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ZETTELS KLEINES ZIMMER

Das Forum zu "Zettels Raum"



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Dieses Thema hat 65 Antworten
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 Kommentare/Diskussionen zu "Zettels Raum"
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califax Offline




Beiträge: 1.502

21.10.2009 15:56
#26 RE: KKK: Gedrechseltes Öko-Geschwätz Antworten

Zitat von ex-blond

Zitat von califax
Religiosität kann gut gehen, kann aber auch schiefgehen. Sieht man an der Geschichte des Christentums und der anderen Religionen auch sehr schön.

Lassen wir die anderen Religionen weg und konzentrieren uns auf das Christentum: die Opferzahlen der Kreuzzüge und Hexenverbrennungen sind ungleich niedriger als die Opferzahlen der säkularen Irrwege, das sind ganz andere Dimensionen.




Was ja nunmal an der Bevölkerungsdichte und der vorhandenen Technik liegt.
Mehr als alle Einwohner einer eroberten Stadt mitsamt der Neugeborenen umzubringen, geht nunmal nicht.
Das ist keine Frage der Religiosität sondern der Physik.
Lassen wir's besser.

Denn hier:

Zitat von ex-blond

Es ist zudem die Frage, ob alles, was unter dem Mantel "christlich" in der Geschichte firmiert hat, auch christlich war oder zwecks Legitimation nur so genannt wurde.



wird es schon wieder peinlich, und ich habe keine Lust mehr, solche Geschichtsfälschungen wieder und wieder vom Tisch zu kratzen, egal ob sie von Kommunisten, Nazis oder Religiösen stammen.

Zitat von ex-blond

Unser Menschenbild ist aber im Kern ein christliches Menschenbild und der neue Atheismus und Säkularismus, der sich ausschließlich auf Menschenrechte (die sich wie legitimieren? Koordinatensystem, relativ zu was?) beruft und zu den gleichen Wertentscheidungen wie das Christentum kommt ist wie ein Baum, dem man die Wurzel abgeschnitten hat. Er wird noch eine Weile überleben, aber bald werden die Blätter braun, der Stamm wird morsch und irgendwann bricht er zusammen.



Aber ja doch. Wenn es Sie denn selig macht. Ich wünsche noch einen guten Tag.

Klug und fleißig - Illusion
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Dumm und fleißig - ein Desaster

The Outside of the Asylum

ex-blond Offline




Beiträge: 155

21.10.2009 15:56
#27 RE: KKK: Gedrechseltes Öko-Geschwätz Antworten

Zitat von Zettel

Zitat von ex-blond
Beispiel: Die Energiesparlampenverordnung


Ich glaube nicht, daß die einem aufgeklärten Gehirn entsprungen ist.




Ich denke, sie ist einem Gehirn entsprungen, das sich für ganz besonders aufgeklärt und kritisch hält und das seine Vernunft einsetzt, um seine Erkenntnisse in die Tat umzusetzen und anderen, unmündigeren Bürgern damit zu helfen, frei nach dem Motto

Zitat von Kant
"Handle so, dass die Maxime deines Willens jederzeit zugleich als Prinzip einer allgemeinen Gesetzgebung gelten könnte."


Ich glaube kein Intellekt und keine Bildung schützt vor Irrwegen, schon gar nicht vor moralischen, wenn keine grundlegende Werteordnung vorhanden ist, sozusagen a priori.

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ex-blond Offline




Beiträge: 155

21.10.2009 15:59
#28 RE: KKK: Gedrechseltes Öko-Geschwätz Antworten

@Califax
Ich wollte Sie nicht verärgern - wenn ich dazu Anlass gegeben habe, bitte ich um einen Hinweis
??

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califax Offline




Beiträge: 1.502

21.10.2009 17:06
#29 RE: KKK: Gedrechseltes Öko-Geschwätz Antworten

Nicht verärgert. Nur Müde. Ich geb's einfach auf.

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The Outside of the Asylum

Herr Offline




Beiträge: 406

21.10.2009 18:00
#30 RE: KKK: Gedrechseltes Öko-Geschwätz Antworten

Liebe ex-blond, Kant bitte richtig zitieren und interpretieren! Ihre Anwedung klingt ja gerade so wie: Mach deine Privatmaximen zum Prinzip der Gesetzgebung!, was selbstverständlich Unsinn ist. Gemeint ist aber das Umgekehrte: Richte deine eigenen Handlungsmaximen so aus, dass du wollen kannst, dass nach diesen deinen Regeln die Welt regiert werden könnte! oder vereinfacht: Handle so, dass du wollen kannst, dass jeder andere in deiner Situation auch so handeln würde.

Im übrigen stimme ich Ihnen ja in Bezug auf die Bedeutung des Christlich-Religiösen für die Wertorientierung teilweise zu, d. h. aber nicht, dass man die einfach dezisionistisch oder offenbarungspositivistisch hinnehmen müsste; d.h. man muss sie argumentativ bewähren können und nicht einfach nur sagen: "Ist so, weil steht geschrieben". Vernunft und Aufklärung sind zum einen Kinder der christlichen Religion und zum andern auch notwendige Mittel zur Selbstverständigung und -vergewisserung der Religion. Was heute unter "Vernunft und Aufklärung" firmiert, verdient leider oft den Namen nicht.

Zettel Offline




Beiträge: 20.200

21.10.2009 20:02
#31 RE: KKK: Gedrechseltes Öko-Geschwätz Antworten

Zitat von Kallias

Zitat von Zettel
und allgemein die Sehnsucht nach dem Unverfälschten im Rokoko; siehe die Schäferspiele

War es das? Ich dachte, man wollte von den pompösen Übertreibungen weg, von den abgezirkelten Bewegungen des Körpers und des Gefühls, freier, persönlicher, subtiler empfinden und leben. Man sehnte sich keineswegs nach unverfälschten Lehmbatzen an den Stiefeln. So träume ich mir jedenfalls mein Rokoko...



Frei und subtil lebte man, lieber Kallias, ja auch in den eigenen Adelszirkeln. Sehr frei sogar teilweise; und durchaus subtil, was zum Beispiel das Psychologische anging. Chamfort oder Vauvenargues - subtiler war erst wieder Nietzsche.

Ich denke schon, daß dazu dieser Impuls des "zurück zur Natur" kam. Die größte Subtilität besteht ja oft in der Suche nach dem Einfachen, Gewöhnlichen. So in der Art dieser Partygespräche unter Betuchten: "Also wissen Sie, es geht doch nichts über Matjes mit Pellkartoffeln und Butter". (Was übrigens stimmt, wenn noch Zwiebeln und Salz dazukommen. )

Herzlich, Zettel

Zettel Offline




Beiträge: 20.200

21.10.2009 20:22
#32 RE: KKK: Gedrechseltes Öko-Geschwätz Antworten

Zitat von Herr
Vernunft und Aufklärung sind zum einen Kinder der christlichen Religion und zum andern auch notwendige Mittel zur Selbstverständigung und -vergewisserung der Religion.


Hm, lieber Herr. Den zweiten Punkt kann ich nicht beurteilen, aber Vernunft und Aufklärung als "Kinder der christlichen Religion"?

Ist die Aufklärung der Neuzeit nicht doch eher ein Kind der griechischen Aufklärung, deren Schriften auf teils verschlungenen Pfaden - über Byzanz, dann die arabische Kultur - wieder ins westliche Abendland gelangt sind?

Die Renaissance war kein Kind der christlichen Religion, der Humanismus war es nicht. Große Vorläufer der Aufklärung wie Giordano Bruno, Galilei und Descartes wurden von der Kirche verfolgt oder mit Verfolgung bedroht. Dem René Descartes, als einstiger Berufssoldat gewiß kein Feigling, fuhr das Schicksal Galileis so in die Knochen, daß er sein Buch über die Welt lieber gar nicht erst publizierte.

So ging das weiter. Noch Fichte (auf seine Art vielleicht auch ein Aufklärer, jedenfalls ein selbständiger Kopf) mußte sich im "Atheismusstreit" des Vorwurfs erwehren, er sei ein Atheist. Er mußte deswegen Jena verlassen.

Gewiß wäre die Aufklärung ohne die Scholastik kaum denkbar, die eine ungeheure Disziplin des Denkens hervorgebracht hat. Aber auch da waren es die eher Religionsfernen wie Ockham und Nikolaus von Cues, die die Philosophie der Neuzeit beeinflußt haben.

Herzlich, Zettel

ex-blond Offline




Beiträge: 155

21.10.2009 22:25
#33 RE: KKK: Gedrechseltes Öko-Geschwätz Antworten

@Herr
RIchtig, deshalb war das Wörtchen "frei" ja auch kursiv gesetzt

http://ex-blond.com
http://antialleinerziehende.wordpress.com/

ex-blond Offline




Beiträge: 155

21.10.2009 22:28
#34 RE: KKK: Gedrechseltes Öko-Geschwätz Antworten

@Califax
Das kommt davon, wenn man mit dem Kopf dauernd auf den Tisch donnert *tststs*

http://ex-blond.com
http://antialleinerziehende.wordpress.com/

Zettel Offline




Beiträge: 20.200

21.10.2009 22:34
#35 RE: KKK: Gedrechseltes Öko-Geschwätz Antworten

Zitat von ex-blond
@Herr
RIchtig, deshalb war das Wörtchen "frei" ja auch kursiv gesetzt


So hatte ich es auch verstanden. Sie haben Kant auf witzige Weise sozusagen von den Füßen auf den Kopf gestellt.

Herr Offline




Beiträge: 406

21.10.2009 22:47
#36 RE: KKK: Gedrechseltes Öko-Geschwätz Antworten

In Antwort auf:
Ist die Aufklärung der Neuzeit nicht doch eher ein Kind der griechischen Aufklärung, deren Schriften auf teils verschlungenen Pfaden - über Byzanz, dann die arabische Kultur - wieder ins westliche Abendland gelangt sind?



Lieber Zettel, es sind ja - im Gegensatz zum Bild vom "finsteren Mittelalter" - vor allem die Klöster und später die durch und durch christlichen Universitäten gewesen, die das antike Bildungsgut in die Neuzeit getragen haben. Dass vieles davon zwischenzeitlich verschollen war, hat weniger mit der Kirche als mit dem Untergang des Römischen Imperiums mit seiner Kultur zu tun ...

Neben Renaissance und Humanismus als Vorläufer der Aufklärung muss ebenso die Reformation genannt werden, die einen entscheidenden Impuls zur Selbstaufklärung des Christentums gegeben hat, indem sie die Begründung des Glaubens aus den historischen Quellen (Neues Testament) statt aus der Tradition forderte und so zur historischen Untersuchung der Entstehung ihrer Quellen und zur philosophischen Reflexion ihrer Geltung weiterführte. Sicher ist dieser Weg für die gemäßigte deutsche Aufklärung typischer als für die radikalere französische. Hier ordnen sich Namen wie Semler, Lessing, Kant, der deutsche Idealismus und auch noch die Linkshegelianer wie D. F. Strauss und Feuerbach ein - alle ausgesprochen christliche Denker (auch noch Feuerbach!). Natürlich gab es auf der anderen Seite auch christlichen Widerstand, wie das genannte Beispiel Fichte zeigt. Aber was in Jena nicht möglich war, ging schon in Berlin. Und wenige Jahre später wäre es auch in Jena gegangen.

Galilei ist ein eigenes Kapitel. Der war nämlich auch ziemlich auf Krawall gebürstet, und hat so lange gestichelt, bis es kirchenpolitisch nicht mehr anders ging, als ihn zu verurteilen (was keine Rechtfertigung sein soll), nachdem Kopernikus und Kepler (?) vorher schon völlig unbehelligt ähnliche wissenschaftliche Einsichten publizieren konnten.
Ockham war gewiss nicht religionsfern und der Cusaner schon gar nicht.

Guten Abend!

Zettel Offline




Beiträge: 20.200

22.10.2009 00:44
#37 RE: KKK: Gedrechseltes Öko-Geschwätz Antworten

Zitat von Herr
Lieber Zettel, es sind ja - im Gegensatz zum Bild vom "finsteren Mittelalter" - vor allem die Klöster und später die durch und durch christlichen Universitäten gewesen, die das antike Bildungsgut in die Neuzeit getragen haben.


Manches davon, gewiß. Aber eben als Bildungsgut - nämlich in Gestalt der sieben artes liberales. Vom Forschergeist der ionischen Naturphilosophie, von der Skepsis der Sophisten, von der freien, auch eigene Annahmen immer wieder in Zweifel ziehenden Haltung von Platon und Aristoteles wurde da wohl nicht so viel tradiert. Daran knüpfte erst wieder die Renaissance an. Cum granum salis, natürlich gibt es zu allem Vorläufer.

Zitat von Herr
Dass vieles davon zwischenzeitlich verschollen war, hat weniger mit der Kirche als mit dem Untergang des Römischen Imperiums mit seiner Kultur zu tun ...


Ich würde nicht sagen, lieber Herr, daß diese Kultur untergegangen ist. Schon gar nicht in Ostrom, wo sie ja bis zum Fall von Konstantinopel existierte; mit kaum zu überschätzendem Einfkuß auf die arabische Kultur. Auch im Westen ist die römische Kultur in derjenigen des Frankenreichs "aufgehoben" worden; da paßt einmal Hegels Mehrdeutigkeit ;-).

Nur hatte diese spätrömische Kultur eben nur noch wenig vom philosophischen Geist der griechischen Antike. Da war mehr Lebensphilosophie, dann natürlich Neuplatonisches im Christentum. Das von dort ein Weg zur Aufklärung führte, sehe ich aber eher nicht.

Zitat von Herr
Neben Renaissance und Humanismus als Vorläufer der Aufklärung muss ebenso die Reformation genannt werden, die einen entscheidenden Impuls zur Selbstaufklärung des Christentums gegeben hat, indem sie die Begründung des Glaubens aus den historischen Quellen (Neues Testament) statt aus der Tradition forderte und so zur historischen Untersuchung der Entstehung ihrer Quellen und zur philosophischen Reflexion ihrer Geltung weiterführte.


Weiterführte! Korrigieren Sie mich, wenn ich irre - aber das sola scriptura habe ich bisher nicht als die Aufforderung verstanden, Bibelphilologie zu betreiben. Hat Luther nicht, ganz wie die heutigen Evangelikalen, die Bibel als das unmittelbare Wort Gottes angesehen, das man auszulegen, aber nicht zu historizieren hat? Und ist die moderne Bibelphilologie nicht eher aus dem wissenschaftlichen Geist des 18. Jahrhunderts entstanden, der eben auch vor der Bibel nicht haltgemacht hat?

Zitat von Herr
Sicher ist dieser Weg für die gemäßigte deutsche Aufklärung typischer als für die radikalere französische. Hier ordnen sich Namen wie Semler, Lessing, Kant, der deutsche Idealismus und auch noch die Linkshegelianer wie D. F. Strauss und Feuerbach ein - alle ausgesprochen christliche Denker (auch noch Feuerbach!).


Hm, zu Strauss und Feuerbach kann ich nichts sagen. Aber der Freigeist Lessing ein christlicher Denker? Und gar Kant, der jede Offenbarung abgelehnt hat und der größte Sorgfalt auf die Widerlegung von Gottesbeweisen verwandte?

Zitat von Herr
Galilei ist ein eigenes Kapitel. Der war nämlich auch ziemlich auf Krawall gebürstet, und hat so lange gestichelt, bis es kirchenpolitisch nicht mehr anders ging, als ihn zu verurteilen (was keine Rechtfertigung sein soll), nachdem Kopernikus und Kepler (?) vorher schon völlig unbehelligt ähnliche wissenschaftliche Einsichten publizieren konnten.


Bei Galilei bin ich da nicht so sicher. Er hat gewiß keinen Streit mit der Kirche gesucht, sondern wollte von ihr nur in Ruhe gelassen werden. Damit konnte er lange Zeit auch durchaus rechnen; der Papst Urban stand ihm ja nicht unfreundlich gegenüber.

In seinem Prozeß - die Akten sind ja erhalten; man kann Auszüge nachlesen - ging es im Grunde nur um eine einzige Frage, fast nur ein Wort: Ob Galilei nämlich die Lehre des Kopernikus nur als eine Hypothese gelehrt (seinen Schülern sozusagen diese Hypothese nur zur Kenntnis gebracht) habe, was er gemäß der "Belehrung" durch den Kardinal Bellarmin durfte, oder ob er sich diese These zu eigen gemacht habe, was ihm verboten war.

Wenn man den Dialogo liest, dann merkt man, welchen Eiertanz Galilei veranstalten mußte. Natürlich hielt er das kopernikanisches System für richtig; aber er schrieb den Dialogo so, daß man ihm das im Grunde nicht nachweisen konnte. - Irgendwo in den Untiefen dieses Forums gibt es eine längere Auseinandersetzung über Galilei, die ich damals mit str1977 hatte, nachdem ich mich a bisserl in die Werke Galileis vertieft und darüber in ZR einen Artikel geschrieben hatte. Wenn es Sie interessiert, kann ich sie heraussuchen.

Daß es "kirchenpolitisch nicht mehr anders ging, als ihn zu verurteilen", kann ich nicht erkennen. Warum ging es nicht anders?

Zitat von Herr
Ockham war gewiss nicht religionsfern und der Cusaner schon gar nicht.


Da haben Sie Recht. Ich hatte nach dem richtigen Wort gesucht, und "religionsfern" war es nicht. Was ich meinte, war, daß das, was beide für die Philosophie der Neuzeit wichtig gemacht hat - bei Ockham seine wissenschaftstheoretischen Überlegungen, bei Cusanus die skeptische Erkenntnistheorie - philosophische und nicht theologische Themen gewesen sind.

Herzlich, Zettel

califax Offline




Beiträge: 1.502

22.10.2009 00:51
#38 RE: KKK: Gedrechseltes Öko-Geschwätz Antworten

Zitat von Zettel

Daß es "kirchenpolitisch nicht mehr anders ging, als ihn zu verurteilen", kann ich nicht erkennen. Warum ging es nicht anders?



Weil die Inquisition das Gesicht wahren mußte. Sie durfte sich nicht öffentlich blamieren.
Sie durfte einfach nicht.

--
Der Weg zur Hölle beginnt mit dem Monopol auf Moral.

Zettel Offline




Beiträge: 20.200

22.10.2009 10:48
#39 RE: KKK: Gedrechseltes Öko-Geschwätz Antworten

Zitat von califax

Zitat von Zettel
Daß es "kirchenpolitisch nicht mehr anders ging, als ihn zu verurteilen", kann ich nicht erkennen. Warum ging es nicht anders?


Weil die Inquisition das Gesicht wahren mußte. Sie durfte sich nicht öffentlich blamieren.
Sie durfte einfach nicht.



Galilei hatte ja widerrufen, dh streng genommen hatte er erklärt, er habe niemals das Kopernikanische Weltbild "gelehrt", sondern es nur zur Diskussion gestellt, was er laut Bellarmins "Belehrung" gedurft hatte.

Soweit ich sehe, hätte es das Ansehen der Kirche nicht beschädigt, wenn man ihm das abgenommen hätte. Er war ja gern bereit gewesen, sich künftig brav an die Richtlinien des Vatikans zu halten. Übrigens müssen das einige seiner Richter auch so gesehen haben; das Urteil erging nicht einstimmig.

Was die Mehrheit bewogen hat, ihn zu verurteilen, darüber kann man wohl nur spekulieren. Papst Urban hatte ihm jedenfalls offenbar seine Huld entzogen.

Es stimmt, lieber Califax, sicherlich, daß wir durch Brecht eine sehr verzerrte Sicht auf Galilei wie auch auf die damalige Kurie bekommen haben; siehe den schon erwähnten Artikel in ZR. Galilei war nicht der listige Kämpfer für den Fortschritt, sozusagen eine frühe Inkarnation von Brecht selbst. Und die Kurie war nicht so etwas wie das Komitee zur Untersuchung unamerikanischer Umtriebe, Version 17. Jahrhundert.

Nur sollte man jetzt nicht das Kind mit dem Bade ausschütten und Brecht als jemanden sehen, der an seiner Verurteilung selbst schuld war. Das war er nicht.

Herzlich, Zettel

Edit: Da habe ich die Identifikation zu weit getrieben. Es sollte natürlich nicht heißen "...und Brecht als jemanden sehen",sondern "... und Galilei als jemanden sehen".

Herr Offline




Beiträge: 406

22.10.2009 11:58
#40 RE: KKK: Gedrechseltes Öko-Geschwätz Antworten

In Antwort auf:
Vom Forschergeist der ionischen Naturphilosophie, von der Skepsis der Sophisten, von der freien, auch eigene Annahmen immer wieder in Zweifel ziehenden Haltung von Platon und Aristoteles wurde da wohl nicht so viel tradiert.


Die Details der mittelalterlichen Übermittlungswege müssen wir vielleicht nicht weiter diskutieren. Aber was Sie schreiben, hat natürlich doch mit dem stattgefundenen Kulturabbruch zu tun.

In Antwort auf:
Weiterführte! Korrigieren Sie mich, wenn ich irre - aber das sola scriptura habe ich bisher nicht als die Aufforderung verstanden, Bibelphilologie zu betreiben. Hat Luther nicht, ganz wie die heutigen Evangelikalen, die Bibel als das unmittelbare Wort Gottes angesehen, das man auszulegen, aber nicht zu historizieren hat? Und ist die moderne Bibelphilologie nicht eher aus dem wissenschaftlichen Geist des 18. Jahrhunderts entstanden, der eben auch vor der Bibel nicht haltgemacht hat?


Hier korrigiere ich Sie gerne ;) Luther hat sich immer als Bibeltheologe verstanden. Sein Schriftverständnis war moderner als das der lutherischen Orthodoxie, die im späten 16. und 17. Jahrhundert erst die Verbalinspiration lehrte. Er hat noch nicht mit historisch-kritischem Instrumentarium gearbeitet, aber mit beherztem theologischen Zugriff z. B. die Ordnung der neutestamentlichen Schriften geändert und in seinen Vorreden erklärt, dass er bestimmte Schriften nicht für apostolisch halte. Am bekanntesten ist vielleicht sein Verdikt, der Jakobusbrief sei eine "stroherne Epistel", weil er stracks Paulus widerspreche. Also nichts da mit "unmittelbarem Wort Gottes". Sicher ist die moderne Bibelkritik erst im 19. Jahrhundert entstanden, aber nicht zufällig im deutschen Protestantismus.

In Antwort auf:
Hm, zu Strauss und Feuerbach kann ich nichts sagen. Aber der Freigeist Lessing ein christlicher Denker? Und gar Kant, der jede Offenbarung abgelehnt hat und der größte Sorgfalt auf die Widerlegung von Gottesbeweisen verwandte?


Lessing hat sich ausführlichst an theologischen und religionsphilosophischen Fragen abgearbeitet, ist dabei letztlich zu einem eher vernunftreligiösen Standpunkt gekommen, gewiss aber nicht zu einer Ablehnung des Christentums. Für die historische Leben-Jesu-Forschung hat er einen Grundstein gelegt.
Kant wird, was schon der Anlass meiner Äußerung in diesem Thread war, leider oft missverstanden oder verkürzt. Die Widerlegung der rationalistischen Gottesbeweise hat ihren Ort in der Kritik der reinen Vernunft, wo es um die Grenzbestimmungen der theoretischen Erkenntnisfähigkeit geht. Gott ist kein Gegenstand möglicher Erkenntnis. Er hat also in der theoretischen, will heißen: wissenschaftlichen Welterkenntnis aus methodischen Gründen nichts zu suchen. Gleichwohl taucht schon in eben derselben Kritik Gott als transzendentaler Abschlussgedanke bzw. regulative Idee wieder auf. Und in der Kritik der praktischen Vernunft ist der Gottesgedanke ein notwendiges Postulat. Bekannt ist sicher das Diktum aus der Vorrede zur 2. Auflage der KrV: Ich musste also das Wissen [nämlich das falsche Wissen der rationalen Metaphysik; RH] aufheben, um zum Glauben Platz zu bekommen. So spricht kein Verächter der Religion.

In Antwort auf:
In seinem Prozeß - die Akten sind ja erhalten; man kann Auszüge nachlesen - ging es im Grunde nur um eine einzige Frage, fast nur ein Wort: Ob Galilei nämlich die Lehre des Kopernikus nur als eine Hypothese gelehrt (seinen Schülern sozusagen diese Hypothese nur zur Kenntnis gebracht) habe, was er gemäß der "Belehrung" durch den Kardinal Bellarmin durfte, oder ob er sich diese These zu eigen gemacht habe, was ihm verboten war.


Hier zeigt sich, dass Bellarmin moderner war als Galilei, denn er nimmt quasi den Wissenschaftsbegriff Poppers vorweg. Galilei aber setzt ganz vormodern seine Hypothese als absolute Wahrheit: "Die Sonne steht im Mittelpunkt des Universums" und liegt damit am Ende falsch.
In seinem Dialogo macht Galilei einen doppelten Fehler: Er macht die Gegenposition nicht stark, sondern gibt sie der Lächerlichkeit preis ("Simplicio") und er gibt ihr unverkennbar die Züge seines Gegners Papst Urbans VIII.

Hans Conrad Zander dazu:
War Galilei übergeschnappt? Nein. Das unfehlbare Genie war nur wieder einmal tödlich beleidigt. Beleidigt, weil sein neuer Freund und Beschützer, Papst Urban VIII., es gewagt hatte, ihm ins Gesicht zu sagen, er sei im Irrtum mit seiner These, dass die Gezeiten der Meere das kopernikanische System bewiesen.

In Antwort auf:
Daß es "kirchenpolitisch nicht mehr anders ging, als ihn zu verurteilen", kann ich nicht erkennen. Warum ging es nicht anders?


Auch dazu noch mal Zander:
Ein militärisches Desaster zwang uns [die Hl. Inquisition;] zum Handeln. Der große Glaubenskrieg in Deutschland ging verloren!
Die Siege Wallensteins im Norden waren verspielt. Tilly, der Schutz und Schirm der Kirche in Deutschalnd, der getreue Tilly war geschlagen und gefallen. Die protestantischen Heere standen vor den Toren Münchens. Das Reich schien so verloren wie Europas Norden.
In Ungarn und in Polen, in Irland und in Schottland, wohin Papst Urban VIII. seinen Blick wandte, stand es um die katholische Sache kaum besser. Frankreich konnte jeden Augenblick kippen. Aus der nahen Schweiz drang die protestantische Verkündigung über die Lombardei hinaus nach Süden vor bis unter die Mauern des Vatikans.
Vorbei die Tage, in denen selbst bei uns, in der Heiligen Inquisition, so mancher die Reformation abtat als "deutsches Mönchsgezänk". Der katholische Glaube war jetzt in tödlicher Gefahr.
Urban VIII. sah es und griff persönlich ein. Er war es, der uns 1633 die Anweisung gab, Galileo Galilei vor aller Welt den Meister zu zeigen.
...
... was Galilei nicht merkte, das sah Papst Urban VIII: dass Galilei mit seiner astronomischen Zündelei die Flammen der protestantischen Empörung verhängnisvoll anfachte.
(H. C. Zander: Kurzgefasste Verteidigung der Heiligen Inquisition, Gütersloh 2007 - ein äußerst geistreiches und politisch unkorrektes Buch gegen den antiklerikalen Zeitgeist, auch wenn manche Verbalinjurien gegen den Protestantismus für mich als evangelischen Pastor nicht so angenehm sind).

Zettel Offline




Beiträge: 20.200

22.10.2009 13:31
#41 Aufklärung und Christentum Antworten

Zitat von Herr

In Antwort auf:
Vom Forschergeist der ionischen Naturphilosophie, von der Skepsis der Sophisten, von der freien, auch eigene Annahmen immer wieder in Zweifel ziehenden Haltung von Platon und Aristoteles wurde da wohl nicht so viel tradiert.


Die Details der mittelalterlichen Übermittlungswege müssen wir vielleicht nicht weiter diskutieren. Aber was Sie schreiben, hat natürlich doch mit dem stattgefundenen Kulturabbruch zu tun.



Der sich, lieber Herr, aber schon innerhalb der römischen Antike vollzog. Es ist ja schon bemerkenswert, daß die römische Kultur bei allen ihrem sonstigen Reichtum die griechische Philosophie nicht nur (sieht man vom Neuplatonismus ab) nicht weiterentwickelt, sondern ihren Geist noch nicht einmal bewahrt hat. Aus den vielfältigen Versuchen der Ionischen Naturphilosophen, Grundfragen des Naturverständnisses zu klären, machte Lukrez ein epigonenhaftes Lehrgedicht. Seneca, mit dem ich mich vor kurzem a bisserl befaßt habe, interessiert sich fast nur für Lebensphilosophie.

Also, als man im Humanismus, später dann in der Aufklärung den Geist der griechischen Aufklärung wiederentdeckte, da griff man nicht auf die römische, sondern überwiegend auf die byzantinisch-arabische Überlieferung zurück.

Zitat von Herr

In Antwort auf:
Weiterführte! Korrigieren Sie mich, wenn ich irre - aber das sola scriptura habe ich bisher nicht als die Aufforderung verstanden, Bibelphilologie zu betreiben. Hat Luther nicht, ganz wie die heutigen Evangelikalen, die Bibel als das unmittelbare Wort Gottes angesehen, das man auszulegen, aber nicht zu historizieren hat? Und ist die moderne Bibelphilologie nicht eher aus dem wissenschaftlichen Geist des 18. Jahrhunderts entstanden, der eben auch vor der Bibel nicht haltgemacht hat?


Hier korrigiere ich Sie gerne ;) Luther hat sich immer als Bibeltheologe verstanden. Sein Schriftverständnis war moderner als das der lutherischen Orthodoxie, die im späten 16. und 17. Jahrhundert erst die Verbalinspiration lehrte. Er hat noch nicht mit historisch-kritischem Instrumentarium gearbeitet, aber mit beherztem theologischen Zugriff z. B. die Ordnung der neutestamentlichen Schriften geändert und in seinen Vorreden erklärt, dass er bestimmte Schriften nicht für apostolisch halte. Am bekanntesten ist vielleicht sein Verdikt, der Jakobusbrief sei eine "stroherne Epistel", weil er stracks Paulus widerspreche. Also nichts da mit "unmittelbarem Wort Gottes". Sicher ist die moderne Bibelkritik erst im 19. Jahrhundert entstanden, aber nicht zufällig im deutschen Protestantismus.



Der freilich der Aufklärung viel zu verdanken hatte.

Zitat von Herr

In Antwort auf:
Hm, zu Strauss und Feuerbach kann ich nichts sagen. Aber der Freigeist Lessing ein christlicher Denker? Und gar Kant, der jede Offenbarung abgelehnt hat und der größte Sorgfalt auf die Widerlegung von Gottesbeweisen verwandte?


Lessing hat sich ausführlichst an theologischen und religionsphilosophischen Fragen abgearbeitet, ist dabei letztlich zu einem eher vernunftreligiösen Standpunkt gekommen, gewiss aber nicht zu einer Ablehnung des Christentums. Für die historische Leben-Jesu-Forschung hat er einen Grundstein gelegt.



Das habe ich auch nicht bestritten, lieber Herr. Nur hatten sie geschrieben:

Zitat von Herr
Hier ordnen sich Namen wie Semler, Lessing, Kant, der deutsche Idealismus und auch noch die Linkshegelianer wie D. F. Strauss und Feuerbach ein - alle ausgesprochen christliche Denker


Daß Lessing kein ausgesprochener Gegner des Christentums war, sondern es aus seiner aufklärerisch-toleranten Position heraus ebenso akzeptierte wie andere Religionen, macht ihn noch nicht zu einem "ausgesprochen christlichen Denker". Das war er so wenig wie Kant.

Zitat von Herr
Kant wird, was schon der Anlass meiner Äußerung in diesem Thread war, leider oft missverstanden oder verkürzt.


So ist es, lieber Herr. In diesem kleinen Forum versuche ich a bisserl dagegen anzugehen. Wenn Sie mögen, googeln Sie einmal nach

Kant site:http://83273.homepagemodules.de

(bitte ignorieren, daß hier ein Teil als Link dargestellt wird)

Ich freue mich, in Ihnen in diesem Punkt einen Mitstreiter gefunden zu haben. (Gorgasal wird das auch freuen, dem ich immer noch die Antworten auf seine Fragen zu Kants Ethik schuldig bin).

Zitat von Herr
Die Widerlegung der rationalistischen Gottesbeweise hat ihren Ort in der Kritik der reinen Vernunft, wo es um die Grenzbestimmungen der theoretischen Erkenntnisfähigkeit geht. Gott ist kein Gegenstand möglicher Erkenntnis. Er hat also in der theoretischen, will heißen: wissenschaftlichen Welterkenntnis aus methodischen Gründen nichts zu suchen. Gleichwohl taucht schon in eben derselben Kritik Gott als transzendentaler Abschlussgedanke bzw. regulative Idee wieder auf. Und in der Kritik der praktischen Vernunft ist der Gottesgedanke ein notwendiges Postulat. Bekannt ist sicher das Diktum aus der Vorrede zur 2. Auflage der KrV: Ich musste also das Wissen [nämlich das falsche Wissen der rationalen Metaphysik; RH] aufheben, um zum Glauben Platz zu bekommen. So spricht kein Verächter der Religion.


So ist es. Kant war - wie sollte er es auch sein? - kein Verächter "der" Religion (wohl aber hat er einen fast lebenslangen Kleinkrieg gegen die Königsberger Pietisten führen müssen). Aber das macht ihn ebensowenig wie Lessing zu einem "ausgesprochen christlichen Denker". Daß er Gott als eine Idee der Vernunft für unverzichtbar hielt, macht ihn dazu so wenig, wie das der Sokrates der "Apologie" war, der sich auf das berief, was Gott ihm gebiete; oder wie es Descartes war, bei dem die "Idee eines vollkommenen Wesens" eine zentrale erkenntnistheoretische Bedeutung hatte.

Zitat von Herr

In Antwort auf:
In seinem Prozeß - die Akten sind ja erhalten; man kann Auszüge nachlesen - ging es im Grunde nur um eine einzige Frage, fast nur ein Wort: Ob Galilei nämlich die Lehre des Kopernikus nur als eine Hypothese gelehrt (seinen Schülern sozusagen diese Hypothese nur zur Kenntnis gebracht) habe, was er gemäß der "Belehrung" durch den Kardinal Bellarmin durfte, oder ob er sich diese These zu eigen gemacht habe, was ihm verboten war.


Hier zeigt sich, dass Bellarmin moderner war als Galilei, denn er nimmt quasi den Wissenschaftsbegriff Poppers vorweg. Galilei aber setzt ganz vormodern seine Hypothese als absolute Wahrheit: "Die Sonne steht im Mittelpunkt des Universums" und liegt damit am Ende falsch.



Nein, da haben Sie Galilei mißerverstanden. Haben Sie meinen kleinen Aufsatz zu Galilei gelesen? Er war weit moderner als z.B. Descartes gerade in diesem Punkt, daß er nicht nach absoluter Gewißheit suchte; daß er seine Annahmen selbst immer wieder in Zweifel zog und Gegenargumente bedachte.

Bellarmin als Vorläufer Poppers? Das ist ein kühner Gedanke.

Der Brief, der die "Belehrung" enthält, läßt das jedenfalls nicht erkennen. Er teilt Galilei autoritär mit, was er darf und was nicht.

Und die Inquisition war keineswegs der Popper'schen Auffassung, man könne sich nur durch immer kleiner werdende Irrtümer der Wahrheit nähern; sondern für sie stand das geozentrische Weltbild als offenbarte Wahrheit fest. Und zwar u.a. aufgrund jener Stelle im Alten Testament, wo Gott der Sonne befiehlt stillzustehen. (Galilei hat zu diesem Argument sehr scharfsinnig Stellung genommen. Er hat die Autorität der Bibel in keiner Weise bestritten und im Gegenteil aus dieser Bibelstelle heraus nachgewiesen, daß sie nicht als Beleg für das geozentrische Weltbild taugt).

Zitat von Herr
In seinem Dialogo macht Galilei einen doppelten Fehler: Er macht die Gegenposition nicht stark, sondern gibt sie der Lächerlichkeit preis ("Simplicio") und er gibt ihr unverkennbar die Züge seines Gegners Papst Urbans VIII.


Lächerlichkeit ist übertrieben. Simplicio trägt die Argumente der Aristoteliker durchaus zutreffend vor. Gelegentlich erlaubt sich Galilei einmal einen ironischen Seitenhieb. Aber insgesamt ist der Dialogo eine faire Darstellung der Argumente für die beiden sistema del mondo.

Daß am Ende Salviati die besseren Argumente für sich hat, liegt in der Natur der Sache. Übrigens hat Simplicius seinen Namen nicht daher, daß Galilei ihn als einen Simpel darstellen wollte, sondern er ist nach dem Philosophen Simplicius von Sizilien benannt, der die Lehre des Aristoteles verteidigte.

Zitat von Herr
Hans Conrad Zander dazu


Hans Conrad Zander, lieber Herr, ist ein origineller Journalist, der amüsant zu lesen ist und der jedem seiner Themen eine drollige, manchmal skurrile Seite abzugewinnen weiß. Ich mag seine Pointen; früher sprach er mit seinem herrlichen Schweizer Akzent oft seine Beiträge selbst im Rundfunk. Aber als einen Historiker würde ich ihn nun doch nicht ansehen.

Herzlich, Zettel

Nachtrag: Ich habe jetzt meine damalige Philippika gegen Zander noch einmal nachgelesen und daraus entnommen, daß ich mich jetzt in einem Punkt geirrte habe: Bellarmino (oder Bellarmin, es gibt beide Schreibweisen) hat 1616 nicht an Galilei einen Brief geschrieben, sondern ihn nur mündlich ermahnt. Darüber gibt es eine Aktennotiz, die aber nicht, wie es in solchen Fällen eigentlich üblich war, notariell beglaubigt wurde. Das war ein Grund dafür, daß man später eine Fälschung vermutet hat.

Meister Petz Offline




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22.10.2009 14:00
#42 RE: KKK: Gedrechseltes Öko-Geschwätz Antworten

Zitat von Herr
[i]Ein militärisches Desaster zwang uns [die Hl. Inquisition;] zum Handeln. ...



Lieber Herr, vielen Dank für diese interessante historische Anmerkung. Ich meine mich zu erinnern (bitte korrigieren Sie mich, wenn ich da etwas verwechsle, leider finde ich auf die Schnelle keinen eindeutigen Beleg), dass bei Giordano Bruno der Fall ähnlich gelagert gewesen sein muss, wenn auch nicht aus politischen, sondern aus persönlichen Gründen. Bruno muss sich nämlich im Laufe seines Prozesses aufgeführt haben wie der sprichwörtliche Rotz am Ärmel, und das hätte sich keine Gerichtsbarkeit der frühen Neuzeit gefallen lassen, auch nicht das Hl. Offizium.

Ich teile die Begeisterung für Bruno, die ihm von vielen heutigen Humanisten entgegengebracht wird, nicht. Ich finde sein naturphilosophisches System, soweit ich es verstanden habe, nicht sooo revolutionär, da gab es im 16. und 17. Jh. viel radikaleres. Aber jede Bewegung braucht ihre Märtyrer.

Mich stört nur ganz arg dieses oft kolportierte Schwarz-weiß-Bild, dass die Aufklärer nur dem Guten, Schönen und Wahren verpflichten waren und die Kirche nur dem Machterhalt.

Gruß Petz

Zettel Offline




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22.10.2009 14:13
#43 RE: Aufklärung und Christentum Antworten

Nachtrag: Ich habe jetzt nachgesehen. Hier finden Sie, lieber Herr, meine ausführliche Kritik an dem Artikel von Hans Conrad Zander. Und wenn Sie den Darstellungsmodus "Threaded" wählen, dann sehen Sie darunter die damalige Diskussion mit str1977.

Herzlich, Zettel

Meister Petz Offline




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22.10.2009 14:14
#44 RE: KKK: Gedrechseltes Öko-Geschwätz Antworten

Zitat von Zettel
Daß Lessing kein ausgesprochener Gegner des Christentums war, sondern es aus seiner aufklärerisch-toleranen Position heraus ebenso akzeptierte wie andere Religionen, macht ihn noch nicht zu einem "ausgesprochen christlichen Denker". Das war er so wenig wie Kant.... So ist es. Kant war - wie sollte er es auch sein? - kein Verächter "der" Religion (wohl aber hat er einen fast lebenslangen Kleinkrieg gegen die Königsberger Pietisten führen müssen). Aber das macht ihn ebensowenig wie Lessing zu einem "ausgesprochen christlichen Denker". Daß er Gott als eine Idee der Vernunft für unverzichtbar hielt, macht ihn dazu so wenig, wie das der Sokrates der "Apologie" war, der sich auf das berief, was Gott ihm gebiete; oder wie es Descartes war, bei dem die "Idee eines vollkommenen Wesens" eine zentrale erkenntnistheoretische Bedeutung hatte.



Lieber Zettel, das ist ungerecht. In der Diskussion, ob die Christen Kant als christlichen Denker "vereinnahmen", drehen Sie den Spieß um. Sobald nämlich ein Christ die Frechheit besitzt, Philosophie zu betreiben statt nur Theologie, sprechen Sie ihm den Status des christlichen Denkers ab. Gilt ein Denker nur als christlich, wenn er nichts als das liebe Jesulein im Munde und in der Feder führt?

Thomas nannte die Philosophie wenigstens noch Magd der Theologie, damit war er deutlich großzügiger :-)

Gruß Petz

Zettel Offline




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22.10.2009 14:16
#45 RE: KKK: Gedrechseltes Öko-Geschwätz Antworten

Zitat von Meister Petz
Mich stört nur ganz arg dieses oft kolportierte Schwarz-weiß-Bild, dass die Aufklärer nur dem Guten, Schönen und Wahren verpflichten waren und die Kirche nur dem Machterhalt.


Mich auch, lieber Petz. Nur habe ich den Eindruck, daß Autoren wie Koestler und Zander dagegen ankämpfen, indem sie das Vorzeichen wechseln; oder, um in Ihrer Metapher zu bleiben, eine Kontrastumkehrung vornehmen.

Herzlich, Zettel

Meister Petz Offline




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22.10.2009 14:19
#46 RE: KKK: Gedrechseltes Öko-Geschwätz Antworten

Zitat von Zettel

Zitat von Meister Petz
Mich stört nur ganz arg dieses oft kolportierte Schwarz-weiß-Bild, dass die Aufklärer nur dem Guten, Schönen und Wahren verpflichten waren und die Kirche nur dem Machterhalt.


Mich auch, lieber Petz. Nur habe ich den Eindruck, daß Autoren wie Koestler und Zander dagegen ankämpfen




Ich habe im letzten Beitrag versucht zu argeumentieren, dass Sie sich von der Kontrastumkehrung manchmal auch nicht ganz freisprechen können

Gruß Petz

Zettel Offline




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22.10.2009 14:53
#47 "Ausgesprochen christliche Denker" Antworten

Zitat von Meister Petz

Zitat von Zettel
(...) Kant war - wie sollte er es auch sein? - kein Verächter "der" Religion (wohl aber hat er einen fast lebenslangen Kleinkrieg gegen die Königsberger Pietisten führen müssen). Aber das macht ihn ebensowenig wie Lessing zu einem "ausgesprochen christlichen Denker". Daß er Gott als eine Idee der Vernunft für unverzichtbar hielt, macht ihn dazu so wenig, wie das der Sokrates der "Apologie" war, der sich auf das berief, was Gott ihm gebiete; oder wie es Descartes war, bei dem die "Idee eines vollkommenen Wesens" eine zentrale erkenntnistheoretische Bedeutung hatte.


Lieber Zettel, das ist ungerecht. In der Diskussion, ob die Christen Kant als christlichen Denker "vereinnahmen", drehen Sie den Spieß um. Sobald nämlich ein Christ die Frechheit besitzt, Philosophie zu betreiben statt nur Theologie, sprechen Sie ihm den Status des christlichen Denkers ab. Gilt ein Denker nur als christlich, wenn er nichts als das liebe Jesulein im Munde und in der Feder führt?



Das ist, lieber Meister, natürlich a bisserl eine Frage der Terminologie. Wenn Herr von "ausgesprochen christlichen Denkern spricht", dann verstehe ich das als die Aussage, daß deren Denken vom Christentum bestimmt gewesen sei. Und das war es eben nicht.

Ausgesprochen christliche Denker waren natürlich alle im Abendland bis zur Renaissance und dem Humanismus; jede Philosophie bis dahin war wenn auch nicht die Magd, so doch mindestens die Schwester der Theologie. Die großen Denker waren fast alle Geistliche; welchen anderen Beruf hätten sie haben sollen?

Aber Machiavelli war kein "ausgesprochen christlicher Denker" mehr, auch wenn er natürlich der Katholischen Kirche angehörte und meines Wissens nie Konflikte mit ihr hatte. Descartes war kein "ausgesprochen christlicher Denker", obwohl er Deist war und obwohl auch er nie die Autorität der Kirche explizit in Frage gestellt hat.

Seit dem 17. Jahrhundert läßt sich in der Philosophie unterscheiden zwischen christlichen Denkern, für die die Religion im Mittelpunkt ihres Denkens stand oder jedenfalls eine zentrale Rolle spielte, und der wachsenden Zahl der anderen, die in der Regel keine Gegner des Christentums waren, deren Denken sich aber aus anderen Quellen speiste und andere Wurzeln hatte.

Zu dem in diesem Sinn "ausgesprochen christlichen Denkern" würde ich z.B. Blaise Pascal rechnen und Nicolas Malebranche, aber nicht George Berkeley, obwohl er Geistlicher war wie Malebranche. Zwischen den beiden - zwischen der zweiten Hälfte des 17. Jh. und der ersten Hälfte des 18. Jh. - liegt ein Umbruch. Mit der Wende zum 18. Jh. wurden die "ausgesprochen christlichen Denker" immer seltener.

Natürlich sind sie nicht verschwunden. Heidegger begann als christlicher Denker, hat sich aber bald davon gelöst. Ähnlich Max Scheler. Bedeutende Philosophen des Zwanzigsten Jahrhunderts, die "ausgesprochen christliche Denker" waren und auch blieben, sehe ich eigentlich nicht. Mir fallen auf Anhieb überhaupt nur Josef Pieper und Pasqual Jordan ein.

Aber da kennen Sie sich, lieber Meister Petz, sicher besser aus.

Herzlich, Zettel

Zettel Offline




Beiträge: 20.200

22.10.2009 15:01
#48 RE: KKK: Gedrechseltes Öko-Geschwätz Antworten

Zitat von Meister Petz

Zitat von Zettel

Zitat von Meister Petz
Mich stört nur ganz arg dieses oft kolportierte Schwarz-weiß-Bild, dass die Aufklärer nur dem Guten, Schönen und Wahren verpflichten waren und die Kirche nur dem Machterhalt.


Mich auch, lieber Petz. Nur habe ich den Eindruck, daß Autoren wie Koestler und Zander dagegen ankämpfen



Ich habe im letzten Beitrag versucht zu argeumentieren, dass Sie sich von der Kontrastumkehrung manchmal auch nicht ganz freisprechen können



Tja, sich selbst freisprechen kann man selten; das wäre ja noch schöner.

Aber eigentlich finde ich, daß ich zum Christentum ein ganz entspanntes Verhältnis habe. Ich glaube, ich gehöre zu denjenigen Nichtchristen, die das Positive am Christentum sehen können, weil sie sich schon früh und ohne Qualen und Kämpfe von ihm gelöst haben (ich mit ungefähr 14, als ich angefangen habe, Philosophie zu schmökern).

Aber falls ich aus Ihrer Sicht irgend etwas Christliches zu schwarz gemalt habe - sagen Sie's bitte, und dann diskutieren wir darüber. Vielleicht haben Sie ja Recht. Andere sehen oft etwas, das man selbst an sich nicht sieht.

Herzlich, Zettel

Meister Petz Offline




Beiträge: 3.923

22.10.2009 15:56
#49 RE: "Ausgesprochen christliche Denker" Antworten

Zitat von Zettel

Das ist, lieber Meister, natürlich a bisserl eine Frage der Terminologie. Wenn Herr von "ausgesprochen christlichen Denkern spricht", dann verstehe ich das als die Aussage, daß deren Denken vom Christentum bestimmt gewesen sei. Und das war es eben nicht.



Hm, lieber Zettel. Die Frage ist, ob damit gemeint ist, dass sie nur im Sinne der (christlichen) Religion denken - das sind viel viel mehr - oder ob sie sich nur zu religiösen Themen äußern.

Zitat von Zettel
Seit dem 17. Jahrhundert läßt sich in der Philosophie unterscheiden zwischen christlichen Denkern, für die die Religion im Mittelpunkt ihres Denkens stand oder jenfalls eine zentrale Rolle spielte, und der wachsenden Zahl der anderen, die in der Regel keine Gegner des Christentums waren, deren Denken sich aber aus anderen Quellen speiste und andere Wurzeln hatte.



DAs klingt mir wirklich etwas schwarz-weiß. Da können wir schon in der Antike anfangen, Boethius war Christ, sein Denken war neuplatonisch, auch Augustinus, der erste große chrictliche Philosoph, war Neuplatonist. Die gesamte Scholastik befasste sich weniger mit Bibelexegese als mit dem Streit, ob Platon oder Aristoteles recht hatte - hat sich deren Denken nicht aus anderen Quellen gespeist?

Zitat von Zettel
Zu dem in diesem Sinn "ausgesprochen christlichen Denkern" würde ich z.B. Blaise Pascal rechnen und Nicolas Malebranche



Die beide - geht man von der Theologie aus - reichlich unorthodoxe Gedanken hatten. Wussten Sie übrigens, dass der Leib-Seele-Dualismus auf dem Konzil von Trient als Häresie eingeordnet wurde? Malebranche war ein noch extremerer Dualist als Descartes.

Zitat von Zettel
Heidegger begann als christlicher Denker, hat sich aber bald davon gelöst. Ähnlich Max Scheler. Bedeutende Philosophen des Zwanzigsten Jahrhunderts, die "ausgesprochen christliche Denker" waren und auch blieben, sehe ich eigentlich nicht. Mir fallen auf Anhieb überhaupt nur Josef Pieper und Paqual Jordan ein.
Aber da kennen Sie sich, lieber Meister Petz, sicher besser aus.



Das liegt aber auch an der im 19. Jahrhundert aufkommenden scharfen Trennung zwischen (Religions-)Philosophie und Theologie. Da hat die Kirche in ihrer antimodernistischen Haltung sicher selbst die größte Schuld daran, dass die Theologen von der Liste der ernstzunehmenden Denker verschwunden sind. An dem Satz "Das finstere Mittelalter der katholischen Kirche spielte sich in Wahrheit im 19. Jh. ab" ist sehr viel wahres dran. Oder wie kommt es, dass z. B. ein Rahner oder ein Teilhard de Chardin, eine Simone Weil oder auch ein Küng oder ein Ratzinger, die beide neben brillanten Theologen auch sehr respektable Philosophen waren, Ihnen eben nicht auf Anhieb einfallen? Früher war die Soutane die Bedingung, am philosophischen Diskurs teilzunehmen, heute ist sie ein Ausschlussgrund.

Was ich ja noch verstehen würde, wenn wir in einem naturwissenschaftlich-materialistisch geprägten Klima leben würden. Aber das tun wir ja nicht, wenn man sich viele Ergüsse der Foucaults dieser Welt durchliest, ist das mindestens so esoterisch als der Glaube ans liebe Jesulein. Nein, es sieht viel mehr so aus, dass ab dem Moment, wo die Kirche ihre weltliche Macht verloren hat, die Intellektuellen ihr die Inquisition heimzahlen.

Gruß Petz

Zettel Offline




Beiträge: 20.200

22.10.2009 17:40
#50 RE: "Ausgesprochen christliche Denker" Antworten

Zitat von Meister Petz

Zitat von Zettel
Das ist, lieber Meister, natürlich a bisserl eine Frage der Terminologie. Wenn Herr von "ausgesprochen christlichen Denkern spricht", dann verstehe ich das als die Aussage, daß deren Denken vom Christentum bestimmt gewesen sei. Und das war es eben nicht.


Hm, lieber Zettel. Die Frage ist, ob damit gemeint ist, dass sie nur im Sinne der (christlichen) Religion denken - das sind viel viel mehr - oder ob sie sich nur zu religiösen Themen äußern.



"Im Sinn der christlichen Religion denken" ist mir zu unbestimmt. Gott kommt bei Sokrates, bei Descartes, bei Kant vor. Denken diese Philosophen damit "im Sinn der christlichen Religion"? Ich finde, etwas mehr sollte es schon sein. Aber wie schon geschrieben - letztlich ist das eine terminologische Frage. Man muß nur klar sagen, wie man einen Begriff gebrauchen möchte.

Zitat von Meister Petz

Zitat von Zettel
Seit dem 17. Jahrhundert läßt sich in der Philosophie unterscheiden zwischen christlichen Denkern, für die die Religion im Mittelpunkt ihres Denkens stand oder jenfalls eine zentrale Rolle spielte, und der wachsenden Zahl der anderen, die in der Regel keine Gegner des Christentums waren, deren Denken sich aber aus anderen Quellen speiste und andere Wurzeln hatte.


DAs klingt mir wirklich etwas schwarz-weiß. Da können wir schon in der Antike anfangen, Boethius war Christ, sein Denken war neuplatonisch, auch Augustinus, der erste große chrictliche Philosoph, war Neuplatonist.



Ja, zweifellos. Für beide stand die Religion im Mittelpunkt ihres Denkens; von Plotin an, der selbst wohl noch keine Beziehung zum Christentum hatte, wird die Philosophie immer religiöser. Wir haben in der römischen Spätantike ein allmähliches Verschwinden des unabhängigen Philosophierens und sein Aufgehen in eine theologische geprägte Art des Philosophierens. Vom 17. Jahrhundert an kehrt sich das wieder um.

Zitat von Meister Petz
Die gesamte Scholastik befasste sich weniger mit Bibelexegese als mit dem Streit, ob Platon oder Aristoteles recht hatte - hat sich deren Denken nicht aus anderen Quellen gespeist?


Sie meinen den Nominalismus-Streit? Da gebe ich Ihnen Recht. Aber das war ja nur eines unter vielen Themen.

Oder meinen Sie allgemein die Auseinandersetzung zwischen den eher an Platon orientierten Franziskanern und den Dominikanern, die sich auf Aristoteles bezogen (der auf dem schon genannten Weg über die arabische Kultur wieder bekannt geworden war)? Das scheint mir eher genau das zu illustrieren, was ich mit "ausgesprochen christlichen Denkern" meinte. So begierig sie Platon und Aristoteles rezipierten - im Mittelpunkt stand doch immer die domina, und nicht die ancilla. Gerade auch bei dem Aristoteles-Verehrer Thomas von Aquin.

Zitat von Meister Petz

Zitat von Zettel
Zu dem in diesem Sinn "ausgesprochen christlichen Denkern" würde ich z.B. Blaise Pascal rechnen und Nicolas Malebranche


Die beide - geht man von der Theologie aus - reichlich unorthodoxe Gedanken hatten.



Ja, das stimmt. Aber ich würde doch darauf beharren, daß beide in dem definierten Sinn "ausgesprochen christliche Denker" waren.

Zitat von Meister Petz
Wussten Sie übrigens, dass der Leib-Seele-Dualismus auf dem Konzil von Trient als Häresie eingeordnet wurde? Malebranche war ein noch extremerer Dualist als Descartes.


Nein, das hatte ich nicht gewußt; und es wundert mich auch. Denn die neuplatonische Idee vom Leib als Gefängnis der Seele ist doch in ähnlicher Form auch bei Augustinus zu finden. Hatte dieses Urteil des Konzils etwas mit den Franziskanern zu tun? Diese waren ja, wenn ich das richtig weiß, in diesem Punkt ganz neoplatonisch. Oder spielte die Auseinandersetzung mit den Franziskanern im 16. Jahrhundert schon gar keine Rolle mehr? Ich weiß das alles leider nicht.

Was Malebranche angeht - Sie haben Recht. Die Okkasionalisten haben Descartes' Dualismus viel ernster genommen als dieser selbst, der dessen zentrales Problem - wie können Leib und Seele überhaupt kommunizierern? - gar nicht in seinem ganzen Gewicht erkannt zu haben scheint. Aber stand Malebranche zu seiner Zeit mit seinem Dualismus wirklich im Gegensatz zur damaligen kirchlichen Lehrmeinung? Ich habe keine Ahnung; wissen Sie es, lieber Petz?

Zitat von Meister Petz

Zitat von Zettel
(...) Mir fallen auf Anhieb überhaupt nur Josef Pieper und Paqual Jordan ein.
Aber da kennen Sie sich, lieber Meister Petz, sicher besser aus.


(...) Oder wie kommt es, dass z. B. ein Rahner oder ein Teilhard de Chardin, eine Simone Weil oder auch ein Küng oder ein Ratzinger, die beide neben brillanten Theologen auch sehr respektable Philosophen waren, Ihnen eben nicht auf Anhieb einfallen?



Rahner hatte ich bisher nur als Theologen gesehen, ebenso Küng und Ratzinger. Zu welchen philosophischen Disziplinen haben sie denn einen Beitrag geleistet? Teilhard de Chardin hätte mir einfallen sollen, das stimmt. Der Name Simone Weil sagt mir leider nichts.

Wie auch immer - ich freue mich, daß dadurch, daß Herr sich hier eingefunden hat und daß Sie, lieber Petz, Ihre Höhle wieder einmal verlassen haben, derartige Themen hier einmal wieder diskutiert werden.

Herzlich, Zettel

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