Zitat von ZettelInteressant ist vielleicht die Frage, seit wann das eigentlich so ist. In der Antike, im größten Teil der Geschichte des Abendlands hat man erobert und gemordet, ohne daß jemand auf den Gedanken gekommen wäre, das zu rechtfertigen (Ausnahme: die Kreuzzüge).
Bei diesem einen Punkt möchte ich etwas korrigieren: Die "Gerechtigkeit" eines Krieges hat schon immer und in allen Kulturen eine große Rolle gespielt. Innerhalb Europas dagegen gibt es nur eine Epoche, in der Kriege per se als legitim galten: Das 18. Jahrhundert mit seinen Kabinettskriegen. Aber selbst da wurde wenigstens ein formaler Grund angegeben.
Ich habe in meiner Bibliothek einen Vortrag Konrad Repgens in Heftform gefunden, und zwar "Kriegslegitimationen in Alteuropa, Entwurf einer historischen Typologie", erschienen München 1985.
Der Vortrag beschäftigte sich mit der Frage, ob und wie in Alteuropa (für Repgen die Zeit grob zwischen 1200 und 1800) Kriege seitens der beteiligten Mächte gerechtfertigt worden sind. Er hat dazu in den Bibliotheken nach sog. Kriegsmanifesten gesucht, und zwar für die etwa 200 Kriege, die zwischen der Mitte des 15. und dem Ende des 18,Jahrhunderts in Europa geführt worden sind. Eine genaue Zahl konnte ich jetzt auf die Schnelle im Heft nicht finden, aber allein für den Bayerischen Erbfolgekrieg 1778-1781 kennt er 287 Staatssschriften (nicht alle unmittelbare Kriegsmanifeste im engeren Sinne, die Zahl schließt die Deduktionen ein, die vorher und nachher dazu publiziert worden sind). Für den gesamten Zeitraum müßte es deshalb mehrere tausend solcher Manifeste geben.
Er nennt nach Auswertung der Manifeste insgesamt 12 Legitimationen, die immer wieder über die Jahrhunderte hinweg Verwendung finden:
- Abwehr einer Universalmonarchie - Bekämpfung von Rebellion - Erbrecht - Gleichgewicht - Handelsinteressen - Kreuzzug bzw. Türkenkrieg - präventive Abwehr drohender Gefahren - Religionsrecht - Verteidigung der eigenen Untertanen gegen einen kriegerischen Überfall - Verteidigung ständischer Freiheiten - Vertragsverpflichtungen - Wiedergutmachung erlittenen Unrechts
RAs Hinweis, nur im 18.Jahrhundert hätten Kriege per se als legitim gegolten, kann deshalb so nicht stimmen. Vielmehr - so Repgen - ist der Krieg in der gesamten oa. Zeit immer als ein erlaubtes Mittel zur Konfliktlösung angesehen worden, als ein rechtliches Verfahren, daß in den Fällen eintrete, in denen ein Richter fehlt. Repgen belegt das mit zahlreichen Zitaten aus Schriften von Theologen, Philosophen und Juristen. Und ebenso während des ganzen Zeitraums (auch im 18.Jahrhundert) war für "die Menschen in Alteuropa ziemlich unbestritten, daß nur ein gerechter Krieg geführt werden dürfe." (Repgen, S.10) Machiavelli - so Repgen - ist keineswegs typisch. Selbst für den ersten Schlesischen Krieg habe Friedrich dGr ein Manifest verfassen lassen, zwar erst einige Wochen nach Kriegsbeginn, aber er habe.
Interessant (aber auch naheliegend) fand ich Repgens Ausführungen betreffend die rasche Verbreitung derartiger Manifeste über ganz Europa und in mehreren, zT. vielen Sprachen. Das Kriegsmanifest als ein Mittel der Propaganda und zur Herstellung öffentlicher Legitimation.
Zitat von JeffDavisRAs Hinweis, nur im 18.Jahrhundert hätten Kriege per se als legitim gegolten, kann deshalb so nicht stimmen.
Das habe ich vielleicht schlecht formuliert. Gemeint war, daß in dieser Periode auch Kriege ohne "gerechten Kriegsgrund" akzeptiert wurden, das reine Interesse eines Fürsten an Zugewinne war Grund genug. Ob dann noch eine offizielle Begründung im alten Stil nachgeschoben wurde, das war in der Praxis zweitrangig. Außerhalb dieser eng begrenzten Epoche war es dagegen immer nötig, selbst die krassesten Eroberungskriege juristisch zu untermauern (man denke da z. B. an die Réunionskammern).
Zitat von André ThieleZwischen den beiden Kommunisten Hermann L. Gremliza, Konkret, und Peter Hacks, DDR, gab es einmal einen diesbezüglichen Streit. Gremliza vertrat eine vehement antideutsche Position ("Nie wieder Deutschland"), Hacks warf ihm das in einer Grußadresse vor: Gremliza sei, was die Deutschen betreffe, ein Rassist, er vermute einen kleinen Hitler in ihren Genen; DNS, ich zitiere aus dem Kopf, bedeute aber nach wie vor nicht Deutscher National Sozialist, sondern einfach Desoxiribonukleinsäure. Gremliza konterte später, er wolle einfach, wenn es einmal hart auf hart komme, in jedem anderen Land der Erde sein, aber nicht in Deutschland; er könne sich irren, aber das Risiko der anderen sei etwas höher.
Gremliza - da nennen Sie, lieber André Thiele, einen Namen, bei dem sachlich zu bleiben mir schwerfällt; zu übertreffen nur noch von dem Namen Otto Köhler.
Ein begabter Journalist, der aber ohne Augenmaß ist; am Lufballon seiner Rechthaberei hängend, der ihn hoch über das Publikum erheben soll. Was ich von Gremliza gelesen habe, war nicht reflektierend, sondern selbstbespiegelnd. Einer, der gern der neue Karl Kraus sein möchte und der doch nur das linke Gegenstück zum "Wagner" der Bildzeitung ist.
Naja, das war jetzt nicht unbedingt nur Sache; verzeihen Sie den kleinen Ausbruch. Aber Gremliza ist ja nicht allein. Es gibt eine linke Arroganz, zu der es gehört, sich nicht nur über alle diejenigen zu erheben, denen noch nicht der Glaube an den Marxismus zuteil geworden ist, sondern ebenso über alles Deutsche, alles Nationale. Das macht so richtig schön stolz auf sich selbst. Ich habe dafür kein Verständnis.
Zitat von André ThieleIch neige in dieser Frage Hacks zu, nicht zuletzt weil ich, wie Hacks auch, den Saul Ascher (1767-1822) gelesen habe. Was dieser jüdische Gelehrte, vor allem in seinen Schriften "Eisenmenger der Zweite" (1794) und "Die Germanomanie" (1815) an präziser Bestimmung des antisemitischen Gedankenguts aus dem Geist der anhebenden Romantik und des von Zettel erwähnten Fichte leistet, ist sagenhaft: immerhin 130 Jahre ante Shoa; 60 Jahre post Shoa kann sich manches akademische Forschungsinstitut von diesem Einzelkämpfer des nüchternen Denkens noch mehr als eine Scheibe abschneiden (und tut es auch, aber ich komme denen drauf).
Da darf ich einmal keck ergänzen: Im März erscheint bei Ihnen der erste Band der Werkausgabe von Saul Ascher; und auf der Leipziger Buchmesse gibt es dazu einen Vortrag.
Zitat von André ThieleEin abschließende Information für Zettel: Peter Hacks und Fritz Stern waren Kindheitsfreunde. Die beiden Mütter hatten gemeinsam einen Kindergarten in Breslau, Fritz und Peti spielten oft gemeinsam, die Familie Hacks hat sich nach 1933 den Sterns gegenüber tadellos verhalten. Fritz Stern hat Hacks später noch einigemale besucht, Stern beschreibt das sehr plastisch in seiner Autobiographie, aber nach Hacks' Gang in die DDR hatten sie sich nicht mehr sehr viel zu sagen.
Solche Einzelheiten mag ich. Sie füllen das Bild, das man von jemandem hat, mit Leben. Auch wenn es mit dem Werk vielleicht gar nichts zu tun hat.
Das ist ja überhaupt ein interessantes Phänomen: Daß dann, wenn man jemanden als Autor schätzt, man sich auch für sein Leben interessiert, bis teilweise ins absurdeste Teil hinein. Die Arno-Schmidt-Gemeinde liefert viele Beispiele; und ich bekenne, daß ich gar nicht frei von dergleichen bin, obwohl kein eingeschriebenes Gemeindemitglied.
Nach Repgen (inwieweit er repräsentativ ist, vermag ich nicht zu sagen; immerhin weist er in seinem Vortrag eigens darauf hin, daß sich offenbar noch kein Historiker die Mühe gemacht habe, die Kriegsmanifeste zu erfassen und näher zu untersuchen) gerade nicht. Auch um 18.Jahrhundert wurde ein Krieg fast immer in der beschriebenen Weise legitimiert. Um Ihre These aufrechterhalten zu können, müßte man wissen, ob, wieviele und welche Kriege des 18.Jahrhunderts tatsächlich ohne gerechten Kriegsgrund, nur aus Fürstenlaune heraus, geführt worden sind. Dann müßte man als Vergleich untersuchen, ob das in den früheren Jahrhunderten durchgehend anders gewesen ist.
Da sich seine Forschungen auch auf das 18.Jahrhundert erstrecken (das Beispiel des bayerischen Erbfolgekrieges habe ich erwähnt), gehe ich davon aus, daß auch die Kabinettskriege "gerecht" sein mußten. Es wäre mE auch verwunderlich, wenn eine jahrhundertelange Kontinuität einfach abbricht. Repgen weist im übrigen gerade auch auf einige völkerrechtliche Literatur des 18. Jahrhunderts hin (Vattel, Moser), sowie darauf, daß im 18.Jahrhundert derartige Manifeste zwar nicht breiter, wohl aber zahlreicher geworden seien (S.21)
Nach Repgen ist die Position des unbedingten und ausschließlichen moralischen Recht-Habens ohne jegliche Zwischentöne ein Kennzeichen aller Texte zwischen dem 12. und dem 20. Jahrhundert (soweit er sie kennt).
Wieder nach ihm ist es weiter ein Kennzeichen über den Zeitraum hinweg, daß sich alle Adressaten der Manifeste zumindest theoretisch bewußt waren, daß die oa Position, die Schuldzuweisungen und Rechtfertigungen in den Manifesten, ihre Schwarz-Weiß-Malerei, ein Mittel zur Herstellung öffentlicher Legititmation waren, daß die angebenen Motive nicht oder jedenfalls nicht der einzige Beweggrund für den Krieg gewesen waren.
Er stellt gerade keinen Bruch zwischen der Praxis des 18.Jahrhunderts und früheren Jahrhunderten fest.
Zitat Ein begabter Journalist, der aber ohne Augenmaß ist; am Lufballon seiner Rechthaberei hängend, der ihn hoch über das Publikum erheben soll.
Nun, es ist ein bunter Luftballon, den er sich da in der Zeitschrift KONKRET geschaffen hat, und er hängt schon so lange dran, dass man von einer Institution sprechen kann. Mut, Höhe und Ausdauer sind keine kleinen Errungenschaften. Und was ich an Gremliza immer werde bewundern müssen, das ist sein Deutsch.
Saul Ascher, das ist wirklich eine lustige Entwicklung. Jahrzehntelang hat sich keiner um den gekümmert, nun gibt es 2010 auf einmal spürbare Aufmerksamkeit. Wir hatten den Preis pro Band erst auf 39,90 EUR festgesetzt, weil wir dachten, das wird eine Liebhaberausgabe, davon verkaufen wir bestenfalls 100 Stück, aber jetzt deutet sich so viel Interesse an, dass wir den Preis um 25 % gesenkt haben. (Und, den Spaß lasse ich mir nicht nehmen, die Bücher werden in Israel gedruckt.) Wir haben eben, wo Sie mit den Links angefangen haben, unter http://www.saulascher.de eine Webseite zu Saul Ascher gestartet, die aber noch halb im Aufbau ist.
Zitat Daß dann, wenn man jemanden als Autor schätzt, man sich auch für sein Leben interessiert, bis teilweise ins absurdeste Teil hinein.
Tief im Inneren hängen wir wohl alle dem Glauben an, dass der Königsweg zu einem Werk über das Schlafzimmer des Poeten führt. Und da wir es uns gern leicht machen, gehen wir den eben. Aber so sehr uns die Poeten in unserem Glauben, vor allem wenn wir weiblich sind und jung und hübsch, bestärken wollen, man trifft dort zumeist bloß den ungnädigen Dichter im Pyjama an, in der Nase popelnd und TV guckend.
Zitat von JeffDavisVorab zur Ergänzung: Wenn ich meinen Davila noch richtig im Kopf habe, stammt diese Differenzierung von ihm:"Der Schlaf der Vernunft gebiert Ungeheuer", kann aber gleichzeitig auch als "Der Traum der Vernunft gebiert Ungeheuer" übersetzt werden." Bei ihm heißt es allerdings - mE noch treffender -, der Linke würde übersetzen "Der Schlaf der Vernunft gebiert Ungeheuer", der Rechte "Der Traum der Vernunft gebiert Ungeheuer".
Ja, suño kann sowohl Schlaf als auch Traum heißen. Die Bemerkung von Dávila ist mal wieder vom Feinsten.
Zitat von JeffDavisIch habe nie akzeptieren können, daß das Industrielle/Fabrikmäßige das Singuläre an den deutschen Verbrechen sein soll. Erstens schließt das letztlich doch mit ein, daß die Opfer freudiger/ruhiger/menschenwürdiger (ich kann es fast nicht niederschreiben) in den Tod gegangen wären, hätte man sie handwerklich (?) umgebracht. Klingt ganz so, als müßten zB die Opfer der jakobinischen Mörder 1791-93 dankbar für ihre Ermordung in Handarbeit sein.
Singulär war es jedenfalls in dem Sinn, daß es so etwas zuvor noch nicht gegeben hatte.
Stalin hat bedenkenlos gemordet, indem er Menschen in den Gulag schickte mit dem Kalkül, daß sie in ein paar Jahren den Arbeits- und Lebensbedingungen erliegen und dann durch frisches Menschenmaterial ersetzt werden würden. In Nordkorea findet das noch heute statt. Auch die Wannsee-Konferenz hat diese Methode der Vernichtung durch Arbeit beschlossen.
Was die Vernichtungslager einmalig macht, das war der Mord allein um des Mordes willen. Die Nazis hatten keinen Nutzen davon, Millionen von Juden zu ermorden, außer daß sie eben dann tot waren. Sie wollten ihnen auch nicht mehr Leid zufügen, als es aufgrund dieses Ziels in ihren Augen erforderlich war. Von daher diese kalte Fabrikmäßigkeit.
Es gab nicht die Emotionen, die sonst Genozide motivieren und begleiten. Es gab nicht das Kalkül der Jakobiner, alle zu töten, die die jeweiligen Machthabenden würden gefährden können (darin waren sie Vorläufer des Stalins der Schauprozesse). Kein Jude gefährdete ja die Herrschaft Hitlers und Himmlers.
Zitat von JeffDavisZweitens sehe ich keinen Unterschied zur industriellen Ermordung deutscher und japanischer Zivilisten durch alliierte Bomber. Der französische Historiker Jean-Jacques Langendorff hat übrigens in einem Artikel (IIRC vor Jahren in der Criticon) darauf hingewiesen, daß es die Mongolen waren, die das Töten ihrer besiegten Gegner perfektioniert hatten und dem Ziel der Auslöschung der bewohnten Erde am nächsten kamen. Meine alten Criticon-Jahrgänge sind nach dem Umzug noch in Kisten verpackt, aber bei Gelegenheit suche ich danach.
Daß besiegte Gegner massenhaft getötet (und ihre Frauen geraubt) wurden, war gängige Praxis nicht nur der Mongolen. Wer am Leben ist, kann sich rächen. Wer tot ist, vor dem ist man sicher; auch männliche Kinder tötete man oft, um keine Rächer heranwachsen zu lassen.
Was die Flächenbombardements angeht, bin ich völlig anderer Meinung als Sie, lieber JeffDavis. Ich sehe sie als Kriegsverbrechen und habe das hier auch schon mehrfach geschrieben. Aber es waren eben Kriegsverbrechen. Sie dienten zwei strategischen Zielen, nämlich der Demoralisierung der deutschen Bevölkerung und dem Binden feindlicher Kräfte durch die erforderliche Luftabwehr; drittens hat die Erwartung eine Rolle gespielt, die Kriegsproduktion damit zu treffen.
Das Ziel war es niemals, das deutsche Volk auszurotten. Es wurde nicht um des Morden willens getötet, sondern um in einem Krieg, der von beiden Seiten als ein Krieg um Leben und Tod gesehen wurde, strategische Vorteile zu erlangen. Das geschah unter Bruch aller Regeln, die eine Kriegsführung gegen Zivilisten verbieten, und deshalb handelte es sich um Kriegsverbrechen. Aber ich sehe nicht nur "keinen Unterschied" zum Holocaust, sondern ich sehe überhaupt keine Vergleichbarkeit.
Zitat von JeffDavisSchmidts Befürchtungen und Überlegungen über die besondere Anfälligkeit der Deutschen scheinen mir insoweit typisch deutsch zu sein.
Ja, gewiß. Nur weil es die Unfaßbarkeit des Holocaust gibt, kann man diese Frage überhaupt stellen. Und es erscheint mir selbstverständlich, daß sie für Deutsche (und natürlich für Juden) eine brennendere Frage ist als für andere.
Zitat von JeffDavisSinnvoller scheint mir - insbesonderen nach den letzten 200 Jahren - die Schlußfolgerung, daß ohne Rücksicht auf die Zugehörigkeit zu einem Volk, einer Kultur, einer Religion oder zu einem politischen System, jeder von uns zu den schlimmsten Verbrechen fähig sein kann, wenn die Umstände danach sind, ganz wie Matin in seinem Beitrag so zutreffend schreibt.
Ob jeder, das weiß ich nicht. Es hat immer Menschen gegeben, die bei solchen Morden nicht mitgemacht haben und lieber selbst dafür Nachteile erlitten haben, im Extremfall selbst in den Tod gegangen sind.
Ansonsten stimme ich Ihnen zu: Diese Frage, wie aus ordinary men Massenmörder werden können, stellt sich nicht nur für den Holocaust; und man braucht kein Milgram-Experiment, um zu wissen, wozu normale Menschen fähig sind.
Aber das schließt ja nicht aus, über die besonderen historischen Bedingungen nachzudenken (und, wenn man es kann, zu forschen), die im Kontext der deutschen Kultur und Geschichte zum Holocaust führen konnten. Einiges von dem, was man dabei vielleicht bedenken sollte, habe ich in diesem Beitrag skizziert.
-- La sabiduría se reduce a no olvidar jamás, ni la nada que es el hombre, ni la belleza que nace a veces en sus manos. - Nicolás Gómez Dávila, Escolios a un Texto Implícito
Zitat von André ThieleWir hatten den Preis pro Band erst auf 39,90 EUR festgesetzt, weil wir dachten, das wird eine Liebhaberausgabe, davon verkaufen wir bestenfalls 100 Stück, aber jetzt deutet sich so viel Interesse an, dass wir den Preis um 25 % gesenkt haben.
Hm, jetzt war ich drauf und dran gewesen, für 39,90 Euro zu bestellen, wie es vorhin noch im Web stand; die Subskriptionsfrist schien ja verstrichen. Und eben sehe ich nocheinmal nach, und nicht nur ist der Preis gesenkt, sondern man kann jetzt auch noch bis zum 21. März subskribieren. Was so, wie ich uns Zimmerleute kenne, jetzt nicht nur mich wird zur Tat schreiten lassen.
Zitat von André Thiele
Zitat Daß dann, wenn man jemanden als Autor schätzt, man sich auch für sein Leben interessiert, bis teilweise ins absurdeste Teil hinein.
Tief im Inneren hängen wir wohl alle dem Glauben an, dass der Königsweg zu einem Werk über das Schlafzimmer des Poeten führt. Und da wir es uns gern leicht machen, gehen wir den eben. Aber so sehr uns die Poeten in unserem Glauben, vor allem wenn wir weiblich sind und jung und hübsch, bestärken wollen, man trifft dort zumeist bloß den ungnädigen Dichter im Pyjama an, in der Nase popelnd und TV guckend.
Der Dichter geht in seinem Werk auf. Den schäbigen Rest besieht sich der ihn Verehrende besser nicht. So ungefähr hat es Arno Schmidt formuliert. Und ausgerechnet er ist nun zum Objekt der Verehrung einer Gemeinde geworden, die sich sogar für seine grüne Lederjacke lebhaft interessiert (Ich habe sie gesehen und befühlt! )
Zitat Was so, wie ich uns Zimmerleute kenne, jetzt nicht nur mich wird zur Tat schreiten lassen.
Ja, als Verleger lernt man nach und nach zu verstehen, wie Zimmerleute ticken. Ich verhalte mich einfach gern prozyklisch, das ist alles.
Zitat seine grüne Lederjacke
Kenn ich, kenn ich. Ich habe mich vor Jahren dummerweise dazu hinreißen zu lassen, zu behaupten, ich würde die erste umfassende Peter Hacks Biographie schreiben. Nun ist mein Problem, ich stecke meine Nase nicht gern in anderer Leute Privatangelegenheiten, insbesondere dann, wenn ich sie schätze. Ich kann mich stundenlang mit Hacks' Drama "Prexaspes" beschäftigen, aber wenn ich herausfinden soll, ob Hacks' Jugendliebe diesen oder jenen Aspekt des Stückes beeinflusst hat, verfalle ich sofort in tiefen, traumlosen Schlaf. Ich werde die Sache nun durchziehen, jedenfalls für die Jugend des Dichters, aber ich werde mich wohl Dietmar Daths Kniff bedienen. Der hat sein letztes Buch "Sämmtliche Gedichte. Roman" genannt, ich werde mein nächstes wohl "Peter Hacks Biographie. Roman" nennen. (Eine andere Möglichkeit ist, ich behaupte einfach, Peter Hacks sei ein Gerücht, in die Welt gesetzt von der Stasi. In Wirklichkeit sind die Stücke alle von Erich Honecker und Günter Grass verfasst worden und von einem irischen Juden namens Saul O'Hara vertrieben worden. Der, der in der DDR immer als Peter Hacks auftrat, war in Wirklichkeit der Kunstmaler und Kabarettist Georg Primbanel aus Mehldorf im Brandenburgischen, ein Morphinist und Säufer, der aber gern mit Schauspielerinnen schlief und deswegen die Rolle so überzeugend ausfüllte.)
Zitat von JeffDavisEs wäre mE auch verwunderlich, wenn eine jahrhundertelange Kontinuität einfach abbricht.
Natürlich bricht sie nicht ab. Die Frage ist eher, wie ernst sie noch genommen wird.
Repgens Ansatz ist hochseriös und verdienstvoll, aber kann von der Methodik her natürlich nur die Äußerlichkeiten betrachten: Was steht in den Manifesten, wie werden sie eingesetzt.
Die andere Frage ist, welche konkrete Wirkung sie noch haben. Da muß man viel stärker in die Mentalitätsgeschichte einsteigen, und wird auch immer nur unscharfe Ergebnisse kriegen, weil man aus diversen Indizien auf die Motivation von Leuten schließen muß.
Meine persönliche Vermutung ist, daß die "Gerechtigkeit" eines Kriegs vor dem 18. Jahrhundert (und auch danach wieder) deutlich ernster genommen wurde. Alleine schon wegen der noch weitgehenden Unabhängigkeit der Offiziere und ihres Ehrenkodex wäre es für einen Herrscher problematisch gewesen, sich bei einem offenkundig vorgeschobenen Kriegsgrund auf ihre Loyalität verlassen zu können.
In den Kabinettskriegen dagegen ist den Beteiligten bewußt, daß die offiziellen Kriegsgründe nur noch Staffage sind. Das Extrem Macchiavelli war nicht die Norm, gab aber schon eine gewisse Richtung vor.
Zitat Gremliza - da nennen Sie, lieber André Thiele, einen Namen, bei dem sachlich zu bleiben mir schwerfällt; zu übertreffen nur noch von dem Namen Otto Köhler.
Ein begabter Journalist, der aber ohne Augenmaß ist; am Lufballon seiner Rechthaberei hängend, der ihn hoch über das Publikum erheben soll. Was ich von Gremliza gelesen habe, war nicht reflektierend, sondern selbstbespiegelnd. Einer, der gern der neue Karl Kraus sein möchte und der doch nur das linke Gegenstück zum "Wagner" der Bildzeitung ist.
Es gibt ja durchaus auch Gegenbeispiele. Ich habe vor ein paar Monaten mal im SPIEGEL-Archiv nach alten Artikeln von Gremliza gesucht und dabei zum Beispiel diese Perle gefunden:
SPIEGEL-Redakteur Hermann L. Gremliza über das Juso-Vorstandsmitglied Loke Mernizka
Da wurde vor fast vier Jahrzehnten die Entwicklung der SPD zur fast ausschließlich von Akademikern dominierten Partei beschrieben. Die Schlusspointe:
Zitat Loke Mernizka weiß, daß er auf einem langen Marsch ist. Er wird, sagt er, den Sieg des Sozialismus nicht mehr erleben. Ein Arzt im Sanatorium zu Riga hat so mit einer Altersprognose für Loke Mernizka unabsichtlich eine defätistische Rechnung gelegt: Der westdeutsche Genosse könne gut und gern 100 Jahre alt werden.
Zitat Loke Mernizka weiß, daß er auf einem langen Marsch ist. Er wird, sagt er, den Sieg des Sozialismus nicht mehr erleben. Ein Arzt im Sanatorium zu Riga hat so mit einer Altersprognose für Loke Mernizka unabsichtlich eine defätistische Rechnung gelegt: Der westdeutsche Genosse könne gut und gern 100 Jahre alt werden.
2. Realitäten
Zitat Senioren mit Durchblick: Geisweids Geheimräte machen „Frühstückspolitik“
Die Herren im gesetzten Alter lesen nicht nur gegelmäßig den durchblick, nein sie verfügen auch über einen solchen, was die politischen Abläufe in Heimat und Welt betrifft. Jedenfalls glauben jene Männer fest daran, die da allmorgendlich im Café Römer gegenüber dem Geisweider Rathaus zusammenkommen und ihre Meinungen austauschen. Sie sind so etwas wie der „Geheime Rat im Fürstentum Klafeld“. Die Senioren (eine Seniorin sucht man vergebens in der Runde) haben zwar kein Mandat, wollen auch nicht gewählt werden, dennoch mischen sie munter mit bei allen Fragen rund um die große und kleine Politik.
Als geheimer „Frühstücksdirekor“ fungiert dabei ein absolutes politisches Schwergewicht: Kein Geringerer als Loke Mernizka, ehemaliger Landtagsabgeordneter und sozialdemokratischer Fraktionvorsitzender im Rat der Stadt Siegen, weiß immer, wo es lang geht bzw. lang zu gehen hat. Für die gastronomische Betreuung ist Bärbel Dema, die „gute Seele“ des traditionsreichen Geisweider Hotels, zuständig. Sie führt gleichsamauch „Gedächtnisprotokoll“ und hat so manchen Sturm und Stürmer in den 41 Jahren ihrer Kaffeehaustätigkeit erlebt. Im Gegensatz zu ihren gleichaltrigen Kollegen von der „Glasdachfraktion“, die sich zeitgleich nur wenige Meter weiter im Einkaufszentrum unter freiem Himmel eher den rustikaleren Themen der Zeit zuwendet und unlängst erst durch eine Klorollen-Demonstration vor der geschlossenen Toilette am nahegelegenen Parkhaus auf sich aufmerksam machte, werden bei der „Römerfraktion“ die Themen etwas strukturierter angegangen. Die Amtssprache ist Kloawender Platt.
Zitat von JeffDavisIch habe nie akzeptieren können, daß das Industrielle/Fabrikmäßige das Singuläre an den deutschen Verbrechen sein soll.
Singulär war es jedenfalls in dem Sinn, daß es so etwas zuvor noch nicht gegeben hatte.
Ich weiß zwar, wie Sie das meinen, aber in diesem Sinne ist jedes historische Ereignis singulär.
Zitat von Zettel Stalin hat bedenkenlos gemordet, indem er Menschen in den Gulag schickte mit dem Kalkül, daß sie in ein paar Jahren den Arbeits- und Lebensbedingungen erliegen und dann durch frisches Menschenmaterial ersetzt werden würden. Was die Vernichtungslager einmalig macht, das war der Mord allein um des Mordes willen. Die Nazis hatten keinen Nutzen davon, Millionen von Juden zu ermorden, außer daß sie eben dann tot waren. Es gab nicht die Emotionen, die sonst Genozide motivieren und begleiten. Es gab nicht das Kalkül der Jakobiner, alle zu töten, die die jeweiligen Machthabenden würden gefährden können (darin waren sie Vorläufer des Stalins der Schauprozesse). Kein Jude gefährdete ja die Herrschaft Hitlers und Himmlers.
Diese Unterscheidung finde ich nicht überzeugend, sie wirkt auf mich - mit Verlaub - künstlich, unangebracht spitzfindig und, was die Juden betrifft, auch unzutreffend. Für die Nazis waren die Juden ein Feind, der die Völker der Welt ausbeutete und unterdrückte. Die jüdische Rasse mußte vernichtet werden, wenn die arische Rasse überleben und siegen wollte. Hitler und die Nazis haben anch der Machtergreifung auch immer von der Kriegserklärung des jüdischen Kapitals an Deutschland gesprochen. Bei Stalin waren es die Kapitalisten, Sozialschädlinge, Bourgeois usw. die vernichtet werden mußten, weil sie der Herrschaft des Proletariats im Wege stehen. Die Nazis haben ebensowenig um des Mordes willen gemordet wie Stalin und andere Mörder dieser Sorte, immer hatten sie ein Motiv, so irrsinnig es auch ist.
Zitat von Zettel Was die Flächenbombardements angeht, bin ich völlig anderer Meinung als Sie, lieber JeffDavis. Ich sehe sie als Kriegsverbrechen und habe das hier auch schon mehrfach geschrieben.
Ich meinte die Vergleichbarkeit auch nicht in einem rechtlichen Sinne, sondern „technisch“. Ob ich den massenhaften Mord durch Gaskammern „industrialisieren“ oder durch einen anonymen Knopfdruck aus einem Flugzeug in großer Höhe, macht keinen Unterschied. Die Opfer der zwei Atombomben sind das prägnanteste Beispiel. Viele zehntausende Opfer in wenigen Minuten, das haben nicht mal die Nazis geschafft. Ob Sie das Kriegsverbrechen nennen oder Völkermord, ist juristisch von Bedeutung, aber nicht im Hinblick auf die technische Ausgestaltung der Tötung.
Zitat von Zettel Aber es waren eben Kriegsverbrechen. Sie dienten zwei strategischen Zielen, nämlich der Demoralisierung der deutschen Bevölkerung und dem Binden feindlicher Kräfte durch die erforderliche Luftabwehr; drittens hat die Erwartung eine Rolle gespielt, die Kriegsproduktion damit zu treffen.
Nicht bei der RAF ab Februar 1942 und nicht bei der USAAF 1945 gegen Japan. Da waren Rüstungsziele nur vorgeschoben. Es ging um die Demoralisierung durch Tötung möglichst vieler Deutsche und Japaner, die Angriffe richteten sich bewußt gegen die Zivilbevölkerung.
Zitat von automat Ich habe vor ein paar Monaten mal im SPIEGEL-Archiv nach alten Artikeln von Gremliza gesucht und dabei zum Beispiel diese Perle gefunden: SPIEGEL-Redakteur Hermann L. Gremliza über das Juso-Vorstandsmitglied Loke Mernizka http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-43144819.html Da wurde vor fast vier Jahrzehnten die Entwicklung der SPD zur fast ausschließlich von Akademikern dominierten Partei beschrieben.
Hm, lieber Automat.
Ich erinnere mich noch an diesen Artikel, weil ich Loke Mernizka ganz gut kannte; man war im selben SDP-Bezirk. Als ich ihn jetzt wiedergelesen habe, ist mir mehr als damals aufgefallen, daß das doch der pure Proletkult ist: Mernizka als der klassenbewußte Arbeiter, eine kernige Gestalt, der Prolet, wie er im Buch steht:
Zitat von Hermann L. Gremliza1954 nimmt die Kriegerwitwe Mernizka für ihren Sohn, der mit seiner "ganz tollen Stimme" gerne "etwas Musisches" gemacht hätte, das Grundrecht der freien Berufswahl wahr. Loke wird Anlernling im örtlichen Stahlwerk für 100 Mark im Monat. Als Lehrling hätte er nicht einmal die Hälfte verdient.
In der Rechnung Loke Mernizka Walzwerker bleibt von Anfang an ein Rest. Im Walzen, Ziehen. Zuschneiden und Verpacken von Blech gehen Intellekt und Kreativität des Anlernlings Mernizka nicht auf. Loke geht zur IG-Metall-Jugend, wo es freilich -- Mitte der Fünfziger -- "nur Volkstanz und solche Scherzartikel" gibt" Er lebt von der Junggesellen-Freizeit, tut "nix außer Weiber und so".
Erst fünf Jahre später, als Mernizka heiratet und das Familienleben die Ventile verstopft, durch die der Jungarbeiter bislang die Wut auf die Monotonie seines Tagewerks abgelassen hat, sucht er nach einem anderen Objekt für das, was abzüglich des Walzwerkers an ihm ist.
Und so fort. Courths-Mahler auf links.
Daß noch nicht die SPD von Akademikern, aber die Jusos von Studenten dominiert wurden, war damals allgemein bekannt. Und jeder konnte sich folglich ausrechnen, wer ein paar Jahrzehnte später die Partei dominieren würde. Das war gewiß keine besondere intellektuelle Leistung Gremlizas.
Ich habe den Anfang dieser Wandlung der SPD miterlebt. In meinem Ortsverein, in einer Industriegegend gelegen, dominierten die Arbeiter und kleine Angestellte (meist städtische, die ihren Job über die Partei bekommen hatten). Dann kamen die Jusos, fast durchweg Studenten. (Ich war damals einer der Älteren und schon nicht mehr Student). Der Vorsitzende unserer Juso-AG war aber ein Facharbeiter, seines Zeichens Schmied in einem Stahlwerk. Amateurboxer; ein Typ wie Mernizka (dessen ans Amerikanische erinnernder sauerländischer Akzent freilich unnachahmlich war).
Dieser Schmied wurde überall, wo es bei den Jusos etwas zu wählen gab, gewählt. (Ich habe damals gejuxt, er solle doch in die Listen lieber "Arbeiter" schreiben, dann würde er noch mehr Stimmen bekommen). Man war ja heilfroh, wenn man einen Arbeiter wählen konnte.
Loke Mernizka war übrigens nicht der biedere Vorzeigeprolet, den Gremliza malt. Er war schon damals, als ich ihn kennenlernte, ein ziemlich ausgebuffter Politikprofi. Ein paar Jahre später schaffte er es, für den Landtag aufgestellt zu werden, dem er dann zwanzig Jahre lang angehörte.
Herzlich, Zettel
PS: Etwas habe ich aber doch aus Gremlizas Artikel gelernt, an das ich mich nicht mehr erinnert hatte: Daß Mernizka angeblich die Eindeutschung eines polnischen Namens sei.
Zitat von ZettelStalin hat bedenkenlos gemordet, indem er Menschen in den Gulag schickte mit dem Kalkül, daß sie in ein paar Jahren den Arbeits- und Lebensbedingungen erliegen und dann durch frisches Menschenmaterial ersetzt werden würden.
Was die Vernichtungslager einmalig macht, das war der Mord allein um des Mordes willen. Die Nazis hatten keinen Nutzen davon, Millionen von Juden zu ermorden, außer daß sie eben dann tot waren.
Es gab nicht die Emotionen, die sonst Genozide motivieren und begleiten. Es gab nicht das Kalkül der Jakobiner, alle zu töten, die die jeweiligen Machthabenden würden gefährden können (darin waren sie Vorläufer des Stalins der Schauprozesse). Kein Jude gefährdete ja die Herrschaft Hitlers und Himmlers.
Diese Unterscheidung finde ich nicht überzeugend, sie wirkt auf mich - mit Verlaub - künstlich, unangebracht spitzfindig und, was die Juden betrifft, auch unzutreffend. Für die Nazis waren die Juden ein Feind, der die Völker der Welt ausbeutete und unterdrückte. Die jüdische Rasse mußte vernichtet werden, wenn die arische Rasse überleben und siegen wollte. Hitler und die Nazis haben anch der Machtergreifung auch immer von der Kriegserklärung des jüdischen Kapitals an Deutschland gesprochen. Bei Stalin waren es die Kapitalisten, Sozialschädlinge, Bourgeois usw. die vernichtet werden mußten, weil sie der Herrschaft des Proletariats im Wege stehen. Die Nazis haben ebensowenig um des Mordes willen gemordet wie Stalin und andere Mörder dieser Sorte, immer hatten sie ein Motiv, so irrsinnig es auch ist.
Es gab den Unterschied, den ich zu verdeutlichen versucht habe. Ich versuche es noch einmal:
Die Verbrechen Stalins, auch zuvor schon Lenins, entsprangen brutalem Machtkalkül. Man ließ Millionen Ukrainer verhungern, um den Widerstand der Ukraine gegen die Sowjetisierung zu brechen. Man schickte Millionen in den Gulag, um mit ihrer Arbeitskraft die UdSSR zu industrialisieren; dazu brauchte man riesige Mengen an Rohstoffen. Stalin veranstaltete die Schauprozesse, um ein Klima der Angst zu schaffen, das seine Alleinherrschaft sichern sollte.
Das war barbarisch und verbrecherisch, aber es war Machtpolitik, so wie es sie - zumal in Asien - immer gegeben hat.
Die sogenannte Judenpolitik Hitlers und Himmlers war etwas ganz Anderes. Sie trug wahnhafte und - bei Himmler jedenfalls - auch quasireligiöse Züge. Die Ermordung von Millionen Juden brachte dem Nazi-Regime nicht nur keine Vorteile, sondern nur Nachteile (die Arbeitsleistung der KZ-Insassen, die vor ihrem Tod arbeiten mußten, kann dagegen vernachlässigt werden). Es wird oft übersehen, daß ausgerechnet in der kritischen Phase des Kriegs, in den Jahren 1942 und 1943, erhebliche Kapazitäten (beispielsweise der Reichsbahn) für die Realisierung des Mordprogramms bereitgestellt wurden. Da war keine Spur von Zweckrationalität.
Das war kein Genozid, in dem - wie im Fall der Armenier in der Türkei - eine Minderheit dem Haß der Mehrheit ausgesetzt war, und das war eben auch keine brutale Ausbeutung bis zum Tod. Es war die Realisierung eines Wahns mit den Mitteln der modernen Industrie. Ich sehe nicht, daß es Vergleichbares gegeben hätte.
Zitat von JeffDavis
Zitat von ZettelWas die Flächenbombardements angeht, bin ich völlig anderer Meinung als Sie, lieber JeffDavis. Ich sehe sie als Kriegsverbrechen und habe das hier auch schon mehrfach geschrieben.
Ich meinte die Vergleichbarkeit auch nicht in einem rechtlichen Sinne, sondern „technisch“. Ob ich den massenhaften Mord durch Gaskammern „industrialisieren“ oder durch einen anonymen Knopfdruck aus einem Flugzeug in großer Höhe, macht keinen Unterschied. Die Opfer der zwei Atombomben sind das prägnanteste Beispiel. Viele zehntausende Opfer in wenigen Minuten, das haben nicht mal die Nazis geschafft. Ob Sie das Kriegsverbrechen nennen oder Völkermord, ist juristisch von Bedeutung, aber nicht im Hinblick auf die technische Ausgestaltung der Tötung.
Das hatte ich nicht so verstanden. So, wie Sie es jetzt erläutern, stimme ich zu. Mit "fabrikmäßig" hat aber Schmidt wohl noch etwas anderes gemeint, nämlich diese Art, wie das Morden organisiert wurde; von der Selektion an der Rampe bis zu den Kommandos, die den Ermordeten die Goldzähne herausbrachen. Menschen werden wie Gegenstände behandelt; das Morden geschieht in rationeller Fließbandtechnik.
Zitat von JeffDavis
Zitat von ZettelAber es waren eben Kriegsverbrechen. Sie dienten zwei strategischen Zielen, nämlich der Demoralisierung der deutschen Bevölkerung und dem Binden feindlicher Kräfte durch die erforderliche Luftabwehr; drittens hat die Erwartung eine Rolle gespielt, die Kriegsproduktion damit zu treffen.
Nicht bei der RAF ab Februar 1942 und nicht bei der USAAF 1945 gegen Japan. Da waren Rüstungsziele nur vorgeschoben. Es ging um die Demoralisierung durch Tötung möglichst vieler Deutsche und Japaner, die Angriffe richteten sich bewußt gegen die Zivilbevölkerung.
Ich weiß, lieber JeffDavis. Deshalb habe ich ja nur das erste und das zweite als strategische Ziele genannt und das dritte nur als eine weitere Erwartung erwähnt. Übrigens scheint mir, daß die Relevanz des zweiten strategischen Ziels oft unterschätzt wird; Jagdflieger, die gegen angreifende RAF-Verbände eingesetzt werden mußten, standen eben nicht für die Luftschlacht um England zur Verfügung.
Zitat von Zettel Es gab den Unterschied, den ich zu verdeutlichen versucht habe.
Ihre Überlegung, lieber Zettel, ist mir schon klar. Ich vermag sie aber nicht zu teilen und ich halte sie weder für zutreffend noch für legitim. Weil ich sie - das mag meine rein persönliche Empfindlichkeit sein - letzten Endes als eine Herabsetzung der anderen Opfer sehe. Man findet gelegentlich die bissige Bemerkung, daß die Deutschen, nachdem es mit der Weltherrschaft der arischen Rasse nicht geklappt hat, nun eben bei ihren Verbrechen vorneweg sein wollen, sie hätten als einzige "industriell" gemordet (IIRC schreibt Broder das hin und wieder).
Ich bin gern bereit, meine Meinung zu ändern, wenn jemand die besseren Argumente hat. Aber hier werden Sie mich auch nicht überzeugen können. Lenin und Stalin haben eben nicht nur aus den von Ihnen genannten Gründen heraus gemordet, Pol Pot oder Mao auch nicht. Millionen Opfer sind nur deshalb tot, weil sie das Pech hatten, zur falschen Klasse zu gehören. Man kann in der Geschichte noch viele derartige Beispiele finden und diskutieren. Den Opfern ist es auch egal, ob sie aus Freude am Mord umgebracht werden, oder aus Machtkalkül, weil sie zur falschen Zeit am falschen Ort sind (die zivilen Bombenopfer), zu den "überflüssigen" Ureinwohnern gehören (zB die Indianer früher in den USA) oder aus welchen Gründen auch immer. Und für die Lehren, die man hier und heute aus diesen Ereignissen ziehen sollte, ist es mE auch egal.
Zitat von ZettelSie dienten zwei strategischen Zielen, nämlich der Demoralisierung der deutschen Bevölkerung und dem Binden feindlicher Kräfte durch die erforderliche Luftabwehr; drittens hat die Erwartung eine Rolle gespielt, die Kriegsproduktion damit zu treffen. Übrigens scheint mir, daß die Relevanz des zweiten strategischen Ziels oft unterschätzt wird; Jagdflieger, die gegen angreifende RAF-Verbände eingesetzt werden mußten, standen eben nicht für die Luftschlacht um England zur Verfügung.
Andersherum ist es richtig: Die Bedeutung des zweiten Faktors wird oft überschätzt bzw. falsch gewichtet, und er ist außerdem schwer einzuschätzen. Da kommen so viele Faktoren zusammmen, die sich nicht einfach berechnen und in ihren wechselseitigen Auswirkungen überblicken lassen.
Die Luftschlacht um England zB, die Sie ansprechen, war schon lange vorbei, bevor die Alliierten überhaupt mit ernstzunehmenden Bombenangriffen auf Deutschland begannen. Die nächtlichen Angriffe des Bomber Command der RAF ab Mai 1940 banden keine Tagjäger, die allein in der Luftschlacht über England eingesetzt wurden. Die Nachtjagd steckte noch in den Kinderschuhen. Umgekehrt flog die Luftwaffe ab Oktober/November 1940 auch nur noch nachts nach England (wenn überhaupt, es fehlten bald die Kräfte), da wurden auch keine Tagjäger gebraucht.
Man müßte die gebundenen Produktionskapazitäten beider Seiten vergleichen, prüfen, ob und wo man Waffen/Ausrüstung/Personal besser hätte einsetzen können uswusf.. Ich schneide nur kurz die brit. Seite an:
Zum Beispiel verschlangen Bau und Unterhalt der starken viermotorigen Bomberverbände der RAF riesige Resourcen, die woanders bitter fehlten. Da war die industrielle Kapazität der brit. Flugzeugindustrie, die man besser für den Bau von Flugzeugen für die Bekämpfung der U-Boote oder für Schlachtflugzeuge hätte nutzen können. Da war das Personal, nicht nur das fliegende Personal (8-10 Mann pro Bomber), sondern man rechnet mindestens 10-15 Mann Bodenpersonal auf jeden 4mot-Bomber. Die brit. Armee litt seit Herbst 1943 unter erheblichen Problemen beim Personalersatz, besonders bei der Infanterie, da hätte man diese Männer auch gut gebrauchen können. Die Verluste des BC waren horrend (55.573 Gefallene bei 125.000 Mann Personalstärke) und lagen etwa so hoch wie bei der Infanterie in den großen Schlachten an der Westfront 1914-18. Die zu vermeiden vor 1939 eines der politisch wichtigsten Argumente für den strategischen Bombenkrieg gewesen war. Der militärische Effekt auf die deutsche Rüstungsproduktion war im Vergleich dazu gering, erst recht im Vergleich zu den Auswirkungen der amerikanischen Angriffe.
Ich will Sie nicht mit endlosen militärischen Zahlen und Daten langweilen, aber es wird - hoffe ich - deutlich, wie kompliziert dieser Faktor ist. Und er betrifft immer beide Seiten, nicht nur die Deutschen.
was die Ziele der Strategie der Flächenbombardements angeht, sind Sie augenscheinlich ungleich besser informiert als ich. Ich denke, wir sind uns einig, daß Demoralisierung und das Binden feindlicher Kräfte zwei Ziele waren. Gut möglich, daß ich die Bedeutung des zweiten überschätzt habe; ich habe mich eben mit dem Thema nie gründlich befaßt. Einig sind wir uns ja auch, daß das Ausschalten der Kriegsindustrie kein primäres Ziel war.
Also, da widerspreche ich Ihnen nicht und freue mich, wieder etwas gelernt zu haben. Bei unserem jetzigen Hauptthema werden wir uns aber wahrscheinlich nicht einig werden.
Zitat von JeffDavisIhre Überlegung, lieber Zettel, ist mir schon klar. Ich vermag sie aber nicht zu teilen und ich halte sie weder für zutreffend noch für legitim.
Ob sie zutreffend ist, darüber können wir diskutieren. Wie begründen Sie aber, daß sie nicht legitim sei? Was meinen Sie denn in diesem Kontext mit "legitim"?
Zitat von JeffDavisWeil ich sie - das mag meine rein persönliche Empfindlichkeit sein - letzten Endes als eine Herabsetzung der anderen Opfer sehe.
Das kann ich nicht nachvollziehen. Ich habe auf der anderen Seite auch nie verstanden, wieso es (wie von manchen behauptet) eine Herabsetzung des Leids der Juden sein soll, wenn jemand bestreitet, daß der Holocaust eine Singularität sei.
Stalin hat ebenso barbarisch gemordet wie Hitler; in Bezug auf das Leiden der Opfer ist es ohnehin abwegig, so etwas wie eine Skala aufzustellen. Es geht vielmehr - so verstehe ich diese Diskussion jedenfalls - um die Motive und den modus operandi der Täter; und da sehe ich eben bei den Nazis etwas historisch Einmaliges. Pol Pots Morde kommen ihm am nächsten.
Zitat von JeffDavisMan findet gelegentlich die bissige Bemerkung, daß die Deutschen, nachdem es mit der Weltherrschaft der arischen Rasse nicht geklappt hat, nun eben bei ihren Verbrechen vorneweg sein wollen, sie hätten als einzige "industriell" gemordet (IIRC schreibt Broder das hin und wieder).
Naja, Broder. Ich schätze seine (heutige) liberalkonservative Position; aber er gehört halt zu denen, die für einen guten Witz ihre Großmutter verkaufen würden. Es geht im übrigen jetzt darum, was historisch der Fall gewesen ist; nicht um die heutige deutsche Befindlichkeit. Das wäre ein anderes Thema.
Zitat von JeffDavis Lenin und Stalin haben eben nicht nur aus den von Ihnen genannten Gründen heraus gemordet, Pol Pot oder Mao auch nicht.
Was ich nannte, das waren ja nur Beispiele. Generell gilt aber, daß weder Lenin, noch Stalin noch Mao aus einem Ausrottungswahn heraus gemordet haben. Sie haben es aus kalten Machtmotiven getan; von denen es sicher mehr gab, als ich als Beispiele genannt hatte.
Pol Pot ist ein Sonderfall. Das Vorgehen der Roten Khmer hat in der Tat Ähnlichkeit mit dem der Nazis. Statt der Juden war es die "Bourgeoisie", deren Ausrottung Inhalt des Wahns war.
Zitat von JeffDavisZum Beispiel verschlangen Bau und Unterhalt der starken viermotorigen Bomberverbände der RAF riesige Resourcen, die woanders bitter fehlten.
Deutschland erreichte den Höhepunkt seiner Flugzeugproduktion 1944. Dabei mit Schwerpunkt auf Jagdflugzeugen. Die Bomber kamen dabei zu kurz. Die allierten Inavsionsflotten haben in Europa 1943 und 1944 nicht die Verluste hinnehmen müssen wie 1945 in Okinawa. Wobei Deutschland schon 1943 über lenkbare Bomben für Antischiffseinsatz verfügte. Ohne den Bombenterror gegen das dritte Reich hätten die Invasionen auch anders verlaufen können. Von den Argumentationsproblem gegenüber Stalin wegen Untätigkeit ganz zu schweigen.
Zitat von JeffDavisIch habe nie akzeptieren können, daß das Industrielle/Fabrikmäßige das Singuläre an den deutschen Verbrechen sein soll. Erstens schließt das letztlich doch mit ein, daß die Opfer freudiger/ruhiger/menschenwürdiger (ich kann es fast nicht niederschreiben) in den Tod gegangen wären, hätte man sie handwerklich (?) umgebracht. Klingt ganz so, als müßten zB die Opfer der jakobinischen Mörder 1791-93 dankbar für ihre Ermordung in Handarbeit sein.
Singulär war es jedenfalls in dem Sinn, daß es so etwas zuvor noch nicht gegeben hatte. Stalin hat bedenkenlos gemordet, indem er Menschen in den Gulag schickte mit dem Kalkül, daß sie in ein paar Jahren den Arbeits- und Lebensbedingungen erliegen und dann durch frisches Menschenmaterial ersetzt werden würden. In Nordkorea findet das noch heute statt. Auch die Wannsee-Konferenz hat diese Methode der Vernichtung durch Arbeit beschlossen. Was die Vernichtungslager einmalig macht, das war der Mord allein um des Mordes willen. Die Nazis hatten keinen Nutzen davon, Millionen von Juden zu ermorden, außer daß sie eben dann tot waren. Sie wollten ihnen auch nicht mehr Leid zufügen, als es aufgrund dieses Ziels in ihren Augen erforderlich war. Von daher diese kalte Fabrikmäßigkeit. Es gab nicht die Emotionen, die sonst Genozide motivieren und begleiten. Es gab nicht das Kalkül der Jakobiner, alle zu töten, die die jeweiligen Machthabenden würden gefährden können (darin waren sie Vorläufer des Stalins der Schauprozesse). Kein Jude gefährdete ja die Herrschaft Hitlers und Himmlers.
All das mag ja sein oder auch nicht, aber ich sehe weder einen qualitativen noch einen quantitativen Unterschied in den bekannten Menschheitsverbrechen. Der Umweg über einen Sinn bzw. Unsinn - eine ohnehin höchst perspektivabhängige Betrachtung - mag ich mit Ihnen nicht gehen. Es erscheint mir reichlich konstruiert.
Zitat von Zettel
Zitat von JeffDavisZweitens sehe ich keinen Unterschied zur industriellen Ermordung deutscher und japanischer Zivilisten durch alliierte Bomber. Der französische Historiker Jean-Jacques Langendorff hat übrigens in einem Artikel (IIRC vor Jahren in der Criticon) darauf hingewiesen, daß es die Mongolen waren, die das Töten ihrer besiegten Gegner perfektioniert hatten und dem Ziel der Auslöschung der bewohnten Erde am nächsten kamen. Meine alten Criticon-Jahrgänge sind nach dem Umzug noch in Kisten verpackt, aber bei Gelegenheit suche ich danach.
Daß besiegte Gegner massenhaft getötet (und ihre Frauen geraubt) wurden, war gängige Praxis nicht nur der Mongolen. Wer am Leben ist, kann sich rächen. Wer tot ist, vor dem ist man sicher; auch männliche Kinder tötete man oft, um keine Rächer heranwachsen zu lassen. Was die Flächenbombardements angeht, bin ich völlig anderer Meinung als Sie, lieber JeffDavis. Ich sehe sie als Kriegsverbrechen und habe das hier auch schon mehrfach geschrieben. Aber es waren eben Kriegsverbrechen. Sie dienten zwei strategischen Zielen, nämlich der Demoralisierung der deutschen Bevölkerung und dem Binden feindlicher Kräfte durch die erforderliche Luftabwehr; drittens hat die Erwartung eine Rolle gespielt, die Kriegsproduktion damit zu treffen. Das Ziel war es niemals, das deutsche Volk auszurotten. Es wurde nicht um des Morden willens getötet, sondern um in einem Krieg, der von beiden Seiten als ein Krieg um Leben und Tod gesehen wurde, strategische Vorteile zu erlangen. Das geschah unter Bruch aller Regeln, die eine Kriegsführung gegen Zivilisten verbieten, und deshalb handelte es sich um Kriegsverbrechen. Aber ich sehe nicht nur "keinen Unterschied" zum Holocaust, sondern ich sehe überhaupt keine Vergleichbarkeit.
Ich ärgere mich immer, wenn ich lese, daß die Bombardierungen der Demoralisierung des deutschen Volks gegolten haben. Es ist ein schlimer Euphemismus. Ich bitte Sie in Betracht zu ziehen, daß die Bombardierung deutscher Städte ganz vornehmlich mit der Absicht verbunden war die Zivilbevölkerung zu töten.
Die Verbrechen der SS an der osteuropäischen und sowjetischen Zivilbevölkerung dienten übrigens auch nicht der Demoralisierung...
Zitat von PentasOhne den Bombenterror gegen das dritte Reich hätten die Invasionen auch anders verlaufen können.
Darf ich mir die Ergänzung erlauben, daß die Bombardierungen der Wohngebiete deutscher Städte ihren Höhepunkt kurz vor Kriegsende erreicht haben? Sie haben überhaupt erst einen nennenswerten Umfang erreicht, als der Krieg militärisch längst entschieden war. Meiner Kenntnis nach ist das mittlerweile sogar unter deutschen Historikern Konsens, und das will was heißen.
Zitat von ZettelEs war die Realisierung eines Wahns mit den Mitteln der modernen Industrie. Ich sehe nicht, daß es Vergleichbares gegeben hätte.
Ich habs ja hier schon ein, zweimal erwähnt: Zeit der Macheten: Gespräche mit den Tätern des Völkermordes in Ruanda, von Jean Hatzfeld. Es war in dem Sinne vergleichbar, daß es um des Tötens Willen geschah. Effektiv, mit den Mitteln die da waren, das war in diesem Land eben nicht Industrie. Der Wahn wird nicht so deutlich, es kam mir eher so vor, als wurden die Animositäten, die in der Bevölkerung da waren, von oben gezielt zum Ziele des Völkermordes mittels Radio ausgebaut. Über die "Oberen" wird nichts erwähnt, vielleicht hatten von denen ja einige einen Wahn.
Ich wehre mich entschieden dagegen, daß es ein Völkermordgen geben soll. Auch die Verführbarkeit, obwohl ich dieser Hypothese emotional zuneige, zweifle ich inzwischen an. Afrikaner sind genetisch so verschieden von Deutschen wie es nur geht. Ja, ich kann mir nicht vorstellen, daß Franzosen verführbar sein sollen, doch muß das an irgendwelchen Volksgenen liegen? Ich kenne auch keine Franzosen :-) . Doch Spanier sind verführbar.
Liebe Grüße
Kaa
Der neue Faschismus wird nicht sagen: Ich bin der Faschismus. Er wird sagen: Ich bin der Antifaschismus Autor im Netz bekannt
Zitat von ZettelWas die Vernichtungslager einmalig macht, das war der Mord allein um des Mordes willen. Die Nazis hatten keinen Nutzen davon, Millionen von Juden zu ermorden, außer daß sie eben dann tot waren. Sie wollten ihnen auch nicht mehr Leid zufügen, als es aufgrund dieses Ziels in ihren Augen erforderlich war. Von daher diese kalte Fabrikmäßigkeit.
Es gab nicht die Emotionen, die sonst Genozide motivieren und begleiten. Es gab nicht das Kalkül der Jakobiner, alle zu töten, die die jeweiligen Machthabenden würden gefährden können (darin waren sie Vorläufer des Stalins der Schauprozesse). Kein Jude gefährdete ja die Herrschaft Hitlers und Himmlers.
All das mag ja sein oder auch nicht, aber ich sehe weder einen qualitativen noch einen quantitativen Unterschied in den bekannten Menschheitsverbrechen.
Mehr als den Unterschied beschreiben kann ich nicht, lieber Hajo. Ich habe schon geschrieben, daß ich diesen Streiten um die "Singularität" für falsch halte. Man kann da immer für die eine oder die andere Meinung argumentieren. JeffDavis hat zu Recht geschrieben, daß alles in gewisser Hinsicht einmalig ist. Ebenso kann man bei allem Gemeinsamkeiten finden.
Auf dieser allgemeinen Ebene macht die Frage also meines Erachtens wenig Sinn. Man kann aber bestimmte Aspekte in Augenschein nehmen. Das habe ich getan. Einen solchen Massenmord nicht aus Machtinteressen, sondern einzig aus der Wahnvorstellung heraus, daß die Opfer "vernichtet" werden müßten, hat es zuvor nie gegeben. Ebenso nicht ein Morden dieses Ausmaßes in einer fabrikmäßigen Weise, wo jeder Schritt wie beim Fließband "optimiert" war.
Das sind Fakten. Ich sehe nicht, wie man sie bestreiten kann. Ob man das nun für ausreichend hält, um von einer Singularität zu sprechen oder nicht, ist eine Bewertung, über die zu streiten wenig Sinn macht.
Zitat von HajoIch ärgere mich immer, wenn ich lese, daß die Bombardierungen der Demoralisierung des deutschen Volks gegolten haben. Es ist ein schlimer Euphemismus. Ich bitte Sie in Betracht zu ziehen, daß die Bombardierung deutscher Städte ganz vornehmlich mit der Absicht verbunden war die Zivilbevölkerung zu töten.
Aber das ist doch kein Gegensatz. Man hat die einen getötet, um die anderen zu demoralisieren.
Zitat von HajoDie Verbrechen der SS an der osteuropäischen und sowjetischen Zivilbevölkerung dienten übrigens auch nicht der Demoralisierung...
In der Tat nicht; hat das denn irgendwer behauptet? Sie dienten teils der Aufrechterhaltung des Besatzungsregimes, teils (bei Repressionen) der Piratenbekämpfung; vor allem aber entsprangen sie dem Rassenwahn der Nazis. Man begann die Ausrottung mit Erschießungskommandos und Vergasungs-Kfzs, bis man merkte, daß man auf diesem Weg nicht alle Juden ermorden konnte, die man ermorden wollte.
Mit zum Ärgerlichsten bei der Wehrmachtsausstellung (ich habe allerdings nur die erste Version gesehen, ganz zu Beginn in Potsdam) gehörte, daß das nicht differenziert wurde; ebenso, wie nicht deutlich gemacht wurde, welche Rolle die SS, die Polizeieinheiten und kämpfenden Einheiten der Wehrmacht spielten.
Bei allen diesen Diskussionen, lieber Hajo, scheint es mir vorrangig zu sein, genau hinzusehen und konkret zu argumentieren. Es ist da - bei den unterschiedlichsten Positionen - soviel an Klischees vorhanden, daß das wirklich wichtig ist. Die Wehrmachtsausstellung auf der einen Seite, die Beschönigungsversuche von Rechtsextremen auf der anderen, das sollte man vergessen.
Zitat von JeffDavisZum Beispiel verschlangen Bau und Unterhalt der starken viermotorigen Bomberverbände der RAF riesige Resourcen, die woanders bitter fehlten.
Deutschland erreichte den Höhepunkt seiner Flugzeugproduktion 1944. Dabei mit Schwerpunkt auf Jagdflugzeugen.
Beides korrekt, allerdings lag der Schwerpunkt bei einmotorigen Tagjägern, die für die Abwehr der bei Nacht einfliegenden RAF nicht taugten. Zwar gab es drei sog. "Wilde Sau" - Geschwader aus einmotorigen Jägern, aber weil bei diesen zB keine Antenne für ein Funkmeßgerät (das Geweih) angebracht werden konnte und sie auch sonst nicht für Nachteinsätze ausgelegt waren (dafür waren zweimotorige Jäger besser geeignet), blieb das ein Notbehelf.
Zitat von Pentas Die Bomber kamen dabei zu kurz. Die allierten Inavsionsflotten haben in Europa 1943 und 1944 nicht die Verluste hinnehmen müssen wie 1945 in Okinawa. Wobei Deutschland schon 1943 über lenkbare Bomben für Antischiffseinsatz verfügte. Ohne den Bombenterror gegen das dritte Reich hätten die Invasionen auch anders verlaufen können. Von den Argumentationsproblem gegenüber Stalin wegen Untätigkeit ganz zu schweigen.
1. Die Verluste der US Navy vor Okinawa sind auf die Kamikaze-Verbände zurückzuführen, die in der Tat viele Schiffe so beschädigten. daß sie das Einsatzgebiet zur Reparatur verlassen mußten. Auch die Zahl der versenkten Schiffe war höher als in jeder anderen Schlacht im Pazifik, aber die Einsatzfähigkeit der US Navy war nie gefährdet. Mit den Verhältnissen auf dem europäischen Kriegsschauplatz ist das nicht zu vergleichen, da es keine deutschen Kamikazeangriffe gab.
2. Vor Okinawa mußten die Amerikaner sich wesentlich auf trägergestützte Flugzeuge stützen, weil die Entfernung zu den nächsten Flugplätzen für einmotorige Jäger zu weit war. In Europa dagegen konnten die landgestützten Jagdverbände von RAF und USAAF bei allen Landungen eingesetzt werden. Das bedeutet, den Aliierten standen 1944 mehrere tausend Jäger zur Verfügung, zusätzlich zur massiven Feuerkraft der Schiffsflak und der Flak an Land. Wenn die Kampfgeschwader der Luftwaffe im Sommer 1943, wo das Mißverhältnis der Kräfte noch nicht so hoffnungslos war, keine durchschlagenden Erfolge gegen alliierte Landungsflotten erzielen konnten, galt das erst recht im Juni 1944.
3. Bomber allein nützen gar nichts. Ohne Jagdschutz wären sie nicht wirkungsvoll an die Flotte herangekommen. Auch setzt Ihr Argument die Annahme voraus, daß keine Schlachtflugzeuge statt Bomber gebaut worden wären, wenn man die Kapazitäten frei gehabt hätte. An der Ostfront hätte man sowohl viel mehr Schlachtflieger als auch viel mehr Jäger gebraucht, die sowjetische Luftwaffe wurde 1943/44 zahlenmäßig und vom Können her immer stärker.
4. Es hätte 1944 durchaus noch genügend deutsche Bomber gegeben, wenn Hitler nicht mehrere hundert Bomber des IX.Fliegerkorps zwischen Januar und Mai 1944 in militärisch sinnlosen Nachtangriffen auf England verheizt hätte (Unternehmen Steinbock). Was fehlte, waren Jäger für den Begleitschutz. Auch der Treibstoff war schon knapp. Wie ich oben schon schrieb, die Wechselwirkung zwischen den verschiedenen Faktoren macht es schwer zu sagen, was alternativ gewesen wäre wenn.
5. Die allierten strategischen Bombenagriffe haben mit dem Ausgang der Invasion im Juni 1944 nur am Rande etwas zu tun. Nur ein Faktor hatte tatsächlich Auswirkungen, nämlich die Abnutzung der deutschen Jagdfliegerverbände durch die Luftschlachten über dem Reich mit den amerikanischen Langstreckenjägern. Die Verluste an erfahrenen Piloten konnten nicht mehr ersetzt werden. Der Nachwuchs war den hervorragend ausgebildeten Jagdfliegern der USAAF nicht mehr gewachsen, weil es bereits an Treibstoff für den Schulbetrieb fehlte und die Ausbildung wegen der personellen Anforderungen der Front immer mehr verkürzt wurde. Die Flächenangriffe der RAF waren meistens militärisch sinnlos und ohne nachhaltige Wirkung auf die deutsche Kriegführung. Sie hatten keinen meßbaren Einfluß auf den Ablauf der Invasionsschlacht.
6.Ob es überhaupt "den" entscheidenden Einfluß eines Faktors auf den Ausgang der Invasion gibt, darüber kann man sich streiten. Meines Erachtens wirken bei Kämpfen dieser Größenordnung immer viele Faktoren zusammen. Die jahrelangen hohen personellen Verluste an der Ostfront, die kaum vorstellbare Überlegenheit der alliierten taktischen Luftstreitkräfte und ihre Auswirkungen auf den deutschen Nachschub und Truppenverschiebungen sowie auf die psychologische Verfassung der Truppe, die massive materielle Überlegenheit der alliierten Heeresverbände, vor allem deren jedes bis dahin den deutschen Verbänden bekannte Maß übersteigende Feuerkraft, das wären wohl die wichtigsten Faktoren (aber nicht alle).
7. Was die zweite Front betrifft, so wäre diese für Stalin im Sommer 1944 nicht mehr nötig gewesen, weitere Materialhilfe hätte genügt. Die Rote Armee hätte den Krieg auch ohne die Anglo-Amerikaner gewonnen. 1943 wäre eine Landung in Frankreich aus sowjetischer Sicht noch hilfreich gewesen.
8. Für die Briten war mE ein ganz anderer Faktor von großer Bedeutung. Die Angriffe des BC waren über lange Zeit hinweg der einzige Weg, überhaupt offensiv den Krieg nach Deutschland zu tragen. Mit dem Kriegseintrag der USA wurde das UK dann zum Juniorpartner, der in nahezu allen Belangen von den Amerikaner abhängig war und sich ihnen mehr und mehr unterordnen mußte. Nur die nächtliche Bomberoffensive des BC blieb bis Kriegsende eine rein britische Angelegenheit. Schon aus Prestigegründen durfte das nicht aufgegeben werden.
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