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ZETTELS KLEINES ZIMMER

Das Forum zu "Zettels Raum"



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Dieses Thema hat 144 Antworten
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 Kommentare/Diskussionen zu "Zettels Raum"
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M.Schneider Offline



Beiträge: 672

20.07.2008 14:31
#51 RE: Frage @ RexCramer Antworten

Liebe Diskussionsteilnehmer

Monopolpreis, Mindestlohn, Flattax, klassische Mikroökonomische Situation,
exogener Input, Monopolrendite, Makroebene, Preiselastizität………..

Zahnärzte und Putzfrauen stellen alle Brötchen her. Und der Zahnarzt verdient deswegen etwa 10 Mal soviel wie die Putzfrau, weil er - per Ausbildung - in der gleichen Zeit 10 mal soviele Brötchen backen kann………..

An sich hatte ich mich aus Zeitgründen nicht an dieser Diskussion beteiligen wollen, wenn ich jedoch diese ganzen Theorie- Begriffe und Diskussionen lese, dann weiß ich, dass niemand von ihnen je einen Betrieb geführt hat und daher überhaupt keine Ahnung hat, wie Firmenchefs handeln und was das Geschehen wirklich beeinflusste

Wie sagte Nola „Dennoch möchte ich jetzt mal das reale Leben gegenüberstellen:“
Das will ich nun auch mal tun, und zwar als jemand, der 30 Jahre lang selbständiger Firmenchef ist und immer Ingenieurbüros geleitet hat.

Zuerst einmal muss klargestellt werden, dass das Rückgrat der deutschen Wirtschaft nicht Großbetriebe, sondern der Mittelstand ist. Und hierbei insbesondere der kleine Mittelstand, das heißt Betriebe bis 20 Angestellte.
Bei den ganzen Diskussionen um Mindestlohn und Sonstiges, wird gedanklich immer an Großfirmen gedacht, das ist falsch und die Bedingungen in solchen Firmen sind völlig andere.

Bleiben wir also beim kleinen mittelständischen Betrieb.

Ein weiterer Punkt der mir immer wieder bei dieser reinen Theoriediskussion aufgefallen ist, das ist, dass ewig von einem Produkt gesprochen wird, abstra-hiert wird aber dann ein materielles Produkt, also um mit der Computersprache zu sprechen ein Hardwareprodukt.
Es muss aber klar sein das in der Praxis mindestens 50% eben genau keine Hardwareprodukte sind, sondern Dienstleistungen und geistige Produkte.

Das Problem daran ist, ein geistiges Produkt kann man nicht wie ein materielles Produkt vorab kalkulieren. Wenn ein Architekt oder Sonderingenieure wie wir für einen bestimmten Zweck ein Gebäude oder die technischen Anlagen plant, dann weiß er erst am Schluss, was dabei im Detail rausgekommen ist und kann erst dann den Aufwand und somit den Preis dieses „Softwareproduktes“ kalku-lieren.

Jemand der hingegen einen Hardwareprodukt herstellt, kann dies im Voraus kalkulieren. Er weiß welche Materialien und wie viel er braucht, er weiß zu welchem Preis er diese Materialien einkauft, er weiß wie viele Leute mit welchen Lohn und welchem Minuten Ansatz er benötigt um das Produkt zu bauen und er kennt die allgemeinen Kosten, die seinem Betrieb entstehen und umgelegt werden müssen, sowie auch die Ansätze für Verschnitt und Fehler.

Soweit erst mal einige vorab Klarstellungen, die die Entscheidungsprozesse in Firmen beeinflussen.

Gehen wir nun mal von einem klassischen kleinen mittelständischen Dienstleistungsbetrieb mit 15 bis 20 Angestellten aus.

Das erste was der Chef weiß und was ihm die großen Probleme macht, das sind die jeden Monat anfallenden Festkosten des Betriebes. Der größte Posten dabei sind die gesamten Löhne und hälftigen Sozialkosten der Mitarbeiter.
(In einer GmbH zählt auch das Gehalt des Firmenchefs wie das eines Angestellten.)
Dazu kommen weitere, nicht veränderbar Festkosten wie Miete, Versicherung, Strom, Wasser, Heizung, Kapitaldienste, Lizenzgebühren und so weiter aber auch vorab zahlbare Steuern.

Dem gegenüber stehen die Einnahmen, die der Betrieb durch den Verkauf sei-ner Produkte beziehungsweise Dienstleistungen erwirtschaftet.

Ist diese Einnahme also wenigstens so groß wie die monatlichen Ausgaben dann trägt sich der Betrieb, hat aber denn noch keinen Gewinn gemacht. Das heißt ein gesunder Betrieb muss deutlich mehr einnehmen wie er ausgibt, um auch investitionsfähig zu sein.

Soweit die Theorie.

Nun die Praxis:
Bei der Ausgabenseite verändert sich nichts aber die Einnahmenseite sieht in der Praxis völlig anders aus.
Für den klassischen mittelständischen Betrieb ist es völlig unmöglich, dafür zu sorgen, dass er jeden Monat wenigstens so viel einnimmt wie er an Ausgaben hat.
Dies hängt nämlich von seinen Aufträgen ab, und innerhalb dieser wiederum von zeitbestimmenden Abwicklungen, die dann in der Regel der Betrieb gar nicht beeinflussen kann, weil es äußere Rahmenbedingungen sind, beziehungsweise ein Bauherr die Entscheidungen trifft, wann er was ausgeführt haben will.

Die Auftragslage wird ein Betrieb zwar versuchen zu verbessern, seine Möglichkeiten sind hier jedoch sehr eng begrenzt und wenn er sich in einer konjunkturell schlechten Phase befindet, dann sinken diese Möglichkeiten zur null.

Was bedeutet das in der Praxis?

Das bedeutet, dass die monatlichen Kosten unverändert gezahlt werden müssen. Wenn die Einnahmen in einem oder mehreren Monaten geringer sind, dann zahlt letztendlich der Firmeninhaber die Differenz aus seiner privaten Kasse.
Da er das Geld dafür nicht liegen hat, das verhindert in Deutschland schon das viel zu hohe Steuersystem, muss er diese Differenz über Kredite finanzieren, was die Kosten aufgrund der Zinsen zusätzlich erhöht.

Von daher wird auch schon klar, das es dem Firmenchef nur untergeordnete darum geht, wie qualifiziert sein Mitarbeiter ist. Zwar muss dieser Mitarbeiter eine Mindestqualifizierung für den Job haben, wäre er aber doppelt so schnell wie sein Nachbar, dann würde das für den Firmenchef nur dann einen Vorteil bringen, wenn auch so viel von außen bezahlte Mehrarbeit da wäre, weil sonst der Vorteil nicht nutzbar wäre.
Alternativ könnte man sich vorstellen einen langsamen Mitarbeiter zu entlassen,
weil dieser sehr schnelle Mitarbeiter dessen Arbeit mitmachen könnte, da sind aber auch Grenzen gesetzt den doppelt so schnell ist er nicht.

Das bedeutet also, in der Praxis hat ohnehin jeder Firmenchef sein Hauptproblem mit den konstanten Unkosten.

Logischerweise erhöht jegliche Erhöhung dieser Kosten das Problem des Firmenchefs. Von daher ist schon klar, bei Einführung eines Mindestlohnes klafft in verschiedenen Monaten die Schere zwischen Ausgaben und Einnahmen weiter auseinander, diese nicht gedeckten Kosten trägt der Firmenchef und selbst in den Monaten wo die Einnahmen über den Kosten liegen, ist der Gewinn durch diese Mehrkosten geschmälert.

Die Weitergabe dieser Mehrkosten an den Markt ist in den meisten Fällen reine Theorie. Gerade in schlechten Zeiten, wie wir sie jetzt extrem haben, ist die Chance dazu null. In unserem überregulierten Staat kommen noch weitere Probleme dazu, zum Beispiel gesetzlich verordnete Honorarordnungen, die zwingend angewendet werden müssen und damit eine Weitergabe von Zusatzkosten gar nicht gestatten.

Kurz gesagt, alles was die Unkostenseite eines Betriebes erhöht, führt bei jedem Firmenchef zu der Grundsatzüberlegung die Kosten drastisch zu reduzieren weil er sie im Zweifelsfalle auch noch selber tragen muss.
Das heißt, Sie werden es nun schon ahnen, die Personalkosten zu reduzieren.

Sie liegen aber falsch, wenn Sie jetzt annehmen, dies liefe einfach über ein paar Entlassungen.
Nein dies würde das Problem nicht lösen, weil man dann möglicherweise zu etwas anderen Zeiten zu wenig Leute hätte.
Die ganze einseitig zu Gunsten der Arbeitnehmer ausgelegte Arbeitsschutzgesetzgebung hat im übrigen die flexiblen Möglichkeiten der Betriebe, schnell Leute zu entlassen oder auch wieder einzustellen geradezu gelähmt. Zusatzkosten wie Abfindungen haben das Problem erst recht verschärft.

Und nun kommt das ins Spiel, was Arbeitswissenschaftler wie Prof. Zimmerli schon vor sieben bis acht Jahren gesagt haben “fest Angestellte sind ein Auslaufmodell.“

Immer mehr Betriebe und insbesondere im Dienstleistungssektor gehen deshalb dazu über, überhaupt keine festen Angestellten mehr zu beschäftigen, allenfalls nur einen minimalen Stamm zu halten.
Statt dessen arbeitet man mit Freiberuflern zusammen.

Ich brauche zum Beispiel in einem Ingenieurbüro nicht Kaufleute Ingenieure und Technische Zeichner fest angestellt zu haben, mit allen oben beschriebenen Problemen.
Sondern dann, wenn ich entsprechende Aufträge habe, dann spreche ich entsprechende Freiberufler in den verschiedenen Sparten an.
Ich weiß vorher aufgrund meines Auftrages wie viel Geld ich dafür bekomme,
ich kann also auch für die verschiedenen Teilleistungen ausrechnen wie viel sie maximal kosten dürfen.

Und nun lasse ich mir von verschiedenen Freiberuflern der entsprechenden Sparte zu den beschriebenen Arbeitspaketen ein Angebot machen. Das günstigste oder wie auch immer bewertete Angebot, nehme ich an und erteile diesem Freiberufler den Auftrag zu einem Festpreis.

Das ist im Prinzip nichts anderes was auch ein Bauherr macht.

Damit wird für mich als Firmenchef die Sache endlich reell.
Ich habe eben genau nicht mehr jeden Monat anfallenden Festkosten durch Angestellte. Mir machen also Monate in denen die Einnahmen nicht da sind keine Probleme mehr, weil ich auch keine (nur noch wenige) Ausgaben habe.
Ich halte auch nicht mehr selber die Werkzeuge vor, von daher sind auch meine ganzen Mieten Versicherungen und sonstigen Kosten rapide gesunken und vor allen Dingen zahle ich keine Angestellten, wenn ich sie nicht gebrauchen kann.

Ich habe nun auch kein Problem mehr damit wie gut der Freiberufler qualifiziert ist, vorausgesetzt natürlich dass er den Auftrag beherrschen muss. Arbeitet der Freiberufler langsam, dann muss er eben auf seine Kosten länger arbeiten um den Auftrag zu bewältigen. Mir als Auftraggeber ist das egal. Ist er hingegen sehr schnell, dann wird der im gleichen Zeitraum auch noch einen weiteren Auftrag bewältigen können und somit mehr verdienen.

Von daher entsteht ganz automatisch bei einem Freiberufler der Wille, so optimal und schnell wie möglich zu arbeiten, eben weil ich dann mehr verdienen kann. Als Festangestellter ist dieser Wille kaum da.

Weitere Vorteile sind, ich zahle auch nicht mehr die hälftigen Sozialkosten, ich zahle auch nicht mehr den Urlaub, ich habe nichts mit bezahltem Weiterbildungsurlaub, Mutterschaftsurlaub oder Kindererziehungsurlaub zu tun.

Ich habe mit einem Freiberufler, der sich um alle diese Dinge selber kümmern muss einen Vertrag, der von ihm eine bestimmte Leistung in einer bestimmten Qualität und in einer bestimmten Zeit fordert und ihm dafür einen Festpreis zusichert.

Das ist alles. Es interessiert mich dann als Firmenchef nicht mehr, welche Fest-kosten der Freiberufler hat, wie und wann er welchen Urlaub macht, es interessierte mich auch nicht mal, wie und wann er den Auftrag abarbeitet, solange er in den vertraglich festgelegten Randbedingungen bleibt.

Diese Zukunft hat schon begonnen. Gerade im Bereich der Architekten und Sonderingenieure ist dies schon gängige Praxis.

Viele andere Bereiche testen sich gerade vor. Es gibt Agenturen die Zeitarbeiter vermitteln. Das ist im Prinzip eine Vorstufe des reinen Freiberuflers.
VW hatte mal das Modell 5000 x 5000 eingeführt. Auch das war eine Vorstufe, weil diese Leute nicht in hauseigenen Tarif eingebunden waren.

Zunehmend werden von der Industrie Teilprodukte an externe Firmen verge-ben, um sich damit ebenfalls Festangestellte zu sparen.

Und die vielen Teilzeitjobs im Verkaufs- Gewerbe sind ebenfalls solche Vorstufen.

Unterm Strich kann man also klar sagen, dass die Entwicklung in eine völlig andere Richtung läuft, als sich das die ganzen Sozis mit ihren Mindestlohntarifen vorstellen.




Lieber RexCramer

Warum führt man nicht endlich ein einfaches, gerechtes, transparentes, moder-nes und konkurrenzfähiges Steuersystem ein und beendet diesen Wahnsinn? Warum entschlackt man das Gesundheitssystem nicht endlich drastisch von Bü-rokratie, statt dem medizinischen Personal immer mehr Unsinn aufzudrücken und mit dem "Gesundheitsfonds" eine weitere bürokratische Ebene zu schaffen? Warum schafft man die Kfz-Steuer nicht komplett ab, statt jetzt wieder nur eine abstrakte Norm statt tatsächlichen Verbrauch zu besteuern? Wieso wehrt man sich strikt gegen einen flexibleren Arbeitmarkt, obwohl damit in vielen Ländern Erfolge erzielt werden? Usw. usf.
Ich habe keine Ahnung, warum das nicht durchsetztbar ist, habe aber inzwi-schen die Hoffnung aufgegeben, daß ich es in der Politik noch erleben werde, daß man anhand vernünftiger Ideen, konstruktiver Vorschläge oder sachlicher Argumente vorgeht


Ihre Fragen sind genauso berechtigt, wie sie leider auch einfach zu beantworten sind. Deutschland ist zu einem Sozialstaat- Moloch geworden. Sowohl Politiker wie auch das Gros der Bürger kann sich gar nicht mehr vorstellen ohne zu leben und rufen ja auch laufend nach diesem Sozialstaat, den dann selbstverständlich die anderen, die besserverdienenden, was immer das auch ist, bezahlen sollen.
Olaf Henkel hat es hier ganz gut beschrieben.

http://www.cicero.de/97.php?ress_id=6&item=2369

Diejenigen, die sich das noch vorstellen können, gehen die oben beschriebenen Wege und wenn dies auch nicht mehr reicht, verlassen sie das Land.


Herzlich
M. Schneider

Rayson Offline




Beiträge: 2.367

20.07.2008 18:32
#52 RE: Marginalie: Unsere Regierung, unsere Konjunktur, unser Dilemma Antworten

Zitat von Dirk
Die bleiben doch in gleicher Höhe nachfragerelevant. Ist doch egal, ob das Geld von einem Hochqualifizierten ausgeben wird oder von einem Geringqualifizierte, der es nach der staatlichen Umverteilung erhalten hat.


Richtig - aber was endgültig wegfällt, ist die ursprüngliche Produktion und damit auch Nachfrage der jetzt arbeitslosen Geringqualifizierten.

--
L'État, c'est la grande fiction à travers laquelle tout le monde s'efforce de vivre aux dépens de tout le monde. (Frédéric Bastiat)

Rayson Offline




Beiträge: 2.367

20.07.2008 18:36
#53 RE: Frage @ Dirk und Rayson Antworten

Zitat von Dirk
Es gibt durchaus auch Ökonomen, die die Ansicht vertreten eine allgemeine Erhöhung des Ausbildungsniveaus würde die Arbeitslosigkeit nicht beeinflussen, sondern die Jobsuchenden würden lediglich auf einem "höheren Niveau" um die Jobs konkurrieren (ich erinnere mich an einen Makro-Professor, der das so sieht).


Würde mich mal interessieren, wer. Für einen Ökonomen steckt mir zuviel "Kuchentheorie" in diesem Argument. Dessen Absurdität zeigt sich vielleicht, wenn man es umkehrt: Würde eine allgemeine Senkung des Ausbildungsniveaus die Arbeitslosigkeit etwa auch nicht beeinflussen?

--
L'État, c'est la grande fiction à travers laquelle tout le monde s'efforce de vivre aux dépens de tout le monde. (Frédéric Bastiat)

Nola ( gelöscht )
Beiträge:

20.07.2008 18:43
#54 RE: M. Schneider Antworten
Lieber M. Schneider,
genau so hab ichs gemeint, und deshalb Danke für den ausführlichen plausiblen Beitrag. Da ich selbst aus dem Bauwesen (Hoch- und Ing.-Bau) komme, weiß ich wovon Sie sprechen. Gerade das Bauwesen ist seit vielen Jahren durch künstliche Dumping Preise derart in Schieflage geraten, dass Kalkulationen oft nicht haltbar sind. Nicht zuletzt sind Firmen (fast) oder gänzlich dadurch Pleite gegangen, siehe Hoch-Tief oder Holzmann und einige andere mehr. Die EU und der Einsatz von preiswerten Arbeitnehmern aus den östlichen Gebieten haben auch ihren Anteil daran. Somit wurden schon im Rohbau vor ca. 15 Jahren eigene Mitarbeiter abgeschafft und durch Nachunternehmer ersetzt. Eine Vorgehensweise, welche Sie soeben vorgestellt haben. Nur waren die einheimischen Mitarbeiter dann arbeitslos und blieben es auch. Aber nicht, weil sie zu hohe Löhne bekommen haben, sondern weil immer noch weitaus preiswertere Arbeitskräfte bekommen hat.


Was den Willen der Festangestellten Arbeitnehmer angeht, lieber M. Schneider, habe ich andere Erfahrungen gemacht. Der Festangestellte bringt vollen Einsatz und Mitarbeit. Allein schon weil er seinen Arbeitsplatz erhalten will. Aber nicht nur deshalb, sondern es wird zum gemeinsamen Projekt, wird also zum Baby von allen, die auch das Wochenende mal dran hängen. Vom pünktlichen Büroschluß ganz zu schweigen.

Diverse interne Arbeiten von Zeitarbeitsfirmen durchführen zu lassen, ist hier oft nicht hilfreich, denn genau diese Mitarbeiter sind es dann, die nicht erkennen, dass sie für einen Hungerlohn Einsatzbereitschaft auch mal über ein normales Maß hinaus bringen sollen. Und das hier von Zeitarbeitsfirmen Hungerlöhne gezahlt werden weis ich (ich hab sie ja selbst verhandelt). Hier gibt’s ganz erhebliche Differenzen im Stundenlohn zugunsten für die Zeitarbeitsvermittlung. Teilweise ist es auch so, dass die Mitarbeiter bei Zeitarbeitsfirmen nur vorgehalten werden und kein regelmäßiges Monatseinkommen von dieser Firma beziehen, also liegen sie dann dem Staat auf der Tasche. Somit tragen die Zeitarbeitsfirmen in der Regel überhaupt kein Risiko.

Ich frage mich wieso Zeitarbeitsfirmen überhaupt dazwischen geschaltet sein müssen. Den gleichen Part könnten doch die Jobcenter des Arbeitsamtes erfüllen. Oder sind eben diese Mitarbeiter „lustlos“ und ohne Willen möglichst viel zu leisten? Auch bei den qualifizierten Jobs wird nichts über die Arbeitsämter vermittelt, obwohl ein Potential da ist. In der Branche weis man das.

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Aber ich möchte noch einmal zurück zu dem anderen Problem kommen. Wenn die Lebenshaltungskosten so hoch sind, das ein Geringeinkommen – von 1.000,-- Euro netto - nachweislich nicht reichen kann, was ist dann zu tun? Das ist irgendwie immer noch unbeantwortet geblieben.

Der Artikel von Olaf Henkel beschreibt zwar die ganze Misere und er hat auch recht, trotzdem denke ich, dass nicht sooo viele Bürger diese Mentalität haben, alles vom Staat geschenkt zu bekommen, das ist erst dann entstanden, als der Staat dem Bürger zuviel aus der Tasche gezogen hat und die Bevölkerung unter der „Öko-Knute“ noch mal richtig abgezockt wurde. Das leidige Thema Benzin-Kosten : Mehrwertsteuer, Mineralölsteuer und den Obolus für die Erdölbevorratung kassiert Peer Steinbrück 51, 8 % der Tankrechnung. Für die Ökosteuer fließen noch einmal weitere 11, 5 % ins Staatssäckel. Insgesamt verdient der Fiskus somit 63, 3 % an den Tankkosten.

Dann weiter: selbst der Ärmste unter uns muss noch den Solidaritätsbeitrag leisten, der schon längst nicht mehr für seinen eigentlichen Sinn gebraucht und angelegt wird. Hier wird nicht mal ansatzmäßig vom Staat „anständiges Verhalten“ vorgelebt, warum soll der Bürger also anständig sein?

Und ich sehe auch ganz klar die Mitschuld des Staates, nämlich in der Weise, das die freiwillige Selbstverpflichtung der Wirtschaft an den Staat - „mit der Einführung des Euros keine Preiserhöhung zu verbinden“ – gründlich in die Hose gegangen ist. Das ein Brot heute 3,80 Euro (7,60-- DM) kostet, ist mit nichts zu rechtfertigen. Da fällt mir wahrhaftig der aus DDR-Zeiten bekannte Satz von den GRUNDNAHRUNGSMITTELN ein, die für jeden Geringverdiener selbstverständlich sein müssen.

♥liche Grüße Nola

Rayson Offline




Beiträge: 2.367

20.07.2008 18:53
#55 RE: Frage @ RexCramer Antworten

Es ist nun einmal so, dass gesamtwirtschaftliche Zusammenhänge von Firmenchefs in der Regel nicht durchschaut werden, weil ihnen a) die Ausbildung und b) die Begriffe dazu fehlen. Sie nennen das dann "theoretisch". Ich maße mir dieses Urteil an, weil ich die Firmenseite aus mittlerweile auch schon ca. 20 Jahren Führungspositionenpraxis in verschiedenen Unternehmen im In- und Ausland ziemlich gut kenne, aber auch seit meinem Studium immer ein wenig mit der VWL in Verbindung geblieben bin.

Diese ausführlichen Erläuterungen bilden sehr schön die Sicht aus Firmensicht ab, sagen aber im Grunde auch nichts anderes, was wir vorher in unserer "theoretischen" Diskussion bereits behandelt hatten: Arbeitsentgelt hängt von der Produktivität ab, und Löhne oberhalb der Produktivität führen zu Arbeitslosigkeit. Darunter muss man sich nur nicht vorstellen, der Volkswirt meine, jetzt würde jeder Betrieb Produktivitäten ermitteln und daraufhin Entlassungen starten, sondern das läuft natürlich über verschiedene Anpassungsprozesse und beginnt immer bei den berühmten "Grenzentscheidungen", also jenen Situationen, bei denen die kleine Veränderung der Parameter unmittelbar zu einer Änderung der Entscheidung führt. Die muss es nicht sofort in jedem Betrieb geben, aber unter den vielen irgendwie immer mindestens einmal. Aber auch die sonstigen Veränderungen führen über alle Wirtschaftssubjekt hinweg und nach einer Periode der Anpassung zu den Konsequenzen, dass es entweder mehr Arbeitslose gibt oder eben geringere Löhne. Wie auch immer "geringer" konkret aussieht: Das wirtschaftliche Mittragen von Unterbeschäftigung, dass z.B. den freien Mitarbeiter ausmacht, ist eben auch eine Art "Verringerung des Lohns".

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dirk Offline



Beiträge: 1.538

20.07.2008 19:14
#56 RE: Frage @ Dirk und Rayson Antworten

@Rayson

In Antwort auf:
Würde mich mal interessieren, wer.
Ich habe das nicht gesagt (Das war der Alfonzo, Herr Lehrer! (-:) Ich sehe es genauso wie Du, das ist Kuchentheorie.

In Antwort auf:
Diese ausführlichen Erläuterungen bilden sehr schön die Sicht aus Firmensicht ab, sagen aber im Grunde auch nichts anderes, was wir vorher in unserer "theoretischen" Diskussion bereits behandelt hatten:


Da schliesse ich mich ebenfalls an.

F.Alfonzo Offline



Beiträge: 2.257

20.07.2008 19:16
#57 RE: Frage @ Dirk und Rayson Antworten
In Antwort auf:
Würde mich mal interessieren, wer. Für einen Ökonomen steckt mir zuviel "Kuchentheorie" in diesem Argument. Dessen Absurdität zeigt sich vielleicht, wenn man es umkehrt: Würde eine allgemeine Senkung des Ausbildungsniveaus die Arbeitslosigkeit etwa auch nicht beeinflussen?


So kann man es sagen. Das Argument ist, dass für einen Arbeitssuchenden nur seine "relative" Qualifikation relevant ist, nicht seine absolute. Demnach würde eine allg. Senkung des Ausbildungsniveaus (vermutlich) auch nichts ändern; wohlgemerkt: es geht um die Arbeitslosigkeit, nicht um das BIP oder Lohnniveau.

Aber wie gesagt, ich sehe das nicht so, und es gibt ja auch zahlreiche Argumente, die dagegen sprechen. Die Aussage stammt übrigens von einem Herrn Schlicht von der Uni München. Er versucht das mit OECD Daten der Industrienationen zu belegen, die zeigen sollen, dass die Qualifikationsstruktur in Ländern wie GB oder USA deutlich "ungünstiger" ist, die Arbeitslosigkeit aber trotzdem geringer als in D.

F.Alfonzo
Rayson Offline




Beiträge: 2.367

20.07.2008 20:28
#58 RE: Frage @ Dirk und Rayson Antworten

In Antwort auf:
Das Argument ist, dass für einen Arbeitssuchenden nur seine "relative" Qualifikation relevant ist, nicht seine absolute.


Schon klar: Gemeint ist, dass ein zu verteilender Kuchen sozusagen von oben nach unten abgefuttert wird. Was wir eben für falsch halten.
In Antwort auf:

Er versucht das mit OECD Daten der Industrienationen zu belegen, die zeigen sollen, dass die Qualifikationsstruktur in Ländern wie GB oder USA deutlich "ungünstiger" ist, die Arbeitslosigkeit aber trotzdem geringer als in D.


Für solche Situationen haben die Ökonomen den Begriff ceteris paribus erfunden. Wer behauptet, der sei in einer Betrachtung der Länder USA, GB und D so aufrechtzuerhalten, dass allein die Qualifikation der Arbeitnehmer den Unterschied erklärt, dem sollte man mal ein Flugticket gen Westen spendieren.

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M.Schneider Offline



Beiträge: 672

21.07.2008 10:49
#59 RE: Frage @ Dirk und Rayson Antworten

Liebe Nola

Ja, Sie haben recht, insbesondere das ausführende Bauwesen ist in den letzten 15 Jahren eine einzige Katastrophe geworden.
Die Frage warum gibt es Zeitarbeitsfirmen und warum wird das nicht von den Arbeits-Agenturen gemacht, ist berechtigt, aber die Antwort ist doch auch bekannt und einfach, alles was der Staat macht, macht er schlechter als die freie Wirtschaft.

Mit dem letzten Drittel ihres Berichtes haben Sie vollkommen recht, es ist nicht der Bürger schuld am Problem, sondern die Politik.
Und das Grundübel ist der Sozialstaat, der immer weiter hoch geschraubt wurde, der immer mehr Kosten verschlingt, die wieder über Steuern und Sozialabgaben, ich sage es jetzt mal hart, erpresst werden müssen. Dadurch entsteht aber eine teuflische Spirale, der Bürger der sich so abgezockt sieht, sich dieser Praxis auch nicht erwehren kann, versucht sich dann an den Sozialtöpfen des Staates wieder schadlos zu halten, um sich wenigstens etwas zurückzuholen, das treibt aber die Staatskosten erst recht wieder hoch und erzwingt dann noch wieder höhere Steuern und Abgaben.

Wenn diese Spirale nicht durchbrochen wird, dann wird das in einer Katastrophe enden.

Ihre Ausführungen zum benötigten Mindestlohn sind natürlich von der Rechenseite auch richtig.

Umgekehrt kommt aber in Deutschland auch niemand auf die Idee mehr als einen Job zu machen, wenn er wenig qualifiziert ist. Das Beispiel USA ist hier ein Schreckgespenst.
Die USA hat eine harte Regelung, dort bekommt jeder Amerikaner maximal fünf Jahre seines Lebens eine Unterstützung, hat er dies erst mal in Anspruch genommen, dann ist Ruhe. Die Folge ist natürlich die sehr positive Wirkungen für den Staat, niemand der nicht unbedingt muss, nimmt diese Hilfe in Anspruch.
Die weitere Folge davon ist, dass diejenigen, die wenig qualifiziert sind und mit einem Job alleine nicht genügend verdienen, zum Teil zwei oder drei Teilzeitjobs machen und damit dann auch genügend verdienen.

Dies könnte eine Antwort auf Ihre Frage sein, was zu tun ist, wenn 1000 € nicht reichen aber im Grundsatz kann wohl die Frage nur so beantwortet werden, dass der Sozialstaat drastisch zurückgeschraubt werden muss, damit auch die Steuer- und Soziallast reduziert werden kann.

Des weiteren müssen drastische Reduzierungen an den ganzen Vorschriften gemacht werden insbesondere die so genannten Schutzvorschriften, Kündigungsschutz und so weiter.

Es ist reine Illusion zu glauben dass dadurch jemand geschützt wird, sondern genau das Gegenteil tritt ja ein. Kann eine Firma schnell kündigen, dann hat sie kein Problem, schnell jemanden einzustellen, wenn die Auftragslage besser ist. Weiß sie aber wie schwierig es ist jemanden zu kündigen, dann wird sie einen Teufel tun mal schnell jemanden einzustellen.

Ganz besonders deutlich wird diese Katastrophe bei der Einstellung von Behinderten.
So jemanden könnten sie in der Praxis praktisch nicht mehr kündigen. Die Folge davon ist, dass niemand so einen armen Teufel einstellt. Sogar staatliche Stellen schrecken davor zurück. Man hat mit diesen Schutzgesetzgebungen den Leuten einen Bärendienst erwiesen.

Tja und die Sache mit der Euroumstellung die kostenneutral erfolgen sollte war genauso ein Blödsinn der Politik. Frankreich und andere Länder haben Preiserhöhungen im Zuge der Umstellung gesetzlich verboten, in Deutschland hat man es nicht getan die Folge davon war, es hat diese Erhöhungen trotz aller Unschuldsbezeugungen gegeben.
In Deutschland wird zwar jeder Blödsinn geregelt, an einer solchen Stelle, wo es aber dann wirklich mal notwendig gewesen wäre, hat da man es eben nicht getan.

Lieber Rayson

Ich maße mir dieses Urteil an, weil ich die Firmenseite aus mittlerweile auch schon ca. 20 Jahren Führungspositionenpraxis in verschiedenen Unternehmen im In- und Ausland ziemlich gut kenne.

Bei dem was Sie schildern geh ich davon aus, dass das wieder großer Firmen sind, denn der kleine Mittelstand ist bisher noch sehr selten im Ausland.
Es muss deshalb noch mal klar betont werden, die Entscheidungsfindungen und Probleme sind bei großen Firmen, häufig Aktiengesellschaften völlig anders als beim kleinen Mittelstand.
Und es muss genauso betont werden, dass die Dinge wieder völlig unterschiedlich liegen zwischen Firmen die ein materielles Produkt herstellen und solchen, die geistige Leistungen anbieten.

Arbeitsentgelt hängt von der Produktivität ab, und Löhne oberhalb der Produktivität führen zu Arbeitslosigkeit.

Das ist auch theoretisch völlig unstrittig.
Aber wie machen Sie denn das in der Praxis? Wie bemessen Sie die Produktivität beispielsweise bei einem Ingenieur- oder Architekturbüro, das ausschließlich geistige Produkte herstellt? Und wie setzen Sie dann in Folge den Lohn fest? Den Lohn setzt Ihnen im Zweifelsfall sogar der ausgehandelte Tarif einer Gewerkschaft fest.

Und was nützt Ihnen ein festgesetzter Lohn, selbst wenn er der Produktivität entsprechen würde, wenn Sie von Staats wegen eine gesetzlich vorgeschriebene Honorarordnung haben, die sie auch nicht verlassen dürfen, noch dazu eine, die der Staat seit 13 Jahren nicht angepasst hat, sie aber trotzdem danach abrechnen müssen?

Auch alles andere was sie schreiben ist unstrittig, es bleibt aber eben theoretisch, wenn jemand nicht die notwendigen Erfahrungen hat zu wissen, mit welchen Detailproblem schlägt sich der Firmenchef einer kleinen Firma wirklich herum.
Es ist schon den meisten Leuten gar nicht klar, dass der Firmenchef einer kleinen Privatfirma, die Differenz aus Monatsausgaben bei nicht gedeckten Einnahmen aus eigener Tasche zahlt.
In einer großen Firma gilt dies nicht.

Aber auch die sonstigen Veränderungen führen über alle Wirtschaftssubjekt hinweg und nach einer Periode der Anpassung zu den Konsequenzen, dass es entweder mehr Arbeitslose gibt oder eben geringere Löhne. Wie auch immer "geringer" konkret aussieht: Das wirtschaftliche Mittragen von Unterbeschäftigung, dass z.B. den freien Mitarbeiter ausmacht, ist eben auch eine Art "Verringerung des Lohns".

Auch das ist richtig, aber es ist alles das was Adam Smith für eine freie Marktwirtschaft postulierte.
Die haben wir aber nicht. Experten gehen davon aus, dass wir allenfalls noch zu 20 bis 30% freie Marktwirtschaft haben, weil der Rest durch die ganzen Verordnungen und Vorschriften schon so verzerrt ist, dass er eben genau nicht mehr nach den normalen marktwirtschaftlichen Gesetzen funktioniert.

Adam Smith ging davon aus, dass sich die Zahl der Beschäftigten und deren Lohn von selbst einpendelt.
Genau wie Sie es beschreiben, zahlt der Chef höhere Löhne als die Produktivität, dann kann das nicht funktionieren, dann wird das Produkt zu teuer und ist auf dem Markt nicht mehr absetzbar.
Umgekehrt zu geringe Löhne könnte er auch nicht zahlen, dann würden die Arbeitnehmer zur Konkurrenz gehen.
Und natürlich müsste er sich von Arbeitnehmern trennen, wenn sie nicht ausgelastet sind.

Das ist die Theorie.

Die Praxis ist eine andere. Adam Smith kannte keine Abfindungszahlungen, wenn man einen Arbeitnehmer entlässt. Er kannte das Problem nicht das plötzlich eine Frau im Mutterschaftsurlaub geht, damit die Arbeitsleistung wegbricht, der Arbeitgeber aber den Arbeitsplatz weiter vorhalten muss, umgekehrt aber für diesen quasi Schleudersitz keine Aushilfsarbeitskraft interessieren kann, weil die ja wieder gehen müsste, wenn die erste Dame zurückkommt, wenn diese denn überhaupt zurückkommt.

Auch das Lohnniveau ermittelt sich nicht auf dem theoretischen Weg nach Lehrbuch, sondern ist in der Praxis sehr häufig ein Diktat der Gewerkschaften auf zu hohem Niveau. Und so gehen die Beispiele weiter.
Adam Smith kannte keine Gewerkschaftsbetriebsräte, die vom Betrieb bezahlt werden aber am produktiven Arbeitsleben so gut wie nicht mehr teilnehmen, die im Grunde genommen auch unkündbar sind.

Er kannte auch keine Zusatzkosten die der Betrieb heute alle tragen muss, wie Weiterbildungsurlaub, mittlerweile Erziehungsurlaub, hälftige Sozialkosten und so weiter.

Oder sehen Sie sich die Probleme an, die Nola beschreibt.

Sie ist im ausführenden Baugewerbe tätig. Das heißt also wo sich Firmen wie Hoch Tief, Bilfinger Berger, die Strabag und andere Firmen tummeln.
Als in den 90 er Jahren das Lohnniveau in Deutschland über die zu erzielenden Preise nicht mehr zu halten war, wurden zunehmend ausländische Arbeitskräfte eingesetzt oder auch bestimmte Produkte im Ausland vorgefertigt.
Dadurch ergaben sich regelrechte Dumpingpreise, die von kleineren Firmen nicht zu halten waren.

Rein theoretisch müssten diese Billig- Hansel, weil sie nicht auskömmlich sind, von alleine vom Markt verschwinden. Das hat sich aber ebenfalls als Theorie herausgestellt.

Zwar kam es tatsächlich häufig zum Crash solcher Firmen, aber bevor es dazu kam, hatten sie mindestens ein halbes Dutzend guter und solide kalkulierender Firmen kaputt gemacht, weil sie sich aufgrund ihrer Dumpingpreisen Aufträge, ja man kann sagen, erschwindelt haben.

Leider hat der deutsche Staat dies noch unterstützt, weil er solchen Dumping Firmen staatliche Aufträge gab, und obwohl er genau wusste, dass hier keine saubere Kalkulation vorlag.

Will sagen, es nützt nichts die Theorie zu wälzen, man muss wissen was sich in den Betrieben wirklich abspielt. Dann sieht man sehr schnell wie wenig man in der Praxis mit den theoretisch zwar richtigen Dingen anfangen kann, weil die natürlichen Gesetze der Marktwirtschaft auf vielen Gebieten völlig außer Kraft gesetzt wurden.

Herzlich
M.Schneider

dirk Offline



Beiträge: 1.538

21.07.2008 11:26
#60 RE: Frage @ Dirk und Rayson Antworten

@M.Schneider

Wenn ich Sie richtig verstehe, meinen Sie mit "Theorie" die reine Marktwirtschaft und mit "Praxis" das, was der deutsche Staat daraus gemacht hat. Also eine ganz andere Welt.

Was spricht dagegen, Gesetzesvorschläge in unserem heutigen Sozialstaat theoretisch zu analysieren? Ich kann da Ihre Unterscheidung zwischen "Theorie" und "Praxis" nicht nachvollziehen.

M.Schneider Offline



Beiträge: 672

21.07.2008 13:27
#61 RE: Frage @ Dirk und Rayson Antworten

Lieber Dirk

Wenn ich Sie richtig verstehe, meinen Sie mit "Theorie" die reine Marktwirtschaft und mit "Praxis" das, was der deutsche Staat daraus gemacht hat. Also eine ganz andere Welt.

Ja, so in etwa kann man es ausdrücken.

Selbstverständlich kann man Gesetzesvorschläge theoretisch analysieren.
Aber was bringt ihnen das?
Sie tun es ja nicht um sich einfach nur theoretisch mit irgendwas zu befassen, sondern sie wollen herausfinden, wozu dieses Gesetz in der Praxis führt.
Aber genau das findet man mit der theoretischen Analyse nicht heraus. Dazu muss man wirklich die praktischen Mechanismen verstehen wie Firmenchefs handeln und warum sie es tun. Und das weicht eben von der reinen Lehre Adam Smith ab.

Aus dem gleichen Grund haben wir ja das Problem mit neuen Gesetzen. Weil Politiker grundsätzlich das, was sie dort beschließen in der Auswirkung nicht beurteilen können, weil ihnen das Fachwissen fehlt, sind sie dann häufig komplett überrascht, dass das ach so schöne Gesetz in der Praxis etwas ganz anderes heraufbeschwört als man gedacht hatte.

Nicht umsonst existiert der geflügelte Satz, „wir müssen das neue Gesetz jetzt erst mal ausprozesszieren lassen, um zu sehen wohin der Hase läuft, um dann Korrekturen vorzu-nehmen“.

In der Konstruktionsabteilung von Boeing hängt ein Schild auf dem steht (sinngemäß), nach allen Gesetzen der Aerodynamik kann eine Hummel nicht fliegen. Da sie aber doch fliegt, kann das nur daran liegen, dass ihr niemand die Gesetze der Aerodynamik erklärt hat.

Soviel eben zur Theorie und Praxis.


Herzlichen
M. Schneider

Rayson Offline




Beiträge: 2.367

21.07.2008 23:40
#62 RE: Frage @ Dirk und Rayson Antworten

Lieber M. Schneider,

In Antwort auf:
Bei dem was Sie schildern geh ich davon aus, dass das wieder großer Firmen sind, denn der kleine Mittelstand ist bisher noch sehr selten im Ausland.
Es muss deshalb noch mal klar betont werden, die Entscheidungsfindungen und Probleme sind bei großen Firmen, häufig Aktiengesellschaften völlig anders als beim kleinen Mittelstand.
Und es muss genauso betont werden, dass die Dinge wieder völlig unterschiedlich liegen zwischen Firmen die ein materielles Produkt herstellen und solchen, die geistige Leistungen anbieten.


Nein, es waren nicht nur große Firmen. Und eine ausländische Tochtergesellschaft einer großen AG kann in ihren Abläufen sehr viel mittelstandstypischere Züge aufweisen als mancher "Mittelständler" mit mehreren 100 Mio Umsatz. Auch die Art des Produkts ändert nicht die betriebswirtschaftliche Logik, die volkswirtschaftliche schon gar nicht.

In Antwort auf:
Aber wie machen Sie denn das in der Praxis? Wie bemessen Sie die Produktivität beispielsweise bei einem Ingenieur- oder Architekturbüro, das ausschließlich geistige Produkte herstellt? Und wie setzen Sie dann in Folge den Lohn fest? Den Lohn setzt Ihnen im Zweifelsfall sogar der ausgehandelte Tarif einer Gewerkschaft fest.


Eine volkswirtschaftliche Betrachtungsweise ist keine betriebswirtschaftliche Handlungsanweisung. Auch Relativitätstheorie oder Quantenmechanik beschreiben Physik, aber dennoch wird sich der normale Ingenieur in seiner Alltagsarbeit sinnvollerweise nicht mit ihnen beschäftigen. Volkswirtschaftliche Anpassungsprozesse dürfen nicht mit Handlungen konkreter Personen verwechselt werden. Um beim Beispiel zu bleiben: Ich kenne keinen einzigen Betrieb, der den Lohn bewusst nach der Grenzproduktivität festsetzt. Allerdings laufen unternehmerische Entscheidungen zur Personalbeschaffung und -entlohnung im Wettbewerb genau darauf hinaus - wer gegen dieses "Gesetz" beständig verstößt, macht einfach weniger Gewinn als derjenige, der es weitgehend befolgt. Und wer dauerhaft weniger Gewinn als seine Konkurrenz macht, verschwindet irgendwann aus dem Markt, die These im Ergebnis bestätigend.

In Antwort auf:
Und was nützt Ihnen ein festgesetzter Lohn, selbst wenn er der Produktivität entsprechen würde, wenn Sie von Staats wegen eine gesetzlich vorgeschriebene Honorarordnung haben, die sie auch nicht verlassen dürfen, noch dazu eine, die der Staat seit 13 Jahren nicht angepasst hat, sie aber trotzdem danach abrechnen müssen?


Dann entspricht der Lohn ja eben nicht der Produktivität. Produktivität ist, das müssen wir bei der VWL immer berücksichtigen, eben keine physische, sondern eine Wertgröße.

In Antwort auf:
Auch alles andere was sie schreiben ist unstrittig, es bleibt aber eben theoretisch, wenn jemand nicht die notwendigen Erfahrungen hat zu wissen, mit welchen Detailproblem schlägt sich der Firmenchef einer kleinen Firma wirklich herum.


Der Unterschied liegt nicht darin, dass das eine nur "theoretisch" wäre (das ist es eben nicht, denn Leute, die sich mit sowas beschäftigen, werden z.B. von Banken gut bezahlt) und das andere nicht, sondern dass hier zwei verschiedene Betrachtungsebenen vorliegen. Wie groß eine einzelne Firma ist und mit welchen Detailproblemen sich der Boss konkret herumschlägt, ist für volkswirtschaftliche Betrachtungen weitgehend irrelevant. Ungefähr so irrelevant wie der Unterschied zwischen einem Jumbo Jet und einem Kolibri - die Gesetze der Physik gelten für beide, aber trotzdem wüsste ich, wen von beiden ich auf meinem Kopf sitzen haben wollte...

In Antwort auf:
Es ist schon den meisten Leuten gar nicht klar, dass der Firmenchef einer kleinen Privatfirma, die Differenz aus Monatsausgaben bei nicht gedeckten Einnahmen aus eigener Tasche zahlt.
In einer großen Firma gilt dies nicht.


Das ist richtig. Ich werde aber mal ein Geheimnis aus den großen Firmen verraten: Da ist das für die Person, die eine solche Situation zu verantworten hat, auch ein Problem. Die geht vielleicht nicht pleite, aber wenn sie das nicht richtig managt, verliert sie ihren Job. Typen wie ich machen sowas messbar. Bei den meisten Menschen reicht das, um sich nicht weniger anzustrengen.

In Antwort auf:
Die Praxis ist eine andere...


Damit die Aussagen der VWL stimmen, muss die volkswirtschaftliche Wirklichkeit nicht so aussehen wie in einem liberalen Idealbild. Ansonsten hieße es ja auch nicht "Volkswirtschaftslehre", sondern "Marktwirtschaftslehre". Und in der Tat gibt es Volkswirte, die einen beträchtlichen Anteil staatlicher Einmischung in Märkte begrüßen. Die benutzen aber dasselbe Instrumentarium wie die eher marktfreundlicheren.

In Antwort auf:
Dann sieht man sehr schnell wie wenig man in der Praxis mit den theoretisch zwar richtigen Dingen anfangen kann, weil die natürlichen Gesetze der Marktwirtschaft auf vielen Gebieten völlig außer Kraft gesetzt wurden.


Das wurden sie leider nicht. Wären sie es, gäbe es ja nichts zu beklagen und alles wäre in Butter. Man hat staatlicherseits vielmehr gehandelt, als ob sie außer Kraft gesetzt wären. Was ein erheblicher Unterschied ist.

Das "Dumping-Problem" ist übrigens aus volkswirtschaftlicher Sicht auch keins, das den Marktgesetzen widerspräche. Natürlich "konkurriert" jemand, der unter Produktionskosten verkauft, zwischendurch auch "solide" Anbieter vom Markt. Aber er hält es eben auf Dauer nicht durch, und sobald er sich der Endlichkeit seiner finanziellen Ressourcen stellen muss, können entsprechend neue Anbieter wieder in den Markt eintreten. Aus volkswirtschaftlicher Sicht ist es ziemlich egal, wenn die Meier GmbH Konkurs macht und dafür später eine Müller AG eintritt, auch wenn das für Herrn Meier und einige seiner Mitarbeiter einer persönlichen Katastrophe gleichkommen mag. Dafür freuen sich Herr Müller und seine Arbeitnehmer. Dass der Staat künstlich Marktzutrittsschranken errichtet, ist natürlich auch richtig, aber dann passiert eben auch das, was die VWL in solchen Situationen prophezeiht: Eine geringere Produktion, höhere Preise und weniger Beschäftigung.

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L'État, c'est la grande fiction à travers laquelle tout le monde s'efforce de vivre aux dépens de tout le monde. (Frédéric Bastiat)

M.Schneider Offline



Beiträge: 672

22.07.2008 10:20
#63 RE: Frage @ Dirk und Rayson Antworten
Lieber Rayson

Also schauen wir mal wie die Standpunkte sind. Den Hauptunterschied in unseren Standpunkten sehe ich in der Gewichtung dessen, wie sich die ganzen Überregulierungen des deutschen Marktes auf die Praxis auswirken.

Also mal im einzelnen:

Nein, es waren nicht nur große Firmen. Und eine ausländische Tochtergesellschaft einer großen AG kann in ihren Abläufen sehr viel mittelstandstypischere Züge aufweisen als mancher "Mittelständler" mit mehreren 100 Mio Umsatz.

Nun, ich sprach ja deshalb ganz bewusst von kleinen Mittelständlern, Jahresumsätze von zwei bis 3 Millionen sind da schon groß.

Ich kenne keinen einzigen Betrieb, der den Lohn bewusst nach der Grenzproduktivität festsetzt. Allerdings laufen unternehmerische Entscheidungen zur Personalbeschaffung und -entlohnung im Wettbewerb genau darauf hinaus - wer gegen dieses "Gesetz" beständig verstößt, macht einfach weniger Gewinn als derjenige, der es weitgehend befolgt.

Das würde ich nicht so sehen, das würde nämlich nur dann gelten, wenn es die im Wettbewerb stehenden Firmen nur miteinander zu tun haben. Sogar da müsste man einschränken innerhalb Deutschlands, denn wenn man zwei Firmen vergleicht, die in einem völlig verschiedenen Kostenumfeld (verschiedene Länder) agieren klappt es auch nicht.

Die Entlohnungshöhe ist außerdem in vielen Betrieben eine von außen aufgezwungene Größe, sei es durch gewerkschaftliche Tarifabschlüsse oder jetzt neuerdings Mindestlöhne.

In Antwort auf:

Und was nützt Ihnen ein festgesetzter Lohn, selbst wenn er der Produktivität entsprechen würde, wenn Sie von Staats wegen eine gesetzlich vorgeschriebene Honorarordnung haben, die sie auch nicht verlassen dürfen, noch dazu eine, die der Staat seit 13 Jahren nicht angepasst hat, sie aber trotzdem danach abrechnen müssen?

Dann entspricht der Lohn ja eben nicht der Produktivität. Produktivität ist, das müssen wir bei der VWL immer berücksichtigen, eben keine physische, sondern eine Wertgröße.


Da haben sie ja Recht, dennoch ist es in der Praxis so und das zeigt eben das was ich sage die Regulierungen verzerren das freie Spiel der Kräfte und logischerweise muss sich diese auf die Volkswirtschaft auswirken.

Wie groß eine einzelne Firma ist und mit welchen Detailproblemen sich der Boss konkret herumschlägt, ist für volkswirtschaftliche Betrachtungen weitgehend irrelevant.

Das stimmt nur solange, wie die volkswirtschaftlichen Rahmenbedingungen so sind, dass der betreffende Chef die Probleme in den Griff bekommt, oder noch will, ansonsten führt es zu einer Schädigung der Volkswirtschaft.

Damit die Aussagen der VWL stimmen, muss die volkswirtschaftliche Wirklichkeit nicht so aussehen wie in einem liberalen Idealbild. Ansonsten hieße es ja auch nicht "Volkswirtschaftslehre", sondern "Marktwirtschaftslehre".

Wenn beide nicht synchronisiert werden, dann bleibt es bei der Lehre um nicht zu sagen der Leere.

In Antwort auf:

Dann sieht man sehr schnell wie wenig man in der Praxis mit den theoretisch zwar richtigen Dingen anfangen kann, weil die natürlichen Gesetze der Marktwirtschaft auf vielen Gebieten völlig außer Kraft gesetzt wurden.


Das wurden sie leider nicht. Wären sie es, gäbe es ja nichts zu beklagen und alles wäre in Butter.


Wie kommen Sie denn zu dieser Aussage es gebe dann nichts zu beklagen, dem kann ich nicht folgen?

Der Unterschied liegt nicht darin, dass das eine nur "theoretisch" wäre (das ist es eben nicht, denn Leute, die sich mit sowas beschäftigen, werden z.B. von Banken gut bezahlt)

Hm, lieber Rayson, diesen Satz will ich nicht kommentieren, er entlockt mir nämlich ob der ganzen Bankenkrise ein Grinsen.

Das "Dumping-Problem" ist übrigens aus volkswirtschaftlicher Sicht auch keins, das den Marktgesetzen widerspräche. Natürlich "konkurriert" jemand, der unter Produktionskosten verkauft, zwischendurch auch "solide" Anbieter vom Markt. Aber er hält es eben auf Dauer nicht durch, und sobald er sich der Endlichkeit seiner finanziellen Ressourcen stellen muss, können entsprechend neue Anbieter wieder in den Markt eintreten. Aus volkswirtschaftlicher Sicht ist es ziemlich egal, wenn die Meier GmbH Konkurs macht und dafür später eine Müller AG eintritt.

Tja, lieber Rayson an dieser Aussage sieht man genau den Unterschied zwischen Theorie und Praxis den ich meine. So wie Sie es schreiben scheint es richtig zu sein, ist es aber nicht.
Gerade in der Baubranche ist etwas völlig anderes passiert. Wir hatten bis in die Mitte der 90 er Jahre hinein große leistungsfähige Firmen, die das notwendige Know-how hatten, um auch komplexe Aufgaben wie beispielsweise Hochdruck- Heißwasser Anlagen und Ähnliches zu bauen. Die Firmen hatten einen hoch qualifizierten Ingenieurstamm und lagen demzufolge in ihren Angeboten auch marktgerecht realistisch.

Dann ging das Problem mit den Dumpingpreisen los und, wie Sie es schreiben, die Meier GmbH macht Konkurs. Sie sagen dann kommt eine Müller AG und alles ist wieder in Butter. Nein, es kann zwar eine Müller AG, die hatte aber auch nur noch ein Dumping Niveau.

Das heißt also die Qualität der Firmen ging derartig den Bach runter, dass wir als planende und bauleitende Ingenieure Schwierigkeiten bekamen überhaupt noch Firmen mit Fachknow-how für anspruchsvolle Aufgaben zu bekommen.

Also keine Rede davon, einer geht, ein Neuer kommt und alles ist in Butter.
Alles das wirkt sich logischerweise volkswirtschaftlich aus, wie auch immer.

Volkswirtschaftliche Anpassungsprozesse dürfen nicht mit Handlungen konkreter Personen verwechselt werden.

Volkswirtschaft ist letztendlich die Summe seiner Einzelbetriebe und deren Produktivität. Natürlich macht sich in der Praxis keine Einzelfirma Gedanken um die Volkswirtschaft, dennoch ist sie Teil des Ganzen.
Das ganze ist ein chaotisches System mit unendlich vielen Freiheitsgraden, in dem der Einzelne nach seinem Optimum strebt, damit aber auch das ganze in Summe zum Optimum führt.
Das heißt also, über das freie Spiel der Kräfte pendelt sich das Ganze ein.
Adam Smith prägte den Begriff der „unsichtbaren Hand“ und den Begriff „System der natürlichen Freiheit“.

Genau das ist aber das Problem. Um mit der Physik zu sprechen, chaotische Systeme mit unendlich vielen Freiheitsgraden kann man nicht regeln. Die Zahl der Möglichkeiten und Abhängigkeiten sind schlichtweg zu groß als dass ich auch nur den Hauch einer Chance dazu hätte.

Und genau da liegt das Problem, in Deutschland ganz besonders, Politiker glauben sie könnten ein solches System überall regeln.
Die Wirklichkeit ist jedoch die, sie ziehen aus einem Kartenhaus eine Karte raus, und wundern sich warum das Kartenhaus in einem großen Bereich zusammenbricht.

Und so schaukelt sich das Problem auf. Es beginnt im einzelnen Betrieb, der durch die Überregulierungen Probleme bekommt, sein Betrieb noch zu optimieren, schaukelt sich dann hoch auf eine Branche und fängt dann langsam an die gesamte Volkswirtschaft zu beeinflussen.
Und genau deshalb sage ich, wer nur Volkswirtschaft betreibt, ohne sich klar zu machen was im einzelnen Betrieb geschieht, den trifft eben irgendwann unverhofft der Bumerang ins Kreuz.


Herzliche
M. Schneider
dirk Offline



Beiträge: 1.538

22.07.2008 13:39
#64 RE: Frage @ Dirk und Rayson Antworten

Sehr geehrter Schneider,

kennen Sie folgendes Rätsel? Auf einen ein Meter langen Stab werden 100 Ameisen gesetzt. Ihre Position und ihre Orientierung (on sie nach links oder rechts schauen) ist zufällig. Dann rennen die Ameisen los, mit genau einem Meter pro Zeiteinheit. Treffen Zwei Ameisen aufeinander, wechseln beide die Richtung. Kommt eine Ameise am Ende des Stabes an, fällt sie runter. Ein ziemlich "chaotisches System" - nicht wahr? Und nun meine Frage: Wie lange dauert es höchstens bis alle Ameisen heruntergefallen sind?

Die Antwort ist: 1 Zeiteinheit. Man löst es folgendermaßen: Wenn zwei Ameisen aufeinander treffen wechseln beide die Richtung. Ich kann mir aber auch vorstellen, dass beide Ameisen aneinander vorbei laufen. Das entspricht zwar nicht der Wahrheit, ist aber für meine Frage irrelevant, denn dafür brauche ich nur zu wissen wo sich gerade eine Ameise aufhält und in welche Richtung sie läuft. Welche Ameise das ist, kann mir egal sein. Nun gut und wenn eine Ameise ganz rechts sitzt und nach links läuft, dann braucht sie eine Einheit bis sie links hinterfällt.

Warum erzähle ich das? Es gibt gewisse Fragestellungen auf einer groben Makroebene, für die das genaue Verhalten auf der detaillierten Mikroebene egal ist. Nicht alle Information ist erforderlich um die Frage zu beantworten. Und mehr noch: Man muss sogar auf Information verzichten, um eine Chance auf eine Antwort zu haben.

Rayson Offline




Beiträge: 2.367

22.07.2008 13:57
#65 RE: Frage @ Dirk und Rayson Antworten

Lieber M. Schneider,

ich rolle den Dissenz mal von hinten auf:

In Antwort auf:
Und genau deshalb sage ich, wer nur Volkswirtschaft betreibt, ohne sich klar zu machen was im einzelnen Betrieb geschieht, den trifft eben irgendwann unverhofft der Bumerang ins Kreuz.


Genau das ist eben nicht der Fall. Ein Volkswirt muss nicht wissen, was im einzelnen Betrieb passiert, denn er sieht auf der Makro-Ebene die Auswirkungen volkswirtschaftlicher Probleme über mehr oder weniger willkürliche Organisationsgrenzen hinweg, und auf der Mikro-Ebene reicht ihm meistens die Analyse von Modellen (oder auch Empirik bzw. Experimente). Natürlich behauptet jeder, bei ihm sei alles gaaaanz anders und soooo speziell (übrigens auch in den Untereinheiten großer Unternehmen), und das macht ja auch das Sympathische an individuellen Sichtweisen aus, aber, wie man heute so schön anglizistisch sagt, "am Ende des Tages" greifen die üblichen Erkenntnisse. Wenn ich die allgemeine Problematik kenne, brauche ich den Blick auf die konkreten Sorgen des Firmenchefs F nicht. Eine solche Forderung wäre ungefähr zu vergleichen mit der, dass man, wenn man Aussagen über die Problematik von Gesundheitssystemen treffen wolle, die konkrete Lage praktizierender Ärzte kennen müsse.

In Antwort auf:
Um mit der Physik zu sprechen, chaotische Systeme mit unendlich vielen Freiheitsgraden kann man nicht regeln. Die Zahl der Möglichkeiten und Abhängigkeiten sind schlichtweg zu groß als dass ich auch nur den Hauch einer Chance dazu hätte.


Man kann sie schon regeln, nur muss man eben mit unerwarteten Ergebnissen rechnen. Das ist ungefähr das, was Hayek mit der "Anmaßung von Wissen" meint und was man bei Dörners "Die Logik des Misslingens" nachlesen kann. Das sehen Volkswirte im Prinzip genau so. Allerdings können sie auch nicht umhin, gewisse Zusammenhänge z.B. zwischen der Höhe des Zinssatzes und der Inflation zu erkennen und zu berücksichtigen. Ich wüsste allerdings nicht, wie ihnen Betriebspraxis da weiterhelfen könnte...

In Antwort auf:
Das heißt also die Qualität der Firmen ging derartig den Bach runter, dass wir als planende und bauleitende Ingenieure Schwierigkeiten bekamen überhaupt noch Firmen mit Fachknow-how für anspruchsvolle Aufgaben zu bekommen.

Also keine Rede davon, einer geht, ein Neuer kommt und alles ist in Butter.


Nicht alles für alle, aber offensichtlich entsprach das neue Angebot der Nachfrage. Wir wollen uns doch jetzt nicht plötzlich auf die Seite des eben Kritisierten schlagen und den Ausgang von Marktergebnissen als korrekturbedürftig ansehen? Oder ist gar nicht Regulierung das eigentliche Übel, sondern nur die Regulierung, von der man selbst nicht profitiert?

In Antwort auf:
Wie kommen Sie denn zu dieser Aussage es gebe dann nichts zu beklagen, dem kann ich nicht folgen?


Nun, wenn man Marktgesetze tatsächlich außer Kraft setzen könnte, gäbe es doch überhaupt nichts, was uns noch vom Design einer Gesellschaft allgemeiner Glückseligkeit abhalten könnte, oder? "Freibier für alle" wäre dann kein Problem mehr.

In Antwort auf:
Hm, lieber Rayson, diesen Satz will ich nicht kommentieren, er entlockt mir nämlich ob der ganzen Bankenkrise ein Grinsen.


Dann gehe ich also davon aus, dass du (sorry, ich duze als Rayson immer) bereits sämtliche deiner Bankkonten geplündert hast, weil Banken ja alles falsch machen? Aber das musst du nicht, denn erstens machen sie auch vieles richtig, denn sonst gäbe es keine mehr, und zweitens waren es gerade Volkswirte, die vor den Blasen gewarnt haben. Das nutzt nur leider nichts, wenn der Vertriebstruppe die Dollarzeichen in den Augen stehen. Wahrscheinlich haben die ihren Volkswirten auch erzählt, sie hätten von der Praxis überhaupt keine Ahnung...

In Antwort auf:
Wenn beide nicht synchronisiert werden, dann bleibt es bei der Lehre um nicht zu sagen der Leere.


Wir wollen doch bei der richtigen Rechtschreibung bleiben.

In Antwort auf:
Das stimmt nur solange, wie die volkswirtschaftlichen Rahmenbedingungen so sind, dass der betreffende Chef die Probleme in den Griff bekommt, oder noch will, ansonsten führt es zu einer Schädigung der Volkswirtschaft.


Eine "Schädigung der Volkswirtschaft" (wäre mal zu definieren, was das ist - aber nehmen wir praktischerweise mal einfach "weniger Wachstum") ist unabhängig von den Problemen einzelner Chefs. Sie entsteht dann, wenn sich bei den Aggregaten (Nachfrage, Angebot, Geld, Investitionen, Konsum etc.) etwas nachteilhaft verändert. Natürlich glaubt jeder, der mitten drin ist in der Front, dass sich das Schicksal der Schlacht bei Leuten wie ihm entscheidet - aber dennoch sind es Dinge wie Strategie (=Politik), Materialausstattung oder technischer Fortschritt, die es hinreichend determinieren.

In Antwort auf:
Das würde ich nicht so sehen, das würde nämlich nur dann gelten, wenn es die im Wettbewerb stehenden Firmen nur miteinander zu tun haben. Sogar da müsste man einschränken innerhalb Deutschlands, denn wenn man zwei Firmen vergleicht, die in einem völlig verschiedenen Kostenumfeld (verschiedene Länder) agieren klappt es auch nicht.


Aber natürlich klappt es, und zwar über die Kapitalrendite. Natürlich nicht von heute auf morgen, aber langfristig immer, und da sich verschiedene Unternehmen auf verschiedenen Stufen ihrer Entwicklung bewegen, fallen auch ständig Entscheidungen in diesem Sinn (Nachfolgersuche, Finanzierung, Unternehmensverkauf, Ausscheiden vom Markt, Anpassung von Kapazitäten etc.).

In Antwort auf:
Die Entlohnungshöhe ist außerdem in vielen Betrieben eine von außen aufgezwungene Größe, sei es durch gewerkschaftliche Tarifabschlüsse oder jetzt neuerdings Mindestlöhne.


Aber nur in eine Richtung aufgezwungen: Mehr zahlen ist erlaubt... Ja, ist sie, aber dann erfolgt die Anpassung eben über die Menge (Arbeitslosigkeit).

In Antwort auf:
Nun, ich sprach ja deshalb ganz bewusst von kleinen Mittelständlern, Jahresumsätze von zwei bis 3 Millionen sind da schon groß.


Na, das sind dann aber schon wirklich sehr, sehr kleine, die nicht mehr als eine Handvoll Leute beschäftigen können. Ich glaube allerdings nicht, dass die Problematik eines, sagen wir mal, 20-Millionen-Unternehmens grundsätzlich anders ist, obwohl es "unterwegs" natürlich drei große Hürden gibt: die Einstellung des ersten, des fünften und des elften Mitarbeiters. Es ist wohl sowieso sinnvoll, wenn wir schon von den typischen Mittelständlern sprechen, die man aufgrund ihrer Wirtschaftskraft tatsächlich als "Rückgrat" bezeichnen kann, sich bei der exemplarischen Betrachtung auf diejenigen mit mehr als zehn Mitarbeitern zu konzentrieren.

Fazit: Es besteht überhaupt gar kein Anlass, die betriebliche "Praxis" gegen die volkswirtschaftliche "Theorie" auszuspielen. Beide sind zwei Sichtweisen auf dasselbe Geschehen, behandeln aber ein unterschiedliches Objekt. Zu gegensätzlichen Aussagen kommt es meist nur dann, wenn Einzelinteressen als Gemeinwohl definiert werden sollen...

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M.Schneider Offline



Beiträge: 672

22.07.2008 14:03
#66 RE: Frage @ Dirk und Rayson Antworten
Lieber Dirk

Ich kannte das Rätsel nicht, hätte es ihnen aber mit ihren Annahmen und dem Ergebnis eine Zeiteinheit lösen können.

Mir ist schon klar was Sie damit sagen wollen, bei uns Ingenieuren rangiert das unter „dem Mut zur Lücke“.

Allerdings hat das Ergebnis ihres Rätsels Schönheitsfehler, weil es von bestimmten Annahmen ausgeht. Eine wesentliche Annahme ist, dass jede Ameise am Ende des Stabes weiterläuft und runterfällt, muss sie aber nicht, sie kann schlau genug sein stehen zu bleiben, sie kann schlau genug sein zurück zu laufen, sie könnte auch von der Oberseite des Stabes zur Unterseite wechselten wie auch immer.

Also, kurz gesagt, so einfach läuft es doch nicht.
Wenn nicht alle Informationen bekannt sind macht man Annahmen, das ist zwar gängige Praxis, erst recht bei uns Ingenieuren, wie gut das Ergebnis ist hängt aber dann davon ab, ob meine Annahmen richtig - oder wenigstens annähernd richtig waren sonst konvergieren die Rechenprozesse nicht und schon gar nicht auf einem vernünftigen Wert.

Es gibt sicherlich in der Volkswirtschaftslehre Fragestellungen, die nicht unmittelbar etwas mit dem einzelnen Betrieb zu tun haben, ich bin kein Volkswirt deshalb fällt mir hierzu nicht unbedingt ein richtiges Beispiel ein, aber vielleicht weiß ja Rayson eins.

Der Mindestlohn gehört aber ganz sicherlich nicht zu diesen Fragestellungen.

Herzlichen
M. Schneider
Zettel Offline




Beiträge: 20.200

22.07.2008 14:44
#67 RE: Frage @ Dirk und Rayson Antworten

Schönes Rätsel, liebe Dirk! Hat mir sehr gefallen.

Es illustriert auch einiges von dem, was der große Denkpsychologe Karl Duncker schon in den dreißiger Jahren des vorigen Jahrhunderts untersucht hat: Daß erstens ein Problem oft schon dann gelöst ist, wenn man die Problemstellung richtig formuliert, und daß zweitens häufig der Blick auf die Lösung durch Aspekte der Problemstellung verstellt wird, die für diese ganz irrelevant sind.

In Ihrem Rätsel gilt es zu erkennen, daß das "Richtungwechseln" irrelevant ist, weil es egal ist, ob die Ameise A rechts und die Ameise B links runterfällt, oder umgekehrt.

Ein ähnliches Beispiel von Duncker, das Problem fiel ihm beim Bergsteigen ein: Ein Bergsteiger beginnt morgens um 8 Uhr den Aufstieg und ist abends um 10 Uhr auf dem Gipfel. Am nächsten Tag beginnt er wiede um 8 Uhr den Abstieg, geht dieselbe Strecke und ist um 10 Uhr Abends wieder in der Talstation, wo er den Aufstieg begonnen hatte. Frage: Gibt es einen Punkt auf der Strecke, an dem er sich beide Male zur genau selben Tageszeit befindet?

Lösung: Ja. Man braucht sich bloß vorzustellen, daß nicht derselbe Bergsteiger die Strecken an zwei Tagen geht, sondern daß am selben Tage morgens einer ("Duncker I" schrieb Duncker, glaube ich) oben und ein anderer ("Duncker II") unten startet. Natürlich müssen sie einander begegnen, also irgendwann zugleich am selben Punkt sein.

Herzlich, Zettel

M.Schneider Offline



Beiträge: 672

22.07.2008 15:16
#68 RE: Frage @ Dirk und Rayson Antworten
Lieber Rayson

Ich fange auch mal von hinten an.

Fazit: Es besteht überhaupt gar kein Anlass, die betriebliche "Praxis" gegen die volkswirtschaftliche "Theorie" auszuspielen. Beide sind zwei Sichtweisen auf dasselbe Geschehen, behandeln aber ein unterschiedliches Objekt. Zu gegensätzlichen Aussagen kommt es meist nur dann, wenn Einzelinteressen als Gemeinwohl definiert werden sollen...

Dieser Aussage kann ich zustimmen, ganz besonders dem letzten Satz, dort jedoch liegt das Hauptproblem jedenfalls in politischer Hinsicht, die nämlich immer versuchen will mit ihren Eingriffen legitim egoistische Eigeninteressen um zu erziehen, zum Heilsarmeedenken.

Na, das sind dann aber schon wirklich sehr, sehr kleine, die nicht mehr als eine Handvoll Leute beschäftigen können.

Richtig, ist aber gerade im Dienstleistungssektor eine Standardgröße. Zum Beispiel haben statistisch die Ingenieurbüros die im VBI (Verband der beratenden Ingenieure) organisiert sind, und das ist die Elite der deutschen Ingenieurbüros, im Mittel eine Größe von vier Mitarbeitern.

Aber nur in eine Richtung aufgezwungen: Mehr zahlen ist erlaubt... Ja, ist sie, aber dann erfolgt die Anpassung eben über die Menge (Arbeitslosigkeit).

Logisch, ist ja aber die Katastrophe, denn wenn ich nicht weniger zahlen kann, geht der Schuss in Sachen Arbeitslosigkeit, oder sollte ich sagen weniger bereitgestellte Arbeitsstellen in die gleiche Richtung los.

Aber natürlich klappt es, und zwar über die Kapitalrendite. Natürlich nicht von heute auf morgen, aber langfristig immer, und da sich verschiedene Unternehmen auf verschiedenen Stufen ihrer Entwicklung bewegen, fallen auch ständig Entscheidungen in diesem Sinn (Nachfolgersuche, Finanzierung, Unternehmensverkauf, Ausscheiden vom Markt, Anpassung von Kapazitäten etc.).

Auch das würde ich so nicht sehen, es sei denn, sie definieren Volkswirtschaft Global, was ich aber nicht tue, ich sehe sie immer noch länderspezifisch.

Eine "Schädigung der Volkswirtschaft" (wäre mal zu definieren, was das ist - aber nehmen wir praktischerweise mal einfach "weniger Wachstum") ist unabhängig von den Problemen einzelner Chefs. Sie entsteht dann, wenn sich bei den Aggregaten (Nachfrage, Angebot, Geld, Investitionen, Konsum etc.) etwas nachteilhaft verändert. Natürlich glaubt jeder, der mitten drin ist in der Front, dass sich das Schicksal der Schlacht bei Leuten wie ihm entscheidet - aber dennoch sind es Dinge wie Strategie (=Politik), Materialausstattung oder technischer Fortschritt, die es hinreichend determinieren.

Nun die Schädigung der Volkswirtschaft würde ich schon an nachlassendem Wirtschaftswachstum festmachen.
Es ist sicherlich richtig, dass sich das Problem nicht an einem einzelnen Betrieb fest macht, an Branchen aber schon. Und dann sind wir wieder beim alten Problem, wo unserer beider Meinungen auseinander gehen.

Wenn Betriebe aufgrund der Überregulierung gar nicht mehr in der Lage sind sich so anzupassen wie es der Markt und eben zunehmend ein globaler Markt verlangt, dann hat das katastrophale Auswirkungen nicht nur für die Betriebe sondern eben für den betreffenden Staat, der damit gegebenenfalls seinen Know-how- Vorsprung gegenüber anderen Staaten einbüßt.

Ein solches Problem haben wir zum Beispiel in Deutschland. Die Gründergeneration tritt zunehmend ab. 60 bis 70% der Betriebe (wohl gemerkt wieder der kleineren Betriebe) haben ihre Nachfolge nicht geregelt. Gründe, nicht etwa Dummheit oder Schlampigkeit, sondern aufgrund der Randbedingungen im Staat keine Bereitschaft von potentiellen Nachfolgern, eigene Kinder oder langjährige Mitarbeiter, den Betrieb weiterzuführen.
Ich sage dazu, das sind die Folgen der Überregulierung in Deutschland.

Nicht alles für alle, aber offensichtlich entsprach das neue Angebot der Nachfrage. Wir wollen uns doch jetzt nicht plötzlich auf die Seite des eben Kritisierten schlagen und den Ausgang von Marktergebnissen als korrekturbedürftig ansehen? Oder ist gar nicht Regulierung das eigentliche Übel, sondern nur die Regulierung, von der man selbst nicht profitiert?

Nein, entsprach es nicht. Wir waren plötzlich nicht mehr in der Lage bestimmter Anlagen bauen zu lassen, beziehungsweise mussten ausländische Firmen nehmen.
Nein es bleibt dabei die Regulierung ist schlecht. Wir als beratende Ingenieure hatten ja mit diesem geschilderten Problemen nicht selber ein Problem, sondern mussten nur erkennen dass sich plötzlich ein marktwirtschaftliches Problem auftat.

Plötzlich hatte sich nämlich genau der, der reguliert hatte, nämlich der Staat, selber damit ins Bein geschossen. Genau dort traten nämlich diese komplexen Anlagen in der Bautätigkeit auf.
Das Problem ist bis heute geblieben und schleichend immer schlimmer geworden. Nola wird davon auch ein Lied singen können.

Man kann sie schon regeln, nur muss man eben mit unerwarteten Ergebnissen rechnen. Das ist ungefähr das, was Hayek mit der "Anmaßung von Wissen" meint und was man bei Dörners "Die Logik des Misslingens" nachlesen kann. Das sehen Volkswirte im Prinzip genau so.

Nun ja, das würden wir als Ingenieure nicht unter Regeln verstehen. Das ist wohl eher das Wegnehmen einer Säule, aus der Erkenntnis, dass anschließend ein Teil des Gebäudes einstürzt, bekommt man dann die neue Erkenntnis, dass es eine tragende Säule war, die man nicht hätte wegnehmen dürfen, dann versucht man sich eben an der Nachbarsäule.

Allerdings können sie auch nicht umhin, gewisse Zusammenhänge z.B. zwischen der Höhe des Zinssatzes und der Inflation zu erkennen und zu berück-sichtigen. Ich wüsste allerdings nicht, wie ihnen Betriebspraxis da weiterhelfen könnte...

Dinge wie Inflation und Zinssatz gehen natürlich über Betriebsdinge hinaus. Das ist unstrittig.


Wenn ich die allgemeine Problematik kenne, brauche ich den Blick auf die konkreten Sorgen des Firmenchefs F nicht. Eine solche Forderung wäre ungefähr zu vergleichen mit der, dass man, wenn man Aussagen über die Problematik von Gesundheitssystemen treffen wolle, die konkrete Lage praktizierender Ärzte kennen müsse.

Stimmt, wenn man die Problematik Gesundheitssystem analysieren will, muss ich wissen wo die praktizierenden Ärzte, und natürlich auch die Krankenhäuser ihre Probleme haben. Weiß ich es nicht, berücksichtige ich es demzufolge auch nicht, dann entgeht mir die fundamentale Problematik, dass wir in 10 bis 15 Jahren ein extremes Defizit an Ärzten haben werden.
Und schon ist die ganze Makroplanung Gesundheitssystem im Eimer.




Herzlich
M. Schneider
PS
Aber natürlich klappt es, und zwar über die Kapitalrendite

Das sollten Sie noch mal etwas näher erklären, was Sie meinen.
Rayson Offline




Beiträge: 2.367

22.07.2008 18:26
#69 RE: Frage @ Dirk und Rayson Antworten

Lieber M. Schneider,

In Antwort auf:
Plötzlich hatte sich nämlich genau der, der reguliert hatte, nämlich der Staat, selber damit ins Bein geschossen. Genau dort traten nämlich diese komplexen Anlagen in der Bautätigkeit auf.


Wenn der Kunde die Quadratur des Kreises wünscht, darf er sich über die Ergebnisse nicht wundern. Normalerweise führt das dann zu Lerneffekten. Aber das Problem ist hier wohl weniger das "Dumping" als vielmehr die staatliche Bürokratie...

In Antwort auf:
Stimmt, wenn man die Problematik Gesundheitssystem analysieren will, muss ich wissen wo die praktizierenden Ärzte, und natürlich auch die Krankenhäuser ihre Probleme haben. Weiß ich es nicht, berücksichtige ich es demzufolge auch nicht, dann entgeht mir die fundamentale Problematik, dass wir in 10 bis 15 Jahren ein extremes Defizit an Ärzten haben werden.


Och, das weiß ich nicht. Man hat immer entweder zu viele oder zu wenig Ärzte, wenn man dafür keinen Maßstab zu nennen weiß. Aber das Entscheidende ist, dass im System Knappheiten abgebildet und Präferenzen zugeordnet werden. Um zu erkennen, wo da der Hase begraben ist (oder der Hund im Pfeffer liegt ), brauche ich in keine einzige Praxis hineingeschaut zu haben.

In Antwort auf:
Das sollten Sie noch mal etwas näher erklären, was Sie meinen.


Auf Dauer ist die risikobereinigte Kapitalrendite der Unternehmungen einer Volkswirtschaft im Wettbewerb gleich hoch. Ist sie in einem Unternehmen oder einer Branche zu niedrig, erfolgen Anpassungsmaßnahmen, z.B. über die Abwanderung von Kapital oder Effizienzsteigerungen. Ist sie "zu hoch", wird soviel Kapital (= Wettbewerb) angezogen, bis das "normale" Niveau wieder erreicht wird. Als Freund der österreichischen Schule behaupte ich nicht, dass man diese Kapitalrendite genau bestimmen kann oder dass sie zu irgendeinem Zeitpunkt tatsächlich allgemein herrscht (zumal über das Risiko stark subjektive Erwartungen ins Spiel kommen), aber die betreffenden Anpassungsprozesse finden trotzdem statt. Sie sehen vielleicht unterschiedlich aus und wirken über unterschiedliche Mechanismen (Fusion hier, Betriebsaufgabe da), aber sie betreffen Groß und Klein. Da niedrige Gewinne der übliche Ausdruck einer niedrigen Kapitalrendite sind, passiert das dann auch bei zu hohen Löhnen.

Aus Sicht eines Investors ist es nämlich egal, was ein Unternehmen herstellt. Er will am Ende immer nur dasselbe: Rendite.

Übrigens gilt diese Beziehung auch in Ingenieurbüros, obwohl da auf den ersten Blick mangels großen Kapitalbedarfs exorbitante Renditen erzielbar sind. Denn Kapital ist natürlich nicht nur das, was nach den gerade geltenden Regeln bilanziert wird, sondern auch und gerade und immer mehr das von ebenso ehrlich entrüsteten wie ungebildeten Leuten so verfemte Humankapital. Das heißt, die Investition in ein entsprechendes Studium muss natürlich auch ein gewisses Mindesteinkommen erwarten lassen, sonst hätte man ja gleich Künstler werden können .

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L'État, c'est la grande fiction à travers laquelle tout le monde s'efforce de vivre aux dépens de tout le monde. (Frédéric Bastiat)

Nola ( gelöscht )
Beiträge:

22.07.2008 19:38
#70 RE: Frage @ Dirk und Rayson Antworten

In Antwort auf:
Eine "Schädigung der Volkswirtschaft" (wäre mal zu definieren, was das ist - aber nehmen wir praktischerweise mal einfach "weniger Wachstum") ist unabhängig von den Problemen einzelner Chefs. Sie entsteht dann, wenn sich bei den Aggregaten (Nachfrage, Angebot, Geld, Investitionen, Konsum etc.) etwas nachteilhaft verändert. Natürlich glaubt jeder, der mitten drin ist in der Front, dass sich das Schicksal der Schlacht bei Leuten wie ihm entscheidet - aber dennoch sind es Dinge wie Strategie (=Politik), Materialausstattung oder technischer Fortschritt, die es hinreichend determinieren.


Natürlich denkt jeder so. Ist ja auch so. Weil alle, die sich an dieser Front bewegen, um ihre Existenz kämpfen, wenn andere auch davon profitieren, um so besser.

In Antwort auf:
Zitat M. Schneider
Nun die Schädigung der Volkswirtschaft würde ich schon an nachlassendem Wirtschaftswachstum festmachen.
Es ist sicherlich richtig, dass sich das Problem nicht an einem einzelnen Betrieb fest macht, an Branchen aber schon. Und dann sind wir wieder beim alten Problem, wo unserer beider Meinungen auseinander gehen.

Wenn Betriebe aufgrund der Überregulierung gar nicht mehr in der Lage sind sich so anzupassen wie es der Markt und eben zunehmend ein globaler Markt verlangt, dann hat das katastrophale Auswirkungen nicht nur für die Betriebe sondern eben für den betreffenden Staat, der damit gegebenenfalls seinen Know-how- Vorsprung gegenüber anderen Staaten einbüßt.


Ja, genau, nur rechts und links unserer Staatsgrenzen lacht man sich ins Fäustchen und hofft, daß wir noch recht lange so vor uns dahin dümpeln. Wieviele Groß-Aufträge aufgrund unsäglicher Bestimmungen ins Ausland vergeben wurden, ist sicherlich in keiner Statistik erfaßt.

In Antwort auf:
Ein solches Problem haben wir zum Beispiel in Deutschland. Die Gründergeneration tritt zunehmend ab. 60 bis 70% der Betriebe (wohl gemerkt wieder der kleineren Betriebe) haben ihre Nachfolge nicht geregelt. Gründe, nicht etwa Dummheit oder Schlampigkeit, sondern aufgrund der Randbedingungen im Staat keine Bereitschaft von potentiellen Nachfolgern, eigene Kinder oder langjährige Mitarbeiter, den Betrieb weiterzuführen.
Ich sage dazu, das sind die Folgen der Überregulierung in Deutschland.



Ja, lieber M. Schneider, wie denn auch? Bei ständig wechselnden Vorgaben und Gesetzen verbunden mit Eingriffen in die Firmenpolitik ist ja überhaupt nichts mehr planbar. Keine Konstante, an deren Rändern endlang mal hier oder dort verbessert wird. Nein, selbst die Vererbung einer Firma auf die Kinder ist mit größten Überlegungen verbunden, da auch hier keine klare Gesetzeslage erkennbar ist, an der man sich zukunftsorientiert halten könnte und durch unsere eifrigen "Verbesserer" wird es nicht übersichtlicher. Selbst wenn man voraussagen könnte, wann wer wann, welches Wahlgeschenk bekommen würde, nützt das nichts, denn auch das ist ein Jahr später Schnee von gestern.

In Antwort auf:
Zitat Rayson
Nicht alles für alle, aber offensichtlich entsprach das neue Angebot der Nachfrage. Wir wollen uns doch jetzt nicht plötzlich auf die Seite des eben Kritisierten schlagen und den Ausgang von Marktergebnissen als korrekturbedürftig ansehen? Oder ist gar nicht Regulierung das eigentliche Übel, sondern nur die Regulierung, von der man selbst nicht profitiert?

Man kann sie schon regeln, nur muss man eben mit unerwarteten Ergebnissen rechnen. Das ist ungefähr das, was Hayek mit der "Anmaßung von Wissen" meint und was man bei Dörners "Die Logik des Misslingens" nachlesen kann. Das sehen Volkswirte im Prinzip genau so.



Nein, ganz klar nein. Niemand wird mal eben so "mit unerwarteten Ergebnissen rechnen" dürfen. Dann kann er gleich seinen Hut nehmen. Dann ist jede Kalkulation für die Tonne. Da ist in der Planung alles, aber auch wirklich alles bedacht. Und das ist eben, lieber Rayson, der Punkt an dem Theorie und Praxis doch divergieren. So einfach ist es nicht zu händeln. Um ein Projekt fertig zu stellen, hat man in seiner Planung bestimmte verläßliche Firmen mit im Boot. Und zwar solche, denen man zutraut, große und vor allem finanzträchtige Projekte durchzuführen. Setzen wir mal ganz oben an, vielleicht in Millionen/Milliarden-Höhe. Die Stammbesetzung aus mehreren Firmen zur Durchführung des Projektes steht. Daraus wird dann irgendwie ein Mosaikbild. Brechen hierbei während der Bauphase diverse Steinchen aus, kann es in Katastrophen enden, die zum Schluß der bauausführenden Firma Schäden in mehrfacher Millionenhöhe beschert.

Ich denke, lieber M.Schneider, jetzt haben Sie doch mehr Zeit investiert als sie wollten. Aufschlußreich war es ganz sicher, Danke dafür. Für Ihre Projekte wünschen ich Ihnen "gute Mitarbeiter" und viel Erfolg.

♥liche Grüße Nola

dirk Offline



Beiträge: 1.538

22.07.2008 20:08
#71 RE: Frage @ Dirk und Rayson Antworten

@Zettel

Also sind Sie doch Psychologe. Oder ist das Teil Ihrer Legende und in Wirklichkeit sind sie Herr K? .

In Antwort auf:
und daß zweitens häufig der Blick auf die Lösung durch Aspekte der Problemstellung verstellt wird, die für diese ganz irrelevant sind.


Da kann man eine ganze Theorie draus machen (und wird auch gemacht). Zum Beispiel ein Donut (also Ball mit Loch) aus Knetmasse. Man kann ihn kneten wie man will, es wird immer das Loch in der Mitte bleiben. Dass, was den Donut, oder allgemeiner ein bestimmtes Objekt, auszeichnet ist das, was sich unter gewissen Transformation wie zum Beispiel "Kneten" nicht ändert. So stelle ich mir auch die Unterscheidung zwischen einem Ding und dem "Ding an sich" vor. Es gibt gewisse zulässige Operationen, die man auf Ding anwenden kann, und das, was unter all diesen Transformationen invariant bleibt, ist das "Ding an sich". Viele mathematische Objekte sind so aufgebaut.

Aber auch bei volkswirtschaftlichen Überlegungen nützt diese "Erkenntnis". Zum Beispiel kann man sich fragen wer denn die Mehrwertsteuer zahlt. Ist es der Unternehmer oder der Kunde? Die Antwort ist: Man kann beides annehmen. Man kann so tun als sei es der Unternehmer oder man kann so tun als sei es der Käufer. Beides ist gleichberechtigt. Tun wir mal so als sei es der Käufer. Worin unterscheidet sich dann die Mehrwertsteuer von der Einkommenssteuer? Nun, von der Progression abgesehen, wird die Einkommenssteuer sofort bezahlt und die Mehrwertsteuer erst beim Konsum. Aber letztendlich wird ja jedes Einkommen nur deswegen verdient um es auszugeben. Während die Einkommenssteuer mir Geld wegnimmt, reduziert die Mehrwertsteuer den Geldwert. Für mich als Konsumenten sind beide Steuern also gleich. Eine Umschichtung von er Einkommenssteuer (oder Sozialabgaben) zur Mehrwertssteuer würde sich auf mich und damit die gesamte Wirtschaft nicht auswirken. (okay, es wirkt sich auf Sparguthaben aus) Und zwar unabhängig davon, ob Güter importiert werden oder nicht. (Es gab mal das Argument, dass ausländische Unternehmen Mehrwerttssteuer aber keine Sozialabgaben zahlen müssten.)

Rayson Offline




Beiträge: 2.367

22.07.2008 23:39
#72 RE: Frage @ Dirk und Rayson Antworten

In Antwort auf:
Niemand wird mal eben so "mit unerwarteten Ergebnissen rechnen" dürfen. Dann kann er gleich seinen Hut nehmen. Dann ist jede Kalkulation für die Tonne. Da ist in der Planung alles, aber auch wirklich alles bedacht. Und das ist eben, lieber Rayson, der Punkt an dem Theorie und Praxis doch divergieren.


M. Schneiders Satz, auf den ich antwortete, lautete:

"Und genau da liegt das Problem, in Deutschland ganz besonders, Politiker glauben sie könnten ein solches System überall regeln."

Bist du jetzt der Meinung, Politiker könnten das doch? Ist das etwa der Unterschied zwischen Theorie und Praxis?

--
L'État, c'est la grande fiction à travers laquelle tout le monde s'efforce de vivre aux dépens de tout le monde. (Frédéric Bastiat)

F.Alfonzo Offline



Beiträge: 2.257

23.07.2008 00:19
#73 RE: Frage @ Dirk und Rayson Antworten

Zitat von Rayson
In Antwort auf:
Er versucht das mit OECD Daten der Industrienationen zu belegen, die zeigen sollen, dass die Qualifikationsstruktur in Ländern wie GB oder USA deutlich "ungünstiger" ist, die Arbeitslosigkeit aber trotzdem geringer als in D.


Für solche Situationen haben die Ökonomen den Begriff ceteris paribus erfunden. Wer behauptet, der sei in einer Betrachtung der Länder USA, GB und D so aufrechtzuerhalten, dass allein die Qualifikation der Arbeitnehmer den Unterschied erklärt, dem sollte man mal ein Flugticket gen Westen spendieren.


Kleiner Nachtrag, damit hat sich's dann auch mit der Diskussion um Theorien, die ich selbst für falsch halte:
Ich schätze mal, so einfach hat er's sich nicht gemacht. Grundlage ist wohl die ökonometrische Falsifizierung jener Theorien, die einen Zusammenhang zwischen Arbeitslosigkeit und Ausbildungsniveau vermuten. Weiter kann ich dazu nichts sagen, da ich die Theorien nicht kenne (Makro und Finanzwissenschaften haben mich nie sonderlich interessiert).
In wie weit sich die Daten verschiedener Länder überhaupt für einen Vergleich eignen, ist sicher auch eine wichtige Frage; allerdings gibt es auch keine Alternative dazu.
Naja, so viel dazu...

F.Alfonzo

M.Schneider Offline



Beiträge: 672

23.07.2008 09:06
#74 RE: Frage @ Dirk und Rayson Antworten

Lieber Rayson, liebe Nola, lieber Dirk

Dann auf zur Schlussantwort in Sachen Theorie und Praxis.

Wenn der Kunde die Quadratur des Kreises wünscht, darf er sich über die Ergebnisse nicht wundern. Normalerweise führt das dann zu Lerneffekten. Aber das Problem ist hier wohl weniger das "Dumping" als vielmehr die staatliche Bürokratie...

Dabei liegt die Betonung auf normalerweise, die staatliche Bürokratie ist jedoch völlig lern- resistent.

In Antwort auf:

Stimmt, wenn man die Problematik Gesundheitssystem analysieren will, muss ich wissen wo die praktizierenden Ärzte, und natürlich auch die Krankenhäuser ihre Probleme haben. Weiß ich es nicht, be-rücksichtige ich es demzufolge auch nicht, dann entgeht mir die fun-damentale Problematik, dass wir in 10 bis 15 Jahren ein extremes Defizit an Ärzten haben werden.

----------------
Och, das weiß ich nicht. Man hat immer entweder zu viele oder zu wenig Ärzte, wenn man dafür keinen Maßstab zu nennen weiß. Aber das Entscheidende ist, dass im System Knappheiten abgebildet und Präferenzen zugeordnet werden. Um zu erkennen, wo da der Hase begraben ist (oder der Hund im Pfeffer liegt), brauche ich in keine einzige Praxis hineingeschaut zu haben.


Doch lieber Rayson brauchen Sie. Gerade das Gesundheitssystem war ein gutes Beispiel von Ihnen, das aufzeigt was passiert, wenn man nur auf Makroebene regelt ohne in die Praxis hinein geschaut zu haben.

Ich habe eine Menge Ärzte im Freundes- und Verwandtenkreis und kann es deshalb beurteilen.

Vor, sagen wir mal 25 Jahren, hatten wir weder zu viel noch zu wenig Ärzte. Der Maßstab ist relativ einfach, hätten wir zu viel Ärzte gehabt, dann hätten diese nicht genügend verdient und es wäre zu Schließungen von Arztpraxen gekommen. War aber nicht so. Hätten wir hingegen zu wenig Ärzte gehabt, dann wäre die Versorgung nicht mehr gesichert gewesen.

Was hat sich seitdem getan?

Die Oberstrategen haben herum geregelt auf Teufel komm raus aber immer am grünen Tisch und eben genau ohne in einer Arztpraxis oder ein Krankenhaus hinein zu sehen.

Seitdem sind die Probleme immer größer geworden. Mit jeder neuen Regelung versuchte man die aufgetretenen Probleme der Regelung zuvor zu kompensieren, was aber offensichtlich nicht klappte, denn im weltweiten Vergleich haben wir mittlerweile das teuerste Gesundheitssystem, dessen Effektivität ist jedoch im internationalen Maßstab nicht mal mehr Mittelmaß.

Und nun hat man die Katastrophe perfekt gemacht und zwar genau weil man nicht in die Arztpraxis geguckt hat und demzufolge die Rechnung ohne den Wirt gemacht hat.

Heute ist die Situation folgende:

Die Auskömmlichkeit von Arztpraxen ist, wenn Sie nicht grade in Städten liegen nicht mehr gegeben. Die Folge davon ist, viele Arztpraxen insbesondere im ländlichen Gebiet schließen. So etwas hat es früher noch nie gegeben, früher konnte man einer Arztpraxis verkaufen und man hat auch gleich mehrere Bewerber.
Das Interesse für den Arztberuf ist unter jungen Leuten drastisch gesunken, und man erwartet demzufolge in 10 bis 15 Jahren massive Unterversorgungen.

Und weil man eben nicht in die Arztpraxis geguckt hat, hat man einen andern Effekt nicht mitbekommen, der schon heute greift. Viele Ärzte steigen Donnerstag in den Flieger, und jetten nach Großbritannien oder Skandinavien, arbeiten dort ein bis zweimal im Monat ein verlängertes Wochenende, häufig auch im Schichtdienst, und verdienen dabei mehr Geld, als in einen ganzen Monat ihre bisherigen Tätigkeit in Deutschland.
Viele Ärzte stehen daher in Deutschland schon jetzt nicht mehr zur Verfügung.

Übrigens gilt diese Beziehung auch in Ingenieurbüros, obwohl da auf den ersten Blick mangels großen Kapitalbedarfs exorbitante Renditen erzielbar sind. Denn Kapital ist natürlich nicht nur das, was nach den gerade geltenden Regeln bilan-ziert wird, sondern auch und gerade und immer mehr das von ebenso ehrlich entrüsteten wie ungebildeten Leuten so verfemte Humankapital. Das heißt, die Investition in ein entsprechendes Studium muss natürlich auch ein gewisses Mindesteinkommen erwarten lassen, sonst hätte man ja gleich Künstler werden können.

Stimmt lieber Rayson, Künstler bin ich zwar nicht geworden, aber das planende Ingenieurbüro in Deutschland habe ich aufgegeben, es lohnt sich in Deutschland nicht mehr, die Randbedingungen sind nicht mehr akzeptabel.
Ich bin heute Projektentwickler und arbeiten nur noch im Ausland, natürlich nach wie vor selbständig.


Resümierend sage ich jedoch nach wie vor, wenn man Volkswirtschaft und Politik ausschließlich auf einer Makroebene betreibt, ohne in die Betriebe der einzelnen Branchen hinein zu sehen, dann sind die Probleme vorprogrammiert und deshalb haben wir sie auch in Deutschland, massiv.

Eine Exportnation wie Deutschland kann sich solche Fehler aber nicht leisten, es gibt genügend andere Nationen, die nicht dümmer sind, die nur darauf warten durch einen Fehler in Deutschland Vorteile zu erringen.
Die Abwanderung von Betrieben, bis hin zur Abwanderung von Ingenieuren und Facharbeitern sind das Ergebnis solcher Fehler.

In Anlehnung an den Boxsport, insbesondere bezüglich der Weltmeister, gilt auch hier die alte Regel, „They never come back“.

Herzlich
M. Schneider

Nola ( gelöscht )
Beiträge:

23.07.2008 09:24
#75 RE: @ Rayson Antworten
Zitat von Rayson


M. Schneiders Satz, auf den ich antwortete, lautete:

"Und genau da liegt das Problem, in Deutschland ganz besonders, Politiker glauben sie könnten ein solches System überall regeln."

Bist du jetzt der Meinung, Politiker könnten das doch? Ist das etwa der Unterschied zwischen Theorie und Praxis?


Der Unterschied, lieber Rayson, besteht für mich ersteinmal in der Ausübung einer Tätigkeit innerhalb eines Fachbereichs (in diesem Falle Wirtschaft). Der Entscheidungsträger - hier die Politik - erläßt Verordnungen und Gesetze will aber parallel dazu alle Eventualitäten abdecken, damit ihm später keine Fehlentscheidung nachgewiesen werden kann. Soweit die Theorie. Doch gerade diese miterfaßten Eventualitäten (die in hundert Jahren einmal vorkommen und wofür der Ermessenspielraum ausreichen würde) führen dann u. a. oft zu den gegebenen Überregulierungen, die kein Mensch in der Praxis gebrauchen kann. Vergleichbar mit Super-Software. Sie deckt ebenfalls alles ab, bloß für schnelles zielorientiertes Arbeiten, ist sie oft nicht zu gebrauchen. Warum? Weil man es einer breiteren Masse zur Verfügung stellen will. Das verwässert aber die eigentliche Aufgabe, die sie hat. Nämlich den Vorteil einer logisch durchstrukturierten und vor allem schnellen Vorgehensweise.

Ich will also mit meinem "Handwerkszeug" - und dazu gehören eben auch die gesetzlichen Möglichkeiten - nicht "Kochen, Bügeln, Kaffeekochen, Telefonieren oder andere Nettigkeiten" , sondern einfach nur im angegebenen Fachbereich ergebnisorientiert arbeiten können, ohne einen Hindernislauf zu absolvieren.

♥liche Grüße Nola

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