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ZETTELS KLEINES ZIMMER

Das Forum zu "Zettels Raum"



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Dieses Thema hat 78 Antworten
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 Kommentare/Diskussionen zu "Zettels Raum"
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R.A. Offline



Beiträge: 8.171

19.05.2009 17:22
#76 RE: Taktik, Taktik, TikTak Antworten

Zitat von Zettel
Ich glaube nicht, lieber R.A., daß die FDP nach den Ergebnissen des vergangenen Wochenendes noch in die Nähe von 15 Prozent kommen kann.

Ich persönlich glaube noch gar nicht an irgendein konkretes Ergebnis. Aber wenn die FDP deutlich unter 15% bleibt, wird es eben keinen Regierungswechsel geben ...

Wie auch immer das Ergebnis ausfallen wird: Der Parteitag bzw. die bisher fehlende eindeutige Festlegung auf eine CDU-Koalition wird nicht geschadet haben, Ihre Ausführungen sind für Leute Ihrer Kompetenz und politischen Ausrichtung sehr überzeugend - aber solche Leute gibt es nicht so häufig.

Letztlich werden wir den weiteren Verlauf abwarten müssen. Ich selber übrigens habe zwar eine klare Meinung, mit wem die FDP koalieren sollte - aber keine eindeutige Position, wie man denn am besten dorthin gelangen könnte.
Ich sehe Ihre Beurteilung der taktischen Möglichkeiten, und die von Westerwelle. Ich bin etwas unschlüssig, welche am Ende besser sein wird - habe aber deutlich das Gefühl, daß Westerwelle in solchen Fragen deutlich mehr Erfahrung und Ahnung hat als wir beide zusammen.

Wichtig in dieser Diskussion ist mir eigentlich der Aspekt, daß es eben wahltaktische Überlegungen sind, die hier eine Rolle spielen - und nicht die Absicht, sich eine Hintertür für die Ampel offen zu lassen.

Denn:
In Antwort auf:
... daß die Entscheidung von Hannover nur an der Oberfläche solchen taktischen Gedankenspielen geschuldet war; daß in Wahrheit Westerwelle schlicht keinen Zoff mit den Linksliberalen wollte, die in der Tat eine Ampel gern sehen würden.

Ich habe in Hannover nirgends eine solche "linksliberale" Position wahrgenommen. Offiziell schon gar nicht, aber auch nicht hinter vorgehaltener Hand. Auch Parteifreunde, die eher "links" oder "sozial-liberal" orientiert sein könnten, wollen keine Ampel.
Und ganz bestimmt hat es im Bundesvorstand keine Gruppe gegeben, die in dieser Richtung Druck auf Westerwelle gemacht hätte - das hätte ich mitbekommen.

FTT_2.0 Offline



Beiträge: 537

20.05.2009 00:24
#77 RE: Schutz der Freiheit, Gefährdung der Freiheit Antworten
Zitat von dirk

Die Wehrpflicht ist (mittlerweile) ein krasses Beispiel eines dauerhaft praktizierten Verfassungsbruchs. Die Wehrpflicht ist als Zwangsdienst ein enormer Eingriff in die Freiheit des Einzelnen, der nur aufgrund des höherwertigen Staatsziels der Landesverteidigung legitim ist - so die (plausible) Rechtssprechung des BVerfG. Das heisst die Wehrpflicht ist auch nur so lange legitim so lange sie verteidigungspolitisch notwendig ist. (...)
Kann man vor dem BVerfG klagen? Viele haben es versucht. Dann sagt das BVerfG "Ob die Wehrpflicht zur Verteidigung notwendig ist, entscheiden nicht wir sondern der Gesetzgeber." Da fehlt der Mut das offensichtliche anzuerkennen. Und wie bitte soll der Gesetzgeber kontrolliert werden, wenn er über die Interpretation entscheidet?


Es würde mich interessieren, lieber Dirk, wo sie von den Vorbehalt des "höherwertigen Staatsziels" gelesen haben.

Soweit ich das sehe, geht das BVerfG in ständiger Rechtsprechung aus, dass die Ausgestaltung der Landesverteidigung eine politische Entscheidung ist und "dass der Verfassungsgeber die Einführung der allgemeinen Wehrpflicht -- im Gegensatz zu den anderen in Art. 12 a Abs. 3, 4 und 6 GG geregelten Dienstpflichten -- nicht von weiteren Voraussetzungen, insbesondere nicht vom Vorliegen einer bestimmten sicherheitspolitischen Lage abhängig gemacht hat." (BVerfGE 105, 61)

Der Wortlaut des Art. 12a Abs. 1 GG ist insofern auch eindeutig:
"(1) Männer können vom vollendeten achtzehnten Lebensjahr an zum Dienst in den Streitkräften, im Bundesgrenzschutz oder in einem Zivilschutzverband verpflichtet werden."

Ich sehe da keine Eingriffsvorbehalte im Wortlaut.

Politisch gibt es sicher interessante Argumente gegen die Wehrpflicht, "ein krasses Beispiel eines dauerhaft praktizierten Verfassungsbruchs" sehe ich aber insoweit nicht.

"Gefährlicher" für den Bestand der Wehrpflicht ist der zweite Punkt, den Sie implizit ansprechen, die "Wehrgerechtigkeit".
dirk Offline



Beiträge: 1.538

20.05.2009 12:47
#78 RE: Schutz der Freiheit, Gefährdung der Freiheit Antworten

@FTT_02

Ich meine das Urteil zur "Postkartennovelle" von 1978 (auf die schnelle finde ich es nicht, werde ich nachholen), indem das BVerfG klargestellt hat, dass der Wehrdienst dem Wehrdienst dienen muss und nicht dem Wehrersatzdienst (so wie es jetzt offenkundig ist, was sich aber das BVerfG nicht festzustellen traut). Obendrein kann es auch gar nicht anders sein. Artikel 12a ermöglicht die Einberufung zum "Dienst in den Streitkräften". Jemanden etwa zum Marmeladekochen zu verpflichten, wäre ein Verfassungsbruch. Sprich: die Einberufung in die Streitkräfte muss auch dem Zweck der Streitkräfte, also der Verteidigung, enstprechen. Und was nicht notwendig ist, erfüllt einen anderen Zweck.

In Antwort auf:

"dass der Verfassungsgeber die Einführung der allgemeinen Wehrpflicht -- im Gegensatz zu den anderen in Art. 12 a Abs. 3, 4 und 6 GG geregelten Dienstpflichten -- nicht von weiteren Voraussetzungen, insbesondere nicht vom Vorliegen einer bestimmten sicherheitspolitischen Lage abhängig gemacht hat."


Doch das hat er. Es heisst zum Dienst in den Steitkräften. Und die Streitkräfte haben nunmal das Ziel der Landesverteidigung. Also darf zum Zwecke der Landesverteidigung einberufen und sonst nicht.

In Antwort auf:
Ich sehe da keine Eingriffsvorbehalte im Wortlaut.


Der Eingriff erfolgt durch ein Gesetz und administrative Maßnahmen und muss daher auch an anderen Grundrechten und Grundsätzen wie dem der Verhältnismäßigkeit gemessen werden. Wenn der Gesetzgeber sagen würde "Wir ziehen junge Männer für 100 Jahre ein, damit sie kein Studium aufnehmen können und so die Benachteiligung der Frauen ausgeglichen wird und dann stecken wir die Jungs in rosa Pyjamas und lassen sie Hip Hip Hurra schreien", würde das BVerfG hoffentlich Einwände erheben. Sprich sich fragen "Ist das Ziel legitim und, wenn ja, die Mittel angemessen". Wie man es auch dreht, es wird so etwas wie der Grundsatz auf Verhältnismäßigkeit Anwendung finden (was das Gericht in dem von Ihnen zitierten Urteil allerdings albernerweise bezweifelt)

Was mich so ärgert ist die Heuchelei. Man betont ständig, dass die Rechtssprechung auf ehernen Prinzipien (Freiheit, Eigentum, Meinungsfreiheit,..) beruhe aber im Zweifel greift eine Ausnahme oder man lügt sich die Welt zurecht. Da ist dann die Holocaustleugnung keine Meinung sondern eine "falsche Tatsachenbehauptung" und somit kein Widerspruch zur Meinungsfreiheit. Oder das Grundrecht auf Eigentum wird beim Rauchverbot mit Füßen getreten. Dann soll man vorher auch nicht so tun als seien es ach so bedeutsame Prinzipien, wenn man sie nachher für einen Appel und ein Ei aufgibt.



dirk Offline



Beiträge: 1.538

23.05.2009 11:56
#79 RE: Schutz der Freiheit, Gefährdung der Freiheit Antworten

Die "Wehrpflichtnovelle" (BVerfGE 48, 127) findet sich hier

Dort steht (zugebenermaßen nicht so konkret wie ich es in Erinnerung hatte)

In Antwort auf:
Sie[die Wehrpflicht] knüpft an eine freiheitlich-demokratische Tradition an, die bis auf die Französische Revolution von 1789 und die Reformzeit in Deutschland zu Beginn des 19. Jahrhunderts zurückgeht. Ihr liegt die Vorstellung zugrunde, daß es Pflicht aller männlichen Staatsbürger ist, für den Schutz von Freiheit und Menschenwürde als den obersten Rechtsgütern der Gemeinschaft, deren personale Träger auch sie selbst sind, einzutreten. Sie findet ihre Rechtfertigung darin, daß der Staat, der Menschenwürde, Leben, Freiheit und Eigentum als Grundrechte anerkennt und schützt, dieser verfassungsrechtlichen Schutzverpflichtung gegenüber seinen Bürgern nur mit Hilfe eben dieser Bürger und ihres Eintretens für den Bestand der Bundesrepublik Deutschland nachkommen kann.


Sprich: Die Rechtfertigung der Wehrpflicht (1) entspringt einer Notwendigkeit und (2) dient dem übergeordnetem Ziel des Bestandes der BRD.

Zum Grundsatz der Verhältnismäßigkeit und seine Anwendbarkeit auf das Wehrpflichtgesetz schreibt/urteilt das BVerfG (BVerfGE 12, 45)
In Antwort auf:

Auch das Prinzip der Verhältnismäßigkeit bietet keine Handhabe für einen erfolgreichen Angriff gegen das Wehrpflichtgesetz. Die Einführung der allgemeinen Wehrpflicht ist eine Entscheidung hohen staatspolitischen Ranges; sie wirkt in alle Bereiche des staatlichen und gesellschaftlichen Lebens hinein: Allgemeinpolitische, wirtschafts- und gesellschaftspolitische Gründe von sehr verschiedenem Gewicht, die dafür oder dawider sprechen, müssen bewertet und gegeneinander abgewogen werden. Die Landesverteidigung auf der Grundlage der allgemeinen Wehrpflicht ist deshalb gegenüber der Verteidigung durch eine Freiwilligenarmee kein bloßes "Mehr", das allein unter dem Gesichtspunkt der quantitativen Belastung der Staatsbürger beurteilt werden dürfte, sondern ein grundsätzlich "Anderes". Weder kann ein Gericht feststellen, daß ein Freiwilligenheer zur Landesverteidigung ebenso geeignet sei wie ein Heer mit allgemeiner Wehrpflicht, noch kann die Schwere des Eingriffs in die Freiheit des Bürgers das alleinige Kriterium sein, nach dem der Gesetzgeber bei seiner Wahl zwischen dem einen oder dem anderen System verfahren müßte; beide Systeme haben daneben noch je ihre hohe Bedeutung auch in mannigfacher anderer Richtung, die der Gesetzgeber in Rechnung stellen darf. Das Prinzip der "Verhältnismäßigkeit" ist hier kein adäquater Maßstab.


Wie lächerlich diese Argumentation ist, erkennt man an Extrembeispielen. Wenn der Gesetzgeber nur hinreichend drastisch agiert (100 Jahre Wehrdienst, ganz anderer Zweck, irgendwelche für die Verteidigung ungeeignete Hüpfübungen), muss das BVerfG Einwände erheben und wird dabei - oh wunder - den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit (oder etwas äquivalentes) anwenden.

Welche anderen Richtungen mit Bedeutung, die "der Gesetzgeber in Rechnung stellen darf", es neben dem Ziel, das (Fort-)Bestehen der BRD zu sichern, sein sollen und wie diese gerechtfertigt sein sollen, erschließt sich mir nicht. Wäre es für das BVerfG legitim die Wehrpflicht mit der Begründung "Wir wollen Männer gezielt benachteiligen um mehr Frauen in Führungspositionen zu bringen" aufrecht zu erhalten? Wohl kaum! Oder besser: Hoffentlich nicht! Es ist ja nicht auszuschließen, dass es in seiner Rechtsverdreherei wenigstens konsequent ist.

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