Zitat von ZettelWas meinen Sie, lieber Omni, mit "suggeriert"? Ich habe das jetzt nicht nachgelesen - aber ich kann mich an keine Äußerung von Verantwortlichen der Regierung Bush erinnern, in der behauptet worden wäre, Saddam Hussein hätte hinter diesen Anschlägen gestanden.
Omni schrieb "suggeriert", nicht "behauptet", und hat Recht damit. Die Verbindung wurde unaufhörlich hergestellt. (Wie oft hieß es nicht: "Sollen wir abwarten, bis wir einen Atompilz über New York sehen"? Die Worte "Saddam" und "El Qaida" wurden ständig in einem Satz genannt usw.)
Aber im Sinn einer Befürchtung für die Zukunft, lieber Kallias. Es wurde nicht "suggeriert", daß Saddam der Drahtzieher der Anschläge gewesen sei.
Ich erinnere mich, daß das mein erster Gedanke war, als ich am 11. September die Bilder auf dem Bildschirm sah. Und zwar, weil ich dachte, daß eine Aktion von einer solchen Präzision und Effizienz nur von einem Staat geplant und durchgeführt hatte werden können.
Ich erinnere mich dunkel an Äußerungen aus der US-Regierung (von Cheney?), daß man dort auch sofort an Saddam gedacht hatte. Aber schon die ersten Untersuchungen zeigten ja, daß er nicht dahintersteckte.
Zitat von Kallias
Zitat von ZettelSchlaumeier haben dagegen immer wieder argumentiert, Saddam Hussein sei doch alles andere als ein Freund des Islamismus gewesen.
Die Schlaumeier (zu denen ich auch gehöre) haben die Regeln des Bayesschen Denkens angewendet: die A-Priori-Wahrscheinlichkeit eines Bündnisses zwischen Todfeinden ist gering und daher braucht man besonders triftige Anhaltspunkte für eine solche Annahme. Nur im Unterschied zu den Massenvernichtungswaffen, für die es Anhaltspunkte gab, existierten überhaupt keine hinsichtlich eines Bündnisses mit Islamisten. Das wurde nur suggeriert.
Hier sollte man aber nicht nur Bayes'sche Statistik in Anwendung bringen, sondern auch entscheidungstheoretische Überlegungen: Wenn die Kosten extrem hoch sind, dann genügt auch eine geringe Wahrscheinlichkeit, um das betreffende outcome nicht zu wünschen.
Vielleicht betrug die Wahrscheinlichkeit, daß Saddam die Kaida mit WMDs ausstaffieren würde, nur ein Prozent. Aber eine Brücke, die mit einem Prozent Wahrscheinlichkeit beim nächsten heftigen Sturm einstürzt, würde keine Aufsichtsbehörde genehmigen.
Zitat von Kallias
Zitat von ZettelDen Vorwurf gegen Bush, daß er mit dem Irak-Krieg einen Weltbrand hätte entfachen können, habe ich noch nicht einmal von seinen schärfsten Kritikern gehört.
Der Vorwurf war 2002 weit verbreitet. Tatsächlich sind (nach meiner Erinnerung) viele Kritiker davon ausgegangen, daß der Irak Massenvernichtungswaffen besitzt, und der Krieg deshalb ein unverantwortbares Abenteuer sei.
Das ist mir wirklich entgangen, lieber Kallias. Es kommt mir auch immer noch absurd vor. Die Gefahr, die gesehen wurde, war, daß er chemische Waffen einsetzen würde. Dagegen waren die US-Truppen bestens geschützt. Das hätte ja aber auch nicht zu einer Ausdehnung des Kriegs geführt. Daß er die Atomwaffen, die er - wie man dachte - entwickelte, schon so weit hatte, daß er sie gegen wen auch immer einsetzen würde können, dachte damals meiner Erinnerung nach niemand. Es ging ja gerade darum, es nicht soweit kommen zu lassen, daß er sie einsatzbereit hätte.
Zitat von KalliasDie Kurden würden einen Aufstand machen, das würde die Türkei auf den Plan rufen, Saddam, in die Enge getrieben, würde wie 1991 Israel angreifen, Israel würde diesmal nicht stillhalten, vielleicht Atombomben einsetzen, der Iran könnte Revanche nehmen und die irakischen Schiiten befreien wollen usw. Solche Eskalationsbefürchtungen waren seinerzeit weit verbreitet, merkwürdig, daß Sie das gar nicht mitbekommen haben.
Ja, das ist mir tatsächlich nicht in Erinnerung. Vielleicht habe ich sie nicht zur Kenntnis genommenb, weil sie ja alle fern von jeder Realität waren.
Zitat von KalliasIm Unterschied zu den US-Amerikanern gefiel mir Bush in der zweiten Amtszeit viel besser als in der ersten. So unverantwortlich es war, den Irak anzugreifen, so richtig war es, nachdem man es nun mal getan hatte, sich dort bis zum Erfolg durchzubeißen. Bush hat das auf sich genommen, während die Lautsprecher von 2002 sich vom Acker machten.
Dem Letzteren stimme ich zu (und ich hätte es in der Würdigung betonen sollen).
Unverantwortlich war der Angriff auf den Irak aus meiner Sicht nicht. Die Entscheidung fiel im Sommer 2002, ein dreiviertel Jahr nach 9/11. Damals war die Gefahrenwahrnehmung völlig anders als heute.
Bush war verpflichtet, eine schwere Bedrohung der USA zu beseitigen. Das hat er getan, gemäß seinem Amtseid, nach bestem Wissen und Gewissen. So wurde es auch ganz überwiegend in den USA gesehen; der Kongreß hat ja mit großer Mehrheit auch der Demokraten zugestimmt.
Obama nicht; nur war er damals ja gar nicht im US-Senat, sondern in dem von Illinois. Und Obama hat sich 2007 für den bedingungslosen Abzug ausgesprochen. Einer der Gründe, warum ich ihm gegenüber so skeptisch bin. Wäre Bush ihm damals gefolgt, dann gäbe es heute im Irak einen Bürgerkrieg.
Zitat von Libero als der Irakkrieg begann, habe ich mir die Kommentare auf townhall durchgelesen. Ich habe selten soviel Naivität gelesen, wie Amerikaner im Ausland, die nicht mal ansatzweise eine andere Sprache sprechen, schon gar nicht die nicht einfache arabische Sprache, wirken würden.
Das Arabische ist eínfach? Ich ärgere mich seit langem, daß ich die Dutzende arabischsprachigen Sender nicht verfolgen kann. Wie lange brauchte man denn, um die Anfangsgründe des Arabischen zu verstehen? Ich habe bisher immer vermutet, daß das eine schwierige Sprache ist.
Das war auch mein Eindruck, aber ich habe nur zwei Semester Klassisches Arabisch gehört... Das gesprochene Arabisch hat dann noch das Problem, dass es höchst unterschiedliche Dialekte gibt, auch weil in den semitischen Sprachen die Vokale wenig fixiert sind. Aber vielleicht kann uns Libero das näher beschreiben.
...ich glaube, ihr zwei habt da lediglich das zweite "nicht" überlesen...
Zitat von Stitch Jones...ich glaube, ihr zwei habt da lediglich das zweite "nicht" überlesen...
Ups Danke schön!
-- The act of defending any of the cardinal virtues has to-day all the exhilaration of a vice. - Gilbert Keith Chesterton, "A Defence of Humility" (in The Defendant)
"...daß er mit 92 Prozent einmal die höchste Zustimmung aller Zeiten hatte..."
Das war kurz nach 9/11, als jeder der zu diesem Zeitpunbkt im Oval Office sass solche Werte erzielt haette. Also eher eine Anomalie.
"...nach vier Jahren waren die Amerikaner ja zufrieden genug, um ihn - anders als seinen Vater - wiederzuwählen."
Schon richtig - aber das lag vor allem an dem fuer Bush guenstigen Wahltermin (waere er wiedergewaehlt worden wenn er sich sagen wir 2006 zur Wahl haette stellen muessen?) und dem schwachen Gegenkandidaten John Kerry mit dem noch schwaecheren John Edwards.
"Entscheidend war meines Erachtens eine Depression, die die USA erfaßt hatte: Man konnte es nicht ertragen, von der Welt nicht geliebt zu werden. Das schrieb man Bush zu."
Sorry, aber das ist reine Spekulation. Entscheidend war vielmehr dass die USA merkten dass an keiner Front, weder im Land selber noch in den beiden Kriegen, irgendwelche greifbaren Fortschritte erzielt wurden, und dass sich die Situation in einen quagmire verwandelt hatte. Und es wurde klar dass die Gruende hierfuer aus Fehlentscheidungen und -planungen aus Bush's erster Amtsperiode stammten. Daher die Unzufriedenheit mit den gesamten 8 Jahren Bush jetzt am Ende seiner Zeit. Was zwischen 2000 und 2004 noch nach Erfolg aussah, verwandelte sich zwischen 2004 und 2008 in Misserfolge oder bestenfalls Fragezeichen.
Abschliessend: Versuchen sie eine strategische Initiative der Bush-Administration, ob innen- oder aussenpolitisch, die von Erfolg gekroent war, zu nennen, und es wird ihnen etwas auffallen.
als langjähriger Lehrender wissen Sie, daß es nicht nur darauf ankommt, was man sagt, sondern wie man etwas sagt. Das was man sagt, wird sich wahrscheinlich wenig ändern, das wie schon. Zeigen Sie mir den, der in der gegenwärtigen Situation ein alle Konsequenzen bedachtetes Programm hat.
Zitat von ZettelAber im Sinn einer Befürchtung für die Zukunft, lieber Kallias. Es wurde nicht "suggeriert", daß Saddam der Drahtzieher der Anschläge gewesen sei.
Cheney, 10.10.2003: Saddam Hussein "had an established relationship with al Qaeda."
Bush, 7.11.2002: Saddam Hussein is "a threat because he is dealing with Al Qaida."
Bush, 28.1.2003, State of the Union address: "Evidence from intelligence sources, secret communications, and statements by people now in custody reveal that Saddam Hussein aids and protects terrorists, including members of al Qaeda."
Powell, 5.2.2003, UN: "Iraq today harbors a deadly terrorist network headed by Abu Musab al-Zarqawi an associate and collaborator of Usama bin Laden and his al-Qaida lieutenants."
Bush, 1.5.2003: "The battle of Iraq is one victory in a war on terror that began on September the 11, 2001 — and still goes on. . . . [T]he liberation of Iraq . . . removed an ally of al Qaeda."
Cheney, 22.1.2004: "I think there’s overwhelming evidence that there was a connection between al-Qaeda and the Iraqi government. . . . I’m very confident that there was an established relationship there."
Wie Omni präzise sagte, wurde ein Zusammenhang suggeriert und nicht etwas Greifbares behauptet wie die Drahtzieherschaft.
Zwei Schemata sind erkennbar:
Pawlow 1: 9/11 - El Kaida; El Kaida - Saddam
Pawlow 2: Taliban beherbergten El Kaida; dort bereiteten sie 9/11 vor Saddam beherbergt El Kaida jetzt; was tun sie da wohl?
Zitat von ZettelHier sollte man aber nicht nur Bayes'sche Statistik in Anwendung bringen, sondern auch entscheidungstheoretische Überlegungen: Wenn die Kosten extrem hoch sind, dann genügt auch eine geringe Wahrscheinlichkeit, um das betreffende outcome nicht zu wünschen.
Vielleicht betrug die Wahrscheinlichkeit, daß Saddam die Kaida mit WMDs ausstaffieren würde, nur ein Prozent.
Gut, Risikoabwägung. Dazu:
Zitat von Donald Rumsfeld, Interview mit Infinity CBS Radio, 14.11.2002Now, transport yourself forward a year, two years, or a week, or a month, and if Saddam Hussein were to take his weapons of mass destruction and transfer them, either use them himself, or transfer them to the Al-Qaeda, and somehow the Al-Qaeda were to engage in an attack on the United States, or an attack on U.S. forces overseas, with a weapon of mass destruction you’re not talking about 300, or 3,000 people potentially being killed, but 30,000, or 100,000 . . . human beings.”
Wahrscheinlichkeit der Übergabe nach Zettel: 1%. Wahrscheinlichkeit eines erfolgreichen Anschlags nach Kallias: sagen wir 10%. Zu erwartender Schaden aufgrund Rumsfeldscher Schätzung also: 30 bis 100 Tote.
Das ist ein Bruchteil der Personenschäden, die bei einem Krieg zu erwarten waren; selbst wenn man sich patriotisch auf die gefallenen US-Soldaten beschränkt.
Es ist gewiß ein Unterschied, ob Menschen von Verbrechern ermordet werden, oder ob Soldaten in einem legitimen Krieg fallen. Doch darf kein allzugroßes Mißverhältnis entstehen; einfach nur zum Sterben sind Soldaten nämlich auch nicht da. Einen Krieg mit Tausenden von Toten vom Zaun brechen, um 30 oder 100 Menschenleben zu bewahren? Das ist unvernünftig.
Zur Risikobetrachtung müsste ferner die etwas größere Wahrscheinlichkeit hinzukommen, daß jemand, der sich außerhalb des Irak befindet, einen erfolgreichen Terrorangriff vorbereiten kann, weil die Kräfte der USA im Irak gebunden sind.
Und hinzukommen müsste die Berücksichtigung der Wahrscheinlichkeit, daß Saddam erst aufgrund eines drohenden Angriffs Waffen an Al Kaida liefern würde. Die müsste ja kleiner sein als die Wahrscheinlichkeit, daß er es auch so tut, wenn man den Angriff rechtfertigen möchte.
Zitat von US House of representativesWell before the war on Iraq, the October 2002 National Intelligence Estimate made clear that the U.S. intelligence community had serious doubts about the threat of Iraq arming al Qaeda. In its section on “Confidence Levels for Selected Key Judgements in this Estimate,” the NIE gave a “Low Confidence” rating to the notion of “Whether in desperation Saddam would share chemical or biological weapons with Al Qa’ida.” The discussion of this possibility in the NIE contained highly qualified language: “Saddam, if sufficiently desperate, might decide that only an organization such as al-Qa’ida . . . could perpetuate the type of terrorist attack that he would hope to conduct.” The NIE also reported that “Baghdad for now appears to be drawing a line short of conducting terrorist attacks with conventional or CBW against the United States, fearing that exposure of Iraqi involvement would provide Washington a stronger cause for making war.”
(Die Zitate sind aus: National Intelligence Council, Iraq’s Continuing Program for Weapons of Mass Destruction: Key Judgements (from October 2002 NIE) (declassified July 18, 2003).)
Das klingt so, als hätte im Oktober 2002 die NIE nur für den Fall eines amerikanischen Angriffs ("in desperation") überhaupt eine nennenswerte Wahrscheinlichkeit für die Waffenweitergabe gesehen. Die Gefahr, von der Rumsfeld sprach, wurde durch den Angriff erst heraufbeschworen.
Zitat von GorgasalAber vielleicht kann uns Libero das näher beschreiben.
Libero sollte damit aufhören, eine bayrische Spezialität, die mehrfache Verneinung anzuwenden. Das können eben nur die Bayern, sächsische Preussen erleiden da Schiffbruch.
also in Klardeutsch:
Arabisch ist eine schwere Sprache mit zahlreichen Dialekten. Dann lerne ich lieber noch Polnisch wie meine Vorfahren.
Andererseits.
Nicht nur Lawrence und Gertrude Bell beherrschten Arabisch, sondern auch zahlreiche deutsche Orientreisende. Bei Orientreisenden denkt man immer vor allem an Engländer wie den kühnen Sir Wilfred Thesiger (lesenswert!!). Die deutschen Orientreisenden und ihre Erlebnisse sind heute fast vergessen.
In Antwort auf:Aber was davon war erforderlich, was hätte man auch sein lassen und anders machen können? Ich finde, daß das extrem schwer zu entscheiden ist.
Ich denke schon, man hätte einiges anders machen können. Aber das läuft natürlich immer auf die Relativierung von Terroranschlägen hinaus. Das schlimme an Dingen wie dem Patriot Act ist, dass sie ihren Zweck weit überleben. Selbst in Deutschland sind die Radikalenerlässe meines Wissens nach teilweise noch in Kraft. Solche Dinge halten lange und sie sind ein schweres Erbe für ganze Generationen.
Dennoch meine ich (und das kann man auf den ganzen Thread hier münzen), dass man ein bischen abwarten muss, um wirklich zu einer Bewertung der Regierung Bush zu kommen. Ronald Reagon ist in seiner Zeit auch (und gerade in Deutschland) alles andere als fair behandelt worden. Und ich denke er steht heute in einem besseren Licht als andere Präsidenten seiner Zeit wie der eher unauffällige Bush Senior oder der unseelige Jimmy Carter. Mit der Zeit ändert sich das Bild nicht deswegen, weil die Menschen milder werden, sondern weil sich die Folgen ihres Wirkens deutlicher abzeichnen. Ich hätte vermutlich Norbert Blüm vor 20 Jahren nur als Deppen bezeichnet und nicht als der Verbrecher, der er ist und auch damals schon war. Man muss ein bischen die Folgen abwarten. Wenn sich der Irak tatsächlich als vielleicht nicht perfekte, aber doch als wackere Demokratie entpuppt, wer weiss, dann ist das eine direkte Leistung von George W. Bush. Und das wäre deutlich mehr, als fast alle europäischen Regierungschefs so von sich sagen können.
Schlussendlich werden Regierungschefs auch gerne mit ihren Nachfolgern verglichen. Und dafür müssen wir erst recht abwarten, was Bob der Baumeister ("Ja, wir können das schaffen.") so zuwege bringt. Bush hat die Dotcom-Krise und den 11.September überstanden, mal sehen wie es jetzt mit der Finanzkrise wird. Wenn Obama, was ich mir nicht wünsche, die Karre so richtig vor die Wand setzt, dann wird all das Geschreibe der Pitzkes von hier bis New York nicht reichen, dass die Amis ihren letzten Präsidenten positiver sehen als derzeit.
Zitat von john j"...daß er mit 92 Prozent einmal die höchste Zustimmung aller Zeiten hatte..." Das war kurz nach 9/11, als jeder der zu diesem Zeitpunbkt im Oval Office sass solche Werte erzielt haette. Also eher eine Anomalie.
Es zeigt, lieber John, daß die Amerikaner mit Bushs Reaktion auf dieses Ereignis einverstanden waren. Es ging mir aber weniger um diesen Spitzenwert als darum, daß Bush lange Zeit gute Zustimmungswerte hatte; siehe hier, wo es auch den Link zu einer Grafik gibt, die zeigt: Bis ungefähr Mai 2005 überwog die Zustimmung.
Zitat von john j"...nach vier Jahren waren die Amerikaner ja zufrieden genug, um ihn - anders als seinen Vater - wiederzuwählen." Schon richtig - aber das lag vor allem an dem fuer Bush guenstigen Wahltermin (waere er wiedergewaehlt worden wenn er sich sagen wir 2006 zur Wahl haette stellen muessen?) und dem schwachen Gegenkandidaten John Kerry mit dem noch schwaecheren John Edwards.
Mag sein. Jedenfalls waren die Amerikaner mit seiner ersten Amtszeit nicht unzufrieden.
Zitat von john j"Entscheidend war meines Erachtens eine Depression, die die USA erfaßt hatte: Man konnte es nicht ertragen, von der Welt nicht geliebt zu werden. Das schrieb man Bush zu." Sorry, aber das ist reine Spekulation. Entscheidend war vielmehr dass die USA merkten dass an keiner Front, weder im Land selber noch in den beiden Kriegen, irgendwelche greifbaren Fortschritte erzielt wurden, und dass sich die Situation in einen quagmire verwandelt hatte.
Das ist Spekulation. Und scheint mir von der meinigen gar nicht so weit entfernt zu sein.
Zitat von john jUnd es wurde klar dass die Gruende hierfuer aus Fehlentscheidungen und -planungen aus Bush's erster Amtsperiode stammten. Daher die Unzufriedenheit mit den gesamten 8 Jahren Bush jetzt am Ende seiner Zeit. Was zwischen 2000 und 2004 noch nach Erfolg aussah, verwandelte sich zwischen 2004 und 2008 in Misserfolge oder bestenfalls Fragezeichen.
Ja, das sehe ich auch so. Wenn eine Beziehung zerbrochen ist, erscheint manchmal im Rückblick auch der Honeymoon in einem schlechten Licht.
Zitat von john jAbschliessend: Versuchen sie eine strategische Initiative der Bush-Administration, ob innen- oder aussenpolitisch, die von Erfolg gekroent war, zu nennen, und es wird ihnen etwas auffallen.
danke für die wie immer sorgfältig recherchierte Antwort!
Leider fehlt mir im Augenblick die Zeit, mit einer ebenso substantiellen Begründung zu antworten. Vielleicht tue ich das später noch, wenn ich etwas Interessantes finde. Für jetzt nur dies:
Zitat von ZettelAber im Sinn einer Befürchtung für die Zukunft, lieber Kallias. Es wurde nicht "suggeriert", daß Saddam der Drahtzieher der Anschläge gewesen sei.
Das scheint mir weiterhin so zu sein, auch nach Lektüre der Zitate, die Sie zusammengestellt haben.
Vielleicht streiten wir uns da a bisserl um Worte oder vielmehr deren Interpretation. Omni hatte geschrieben:
Zitat von OmniDazu hat die US-Regierung eine Kampagne für diesen Krieg gefahren. Unter anderem wurde immer wieder ein Zusammenhang zwischen den Anschlägen des 11. Septembers und Saddam Hussein suggeriert. Wer aus heiterem Himmel Kriege forciert, der ist meiner Meinung nach ein Wahnsinniger, der mit dem Feuer spielt.
"Zusammenhang" kann vieles meinen. Ich hatte Omni so verstanden, daß suggeriert worden sei, Saddam Hussein sei in irgendeiner Form an diesen Anschlägen beteiligt gewesen. Das war offenbar nicht der Fall; jedenfalls geben auch Ihre Zitate das nicht her.
Aber "Zusammenhang" kann natürlich auch so verstanden werden: El Kaida hat die Anschläge ausgeführt, und Saddam Hussein pflegt Kontakte mit der El Kaida. So ist es in der Tat behauptet worden, wie auch Ihre Zitate belegen
Zitat von KalliasPowell, 5.2.2003, UN: "Iraq today harbors a deadly terrorist network headed by Abu Musab al-Zarqawi an associate and collaborator of Usama bin Laden and his al-Qaida lieutenants."
Das ist ein interessantes Zitat. Zarkawi war ja in der Tat der Führer der Kaida im Irak nach der Invasion; er wurde später getötet. Entweder ist das ein ganz seltsamer Zufall, oder Powells Information stimmte. Dann aber gab es eben doch nicht nur Kontakte, sondern eine enge Kooperation zwischen Saddam und der Kaida.
Zitat von Kallias Zwei Schemata sind erkennbar: Pawlow 1: 9/11 - El Kaida; El Kaida - Saddam Pawlow 2: Taliban beherbergten El Kaida; dort bereiteten sie 9/11 vor Saddam beherbergt El Kaida jetzt; was tun sie da wohl?
Inwiefern Pawlow, lieber Kallias? Beides sind doch Zusammenhänge oder mögliche Zusammenhänge, auf die hinzuweisen eine Regierung nicht nur das Recht, sondern auch die Pflicht hat.
Zitat von Kallias
Zitat von Donald Rumsfeld, Interview mit Infinity CBS Radio, 14.11.2002Now, transport yourself forward a year, two years, or a week, or a month, and if Saddam Hussein were to take his weapons of mass destruction and transfer them, either use them himself, or transfer them to the Al-Qaeda, and somehow the Al-Qaeda were to engage in an attack on the United States, or an attack on U.S. forces overseas, with a weapon of mass destruction you’re not talking about 300, or 3,000 people potentially being killed, but 30,000, or 100,000 . . . human beings.”
Wahrscheinlichkeit der Übergabe nach Zettel: 1%. Wahrscheinlichkeit eines erfolgreichen Anschlags nach Kallias: sagen wir 10%. Zu erwartender Schaden aufgrund Rumsfeldscher Schätzung also: 30 bis 100 Tote.
Das erinnert mich an den Witz, den ich gern in Vorlesungen unterbringe: Ein Jäger schießt auf einen Hasen. Beim ersten Mal trifft er links daneben, beim zweiten Mal rechts. Statistisch gesehen ist der Hase tot.
Es macht hier wenig Sinn, Schadenshöhe und Wahrscheinlichkeit miteinander zu multiplizieren und das "erwarteten Schaden" zu nennen. Sondern man muß entscheiden, ob man bereit ist, den Schaden zu risikieren, gegeben seine Wahrscheinlichkeit. Extreme Illustration: Wenn ich vor einer Entscheidung stehe, deren mögliches Outcome mit 10 Prozent Wahrscheinlichkeit ist, daß ich tot bin, dann würde ich nicht sagen: Der zu erwartende Schaden ist, daß ich zu zehn Prozent tot bin.
Lassen Sie mich noch etwas Allgemeines anmerken, lieber Kallias. Mir zeigt diese Diskussion wieder, wie sehr wir - Sie, ich, wir alle - Schemata, Narratives, Skripts, Frames verwenden, wie immer man das nennen will.
Sie arbeiten mit dem Skript "Bush und Rumsfeld haben verantwortungslos einen Krieg vom Zaun gebrochen"; so ungefähr verstehe ich Sie jedenfalls. Mein Skript lautet ungefähr: "Die US-Regierung hat nach sorgfältiger Abwägung aller Pros und Cons die Entscheidung für einen Krieg gegen den Irak getroffen, nachdem sie nach Konsultationen sicher war, daß dieser eine breite internationale Unterstützung finden würde".
Wir können beide offenbar die Fakten gut in unser jeweiliges Skript einbauen. Leider
Und können uns nur damit trösten, daß es den professionellen Historikern ja nicht besser geht - siehe kürzlich die Diskussion hier über die Appeasement-Politik.
In Antwort auf:Aber was davon war erforderlich, was hätte man auch sein lassen und anders machen können? Ich finde, daß das extrem schwer zu entscheiden ist.
Ich denke schon, man hätte einiges anders machen können. Aber das läuft natürlich immer auf die Relativierung von Terroranschlägen hinaus. Das schlimme an Dingen wie dem Patriot Act ist, dass sie ihren Zweck weit überleben. Selbst in Deutschland sind die Radikalenerlässe meines Wissens nach teilweise noch in Kraft. Solche Dinge halten lange und sie sind ein schweres Erbe für ganze Generationen.
Ja, das ist ein wichtiger Punkt. Wobei ich allerdings den Radikalenerlaß immer noch für richtig halte. Man kann nicht zugleich einen Staat bekämpfen und ihm dienen.
Zitat von LlarianDennoch meine ich (und das kann man auf den ganzen Thread hier münzen), dass man ein bischen abwarten muss, um wirklich zu einer Bewertung der Regierung Bush zu kommen. Ronald Reagon ist in seiner Zeit auch (und gerade in Deutschland) alles andere als fair behandelt worden. Und ich denke er steht heute in einem besseren Licht als andere Präsidenten seiner Zeit wie der eher unauffällige Bush Senior oder der unseelige Jimmy Carter.
Ja, dieser Wandel in der Bewertung von Reagan ist interessant. Er wurde seinerzeit mindestens so verteufelt wie jetzt Bush; man kann das in den "Spiegeln" von damals nachlesen. Wenn ich das heute Jüngeren sage, mögen sie es manchmal gar nicht glauben.
Seine SDI (Strategic Defense Initiative, vulgo "Krieg der Sterne") wurde damals in der Propaganda gegen ihn ähnlich eingesetzt wie heute der Irakkrieg in der Propaganda gegen Bush.
Zitat von LlarianWenn sich der Irak tatsächlich als vielleicht nicht perfekte, aber doch als wackere Demokratie entpuppt, wer weiss, dann ist das eine direkte Leistung von George W. Bush. Und das wäre deutlich mehr, als fast alle europäischen Regierungschefs so von sich sagen können.
Seine größte Leistung war es meines Erachtens, sich für den Surge entschieden zu haben. Gegen fast alle einflußreichen Politiker in den USA (außer McCain), gegen die Weltmeinung. Es hätte ja gut schief gehen können. Bush hatte den Mut, es zu tun.
In Antwort auf: Dennoch meine ich (und das kann man auf den ganzen Thread hier münzen), dass man ein bischen abwarten muss, um wirklich zu einer Bewertung der Regierung Bush zu kommen. Ronald Reagon ist in seiner Zeit auch (und gerade in Deutschland) alles andere als fair behandelt worden. Und ich denke er steht heute in einem besseren Licht als andere Präsidenten seiner Zeit wie der eher unauffällige Bush Senior oder der unseelige Jimmy Carter. Mit der Zeit ändert sich das Bild nicht deswegen, weil die Menschen milder werden, sondern weil sich die Folgen ihres Wirkens deutlicher abzeichnen. Ich hätte vermutlich Norbert Blüm vor 20 Jahren nur als Deppen bezeichnet und nicht als der Verbrecher, der er ist und auch damals schon war. Man muss ein bischen die Folgen abwarten. Wenn sich der Irak tatsächlich als vielleicht nicht perfekte, aber doch als wackere Demokratie entpuppt, wer weiss, dann ist das eine direkte Leistung von George W. Bush.
Und was wäre gewesen wenn die Konfrontationspolitik Ronald Reagans zu einem Atomkrieg geführt hätte? Was wäre wenn der Irak in einen voll ausgebildeten Bürgerkrieg geschlittert wäre? Muss ich meinem Taxifahrer dafür Respekt zollen, dass er mich ohne zu fragen durch Überfahren von mehreren roten Ampeln zwar 3 Minuten schneller an meinen Zielort bringt, aber gleichzeitig in Lebensgefahr bringt? Es ist schlicht selbstmörderisch, bei der Beurteilung einer Politik nur den eingetretenen Fall zu betrachten. Denn das suggeriert fälschlicherweise, dass ein anderer Verlauf der Geschichte unmöglich gewesen wäre. Aber wie muss ich eine Politik beurteilen, bei der der pure Zufall darüber entscheidet ob sie als gigantischer Triumph oder gigantisches Disaster von der Nachwelt gesehen wird? Richtig, der passende Ausdruck dazu ist "fahrlässig". Was aus der Hochachtung vor einer solchen Politik spricht, ist in meinen Augen die Bewunderung des tollkühnen Draufgängers, der alles riskiert und triumphiert. Davon abgesehen, dass dieses Bild in die Literatur, aber nicht in die Realität gehört: Wenn es einen Atomkrieg gegeben hätte wäre Reagan und seine Familie sicher die am besten geschützte gewesen. George W. Bush musste sich nie als US-Soldat oder irakischer Zivilist mit den Folgen des von ihm vom Zaun gebrochenen Krieges auseinandersetzen. Wieso also sollte ich Politikern Respekt zollen, die ohne Risiko für das eigene Leben mit den Leben anderer pokern? Und selbst das Argument, dass die Sicherheitslage solche waghalsigen Manöver vielleicht manchmal erfordere, kann nicht begründen wieso ich diesen Politikern Respekt zollen sollte. Manchmal sind Menschen durch äußere Umstände dazu gezwungen ihre moralischen Grundsätze zu ignorieren. Im Krieg müssen Menschen töten allein deshalb um zu überleben. In der Regel sind sie darauf aber nicht stolz. Nur seltsamerweise scheinen wir keine Probleme damit zu haben Leuten zuzujubeln, die um 20:00 im feinen Anzug vor einer Festgesellschaft von Honoratioren eine Rede zum Wert der Freiheit halten und die 2 Stunden später einem Bombenangriff zustimmen, bei dem zwar ungewollt, aber zwangsläufig Unschuldige ums Leben kommen werden. Wieso ist der Scharfrichter ein Gemiedener und der Richter, der den Scharfrichter zum Töten anweist, ein beliebtes Mitglied der Gesellschaft?
In Antwort auf: Und das wäre deutlich mehr, als fast alle europäischen Regierungschefs so von sich sagen können.
Ich sehe nicht ein wieso ich einem europäischen Politiker, der sich den Luxus leisten kann ein zivilisierter Mensch zu sein: Der nie einen Bombenangriff befohlen hat, der nie Menschen vom Geheimdienst auf Exklaven verschleppen ließ, der nie hunderttausende junge Menschen zum Töten in ein fremdes Land geschickt hat - wieso ich einen solchen Politiker geringer schätzen sollte, nur weil er nicht das Leben von Millionen Menschen verändert hat während ich den Politiker, der das Blut Unschuldiger an den Händen hat, bewundern soll weil er hoch gepokert und gewonnen hat.
Llarian wird sicher auch noch antworten; aber beim Lesen Ihres Beitrags fiel mir das eine oder andere auf, zu dem ich auch etwas sagen möchte.
Zitat von OmniUnd was wäre gewesen wenn die Konfrontationspolitik Ronald Reagans zu einem Atomkrieg geführt hätte?
Die Politik Ronald Reagans war nicht auf eine militärische Konfrontation hin angelegt, jedenfalls nicht mehr als die seiner Vorgänger seit Kennedy. Sie war im Gegenteil darauf angelegt, durch SDI die USA besser zu schützen und damit eine Konfrontation gerade zu vermeiden.
Es gab damals das strategische Problem, daß jede Seite das Potential hatte, die Gegenschlag-Kapazität der anderen Seite durch einen Erstschlag weitgehend auszuschalten. (Deshalb waren für beide Seiten die Atom-U-Boote so wichtig, weil diese durch einen Erstschlag nicht getroffen werden konnten). Es bestand also die Gefahr, daß die Abschreckung nicht mehr funktionierte.
SDI sollt vorrangig die amerikanischen Raketen- und Fernbomberbasen schützen und damit einen Gegenschlag ermöglichen, also die Abschreckung aufrechterhalten. Reagan hat zwar als Fernziel genannt, alle großen Städte zu schützen (wenn ich mich recht erinnere, ich habe es jetzt nicht recherchiert), aber das war eben nur ein Fernziel. Zunächst einmal ging es um das strategische Gleichgewicht.
Ein Gleichgewicht, das freilich erst bestanden hätte, wenn auch die Sowjets ein solches System haben würden. Sie mußten also mit allen Mitteln versuchen, es zu schaffen. Und das würde sie an den Rand des Zusammenbruchs bringen, was Reagan - so wir jedenfalls angenommen - durchaus einkalkuliert und auch angestrebt hat.
Aber die Gefahr eines Kriegs hat Reagan mit seiner Politik definitiv nicht erhöht.
Zitat von OmniWas wäre wenn der Irak in einen voll ausgebildeten Bürgerkrieg geschlittert wäre? Muss ich meinem Taxifahrer dafür Respekt zollen, dass er mich ohne zu fragen durch Überfahren von mehreren roten Ampeln zwar 3 Minuten schneller an meinen Zielort bringt, aber gleichzeitig in Lebensgefahr bringt? Es ist schlicht selbstmörderisch, bei der Beurteilung einer Politik nur den eingetretenen Fall zu betrachten. Denn das suggeriert fälschlicherweise, dass ein anderer Verlauf der Geschichte unmöglich gewesen wäre.
Dem stimme ich uneingeschränkt zu. Und der Irak ist ja ein Beispiel. Erwartet hatte die Regierung Bush, daß innerhalb einiger Jahre die Demokratie im Irak aufgebaut sein würde.
Zunächst sprach ja auch alles dafür. Ich habe damals regelmäßig den Blog "Iraq the Model" gelesen, in dem man etwas von dieser Hoffnung auf einen demokratischen, westlich orientierten Staat spürte. Die beiden Blogger, Omar und Mohammed, haben berichtet, mit welcher Begeisterung Wahlkampf gemacht wurde, wie hoch die Wahlbeteiligung war, wie groß die Hoffnung auf die Demokratie.
Es gab einen "Widerstand" aus versprengten Baathisten und eingesickerten El-Kaida-Leuten, aber dieser bedrohte nicht wirklich den Aufbau der irakischen Demokratie. Das änderte sich schlagartig mit dem Anschlag auf die Moschee von Samarra, mit dem die Kaida ihren besten Trumpf zog: Einen bewaffneten Kampf zwischen Schiiten und Sunniten auszulösen.
Das war nicht erwartet worden, es konnte vermutlich auch nicht vorhergesagt werden. Man kann immer nur begrenzt kalkulieren, was passieren wird. Man konnte auch nur begrenzt kalkulieren, was passieren würde, wenn man Saddam Hussein an der Macht ließ.
Zitat von OmniAber wie muss ich eine Politik beurteilen, bei der der pure Zufall darüber entscheidet ob sie als gigantischer Triumph oder gigantisches Disaster von der Nachwelt gesehen wird? Richtig, der passende Ausdruck dazu ist "fahrlässig".
Und just so, lieber Omni, wäre Bush beurteilt worden, wenn es einen nuklearen Anschlag in den USA mit Waffen gegeben hätte, die Saddam der Kaida zugänglich gemacht hatte.
Zitat von Omni Wieso also sollte ich Politikern Respekt zollen, die ohne Risiko für das eigene Leben mit den Leben anderer pokern?
Auch durch ein Nicht-Eingreifen kann man mit dem Leben Anderer pokern. Chamberlain hat - um diese Diskussion noch einmal aufzugreifen - gepokert, als er Hitler nicht militärisch entgegengetreten ist, als er eine Bestimmung des Versailler Vertrags nach der anderen brach - Einmarsch ins entmilitarisierte Rheinland, Anschluß Österreichs, Nichteinhaltung der Rüstungsgrenzen.
Zitat von OmniWieso ist der Scharfrichter ein Gemiedener und der Richter, der den Scharfrichter zum Töten anweist, ein beliebtes Mitglied der Gesellschaft?
Berechtigte Frage, lieber Omni. Das gehört zu den Wertungen, die schwer rational zu begründen sind.
Das berührt all das Irrationale, das mit dem Töten verbunden ist. Das regelmäßige und mehr oder weniger rituelle Töten eigener Artgenossen gehört zu den Seltsamkeiten der menschlichen Kultur; jedenfalls fast aller Kulturen. Es ist barbarisch, menschenunwürdig. Heute ist es archaisch, hinter der Aufklärung zurückbleibend.
Das ist wohl auch immer gespürt worden, und darum umgeben das Töten von Menschen Rituale. Selbst der Scharfrichter, "ehrlos", wie er in vielen Kulturen ist, vollzieht sein Handwerk rituell. Noch in der Weimarer Republik bediente er die Guillotine im Gehrock und Zylinder.
Ebenso wird das Töten im Krieg mit Brimborium verbunden - dem Tschingderassabumbum, den moralischen Überhöhungen (die gefallenen US-Soldaten sind ebenso "Helden" wie die zu Tode gekommenen Dschihadisten "Märtyrer" sind).
In unserer westlichen Kultur scheinen wir - nach der fürchterlichen Erfahrung der beiden Weltkriege - so weit zu sein, vom Krieg als Mittel der Politik Abschied genommen zu haben. Zwischen den demokratischen Staaten Europas wird es keinen Krieg mehr geben. Aber in anderen Teilen der Welt ist das eben noch nicht so.
Zitat von OmniWas aus der Hochachtung vor einer solchen Politik spricht, ist in meinen Augen die Bewunderung des tollkühnen Draufgängers, der alles riskiert und triumphiert. Davon abgesehen, dass dieses Bild in die Literatur, aber nicht in die Realität gehört
Lieber Omni,
ich bedaure Sie aufrichtig . Denn auch der nächste Präsident wird dem von Ihnen gewünschten Idealbild der Politikers nicht entsprechen:
Zitat von Obama inaugural adressOur journey has never been one of short-cuts or settling for less. It has not been the path for the faint-hearted - for those who prefer leisure over work, or seek only the pleasures of riches and fame. Rather, it has been the risk-takers, the doers, the makers of things - some celebrated but more often men and women obscure in their labor, who have carried us up the long, rugged path towards prosperity and freedom.
Zitat von OmniUnd selbst das Argument, dass die Sicherheitslage solche waghalsigen Manöver vielleicht manchmal erfordere, kann nicht begründen wieso ich diesen Politikern Respekt zollen sollte. Manchmal sind Menschen durch äußere Umstände dazu gezwungen ihre moralischen Grundsätze zu ignorieren. Im Krieg müssen Menschen töten allein deshalb um zu überleben. In der Regel sind sie darauf aber nicht stolz. Nur seltsamerweise scheinen wir keine Probleme damit zu haben Leuten zuzujubeln, die um 20:00 im feinen Anzug vor einer Festgesellschaft von Honoratioren eine Rede zum Wert der Freiheit halten und die 2 Stunden später einem Bombenangriff zustimmen, bei dem zwar ungewollt, aber zwangsläufig Unschuldige ums Leben kommen werden. Wieso ist der Scharfrichter ein Gemiedener und der Richter, der den Scharfrichter zum Töten anweist, ein beliebtes Mitglied der Gesellschaft?
Das erinnert mich ein wenig an das Argument von Vegetariern, man dürfe nur ein Tier essen, wenn man auch in der Lage ist, selbst eines zu schlachten. Oder anders formuliert: Wieso ist der Metzger weniger angesehen als der Sternekoch? Dennoch könnten wir ohne die Menschen, die die Drecksarbeit erledigen, nicht auskommen. Und Bush war eben derjenige, der die außenpolitische Drecksarbeit erledigt hat, damit sich Schöngeister wie Chirac und politische Nihilisten wie Schröder es sich bequem machen konnten.
Im übrigen sind die Amerikaner bis weit ins linksliberale Spektrum hinein durchaus stolz auf ihre Soldaten, selbst wenn sie Kriegsgegner sind. Weil sie der Meinung sind, dass die westlichen Werte und ihr Land etwas ist, für das es sich (grundsätzlich) zu kämpfen lohnt. Während bei uns Soldaten im harmloseren Fall als versoffene Dumpfbacken, aber auch gerne mal als schießwütige Brutalos gelten. Ich kann mich selbst an mein erstes Abiturtreffen an einem sehr linken Gymnasium erinnern, wo die paar Klassenkameraden, die zum Bund gegangen sind, sehr massiven Vorwürfen ausgesetzt waren. Auch in der Afghanistan-Diskussion wird das Schicksal der Soldaten meist eher vorgeschoben, um den deutschen Sonderweg zu rechtfertigen. Wenn Soldaten der Bündnispartner umkommen, ist das Interesse in Deutschland vorsichtig formuliert gering.
In Antwort auf:Ich sehe nicht ein wieso ich einem europäischen Politiker, der sich den Luxus leisten kann ein zivilisierter Mensch zu sein: Der nie einen Bombenangriff befohlen hat, der nie Menschen vom Geheimdienst auf Exklaven verschleppen ließ, der nie hunderttausende junge Menschen zum Töten in ein fremdes Land geschickt hat - wieso ich einen solchen Politiker geringer schätzen sollte, nur weil er nicht das Leben von Millionen Menschen verändert hat während ich den Politiker, der das Blut Unschuldiger an den Händen hat, bewundern soll weil er hoch gepokert und gewonnen hat.
Dann müsste Ihr Idealbild eines Politikers Pontius Pilatus sein
Nochmal: Die Welt ist kein Ponyhof, und der von Ihnen hochgeschätzte Politikertyp kann sein sanftes Gemüt nur ausleben, wenn er am Zaun seines Paradiesgärtchens einen harten, bissigen Hund stehen hat, der ihm die Einbrecher vom Hals hält, die ihm seinen Frieden nicht gönnen. Auch wenn der Hund so hässlich ist, dass man sich nicht gern mit ihm zeigt. Aber es ist doch immer noch angenehmer, als für seinen eigenen Schutz zu sorgen.
Das war das Prinzip der Kohlschen Scheckbuchdiplomatie des Kalten Krieges. Der Dicke hat nämlich kapiert, dass man seinem Wachhund auch mal ein paar Kekse hinwerfen muss. Schröder hat seinen Hund geprügelt, als er sich genügend sicher vor den Einbrechern fühlte,
Zitat von ZettelVon Verschwörungstheorien halte ich nichts. Falls Sie meine Meinung dazu interessiert - ich habe einmal eine Serie dazu geschrieben.
Lieber Zettel, dieser Link ist ein Geschenk des Himmels!!! Ich bin nämlich gerade dabei, einen Vortrag zum Thema "Geisteswissenschaften aus der Sicht des Praktikers" vorzubereiten (ein Freund von mir, der an seiner Uni eine Tagung zum Thema "Intellektuelle Lebenswelten" vorbereitet, hat mich freundicherweise eingeladen, ich gebe die seltene Spezies "Philosoph in der Wirtschaft"). Gerade die ersten beiden Teile der Serie haben mir gute Anregungen gegeben, insbesondere der Teil mit dem vermittelten Wissen. Ich habe nämlich immer zu ergründen versucht, wo dieser permanente Reflexionszwang herkommt. Das leuchtet mir sehr ein, darum vielen Dank!
Zitat von Meister PetzGerade die ersten beiden Teile der Serie haben mir gute Anregungen gegeben, insbesondere der Teil mit dem vermittelten Wissen. Ich habe nämlich immer zu ergründen versucht, wo dieser permanente Reflexionszwang herkommt. Das leuchtet mir sehr ein, darum vielen Dank!
Freut mich, lieber Meister. (Noch mehr aber, daß die Tatze des Bären hier wieder ihre Spuren hinterläßt ).
Auf das Thema "vermitteltes Wissen" gehe ich auch in der Serie über Realität ein, die im Augenblick "ruht", weil Aktuelleres dazwischenkam. Die noch ausstehenden Teile sind aber in Arbeit.
Nicht nur der Henker zählte zu den verfemten Berufen oder unehrlichen bzw unehrbaren Menschen in der vorindustriellen Gesellschaft, sondern auch Berufe, wo man sich heute gar nicht vorstellen kann, daß sie verfemt waren. Zum Beispiel der Beruf des Müllers (siehe vor allem Märchen und Sagen)
Diese Ächtung aller, die mit Tod und Unrat zu tun hat, ging soweit, daß selbst das Benutzen von Seilen und Messern unklarer Herkunft, es könnte ja ein Henker oder Folterknecht sie benutzt haben, die Ehrbarkeit eines jungen Menschen zerstören konnte. Mir ist der Fall ein Jungen in Erinnerung, der einen Menschen aus Hochwasser rettete. Er nahm ein Seil, daß er am Ufer fand. Das führte dazu, daß er nicht als Lehrling angenommen wurde.
Von diesen geächteten Berufen ist nur der Henker übriggeblieben. Das der Henker von Anfang an ein Gemiedener war, liegt auch an der sozialen Herkunft der frühesten Henker. Es waren ursprünglich Unfreie, ein Freier war nie der Henker. Da Henker unter sich bleiben mußten, wurde der Beruf erblich.
Es ist ja noch heute so, daß Menschen davor zurückscheuen, den Tod eines anderen Menschen gewollt zu verursachen. Obwohl die meisten Menschen diesen besonderen Aspekt der weltweiten Sozialgeschichte nicht kennen. Er gilt weltweit. Auch in Japan gab es Wohngebiete der Burakumin, die verachtete, aber notwendige Berufe ausübten. Ein anderer Name für sie ist Hinin. Das bedeutet die Nichtmenschen.
Streit um Vokabeln wollen wir tunlichst vermeiden, lieber Zettel. Die Bush-Regierung hat (vermutlich) niemals behauptet, oder auch nur suggeriert, Saddam stecke hinter den Anschlägen vom 11.9. Bush hat das sogar mehrfach öffentlich verneint. (Zitate dazu a.a.O.) Sie hat sich aber auch nicht darauf beschränkt, wie Sie, lieber Zettel, behaupten, die Möglichkeit einer zukünftigen Kooperation von Saddam mit El Kaida an die Wand zu malen. Sondern sie suggerierte damals (2002/2003), Saddam und El Kaida seien bereits damit beschäftigt, den nächsten, noch viel größeren Anschlag vorzubereiten; es wurde, anders gesagt, eine Weitergabewahrscheinlichkeit von nahezu 1 suggeriert, nicht Ihre 0,01. Richtig behaupten konnte das die Regierung nicht, dafür fehlten die Belege. Man hatte nur schlecht belegte Hinweise auf irgendwelche Kontakte. Darüber ließ man die Öffentlichkeit aber lieber im Unklaren.
Zitat von ZettelEs macht hier wenig Sinn, Schadenshöhe und Wahrscheinlichkeit miteinander zu multiplizieren und das "erwarteten Schaden" zu nennen. Sondern man muß entscheiden, ob man bereit ist, den Schaden zu risikieren, gegeben seine Wahrscheinlichkeit.
Für eben diese Entscheidung gibt die Multiplikation ein (in Grenzen) sinnvolles Kriterium an die Hand. Je größer der Schaden, desto eher wird man das Risiko tragen, daß er nicht eintritt, und je größer die Wahrscheinlichkeit des Schadens, desto eher wird man ihn vermeiden wollen. Damit haben wir zwei Kriterien für eine Entscheidung - Schadenshöhe und Eintrittswahrscheinlichkeit - und das ist zuviel. Mittels der Multiplikation baut man aus den zwei Kriterien ein einziges. Bei Wetten um kleine Einsätze und Gewinne dürfte dieses Kriterium sogar sehr gut sein, in anderen Fällen ist es vielleicht weniger brauchbar. (Lottospielen, um "ausgesorgt" zu haben dürfte beispielsweise trotz negativen Erwartungswertes ökonomisch vorteilhaft sein.)
Ich halte es übrigens auch für äußerst unplausibel, daß ein Staat einen Krieg riskiert, um ein Ereignis zu vermeiden, dessen Wahrscheinlichkeit 1:1000 ist, und zwar selbst dann, wenn es um die Existenz des Staates selber gehen würde. Nicht einmal als Motiv der Regierung für den Krieg ist die Gefahr der El-Kaida-Zusammenarbeit überzeugend.
Zitat von ZettelExtreme Illustration: Wenn ich vor einer Entscheidung stehe, deren mögliches Outcome mit 10 Prozent Wahrscheinlichkeit ist, daß ich tot bin, dann würde ich nicht sagen: Der zu erwartende Schaden ist, daß ich zu zehn Prozent tot bin.
Ich kann nicht zu 10% tot sein, ebensowenig wie jede deutsche Frau 1,7 Kinder zur Welt bringt. Solchen Größen entsprechen keine realen Entitäten und müssen es auch nicht. Das eine dient der Entscheidungsfindung, das andere statistischen Vergleichen und dafür sind diese Zahlen gut, auch wenn es keine Schwangerschaft mit 0,7 Kindern oder statistisch tote Hasen gibt. Sie versuchen sich hier als Eulenspiegel, lieber Zettel.
Zitat von ZettelMir zeigt diese Diskussion wieder, wie sehr wir - Sie, ich, wir alle - Schemata, Narratives, Skripts, Frames verwenden, wie immer man das nennen will. Sie arbeiten mit dem Skript "Bush und Rumsfeld haben verantwortungslos einen Krieg vom Zaun gebrochen"; so ungefähr verstehe ich Sie jedenfalls.
Richtig. Mein Skript habe ich 2002 geschrieben und finde es jetzt einfacher, bei Onkel Google und Tante Wiki nach ein paar Fakten und Zitaten zu suchen, die dazupassen, als das Ganze neu zu überdenken. Warum auch? Ich hab' ja recht. Und falls nicht, ist es auch nicht weiter schlimm.
Zitat von ZettelVon Verschwörungstheorien halte ich nichts. Falls Sie meine Meinung dazu interessiert - ich habe einmal eine Serie dazu geschrieben.
Lieber Zettel, dieser Link ist ein Geschenk des Himmels!!!
Dem schließe ich mich ausdrücklich an! Vor wenigen Tagen hatten wir in der Kantine ein Gespräch, wo einer der (sonst) recht vernünftigen Kollegen wilde Verschwörungstheorien zu 9/11 aus dem Ärmel schüttelte. Traurigerweise war ich der einzige, der dagegen argumentierte, die anderen Kollegen stimmten ihm mehr oder weniger zu. Ich verstehe das noch immer nicht und werde mir noch einmal Ihre Serie zu Gemüte führen, vielleicht hilft sie mir, wieder Anschluss an den Rest der Welt zu finden...
-- The act of defending any of the cardinal virtues has to-day all the exhilaration of a vice. - Gilbert Keith Chesterton, "A Defence of Humility" (in The Defendant)
Zitat von KalliasStreit um Vokabeln wollen wir tunlichst vermeiden, lieber Zettel. Die Bush-Regierung hat (vermutlich) niemals behauptet, oder auch nur suggeriert, Saddam stecke hinter den Anschlägen vom 11.9. Bush hat das sogar mehrfach öffentlich verneint. (Zitate dazu a.a.O.) Sie hat sich aber auch nicht darauf beschränkt, wie Sie, lieber Zettel, behaupten, die Möglichkeit einer zukünftigen Kooperation von Saddam mit El Kaida an die Wand zu malen. Sondern sie suggerierte damals (2002/2003), Saddam und El Kaida seien bereits damit beschäftigt, den nächsten, noch viel größeren Anschlag vorzubereiten; es wurde, anders gesagt, eine Weitergabewahrscheinlichkeit von nahezu 1 suggeriert, nicht Ihre 0,01.
Streiten wir nicht darüber, lieber Kallias. Ich kann mit dem Wort "suggerieren", wie gesagt, nichts anfangen. Daß Saddam und die Kaida bereits damit beschäftigt seien, den nächsten Anschlag vorzubereiten, hat die Regierung Bush jedenfalls nicht behauptet. Ob sie es "suggeriert" hat, weiß ich nicht. Wie ermittelt man, ob jemand A sagt, aber damit B "suggeriert"?
Zitat von KalliasRichtig behaupten konnte das die Regierung nicht, dafür fehlten die Belege. Man hatte nur schlecht belegte Hinweise auf irgendwelche Kontakte. Darüber ließ man die Öffentlichkeit aber lieber im Unklaren.
Die Regierung Bush hat das gemacht, was jede Regierung ständig macht: Sie hat die Fakten im Licht der eigenen Ziele dargestellt.
Normalerweise nimmt man das zur Kenntnis. Niemand macht, sagen wir, Glos einen Vorwurf daraus, wenn er sagt, daß es schon Mitte nächsten Jahres mit der Wirtschaft wieder aufwärts gehen könne. Er hat dafür allenfalls "schlecht belegte Hinweise".
Im Fall Irak-Krieg hat man aber an eine Regierung Maßstäbe angelegt, die so ungefähr für eine wissenschaftliche Publikation gelten. Man hat vorausgesetzt, jede Aussage müsse sozusagen mit einer Fußnote zur Quelle versehen, jede müsse auf die strikteste Weise neutral sein.
Meines Erachtens, lieber Kallias, lag (und liegt) das eben am Skript: Man hatte bereits das Vorurteil vom Schurken Bush, und die Fakten wurden in dieses Vorurteil eingearbeitet.
Warum?
Warum hatte Bush von Anfang an eine so schlechte Presse? Ich hatte darüber eigentlich noch etwas in meiner Würdigung schreiben wollen, habe es dann aber weggelassen. Ich vermute, er wurde vom Washingtoner Establishment, zu dem natürlich auch die MSM gehören, als ein Eindringling, als einer gesehen, der nie hätte Präsident werden dürfen: Fromm, ein Hinterwäldler aus Texas, konservativ. Einer, der früh ins Bett geht (Obama nicht, hat man vorgestern bei CNN erfahren dürfen), der Barbecue schätzt statt die neuesten Creationen des angesagten Chefs, der politische Entscheidungen aufgrund klarer Überzeugungen trifft statt taktisch raffiniert.
In Deutschland kam mancherlei hinzu: Endlich einmal standen wir Deutschen auf der richtigen Seite. Es war eine moralische Überheblichkeit, ähnlich der 1968; und beide Male erhob man sich über die USA. (Ich erinnere mich noch an die Kommentare, in denen auf "unsere europäische Kultur" hingewiesen wurde, die eben doch eine andere Art der Konfliktlösung kenne als dieses amerikanische Draufhauen - und das gerade mal ein halbes Jahrhundert nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs!). Dann spielte natürlich auch die Innenpolitik eine Rolle. Rotgrün war schon auf dem absteigenden Ast; mit dieser Friedensrhetorik konnte man noch einmal die Meinungsführeschaft gewinnen.
Zitat von Kallias
Zitat von ZettelEs macht hier wenig Sinn, Schadenshöhe und Wahrscheinlichkeit miteinander zu multiplizieren und das "erwarteten Schaden" zu nennen. Sondern man muß entscheiden, ob man bereit ist, den Schaden zu risikieren, gegeben seine Wahrscheinlichkeit.
Für eben diese Entscheidung gibt die Multiplikation ein (in Grenzen) sinnvolles Kriterium an die Hand. Je größer der Schaden, desto eher wird man das Risiko tragen, daß er nicht eintritt, und je größer die Wahrscheinlichkeit des Schadens, desto eher wird man ihn vermeiden wollen. Damit haben wir zwei Kriterien für eine Entscheidung - Schadenshöhe und Eintrittswahrscheinlichkeit - und das ist zuviel. Mittels der Multiplikation baut man aus den zwei Kriterien ein einziges. Bei Wetten um kleine Einsätze und Gewinne dürfte dieses Kriterium sogar sehr gut sein, in anderen Fällen ist es vielleicht weniger brauchbar. (Lottospielen, um "ausgesorgt" zu haben dürfte beispielsweise trotz negativen Erwartungswertes ökonomisch vorteilhaft sein.)
So ist es, lieber Kallias. Und wenn es um Leben oder Tod geht, dann ist eben dieses Multiplizieren nicht sinnvoll.
Zitat von KalliasIch halte es übrigens auch für äußerst unplausibel, daß ein Staat einen Krieg riskiert, um ein Ereignis zu vermeiden, dessen Wahrscheinlichkeit 1:1000 ist, und zwar selbst dann, wenn es um die Existenz des Staates selber gehen würde.
Mag sein. Nur dürfen wir nicht vergessen, daß wir jetzt mit einer Zahl operieren, die wir beide sozusagen gemeinsam aus der Luft gegriffen haben - ich, indem ich, als Beispiel, einmal die Wahrscheinlichkeit einer Weitergabe mit .01 angenommen haben; Sie, indem Sie die Erfolgswahrscheinlichkeit eines Anschlags mit .10 angenommen haben.
Zitat von Kallias
Zitat von ZettelExtreme Illustration: Wenn ich vor einer Entscheidung stehe, deren mögliches Outcome mit 10 Prozent Wahrscheinlichkeit ist, daß ich tot bin, dann würde ich nicht sagen: Der zu erwartende Schaden ist, daß ich zu zehn Prozent tot bin.
Ich kann nicht zu 10% tot sein, ebensowenig wie jede deutsche Frau 1,7 Kinder zur Welt bringt. Solchen Größen entsprechen keine realen Entitäten und müssen es auch nicht. Das eine dient der Entscheidungsfindung, das andere statistischen Vergleichen und dafür sind diese Zahlen gut, auch wenn es keine Schwangerschaft mit 0,7 Kindern oder statistisch tote Hasen gibt.
Ja eben. Und hier geht es um Entscheidungsfindung und nicht statistischen Vergleich. Über Erwartung-mal-Nutzen Modelle ist ja viel geschrieben und geforscht worden. Sie haben - wie Sie ja auch schreiben - in Grenzen ihre Berechtigung. Aber sie versagen oft erstens, was die Psychologie des tatsächlichen Entscheidungsverhaltens angeht (Menschen verhalten sich irrational); und zweitens taugen sie nichts, wenn, wie im jetzigen Fall, es nicht um ein Aggregat von Fällen geht, sondern um einen einzigen Fall, und wenn extreme Outcomes zu berücksichtigen sind (Lottogewinn, Tod).
Zitat von KalliasSie versuchen sich hier als Eulenspiegel, lieber Zettel.
Zuviel der Ehre. Nein, mit diesem Meister des Aufdeckens will ich mich nicht vergleichen (lassen).
solche Beiträge freuen mich immer besonders. Natürlich liegt der Schwerpunkt in einem Forum wie diesem beim Kommentieren, beim Diskutieren. Aber (mir) Neues und Interessantes zu erfahren - das find ich auch sehr schön.
Herzlich und mit Dank,
Zettel
PS: Was mag wohl am Müller "unehrlich" gewesen sein? Immerhin war man auf ihn doch buchstäblich fürs tägliche Brot angewiesen. Und mit Schmutz hatte er ja auch nichts zu tun, wenn auch mit Staub und Lärm.
Zitat von KalliasEinen Krieg mit Tausenden von Toten vom Zaun brechen, um 30 oder 100 Menschenleben zu bewahren? Das ist unvernünftig.
Das ist der Punkt, wo ich einhaken möchte (ansonsten stimme ich weitgehend zu).
Erstens einmal ist so eine reine Opferzählung kaum geeignet um zu bewerten, ob eine Kriegsentscheidung "vernünftig" ist. Denn bei der Bedrohung durch Terror geht es ja nicht darum, daß man EINEN Anschlag einkalkulieren muß, mit den geschätzten 30 bis 100 Toten - und dann hätte man es hinter sich. Sondern wo ein Anschlag kommt, kann und wird auch der nächste kommen - wenn man nichts unternimmt. Und dann hätte man es besser vor dem ersten Anschlag schon unternommen. Mal ganz abgesehen von den übrigen negativen Folgen für eine Gesellschaft, die sich schutzlos vor terroristischen Anschlägen fürchten muß.
Wesentlich ist aber noch ein anderer Aspekt: Bei der Entscheidung pro und contra Krieg spielen ja viele Faktoren eine Rolle. Manche sind wichtig, andere weniger wichtig. Manche sind in der Öffentlichkeit gut darstellbar, andere fast gar nicht.
Die öffentliche Argumentation einer Regierung hat daher immer andere Schwerpunkte als die interne Diskussion, die Entscheidungen bestimmt.
Im konkreten Fall Irak war das Thema WMDs wichtig, weil Terrorismus für die US-Öffentlichkeit wichtig war, und weil das völkerrechtlich Legitimation verschaffte, durch Bezug auf die alten UN-Resolutionen.
Um sich dann aber wirklich zum Angriffsbefehl durchzuringen, kamen noch weitere Faktoren/Motivationen hinzu: Einmal die strategische Überlegung, durch Verbreitung der Demokratie die US-Außenpolitik generell zu stabilisieren. Und dann vor allem der Zwang, endlich einen Ausweg aus dem Dilemma vor Ort zu finden: Weder Sanktionen noch Militärüberwachung konnten viel länger durchgehalten werden, man hätte das aggressive Potential Saddams wieder ungebremst auf die Region loslassen müssen - wenn man ihn nicht endgültig beseitigt. Die Alternative zum Krieg wäre gewesen, einen etwas späteren Krieg zu bekommen. Weil mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit der wieder erstarkte Saddam auch wieder einen solchen angefangen hätte - mit oder ohne WMDs.
Zitat von ZettelWenn man sieht, wie Schröder heute ein Interessenvertreter Rußlands geworden ist, kann man sich fragen, ob sein damaliger Schwenk gegen die USA nur Wahlkampftaktik war, oder ob da nicht auch die Männerfreundschaft eine Rolle spielte.
Männerfreundschaft? Schröder hat sich schlicht kaufen lassen.
Einen so klassischen Fall von Hochverrat aus niederen Motiven findet man selten.
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