unsicher erklärt. Dem Mann war nicht beizukommen, ein Rechtsweg war als teuer und aussichtslos eingestuft worden.
Ich kann noch einige weitere Fälle listen, die den Moloch EU charakterisieren.
Die Luftreinhalterichtlinie war für mich eine Gelegenheit, mich mit der Institution'EU' weiter vertraut zu machen. Die deutschen Fahrverbote wurzeln in dieser chaotischen Organisation. Sollen Verordnungen und Richtlinien verabschiedet werden genügt das Nein eines Mitgliedstaates, um dies zu verhindern. Soll eine verabschiedete Richtlinie oder Verordnung wegen Mängeln korrigiert werden ist dies mitunter praktisch unmöglich. Dabei darf die Kommission an manchen Details der Richtlinien 'herumfummeln', ohne dass dies weiterer Zustimmung bedarf. Die Details können aber durchaus massive Folgen haben. Die EU-Beamten haben kein 'skin in the game', man kann sie nicht zur Verantwortung ziehen. Im Zusammenspiel mit dem EuGH ist die Kommission eine Betonwand.
Der Beschwerdeweg über den Ombudsman ist eher ein Feigenblatt, und wie mir scheint trifft das auch auf das Europaparlament zu.
Zitat von Rapsack im Beitrag #21Mir fehlen zwei Aspekt in der Diskussion. Allein um die Menge der Normen geht es nicht. Z.B. im Arbeitsrecht sind es weniger die Normen als die EuGH-Urteile mit denen sich EU-Recht bemerkbar macht.
Das Thema ist selbstverständlich breiter. Die Luftreinhalterichtlinie ist ein gutes Beispiel, auch Arbeitsplatzrichtlinie fallen in diese Kategorie, wie vor Jahren die Diskussion über den Schutz vor Sonneneinstrahlung, u.a.. Man kann sich da Begründungen zurechtlegen, warum das EU-weit geregelt sein müsse, ich meine, es muss eben nicht.
Und wie bestellt, kommt das EuGH mit einem normsetzendem Urteil hervor. Arbeitgeber werden wahrscheinlich sich recht intensiv mit der Arbeitszeiterfassung auseinandersetzen müssen. Ich denke, auf nationaler Ebene wäre eine entsprechende Vorschrift nur gegen riesige Widerstände durchsetzbar. Mit dem Urteil werden erstmal harte Fakten geschaffen. Das gilt jetzt oder man muss es aktiv ändern. Und mit dem Ändern ist es so eine Sache....
Ich finde es nicht einmal mehr erstaunlich, dass mit dem Arbeitsrechturteil und der NOx Grenzwertsetzung sich in sehr kurzer Zeit 2 Beispiele in Presse finden, was ich an der EU so schätze und liebe. Und beide Beispiele greifen aktiv und belastend in das Leben vieler Bürger ein. Keiner Partei oder konkretem Politiker lassen sich diese Normen bzw. Norm ersetzende Urteile zurechnen. Keiner zeichnet Verantwortung dafür. Wen muss man abwählen, wenn das nicht mehr will?
Es wäre echt schön, wenn jemand hier mir meine Zweifel an der demokratischen Legitimität ausreden könnte. Mich würde das tatsächlich freuen. Ich hoffe, dass ich etwas übersehe. Aber bitte nicht rein formalistisch, denn auch mir ist klar, dass die EU sich demokratisch ableiten läßt.
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