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ZETTELS KLEINES ZIMMER

Das Forum zu "Zettels Raum"



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Dieses Thema hat 135 Antworten
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 Kommentare/Diskussionen zu "Zettels Raum"
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Zettel Offline




Beiträge: 20.200

12.08.2009 02:09
#76 Visiere, Waagschalen und die Liberalität von Sozialisten und Ökos Antworten

Lieber Rayson,

weiter geht's:

Zitat von Rayson
Das Schlüsselwort in deiner Argumentation ist z.B. "potenziell". "Potenzieller Terrorist" ist da kein einschränkendes Kriterium, sondern praktischerweise und zirkulär automatisch die Eigenschaft des Überwachten. Ich muss schon davon ausgehen, dass jeder, der in das Visier von Fahndern gerät, auch schuldig ist, um das beruhigend zu finden.

Was heißt denn "ins Visier der Fahnder"? Jeder gesetzestreue Bürger kann "ins Visier der Fahnder" geraten; in jedem Krimi ist das so, daß Unschuldige in Verdacht geraten.

Wenn Ermittlungen ergeben, daß ein gesuchter Täter, sagen wir, wahrscheinlich einen roten Alpha Romeo gefahren hat, dann werden vielleicht alle Halter eines solchen Fahrzeugs in einem bestimmten Bereich überprüft. Bei Sexualverbrechen bittet man alle Männer einer Gegend zum DNA-Test. Sie geraten "ins Visier der Fahnder".

Und selbst bei der erwähnten Kontrolle auf dem Flughafen geraten wir als Passagiere ausnahmeslos ins "Visier der Fahnder". Wir werden geröngt, abgetastet, unser Paß wird möglicherweise überprüft.

Mit jedem Schritt auf einen öffentlichen Platz in einer Großstadt geraten wir "ins Visier der Fahnder", nämlich ins Blickfeld von Überwachungskameras.

Das ist doch alles hinnehmbar, wenn auch gelegentlich lästig; siehe oben. Entscheidend ist, daß am Ende nur festgenommen, in Haft genommen und schließlich angeklagt wird, wenn gegen den Betreffenden schwerwiegende Verdachtsmomente vorliegen. Alle, gegen die nichts vorliegt, haben nichts zu fürchten und haben keinen Grund zur Angst vor dem Staat.

Ich habe, lieber Rayson, die Frage schon zweimal gestellt, und ich stelle sie jetzt noch einmal: Hast du, hat irgendwer in deinem Bekanntenkreis, hat irgendwer in diesem Forum oder jemand aus dessen Bekanntenkreis irgendeinen Nachteil dadurch erlitten, daß es Rasterfahndung, Vorratsdatenspeicherung, die rechliche Handhabe für die Durchsuchung von PCs gibt? Obwohl er sich nichts hatte zuschulden kommen lassen?

Die Betreffenden können den Fall ja so verändert schildern, daß keine persönlichen Rückschlüsse möglich sind.

Zitat von Rayson
Und bitte, nimm's mir nicht übel, aber deine weitere Argumentation unterstützt meine Ausgangsthese nur: Du meinst, die von Linken befürworteten Freiheitseinschränkungen in die Waagschale werfen zu können und zu müssen, wenn es darum geht, wie illiberal bestimmte konservative Vorhaben sind. Aber genau diese Sichtweise geht dem Liberalen am Allerwertesten vorbei, denn ihm ist es egal, woher die staatliche Bevormundung kommt: Er ist einfach dagegen.

Was meinst du mit "in die Waagschale werfen"? Ich sehe beide Arten der Bedrohung unserer Freiheit - durch den Nanny-Staat und durch das Verbrechen. Ich denke nicht daran, das eine gegen das andere aufzurechnen. Nur sehe ich, anders als offenbar du, keine Bedrohung der Freiheit durch die Polizei oder die Gerichte. Und ich habe bisher in dieser ganzen langen Diskussion noch keinen einzigen Beleg dafür gelesen, daß sie unsere Freiheit bedrohen. Nur Ängste, Mutmaßungen, Szenarien. (Ich hätte jetzt "paranoide Befürchtungen" geschrieben, wenn ich von Llarian nicht gelernt hätte, daß man das als Beleidigung mißverstehen kann).

Zitat von Rayson
Es gibt keine "natürlichen" Verbündeten für Liberale. Nur unvollkommene und situationsbedingte. Mit den Grünen wird man sich auf diverse Bürgerrechte einigen können, aber bei Kontrollwahn und Regulierung in Folge der von den Grünen bevorzugten "Projekte" nicht mitmachen wollen. Mit der CDU gibt es partiell Übereinstimmung im Bereich der Wirtschaft, aber innenpolitisch einigen Zündstoff, angefangen bei Homoehen bis eben hin zur Internetregulierung. Und in Sachen Sozis ist man irgendwie in allen Politikfeldern gleich weit entfernt, aber nicht jenseits von Kompromissmöglichkeiten.

Da bin ich radikal anderer Meinung. Die Union und die FDP wollen diese Gesellschaft und diese Wirtschaftsordnung erhalten. Die Partei des Demokratischen Sozialismus, wie sich die SPD bekanntlich in ihrem aktuellen Programm nennt, will eben diesen einführen - den demokratischen Sozialismus.

Mit den Grünen könne man sich auf diverse Bürgerrechte einigen, meinst du? Ist dir, lieber Rayson, noch nie aufgefallen, daß die Grünen für die Freiheit allein von Linken und Ökos eintreten, aber nie für die Freiheit Andersdenkender? Zu denen zum Beispiel Evangelikale gehören, die Vorbehalte gegen die Homosexualität haben. Zu denen zum Beispiel die Scientologen gehören.

Nein, lieber Rayson, da kann ich dir wirklich nicht folgen. Wie man mit Sozialisten und Öko-Ideologen gemeinsam mehr Freiheit realisieren können soll, das müßtest du mir wirklich mal erklären. Übrigens auch, was das Herumschnüffeln des Staats in den Privatkonten angeht.

Herzlich, Zettel

F.Alfonzo Offline



Beiträge: 2.292

18.08.2009 04:51
#77 RE: Wahlen '09 (6): Anmerkungen zu Steinmeier, Westerwelle, Merkel Antworten

Hallo Stefanie,

wenn Sie mir 1-2 Kommentare erlauben:

1) Den Merz als typischen Vertreter der deutschen konservativen Politik zu präsentieren, funktioniert nicht wirklich... ansonsten wäre der Mann jetzt zumindest Kandidat auf ein Ministerium (ein Mann, den ich persönlich gerne als Finanzminister gesehen hätte, heute oder später); offensichtlich war er aber (als Vertreter des 'wirtschaftsliberalen Flügels' der CDU, wie man das so nennt) eher so eine Art Verhandlungsmasse in zukünftigen Koalitionsverhandlungen.
Merz hätte gut daran getan, in die FDP zu wechseln, da fehlt's nämlich (skurrilerweise) an Leuten mit ökonomischem Verständnis (auch wenn der Merz nur RA ist... er scheint weniger RA als die FDP-Größen zu sein)

2) Steuerhinterziehung: Westerwelle hat (im Gegensatz zu allen anderen) keine Strafrahmenerhöhung gefordert... ich sehe das als eine bizarre Form des Fortschritts. Damit bleibt die Wahl des kleinsten Übels.

3) Die Union als Bürgerrechtspartei? Sorry, aber da muss ich ein wenig schmunzeln. So wie ich das sehe, kommt der Antrieb zur Radikal-Gesetzgebung überwiegend aus dem schwarzen Ministerlager.
Als Einwohner: Bayern ist nicht umsonst das sicherste Land in der BRD. Das liegt daran, dass man jeden mit Geldbuße bestraft oder ins Gefängnis schmeisst, der nicht in's Bild passt. Das Resultat? Die Gefängnisse in Bayern sind gefüllt mit Schwerverbrechern wie Drogenhändlern (500g Gras in Bayern = 2 Jahre Knast), gefährlichen Individuen ('Im Suff Streit gehabt, dem Typen eine reingehauen, 6 Monate Knast') oder Betrügern (Strafanzeige wegen Schwarzfahren in der U-Bahn, keine Geld um die Strafe zu bezahlen -> Gefängnis).

[btw: Hatte kürzlich selbst mal das Vergnügen, in deutschen Strafanstalten wohnen zu dürfen; mein Fazit: Die Trennung durch Stahltüren ist schon ok, aber man sitzt auf der falschen Seite; die Gefangenen könnte man zu 95% problemlos rauslassen, die Beamten würde ich allerdings im Auge behalten :-)]
Strafvollzug in Bayern: Den Gefangenen in Bayern wird mutwillig jeglicher Luxus, jegliches normales Leben sofort zerstört. In Bayern (nirgendwo anders, außer evtl. in Sachsen, m.W.) darf ein Gefangener keinen CD Player in der Zelle haben; einen Fernseher kann man in jedem Gefängnis mieten, in Bayern kostet er ca. 50% mehr als in Berlin (that is: 8900% of the market price vs. 5000% of the market price); man darf in vielen Gefängnissen nicht mal Mehl kaufen (Mehlstaub = expolisiv = Bombenmaterial, kein Witz). Die Gefangenen müssen genauso viel arbeiten wie in bspw. NRW, dürfen aber nur über einen Bruchteil des verdienten Gelds selbst verfügen (m.W.: Berlin: 70 Euro/Monat, Bayern: 40 Euro/Monat, bei mit freiem Markt vergleichbarem Preislevel). In Bayern wird man in den Kerker geschmissen, wenn man sei Frühstück barfuß, nicht in Schuhen entgegennimmt (auch kein Witz), usw... Der konservative Haudrauf-Staat.

Nicht meine Welt, wenn Sie mich fragen...
...aber vielleicht müssen Sie selbst ja mal ins Visier der großartigen konservativen Politik geraten, bevor Sie das verstehen... auch kein Witz.

Schöne Grüße
. F.Alfonzo

R.A. Offline



Beiträge: 8.171

18.08.2009 11:36
#78 RE: Wahlen '09 (6): Anmerkungen zu Steinmeier, Westerwelle, Merkel Antworten

@F.Alfonzo:
Irgendwie vermag ich bei der Schilderung bayrischer Gefängniszustände keinen Skandal zu erkennen. Sondern ich frage mich umgekehrt, ob es in anderen Bundesländern sinnvoll ist, wenn offenbar normales Leben bis hin zum Luxus für Strafgefangene üblich ist.
Der Verzicht auf einen CD-Spieler verstößt nicht gegen die Menschenwürde (und das ist die wesentliche Schranke), ansonsten ist der Sinn und Zweck eines Gefängnisaufenthalts nicht der, dort ein angenehmes Leben zu führen.

Gorgasal Online




Beiträge: 4.095

18.08.2009 11:45
#79 RE: Wahlen '09 (6): Anmerkungen zu Steinmeier, Westerwelle, Merkel Antworten

Zitat von F.Alfonzo
'Im Suff Streit gehabt, dem Typen eine reingehauen, 6 Monate Knast'

Wenn ich abends ein Bier trinken gehe, dann bin ich ganz glücklich, wenn Zeitgenossen, die im Suff prügeln, weggesperrt sind. Dann habe ich ein nicht ganz so mulmiges Gefühl, wenn mich ein Betrunkener anmacht.

--
Ultramontan – dies Wort beschreibt vorzüglich die katholische Mentalität: mit einem kleinen Teil des Bewusstseins nicht Deutscher, nicht Zeitgenosse, nicht Erdenbürger zu sein. - Martin Mosebach, Spiegel 7/2009

Zettel Offline




Beiträge: 20.200

18.08.2009 22:24
#80 Strafe Antworten

Zitat von F.Alfonzo
Strafvollzug in Bayern: Den Gefangenen in Bayern wird mutwillig jeglicher Luxus, jegliches normales Leben sofort zerstört.

Ein Jurist hat mir, lieber F. Alfonzo, einmal gesagt, daß Strafe als ein "empfindliches Übel" definiert sei.

Das leuchtet mir ein. Die Strafe soll ja Sühne sein, sie soll sodann den Betreffenden und Andere (Generalprävention) davon abhalten, die Gesetze zu übertreten.

Eine Strafe, bei deren Verbüßung das normale Leben weitergeht und man Luxus in Anspruch nehmen kann, wäre aus meiner Sicht kein empfindliches Übel.

Herzlich, Zettel

Gorgasal Online




Beiträge: 4.095

18.08.2009 22:30
#81 RE: Strafe Antworten

Einer der Charaktere in Heinleins Starship Troopers drückt es so aus:

Zitat von Lt Col Dubois
I do not understand the objections to 'cruel and unusual' punishment. While a judge should be benevolent in purpose, his awards should cause the criminal to suffer, else there is no punishment--and pain is the basic mechanism built into us by millions of years of evolution which safegaurds us by warning when something threatens our survival. Why should society refuse to use such a highly perfected survival mechanism?

--
Ultramontan – dies Wort beschreibt vorzüglich die katholische Mentalität: mit einem kleinen Teil des Bewusstseins nicht Deutscher, nicht Zeitgenosse, nicht Erdenbürger zu sein. - Martin Mosebach, Spiegel 7/2009

Zettel Offline




Beiträge: 20.200

18.08.2009 23:35
#82 RE: Strafe Antworten

Zitat von Gorgasal
Einer der Charaktere in Heinleins Starship Troopers drückt es so aus:
Zitat von Lt Col Dubois
I do not understand the objections to 'cruel and unusual' punishment. While a judge should be benevolent in purpose, his awards should cause the criminal to suffer, else there is no punishment--and pain is the basic mechanism built into us by millions of years of evolution which safegaurds us by warning when something threatens our survival. Why should society refuse to use such a highly perfected survival mechanism?



Leider, lieber Gorgasal, kenne ich weder den Autor noch - logischerweise - das Buch. Es klingt mir nach Science Fiction Action, stimmt das?

Mit diesem "Charakter" (im Deutschen also dieser Figur, wenn Sie mir die kleine Beckmesserei verzeihen ) bin ich allerdings überhaupt nicht einer Meinung.

Diese Figur zitiert ja die amerikanische Verfassung, die "cruel and unusual punishment" verbietet (Amendment 8, ratifiziert am 15. Dezember 1791). Geschrieben in einer Zeit also, in der Folter und bestialische Hinrichtungen noch keineswegs verschwunden waren. Keine vierzig Jahre zuvor war Robert-François Damiens in einer barbarischen, stundenlangen öffentlichen Tortur gevierteilt worden.

Das ist in diesem Verfassungszusatz gemeint; und nicht das humane, nur eben nicht luxuriöse Gefängnis, das ich für richtig halte.

Herzlich, Zettel


Calimero ( gelöscht )
Beiträge:

19.08.2009 02:01
#83 RE: Strafe Antworten

Zitat von Zettel
Ein Jurist hat mir, lieber F. Alfonzo, einmal gesagt, daß Strafe als ein "empfindliches Übel" definiert sei.
Das leuchtet mir ein. Die Strafe soll ja Sühne sein, sie soll sodann den Betreffenden und Andere (Generalprävention) davon abhalten, die Gesetze zu übertreten.
Eine Strafe, bei deren Verbüßung das normale Leben weitergeht und man Luxus in Anspruch nehmen kann, wäre aus meiner Sicht kein empfindliches Übel.


Ich glaube nicht, dass staatlich angeordnete Freiheitsberaubung irgendwelchen Raum für Luxus, oder ein normales Leben bietet. Egal, ob da nun ein Fernseher oder ein CD-Player in der Zelle steht. Der eigenen Freiheit beraubt zu werden ist die Hölle. Ich war nie im Knast und möchte da auch nicht hin, egal in welchem Bundesland.

Wir haben hier in Deutschland m.E. aber das Primat der Resozialisierbarkeit, welches vor der Sühne steht (Rechtsgelehrte mögen mich korrigieren). Wenn man jetzt Knackis ohne "Luxus" in ein dunkles Verlies würfe, würden die eher früher als später durchdrehen ... dann wär's aus mit der erwünschten Resozialisation.

Wenn ich nun F.Alfonzos Beitrag lese, empfinde ich kaum Mitleid, da ich den Grund für die Einfuhr nicht kenne. Im Suff auf's Maul, oder 'ne Drogengeschichte? Falschparken, oder raubkopieren? Keine Ahnung.

Überhaupt ist die Strafjustiz hierzulande etwas schwammig. Während der bekloppte Horst Mahler wegen eines Gesinnungsverbrechens für sechs Jahre einfährt, werden jugendliche (anscheinend ein sehr dehnbarer Begriff) Intensivstraftäter mit Bewährungsstrafen/Geldbußen/Sozialstunden belegt. Man will ja keinem die Resozialisation erschweren. Auch Abschiebung nach dreijähriger Haft mag man ja keinem zumuten.

Auch wenn mich die "Kopf ab, Schwanz ab"-Fraktion anwidert, muss ich dennoch zugeben, dass mich manche Gerichtsurteile einfach ärgern, weil ich sie als ungerecht empfinde. Da wird eher auf den Täter, als auf die Opfer geachtet.

Wenn es nach mir ginge, würde ich als zweitniedrigste Stufe nach der Geldbuße den Pranger wieder einführen (natürlich nur mit polizeilichem Schutz). Ich kann mir kaum etwas Erzieherischeres vorstellen.

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... und im übrigen sollte sich jeder, der sich um die Zukunft Sorgen macht, mal zehn-, bis zwanzig Jahre alte Sci-Fi-Filme ansehen.

Gorgasal Online




Beiträge: 4.095

19.08.2009 08:51
#84 RE: Strafe Antworten

Zitat von Zettel
Leider, lieber Gorgasal, kenne ich weder den Autor noch - logischerweise - das Buch. Es klingt mir nach Science Fiction Action, stimmt das?

Recht haben Sie. Das Buch kam hier unlängst in einem anderen Thread zur Sprache.

Zitat von Zettel
Mit diesem "Charakter" (im Deutschen also dieser Figur, wenn Sie mir die kleine Beckmesserei verzeihen )

Ich verzeihe, ich verzeihe. Heute nacht in einer schlaflosen Stunde ist mir auch schon eingefallen, dass ich hier anglizisiert habe, aber jetzt kann ich das ja nicht mehr gut ändern...

Zitat von Zettel
Geschrieben in einer Zeit also, in der Folter und bestialische Hinrichtungen noch keineswegs verschwunden waren. Keine vierzig Jahre zuvor war Robert-François Damiens in einer barbarischen, stundenlangen öffentlichen Tortur gevierteilt worden.

Auch damit haben Sie recht. In dem Buch verteidigt die Figur damit körperliche Bestrafung: Auspeitschung unter medizinischer Aufsicht. Und nein, das propagiere ich jetzt ausdrücklich nicht.

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Ultramontan – dies Wort beschreibt vorzüglich die katholische Mentalität: mit einem kleinen Teil des Bewusstseins nicht Deutscher, nicht Zeitgenosse, nicht Erdenbürger zu sein. - Martin Mosebach, Spiegel 7/2009

Zettel Offline




Beiträge: 20.200

19.08.2009 15:53
#85 RE: Strafe Antworten

Zitat von Calimero
Wir haben hier in Deutschland m.E. aber das Primat der Resozialisierbarkeit, welches vor der Sühne steht (Rechtsgelehrte mögen mich korrigieren). Wenn man jetzt Knackis ohne "Luxus" in ein dunkles Verlies würfe, würden die eher früher als später durchdrehen ... dann wär's aus mit der erwünschten Resozialisation.

Eine Haftstrafe, lieber Calimero, ist ungefähr so geeignet, jemanden zu resozialisieren, wie eine Schlemmerreise ins Elsaß sich als Abmagerungskur eignet. Allein die Knasthierarchie - ganz oben die harten Berufsverbrecher, ganz unten die kleinen Eierdiebe - macht es jedem deutlich, wie man erfolgreich ist.

Zitat von Calimero
Wenn ich nun F.Alfonzos Beitrag lese, empfinde ich kaum Mitleid, da ich den Grund für die Einfuhr nicht kenne. Im Suff auf's Maul, oder 'ne Drogengeschichte? Falschparken, oder raubkopieren? Keine Ahnung.
Überhaupt ist die Strafjustiz hierzulande etwas schwammig. Während der bekloppte Horst Mahler wegen eines Gesinnungsverbrechens für sechs Jahre einfährt, werden jugendliche (anscheinend ein sehr dehnbarer Begriff) Intensivstraftäter mit Bewährungsstrafen/Geldbußen/Sozialstunden belegt. Man will ja keinem die Resozialisation erschweren. Auch Abschiebung nach dreijähriger Haft mag man ja keinem zumuten.

Was die Abschiebung angeht, stimme ich Ihnen zu (zumal man in anderen Fällen damit nicht zimperlich ist; heute Morgen war im Morgenmagazin ein Kurde zu sehen, in Deutschland geboren, der nur deshalb abgeschoben werden soll, weil er zu lange in die Türkei gereist war und dadurch sein Aufenthaltsrecht verloren hat; jedenfalls laut seiner Darstellung).

Ansonsten möchte ich aber zu bedenken geben, daß Maßnahmen unterhalb der Haftstrafe vielleicht eine gewisse Chance bieten, eine kriminelle Karriere doch noch zu verhindern; während die Haft ... siehe oben.

Zitat von Calimero
Wenn es nach mir ginge, würde ich als zweitniedrigste Stufe nach der Geldbuße den Pranger wieder einführen (natürlich nur mit polizeilichem Schutz). Ich kann mir kaum etwas Erzieherischeres vorstellen.

Zu den Errungenschaften der Aufklärung gehört allerdings, daß man derartige erniedrigende Strafen abgeschafft hat.

Inzwischen gibt es ja etwas Ähnliches wieder in den USA in Bezug auf Sexualstraftäter.

Herzlich, Zettel

R.A. Offline



Beiträge: 8.171

19.08.2009 17:25
#86 RE: Strafe Antworten

Zitat von Zettel
Eine Haftstrafe, lieber Calimero, ist ungefähr so geeignet, jemanden zu resozialisieren, wie eine Schlemmerreise ins Elsaß sich als Abmagerungskur eignet.

Das ist meistens so. Vielleicht ist es auch immer und unvermeidlich so - obwohl ich mir da schon Varianten vorstellen könnte, wie Resozialisierung trotz bzw. in der Haft funktionieren könnte.

Auf jeden Fall: Die Resozialisierung hängt bestimmt NICHT an CD-Playern oder einem schönen Stundenlohn für die Arbeit im Gefängnis.

Calimero ( gelöscht )
Beiträge:

19.08.2009 18:27
#87 RE: Strafe Antworten

Zitat von Zettel

Zu den Errungenschaften der Aufklärung gehört allerdings, daß man derartige erniedrigende Strafen abgeschafft hat.
Inzwischen gibt es ja etwas Ähnliches wieder in den USA in Bezug auf Sexualstraftäter.



Lieber Zettel,

die Praktik des Internet-Prangers lehne ich kategorisch ab, da sie die betroffene Person ultimativ aus der Gemeinschaft verstößt. Auch die Todesstrafe oder das islamische Verstümmeln von Gliedmaßen widert mich so an, weil es ultimative, nicht rückgängig zu machende Strafen sind.

Dass ich für meine leichtfertige Pranger-Erwähnung zumindest von ihnen ein contra bekomme, war mir allerdings klar. Sie sollten es aber mal aus Täterperspektive sehen, wenn sie vor einer geplanten Straftat eine Grenzrisikobetrachtung anstellen.
Welchen Nutzen kann ich bei einem Erfolg verbuchen? Wie groß ist das Risiko, bei meiner Tat erwischt zu werden? Was kann mir passieren, wenn ich gefasst werde?

Nehmen wir mal einen jugendlichen Täter. Da wird das Risiko schon mal etwas unterschätzt, aber die möglichen Konsequenzen sind ja soo schlimm nun auch nicht. Geldbuße? Wird die Familie schon irgendwie aufbringen. Sozialstunden? Ähem ... die müssen ja eh bei Gutmenschenorganisationen abgeleistet werden, das wird auch nicht so wild sein. Jugendknast? Will bestimmt keiner, aber andererseits bringt's in bestimmten Kreisen sogar Rennomeé.

Dazu kommt ja noch, dass der gesamte Strafermittlungs- und Rechtsfindungsprozess sich lange hinzieht und in zivilen, bürokratischen Bahnen verläuft. Alles weit weg von der Straftat und hinter verschlossenen Türen verhandelt. Mehr oder minder anonym, wie auch die anschließende Strafverbüßung. Abschreckend? Wohl eher nicht so richtig.

Nun aber die Gefahr, wirklich am Pranger stehen zu müssen. Öffentlich ausgestellt, unfrei, dem Schutz der Staatsgewalt bedürftig, während die freien Bürger eisleckend an einem vorbeigehen, starren und tuscheln. Eine Horrorvorstellung, gerade für jugendliche "harte Kerle".
Abschreckwirkung? Maximal. Aufwand? Minimal.

Ich bin persönlich ja auch gegen jede Art der Erniedrigung, gerade auch von Staats wegen - aber die psychische Bestrafung durch das temporäre Aufsehen der eigenen Mitbürger stelle ich mir schon sehr abschreckend vor. Da passiert etwas im Inneren - Nachdenken über die Tat, an die Familienehre, Scham, eventuell Reue und der Vorsatz nie wieder in eine solche Situation zu geraten.

Am Wichtigsten - es ist keine ultimative Strafe und nach ein paar demütigenden Stunden vorbei. Das Gesicht des Delinquenten dürfte den meisten Vorbeilaufenden auch relativ schnell entfallen sein.

Nun ja, ist halt nur so ein Gedankenspiel von mir. Ich will natürlich nicht die Errungenschaften der Aufklärung abschaffen.

Beste Grüße, Calimero

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Zettel Offline




Beiträge: 20.200

19.08.2009 18:51
#88 RE: Strafe Antworten

Zitat von Calimero
Nun ja, ist halt nur so ein Gedankenspiel von mir.

So habe ich es auch verstanden, lieber Calimero.

Der Sinn des Prangers war ja zum einen, den Delinquenten zu entehren. Wer einmal am Pranger gestanden hatte, der galt nichts mehr. Zum anderen gehörte dazu, daß das Volk an dem Delinquenten sein Mütchen kühlen durfte und sollte - ihn beschimpfen, ihn anspucken war noch das Mindeste. Es wurde auch schon mal nach ihm geworfen oder auf ihn eingeschlagen. Der Pranger war also auch ein Ventil für die Aggressionen der braven Bürger.

Hinter beidem steckt voraufklärerisches Denken. Das Denken, das uns heute am häufigsten in der islamischen Welt begegnet.

Also, lieber Calimero, gut, daß Sie nur gedankengespielt haben.

Herzlich, Zettel

Calimero ( gelöscht )
Beiträge:

19.08.2009 19:51
#89 RE: Strafe Antworten

Lieber Zettel,

ich würde nichtmal gedankenspielerisch jemanden dem Zorn des Mobs überlassen wollen, daher habe ich auch explizit auf polizeilichen Schutz und die anwesende Staatsgewalt hingewiesen (auch ein Fotoverbot gehört für mich dazu). Es geht mir in meinem Gedankenspiel lediglich um eine evtl. psychisch effektive Strafmöglichkeit, nicht um die Wiedererweckung mittelalterlicher Bestrafungen. Brrh ... grauslich, woran sie dabei denken.

Das musste ich jetzt aber mal schnell nachschieben, bevor ich weiter missverstanden werde.

Herzlich, Calimero

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Gorgasal Online




Beiträge: 4.095

19.08.2009 20:21
#90 RE: Strafe Antworten

Darf ich mal dazwischenmiesepetern?

Zitat von Zettel
Der Sinn des Prangers war ja zum einen, den Delinquenten zu entehren. Wer einmal am Pranger gestanden hatte, der galt nichts mehr. Zum anderen gehörte dazu, daß das Volk an dem Delinquenten sein Mütchen kühlen durfte und sollte - ihn beschimpfen, ihn anspucken war noch das Mindeste. Es wurde auch schon mal nach ihm geworfen oder auf ihn eingeschlagen. Der Pranger war also auch ein Ventil für die Aggressionen der braven Bürger.

Hinter beidem steckt voraufklärerisches Denken.


Mich würde interessieren, wo Sie die Verknüpfung zwischen der Aufklärung und der Ablehnung des Prangers sehen.

Ich bin ja nicht so gebildet und habe mir jetzt einmal die Wikipedia-Seite zur Aufklärung angeschaut. Da finde ich irgendwie nichts über Strafen, Menschenwürde und dergleichen, nur sehr viel über kritisches Denken, Zweifeln und Toleranz gegenüber anderen Religionen. Alles prima vereinbar mit dem Pranger.

Und dann habe ich mich an Exponenten der Aufklärung erinnert wie Robespierre, Saint-Just und das ganze Comité de salut public, zu deren Zeitvertreiben es anscheinend gehörte, neben der Abfassung gelehrter Abhandlungen zur Beantwortung von Fragestellungen der Akademien aus dem Fenster zu schauen, wo gerade Verurteilte in offenen Wagen durch den johlenden Mob zur Guillotine gefahren wurden und dabei seitens der aufgeklärten Menge eine ganz ähnliche Behandlung erfuhren wie zuvor Menschen im Pranger.

Mit Verlaub: manchmal könnte mich der Eindruck überkommen, der Begriff "Aufklärung" würde als Synonym für "Zivilisation" oder "alles, was mir persönlich gut gefällt" verwendet und diverse weniger appetitliche Seiten der Aufklärung ausgeblendet... Aber damit meine ich natürlich keine Anwesenden, fern sei das von mir!

Und Zettel: Sie wissen schon, woran ich jetzt denke, gell?

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Zettel Offline




Beiträge: 20.200

20.08.2009 00:21
#91 Aufklärung Antworten

Zitat von Gorgasal
Und dann habe ich mich an Exponenten der Aufklärung erinnert wie Robespierre, Saint-Just und das ganze Comité de salut public, zu deren Zeitvertreiben es anscheinend gehörte, neben der Abfassung gelehrter Abhandlungen zur Beantwortung von Fragestellungen der Akademien aus dem Fenster zu schauen, wo gerade Verurteilte in offenen Wagen durch den johlenden Mob zur Guillotine gefahren wurden und dabei seitens der aufgeklärten Menge eine ganz ähnliche Behandlung erfuhren wie zuvor Menschen im Pranger.

Robespierre und Saint-Just, lieber Gorgasal sind ungefähr so repräsentativ für die Aufklärung, wie der Papst Alexander VI Borgia repräsentativ für das Christentum war.

Den meisten fällt ja zur Auflärung Voltaire ein; der nun gewiß ein erfolgreicher Schriftsteller war, aber zum Denken der Aufklärung kaum etwas beigetragen hat. Aber nun gar Robespierre und Saint-Just ...

Zitat von Gorgasal
Mit Verlaub: manchmal könnte mich der Eindruck überkommen, der Begriff "Aufklärung" würde als Synonym für "Zivilisation" oder "alles, was mir persönlich gut gefällt" verwendet und diverse weniger appetitliche Seiten der Aufklärung ausgeblendet...

Ja, sowas gibt es vermutlich. Es gibt auch Leute, die halten jeden für einen Christen, der sich aufs frömmelnde Heucheln versteht.

Die Aufklärung hat ihre Wurzeln im Humanismus des 16. Jahrhunderts und im cartesianischen Rationalismus und Skeptizismus, mit der doppelten Maxime: Nur das darf als wahr akzeptiert werden, was dem kritischen Zweifel standhält und das man klar und deutlich sich vorstellen und aussagen kannt.

Aus meiner Sicht (die Grenzen werden verschieden gezogen) waren die ersten großen Aufklärer auf dem Kontinent Montesquieu, Leibniz und sein (geistiger) Schüler Christian Wolff, dem zu Ehren ZR seinen Untertitel hat. Auf der Insel begann die Frühaufklärung mit Thomas Hobbes und erlebte einen ersten Höhepunkt mit Leibniz' Zeitgenossen John Locke. In der Auseinandersetzung zwischen Leibniz und Locke findet man die beiden Grundelemente des cartesianischen Denkens vertreten: Leibniz steht für den cartesianischen Rationalismus, Locke für Descartes' Skeptizismus.

Diese Auseinandersetzung durchzieht dann das ganze 18. Jahrhundert; mit Hume auf der einen und Diderot und Rousseau auf der anderen Seite. Bis Kant (jaja, Kant ... ) die beiden Positionen in seinem skeptischen Rationalismus integrierte.



Sie werden vielleicht einwenden, lieber Gorgsal, diese pocket history unterschlage aber den politischen Aspekt. Keineswegs. Hobbes, Locke und Hume waren (auch) politische Theoretiker; ebenso natürlich Diderot und Rousseau.

In beiden Strömungen - der britischen und der kontinentalen - stand das autonome Individuum im Mittelpunkt, das sich durch einen freiwilligen Vertrag in die Gesellschaft einordnet (diesen Gedanken findet man sowohl bei Hobbes auf der einen als auch bei Rousseau auf der anderen Seite; freilich einmal mit der Gesellschaft im Fokus und einmal dem Individuum). Die Gesellschaft sollte vernünftig organisiert werden; also beispielsweise ohne Strafen, die allein der Rache dienen, die also keinen vernünftigen Grund haben.

Womit ich endlich beim Pranger bin. Eine der ersten Aufklärer in Deutschland war Friedrich Spee, der gegen Folter und Hexenwahn kämpfte. Daß auch der Verbrecher eine Menschenwürde besitzt, war ein Grundgedanke der gesamten Aufklärung. Ich könnte Ihnen aus dem Stegreif allerdings jetzt keine Äußerungen einzelner Autoren zitieren; da müßte ich nachsehen.

Herzlich, Zettel

F.Alfonzo Offline



Beiträge: 2.292

20.08.2009 00:29
#92 RE: Wahlen '09 (6): Anmerkungen zu Steinmeier, Westerwelle, Merkel Antworten

@ all: Wenn Sie mir ein paar Kommentare erlauben:

1) Das schlimmste an einem Gefängnisaufenthalt ist in der Tat nicht der Verzicht auf Luxusgüter (der Begriff 'Luxus' ist in dem Fall sowieso zynisch; Luxus bedeutet hier, dass man Zugang zu simplen Medien wie einer gebrauchten Tageszeitung hat, die irgendjemand vor 3 Tagen weggeworfen hat, um feststellen zu können, ob außerhalb der Mauern inzwischen ein Atomkrieg tobt oder nicht; wer meint, dass Häftlinge im Luxus leben, dem sei gesagt, dass man dem anderen Häftling in der Zelle i.d.R. beim Toilettengang zusehen kann; natürlich werden auch alle anderen Sinne in Mitleidenschaft gezogen).
Das schlimme ist die Langeweile. Aus diesem Grund dürften wohl 80% der Insassen regelmäßig Betäubungsmittel konsumieren (wer außerhalb der Mauern keinen Kontakt damit hatte, wird ihn spätestens in der Haft haben); das hilft, die Zeit zu vertreiben und den Kopf abzuschalten (Sie können sich gar nicht vorstellen, wie lang ein Tag sein kann; man wird innerhalb kürzester Zeit wahnsinnig und Läuft in der Zelle hin und her, wie man das von Tieren im Zoo kennt). Ob das dann sinvoll für die Resozialisation ist, wage ich zu bezweifeln; ein CD-Player oder Fernseher (zu Marktpreisen(!), nicht geschenkt, aber auch nicht zu Wucherpreisen) wäre da vielleicht nicht ganz so schädlich.

2) Die Auge-um-Auge-Apologeten vergessen gerne, dass in den Haftanstalten ja nicht nur verurteilte Straftäter sitzen. Etwa ein Drittel der Insassen dürften Leute in Untersuchungshaft sein, die dort (mangels Mittel für einen ordentlich Strafverteidiger, oder Mangels Kenntnis der deutschen Sprache) oft monatelang ohne ein Urteil einsitzen. Wenn man dann nach 4 Monaten vor dem Gericht landet und freigesprochen wird, bekommt man glaub ich 7-8 Euro Haftentschädigung pro Tag; ein schwacher Trost für Leute, die dann Job, Wohnung und evtl. Familie verloren haben.
Das Problem hier ist, dass die Verhältnismäßigkeitsprüfung (bei Beantragung eines Haftbefehls) ein Witz ist, bzw. nur rein theoretisch existiert. Der Staatsanwalt kann ja in den Antrag reinschreiben, was er will, und ich wette, dass 90% der Richter nicht eine Zeile in den Ermittlungsakten lesen, bevor sie den Wisch unterschreiben.

P.S.: Nur mal am Rande, um die Absurditäten aufzuzeigen: Der Haftbefehl gegen mich wurde beantragt, weil ich angeblich nicht gemeldet/auffindbar war (was beides falsch ist). Zu diesem Zweck war irgendwann ein Polizist bei meiner Wohnung, der ins Protokoll geschrieben hat: "Der Name xyz steht am Briefkasten und an der Wohnungstür. Die Person xyz wohnt hier nicht."
Offensichtlich haben weder der Staatsanwalt, noch der Richter den Widerspruch erkannt. Oder, um meine Theorie nochmals zu verdeutlichen: Es hat niemanden interessiert. Erst mal verhaften, den Kerl, dann kann man ja mal weitersehen, so in einem halben Jahr. Das schöne ist auch, dass man man die Beschuldigten mit der U-Haft auch erpressen kann, das läuft dann so ab: 'gestehen Sie irgendwas, dann lass ich sie aus der U-Haft raus. Dürfte für die meisten Menschen lohnender sein, als auf ihrem Recht zu schweigen zu bestehen und dadurch ihren Job zu verlieren, nicht wahr?

Wenn ich dann irgendwelche Stammtischparolen von wegen 'Strafvollzugsverschärfung' und 'härtere Strafen' höre, hoffe ich immer, dass diese Leute selbst mal das Vergnügen haben werden, in die Mühlen der deutschen Justiz zu geraten. Geht schneller als man denkt.

F.Alfonzo

Grüße,
F.Alfonzo

Gorgasal Online




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20.08.2009 11:15
#93 RE: Aufklärung Antworten

Vielen Dank, werter Zettel, für die ausführliche Antwort! Ich glaube, wir sind wieder bei der Diskussion am Ende des besagten früheren Threads, insofern übe ich mich jetzt wieder in Geduld und warte darauf, dass Sie mir Kant und die Fundierung einer Moral auf dem Kategorischen Imperativ erläutern...

Zitat von Zettel
Daß auch der Verbrecher eine Menschenwürde besitzt, war ein Grundgedanke der gesamten Aufklärung.


Anscheinend ist da der Wikipedia-Artikel dann denkbar falsch, vielleicht möchten Sie ihn mit schönen Quellenangaben erweitern, damit nachfolgende Generationen mehr lernen als ich?

Mir ist allerdings nach wie vor nicht klar, wie die Menschenwürde des Verbrechers aus dem sapere aude folgt, aber das werden Sie mir ja eines Tages erklären, siehe oben. Ich rechne mit einer schwierigen Herleitung, immerhin hat dieser Grundgedanke der gesamten Aufklärung sich in Frankreich während der Terreur offensichtlich vielen Aufklärern nicht unmittelbar erschlossen, nicht nur Robespierre und Saint-Just...

Zuguterletzt: dass jeder Mensch eine Menschenwürde besitzt, ist meines Erachtens ein Grundgedanke des Christentums, von dem die Aufklärung gezehrt hat.

--
Ultramontan – dies Wort beschreibt vorzüglich die katholische Mentalität: mit einem kleinen Teil des Bewusstseins nicht Deutscher, nicht Zeitgenosse, nicht Erdenbürger zu sein. - Martin Mosebach, Spiegel 7/2009

R.A. Offline



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20.08.2009 12:44
#94 RE: Wahlen '09 (6): Anmerkungen zu Steinmeier, Westerwelle, Merkel Antworten

@F.Alfonzo:
Danke für diesen Beitrag, wir sind doch nicht so weit auseinander, wie mir das nach dem Lesen des ersten Beitrags vorkam.

1.) Mal abgesehen davon, daß auch eine gewisse Portion Langeweile Teil der Strafe sein kann - ich habe mich natürlich nicht generell gegen Mediennutzung ausgeprochen.
Die Frage sollte halt sein, in welcher Form und in welchem Ausmaß die sinnvoll und angemessen ist. Die Möglichkeit zur Zeitungslektüre halte ich eigentlich für selbstverständlich, ein beliebig langes Abhängen vor der Glotze dagegen (auch außerhalb von Gefängnissen) eher für problematisch.
Ist halt die Frage, ob man neben der reinen Strafabschreckung noch weitere Ziele für erreichbar hält, ob man also an die Möglichkeit einer gewissen Erziehung oder "Resozialisierung" glaubt.
Ein weites Feld, hier wohl nicht ausdiskutierbar.
Nur mal so eine spontane Idee: Bei über 70.000 Strafgefangenen in Deutschland könnte sich der deutsche Staat durchaus mal überlegen, ob ein spezieller Fernsehkanal mit geeigneten Inhalten nicht eine gute Investition wäre.

2.) Ganz klar ist: Strafe darf es nur für rechtskräftig Verurteilte geben, Untersuchungshaft ist etwas völlig anderes.
Bei U-Haft darf es nur darum gehen, einen Verdächtigen an Flucht oder Verdunkelung zu hindern - ansonsten sollte es ihm so gut gehen, wie angesichts dieser Rahmenbedingungen nur möglich.
M. W. ist eine weitgehende Mediennutzung bei Untersuchungshäftlingen auch üblich (wenn DAS in Bayern anders ist, wäre das skandalös).
Ich fand es auch völlig richtig, daß eine reine U-Haftanstalt wie Weiterstadt (bei uns vor der Haustür) über Sportplatz und Schwimmbad verfügt (das wurde an den Stammtischen natürlich heftigst kritisiert).

3.) Das mit dem Haftbefehl ist wieder so ein Ding.
Unser lieber Gastgeber hat ja ein überaus optimistisches Bild vom Rechtstaat Deutschland, wir hatten schon einige Diskussionen dazu. Wobei Zettel natürlich recht hat, daß die Regeln grundsätzlich ok sind. Und die meisten Juristen und Polizisten werden die wohl auch vernünftig regeln.
Aber es gibt wohl leider genügend Fälle wie in Ihrem Beispiel, wo grobe Fehler oder böse Absicht der Verantwortlichen krass gegen rechtsstaatliche Grundsätze verstoßen.

Wobei beides natürlich in jedem System vorkommen wird, Perfektion gibt es im menschlichen Leben nicht.
Aber ich sehe heftige Defizite beim Umgang damit.
Einerseits bekommen die unschuldigen Opfer solcher Fehler/bösen Absichten so gut wie keine Entschädigung.
Und andererseits haben die Täter fast völlige Narrenfreiheit - selbst wenn bei einem Polizist/Richter/Staatsanwalt wiederholt schwere Verstöße vorkommen, muß er eigentlich keine Konsequenzen fürchten.

Auch in Ihrem Fall haben ja wohl mindestens drei Leute heftigen Mist gebaut - und ich gehe mal davon aus, daß das überhaupt keine Folgen für sie hatte.

Zettel Offline




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20.08.2009 15:45
#95 RE: Aufklärung Antworten

Zitat von Gorgasal
Anscheinend ist da der Wikipedia-Artikel dann denkbar falsch

Naja, er ist halt oberflächlich wie viele Artikel in der deutschen Wikipedia. Gymnasialniveau, allenfalls. Die britische, vor allem die schottische Aufklärung kommt zB überhaupt nicht vor; dabei wäre Kant ohne Hume undenkbar. (Hume kommt nur in der Liste "bekannter Aufklärer" vor, aber nicht im Text). Von der französischen Revolution ist die Rede, aber nicht von der amerikanischen, die viel mehr als die französische die Gedanken der Aufklärung in politisches Handeln umsetzte.

Zitat von Gorgasal
Mir ist allerdings nach wie vor nicht klar, wie die Menschenwürde des Verbrechers aus dem sapere aude folgt

Dieses Motto ist ja nur ein methodischer Ausgangspunkt. Was an Wissen sich aus diesem Mut ergibt, ist damit nicht präjudiziert.

Von Hobbes bis Rousseau war ein zentrales Thema das Verhältnis zwischen dem Individuum, der Gesellschaft und der Moral. Die gesellschaftlichen Verhältnisse wurden nicht als gottgegeben angesehen (was man hier wörtlich nehmen kann: Der absolute Herrscher war dies ja "von Gottes Gnaden"); sondern als Vereinbarung zwischen Individuen. (Man wollte es so; faktisch war es natürlich nicht so).

Eine solche Vereinbarung zwischen Individuen ("Gesellschaftsvertrag") schließt aber gegenseitige Anerkennung ein; wir hatten das schon beim Thema "Respekt". Wenn ich Rechte in Anspruch nehmen will, dann muß ich sie auch dem anderen zubilligen. Daraus entsteht das Konzept des autonomen, selbstverantwortlichen Individuums, das bei Kant weniger in gesellschaftstheoretischer als in ethischer Hinsicht ausgearbeitet wurde.

Alle Menschen sind kraft ihrer Natur, ihres Menschseins, solche selbstverantwortlichen Individuen. Also auch der Verbrecher; nur deshalb kann man ihn ja bestrafen, weil er für seine Taten verantwortlich ist. Das bedeutet aber auch, daß er durch das Verbrechen seine Menschenwürde nicht verliert.

Herzlich, Zettel

F.Alfonzo Offline



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21.08.2009 19:29
#96 RE: Wahlen '09 (6): Anmerkungen zu Steinmeier, Westerwelle, Merkel Antworten

@ R.A.:

zu 1) Die Frage, ob Häftlinge Zugang zu Medien haben dürfen, muss eigentlich nicht diskutiert werden, weil das schon gesetzlich geregelt ist: Ein Gefangener muss (auf eigene Rechnung) einen Fernseher oder eine Tageszeitung kaufen dürfen. Fehlem ihm die finanziellen Mittel, steht ihm etwas zu, was man 'Sozial-Radio' nennt, das heisst die Haftanstalt muss ihm ein Radio zur Verfügung stellen.
So viel zur Theorie.
Nun zur Praxis: Eine Haftanstalt ist ja eine Behörde, d.h. alles, aber auch wirklich alles muss schriftlich beantragt werden. Das führt zunächst mal dazu, dass es (selbst wenn man sofort nach der Inhaftierung einen Antrag stellt) mitunter gut und gerne 2-4 Wochen dauern kann, bis dieser Antrag bearbeitet wird. Hängt in erheblichem Ausmaß davon ab, wie beliebt man bei den Stationsbeamten ist (es kann mitunter auch passieren, dass ein Antrag 'verschwindet', hab ich auch erlebt). Das ist aber ein Problem, welches von deutsch sprechenden Gefangenen relativ schnell (= in 2-3 Monaten) gelöst werden kann, wenn man sich mit den Stationsbeamten verständigen kann.

Ein Ausländer weiss aber mitunter nicht mal, was ein Antrag ist, geschweige denn, dass man einen Stellen muss, und dies in deutscher Sprache. Es gibt Sozialarbeiter im Gefängnis, die einem das System (widerwillig) erklären, vorausgesetzt, man hat einen schriftlichen Antrag auf ein Gespräch mit dem Sozialarbeiter gestellt. Du merkst, worauf ich hinaus will? Die einzigen Ansprechpartner und Helfer in einer Haftanstalt sind die Mitgefangenen (sofern man sich mit diesen einigermaßen verständigen kann). Es kann Monate dauern, bis ein Gefangener überhaupt einigermaßen über seine Rechte aufgeklärt wurde (und dies von Leuten, die gegen geltendes Recht verstoßen haben).

zu 2) Untersuchungsgefangene werden genauso untergebracht und behandelt wie Strafgefangene (das ist übrigens in ganz Deutschland so, ich hab auf meinem Schub durch die Bundesrepublik einige Haftanstalten gesehen). Letztendlich haben Untersuchungsgefangene (wegen den von dir genannten Gründen) aber noch weniger Rechte als Strafgefangene: Man darf nicht telefonieren, Briefe werden vom Staatsanwalt gelesen und (nach 3 Wochen) weitergeleitet, Besuch muss bei der Staatsanwaltschaft beantragt werden, usw.
Und: Wie erwähnt: Eine Mediennutzung ist gesetzlich vorgesehen, aber aus praktischen Gründen oft nicht möglich (oder: nicht erwünscht, wie alles, was einem Beamten Arbeit macht). Das ist auch in ganz Deutschland so.
Sportplätze gibt es in jeder Haftanstalt, die Gefangenen dürfen dann in ihrer Freigang-Stunde (evtl. zusätzlic eine Stunde pro Woche) Fußball oder Volleyball spielen. Von einem Schwimmbad in einer Haftanstalt hab ich noch nix gehört, man kann meiner Erfahrung nach schon froh sein, wenn man öfter als 2x pro Woche duschen darf.

zu 3) Mag ein Einzelfall sein (glaube ich nicht); trotzdem blöd, wenn man selbst der Einzelfall ist.
In meinem Fall, da hast du Recht, fing das ganze ja mit einer Aktion von mir überhaupt erst an. Ich kann mich also durchaus an die eigene Nase fassen. Konsequenzen hatte es für mich keine, weil ich für eine kleine Firma arbeite, mit dem Chef ein freundschaftliches Verhältnis habe und meine Kollegen für mich eingesprungen sind. Wäre ich Banker oder Fonds-Analyst (war die Alternative vor einigen Jahren), dann wäre ich jetzt mit 100%iger Sicherheit arbeitslos. Dem Staatsanwalt wäre es egal gewesen.

Ich könnte noch seitenweise Beispiele aufzählen, aber worauf ich letztendlich hinaus will: Die Verhältnismäßigkeitsprüfung ist ein Witz. Die Audienz vor dem Haftrichter ist ein noch größerer Witz, und die Unterbringung in den Haftanstalten entspricht nicht mal den gesetzlichen Mindeststandards.
...und die 'law-and-order' Politik/Justiz in Ländern wie Bayern, BW, und Sachsen fordert nicht nur schlechtere Haftbedingungen (das wäre kein Problem, weil diese jetzt schon widerrechtlich sind), sondern verteilt auch noch drakonische Strafen für Tatbestände, die in rot regierten Ländern mit einem zugedrückten Auge zu einer Bewährungsstrafe führen würden.

...vielleicht haben wir ja alle unterschiedliche Vorstellungen von Recht und Gesetz, aber (hier ein Beispiel eines Mannes, den ich kennengelernt habe) warum man einen etwa 20-jährigen Akademiker mit gut bezahltem Job zu 1,5 Jahren Haft verurteilen muss, weil man bei ihm 400g Marhiuana gefunden hat, erschließt sich mir nicht wirklich. In Berlin wäre es wohl eine Bewährungs- und (hohe) Geldstrafe geworden, in Stuttgart rückt man für sowas sofort ein.

F.Alfonzo

Gorgasal Online




Beiträge: 4.095

03.09.2009 21:46
#97 RE: Sicherheit total Antworten

Zitat von Zettel
Mich würde interessieren, wer - hier im Forum, im Bekanntenkereis von Foranten - schon einmal Nachteile dadurch erlitten hat, daß es Überwachungskameras, Vorratsdatenspeicherung usw. gibt.
Ich nicht. Ich kenne niemanden, der hätte.


Muss es unbedingt im Bekanntenkreis sein, oder genügt das hier?

Zitat von Bruce Schneier
Regularly we read stories of employees abusing their database access-control privileges for personal reasons: medical records, tax records, passport records, police records. NSA eavesdroppers spy on their wives and girlfriends. Departing employees take corporate secrets.

A spectacular access control failure occurred in the UK in 2007. An employee of Her Majesty's Revenue & Customs had to send a couple of thousand sample records from a database on all children in the country to National Audit Office. But it was easier for him to copy the entire database of 25 million people onto a couple of disks and put it in the mail than it was to select out just the records needed. Unfortunately, the discs got lost in the mail and the story was a huge embarrassment for the government.


http://www.schneier.com/blog/archives/20...world_acce.html

In dem verlinkten Beitrag sind Links zu den zugehörigen Vorfällen enthalten.

Natürlich können Sie einwenden, da sei erstens niemand zu Schaden gekommen (ist es ein Schaden, wenn jemand aus reiner Neugierde die privaten emails von Bill Clinton liest?) und es gehe zweitens nicht um die konkreten deutschen Vorstellungen, wie die Privatsphäre am besten auszuhöhlen sei. Aber vielleicht illustrieren diese Links, dass unsere Befürchtungen nicht ganz aus der Luft gegriffen sind.

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Ultramontan – dies Wort beschreibt vorzüglich die katholische Mentalität: mit einem kleinen Teil des Bewusstseins nicht Deutscher, nicht Zeitgenosse, nicht Erdenbürger zu sein. - Martin Mosebach, Spiegel 7/2009

Zettel Offline




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03.09.2009 22:06
#98 RE: Sicherheit total Antworten

Zitat von Gorgasal
Natürlich können Sie einwenden, da sei erstens niemand zu Schaden gekommen (ist es ein Schaden, wenn jemand aus reiner Neugierde die privaten emails von Bill Clinton liest?) und es gehe zweitens nicht um die konkreten deutschen Vorstellungen, wie die Privatsphäre am besten auszuhöhlen sei. Aber vielleicht illustrieren diese Links, dass unsere Befürchtungen nicht ganz aus der Luft gegriffen sind.


Mein Einwand, lieber Gorgasal, ist eher, daß es sich um ein anderes Thema handelt.

Wir haben über die Folgen von Gesetzen wie denen zur Vorratsspeicherung und zur Durchsuchung von PC für den gesetzestreuen Bürger diskutiert. In dem verlinkten Artikel geht es aber, wenn ich das recht verstehe, um die Zugangsberechtigung zu Daten für Angestellte von Firmen und Behörden.

Ich sehe da eigentlich keinen Zusammenhang. Daß der gesetzestreue Bürger durch die genannten Gesetze Nachteile erleidet, erscheint mir immer noch sehr unwahrscheinlich. Natürlich kann es überall Pannen und Mißbrauch geben; aber das gilt für alle Daten, die über uns Bürger gespeichert sind.

Herzlich, Zettel

Gorgasal Online




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03.09.2009 22:08
#99 RE: Sicherheit total Antworten

Und dass es Pannen bei der Zugangskontrolle von staatlichen Daten geben wird und es deswegen problematisch ist, zuviele private Daten in staatlichen Datenbanken zu haben, ist kein Argument?

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Ultramontan – dies Wort beschreibt vorzüglich die katholische Mentalität: mit einem kleinen Teil des Bewusstseins nicht Deutscher, nicht Zeitgenosse, nicht Erdenbürger zu sein. - Martin Mosebach, Spiegel 7/2009

Zettel Offline




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04.09.2009 06:15
#100 RE: Sicherheit total Antworten

Zitat von Gorgasal
Und dass es Pannen bei der Zugangskontrolle von staatlichen Daten geben wird und es deswegen problematisch ist, zuviele private Daten in staatlichen Datenbanken zu haben, ist kein Argument?


Das halte ich sogar für ein sehr starkes Argument, lieber Gorgasal.

Aus meiner Sicht ist das wirklich Problematische die Zusammenführung von Daten über gesetzestreue Bürger; z.B. das "Abgleichen" von Daten zwischen der Finanzverwaltung und anderen Behörden. Ich wundere mich immer wieder, daß die Diskussion vergleichsweise wenig über das geführt wird, was mit den Daten gesetzestreuer Bürger geschieht, und stattdessen sich die die Empörung gegen Maßnahmen zur Verbrechensbekämpfung richtet.

In unserer Diskussion ging es ja nicht um staatliche Dateien, in denen Daten gesetzestreuer Bürger gespeichert un zwischen denen sie abgeglichen werden. Es ging um die Durchsuchung der Computer von Terrorismusverdächtigen und es ging um die Vorratsdatenspeicherung, die eben nicht vom Staat vorgenommen wird. Alle Provider speichern Verbindungsdaten, schon um auf Reklamationen reagieren zu können. Das betreffende Gesetz - übrigens die Umsetzung einer EU-Direktive - regelt lediglich, daß die Daten mindestens sechs Monate gespeichert werden müssen und nicht länger als sieben Monate gespeichert werden dürfen.

Der Staat hat auf sie keinen Zugriff; es sei denn im Rahmen eines Ermittlungsverfahrens. Auch da gibt es meines Wissens klare Restriktionen (zB richterliche Beteiligung). Ich habe aber in dem ungeordneten und völlig einseitigen Artikel in der deutschen Wikipedia dazu nichts finden können. Ein Musterbeispiel dafür, wie ein Wikipedia-Artikel nicht sein darf; in der internationalen Wikipedia wäre ein solcher Mangel an Neutralität undenkbar.

Herzlich, Zettel

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