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ZETTELS KLEINES ZIMMER

Das Forum zu "Zettels Raum"



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 Kommentare/Diskussionen zu "Zettels Raum"
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Zettel Offline




Beiträge: 20.200

09.08.2008 04:39
Der Ossetienkrieg als postkolonialer Konflikt Antworten
Nicht, wie es den Anschein haben mag, aus heiterem Himmel ist dieser Krieg ausgebrochen. Sondern in weiterer Perspektive als Ergebnis typischer postkolonialer Konflikte und aktuell als der vorläufige Schlußpunkt einer Eskalation, die Anfang Juli begann.



In einem zweiten Beitrag zu diesem Thema gehe ich auf die Machtpolitik Rußlands und das Versagen der europäischen Nato-Partner, insbesondere des deutschen Außenministers Steinmeier ein.
Kane Offline




Beiträge: 133

09.08.2008 10:06
#2 RE: Der Ossetienkrieg als postkolonialer Konflikt Antworten
Es ist auch sehr interessant, wie schnell die russische Panzer zur Stelle waren. Militäreinheiten brauchen immer eine bestimmte Zeit bevor sie sich in Bewegung setzen, falls sie "überrascht" werden. Ausnahmen gelten höchstens für gut ausgebildete Einheiten, die speziell auf solche schnelle Reaktionen ausgebildet wurden. Die russische Streitkräfte besitzen nur sehr, sehr wenige Einheiten diesen Typus.

Die 58. Armee ist mir bisher nicht als besonders stark aufgefallen. Besteht wohl nur aus einer motorisierten Divison mit paar extra motorisierten Regimentern und einen Kosaken Regiment.Entweder sie stellen eine Ausnahme dar und sind gut ausgestattet und ausgebildet, oder sie waren "vorbereitet".

Die Georgier haben sich in den letzten Jahren militärisch weit "fortentwickelt". Haben erfahrungen in Afghanistan und Irak gesammelt. Haben die moderne Struktur der Amis übernommen, das heißt sie operieren in Brigaden und nicht mehr in regimentern und Divisionen.

Was mir aber wieder an der deutschen Berichtersattung auffällt, ist wieder die völlige militärische Ahnungslosigkeit der deutschen Reporter. Es wird berichtet dass russische Panzer reinfahren, Georgier einmarschieren usw., es wird geschossen usw. usw. Aber es kommt nichts Handfestes. Es wird zum Beispiel nicht gesagt welche Einheiten da einmarschieren. Du Zettel bist einer der ganz wenigen, der gesagt hat, dass Teile der 58. Armee beteiligt sind.

Aber es fehlen die ganze Daten. Wieviele Soldaten und schwere Waffen haben die Georgier. Wie gut ausgebildet wurden sie (Sie wurden unter anderen von den USA und EU mitausgebildet). Welche Reserven haben sie. Wieso konnten die Russen die militärischen Flughäfen der Georgier bombardieren. Ist die Luftabwehr der Georgier zerstört oder untergetaucht? Ziehen die Georgier Ihre Truppen aus Irak zurück (über 2000 Mann).

Wie sieht es bei den Russen aus? Russland ist groß. Wie lange brauchen die Russen um Verstärkungen heranzufahren?. Sind die Verstärkungen komischerweise schon in der Nähe, dann kann man sich fragen woher die Russen "wussten" das da was passiert. Dann welche Waffen haben die Russen. Als motorisierte Armee werden die 58. nicht sehr viele schwere Panzer haben. Falls doch, wieder die Frage: wieso auf einmal?

Dann ganz allgemein. Welche militärische Einheiten haben miteinander gekämpft? Gab es bisher eher nur Kämpfe zwischen Georgiern und Ossetten? Oder haben die Russen schon mit Hauptkräften angegriffen. Waren es bisher eher nur "Geplänkel" oder gabe es schon Panzerschlachten (Die Georgier können über 200 Hauptkampfpanzer auffahren, theoretisch). Wurden schon welche Einheiten abgewehrt oder zerstört.Gab es schon große Gefechte dann wird es in den nächsten Tagen vielleicht ruhiger, damit beide Seiten sich reorganisieren können. Sammeln sich Russische Trupppen an anderen Stellen der georgischen Grenzen um die Verteidigungslinie der Georgier auszudünnen. Welche Reserven an Munition und Treibstoff haben die Georgier? usw usw usw.

Die ganze Daten sind IMHO unverzichtbar um sich ein mehr oder weniger klares Bild über die Situation zu machen. Man kann abschätzen, welche Seite kompromisbereiter sein könnte. Sind die Georgier nach 2 Wochen ohne Muniton und Treibstoff, dann werden sie einknicken. Haben die Russen kaum Verstärkungen in der Nähe, wird sich der Krieg wohl nicht mehr ausbreiten.

Ich musste mir alle Informationen selbst mühsam zusammensuchen und ich habe den "Vorteil" militärische Vorkenntnise zu haben. Aber wie sieht es bei vielen anderen, die vielleicht zum ersten mal in der Tageschau was von Süd-Ossetien hören?
Also wird wieder die angebliche "neutrale" Beobachterpostion eingenommen und hier besteht die große Gefahr auf die "Große Lüge" reinzufallen.

Meine persönliche Meinung ist, bis ich vom Gegenteil überzeugt werden, dass die Russen da was gedreht haben. Sie haben die Georgier so lange gepickt bis die Georgier (selbst nicht ganz unschuldig) den ersten großen Schritt gemacht haben.
Zettel Offline




Beiträge: 20.200

09.08.2008 10:15
#3 AKTUELLE ERGÄNZUNG: Von Russen bewohnt? Antworten

Als ich in der vergangenen Nacht den Artikel schrieb, war ich mir nicht sicher, ob ich eigentlich die Fakten bringen sollte, die doch jeder nachschlagen kann, der das will. Oder den Nachrichten entnehmen.

Das zweite zumindest dürfte schwer sein. Zumindest in Deutschland. Zumindest, wenn man der "Tagesschau" vertraut. Dort wurde soeben in der Ausgabe von 9.50 Uhr gemeldet, daß Südossetien "überwiegend von Russen bewohnt" werde.

In meinem Artikel kann man nachlesen, daß in Südossetien zwei Prozent Russen wohnen; ziemlich konstant seit der Volkszählung 1939.

Wer dem Link folgte, der konnte sich die genauen Zahlen ansehen: 1939: 2,11 Prozent, 1959: 2,38 Prozent, 1970: 1,57 Prozent, 1979 (letzte verfügbare Ziffer): 2,05 Prozent.

Was ich in dem Artikel nicht erwähnt hatte, das ist, daß bei der ersten Volkszählung nach der Oktoberrevolution im Jahr 1926 ganze 157 Russen (0,2 Prozent) gezählt worden waren.

Woher kommt die Ente der Tagesschau? Seit gestern verbreiten die russischen Agenturen munter die Meldung, in Südossetien wohnten überwiegend "Menschen mit einem russischen Paß".

Mag sein, daß viele Osseten den haben - sei es noch aus der Zeit der UdSSR, sei es, um eine Schutzmacht gegen Georgien zu haben. Sie deshalb "Russen" zu nennen, wenn es um die ethnische Zusammensetzung der Bevölkerung geht, ist schlicht Desinformation.

Zettel Offline




Beiträge: 20.200

09.08.2008 10:47
#4 RE: Der Ossetienkrieg als postkolonialer Konflikt Antworten

Danke, lieber Kane, für diesen ausgezeichneten, informativen Beitrag!

Zitat von Kane
Es ist auch sehr interessant, wie schnell die russische Panzer zur Stelle waren.

Das fand ich auch seltsam, ohne die von Ihnen zusammengetragenen militärischen Einzelheiten zu kennen.
Zitat von Kane
Was mir aber wieder an der deutschen Berichterstattung auffällt, ist wieder die völlige militärische Ahnungslosigkeit der deutschen Reporter.

Nicht nur die militärische, und nicht nur der Reporter. Welche Ahnungslosigkeit in der Redaktion der "Tagesschau" herrscht, zeigt - ich habe gerade in einem anderen Beitrag darauf hingewiesen - die "Meldung", Südossetien werde "überwiegend von Russen bewohnt".
Zitat von Kane
Meine persönliche Meinung ist, bis ich vom Gegenteil überzeugt werden, dass die Russen da was gedreht haben. Sie haben die Georgier so lange gepickt bis die Georgier (selbst nicht ganz unschuldig) den ersten großen Schritt gemacht haben.

Das könnte gut sein. Ihre militärischen Überlegungen, lieber Kane, passen jedenfalls zu meinem Eindruck, daß Russia Today vorbereitet gewesen war.

Es dürfte wie immer schwer sein, die Hintergründe einer solchen Eskalation aufzuhellen. Und wie immer wird am Anfang eines solchen Konflikts von den Medien ein Szenario verbreitet, das wesentlich durch die Seite mit dem besseren Propagandaapparat bestimmt ist.

Beim Irak-Krieg war das nicht die Regierung der USA, sondern die Bush-kritischen Medien, die das Märchen von "Blut für Öl" verbreiteten. Jetzt scheint es die russische Propaganda zu sein, die das Szenario "Abwehr eines georgischen Angriffs durch die tapferen russischen Truppen" verbreitet.

Noch ein Aspekt: Zuppi fragt zu Recht, wo eigentlich die "friedensbesoffenen Demonstranten" geblieben seien. Da bin ich auch einmal gespannt.

Herzlich, Zettel

Nola ( gelöscht )
Beiträge:

09.08.2008 12:24
#5 RE: Der Ossetienkrieg als postkolonialer Konflikt Antworten

Georgien erklärt den Krieg

Georgien befindet sich nach den Worten seines Präsidenten Michail Saakaschwili im Krieg. "Ich habe ein Dekret über den Kriegszustand unterzeichnet", sagte Saakaschwili in einer im Fernsehen übertragenen Sitzung des Nationalen Sicherheitsrats Georgiens.(lt.n-tv) Er werde das Parlament noch heute um Zustimmung zu diesem Schritt bitten.

Der Schwarzmeerhafen Poti ist nach Angaben des georgischen Aussenministeriums inzwischen vollständig durch russische Luftangriffe zerstört worden. (lt. Ag. Interfax)
Aber angeblich sieht hier Russland nur sein Verteidigungsrecht gewahrt.

Der Hafen Poti ist für den Erdöltransport vom Kaspischen Meer in den Westen bedeutend, denn er liegt nahe der Baku-Supsa-Pipeline

Saakaschwili kündigte derweil (lt. n-tv) die allgemeine Mobilmachung an. Georgien will seine gesamte Militärbrigade von 2000 Soldaten aus dem Irak abziehen und in die Konfliktregion Südossetien verlegen. "Wir warten auf die USA. Sie helfen uns beim Transport", sagte Oberst Bondo Maisuradse der Nachrichtenagentur Reuters.

Moskau widerum signalisiert mit diesem massiven Eingriff Europa und den USA, was passieren kann, wenn man Russlands Interessen nicht angemessen berücksichtigt, denn:

Georgien zahlt einen hohen Preis für die Bewerbung zur Nato. Russland kämpft seit langem gegen Saakaschwilis pro-westlichen Reformkurs an, mit dem dieser sein Land dem Einfluss Moskaus entziehen und statt dessen in westliche Organisationen wie etwa die NATO integrieren will. Die Georgier stimmten auch über den NATO-Beitritt ihres Landes ab. Nachwahlbefragungen ergaben eine Zustimmung von rund 61 Prozent.


♥liche Grüße Nola

str1977 ( gelöscht )
Beiträge:

09.08.2008 13:12
#6 RE: Der Ossetienkrieg als postkolonialer Konflikt Antworten
In Antwort auf:
Unter günstigen Bedingungen entsteht dabei ein gemeinsamer Nationalismus des gesamten unabhängig gewordenen Gebiets.


Warum günstigenfalls?

Sollte es man den Menschen nicht selbst überlassen, ob sie überhaupt eine Nation sind? Spricht man das ihnen ab, gibt es wiederum keine Grundlage dafür, überhaupt das Gebiet in die Unabhängigkeit zu entlassen. (Bei diesem Fall liegt die Sache natürlich etwas anders, da es sich eben nicht um eine nach Unabhängkeit strebende Kolonie handelt.)

Wieviel Unglück wurde in den letzten 50 Jahren durch solchen unitarischen Nationalismus verursacht, der meinte uneinsichtige Gebiete zu zwingen.

Vorausgesetzt natürlich, dieses Gebiet will das mehrheitlich auch.

Eine Notiz noch an Herrn Putin: sich auf den olympischen Frieden zu berufen war schon in der Antike lächerlich. Und hat er selbst sich immer daran gehalten? In Tschetschenien?

Gruß,
str1977

Faschismus und Antifaschismus sind nicht dasselbe, genausowenig wie Libanon und Antilibanon.
Aber beide sind aus Stein gemacht.

Laissez faire, laissez aller, laissez abimer.

Nola ( gelöscht )
Beiträge:

09.08.2008 14:34
#7 RE: Der Ossetienkrieg als postkolonialer Konflikt Antworten
... und noch ein bißchen über die möglichen Hintergründe ...

TIFLIS, 27. Mai (RIA Novosti). Georgien will Russland den Beitritt zur WTO solange verwehren, bis Moskau auf die Zusammenarbeit mit den beiden nicht anerkannten De-facto-Staaten auf georgischem Gebiet, Abchasien und Südossetien, verzichtet.

Das sagte der georgische Vizeaußenminister Grigol Waschadse am Dienstag in Tiflis. Nach seinen Worten hat Russland mit seinen jüngsten Entscheidungen in Bezug auf Südossetien und Abchasien "neue Handelsregimes" geschaffen. "Das ist für uns nicht akzeptabel." Solange Russland diese Entscheidungen nicht außer Kraft setze, würde es nicht WTO-Mitglied.

In diesem März hatte Russland die 1996 von der Gemeinschaft Unabhängiger Staaten (GUS) kollektiv verhängten Wirtschafts-, Handels-, Verkehrs- und Finanzsanktionen gegen Abchasien einseitig aufgehoben. Einen Monat später ordnete der damalige russische Präsident Wladimir Putin die "substantielle Unterstützung" der Bevölkerung in Abchasien und Südossetien an.

Russland bemüht sich seit Jahren um den Beitritt zur Welthandelsorganisation (WTO). Die nächste Verhandlungsrunde ist für den 16. Juni in Genf geplant. Georgien zählt zu den wenigen WTO-Staaten, die dem russischen Beitritt bisher kein grünes Licht gegeben haben. lt. russischer Nachrichtenagentur Novosti

Edit: 14.45 h

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EIL - Russlands Außenamt: Kiew hat Tiflis zur bewaffneten Intervention ermuntert
09-08-2008 11:50 MOSKAU, 09. August (RIA Novosti). Russlands Außenministerium hat die Ukraine beschuldigt, Georgien zu Intervention und ethnischen Säuberungen in Südossetien ermuntert zu haben.

ffg. (...)

♥liche Grüße Nola

Zettel Offline




Beiträge: 20.200

09.08.2008 16:53
#8 RE: Der Ossetienkrieg als postkolonialer Konflikt Antworten

Zitat von Nola
Georgien zahlt einen hohen Preis für die Bewerbung zur Nato. Russland kämpft seit langem gegen Saakaschwilis pro-westlichen Reformkurs an, mit dem dieser sein Land dem Einfluss Moskaus entziehen und statt dessen in westliche Organisationen wie etwa die NATO integrieren will.

Die Ukraine und Georgien scheinen sich, liebe Nola, immer mehr zu den, sagen wir, Schnittstellen zum Westen zu entwickeln, an denen Moskau sein neu erwachtes Selbstbewußtsein demonstrieren möchte.

Jedes der beiden Länder ist auf seine Art eine solche Schnittstelle: Die Ukraine, weil sie - aufgrund der Westverschiebung Polens nach 1945 - in mindestens ihrer westlichen Hälfte kulturell mehr zu Polen als zu Rußland neigt. Georgien, weil es eine lange, eigenständige Geschichte und Kultur hat, aufgrund deren es seit der Annexion durch das Zarenreich und dann erneut durch das Sowjetreich immer wieder gegen die Herrschaft der Russen gekämpft hat.

Natürlich geht es auch um die Beherrschung des Kaukasus, um Ölfelder und Pipelines. Aber wenn die Russen jetzt so verbissen um den Besitz von Südossetien kämpfen, das in dieser Hinsicht bedeutungslos ist, dann dürfte die Machdemonstration wichtiger sein. Und wenn man dazu die Ossetier zu Russen macht.

Herzlich, Zettel

Kane Offline




Beiträge: 133

09.08.2008 21:16
#9 RE: Der Ossetienkrieg als postkolonialer Konflikt Antworten
Sehr interessant sind die Reaktionen der Länder, die schon ihre ganz „besonderen“ Erfahrungen mit Russland hatten und haben.
Ich glaube viele Ukrainer, Polen und Balten zünden jetzt eine Kerze an voller Dankbarkeit, dass sie jetzt in der NATO sind.

http://wiadomosci.gazeta.pl/Wiadomosci/1...m.html?skad=rss
http://www.polskieradio.pl/iar/wiadomosci/artykul61714.html

Stichwortartig einige Übersetzungen meinerseits:

„ Der Polnische Präsident sieht einen klaren Akt der russischen Aggression“.
„Die Präsidenten Polen, Litauens, Estlands, und Lettlands haben gemeinsam in einer Verlautbarung von eine imperialistischen und revisionistischen Politik Russlands in Osteuropa gesprochen“.
„Georgien ist klarer strategischer Partner Polens“.
„Die militärischen Handlungen Russlands sind das Überschreiten der Roten Linie in dieser Konfliktregion“
„…eine Aggression gegen einen souveränen und unabhängigen georgischen Staat“
„ Die Präsidenten werden alle Mittel einsetzen, damit diese Aggression gegen ein kleines Land nicht verschwiegen oder nicht beachtet wird. EU und die NATO müssen Initiative zeigen“.
„ Die Nichtannahme Georgien in den NATO-Plan für Menschenrecht(?) wurde interpretiert als grünes Licht für eine Aggression“.
„Die Internationale Gemeinschaft muss sehr bestimmt auf die Handlungen Russlands reagieren“.
„…diese Verlautbarung ist zwar sehr scharf formuliert aber diese Situation erfordert dies…“.
„ Die Beziehungen und Zusammenarbeit mit Russland muss jetzt völlig neu überdacht werden, weil das Land nicht mal die minmal Standars der EU erfüllt”.
„Dieser Verlautbarung können sich weitere Länder anschliessen”.


http://www.polskieradio.pl/iar/wiadomosci/?id=61726

„Russlands diplomatisches Ressort hat in einem offiziellen Kommunique ukrainisches Engagement in den Konflikt kritisiert.(…) Beschuldigung, dass die Ukraine die georgische Armee bis an die Zähne bewaffnet habe, was der Grund für die georgische Aggression sein soll“
„Ukraine hat kein moralisches recht andere zu belehren….“.


„Donald Tusk hat sich sehr besorgt geäußert“.

„Es wird gemunkelt, dass die NATO was unternehmen soll. Was, wird nicht gesagt“.


Ganz eindeutig wird in diesen Ländern wohl die Schuld bei den Russen gesehen und ich kann ihnen es nicht verdenken. Wenn man zum Beispiel an die Ausschreitungen in Estland denkt, als die Esten das Denkmal des Rotarmisten verlegt haben. Oder an die Spielchen mit Gasversorgungen, die auf einmal auf der russischen Seite gedrosselt wurden.

Ich hoffe stark, dass die USA und die NATO da starken Druck auf die beiden Seiten (aber besonders auf Russland) ausüben werden, um den Konflikt schnell möglichst einzudämmen.

P.S. Ich glaube jetzt weiss ich was mit der AUfnahme Georgien in den NATO PLan für Menschenrechte (?) gemeint war.

http://www.economist.com/world/internati...ory_id=10981434

http://hotelvilladeart.wordpress.com/200...ut-gescheitert/
Nola ( gelöscht )
Beiträge:

09.08.2008 21:52
#10 RE: Der Ossetienkrieg als postkolonialer Konflikt Antworten


In Antwort auf:
Zitat Zettel:
Natürlich geht es auch um die Beherrschung des Kaukasus, um Ölfelder und Pipelines. Aber wenn die Russen jetzt so verbissen um den Besitz von Südossetien kämpfen, das in dieser Hinsicht bedeutungslos ist, dann dürfte die Machdemonstration wichtiger sein. Und wenn man dazu die Ossetier zu Russen macht.


Ich glaube schon, lieber Zettel, das mehr als nur Machtdemonstration dahintersteckt. Wenn der amerikanische und der russische Präsident heute miteinander telefonieren und Moskau ganz klar jegliche Einstellung der millitärischen Aktion von dem Rückzug georgienischer Truppen aus Südossetien abhängig macht, ist das schon etwas mehr als Machtdemonstration. Denn, sollte Georgien - oder gar die Ukraine - Mitglied der Atlantischen Allianz werden, würde Russland nicht nur im Osten, sondern auch im Süden an einen NATO-Staat grenzen.

Und hier noch ein Auszug n-tv:

Weder geht es Russland um die Freiheit und Unabhängigkeit Südossetiens noch den Vereinigten Staaten um die territoriale Integrität Georgiens. Vom aserbaidschanischen Baku verläuft eine der wichtigsten Pipelines der Region quer durch den Kaukasus über das tschetschenische Grosny in den russischen Schwarzmeerhafen Tuapse, die Südkaukasus-Erdgasleitung führt von Baku über das georgische Tiflis ins türkische Erzurum.

Durch die Baku-Tiflis-Ceyhan-Pipeline fließt aserbaidschanisches und kasachisches Erdöl nach Ceyhan in der Türkei. Im vergangenen Jahr begannen Russland, Griechenland und Bulgarien mit dem Bau einer Erdölleitung, die den bulgarischen Schwarzmeerport Burgas mit dem griechischen Ägäishafen Alexandroupolis verbindet. Mit Tankern transportiertes russisches Erdöl soll von dort aus in Europa verteilt werden. Die USA versuchten das Vorhaben noch am Vorabend der Vertragsunterzeichnung durch die Präsidenten der drei beteiligten Staaten im März 2007 durch Druck auf den hellenischen NATO-Partner zu verhindern. Es zeugt von bemerkenswerter Offenheit, wenn Georgiens Präsident Michail Saakaschwili auf CNN erklärt, es ginge "nicht mehr nur um Georgien, sondern um Amerika und seine Werte".

♥liche Grüße Nola

Zettel Offline




Beiträge: 20.200

09.08.2008 22:22
#11 RE: Der Ossetienkrieg als postkolonialer Konflikt Antworten

Zitat von Kane
Sehr interessant sind die Reaktionen der Länder, die schon ihre ganz „besonderen“ Erfahrungen mit Russland hatten und haben. Ich glaube viele Ukrainer, Polen und Balten zünden jetzt eine Kerze an voller Dankbarkeit, dass sie jetzt in der NATO sind.

Hier ist, lieber Kane, ein instruktiver Überblick über die diversen Erweiterungen der Nato und den Stand der Dinge für die Ukraine und Georgien. Beiden ist offenbar die Phase MAP, die Sie in Ihrem Beitrag erläutern, für Dezember dieses Jahres in Aussicht gestellt.

In dem ebenfalls sehr interessanten Artikel im Economist, den Sie verlinken, heißt es zu dem Widerstand Deutschlands gegen einen sofortigen Übergang zu MAP für Georgien:
Zitat von The Economist
Germany says Russia's president-elect, Dmitry Medvedev, should get time to settle in without being forced into a spat with NATO. “What is the rush?” asked one senior official. (...) At a bad-tempered foreign ministers' meeting on the opening night, Germany's foreign minister, Frank-Walter Steinmeier, told colleagues Georgia would not be fit to join until it had resolved the “frozen conflicts” over two Russian-backed statelets on its soil. Condoleezza Rice, his American opposite number, retorted that these conflicts were “not Georgia's problem, but Russia's”. She added that Germany's own NATO membership in 1955 had come at a time when that country was divided.

After much haggling, the allies declared that the two countries “will become members of NATO” eventually—but that a decision on MAP would only be taken by foreign ministers in December. Even that could be a humiliation for the Georgians, whose volatile president, Mikheil Saakashvili, privately compared anything short of MAP to appeasement of the Nazis.

Falls ein deutscher Diplomat im April wirklich gefragt hat, wozu denn die Eile - jetzt hat er die Antwort. Wie Sie schreiben, lieber Kane - gegen ein Georgien, das für den Beitritt zur Nato bereits einen Membership Action Plan hat, hätte Rußland schwerlich so vorgehen können, wie es das jetzt tut.

Vielen Dank für die Übersetzungen aus dem Polnischen! Ich habe einmal wieder den Eindruck, daß in Deutschland die Reaktionen in Osteuropa kaum zur Kenntnis genommen, erst recht nicht ernst genommen werden.

Kein Wunder bei einem Außenminister, der zusammen mit Schröder die Achse Paris-Berlin-Moskau zu schmieden versucht hat.

Während ich das schrieb, trat in Russia Today erst der russische Außenminister und jetzt eben Putin himself auf.

Putin ist ja inzwischen nach Nordossetien geflogen und hat dort offenbar das Oberkommando über die russische Invasion übernommen. Wie nicht anders zu erwarten, übernimmt er die Führung der Geschäfte von Medwedew, sobald es wichtig wird.

Und der Außenminister Lawrow sagte in einem BBC-Interview, das Russia Today sendete, Rußland werde Südossetien 400 Millionen Dollar Wiederaufbauhilfe leisten.

Wie kommt Rußland dazu? Südossetien gehört völkerrechtlich nach wie vor zu Georgien. Jedenfalls gehört es nicht zu Rußland, und dieses hat dort nichts verloren.

Herzlich, Zettel

Pelle ( Gast )
Beiträge:

09.08.2008 23:09
#12 RE: Der Ossetienkrieg als postkolonialer Konflikt Antworten

Zitat von Zettel
Ich habe einmal wieder den Eindruck, daß in Deutschland die Reaktionen in Osteuropa kaum zur Kenntnis genommen, erst recht nicht ernst genommen werden.
Kein Wunder bei einem Außenminister, der zusammen mit Schröder die Achse Paris-Berlin-Moskau zu schmieden versucht hat.
...Rußland werde Südossetien 400 Millionen Dollar Wiederaufbauhilfe leisten. Wie kommt Rußland dazu?

Zurecht kann man jetzt fragen, wo die dt. Friedensbewegung ist, wo die ausgewogene Berichterstattung bleibt?
Aber wir werden es nicht erleben. Es wird keine Demonstrationen geben. Schließlich betrachtet Deutschlands Linke Russland nach wie vor als "großen Bruder". Und die links dominierte Presse hält sich auffallend zurück mit kritischer Hinterfragung der russischen Rolle in diesem Krieg.

Was gäbe es für ein Geschrei, würden die U.S.A. sich so verhalten wie jetzt Russland!

-Pelle

michael76 Offline



Beiträge: 32

10.08.2008 03:29
#13 RE: Der Ossetienkrieg als postkolonialer Konflikt Antworten

Die Berichterstattung auf "Russian Today" ist wirklich gewaltig. Während die russische Armee nur als "Peace Keeper" bezeichnet wird, werden der georgischen Armee alle nur erdenklichen Verbrechen vorgeworfen. Das Wort "Genocide" wird laufend eingeblendet. Falls jemand "Russian Today" nicht empfangen kann: ich habe unter http://sohalt.wordpress.com/2008/08/10/genozid/ ein paar Ausschnitte.

Interessant war auch das Statement von Putin, in dem er unumwunden zugab, dass die NATO-Ambitionen von Georgien einer der Gründe für den jetzigen Konflikt sind.

Zettel Offline




Beiträge: 20.200

10.08.2008 06:13
#14 RE: Der Ossetienkrieg als postkolonialer Konflikt Antworten

Lieber Kane,

wie Sie vielleicht schon gesehen haben, sind die Informationen, die Sie gegeben haben, mit in meinen Artikel dieser Nacht eingeflossen. Dank dafür!

Herzlich, Zettel

Kane Offline




Beiträge: 133

10.08.2008 09:25
#15 RE: Der Ossetienkrieg als postkolonialer Konflikt Antworten
Ich habe heute etwas getan, was ich mir geschworen haben, nie mehr zu tun. Ich habe die Kommentarspalten unter den Online-Artikeln von deutschen Zeitungen gelesen. Was ich da an Mist gelesen habe, hat mich bestimmt meinen Magengeschwüren mindenstens ein Jahr näher gebracht. Eines der Beispiele sind viele Kommentare unter den Artikel von Alan Posener:

http://debatte.welt.de/kommentare/84097/...eorgien?req=RSS

Ich habe aufgehört die Kommentare zu lesen als unter jeden Artikel mit dem Thema Israel oder USA die ganzen hasserfüllten und dummen Kommentare überhand nahmen.

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Ich bin weiterhin von der schnellen Reaktion der Russen "begeistert".

http://www.n24.de/news/newsitem_1217159.html

Weitere 10000 Soldaten werden zur Verstärkung eingesetzt (Divisionstärke. 60000 Mann nach Süd-Osettien und 4000 nach Abchasien.

Die Schwarzmeerflotte ist ausgelaufen und blockiert die Küsten Georgiens.

Und das alles innerhalb von 24 bis 48 Stunden. Das sind unglaublich schnelle Reaktionszeiten und die russische Armee ist heutzutage nicht besonders die reaktionschnellste. Soweit ich weiß, da müsste ich noch genauer nachschauen, haben die schnellen Reaktionskräfte der Amis (zum Beispiel Teile der 82. Luftlandedivison) 72 Studnen Reaktionszeit zur Verfügung
Chripa Offline



Beiträge: 132

10.08.2008 09:49
#16 RE: Der Ossetienkrieg als postkolonialer Konflikt Antworten

Das derzeitige Verhalten Russlands zeigt vielleicht,
dass man die Demografie bei aller Unterschätzung auch
nicht überschätzen sollte. Leute wie Prof. Heinsohn
argumentieren ja, dass Kriege und Gewalt nur von Ländern
mit jungen und wachsenden Bevölkerungen ausgehen.
Auf Dauer glaube ich aber trotzdem, dass Russland weiterem
Niedergang entgegengeht, nur Bodenschätze und Atomraketen machen
es auch nicht. An diesem Konflikt entscheidet sich möglicherweise,
wie die EU in Osteuropa gesehen wird. Die meisten Deutschen denken,
dass die nur Mitglied werden wollten, um an die Brüsseler Fleischtöpfe
zu kommen. Gerade Länder wie Tschechien oder die baltischen Staaten können
sich aber auch gut selber wirtschaftlich entwickeln. In Wahrheit ging es
ihnen vor allem um Schutz gegen Russland. Wenn die EU jetzt einknickt,
wie es gerade unser Außenminister besonders peinlich vormacht, dann wird
die Gemeinschaft stark an Glaubwürdigkeit und Attraktivität verlieren.

HStafo Offline



Beiträge: 43

10.08.2008 10:10
#17 RE: Der Ossetienkrieg als postkolonialer Konflikt Antworten

Nun sind in dieser Auseinandersetzung, die ja angeblich kein Krieg ist (welcher Hohn!), offensichtlich schon viele Menschen ums Leben gekommen. Es fanden Bombardierungen und Zerstörungen wohl doch erheblichen Ausmaßes statt. Die Lügen liegen schönerweise klar auf dem Tisch.
Beeindruckend ist der Donnerhall beim Publikum und bei den Medien im Westen. Da wird nicht nur (vorsätzlich? wirklich so uninformiert?) falsch berichtet, da schwingt auch jede Menge Verständnis für die Russen mit so nach dem Motto, das müsse man halt verstehen, da geht es nun mal um Russen, und die dürften doch wohl ihre Leute schützen usw. usf.
Ich schließe daraus, daß die Russen samt ihrer lupenreinen Demokratie zumindest in Europa zu den durch und durch Guten gezählt werden. Willkommen im Club, ist man doch selbst gut. Ein feiner Club!
Erinnert sei an den Nahen Osten, an die Myriaden von Lügen und Verdrehungen ("Paliwood"). Kaum vorstellen könnte ich mir, würde Israel ungerechtfertigt (!) Ähnliches veranstalten wie die Russen jetzt. Der Beschuß von Städten mit - über die Jahre hinweg - mehreren tausend Raketen ist etwas völlig Unininteressantes für das westliche Publikum, das Verhalten beim Aufnehmen und Versorgen (!) von Fatah-Terroristen wird jedoch schon wieder gebrandmarkt, weil es nicht weit genug gegangen sei. Den Aufschrei in den westlichen Medien und beim entsprechend vorbehandelten Publikum, wenn es zum nächsten Waffengang kommen wird, höre ich schon heute.

Nola ( gelöscht )
Beiträge:

10.08.2008 10:32
#18 RE: Der Ossetienkrieg als postkolonialer Konflikt Antworten

Da kann einem nur Angst und Bange werden, bei dem Gedanken, was von Herrn Putin noch alles zu erwarten ist.

Den Kopf gesenkt, sein Blick von unten nach oben wandernd ... und überhaupt erinnert vieles an eine gewissen Herrn N. Bonaparte - nicht nur seine Körpergröße ...

♥liche Grüße Nola

str1977 ( gelöscht )
Beiträge:

10.08.2008 13:00
#19 RE: Der Ossetienkrieg als postkolonialer Konflikt Antworten

Für diesen (legitimen) Zweck wäre aber eine Mitgliedschaft in der NATO ausreichend.

Von der Heinsohn-These halte ich gar nichts, denn sie besagt eigentlich, daß dekadente Länder keine Kriege zustandebringen. Durchaus wahr (wenn es auch zum plötzlichen Durchdrehen kommen kann), aber auch sonst bringen sie nichts zustande.

Gruß,
str1977

Faschismus und Antifaschismus sind nicht dasselbe, genausowenig wie Libanon und Antilibanon.
Aber beide sind aus Stein gemacht.

Laissez faire, laissez aller, laissez abimer.

Martin Offline



Beiträge: 4.129

10.08.2008 14:45
#20 RE: Der Ossetienkrieg als postkolonialer Konflikt Antworten

Was ist denn nun der Unterschied, zwischen einem 'Russen' und einem Menschen mit russischem Pass? Haben wir nicht ähnliche Zuordnungsprobleme, und kommunizieren diese dann mit 'türkischstämmiger Deutscher', 'Deutschtürke' o.a.. Falsch ist die ARD Meldung m.E. nicht, sie versucht nur nicht den Hintergrund zu erklären.

Zu den Abläufen: Was immer man den Russen vorwirft, man kann schlecht damit argumentieren, dass der georgischen Regierung keine Alternative blieb, als einen Militärschlag zu führen. Provokation gehört heute zum politischen Schachspiel, und wenn der Provozierte die nerven verliert, dann kann man nicht den Provokateur in die alleinige Pflicht nehmen.

Wenn ich mich richtig erinnere, gab es zu Zeiten der Aufgabe der UDSSR, die ja eine unblutige war, und zu Zeiten der deutschen Wiedervereinigung Zusagen der NATO-Länder, ihren Einflussbereich nicht an die russischen Grenzen auszuweiten. Leider habe ich die Quellen zu dieser Aussage nicht parat, sollte das aber stimmen, muss die russische Politik in einem anderen als hier geschilderten Licht diskutiert werden.

Zettel Offline




Beiträge: 20.200

10.08.2008 14:53
#21 RE: Der Ossetienkrieg als postkolonialer Konflikt Antworten

Zitat von michael76
Interessant war auch das Statement von Putin, in dem er unumwunden zugab, dass die NATO-Ambitionen von Georgien einer der Gründe für den jetzigen Konflikt sind.

Das Ganze paßt so recht zu dem alten KGB-Mann Putin.

Wie das - so sieht es im Augenblick aus, vielleicht gibt es ja bald genauere Informationen - durch Angriffe auf georgische Truppen eingefädelt wurde; bis Georgien militärisch reagierte. Als Tiflis (so sieht es aus) seinen Fehler merkte und schnell noch einen Waffenstillstand verkündete, war es offenbar schon zu spät. Die Russen hatten ihren Vorwand zum Losschlagen.

Kane hat ja dankenswerterweise hier im Thread in mehreren Beiträgen darauf aufmerksam gemacht, daß ein so schneller Vormarsch wie derjenige der russischen Truppen nicht als spontane Reaktion auf eine unerwartete Situation möglich ist. Das mußte offensichtlich geplant werden.

Und der Höhepunkt ist, daß Putin sich erst theatralisch darüber entrüstet, daß Georgien "den olympischen Frieden gebrochen" hätte, um dann stracks nach Nordossetien zu eilen und dort offensichtlich die Aufsicht über die ganze Operation zu übernehmen.

Der Hinweis auf die Nato soll es offenbar den Begriffsstutzigen klarmachen, wer der Adressat des ganzen Unternehmens ist.

Herzlich, Zettel

Zettel Offline




Beiträge: 20.200

10.08.2008 15:09
#22 War es eine Falschmeldung? Antworten

Zitat von Martin
Was ist denn nun der Unterschied, zwischen einem 'Russen' und einem Menschen mit russischem Pass? Haben wir nicht ähnliche Zuordnungsprobleme, und kommunizieren diese dann mit 'türkischstämmiger Deutscher', 'Deutschtürke' o.a.. Falsch ist die ARD Meldung m.E. nicht, sie versucht nur nicht den Hintergrund zu erklären.

Es geht, lieber Martin, hier ja um die ethnische Zusammensetzung der Bevölkerung.

Ihrem Paß nach sind natürlich alle Bewohner Südossetiens Georgier, denn die Provinz gehört ja nach wie vor zu Georgien. Wenn also die ARD nicht von der ethnischen Zusammensetzung hätte sprechen wollen, sondern von der Staatsangehörigkeit, dann hätte sie sagen müssen: Die Bewohner Südossetiens sind Georgier.

Wenn ein fremder Staat - Rußland - an Bewohner eines anderen Staats sein Pässe ausgibt, dann ist das ungewöhnlich genug. Es ist ja nichts als die Vorbereitung einer Annexion. Ungefähr so, als hätte Hitler 1938 an die deutschstämmigen Bewohner des Sudentenlands deutsche Pässe ausgegeben.

Das also hätte die ARD melden müssen und etwa sagen: Die Bewohner Südossetiens sind ihrem Paß nach Georgier, ethnisch überwiegend Ossetier; viele von ihnen haben inzwischen von Moskau einen russischen Paß erhalten.

Stattdessen berichtet die ARD so, daß jeder, der die Hintergründe nicht kennt, glauben muß, in Südossetien wohnten überwiegend ethnische Russen. Was ja das russische Eingreifen in einem ganz anderen Licht erscheinen lassen würde und deshalb von der russischen Propaganda suggeriert wird.

Ich bleibe also dabei, lieber Martin: Das war eine Falschmeldung. Und zwar eine, die genau auf der Linie der russischen Propaganda liegt.

Herzlich, Zettel

Zettel Offline




Beiträge: 20.200

10.08.2008 15:26
#23 Der russische Imperialismus Antworten

Zitat von Martin
Was immer man den Russen vorwirft, man kann schlecht damit argumentieren, dass der georgischen Regierung keine Alternative blieb, als einen Militärschlag zu führen. Provokation gehört heute zum politischen Schachspiel, und wenn der Provozierte die nerven verliert, dann kann man nicht den Provokateur in die alleinige Pflicht nehmen.

Es stimmt (soweit man das jetzt beurteilen kann, es sind ja noch alles Vermutungen), daß Georgien sich offenbar hat provozieren lassen. Man könnte auch sagen: Man ist in eine Falle gelaufen.

Nein, lieber Martin, in die "alleinige Pflicht nehmen" will jedenfalls ich Rußland gewiß nicht. Lassen Sie mich in ein paar Sätzen sagen, wie ich die Machtkonstellation sehe.

Rußland ist eine alte Kolonialmacht, die durch die kommunistische Herrschaft nicht an der Entkolonialisierung der sechziger Jahre teilgenommen hat. Diese wurde erst in den neunziger Jahren nachgeholt, und zwar ohne daß die russische Elite sich wirklich mental vom traditionellen Kolonialreich verabschiedet hätte. Man erlebte die Entkolonialisierung nicht als solche, sondern als das Wegbrechen von Territorium.

Jetzt fühlt man sich wieder stark genug, Teile des Imperiums zurückzuerobern; zumindest in Form von Einflußzonen.

Wie man das bewertet, das hängt halt, lieber Martin, vom eigenen Standpunkt ab.

Rußland ist bekanntlich nicht nur nicht mehr kommunistisch, sondern dort herrscht eine ungewöhnlich abstoßende Form des Frühkapitalismus. Dennoch stehen viele Linke auf seiner Seite - einfach deshalb, weil ihr Haß auf die USA, auf unsere westliche Kultur so groß ist, daß jeder Gegenspieler des Westens automatisch ihr Freund ist. Die werden also dem Vorgehen Putins Sympathie entgegenbringen.

Wer, wie zum Beispiel ich, auf der Seite des Westens und der USA steht und wer überzeugt ist, daß auch die Völker Osteuropas ein Recht auf Demokratie und nationale Selbständigkeit haben, der wird das Vorgehen Rußlands negativ beurteilen. Nicht wegen des Stils - solche Spielchen spielen alle, wenn es geht, im Vorfeld eines Überfalls -, sondern wegen des Ziels.
Zitat von Martin
Wenn ich mich richtig erinnere, gab es zu Zeiten der Aufgabe der UDSSR, die ja eine unblutige war, und zu Zeiten der deutschen Wiedervereinigung Zusagen der NATO-Länder, ihren Einflussbereich nicht an die russischen Grenzen auszuweiten. Leider habe ich die Quellen zu dieser Aussage nicht parat, sollte das aber stimmen, muss die russische Politik in einem anderen als hier geschilderten Licht diskutiert werden.

Wenn es so wäre, lieber Martin, dann müßte Moskau auf die Einhaltung dieser Zusagen drängen. Davon habe ich noch nie etwas gehört. Ich bezweifle, daß es solche Zusagen gibt.

Es gab - vielleicht meinen Sie das - im Zug der Vier-plus-zwei-Verhandlungen zunächst die sowjetische Forderung, ein wiedervereinigtes Deutschland dürfe nicht der Nato angehören. Diese Forderung ließ Gorbatschow dann bekanntlich fallen.

Herzlich, Zettel

F. Hoffmann Offline



Beiträge: 34

10.08.2008 16:30
#24 RE: Der russische Imperialismus Antworten

In der Tat erinnert das russische Vorgehen fatal an 1938, als Hitler seine "Landsleute" "Heim ins Reich" holte.
Putin testet seit Jahren, wie weit er gehen kann. Ist ja auch hier auf diesem Blog dokumentiert.
Ich will mir garnicht vorstellen, was passieren könnte, wenn hierzulande die LINKE an die Macht käme und Putin Deutschland mit billigem Öl versorgen würde. Ich nehme an, Schröder wäre dann Statthalter seines Kaisers...
Im Übrigen stimme ich Herrn Zettel nicht zu, daß in Russland ein frühkapitalistisches System herrsche.
In Rußland hat der Geheimdienst ein ganzes Land übernommen. Die reichen Hanseln dürfen so sich so lange bereichern und exponieren, wie es die Clique mit echter Macht zulässt.
Wer sich gegen die Machtclique wendet, verschwindet in Sibirien, selbst wenn er zuvor Milliardär oder sog. Oligarch war.
In Rußland herrscht kein Frühkapitalismus, sondern eine Mischung aus Oligarchie und organisierter Kriminalität.

Thomas Pauli Offline




Beiträge: 1.486

10.08.2008 16:38
#25 RE: Der russische Imperialismus Antworten

Lieber Zettel,

hier wieder ein Hiweis auf die Samizdaten:

In Antwort auf:
I've got Georgia on my mind...
Perry de Havilland (London) Asian affairs • Russia
Permalink to this post Comment this post (13)

I was going to write about the unconscionable Russian attacks on Georgia and how it is more important than ever to confront and isolate Russia and impose a cost on Russian imperialism... but then I read this article by Marko Hoare, who has written some great things in the past on the Balkan conflict, and he says much of what I would have...

This is not a case of Moscow supporting the right of national majorities to secede - the Abkhaz have no majority, not even a plurality, in Abkhazia. Nor is it a case of Moscow supporting the right of autonomous entities of the former Soviet Union to secede - Moscow has extended the same support to the separatists of Transnistria, which enjoyed no autonomous status in the USSR, while denying the right to secede of the Chechen Republic. This is simply a case of naked Russian imperialist expansionism. It is Georgia which is fighting to establish its independence, and Georgia which deserves our support. Georgia is a staunch ally of the West; the third largest contributor of troops to the allied coalition in Iraq. A Russian defeat of Georgia would be a tremendous setback for the West’s credibility and moral standing; it would increase Russian control of our energy supplies and encourage further Russian acts of aggression in the former Soviet Union.

We cannot afford to back down before this act of Russian imperialist aggression. We should defend Georgia with all the means at our disposal. We should send troops to bolster her. We should threaten Russia with sanctions. Heroic Georgia is fighting our fight; she is defending the freedom and security of democratic Europe.

Amen.


Amen.

Herzlich, Thomas

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