Zitat von lois jane Er wollte sehr wohl und hat seine nach Sachlage urteilenden Richter drangsaliert, weil er meinte hier setze sich eine Elite über die berechtigten Ansprüche dieses Müllers hinweg. Dem war nicht so, aber wie so oft wollten das manche nicht glauben. Leider waren "manche" hier König und konnten die Sache entsprechend manipulieren. Der Fall ist keineswegs eine Legende
Ein Fall. Ja wo sind denn die vielen anderen, die Friedrich zum Musterbeispiel eines Despoten machen? Bringen Sie doch bitte mal Fakten, die belegen, daß er in Wahrheit ein ganz übler Despot war...
Der Müller von Sanssouci ist eine Legende, der Müller Arnold - Fall nicht. Wie ich geschrieben habe.
Zitat von lois jane Für die Beurteilung des real-existierenden Friderizianismus können aber nur die historischen Fakten heranzogen werden.
Die in Ihrer Argumentation leider fehlen. Bisher sehe ich da überwiegend unzulässige Verallgemeinerungen, willkürliches Herausgreifen von Einzelereignissen, saloppe Allgemeinplätze und Ausweichen, wenn Fakten gefragt sind...
Zitat von lois jane Ob Ausnahme oder nicht - allein die Tatsache, daß eine Ausnahme möglich war, zertrümmert die These vom friderizianischen Rechtsstaat.
Bei allem Respekt, aber das ist albern und naiv. Nur weil auch in der Bundesrepublik politische Gründe oder Eigeninteressen der Justiz einzelne Gerichtsverfahren beinflussen, ist D kein Rechtsstaat? Nur weil Gesetze gelegentlich gegen die Verfassung verstossen, ist D kein Rechtsstaat?
Diese absurde Argumentation brauche ich wohl nicht näher zu kommentieren...
Zitat von lois jane Es scheint mir aber andersherum zu sein (so wie meistens bei solchen Legenden): Generationen haben die Legende in jungen Jahren erzählt bekommen und so wurde das ganze populär. Friedrich wäre dann der Posterboy des erst später reformierten Preußens.
Dann werden Sie das sicher belegen können, pauschale Vermutungen und schnoddrige Bemerkungen helfen nicht weiter.
Zitat von JeffDavis... albern und naiv. ... absurde Argumentation ... schnoddrige Bemerkungen
Geht's vielleicht auch a bisserl höflicher, lieber JeffDavis? Das Gewicht Ihrer Argumente wird ja durch solche Herabsetzungen des Gesprächspartners nicht erhöht.
Sie haben sicherlich bemerkt, daß es in diesem Forum höflicher zugeht als in vielen anderen Foren und Blogs. Das ist aus meiner Sicht einer der Gründe dafür, daß es ein erfolgreiches Forum ist.
Deshalb ist mir dieser Punkt wichtig, und deshalb meldet sich Wamba mit größerer Deutlichkeit, als ich es jetzt tue, wenn jemand sich nicht an die Regel der Höflichkeit halten mag. Was Sie aber, denke ich, künftig tun werden.
Zitat von JeffDavis Maria Theresia. Preußen hat nur den ersten Schuß abgefeuert.
Genau. Schuld haben immer die anderen. Preußen war immer nur Opfer. Mag man den Siebenjährigen als Präventivkrieg sehen, verblaßt das aber angesichts dessen, daß es Preußen hier nur um die Bewahrung seiner in einem vorherigen Raubkrieg gewonnenen Territorien ging. Wie als ob der Geiselgangster beim Anrücken der Polizei das Feuer eröffnet.
Ist das alles an "Argumenten"?
Der erste Schlesische Krieg war - wie Friedrich selbst zugegeben hat - ein "Raubkrieg". Damit hat er sich kaum anders verhalten wie andere Monarchen seiner Zeit auch. Es s ei denn, Sie wollen die Eroberungskriege Ludwigs XIV, Karls XII oder der russischen Zaren als humanitäre Polizeiaktionen einordnen. Wenn man den Zweiten Schlesischen dazuzählt, komme ich auf ganze 2 Angriffskriege. Wenn das alles ist! Wenn Friedrich dann für Sie ein räuberischer Despot ist, mit welchen Bezeichnungen belegen Sie dann erst andere Monarchen?
Zitat von lois janeTatsache ist das Hessen gelitten hat und erstens Geld brauchte, zweitens nach Friedensschluß Regimenter übrig hatte.
Wieder einer dieser Allgemeinplätze, die im Grunde nichts besagen. Die anderen Staaten haben zT noch wesentlich mehr gelitten, nach Kriegsende ebenfalls überflüssige Regimenter gehabt und trotzdem keine Soldaten vermietet.
Zitat von lois janeBräker sagt mir gar nichts, aber Sie wissen doch genau, welche Praxis ich meine.
Ich weiß recht genau, wovon ich Rede. Bei Ihnen habe ich diesen Eindruck nicht. Sie weichen nämlich schon wieder aus. Nun erzählen Sie doch bitte etwas über die schrökliche preußische Rekrutierungspraxis! Und wie human im Vergleich dazu die Armeen und Marinen der anderen Staaten ihre Rekruten geworben haben. Wer eine Anschuldigung vorbringt, sollte sie auch beweisen können. Und vor allem in der Lage sein, historische Ereignisse in Relation zu den Gepflogenheiten der damaligen Zeit zu sehen.
Zitat von ZettelGewiß ist das Spekulation, lieber JeffDavis. Der Historiker ist nicht nur nach dem Wort Schlegels ein rückwärts gewandter Prophet, sondern jede Geschichtsschreibung ist Spekulation, seit Herodot mit diesem Unternehmen begonnen hat; wenn auch wenn sie nicht immer so hochspekulativ ist wie, sagen wir, bei Spengler.
Inwiefern ist denn Geschichtsschreibung Spekulation? Wer anhand der Quellen beschreibt was eigentlich geschehen ist und sich in Gedanken über Strukturen dieser Geschehnisse macht ... gut das mag man Spekulation nennen.
Selbst wenn man nur kommentarlos die Dokumente publizieren würde, die man in den Archiven gefunden hat, wäre das keine einfache Dokumentation dessen, was "eigentlich geschehen" ist, denn man muß ja die Dokumente auswählen.
Dennoch hat Ranke Recht, wenn er vom Historiker fordert, zu beschreiben, "wie es gewesen ist". Sein Ziel muß das sein; er muß nach bestem Wissen das Geschehene rekonstruieren. Aber jede Rekonstruktion enthält das Moment der Spekulation.
Zitat von lois jane
Zitat Was meine Spekulation stützt; denn sie haben sich - aufgeklärt, wie sie waren - sozusagen selbst als absolute Herrscher abgeschafft.
Welcher Herrscher hat sich denn selbst abgeschafft? Ich wüßte keinen einen (Ludwig II. von Bayern mal ausgenommen) und wenn, dann geschah es zugunsten eines anderen Herrschers.
Ich habe geschrieben "als absolute Herrscher abgeschafft". Das ist der Weg vom Absolutismus zur konstitutionellen Monarchie, wie ihn viele Staaten Europas gegangen sind.
Zitat von lois jane
Zitat In gewisser Weise war dann in Deutschland vor allem die Zeit zwischen 1848 und 1918 eine langsame friedliche Revolution
Heller Widerspruch, wenn Sie auf 1848 und "friedlich" bestehen, denn immerhin gab es 1863, 1866 und 1870/71 drei Kriege, die für diesen politischen Umgestaltungsprozeß nicht ganz unbedeutend waren.
Ich sehe da keinen Zusammenhang. Diese Kriege mögen - auch darüber kann man streiten - für die Reichsgründung notwendig oder jedenfalls hilfreich gewesen sein, insofern sie die Vormachtstellung Preußens festigten und der Krieg von 1870/71 zugleich eine Allianz mit den süddeutschen Staaten herstellte. Aber für die Entwicklung zur konstitutionellen Monarchie waren sie, soweit ich sehe, ohne Bedeutung.
Zitat von lois jane
Zitat die ohne den Krieg die konstitutionelle Monarchie so ausgestaltet hätte,wie sie heute noch in GB, Spanien (dort wieder), Skandinavien und Benelux existiert.
Das ist dann wiederum Spekulation.
Ja, klar; das habe ich doch gesagt.
Zu Aufklärung und Absolutismus habe ich schon geantwortet.
Zitat von lois janeEr schaffte die Folter ab, aber nicht so ganz.
Die Folter wurde in Preußen als Beweismittel in Verfahren gegen Soldaten bereits 1725 abgeschafft, also noch unter FWI. Sofort nach Regierungsantritt am 03.06.1740 verbot FII die Folter grundsätzlich und machte nur für Hoch- und Landesverrat sowie Mord mit mehreren Opfern eine Ausnahme (die nie zur Anwendung gelangte). 1754 wurde sie ganz abgeschafft.
Zitat von lois jane Er wollte sehr wohl und hat seine nach Sachlage urteilenden Richter drangsaliert, weil er meinte hier setze sich eine Elite über die berechtigten Ansprüche dieses Müllers hinweg. Dem war nicht so, aber wie so oft wollten das manche nicht glauben. Leider waren "manche" hier König und konnten die Sache entsprechend manipulieren. Der Fall ist keineswegs eine Legende
Ein Fall. Ja wo sind denn die vielen anderen, die Friedrich zum Musterbeispiel eines Despoten machen? Bringen Sie doch bitte mal Fakten, die belegen, daß er in Wahrheit ein ganz übler Despot war... Der Müller von Sanssouci ist eine Legende, der Müller Arnold - Fall nicht. Wie ich geschrieben habe.
Gut, den Müller von Sanssouci habe ich ja selbst als Legende bezeichnet - er ist eine solche, eben eine Preußen glorifzierende Legende. Aber sie hat einen realgeschichtlichen Hintergrund, auf die sie zurückgeht und das ist der Müller Arnold.
Wenn es Ihnen lieber ist: das Faktum des Müller Arnold widerspricht der Legende des Müllers von Sanssouci.
Ich machte ja Friedrich gar nicht zu schlimmsten aller Despoten. Es nervt nur sehr gewaltig wenn jemand in den Himmel gelobt wird, der die ihm zugeschriebenen Tugenden entweder gar nicht oder in nicht sehr besonderem Maß hatte, dessen Laster aber als "so warns halt damals alle" ignoriert werden.
Friedrich ist nicht das Musterbeispiel eines Despoten sondern der eines Heuchlers.
Zitat Die in Ihrer Argumentation leider fehlen.
Eben war der Müller Arnold noch ein Faktum. Das Lob Friedrichs ist es, welches mit "unzulässige(n) Verallgemeinerungen, willkürliche(m) Herausgreifen von Einzelereignissen, saloppe(n) Allgemeinplätze" arbeitet.
Zitat von lois jane Ob Ausnahme oder nicht - allein die Tatsache, daß eine Ausnahme möglich war, zertrümmert die These vom friderizianischen Rechtsstaat.
Zitat Bei allem Respekt, aber das ist albern und naiv. Nur weil auch in der Bundesrepublik politische Gründe oder Eigeninteressen der Justiz einzelne Gerichtsverfahren beinflussen, ist D kein Rechtsstaat? Nur weil Gesetze gelegentlich gegen die Verfassung verstossen, ist D kein Rechtsstaat?
Sie übersehen den Unterschied. In der Bundesrepublik Deutschland kann kein oberster Gerichtsherr sich über höchstrichterliche Entscheidungen in konkreten Fällen hinwegsetzen. Und auch über verfassungsrichtliche Urteile nicht (wenn es auch manchmal angebracht wäre). Wenn z.B. ein Schadenersatzsuchender den Klageweg bis zum BGH beschreitet und dort immer noch nicht recht bekommt, kann nicht Herr Köhler oder Frau Merkel den Schadenersatz dennoch zusprechen.
Zitat:Dann werden Sie das sicher belegen können, pauschale Vermutungen und schnoddrige Bemerkungen helfen nicht weiter.
Ich verweise auf das Buch von Gerhard Prause - der kann das ganze besser als ich.
Es ist schon ein starkes Stück, daß Sie ad libidum die Legende Kammergericht mal anführen (um zu zeigen, wie wunderbar rechtsstaatlich alles in Preußen war) und dann wiederum wegschieben als nicht so wichtig.
Zitat von JeffDavisDer erste Schlesische Krieg war - wie Friedrich selbst zugegeben hat - ein "Raubkrieg".
Wenn also selbst Friedrich höchstpersönlich mir zustimmt, warum wollen Sie es dann bestreiten.
Aber das folgende war zu erwarten. Sie können den Raubkrieg nicht leugnen, also verweisen Sie darauf, auch andere hätten es getan. Ich widerspreche da nicht, nur macht es eben den Raubkrieg nicht zur Norm der Zeit. Es gibt genug Fürsten, die damals keine Raubkriege führten. Im Unterschied zu Friedrich werden auch Ludwig XIV (ebenso ein räuberischer Despot und der Verderber Frankreichs), der schwedische Karl oder die Zaren selten glorifziert.
Dann akzeptieren Sie nocht den zweiten als Angriffskrieg. Der Siebenjährige ist aber ein solcher, egal wie sehr Sie die Schuld dafür der Kaiserin zuschieben wollen. Die Schuld liegt beim Raffke aus Preußen. Wäre es nicht der große Friederich würde das auch niemand bestreiten.
Zitat von lois janeTatsache ist das Hessen gelitten hat und erstens Geld brauchte, zweitens nach Friedensschluß Regimenter übrig hatte. Zitat:Wieder einer dieser Allgemeinplätze, die im Grunde nichts besagen. Die anderen Staaten haben zT noch wesentlich mehr gelitten, nach Kriegsende ebenfalls überflüssige Regimenter gehabt und trotzdem keine Soldaten vermietet.
Ich beende diese Debatte hiermit, weil sie eindeutig nicht verstehen wollen. Es geht nicht um irgendwelche Vergleiche mit anderen sondern nur darum, die Situation Hessens damals zu verstehen. Das wollen Sie nicht und verurteilen lieber die hessische Praxis (am Ende weil der Hessische Landgraf nicht Flöte spielte), belassen wir es dabei.
Zitat von ZettelAber jede Rekonstruktion enthält das Moment der Spekulation.
So ungefähr habe ich das oben auch geschrieben, als ich meinen Gedankengang schriftlich hier wiedergab (was Sie mir hoffentlich verzeihen mögen) - nur könnte man Spekulation auch so oder so verstehen.
Zitat von lois jane
Zitat Was meine Spekulation stützt; denn sie haben sich - aufgeklärt, wie sie waren - sozusagen selbst als absolute Herrscher abgeschafft.
Welcher Herrscher hat sich denn selbst abgeschafft? Ich wüßte keinen einen (Ludwig II. von Bayern mal ausgenommen) und wenn, dann geschah es zugunsten eines anderen Herrschers.
Ich habe geschrieben "als absolute Herrscher abgeschafft". Das ist der Weg vom Absolutismus zur konstitutionellen Monarchie, wie ihn viele Staaten Europas gegangen sind.[/quote]
Welcher Herrscher ist denn diesen Weg freiwillig gegangen? Zumindest in den bedeutenderen Fällen wurde dieser Prozeß durch andere Kräfte erzwungen.
Zitat Ich sehe da keinen Zusammenhang. Diese Kriege mögen - auch darüber kann man streiten - für die Reichsgründung notwendig oder jedenfalls hilfreich gewesen sein, insofern sie die Vormachtstellung Preußens festigten und der Krieg von 1870/71 zugleich eine Allianz mit den süddeutschen Staaten herstellte. Aber für die Entwicklung zur konstitutionellen Monarchie waren sie, soweit ich sehe, ohne Bedeutung.
Sie waren aber Teil des ganzen Prozesses. Für Entwicklung konstitutioneller Monarchie im Wortsinn natürlich ohne Bedeutung da diese ja - mit großer Bandbreite schon zuvor existierten.
Zitat von lois janeWelcher Herrscher ist denn diesen Weg freiwillig gegangen? Zumindest in den bedeutenderen Fällen wurde dieser Prozeß durch andere Kräfte erzwungen.
Geschenkt. Natürlich ist jeder historische Prozeß die Resultante vieler Kräfte. Jedenfalls haben die deutschen Fürsten in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts den Weg zur konstitionellen Monarchie akzeptiert.
Zitat von lois jane
Zitat von ZettelIch sehe da keinen Zusammenhang. Diese Kriege mögen - auch darüber kann man streiten - für die Reichsgründung notwendig oder jedenfalls hilfreich gewesen sein, insofern sie die Vormachtstellung Preußens festigten und der Krieg von 1870/71 zugleich eine Allianz mit den süddeutschen Staaten herstellte. Aber für die Entwicklung zur konstitutionellen Monarchie waren sie, soweit ich sehe, ohne Bedeutung.
Sie waren aber Teil des ganzen Prozesses. Für Entwicklung konstitutioneller Monarchie im Wortsinn natürlich ohne Bedeutung da diese ja - mit großer Bandbreite schon zuvor existierten.
Alles, liebe Lois Jane, ist immer Teil des ganzen Prozesses.
Zitat von lois jane Ich beende diese Debatte hiermit, weil sie eindeutig nicht verstehen wollen. Es geht nicht um irgendwelche Vergleiche mit anderen sondern nur darum, die Situation Hessens damals zu verstehen. Das wollen Sie nicht und verurteilen lieber die hessische Praxis (am Ende weil der Hessische Landgraf nicht Flöte spielte), belassen wir es dabei.
Eine Beendigung ist sicher sinnvoll, zumal es nicht um Hessen ging, sondern um Ihre Behauptungen über Preußen. Wenn immer noch Fakten und Nachweise fehlen, wie Ihre Antworten auf meine Fragen zeigen, wird wohl auch nichts mehr kommen. Über Sticheleien und Verdrehungen streite ich nicht.
Nur am Rande: Friedrich II, Landgraf von Hessen-Kassel (der seine Soldaten an England vermietete) war preuß Feldmarschall, Gouverneur von Wesel und später Vizegouverneur der Festung Magdeburg. Er diente den ganzen Siebenjährigen Krieg über in der preuß Armee. Er besaß bis zu der Sache mit den hess Subsidienregimentern ein freundschaftliches Verhältnis zum preuß Friedrich, der aber die Vermietung von Soldaten mißbilligte und das gute Verhältnis beendete.
Ich darf aber für interessierte Leser noch einige Erläuterungen zum preußischen Rekrutierungssystem ergänzen. Ich stütze mich dabei auf die Artikel „Rekrutierung“ und „Desertion“ im "Handbuch zur preußischen Militärgeschichte 1701-1786" von Martin Guddat, erschienen 2001 im Verlag Mittler & Sohn.
FW I. führte 1733 in Preußen das Kantonsystem ein, das als Grundlage für die Rekrutierung der Mannschaften in der preuß. Armee diente.
Bis dahin konkurrierten alle Regimenter bei der Rekrutierung des Nachwuches, den sie im ganzen Lande anwerben durften. Das Kantonsystem wies jedem Regiment seinen eigenen Bezirk (Kanton) zu, in dem es ausschließlich den Nachwuchs rekrutieren durfte. Zu jedem Kanton gehörten zwischen 5000 und 8800 Haushalte. In Friedenszeiten durften 60, in Kriegszeiten 100 Soldaten ausgehoben werden. Aufgrund der hohen Zahl von Ausländern in der Armee genügte diese Zahl zur Deckung des Personalbedarfs.
Alle männlichen Kinder wurden bereits bei der Geburt erfaßt und in jungen Jahren von den Regimentern mit Namen, Alter und Größe in den Kompanierollen vorgemustert. Jeder erhielt einen sog. Enrollierungspaß und galt bis zur endgültigen Aushebung als beurlaubt.
Zunächst alle zwei, später jedes Jahr vor der Frühjahrsparade erfolgte der schriftliche Aufruf , sich innerhalb einer bestimmten Frist beim Regiment zu melden. Dann wurden die Enrollierten durch das Regiment je nach Bedarf eingestellt. Enrollierte über 24 Jahre oder zu geringer Körpergröße wurden vom Regimentschef von der Wehrpflicht entbunden und erhielten als Nachweis dafür den sog. Laufpaß (dürfte der Hintergrund der Redewendung sein!).
Die Körpergröße der Soldaten spielte aufgrund der Gefechtstaktik (Linienformation) eine erhebliche Rolle, da die preuß. Infanterie in drei Reihen schoß (vordere knieend, die beiden anderen stehend auf Lücke). Schnelles Laden setzte bei der damaligen Musketenbewaffnung und dem Ladevorgang eine gewisse Körpergröße voraus.
De jure bestand die Dienstpflicht bis zum Lebenende, de facto kaum länger als 12 Monate. Die aktive Zeit beschränkte sich auf die einjährige Grundausbildung, danach wurden die Soldaten auf unbestimmte Zeit beurlaubt oder durch besser gewachsene Kantonisten ersetzt. Das garantierte ein akzeptables Alter für den Feldeinsatz und schuf ein großes Reservoir ausgebildter „Reservisten“.
Die Einsatzbereitschaft wurde durch die Beurlaubungen wegen der hohen Zahl von Ausländern in der Truppe nicht beeinträchtigt und kam dem Wunsch des Königs entgegen, die Bevölkerung zum Schutz von Industrie, Handel und Landwirtschaft weitgehend vom Wehrdienst freizuhalten.
Bei Regierungsantritt des Königs 1740 bestand die Armee zu einem Drittel aus Ausländern, 1743 bereits schrieb das Reglement zwei Drittel Ausländer für jede Kompanie vor. 1751 waren von 133.000 Soldaten rund 83.000 Ausländer, 1768 von 160.000 Mann etwa 90.000. 1786 lag die Zahl bei 110.000 Ausländern bei einer Gesamtstärke von 190.000 Mann.
Die berüchtigten und heute so prominent in den Vordergrund geschobenen Werbemethoden unter den Ausländern hat es natürlich gegeben. Sie haben schon damals Anlaß zu Kritik gegeben. Dennoch darf man dabei nicht vergessen, daß jedenfalls in Friedenszeiten auch unter den Ausländern die Zahl der freiwillig Verpflichteten deutlich überwog. Die meisten Ausländer waren aus Mittel- oder Süddeutschland. In Kriegszeiten wurden sehr oft Kriegsgefangene in die Truppe eingestellt, die - ebenso wie viele durch List, Tücke und Gewalt Angeworbene – bei der ersten Gelegenheit desertierten. Hessen zB. pflegte zum Tode verurteilte Verbrecher zum Dienst in einem preuß. Regiment zu begnadigen. Nicht wenige Deserteure betrieben die Anwerbung berufsmäßig, d.h., nach der Desertion meldeten sie sich unter anderen Namen bei einem anderen Werbeoffizier und ergaunerten sich so ein hübsches kleines Vermögen. Der bereits erwähnte Schweizer Bräker zB. wußte, dasß der ihn anwerbende Preuße Werbeoffizier war und glaubte dennoch, er werde zum Pagendienst angeworben.
Im Biblio-Verlag gibt es übrigens eine hervorragende Heftserie „Altpreußischer Kommiß“, hrsg. von Hans Bleckwenn. Die Serie besteht fast nur aus Nachdrucken zeitgenössischer Berichte und Literatur. So enthält sie zB den militärischen Teil von Bräkers Erinnerungen, mehrere Hefte mit „ List- und lustige Begebenheiten, derer Herrn Officiers auf Werbungen.“ (Rostock 1741), Regimentsgeschichten usw.. Wer möchte, kann sich das Verlagsprogramm auf der Webseite ansehen.
Zum Müller Arnold und zur preuß Justiz möchte ich noch auf einen Artikel hinweisen, der in „Gestalten um Friedrich den Großen, Biographische Skizzen, Bd. 1“, hrsg. von Helmut Schnitter, 1993 im Preuß Militärverlag erschienen ist.
Ich kann den Inhalt aus urheberechtlichen und aus Zeitgründen nicht umfangreich wiedergeben. Aber er zeigt doch, wie sich ein juristischer Streit verselbständigen und zum Selbstzweck werden kann. Im Artikel sind die verschiedenen Stadien der jahrelangen Auseinandersetzungen detailliert wiedergegeben. Im Ergebnis zeigen sich eine korrekt arbeitende Verwaltung und Justiz, ein prozeßfreudiger Müller, hohe Richter und Beamte, die auch gegenüber dem König ihre Meinung nicht nur zum Ausdruck brachten, sondern in Kenntnis drohender Nachteile standhaft vertraten, und ein König, der in diesem Fall nicht einsehen wollte, daß sein generelles Mißtrauen gegen Beamte und Juristen nicht gerechtfertigt war.
Im übrigen ist am Schluß, teils schon unter FII, teils danach unter FW II., die ganze Affaire erledigt worden. Die Räte und Beamte, die FII tatsächlich in der Festung Spandau hat einsitzen lassen, wurden nach 8 Monaten entlassen, unter FWII rehabilitiert. Letzerer sorgte für die Wiederaufnahme des Prozesses vor der höchsten Instanz, dem Obertribunal, wo Arnold wieder verlor, der König ihm jedoch aus eigener Schatulle die Mühle zurückkaufte.
Bemerkenswert - und nach meiner 20jährigen Erfahrung mit deutschen Verwaltungsgerichten und mit Blick auf unsere heutige deutsche Justiz noch immer in höchstem Maße aktuell - scheint mir eine Bemerkung des Königs (F II) über die Justiz zu sein:
„Denn ein Justiz-Collegium, das Ungerechtigkeiten ausübt, ist gefährlicher und schlimmer, wie eine Diebsbande, vor die kann man sich schützen, aber vor Schelme, die den Mantel der Justiz gebrauchen, um ihre üblen Passiones auszuführen, vor die kann sich kein Mensch hüten.“
Zitat von JeffDavis„Denn ein Justiz-Collegium, das Ungerechtigkeiten ausübt, ist gefährlicher und schlimmer, wie eine Diebsbande, vor die kann man sich schützen, aber vor Schelme, die den Mantel der Justiz gebrauchen, um ihre üblen Passiones auszuführen, vor die kann sich kein Mensch hüten.“
Danke, lieber JeffDavis - nicht nur für dieses Zitat, sondern überhaupt für diesen Beitrag. Solche präzisen Informationen schätze ich.
Zitat von JeffDavisIm übrigen ist am Schluß, teils schon unter FII, teils danach unter FW II., die ganze Affaire erledigt worden. Die Räte und Beamte, die FII tatsächlich in der Festung Spandau hat einsitzen lassen, wurden nach 8 Monaten entlassen, unter FWII rehabilitiert. Letzerer sorgte für die Wiederaufnahme des Prozesses vor der höchsten Instanz, dem Obertribunal, wo Arnold wieder verlor, der König ihm jedoch aus eigener Schatulle die Mühle zurückkaufte.
Bemerkenswert - und nach meiner 20jährigen Erfahrung mit deutschen Verwaltungsgerichten und mit Blick auf unsere heutige deutsche Justiz noch immer in höchstem Maße aktuell - scheint mir eine Bemerkung des Königs (F II) über die Justiz zu sein:
„Denn ein Justiz-Collegium, das Ungerechtigkeiten ausübt, ist gefährlicher und schlimmer, wie eine Diebsbande, vor die kann man sich schützen, aber vor Schelme, die den Mantel der Justiz gebrauchen, um ihre üblen Passiones auszuführen, vor die kann sich kein Mensch hüten.“
Nur noch ein kleiner Nachtrag: ich kann nicht sehen, wie Sie hiermit Friedrichs rechtsbrecherisches und tyrannisches Verhalten rechtfertigen können.
Weil er die Richter auch schließlich wieder freigelassen hat?
Weil sein Neffe das Unrecht wieder geradegerückt hat?
Die Bemerkung über die Justiz stimmt zwar heute, wo sie sich manchmal allzuhohe Autorität zumißt, aber damals, wo ein König mirnichts-dirnichts ihre Urteile einkassieren konnte, eben nicht.
Denn ein sich selbst gerecht und aufgeklärt dünkender Autokrat, der Ungerechtigkeiten ausübt, ist gefährlicher und schlimmer, wie eine Diebsbande, vor die kann man sich schützen, aber vor einem Schelm, der den Mantel des Königs gebraucht, um seine üblen Passiones auszuführen, vor dem kann sich kein Mensch hüten.
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