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ZETTELS KLEINES ZIMMER

Das Forum zu "Zettels Raum"



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Dieses Thema hat 87 Antworten
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 Kommentare/Diskussionen zu "Zettels Raum"
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HR2 Offline



Beiträge: 1.008

28.12.2020 18:52
#51 RE: Alle reden vom impfen. Wir auch. Antworten

Zitat von Llarian im Beitrag #48

Zitat
Ich darf hier mal meinen Sohn (22) als Beispiel anführen?: Der versteht sich als Liberaler, [...]

Isser aber nicht. :)
Sorry, ich will mich ganz sicher nicht über ihren Sohn echauffieren, aber das, was Sie beschreiben ist halt recht typisch. Die Freiheit, die man selber meint. Sie machen genau so lange keinen Stich, wo es ihren Sohn nicht betrifft. Aber warten Sie es mal ab. Wenn ihr Sohn, seines Zeichens ja irgendwann Informatiker und damit auch Besserverdiener, dann seine 100.000 Euro/Dollar im Jahr macht. Was meinen Sie, wo dann die Grenze liegt, an der jemand reich ist und schwer besteuert werden muss? Was glauben Sie wie lange seine Liberalität reicht, wenn im Silicon Valley er den von ihm angestrebten Job bei Google oder Microsoft nicht bekommt, weil affirmative Action sich nicht mit seiner Hautfarbe verträgt? Wie toll er erst #metoo finden wird, wenn es ihn seinen Job kostet, weil er jemanden in deren Augen falsch angesehen hat? Und wie toll ihm Gendermainstreaming erst gefallen wird, wenn seine Frau oder vielleicht irgendwann Tochter, in der von ihr gewählten Sportart von einer "Transfrau" in den Staub geworfen wird? (Letzteres ist zugegebenermaßen eher ein seltener Außenlieger).



Stimmt alles! Als säßen Sie an unserem Tisch.
In ihrem Beitrag ist allerdings mein Optimismus enthalten: "Aber warten Sie es mal ab"
Genau das tue ich. Und wie Sie fortschreiben, scheint Liberalismus ja ein Lernprozess.

Ich weiß nicht wie alt ihre Kinder sind. Aber diese düstere Farbe mit der Sie hier oft pinseln,
dieses Bild wollen Sie nicht vor ihren erwachsenen Kindern malen, denn es wird Sie fundamental von ihnen trennen.
Die Kinder erziehen Sie zur Mäßigung, die glauben an die Zukunft, wollen sie mitgestalten, optimistisch.

Morn Offline




Beiträge: 173

28.12.2020 21:03
#52 RE: Alle reden vom impfen. Wir auch. Antworten

Zitat von Doeding im Beitrag #50
Für mich ist das nicht wirklich einleuchtend, und mich würde interessieren, wie Du und die Zimmerleute darüber denken. Warum ist das so? Warum schmeißt eine Generation, die wie keine andere in freiheitlichen und gesellschaftlich liberalen Strukturen aufgewachsen ist, ebendiese weg und, mehr noch, erklärt sie zum gesellschaftlichen Feind?

Werter Doeding,
das ist jetzt so aus dem Bauch heraus und vor allem auch OT. Da Sie aber so direkt fragen will ganz direkt antworten: Weil wir es können. Uns geht es doch gut, es plagen uns keine existentiellen Sorgen. Wir denken uns sogar Katastrophen und Weltuntergangsszenarien aus. Wir erleben keine Hungersnot, kein Land greift uns an. Eine Art von Dekadenz?

Gruß
Morn <><
______________________________________
First we take Manhattan, then we take Berlin
1987, L. Cohen

Llarian Offline



Beiträge: 7.120

29.12.2020 03:26
#53 RE: Alle reden vom impfen. Wir auch. Antworten

Zitat von HR2 im Beitrag #51
Genau das tue ich. Und wie Sie fortschreiben, scheint Liberalismus ja ein Lernprozess.

Ja und nein. Es gibt diesen schönen Satz: Wer mit 18 kein Kommunist ist, hat kein Herz. Und wer es mit 30 noch ist, hat kein Hirn. Das ist insofern richtig, dass viele Leute mit 30 gemerkt haben, was die ganzen linken Sprüche sie persönlich selber kosten. Und dann wird gerne zurück gerudert. Was eigentlich positiv ist. Nur: Dadurch alleine entsteht leider noch kein (echter) Liberalismus. Denn was übrig bleibt ist immer noch "Die Freiheit, die ICH nutze". Es sind eigentlich drei Zustände, ich möchte Sie hier kurz nur am Geld aufhängen (gesellschaftliche Freiheiten kann man ganz ähnlich beschreiben, wird aber hier aufwendiger): Viele haben mir 18 (oder jünger) ein Herz für alle Menschen, weil sie selber nix dafür zahlen. Da können die Steuern noch so hoch sein, es betrifft sie ja nicht. Wer keine Steuern zahlt, dem ist das bisweilen wurscht. Exemplarisch sieht man das gerne bei Studenten. Wer von Mama und Papa oder dem Staat lebt, dem können oft die Steuern gar nicht hoch genug sein. In Stufe zwei haben die Leute dann aber endlich eine feste Arbeit, verdienen auch ganz ordentlich und sehen, wer den ganzen Schmonz bezahlen muss. Das ist dann die Phase des Umdenkens. Dann sind Steuern doch nicht mehr so doll, zumindest nicht, wenn man sie selber zahlen muss. Da schimpfen plötzlich viele wie die Rohrspatzen, dass die ganze soziale Gerechtigkeit sie plötzlich ein Drittel ihres Geldes kostet. Nur: Sie machen noch nicht den Schluss zum Liberalismus. Denn sie sind nur über IHRE Steuern sauer. "Die Millionäre" sollen bitte weiter zahlen und das möglichst viel. Und das ist leider auch das, wo die meisten dann stehen bleiben. Um zum "echten" Liberalismus zu kommen, muss noch der dritte Schluss folgen: Die Freiheit des Millionärs ist nicht unwichtig, nur weil ich kein Millionär bin.

Zitat
Ich weiß nicht wie alt ihre Kinder sind. Aber diese düstere Farbe mit der Sie hier oft pinseln, dieses Bild wollen Sie nicht vor ihren erwachsenen Kindern malen, denn es wird Sie fundamental von ihnen trennen. Die Kinder erziehen Sie zur Mäßigung, die glauben an die Zukunft, wollen sie mitgestalten, optimistisch.


Meine Kinder sind noch deutlich kleiner. :)
Und ich versuche ihnen natürlich keine pessimistische Lebenssicht anzuerziehen, im Gegenteil, ich versuche Ihnen permanent zu vermitteln, dass das Leben ein Glücksfall und Geschenk ist. Aber das man auch sehr hart dafür kämpfen muss, um etwas zu erreichen und das man nicht alles glauben soll, nur weil viele es behaupten. Was aber speziell die Düsterniss angeht: Ich sehe die Dinge zwar heute negativer als noch vor 20 Jahren, aber insgesamt sehe ich die Zukunft nicht so negativ, jedenfalls nicht, was den Planeten und die Menschheit an sich angeht. Ich glaube nur nicht mehr unbedingt daran, dass Deutschland daran noch einen nennenswerten Anteil haben wird, zumindest nicht, ohne vorher so richtig vor die Wand zu semmeln.

flobotron Offline



Beiträge: 331

29.12.2020 12:34
#54 RE: Alle reden vom impfen. Wir auch. Antworten

Zitat von Doeding im Beitrag #50


Für mich ist das nicht wirklich einleuchtend, und mich würde interessieren, wie Du und die Zimmerleute darüber denken. Warum ist das so? Warum schmeißt eine Generation, die wie keine andere in freiheitlichen und gesellschaftlich liberalen Strukturen aufgewachsen ist, ebendiese weg und, mehr noch, erklärt sie zum gesellschaftlichen Feind?
Mich selbst erinnert es an das Krankheitsbild der Magersucht/Anorexie, die ausschließlich in saturierten Überflußgesellschaften zu beobachten ist; aus Mangelgesellschaften gibt es m. W. nicht einmal anekdotische Fallbeschreibungen dieses Krankheitsbildes.

Herzliche Grüße,
Andreas


Diese Frage hab ich mir auch oft gestellt. Was mir an sehr vielen linken, progressiven und woken Menschen auffällt ist die Ablehnung der eigenen Verantwortung für ihr Tun und ihre Moralvorstellungen.
Die Generation der jetzt 20-40 Jährigen ist im Westen in einer Zeit von unvergleichlichem Wohlstand und mehr Freiheiten, als jemals zuvor in der Menschheitsgeschichte, aufgewachsen.
Dies haben sie den Generation vor Ihnen zu verdanken, die wirklich großartiges geleistet haben um diesen Wohlstand und diese Freiheit und Sicherheit zu erschaffen. Aber nun geht der Staffelstab weiter und nun sind es nicht mehr die Eltern und Großeltern, die in der Verantwortung sind dies weiter zu gewährleisten und zu vergrößern. Ich denke dieser Verantwortung sind viele nicht gewachsen. Man tut diese Leistung ab als Ausbeute von Schwächeren , Kolonialismus, Privilegien und Rassismus und steht nicht mehr in der Verantwortung selber nun Leisten zu müssen. Man kann ewig kann ewig im infantilen verharren und sich auch noch moralisch über andere erheben.

Ulrich Elkmann Offline




Beiträge: 14.542

29.12.2020 14:45
#55 RE: Alle reden vom impfen. Wir auch. Antworten

Zitat von flobotron im Beitrag #54
Diese Frage hab ich mir auch oft gestellt.


Meine Vermutung - ich sehe diese Entwicklung ja auch fortwährend; gefühlt die Hälfte meiner pessimistischen Kannegießerereien reibt sich ja an dem Befund. Ich vermute zweierlei dahinter (eigentlich dreierlei). Das ist natürlich ins Blaue geschossen; nicht empirisch unterfüttert und nur der Versuch, mir halbwegs strigent einen Reim auf den einreißenden Verfall zu machen; die um sich greifende Infantilität, die offenkundige Blindheit für das, was sich hier entwickelt.

Das eine dürfte ein Saturiertheitsphänomen sein; wie es etwa Gregg Easterbrook 2003 in seinem Buch The Progress Paradox beschrieben hat (New York: Random House, 2003). Kurz gefaßt: saturierte, fortschrittliche Gesellschaften, die sich "eigentlich nur noch um ihre Befindlichkeiten kümmern müssen und sich keinen existentiellen Bedrohungen mehr ausgesetzt sehen, neigen dazu, sich für die krisengeschüttelsten, notorisch unzufiredensten zu halten. Es scheint da so etwas in der Natur menschlicher Kollektive zu geben, das man ein "Krisen-Appetenzverhalten" nennen könnte; ein eingebautes Bedürfnis, sich bedroht, SOWOHL innerlich unbefriedigt als von Feinden umringt zu sehen (da die äußeren, die mit der Streitaxt das Dorf belagerten, fortfallen, werden sie im Innern vermutet - deswegen die Neigung zur unablässigen Hexenjagd, heute in der Projektion von "Nazis": Manifestationen dessen, was eine Gesellschaft sich als das ultimative Böse imaginiert). Es ist ein freilaufendes Bedürfnis, aber gegeben; bei Nichtbedienung wird es zum neurotischen Zwang. Der Mensch ist ein Wesen, das seine Prägung der beständigen Not und permanenten Bedrohung verdankt; das dürfte sich über die Millionen Jahre in einer solchen Disposition niedergeschlagen haben. Das "Paradox", wie Easterbrook es nennt, besteht darin, daß diese Disposition in wohlhabenden, saturierten Gesellschaften keine Befriedigung mehr findet und sich, geradezu neurotisch, Bahn bricht, brechen muß (auch bei neurotischem Verhalten handelt es sich ja um die Auswirkungen solcher "an sich" durchaus sinnvoller Verhaltensweisen und Einstellungen, die fehlgelenkt werden und aus dieser Fixierung nicht mehr freikommen).

Zum anderen sehen wir hier ein Erbe einer speziellen kulturellen Tradition, die sich bei uns an "68" festmachen läßt, aber tiefergehend auf Rousseau und, breiter gehend, auf die Romantik zurückführen läßt: das tiefe Unbehagen am Eigenen, am eigenen Herkommen und seinen Prägungen und Zwängen, das an die Stelle der Erbsünde tritt ("wir sind alle schuldig geboren"); in unserem Fall kommt da die Fixierung auf das satanische Jahrzwölft hinzu, das ein absolut unablässig bedienter Bezugspunkt ist. Man muß sich hier sprachlich ganz vorsichtig bewegen, weil das Gebiet vermint ist und man sofort in den Ruch kommt, das hier als "vergangen und erledigt" abtun und entsorgen zu wollen. Das ist nicht der Fall; auf der anderen Seite ist es jedem Betrachter, der die Ausprägungen dieser Obsession über die letzten 40-50 Jahre betrachtet, klar, daß die unablässige Bezugnahme - und die gleichzeitige Nicht-Historierung - hier obsessive - und eben auch neurotische - Züge angenommen hat, die dme Selbstverständns einer Gesellschaft, dem Bild, das sie von sich hat, nicht gut tut, höflich gesagt. Das Vergangene, das, woher man kommt, wird aussschließlich negativ grundiert; es ist absolut schlecht, verbrecherisch; und die Überwindung durch 3 Jahrzehnte Nachkriegsgeschichte DARF nicht zugelassen, nicht zur Kenntnis genommen werden, weil das stante pede unter "Relativierung" des absolut Bösen, das per definitionem nicht zu relativieren ist, fällt. Psychologisch gesprochen: ein klassischer Double Bind. Genau daraus entstehen Psychosen, und ich halte dafür, daß das nicht nur bei Individuen, sondern eben auch Gemeinschaften, soweit sie sich als solche verstehen, der Fall ist, was das eigene Wesen und Herkommen betrifft. Wir haben es zumindest mit einer sehr starken Disposition zu tun, das eigene Sein, die eigenen Zustände, als sowohl schuldbeladen als auch völlig unverdient zu sehen. Zudem fehlt die direkte oder über direkte Zeitzeugenschaft vermittelte Rückbindung an die tatsächlichen, nicht die projizierten Zeitumstände. Man kennt es nur noch aus Film, Literatur, Dokumentationen - und dem unablässigen rhetorischen Beschwören in Medien und Politik (also der Priesterkaste, die das zivilreligöse Selbstverständnis dieser Gesellschaft prägt und bei jeder Gelegenheit festigt: diese Predigten haben EXAKT dieselbe Funktion wie die Predigt und tatäschlich-religiösen Gemeinden; sie dienen der Bekräftigung und Evozierung der im gemeinsamen Glauben Versammelten). Diesem als das absolut Böse gesehenen Zeitabschnitt steht nichts positiv Geprägtes im eigenen Herkommen gegenüber. Vor allem (auch das schreibe ich ja des öfteren): ein solches Herkommen, ein solches Selbstverständnis ist nur noch in Termini religiösen Selbstverständnisses zugänglich - jedenfalls für die, die sich darin finden (bei außenstehenden Betrachtern, die das phänomenologisch einsortieren, wie ich es hier versuche, ist das hoffentlich neutralisiert - soll heißen: ich weigere mich, diesen Hut aufzusetzen).

Was in der mentalen Geschichte - gerade Deutschlands - aber eben auch "des Westens" der letzten 50, wenn nicht 70 Jahre auffällt, ist, daß schlichtweg ALLES diesem Negativsaldo zugeschlagen worden ist: bei uns nicht nur die eigene Geschichte (soweit man darauf Bezug nimmt); sondern eben auch alle kulturellen Hervorbringungen, alle Errungenschaften, die religiöse Prägung des Westens, seine Institutionen; das männliche Rollenverständnis, das "Weißsein", die Geschlechterdisparität, die Biologie, die Sprache; die Tatsache, daß wir Energie verbrauchen und atmen. Und als Protesthaltung steht dem nur noch die brüllende Verdammung entgegen; das war schon "68" der Fall; aber es fällt auf, daß das in den Wellen, ind denen sich so etwa alle 10 Jahre regelmäßig Bahn bricht, das immer hilfloser und infantiler Ausdruck gefunden hat: das war schon in der 2. Welle ("AKW-Nee!" und gegen die Nachrüstung) zu beobachten. Eins der Symbolbilder von 1981 war das in allen Zeitungen abgedruckte Bild einer jungen Mutter mit Kinderwagen und dem Schild "Frieden ist, wenn einem Kind beim Wort Krieg nichts mehr einfällt". Durchgang Nr. 3 war die Solidarisierung gegen den Golfkrieg und mit Saddam (und gegen Israels Selbstverteidigung); die vierte dann das, was Paul Krugman 1997 die "Seattle People" genannt hat; das lief dann mit der "Occupy!"-Bewegung aus. Und da konnt man schon an diesen Sprechwellen und -chören, diesen glasigen Blicken die Infantilität mit Händen greifen; mit der letzten Welle, Greta & Co., hat das eine Schwundstufe erreicht, die nicht mehr zu unterbieten sein dürfte: dieses Kind, das nur einfältige Platitüden plärrt und phänotypisch eben nicht pubertär, sondern dezidiert kindhaft daherkommt, scheint mir für die Entwicklung zutiefst kennzeichnend (egal wieviel davon zynisch kalkulierend von den Managern dahinter, Ingmar Rentzhog und ihrem Vater, "gemacht" ist).



"Les hommes seront toujours fous; et ceux qui croient les guérir sont les plus fous de la bande." - Voltaire

HR2 Offline



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30.12.2020 02:25
#56 RE: Alle reden vom impfen. Wir auch. Antworten

Zitat von F.Alfonzo im Beitrag #46
Zitat von HR2 im Beitrag #42
USA nächstes Ziel (Silicon Valley ist links und macht die Kohle)


Silicon Valley ist demnächst nur noch links, die Kohle wandert mit den Firmen ab - der Exodus ist schon voll in Fahrt. Sozialismus halt, funktioniert wie üblich nur mit Mauer und Gewalt. Schockierenderweise auch beim 2.314. Versuch...

Zitat von HR2 im Beitrag #42
gesellschaftspolitisch wirft er mir Konservatismus und Illiberalität vor.


Nun, 22 ist kein Alter. Bei mir hat es auch wesentlich länger gedauert, bis ich realisiert habe das Liberalismus nicht gleichbedeutend damit ist ALLES zu dulden, weil das unweigerlich dazu führt dass die Macht von Leuten übernommen wird die ihn mit allen Mitteln bekämpfen. In Ihrem Sohn steckt noch zu viel jugendliche Linksdenke. Die verschwindet idR aber mit zunehmender Lebenserfahrung.


"Linksdenke"...so in etwa hatte ich ihm das vorgeworfen und bin auf heftigen Protest gestossen.
Wie gesagt, er versteht sich als Liberaler und empfand das als Beleidigung.
Dann flattert hier sein Abo der Zeitschrift "Liberal" regelmäßig ins Haus.
Dort kann man die gesellschaftspolitisch linken Ansichten, die sich selbst als liberal verstehen,
sehr gut nachlesen. Wahlweise auch Zeit.de
"Liberal" ist ein verdammt ungenauer politischer Begriff. Ganz im Gegenteil zu "Konservativ".
Als solcher lasse ich mich regelmäßig beschimpfen.

P.S.: Silicon Valley...linker Exodus...können Sie das erläutern?

HR2 Offline



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30.12.2020 02:36
#57 RE: Alle reden vom impfen. Wir auch. Antworten

[quote="Llarian"
Was aber speziell die Düsterniss angeht: Ich sehe die Dinge zwar heute negativer als noch vor 20 Jahren, aber insgesamt sehe ich die Zukunft nicht so negativ, jedenfalls nicht, was den Planeten und die Menschheit an sich angeht. Ich glaube nur nicht mehr unbedingt daran, dass Deutschland daran noch einen nennenswerten Anteil haben wird, zumindest nicht, ohne vorher so richtig vor die Wand zu semmeln.
[/quote]

Dazu gibt es ja auch überhaupt keinen Anlass. Ganz im Gegenteil, der Umweltschutz hat enorme Fortschritte durch Fortschritt gemacht,
die Menschen der Welt werden immer wohlhabender, die Armut in fast atemberaubendem Tempo zurückgedrängt.
Und ich sage Ihnen, auch Deutschland/EU wird wieder vernünftig bevor es völlig vor die Wand fährt.
Das Herz schlägt dabei z.B. China. Frei nach Remmler: Das ist in der globalen Wirtschaftswelt der Rhythmus wo Deutschland mit muss.

HR2 Offline



Beiträge: 1.008

30.12.2020 03:12
#58 RE: Alle reden vom impfen. Wir auch. Antworten

Zitat von Doeding im Beitrag #50


Für mich ist das nicht wirklich einleuchtend, und mich würde interessieren, wie Du und die Zimmerleute darüber denken. Warum ist das so? Warum schmeißt eine Generation, die wie keine andere in freiheitlichen und gesellschaftlich liberalen Strukturen aufgewachsen ist, ebendiese weg und, mehr noch, erklärt sie zum gesellschaftlichen Feind?


Versuchte ich ja schon zu verdeutlichen: Weil diese Generation meint, für mehr Liberalität und Gerechtigkeit zu kämpfen,
sie hat das Gefühl, ihren Wohlstand und ihre Freiheitsrechte unrechtmäßig geerbt zu haben. Unrechtmäßig auf dem Rücken der Menschen in Armut,
die von vorherigen Generationen quasi versklavt wurden. Ein vergiftetes Erbe.
Natürlich ist das vollkommen falsch, aber es kostet nichts und hat einen riesen Vorteil: Man sitzt moralisch hoch zu Ross,
überlegen seinen Eltern und hat dennoch keine materiellen Einbußen. Genaueres müßten Sie einen Psychologen fragen ;)

Ich habe das hier miterlebt:

Dieser Eistee, nur diese Marke, Wasser diese Marke, aber bitte nur aus Glasflaschen,
schleppen kann das Mama...die mußte auch nach Plan kochen: erst vegetarisch,
dann vegan...weil er irgend ne Tusse im Internet kennen gelernt hat, die das propagiert hat...
mittlerweile muß wieder grobe Bratwurst auf den Tisch...
dann reisen...nach Südafrika, ind die USA, GB, Polen und Moskau...airbnb...cool und günstig...
Da kommt mir die Umweltsau-Oma aus dem WDR hoch:
Fußball gespielt vor der Haustür, nix PC oder Smartphone...
Gegessen wurde was auf den Tisch kam...obs geschmeckt hat oder nicht...dann mußt du eben hungern...
Getränke rationiert...teil es dir ein!...darüber hinaus Leitungswasser
Reisen?: Faltboot auf dem Rhein...Interrail im Schlafwagen nach Kreta...

Und so ist das bei so vielen Familien! Ich habe wenigstens meinen Eltern gelauscht,
ob ihrer Entbehrungen nach dem Krieg..."das hatten wir alles nicht",
war dankbar und zufrieden...hab mich nie in der Position gesehen,
meinen Eltern moralische Vorwürfe machen zu können...nicht im Entferntesten!
undenkbar! Ganz im Gegenteil!

Da kocht einem, mir, manchmal ehrlicherweise das Blut in den Adern.

Llarian Offline



Beiträge: 7.120

30.12.2020 04:43
#59 RE: Alle reden vom impfen. Wir auch. Antworten

Zitat von HR2 im Beitrag #56
"Linksdenke"...so in etwa hatte ich ihm das vorgeworfen und bin auf heftigen Protest gestossen. Wie gesagt, er versteht sich als Liberaler und empfand das als Beleidigung.

Ja, das ist immer wieder erstaunlich. Die meisten Menschen verstehen sich als liberal, haben aber im Prinzip keine Ahnung was das bedeutet, weil der Begriff inzwischen so beliebig geworden ist und sich jeder so reklamiert. Liberal ist irgendwie jeder, hat aber noch nie was von Smith, Hayek, Mises oder Rand gehört, geschweige denn gelesen. Sie glauben wenn sie Rosa Luxemburg mit der Freiheit des Andersdenkenden zitieren können (die damit übrigens etwas ganz anderes gemeint hat), dann sind sie schon die Spitze der Freiheit.

Zitat
Ganz im Gegenteil zu "Konservativ". Als solcher lasse ich mich regelmäßig beschimpfen.


Davon mal ab, dass konservativ auch nicht so genau definiert ist (nach meinem Dafürhalten sogar schlechter als liberal) gibt es sicher schlimmeres als das man beschimpft werden kann. :)

Zitat
P.S.: Silicon Valley...linker Exodus...können Sie das erläutern?


Die Frage ging zwar nicht an mich, aber ich denke ich kann sie beantworten: Kalifornien und das Silicon Valley sind gerade in einem massiven Absturz begriffen. Kalifornien ist inzwischen das, was in Deutschland Berlin ist: Ein Land mit mehr Regelungen als Verstand, einer kernlinken Wählerschaft und zunehmend außer Kontrolle geratenen Problemen, von Obdachlosenschwemme über ausufernde Kriminalität bis zur Unterversorgung mit Strom (wie war das mit Berlin....). Und gleichzeitig aberwitzigen Lebenserhaltungskosten. Und das führt dazu, dass mehr und mehr Firmen das Valley verlassen. Oracle, HP, Tesla sind nur drei der großen Namen die gehen. Die Tech Firmen merken, dass ihnen Kalifornien keine Vorteile mehr bringt und dank Corona haben sie auch gemerkt, wie viel man heute virtuell machen kann. Sie können heute für HP von ihrem heimischen Schreibtisch in Timbuktu arbeiten.

Llarian Offline



Beiträge: 7.120

30.12.2020 04:52
#60 RE: Alle reden vom impfen. Wir auch. Antworten

Zitat von HR2 im Beitrag #57
Dazu gibt es ja auch überhaupt keinen Anlass. Ganz im Gegenteil, der Umweltschutz hat enorme Fortschritte durch Fortschritt gemacht, die Menschen der Welt werden immer wohlhabender, die Armut in fast atemberaubendem Tempo zurückgedrängt.

YES!
Genau so ist es und genau deswegen bleibt meine Zukunftssicht insgesamt positiv. Die technische Entwicklung ist irre und damit ich den Umweltschutz nur am Rande, aber was heute möglich ist, was wir in den letzten 100 Jahren an Reichtum erzeugt haben und noch erzeugen, das ist irre. Niemand will gern sterben, aber eine meiner Frustrationen, wenn ich mal abtrete, ist die, dass ich nicht noch mehr sehen werde, was da noch kommen wird.
ABER (Sie wissen ja, in Deutschland gehts nicht ohne aber): Es gibt einen ordentlichen Wehrmutstropfen. Die Beobachtung, die Sie hier machen, habe ich auch schon vor 20 Jahren so wahrgenommen. Ich habe dazu auch mal einen Beitrag hier auf Zettels Raum geschrieben, der es bis zur Naumann Stiftung geschafft hat (als Artikel des Irgendwas, habe ich wieder vergessen). Aber ich war damals der Meinung, dass die technische und wirtschaftliche Entwicklung auch zu mehr Freiheit führen würde, ja führen müsste. Und ich stelle eher das Gegenteil fest. China ist unendlich reicher geworden in den letzten 20 Jahren. Aber nicht freier, im Gegenteil, die Überwachung ist besser denn je. Deutschland, das reiche Deutschland, ist heute eine weit unfreiere Gesellschaft als zur Zeit meiner Jugend (also als noch Dinosaurier auf der Erde wandelten). Der Islam, in meiner Jugend eine Religion, ist zur größten Bedrohung des menschlichen Fortschritts geworden. Die gesellschaftliche Entwicklung ist deutlich Richtung Unfreiheit.

Zitat
Und ich sage Ihnen, auch Deutschland/EU wird wieder vernünftig bevor es völlig vor die Wand fährt.


Ihr Wort in Gottes Gehörgang. Ich bin mir da nicht so sicher. Die DDR ist auch erst zusammen gebrochen als sie uneinholbar vor der Pleite stand.

Ulrich Elkmann Offline




Beiträge: 14.542

30.12.2020 15:31
#61 RE: Alle reden vom impfen. Wir auch. Antworten

Zitat von Llarian im Beitrag #60
China ist unendlich reicher geworden in den letzten 20 Jahren. Aber nicht freier, im Gegenteil, die Überwachung ist besser denn je.


Ist jetzt ein Nebenkriegsschauplatz. Aber als jemand, der sich da ein klein wenig auskennt, habe ich da seit Jahren bei der dortigen Entwicklung ein sehr starkes Dévà vu. Die Verhärtung und Repression wird ja am Namen Xi Jinping festgemacht; es ist, genauer, der "konservative" Kern der Parteiführung, die zur der rigidesten Kontrolle zurückwollen, wie sie die KP sowohl unter Tschou En Lai wie Deng ausgezeichnet hat. Mao stand da immer, obwohl er offiziell die "rote Sonne" war, für destruktive Alleingänge. Und genau diese Traditionslinie zieht sich wie ein roter, ein blutroter Faden durch die chinesische Geschichte. Der Konfuzianismus ist eine Lehre, die auf dieser strengen autoritären Kontrolle aufgebaut ist. Top Down, brutal durchgesetzt, ohne jede Rücksicht auf das Individuum. (Der Daoismus macht das, weniger streng, indem er auf den Einzelnen und seinen inneren Kompaß setzt; das ist dieselbe Bruchlinie wie bei der Dichotomie zwischen Protestantismus und Katholizismus.)

Genau auf diese Weise sind in der Mitte des 19. Jhdts, nach dem verlorenen ersten Opiumkrieg und den "ungliechen Verträgen", "Reformen" versucht worden - weil die Regierung als korrupt und dekadent gesehen wurde. Die Xiang-Armee, die dann Xinjiang von den Rebellen unter Ulug Beg wieder "heim ins Reich" geholt hat, war so eine Puritaner-Organisation. (In dem, was dort, in zwei Wellen, um 1760 und dann eben 1860-80 vorgefallen ist, liegt die Wurzel des Konflikts in Xinjiang).

Es weiß kaum einer hier im Westen en détail, aber China hatte das Zeug für die erste industrielle Revolution der Welt. Die haben einen Großteil der Erfindungen, die bei uns den Abschied vom Mittelalter ermöglichten, um mehrere Jahrhunderte vorweggenommen. 1280 waren 80% der Bücher mit beweglichen Lettern gedruckt. Die hatten Bessemerbirnen, Eisenwalzstraßen, industriell gefertige Kanonen mit Seriennummern, mechanische Uhren mit Schwungbalken zur Zeitregulierung, Papiergeld, fünf gewaltige Überseefahrten unter Zheng He. Die haben sogar das Klopapier erfunden (seit dem Frühjahr wissen wir alle, daß die Zivilisation ohne das scheitert). Der Neokonfuzianismus hat das zwischen 1420 und 1430 KOMPLETT abgewürgt. (Was China nicht geschafft hat, ist, daß all diese Innovationen "ansteckend" gewirkt haben, wie im Westen, wo jede größere Stadt nach 1420 sofort eine Rathausuhr haben mußte.) Dieses Rückstellen der Uhr hat dort also eine unschöne Tradition. Und die fußt nicht ganz unwesentlich auf der Auffassung, was einen Staat und die Elemente, die die Ordnung garantieren, ausmacht. Da gibt es keine liberale Schiene (egal, was Murray Rothbart da Lao Tse angedichtet hat).

Dem gegenüber steht, daß China, zum ersten Mal in seiner Geschichte überhaupt, Wohlstand entwickelt. China war immer blutarm - nicht dritte, sondern vierte Welt. Und es ist das erste Mal, seit gut 30 Jahren, daß es sich überhaupt zur Welt hin öffnet (als Ganzes, nicht ein paar Intellektuelle, die dann für die Jeunesse dorée in Shanghai und Nanjing geschrieben haben). Das hat sich unter Xi nicht geändert. Aber eine Hebelwirkung kann das schlicht nicht entwickeln. Solche Weichenstellungen sind immer und aussschließlich von einer kleinen Gruppe von ganz-oben ausgegangen; von Deng und seinem engsten Beraterstab, als 1978 die Öffnung der Nach-Mao-Ära begann, und schon davor bei der abgewürgten Reform der "100 Tage" unter Kang Youwei im Sommer 1898. Auch das zieht sich wie ein roter Faden durch die Geschichte.



"Les hommes seront toujours fous; et ceux qui croient les guérir sont les plus fous de la bande." - Voltaire

Florian Offline



Beiträge: 3.179

30.12.2020 17:20
#62 RE: Alle reden vom impfen. Wir auch. Antworten

"Alle reden vom impfen. Wir auch".

Nun, dann reden wir mal vom impfen.

Hier (https://www.zeit.de/wissen/gesundheit/20...andkreise-karte) sieht man jeweils tagesaktuell, wie viel in einzelnen Ländern bislang geimpft wurde.
In Deutschland: bisher 0,09 Impfdosen pro 100 Einwohner.

Zum Vergleich ist dieser Wert in den USA (über die uns die deutsche Qualitätspresse ja mitgeteilt hat, dass deren Präsident beim Corona-Management komplett versagt): bisher 0,64
Impf-Weltmeister Israel: 7,44 (also um den Faktor 83 mehr Impfungen als Deutschland.
Aber auch z.B. Großbritannien liegt bei 1,18 und damit um den Faktor 13 vor Deutschland. (Es ist wahrscheinlich kein Zufall, wenn man bedenkt, dass Großbritannien - anders als Deutschland - die Impfdosenbeschaffung nicht von der EU-Kommission erledigen ließ).

Obwohl der Impfstoff ja von einer deutschen Firma entwickelt wurde, die dazu auch mit deutschem Steuergeld gefördert wurde, hat Deutschland (und die EU insgesamt) also einen gewaltigen Impf-Rückstand.
Ganz offensichtlich ein gewaltiges Politik-Versagen.

Aber der Rückstand soll nun aufgeholt werden
Siehe hier: https://www.welt.de/politik/deutschland/...Jens-Spahn.html
Zwar fallen die zugesagten Dosen-Lieferungen Anfang Januar erst einmal aus. Aber danach soll mit Siebenmeilenstiefeln aufgeholt werden.
Es sollen dann 670.000 Dosen pro Woche geliefert werden.
Das klingt erst mal nach viel. Ist es aber nicht.
Eine vollständige Impfung braucht 2 Impfdosen. Es können also - wenn die Lieferung dann endlich irgendwann wie angekündigt kommt - maximal 335.000 Personen pro Woche geimpft werden.
Deutschland hat 82 Mio. Einwohner. Für eine vollständige Impfung der Bevölkerung bräuchte man in diesem Tempo 245 Wochen.
Nun gibt es gewisse Gruppen, die man nicht impfen kann (z.B. Kinder). Und eine gewisse Quote an Impfverweigerern.
Aber auch wenn man sich mit einer Impf-Quote von 60% zufrieden gibt (was für eine Herdenimmunität evtl. gerade so ausreichend sein könnte), bräuchte man immer noch 147 Wochen.
Also noch rund 3 Jahre (!!).

Allein um eine Impf-Quote von 7,4% zu erreichen (das ist die Quote, die Israel schon jetzt erreicht hat), braucht Deutschland noch bis Ende Mai 2021 - und das setzt voraus, dass die Impf-Lieferungen auch tatsächlich wie angekündigt kommen.

Ein schier unglaubliches Politik-Versagen.

Und wie nicht anders zu erwarten, ist die deutsche Presse und deutsche Bevölkerung ob dieses Versagens in Aufruhr und fordert völlig zu recht den Kopf des verantwortlichen Ministers.
Oder auch nicht.
Jens Spahn ist nämlich jetzt Deutschlands beliebtester Politiker (https://www.welt.de/politik/deutschland/...utschlands.html).
Ich verstehe meine Landsleute wirklich nicht mehr...

Ulrich Elkmann Offline




Beiträge: 14.542

30.12.2020 17:56
#63 RE: Alle reden vom impfen. Wir auch. Antworten

Zitat von Florian im Beitrag #62

Und wie nicht anders zu erwarten, ist die deutsche Presse und deutsche Bevölkerung ob dieses Versagens in Aufruhr und fordert völlig zu recht den Kopf des verantwortlichen Ministers.


Was die Bevölkerung angeht, so gibt es wohl die Wenigsten, die hier noch A und B zusammenlegen. In den Nachrichten herrscht eine Ewige Gegenwart; es wird immer nur der Iststand beschworen; Entwicklungen werden komplett ausgeblendet und statt Nachrichten und Recherche gibt es allein noch Haltungserklärungen. Ich habe ja gerade die Stationen des "Typs Jens S." im Nachbarstrang eingestellt: wievielen Zuschauern-draußen-im-Land ist das auch nur ansatzweise gegenwärtig? Davon ab, glaube ich nicht, daß Spahn "der beliebteste" ist; das hängt zum einen von der medialen Dauerpräsenz ab; davon, daß der Eindruck erweckt wird, es werde etwas getan, und es werde das Richtige getan; eine nüchterne Gedwichtung durch Vergleich findet nicht statt. Das wäre zwar die Aufgabe der Medien, aber das ist komplett entsorgt worden. Die Allianz zwischen Medienmeinung und Politik, die mittlerweile absolut deckungsgleich ist, besteht auf allen Gebietgen. Wobei nicht mehr auszumachen ist, wer Roß und wer Reiter ist und den Takt vorgibt.

Bei den Forderungen nach Rücktritt läßt sich die Zäsur recht gut festmachen. Die fand genau zu der Zeit statt, als mit dem Atomausstieg im Sommer 2011 die erste fatale politische Weichstellung erfolgte. Die letzten von den Medien bewirkten Demissionen waren die von KT zu Guttenberg aufgrund seiner Plagiate beim Studienabschluß und die Rücktritte der Bundespräsidenten Wulff im Juni 2010 und Köhler im Februar 2012. Letztlich wegen politisch inkorrekter Äußerungen im Beiseit; unterm Strich wegen absoluter Banalitäten. Wulff ist wegen dem Verdacht der Bestechlichkeit von der BILD-Zeitung per Hexenjagd abgesägt worden und vor Gericht von allen Verwürfen freigesprochen worden. Es fällt übrigens auf, daß diese Vorgänge völlig aus dem öffentlichen Gedächtnis verschwunden sind. Bei Brüderle, wo es ebenfalls um völlige Banalitäten ging, hatten sich die Medien an einem für die Politik bedeutungslosen Altfunktionär festgebissen. Ich habe das immer als Testfall dafür gesehen, inwieweit ein paar Medienhäuser gehen können, um der Politik zu befehlen, was sie zu tun und zu lassen hat; Erste Macht im Land statt nachgeorndete Vierte. Und seitdem haben sich die Minister und Merkel Fehler um Fehler leisten können, angefangen mit der Ruinierung der Streitkräfte, ohne daß es auch nur die kleinste Konsequenz für sie gehabt hätte.



"Les hommes seront toujours fous; et ceux qui croient les guérir sont les plus fous de la bande." - Voltaire

F.Alfonzo Offline



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30.12.2020 19:38
#64 RE: Alle reden vom impfen. Wir auch. Antworten

Zitat von Florian im Beitrag #62
Aber auch wenn man sich mit einer Impf-Quote von 60% zufrieden gibt (was für eine Herdenimmunität evtl. gerade so ausreichend sein könnte), bräuchte man immer noch 147 Wochen.


Wo Sie das gerade anführen: Mir ist aus der Berichterstattung bisher auch noch nicht so wirklich klar geworden, welches Ziel mit den Impfungen eigentlich angepeilt wird. Wie üblich, wann immer es darum ging in der Corona-Thematik - und nicht nur dort - irgendwelche politischen Weichen zu stellen. Man fängt erst mal mit irgendwas an, was sich so an fixer Idee in den Hirnen festgesetzt hat, wurstelt so vor sich hin und entscheidet dann unterwegs, wie es weitergehen soll und wo man eigentlich hin möchte. Dass das nicht funktionieren kann dürfte einleuchten.

Nun sollen ja zunächst mal das medizinische Personal, Pfleger und Risikogruppen geimpft werden. Macht Sinn, ist auch ein No-Brainer. Und dann? Wer zuerst kommt, mahlt zuerst? Und wie lange? Bis die gesamte Bevölkerung geimpft ist gegen ein Virus, das bis zum Ende der Impfkampagne schon so weit mutiert ist dass die Impfung nicht mehr funktioniert, woraufhin man dann auf den nächsten Impfstoff wartet? Und in der Zwischenzeit Lockdown bis zum St. Nimmerleinstag? Bitte um Aufklärung...

Für mich wäre, wie in dem Beitrag auf der letzten Seite schon erläutert, Schluss, sobald alle Risikogruppen den Impfschutz haben. Das dürfte bei den genannten Lieferzeiten in einigen Monaten erledigt sein. Bei der gesamten Restbevölkerung ist das Todesrisiko so gering, dass sich eigentlich keinerlei Aufwand mehr lohnt. In der Folge lässt man die Covid-Geschichte einfach genauso laufen wie die Influenza auch: Es wird weiter an funktionsfähigen Impfstoffen geforscht, und wer möchte bzw. es für nötig hält, wird dann auch eine Dosis bekommen.

Doeding Offline




Beiträge: 2.612

31.12.2020 13:19
#65 RE: Alle reden vom impfen. Wir auch. Antworten

Zitat von HR2 im Beitrag #58
Zitat von Doeding im Beitrag #50


Für mich ist das nicht wirklich einleuchtend, und mich würde interessieren, wie Du und die Zimmerleute darüber denken. Warum ist das so? Warum schmeißt eine Generation, die wie keine andere in freiheitlichen und gesellschaftlich liberalen Strukturen aufgewachsen ist, ebendiese weg und, mehr noch, erklärt sie zum gesellschaftlichen Feind?


Versuchte ich ja schon zu verdeutlichen: Weil diese Generation meint, für mehr Liberalität und Gerechtigkeit zu kämpfen,
sie hat das Gefühl, ihren Wohlstand und ihre Freiheitsrechte unrechtmäßig geerbt zu haben. Unrechtmäßig auf dem Rücken der Menschen in Armut,
die von vorherigen Generationen quasi versklavt wurden. Ein vergiftetes Erbe.
Natürlich ist das vollkommen falsch, aber es kostet nichts und hat einen riesen Vorteil: Man sitzt moralisch hoch zu Ross,
überlegen seinen Eltern und hat dennoch keine materiellen Einbußen. Genaueres müßten Sie einen Psychologen fragen ;)


Vielen Dank an Sie und alle, die sich die Mühe gemacht haben, auf meine kleine Nebenfrage zu antworten.

Wenn ich das für mich zusammenfasse, dann ist es die Kombination aus einerseits Dekandenz/Saturiertheit als Grundierung oder notwendige Voraussetzung und auf der anderen Seite schuldinduziertes Bußeverhalten, das sich eines aggressiven moralischen Rigorismus bedient.
Ersteres spricht für mich sodann eher für die Annahme, daß es doch ziemlich vor die Wand gehen muß, so daß, um hier einmal mit Bedacht Berthold Brecht zu zitieren, das Fressen wieder vor die Moral gestellt wird.

„Mit Bedacht“ meine ich folgendermaßen. Das Thema schwingt hier ja implizit die ganze Zeit mit: es ist der Geist des Sozialismus, der sich ein neues Gewand gegeben hat. Die Sache mit der Marxschen Verarmung der Massen im Kapitalismus stimmt nunmal ganz offensichtlich nicht; das können auch Hardcore-Kommunisten inzwischen kaum noch leugnen. Überall weltweit, wo die Marktwirtschaft insbesondere in den letzten 50 Jahren Fuß gefaßt hat, gibt es im Gegenteil Wohlstandsgewinne für die Massen und offensichtlich findet die berühmte Ausbeutung der Werktätigen im prognostizierten Sinne nicht statt (daß Verdi sich alle Jahre wieder zu Weihnachten mit Amazon kabbelt ist dabei nichts als Gewerkschaftsfolklore).

Der Wohlstand wächst weltweit, also mußte man den Wohlstand selbst zum Problem erklären, und die Umwelt ist im Zuge dessen zum Ersatz für die “Werktätigen“ geworden. Ansonsten sind alle Argumente letztlich gleich geblieben. Llarian erwähnte zurecht, daß sozialistisches Gedankengut insbesondere für junge Menschen attraktiv ist. Was aber anders ist als zu Zeiten des „Klassenkampfes“, ist in der Tat der Hypermoralismus. Bestenfalls am Rande geht es noch um „Gerechtigkeit“ im sozialistischen Sinne (Umverteilung von Vermögen und Verstaatlichung von Produktionsmitteln), sondern um eine umfassende Transformation der Gesellschaft hin zur Gleichheit auf allen relevanten Ebenen. Und dafür muß nahezu alles Überkommene schlecht und sündig sein. Es muß ausgemerzt werden, mit Stumpf und Stil. Das, so scheint mir, erklärt die aggressive Rage und Kompromißlosigkeit der Generation Twitter mit ihrer Cancel-Culture.

Das noch als meine 2cents zum Jahresabschluß.
Allen im Forum einen angenehmen Rutsch. Der Brauch, zum Jahreswechsel ein lautstarkes Feuerwerk abzubrennen diente ja ursprünglich dem Vertreiben der bösen Geister des Vorjahres, um sozusagen „bereinigt“ ins neue Jahr starten zu können. Daß uns ausgerechnet dies in diesem Jahr verboten ist, will ich für den Moment mal optimistisch als Zufall deuten

Herzliche Grüße,
Andreas

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zwerg Offline



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31.12.2020 16:30
#66 RE: Alle reden vom impfen. Wir auch. Antworten

@F.Alfonzo Herdenimmunität ist schon ein Impfziel. Herdenimmunität ist der theoretische Wert, ab dem das Virus ausgerottet wird, da es sich nicht mehr verbreiten kann und das R auf 0 zurückgeht. Allerdings, um Covid19 oder eine andere Infektionskrankheit klein zu halten, reicht natürlich auch deutlich weniger, v.a. wenn man Leute impft, die besonders viel auf andere Leute treffen und daher Potenzial zum Superspreader haben. Bei der Grippeimpfung sind es jährlich normal um 10 Millionen. Dieses Jahr wurden 25 Millionen Dosen beschafft und es war zeitweise knapp, so dass das aktuell auch mehr sein dürften als die letzten Jahre. Das ist sicher ein Grund, warum ich zumindest niemanden in meinem Umfeld sicher weiss, der echte Grippe mal hatte und selbst erst vor 10 Jahren überhaupt mitbekommen habe, dass Grippaler Infekt etwas anderes ist, was natürlich jeder mal hatte.

Klar über 0 jedoch unter Herdenimmunität: Leben mit dem Virus, aber eingedämmt auf weniger Fälle, die halt Pech haben
Über Herdenimmunität: Virus auf dem Weg der Elimination wie viele Krankheiten, die wir durch Impfung in Mitteleuropa praktisch ausgerottet hatten, aber komischerweise in letzten Jahren wieder auftauchen....

Da Coronaviren wohl stabilere Erbsustanzen haben sollen als Influenzaviren, wird zumindest davon ausgegangen, dass die Impfung auch die Mutationen gut trifft. Die Grippe ist für Erkrankte etwas weniger gefährlich als Covid19, auch deutlich weniger ansteckend, dafür aber schneller mutierend und mit vielen verschiedenen Stämmen.

Noch ein Aspekt: Impfung sorgt nicht dafür, dass die Infektion nicht erfolgt. Sie stoppt diese nur recht schnell. Viren auf den Schleimhäufen könnte man trotzdem weitertragen, auch wenn deren Versuche sich im Körper zu vermehren, schnell eingedämmt werden.

Was den Lockdown angeht, so muss man halt erst abwarten, ob Erfolg eintritt und die Impfung die Versprechen hält und ob die Halbherzigkeiten beim Lockdown genug Schlupflöcher gelassen haben. Man darf halt m.E. nicht die Schulen so schnell wieder öffnen, da dort besonders gute Verbreitungsbedingungen herrschen, auch wenn das deutsche Forscher anscheinend nicht wussten (obwohl dort immer alles schnell rumgeht, sieht man halt bei Covid19 nicht so gut, da die leichtere Symptome haben). In Israel hat die Schulöffnung letztes Frühjahr die zweite und heftigere Welle produziert, die es damals vom Vorbild besser als Deutschland zum Hotspot gemacht hat.

Die Theorie dazu (Nachlesbar bei Yaneer-Bar Yam und Nassim Taleb) ist, dass man heftig reagieren muss, um Infektionen (mit Fat-Tail-Potential) klein zu halten und dann klein hält. Unser Fehler ist, dass wir immer erst mit langsamen wenig wirksamen Maßnahmen reagieren und erst, wenn wir wieder in den Brunnen gefallen sind, in den wirksamen Bereich vorstoßen, der die Infektionen nicht nur auf hohem Bereich hält (bisherige Maßnahmen vor aktuellem Lockdown, Maßnahmen im Sommer für Situation im Sommer), sondern auch wieder eindämmt. Wir wollen halt erst nicht den Preis zahlen und zahlen dann am Ende lang und mehr. Aufgrund von meinem Vater nenne ich das die schwäbische Methode (geizig sein und am Ende mehr zahlen für weniger), auch wenn das unfair gegenüber vielen anderen Schwaben ist.

zwerg Offline



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31.12.2020 17:11
#67 RE: Alle reden vom impfen. Wir auch. Antworten

Sorry, das könnte leicht Offtopic sein: Und was mir immer wieder auf die Nerven geht: Dass die Experimentalbedingung "Mit Maßnahmen" nicht unterschieden wird von der nicht vorliegenden Experimentalbedingung "Ohne Maßnahmen" und einfach die aktuellen Werte so interpretiert werden, als würde die zweite Experimentalbedingung vorliegen. Das ist wissenschaftstheoretisch so falsch, dass es kaum zu glauben ist, wie breit dieses Denken verbreitet ist. Weil die Werte mit Maßnahmen nicht so schlecht sind, wird bestritten, dass es die Maßnahmen braucht, weil die Werte ja ohne Maßnahmen so wären wie mit Maßnahmen. Das ist nicht redlich. Ein Mediziner sagte dazu, dass die Aufgabe der Medizin nicht ist, Kranke zu protokollieren und Infektionen ihren freien Lauf zu lassen, sondern Krankheiten klein zu halten und zu heilen.

Das "Ohne Maßnahmen" ist auch in Schweden nicht der Fall, wo ja nicht nicht reagiert wurde, nur weniger zwingend. Wer sich dort über hohe Übersterblichkeit aber niedrige Todesrate allgemein aufregt, sollte mal über die Population nachdenken. Schweden ist wie Deutschland in der Migrationskrise gefahren, davor schon noch extremer bezüglich Migration gewesen, darüber hinaus das Technologiezentrum Skandinaviens mit mehreren Top-Universitäten (KTH Stockholm, Lund, ...) und vielen innovativen IT/Technologie-Unternehmen. Durch Studenten, junge Wissenschaftler und Angestellte in aufstrebenden Technologie-Firmen sammeln sich dort viele junge Menschen von überall her und senken den Anteil der alten Bevölkerung im Vergleich zu den direkten Nachbarn, die das so nicht bieten können und wahrscheinlich auch einige Studenten und Arbeitnehmer hinschicken und damit ihre junge Bevölkerung leicht absenken. Daher ist die allgemeine Sterberate in Schweden ggf. etwas geringer, da man von weniger Leuten ausgeht, dass die jetzt bald sterben. Und ich frage mich, warum das dem rechtskonservativen Teil der Coronakritiker nicht aufgefallen ist. Die müssten das doch wissen.

Ein weiterer Aspekt, der immer falsch auftaucht und ich glaube auch Boris Palmer hatte den Fehler gemacht, wo er doch Mathematiker ist. Wenn die Lebenserwartung in Deutschland bei 83 Jahren liegt. Dann ist die Aussage falsch, dass man einem 81-Jährigen 2 Jahre Leben im Mittel nimmt, wenn dieser an Covid19 mit 81 stirbt. Man nimmt ihm im Mittel deutlich mehr Restlebenszeit weg, da hier eine bedingte Wahrscheinlichkeit vorliegt. Die Lebenserwartung von Leuten, die bereits 81 Jahren Leben ist irgendwo bei 86 Jahren. Die genauen Werte weiss ich jetzt nicht, aber es war etwas in der Richtung. Also, die Aussage 2 Jahre ist falsch, da eine bedingte Wahrscheinlichkeit vorliegt und die Statistik über diese Fälle sagt, dass es 5 Jahren Restlebenszeit wären.

Doeding Offline




Beiträge: 2.612

31.12.2020 17:37
#68 RE: Alle reden vom impfen. Wir auch. Antworten

Zitat von zwerg im Beitrag #67
Ein weiterer Aspekt, der immer falsch auftaucht und ich glaube auch Boris Palmer hatte den Fehler gemacht, wo er doch Mathematiker ist. Wenn die Lebenserwartung in Deutschland bei 83 Jahren liegt. Dann ist die Aussage falsch, dass man einem 81-Jährigen 2 Jahre Leben im Mittel nimmt, wenn dieser an Covid19 mit 81 stirbt. Man nimmt ihm im Mittel deutlich mehr Restlebenszeit weg, da hier eine bedingte Wahrscheinlichkeit vorliegt. Die Lebenserwartung von Leuten, die bereits 81 Jahren Leben ist irgendwo bei 86 Jahren. Die genauen Werte weiss ich jetzt nicht, aber es war etwas in der Richtung. Also, die Aussage 2 Jahre ist falsch, da eine bedingte Wahrscheinlichkeit vorliegt und die Statistik über diese Fälle sagt, dass es 5 Jahren Restlebenszeit wären.


Das ist richtig, sehr interessant und mir so nicht bekannt gewesen. Aber klar, bedingte Wahrscheinlichkeit: ein 80jähriger hat ja, anders als ein Neugeborenes, bereits jede Menge möglicher Todesursachen überlebt (angefangen beim plötzlichen Kindstod usw.) Hier die entsprechende Tabelle des stat. Bundesamtes. Die aktuelle Lebenserwartung eines heute 80jährigen beträgt gut 8 Jahre.
https://www-genesis.destatis.de/genesis/...080#abreadcrumb

Herzliche Grüße,
Andreas

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Tiefseetaucher Offline




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31.12.2020 17:58
#69 RE: Alle reden vom impfen. Wir auch. Antworten

Zitat von Doeding im Beitrag #68
Zitat von zwerg im Beitrag #67
Ein weiterer Aspekt, der immer falsch auftaucht und ich glaube auch Boris Palmer hatte den Fehler gemacht, wo er doch Mathematiker ist. Wenn die Lebenserwartung in Deutschland bei 83 Jahren liegt. Dann ist die Aussage falsch, dass man einem 81-Jährigen 2 Jahre Leben im Mittel nimmt, wenn dieser an Covid19 mit 81 stirbt. Man nimmt ihm im Mittel deutlich mehr Restlebenszeit weg, da hier eine bedingte Wahrscheinlichkeit vorliegt. Die Lebenserwartung von Leuten, die bereits 81 Jahren Leben ist irgendwo bei 86 Jahren. Die genauen Werte weiss ich jetzt nicht, aber es war etwas in der Richtung. Also, die Aussage 2 Jahre ist falsch, da eine bedingte Wahrscheinlichkeit vorliegt und die Statistik über diese Fälle sagt, dass es 5 Jahren Restlebenszeit wären.


Das ist richtig, sehr interessant und mir so nicht bekannt gewesen. Aber klar, bedingte Wahrscheinlichkeit: ein 80jähriger hat ja, anders als ein Neugeborenes, bereits jede Menge möglicher Todesursachen überlebt (angefangen beim plötzlichen Kindstod usw.) Hier die entsprechende Tabelle des stat. Bundesamtes. Die aktuelle Lebenserwartung eines heute 80jährigen beträgt gut 8 Jahre.
https://www-genesis.destatis.de/genesis/...080#abreadcrumb

Herzliche Grüße,
Andreas


Auch wenn man korrekterweise von der bedingten Wahrscheinlichkeit ausgeht, muss man berücksichtigen, dass die Restlebenszeit eines bereits 80-jährigen vom allgemeinen Gesundheitszustand und den Vorerkrankungen abhängt. Bei der Berechnung der Restlebenszeit eines 80-jährigen wird von dem durchschnittlichen 80-jährigen ausgegangen. Aber auch für die 80-jährigen sind die Restlebenszeiten in Abhängigkeit von dem allgemeinen Gesundheitszustand bzw. Vorerkrankungen unterschiedlich. Und da die Sterbewahrscheinlichkeit bei COVID-19 eben auch stark vom allgemeinen Gesundheitszustand und den Vorerkrankungen abhängt, verschiebt sich das wahrscheinlich schon sehr stark in die Richtung dessen, was Boris Palmer gesagt hat. Um da eine belastbare Aussage zu treffen, bräuchte man aber die entsprechenden Daten.

Wenn das Aussprechen der Wahrheit »den Falschen« nutzt, dann stimmt etwas mit »den Richtigen« nicht. - Dushan Wegner
Ich bin nicht antisemantisch. Einige meiner besten Freunde sind Wörter.
Die deutschen Medien informieren mich umfassend und wahrheitsgemäß – außer auf dem Gebiet, von dem ich etwas verstehe.

F.Alfonzo Offline



Beiträge: 2.286

31.12.2020 20:18
#70 RE: Alle reden vom impfen. Wir auch. Antworten

Zitat von zwerg im Beitrag #66
Da Coronaviren wohl stabilere Erbsustanzen haben sollen als Influenzaviren, wird zumindest davon ausgegangen, dass die Impfung auch die Mutationen gut trifft.


Also ich hab ja keine Ahnung von Biologie, aber mein Grundwissen reicht aus um einschätzen zu können, dass die Idee, dass man diesen SARS-Stamm ausrottet völlig utopisch ist. Ich glaube dass mir da auch die Fachleute zustimmen werden. Für die Herdenimmunität gilt das selbe, mit weniger Volk. Nur, und das ist meine Frage: Was macht man dann? Was ist eigentlich das Ziel der Politik? Das ist doch nur PR-Kacke, was hier gerade abläuft: Man vertröstet die Leute seit einem Jahr mit der Hoffnung auf irgendein Wundermittel, jetzt isses da, und nun?

Zitat von zwerg im Beitrag #66
Was den Lockdown angeht, so muss man halt erst abwarten, ob Erfolg eintritt


Gewaltiger Widerspruch an dieser Stelle. Nach dieser Argumentation könnte man auch heute noch die Berliner Mauer betreiben, man muss es nur so lange durchziehen, bis sich der Erfolg einstellt.

Die Leute, die diesen Mist beschlossen haben sind in der Bringschuld nachzuweisen, dass er
1. überhaupt zielführend ist und
2. so gut zum Ziel führt, dass die damit verbundenen Nachteile geringer sind als die Vorteile.

Das ist doch überhaupt nicht geklärt, auf keiner Ebene. Wir machen hier Lockdown, weil die Politschranzen nicht wissen was sie sonst machen sollen.

Ich bin da voll bei Llarian, wir haben hier kein Epidemie-Problem sondern ein Politikproblem.

HR2 Offline



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01.01.2021 02:17
#71 RE: Alle reden vom impfen. Wir auch. Antworten

"Jeder Prophet wird von der Zukunft widerlegt."
Zitat Ricarda Huch, "Alte und neue Götter", 1930

"Das komunnistische Manifest", sein Verfasser Marx und sein darin wohnender Wahnsinn wird derart anschaulich, analytisch,
fast prophetisch/ poetisch und dabei logisch nüchtern, so sanft widerlegt, dabei nackt hingestellt, entblösst,wie es vielleicht nur eine kluge Frau kann und darf. (1930! nochmal)
Kluge Distanz aus wahrnehmendem Auge.

Heinrich Heine über Marx, danach Ricarda Huch über Marx, dann Zeitgenossen über Marx...usw.

https://www.youtube.com/watch?v=n6tUlBxQ574&t=10475s Ab 2:25

Frohes, maximal unsozialistisches Jahr wünsche ich Euch!

HR2 Offline



Beiträge: 1.008

01.01.2021 04:45
#72 RE: Alle reden vom impfen. Wir auch. Antworten

So simpel, so richtig...ein Zitat von Huch:

"In Allem was der Mensch macht, haust das Menschliche,
in der kirchlichen, wie in jeder anderen Organisation...
...dass der Mensch der Gnade bedarf...

Wir wissen und setzten unseren Stolz darein zu wissen,
dass der Mensch ein zur Religion geschaffenes Wesen ist.
Dass der Atheismus nicht allein mit unserer Vernunft,
sondern mit unseren Instinkten streitet und dass er nicht lange bestehen kann.

...denn eine gänzliche Leere würde der Geist nicht ertragen,
ein roher, erniedrigender Aberglaube würde Besitz nehmen..."

Eigentlich nichts Neues, aber anscheinend wenig Reflektiertes.
Erklärt und beantwortet mir die Frage nach der ungeliebten Freiheit.
Weltweit. Und leider.

Doeding Offline




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01.01.2021 09:04
#73 RE: Alle reden vom impfen. Wir auch. Antworten

Zitat von Tiefseetaucher im Beitrag #69
Auch wenn man korrekterweise von der bedingten Wahrscheinlichkeit ausgeht, muss man berücksichtigen, dass die Restlebenszeit eines bereits 80-jährigen vom allgemeinen Gesundheitszustand und den Vorerkrankungen abhängt. Bei der Berechnung der Restlebenszeit eines 80-jährigen wird von dem durchschnittlichen 80-jährigen ausgegangen. Aber auch für die 80-jährigen sind die Restlebenszeiten in Abhängigkeit von dem allgemeinen Gesundheitszustand bzw. Vorerkrankungen unterschiedlich. Und da die Sterbewahrscheinlichkeit bei COVID-19 eben auch stark vom allgemeinen Gesundheitszustand und den Vorerkrankungen abhängt, verschiebt sich das wahrscheinlich schon sehr stark in die Richtung dessen, was Boris Palmer gesagt hat. Um da eine belastbare Aussage zu treffen, bräuchte man aber die entsprechenden Daten.


Sie haben recht, man bräuchte die entsprechenden, insbesondere internistischen, Daten.

Gleichwohl, so verführerisch es ist zu glauben, daß die verstorbenen Covid-Pat. ohnehin schon "auf dem letzten Loch gepfiffen" hätten: ein Selbstläufer ist diese Annahme keineswegs. Die Formulierung "mit 85 Jahren und mit Vorerkrankung verstorben" ist erstmal nichtssagend, da es selbstverständlich auf die Art der Vorerkrankung ankommt. Kaum jemand wird gänzlich ohne irgendwelche Vorerkrankungen 85 Jahre alt werden. Wenn ich es richtig rezipiert habe ist "Alter" jedoch ein eigenständiger Risikofaktor für Covid-19-Sterblichkeit mit einem eigenen Anteil Varianzaufklärung, also zusätzlich zu Lebenswandel oder Vorerkrankungen (wie bei Krebs oder demenziellen Erkrankungen ja auch). Als weitere (Haupt)Risikofaktoren werden immer wieder genannt: Übergewicht, Diabetes, vorgeschädigte Lunge und Bluthochdruck. Diese Faktoren korrelieren untereinander hoch positiv, jedoch deutlich negativ mit dem Lebensalter: aus naheliegenden Gründen sieht man so gut wie nie hochbetagte adipöse Raucher. Anders gesagt: je älter der Covid-Pat., desto stärker dürfte tendenziell das Alter als eigenständiger Risikofaktor wirksam sein und desto weniger die anderen, eher dem Lebenswandel zuzuschreibenden, Risikofaktoren. Das spricht erstmal nicht gegen die Gültigkeit der Sterbetafeln. Spricht allerdings auch nicht zwingend gegen Ihre Annahme; wie Sie sagten: man müßte die Daten sehen.

Herzliche Grüße,
Andreas

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Frank2000 Offline




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01.01.2021 09:26
#74 RE: Alle reden vom impfen. Wir auch. Antworten

Zitat von HR2 im Beitrag #72
So simpel, so richtig...ein Zitat von Huch:

"...dass der Mensch ein zur Religion geschaffenes Wesen ist.
....
ein roher, erniedrigender Aberglaube würde Besitz nehmen..."



Religion ist Aberglaube.

___________________
Jeder, der Merkel stützt, schützt oder wählt, macht sich mitschuldig.
“Die gefährlichsten Unwahrheiten sind Wahrheiten mäßig entstellt”, Georg Cristof Lichtenberg

Doeding Offline




Beiträge: 2.612

01.01.2021 09:56
#75 RE: Alle reden vom impfen. Wir auch. Antworten

Zitat von Frank2000 im Beitrag #74
Zitat von HR2 im Beitrag #72
So simpel, so richtig...ein Zitat von Huch:

"...dass der Mensch ein zur Religion geschaffenes Wesen ist.
....
ein roher, erniedrigender Aberglaube würde Besitz nehmen..."



Religion ist Aberglaube.


Vermutlich. Gleichwohl: für den in seinem Glauben gefestigten Menschen ist Religion zunächst mal eine Win-win-Situation. Gläubige Menschen sind nachweislich resilienter, hadern weniger mit ihrem Schicksal, empfinden mehr Lebenssinn und sehen dem Lebensende gelassener entgegen als Nichtgläubige. Im Leben profitieren sie also vom Glauben, und sollten sie sich irren, werden sie dies im Tod nicht bedauern müssen.
Für Atheisten kann man übrigens gegenteiliges postulieren: sie opfern ihren atheistischen Überzeugungen die möglichen Beglückungen der Spiritualität, und sollten sie sich irren, werden sie dereinst ziemlich blöd aus der Wäsche schauen :) Von daher halte ich es vorsichtshalber mit einem agnostisch-achselzuckenden: schaumermal.

Herzliche Grüße,
Andreas

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