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ZETTELS KLEINES ZIMMER

Das Forum zu "Zettels Raum"



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Dieses Thema hat 80 Antworten
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 Kommentare/Diskussionen zu "Zettels Raum"
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Florian Offline



Beiträge: 3.180

16.03.2010 16:33
#26 RE: Zitat des Tages: Mitbeschmutzt? Antworten

Zitat
Lieber Florian, in diesem Forum schreibt niemand Blödsinn.



Oh, doch. Das kommt natürlich schon vor. Siehe z.B. meinen eigenen nicht allzu geistreichen Kommentar vom 15.3. um 11:54 in diesem Thread.
Was allerdings in der Tat erfreulich selten vorkommt (gerade auch im Vergleich zur restlichen Blog-Welt), sind Unhöflichkeiten gegenüber anderen Diskussionsteilnehmern. Da war mein "Blödsinn"-Einwurf tatsächlich schlechter Stil. Ich bitte dies zu entschuldigen.

Zitat
Und schon gar nicht der geschätzte JeffDavis,



Mein polemischer Einwurf bezog sich allerdings auf einen Beitrag von Hajo, nicht von JeffDavis.
Und nichts für ungut: Aber ich empfinde Hajos fehlende Fähigkeit zur Unterscheidung zwischen westlichen Demokratien und Stalin-Diktatur tatsächlich als - diesmal vorsichtiger formuliert - nicht besonders glücklich.

Zettel Offline




Beiträge: 20.200

16.03.2010 17:01
#27 RE: Zitat des Tages: Mitbeschmutzt? Antworten

Zitat von Florian
Was allerdings in der Tat erfreulich selten vorkommt (gerade auch im Vergleich zur restlichen Blog-Welt), sind Unhöflichkeiten gegenüber anderen Diskussionsteilnehmern. Da war mein "Blödsinn"-Einwurf tatsächlich schlechter Stil. Ich bitte dies zu entschuldigen.

Schon geschehen, lieber Florian.

Zitat
Mein polemischer Einwurf bezog sich allerdings auf einen Beitrag von Hajo, nicht von JeffDavis.
Und nichts für ungut: Aber ich empfinde Hajos fehlende Fähigkeit zur Unterscheidung zwischen westlichen Demokratien und Stalin-Diktatur tatsächlich als - diesmal vorsichtiger formuliert - nicht besonders glücklich.


Das geht mir nicht anders. Ich habe dazu heute Vormittag in einem anderen Thread ("EUdSSR") etwas geschrieben.

Aber auch das ist ein Grund dafür, daß ich an diesem Forum Freude habe: Daß man verschiedener, manchmal sehr verschiedener Meinung sein kann und sich trotzdem fair miteinander auseinandersetzen. Sie gehören zu denen, die das (fast ) immer tun, danke dafür.

Herzlich, Zettel

Zettel Offline




Beiträge: 20.200

16.03.2010 19:24
#28 RE: Strategie der USA im Irak; Hitlers Kriegserklärung Antworten

Zitat von JeffDavis
Lieber Zettel, wo kann ich etwas über die von Ihnen erwähnten Dokumente bzgl Saddams Entscheidung finden, ins Exil zu gehen, wenn nur die UN geschlossen aufgetreten wäre?


Ich weiß nicht, ob Saddam eine solche Entscheidung bereits getroffen hatte; gut möglich ist es, belegt aber nicht. Geschrieben hatte ich, lieber JeffDavis, ja nur:

Zitat von Zettel
Der Irak-Feldzug wäre anders verlaufen, er hätte vielleicht gar nicht stattfinden müssen, wenn es eine einheitliche Haltung gegen den Irak gegeben hätte. Saddam ist nicht ins Exil gegangen, sondern hat sich auf den Krieg eingelassen, weil er den Westen gespalten sah; das ist inzwischen dokumentiert.


Dokumentiert ist es in dem Material, das das U.S. Joint Forces Command (USJFCOM) in zweijähriger Arbeit zusammengetragen hatte und dessen Geheimhaltung jetzt aufgehoben ist - Hunderttausende von Dokumenten des Saddam- Regimes, Verhöre von Dutzenden militärischen und politischen Führern des Irak unter Saddam. Ich habe dazu vor einem Jahr diesen Artikel geschrieben; den letzten in der Serie "Ketzereien zum Irak". Ich glaube, damals waren Sie aber noch nicht hier im Forum.

Zitat von JeffDavis
Im übrigen sollte Saddam klar gewesen sein, daß er auch gegen die USA (mit dem UK) allein militärisch chancenlos gewesen ist. Dumm war er nicht.


Siehe dazu meinen Artikel. Er war nicht dumm, aber uninformiert.

Zitat von JeffDavis
Am Ende kann Busch ja fast noch froh sein, daß ihm Schröder etcpp. in die Quere gekommen sind, denn sonst wäre der Krieg womöglich nicht gekommen, und er hätte den Irak nicht demokratisieren können.


Die Voraussetzung wäre ja gewesen, daß Saddam abtritt. Ein Kronprinz existierte nicht. Wahrscheinlich wäre das Regime zerfallen. Ob sich daraus eine demokratische Entwicklung ergeben hätte wie jetzt, ist naturgemäß nicht zu sagen.

Zitat von JeffDavis
Ein Bündnis mit Saddam dagegen hätte zwar dem Irak nicht die Demokratie gebracht, aber eine Menge Vorteile für die USA gehabt. Und zwar ohne Krieg.


Das berührt einen Punkt, wo wir grundlegend verschiedener Meinung sind. Ein Bush, der weltweit für Demokratie eintritt und sich mit diesem Diktator verbündet, wäre unglaubwürdig gewesen.

Nicht daß er gehaßt wird, ist vernichtend für einen Staatsmann, sondern daß man ihm nicht glaubt. Verläßlichkeit ist eine Grundkategorie der Politik; jedenfalls in der Gegenwart. Zur Zeit Machiavellis mag es anders gewesen sein.

Allgemein gesagt: Aus meiner Sicht ist Realpolitik diejenige Politik, die darauf gerichtet ist, die eigenen Werte durchzusetzen. Am Ende ist nicht derjenige siegreich, der à la Principe mal so und mal anders taktiert, der mal dieses und mal jenes Bündnis schließt. Erfolgreich ist, wer glaubwürdige Ziele hat und diese konsequent verfolgt.

Darin lag die Stärke der Kommunisten, darin lag die Stärke der USA unter Roosevelt und seinen Nachfolgern bis einschließlich Kennedy, dann wieder unter Ronald Reagan.

Zitat von JeffDavis
Busch konnte weiter 2003 gar nicht wissen, wie sich die außenpolitische Lage an anderen Brennpunkten der Welt entwickeln würde. Deshalb bin ich weiterhin der Meinung, daß es ein schwerer Fehler war, die Masse des US-Heeres und der Marines im Irak festzulegen. Außerdem fängt man nicht ohne Not einen zweiten Krieg an, wenn man den ersten noch nicht gewonnen hat. Die Truppen hätte er zB auch in Afghanistan einsetzen und den Krieg dort womöglich beenden können.


2003 herrschte in Afghanistan faktisch Frieden. Die Taliban brauchten Jahre, bis sie sich wieder reorganisiert, bis sie neue Kämpfer rekrutiert hatten usw. Gefährlich wurden sie erst wieder, als die Kaida im Irak in die Defensive gedrängt worden war und sich wieder stärker nach Afghanistan orientierte. - Für die Antwort auf unerwartete Krisen haben die USA stets genug Truppen in Reserve.

Zitat von JeffDavis
Die regulären irakischen Streitkräfte sind so schnell auseinandergefallen, da kann sich der Ausfall der Türkei nicht zum Nachteil der Amerikaner ausgewirkt haben.


Er hat das massiv, und Rumsfeld hat es erläutert. "Auseinanderfallen" kann bedeuten, daß die Strukturen zerschlagen, daß die Waffenlager übernommen werden. Das ist südlich von Bagdad erfolgt. Im Norden liefen die Truppen zwar auch auseinander, aber es blieben Strukturen intakt, es konnten Waffen beiseite geschafft werden. Saddam hatte Teile der Republikanischen Garden auf den Guerrillakampf vorbereitet; dieser fand im Norden jetzt statt, unterstützt durch eingesickerte Kaida-Leute.

Zitat von JeffDavis
Also: Der Entschluß zum Krieg zu diesem Zeitpunkt und gegen diesen Gegner war der erste schwere Fehler, der zweite war die krasse Fehleinschätzung der ethnischen, religiösen und politischen Verhältnisse im Irak (nicht untypisch für die Amerikaner, das können sie gut), ein dritter war schließlich die Art und Weise, wie sie anfänglich auf die Taktik des Gegners reagiert haben. Diesen Fehler haben sie ja noch rechtzeitig korrigiert.


Zum ersten Punkt haben wir unsere Meinungen ausgetauscht.

Zum zweiten Punkt: Natürlich saßen uns sitzen im State Department auch Spezialisten, die über den Irak mindestens soviel wußten wie jetzt Sie und ich. Und natürlich sind deren Beurteilungen in die Kriegsplanung eingegangen. Es war klar, daß die Minderheitsherrschaft der Sunniten mit dem Sturz Saddams zu Ende sein würde, daß die von Saddam unterdrückten Kurden ihre Rechte fordern würden usw.

Das dürfte einer der Gründe dafür gewesen sein, daß die USA nicht mit einer fertig gebildeten Exilregierung ins Land kamen, die einfach die Amtsgeschäfte übernommen hätte (Tschalabi hatte so etwas verlangt, wenn ich mich recht erinnere). Man ließ stattdessen die Kräfte im Land sich entwickeln und brachte sie behutsam dazu, sich auf demokratische Weise auseinanderzusetzen. Anders ging es nicht, dieser Weg war richtig.

Daß er länger dauerte als die wenigen Jahre, die man in den USA veranschlagt hatte, lag - natürlich - an den Aufständischen. Dazu habe ich mich schon geäußert: Die USA hatten nicht damit rechnen können, daß im Norden sich eine Art Werwolf-Organisation von Baa'tisten würde bilden können; und sie hatten nicht damit gerechnet, daß der Iran der sunnitischen Kaida den Transit ihrer Kämpfer erlauben würde. Das waren die beiden wirklichen Fehleinschätzungen; aber das Schwierige an Prognosen ist halt, daß sie sich auf die Zukunft beziehen.

So weit erst einmal. Zur Invasion 1944 schreibe ich (hoffe ich) demnächst noch eine getrennte Antwort.

Herzlich, Zettel

JeffDavis Offline



Beiträge: 448

16.03.2010 22:22
#29 RE: Strategie der USA im Irak; Hitlers Kriegserklärung Antworten

Lieber Zettel,

ich werde mich mal auf die Suche nach weiteren Infos zum Kriegsentschluß und Saddams Entscheidung machen. Einiges an US-Literatur habe ich schon. Der eine Artikel aus Foreign Affairs reicht mir auf keinen Fall, dazu ist die Sache denn doch zu komplex und wird zu kontrovers diskutiert.

Es mag sein, daß Saddam sich da etwas eingeredet hat (Hitler lebte ja auch mit zunehmender Kriegsdauer in einer Scheinwelt) und von seinen Generälen ihm niemand die Wahrheit sagen wollte. Doch hatte er selbst bei Desert Storm die verheerende militärische Niederlage und den kpl Zusammenbruch seiner Streitkräfte erlebt. Er wußte um die Kampfkraft der USA und er wußte auch, daß seine Armee seitdem nicht besser geworden war. Dafür brauchte er keine besonderen neuen Informationen.

Zitat von Zettel

Das berührt einen Punkt, wo wir grundlegend verschiedener Meinung sind. Ein Bush, der weltweit für Demokratie eintritt und sich mit diesem Diktator verbündet, wäre unglaubwürdig gewesen.



Nicht unglaubwürdiger als in den Jahrzehnten vorher, wo die USA nie Skrupel hatten, sich mit Diktaturen zu verbünden, sobald es ihren Interessen diente. Die oft geäußerte Kritik hat keinen der Präsidenten zu einer Änderung dieser Politik veranlaßt. Roosevelt zB hatte keine Skrupel, sich mit dem Diktator Stalin (auch Tschiang Kai-Schek war keine Leuchte der Demokratie) zu verbünden und keinen hat es gestört. Die Regime in Südvietnam oder in Südkorea waren auch nicht demokratisch. Nein, dieses Argument überzeugt mich nicht einmal ansatzweise.

Es ehrt Sie (ich schreibe das einfach mal offen), wenn sie so treuherzig an die demokratische Sendung der USA und ihrer Präsidenten glauben, aber als US-Präsident oder Außenminister (siehe unten) sind Sie damit leider ungeeignet....


Zitat von Zettel

Nicht daß er gehaßt wird, ist vernichtend für einen Staatsmann, sondern daß man ihm nicht glaubt. Verläßlichkeit ist eine Grundkategorie der Politik; jedenfalls in der Gegenwart. Zur Zeit Machiavellis mag es anders gewesen sein.

Allgemein gesagt: Aus meiner Sicht ist Realpolitik diejenige Politik, die darauf gerichtet ist, die eigenen Werte durchzusetzen. Am Ende ist nicht derjenige siegreich, der à la Principe mal so und mal anders taktiert, der mal dieses und mal jenes Bündnis schließt. Erfolgreich ist, wer glaubwürdige Ziele hat und diese konsequent verfolgt.



Es wird Sie nicht verwundern, wenn ich da komplett anderer Meinung bin.

Verläßlichkeit zähle ich nicht zu den Grundtugenden der Außenpolitik (jedenfalls nicht so, wie Sie es wohl meinen, also immer schön Rechtsstaat, Freiheit und Demokratie hochhalten, dann muß am Ende irgendwann der Endsieg kommen ). Stalin zB war nicht verläßlich, und auch wenn er sein ganz großes Ziel von 1939 nicht erreicht hat, stand er trotzdem 1945 an 2.Stelle nach den USA glänzend da. Dafür, daß er erst die Deutschen gegen die Alliierten ausgespielt hat, dann mit Hitler und später mit den Westalliierten paktierte, und schließlich sämtliche unter seiner Führung geschlossenen Nichtsangriffspakte gebrochen hat, ist er am Ende ganz nett belohnt worden.

Verläßlichkeit in meinem Sinne bedeutet eher, daß ein Staat ohne Rücksicht auf seine politische Verfassung eine bestimmte Politik verfolgt, unter Berücksichtigung seiner geostrategischen Lage, seiner militärischen Stärke und Wirtschaftskraft, seiner psychologischen Verfassung, kurz, seines "In-Form-Seins" wie Spengler es einmal ausgedrückt hat. Da wissen dann auch die anderen Staaten, woran sie sind. Verläßlich in diese Sinne war zB die russische/sowjetische Meerengenpolitik oder der Drang nach einem Hafen am Indischen Ozean. Verläßlich war das französische Bestreben, Deutschland schwach zu halten, oder die brit. Balance of Power - Politik.

Weiter: Wenn Liechtenstein, Nauru oder Andorra glaubwürdige Ziele haben und diese konsequent verfolgen, interessiert das niemand (außer den friedensbewegten Damen-Kaffeekränzchen evangelischer Kirchengemeinden in D). Das kann es also nicht sein.

Es hat mE auch nichts mit Realpolitik tun, eigene Werte durchzusetzen. Seine eigenen Werte anderen aufzudrängen, ist aggressive Politik. Es geht zB die USA oder uns Deutsche gar nichts an, was die Chinesen von der westlichen Demokratie halten, ob und wie sie die politische Verfassung ihres Landes gestalten möchten, und ob sie überhaupt die westliche Begeisterung für diese Dinge teilen. Die USA können zB den Chinesen politisch nichts aufzwingen und es wäre äußerst unklug, China safe for democracy machen zu wollen.


Zitat von Zettel

2003 herrschte in Afghanistan faktisch Frieden. Die Taliban brauchten Jahre, bis sie sich wieder reorganisiert, bis sie neue Kämpfer rekrutiert hatten usw. Gefährlich wurden sie erst wieder, als die Kaida im Irak in die Defensive gedrängt worden war und sich wieder stärker nach Afghanistan orientierte. - Für die Antwort auf unerwartete Krisen haben die USA stets genug Truppen in Reserve.



Wo haben Sie das denn her? Wer sagt, die USA hätten stets genug Truppen in Reserve gehabt? Ich erinnere mich natürlich an Ihr Eingeständnis, kein Militärfachann zu sein, deshalb interessiert es mich, wie Sie zu dieser Feststellung kommen. Und wieso hat sich Al Kaida wieder stärker nach Afghanistan orientiert? Wer sagt das? Califax müßte dazu doch auch etwas beisteuern können.

Meine Informationen sind da zu beiden Feststellungen ganz anders.



Was die Türkei betrifft, waren die Kurden der Hauptgrund dafür, daß die USA von der Nordoffensive Abstand nahmen. Die Kurden waren wichtige Verbündete, wollten aber auf keinen Fall türkische Truppen in ihrem Gebiet dulden. Wenn wir nicht unter Norden jeweils etwas anderes verstehen, waren die Kurden schnell Herr in ihrem Gebiet. Das Zentrum des vorbereiteten Guerillakampfes lag im sunnitischen Gebiet, in Saddams Heimat, also südlich der Kurdengebiete und an der Grenze zu Syrien.

Zitat von Zettel

Man ließ stattdessen die Kräfte im Land sich entwickeln und brachte sie behutsam dazu, sich auf demokratische Weise auseinanderzusetzen. Anders ging es nicht, dieser Weg war richtig.




Mit dieser Meinung dürften Sie ziemlich allein stehen. Das Chaos und die brutale Gewalt als Kräfteentwicklung und behutsame demokratische Auseinandersetzung zu bezeichnen, alle Achtung

Wenn die US-Spezialisten genausoviel über den Irak wissen wie Sie und ich, wundert mich die völlige Fehleinschätzung der Verhältnisse nicht

Die schwerwiegenden Fehler der Busch-Administration bei der Nachkriegsplanung sind mE offensichtlich und sie werden - soweit ich das sehe - auch nicht ernsthaft bestritten.

Es lag natürlich nicht allein an den Aufständischen, wenn es so lange gedauert hat. Dazu gehören immer zwei, denn ohne die Fehleinschätzung und das anfängliche Versagen der USA im "Bandenkampf" hätten die Aufständischen kaum diese Wirkung erzielen können. Eine vorausschauend planende US-Führung hätte weiter damit rechnen müssen, daß der Iran - nicht gerade als Freund und Verbündeter bekannt - jede Gelegenheit nutzen würde, den USA zu schaden.

Was die Invasion 1944 angeht, lieber Zettel, sollten Sie da evtl. einen gesonderten Thread aufmachen, damit man hier nicht parallel zu zwei verschieden Themen diskutiert?

califax Offline




Beiträge: 1.502

17.03.2010 12:08
#30 RE: Zitat des Tages: Mitbeschmutzt? Antworten

Zitat von Zettel
Putin sprang dann auf den Zug auf, und es entstand die berüchtigte, zum Glück nur kurzlebige Triple-Allianz Moskau-Berlin-Paris gegen die USA.



Diese Achse wird von manchen immer noch geträumt und in Diskussionen ernsthaft vorgeschlagen. Die Denkweise dahinter ist, daß das amerikanische Imperium auf dem absteigenden Ast sei und seine Peripherie in unnütze Kriege verwickle, in Europa aber keine Interessen habe, die mit denen Deutschlands und Frankreichs übereinstimmten. Rußland dagegen sei mit seinen Bodenschätzen und seiner Lage der natürliche Alliierte Deutschlands.
Diese ziemlich alte Idee der Achse Preußen-Frankreich-Rußland scheint alle politischen Wandlungen Europas zu überleben.

Zitat von Zettel

Ich weise immer mal wieder auf diesen Punkt hin, weil ich es erstaunlich finde, daß die Schuld Schröders (und dann auch Fischers) immer noch nicht ins öffentliche Bewußtsein gedrungen ist.



Aber wer doch für den Frieden ist, kann doch gar keine Schuld tragen! Der Frieden ist doch das heilige Zentrum der Unschuld!

--
Der Weg zur Hölle beginnt mit dem Monopol auf Moral.

califax Offline




Beiträge: 1.502

17.03.2010 12:14
#31 RE: Zitat des Tages: Mitbeschmutzt? Antworten

Zitat von JeffDavis

@califax: Haben Sie zufällig die amerikanische TV-Serie "Generation Kill" gesehen? In der Serie geht es um die Soldaten des 1st Marine Recon Btl im Irak-Krieg 2003. Die vielen von Ihnen genannten Versäumnisse und Fehler werden immer wieder aus der Sicht des Frontsoldaten thematisiert, von der falschen Ausrüstung über fehlerhafte Befehle bis hin zu Plünderungen, irrtümliche Erschießung von Zivilisten, einsickernde ausländische Kämpfern, ahnungsloe Soldaten und der fehlenden Perspektive für die Nachkriegszeit. Sehr sehenswert, überhaupt nicht Hollywood-like. Es lief nur eine Staffel.



Leider nicht. Wo und wann lief die?

--
Der Weg zur Hölle beginnt mit dem Monopol auf Moral.

Florian Offline



Beiträge: 3.180

17.03.2010 12:54
#32 RE: Zitat des Tages: Mitbeschmutzt? Antworten

@Califax:

Zitat
Diese ziemlich alte Idee der Achse Preußen-Frankreich-Rußland scheint alle politischen Wandlungen Europas zu überleben




Ich überlege mir gerade, was Sie mit dieser "alten Idee" meinen könnten.

Mir fällt da spontan nicht viel ein.
Vor Peter dem Großen war Russland einfach zu zurückgezogen um ein relevanter Partner in irgendwelchen Achsen zu sein.
Und seit der diplomatischen Revolution 1756 gab es eigentlich immer einen Gegensatz zwischen Preußen und Frankreich.
(Wenn man einmal von den wenigen Jahren des Napoleonischen Kontinentalsystems absieht, das aber Russland und Preußen von Frankreich aufoktroyiert wurde und daher wohl kaum ein Beispiel für eine echte Partnerschaft sein kann).
Irgendwelche Achsenüberlegungen kann es daher eigentlich nur in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts gegeben haben. Allerdings fällt mir da nichts konkretes ein.

JeffDavis Offline



Beiträge: 448

17.03.2010 14:24
#33 RE: Zitat des Tages: Mitbeschmutzt? Antworten

Zitat von califax

Zitat von JeffDavis

@califax: Haben Sie zufällig die amerikanische TV-Serie "Generation Kill" gesehen? In der Serie geht es um die Soldaten des 1st Marine Recon Btl im Irak-Krieg 2003. Die vielen von Ihnen genannten Versäumnisse und Fehler werden immer wieder aus der Sicht des Frontsoldaten thematisiert, von der falschen Ausrüstung über fehlerhafte Befehle bis hin zu Plünderungen, irrtümliche Erschießung von Zivilisten, einsickernde ausländische Kämpfern, ahnungsloe Soldaten und der fehlenden Perspektive für die Nachkriegszeit. Sehr sehenswert, überhaupt nicht Hollywood-like. Es lief nur eine Staffel.


Leider nicht. Wo und wann lief die?




Keine Ahnung, leider. Ich sehe kein deutsches TV und habe keinen Fernseher. Die Serie habe ich mir auf DVD gekauft bei Amazon.co.uk. Wirklich sehenswert.

Hajo Offline



Beiträge: 440

17.03.2010 21:31
#34 RE: Zitat des Tages: Mitbeschmutzt? Antworten

Zitat von Florian
Mein polemischer Einwurf bezog sich allerdings auf einen Beitrag von Hajo, nicht von JeffDavis.
Und nichts für ungut: Aber ich empfinde Hajos fehlende Fähigkeit zur Unterscheidung zwischen westlichen Demokratien und Stalin-Diktatur tatsächlich als - diesmal vorsichtiger formuliert - nicht besonders glücklich.



Ich kann Ihr Unverständnis, so seltsam es sich ausnehmen mag, sogar bis zu einem gewissen Grad verstehen. Mir geht es nunmal sehr viel stärker, als dies bei vielen Anderen der Fall ist, um das Prinzip einer Sache. Die Gesetzmäßigkeit ist es, die mich interessiert und die für mich von Relevanz ist. Es mag für Sie ganz offensichtlich sein, daß Churchill und Stalin das gleiche tun, aus den gleichen Beweggründen, aber anders von den Nachkriegsgenerationen rezipiert werden. Mir erscheint es eben absurd, weil das Prinzip dahinter das selbe ist, auch wenn es sich auf unterschiedliche Weise dargestellt hat.

JeffDavis Offline



Beiträge: 448

17.03.2010 22:52
#35 RE: Zitat des Tages: Mitbeschmutzt? Antworten

Zitat von Hajo
Es mag für Sie ganz offensichtlich sein, daß Churchill und Stalin das gleiche tun, aus den gleichen Beweggründen, aber anders von den Nachkriegsgenerationen rezipiert werden. Mir erscheint es eben absurd, weil das Prinzip dahinter das selbe ist, auch wenn es sich auf unterschiedliche Weise dargestellt hat.



Dem stimme ich prinzipiell zu. Man kann das noch weiterdenken und auf die Mittel und Methoden anwenden, die von den Staaten angewandt werden, um ihre Ziele zu erreichen. Wenn Staat A (kein demokratischer Staat), das Völkerrecht bricht, WMDs anschafft und Kriegsverbrechen begeht, um seine Ziele zu erreichen, dann wirft man ihm das vor. Wenn der demokratische Staat B das Völkerrecht bricht, WMDs herstellt und Kriegsverbrechen begeht, dann ist das zwar nicht schön (Bekenntnisse des Bedauerns werden natürlich immer abgegeben), aber letztendlich doch der guten Sache wegen notwendig und gerechtfertigt.

Das läuft in Endeffekt schlicht und ergeifend auf das Recht des Stärkeren hinaus. Wer die Auseinandersetzung gewinnt, der defininiert das Völkerrecht, legt fest, was als Kriegsverbrechen zu gelten hat, und wer dafür verfolgt wird.

Zettel Offline




Beiträge: 20.200

18.03.2010 00:24
#36 RE: Strategie der USA im Irak; Hitlers Kriegserklärung Antworten

Lieber JeffDavis,

Zitat von JeffDavis
ich werde mich mal auf die Suche nach weiteren Infos zum Kriegsentschluß und Saddams Entscheidung machen. Einiges an US-Literatur habe ich schon. Der eine Artikel aus Foreign Affairs reicht mir auf keinen Fall, dazu ist die Sache denn doch zu komplex und wird zu kontrovers diskutiert.


Ich bin gespannt, was Sie herausfinden. Und denke, wir sollten die Diskussion über den Irakfeldzug bis dahin vertagen.

Ich würde gern auf zwei allgemeinere und miteinander zusammenhängende Punkte eingehen.

Sie werfen erstens den USA vor, daß sie "nie Skrupel hatten, sich mit Diktaturen zu verbünden, sobald es ihren Interessen diente". Und da Sie offenbar der Meinung sind, daß mir das bisher unbekannt war, fügen Sie hinzu, an mich gerichtet: "Es ehrt Sie (ich schreibe das einfach mal offen), wenn sie so treuherzig an die demokratische Sendung der USA und ihrer Präsidenten glauben, aber als US-Präsident oder Außenminister (siehe unten) sind Sie damit leider ungeeignet.... ".

Ja, im letzten Punkt haben Sie leider Recht, obwohl ich mich auf dieses Amt mein Leben lang vorbereitet hatte. Aber jetzt, wo Sie es sagen, muß ich wohl erkennen, daß ich da meine Fähigkeiten überschätzt habe.

Was nun die Außenpolitik der USA angeht, wird sie ja nicht von Erweckungspredigern gemacht. Natürlich muß man auch einmal Bündnisse mit Schurken eingehen; gemäß dem bekannten dem Teddy Roosevelt zugeschriebenen Satz: "Yes, he is a son of a bitch, but he is our son of a bitch". Er soll das über von den USA unterstützten Diktator Somoza gesagt haben.

Aber das ändert ja überhaupt nichts daran, daß es die Politik der USA spätestens seit dem Ersten Weltkrieg ist, wenn irgend möglich zur Verbreitung der Demokratie in anderen Ländern beizutragen. Wie schwierig das sein kann, zeigt nicht nur jetzt der Irak, sondern auch Vietnam hat es in den sechziger und frühen siebziger Jahren gezeigt. In Afghanistan erleben wir es jetzt auch.

Es war nie das Ziel der US-Politik, Dikaturen zu fördern. Ihr Ziel ist es immer gewesen, demokratische Entwicklungen in Gang zu setzen und zu fördern. Aber oft ist dieses Ziel nicht erreichbar. Und natürlich ist es immer noch mehr im Interesse der USA, einen von ihnen abhängigen Diktator zu unterstützen, als ein kommunistisches Regime nach dem anderen in ihrem Vorgarten zu haben.



Das bringt mich zum zweiten Punkt: Unter welchen Randbedingungen findet heute Weltpolitik statt? Dazu schreiben Sie:

Zitat von JeffDavis
Es hat mE auch nichts mit Realpolitik tun, eigene Werte durchzusetzen. Seine eigenen Werte anderen aufzudrängen, ist aggressive Politik. Es geht zB die USA oder uns Deutsche gar nichts an, was die Chinesen von der westlichen Demokratie halten, ob und wie sie die politische Verfassung ihres Landes gestalten möchten, und ob sie überhaupt die westliche Begeisterung für diese Dinge teilen. Die USA können zB den Chinesen politisch nichts aufzwingen und es wäre äußerst unklug, China safe for democracy machen zu wollen.

Auch an anderen Stellen haben Sie zu erkennen gegeben, daß sie als Realpolitik eine Bündnispolitik ansehen, die allein von den aktuellen Machtinteressen bestimmt wird; Sie haben ja propagiert, daß die USA sich mit Saddam hätten verbünden sollen, statt ihn zu attackiern.

Da Sie mich treuherzig genannt haben, will ich auf derselben Spracheben sagen: Das ist, bei aller Wertschätzung, anachronistisch. Sie beschreiben eine Außenpolitik, wie sie im 18. und 19. Jahrhundert betrieben wurde. Da überlegte man sich, mit wem man sich jeweils verbündete, und wechselte notfalls die Bündnispartner wie das Hemd (falls man das denn damals wechselte ).

Diese Art der Politik ging aber bereits ab 1776 und 1789 zu Ende. Fortan hatte die Außenpolitik ein starkes ideologisches Moment. Weder die Continental Army noch die französischen Soldaten der Levée en Masse führten - ich denke, da renne ich bei Ihnen offene Türen ein - noch einen herkömmlichen Kabinettskrieg. Fortan ging es in der Weltpolitik zunehmend auch um Ideologie.

Mit dem Zweiten Weltkrieg wurde die Ideologie dominierend. Die Macht Rußlands basierte wesentlich auf der Verbreitung der kommunistischen Ideologie auch außerhalb des sowjetischen Machtbereichs. Auf fast allen Kontinenten versuchten die Sowjets ihre nationale Macht auf dem Weg über Ideologie auszuweiten. Umgekehrt ging es den USA in diesem Machtkampf immer auch um die Ausbreitung von Demokratie und Kapitalismus. Hätten sie in Südvietnam Diem unterstützt, statt mit dem Ziel von mehr Demokratie an seinem Sturz mitzuwirken, dann wäre vermutlich die weitere Geschichte dieses Landes nicht so katastrophal verlaufen.

Heute ist der Islamismus weitgehend an die Stelle des real existierenden Sozialismus getreten; und wieder geht es um einen ideologischen Kampf. Der Westen wird den Islamismus nur dann besiegen, wenn er die islamischen Länder von den Vorzügen der Demokratie und des Kapitalismus überzeugt.

Das hatte Präsident Bush erkannt; das war der Eckpfeiler seiner Außenpolitik. Das ist der Hintergrund der Invasion des Irak.

Das ist, lieber JeffDavis, kalte Machtpolitik. Nur eben Machtpolitik unter den Gegebenheiten des 21. statt des 18. oder 19. Jahrhunderts.

Herzlich, Zettel

JeffDavis Offline



Beiträge: 448

18.03.2010 16:44
#37 RE: Strategie der USA im Irak; Hitlers Kriegserklärung Antworten

Zitat von Zettel


Ich bin gespannt, was Sie herausfinden. Und denke, wir sollten die Diskussion über den Irakfeldzug bis dahin vertagen.



Einverstanden, meine militärhistorische Fachliteratur reicht allein nicht aus und Wikipedia möchte ich in dieser kontroversen Frage nicht als Ausgangpunkt für Recherchen nehmen. Aber ich habe schon ein Buch der Facts On File – Serie, immer ein guter Ausgangspunkt.

Zitat von Zettel

Sie werfen erstens den USA vor, daß sie "nie Skrupel hatten, sich mit Diktaturen zu verbünden, sobald es ihren Interessen diente".



Als Vorwurf war das nicht gemeint, nur als Feststellung einer Tatsache. Ich bin der letzte, der den USA das Recht abspricht, mit jedem x-beliebigen ein Bündnis einzugehen, wenn dies ihren nationalen Zielen dient.

Zitat von Zettel

1.Und da Sie offenbar der Meinung sind, daß mir das bisher unbekannt war, fügen Sie hinzu, an mich gerichtet: "Es ehrt Sie (ich schreibe das einfach mal offen), wenn sie so treuherzig an die demokratische Sendung der USA und ihrer Präsidenten glauben, aber als US-Präsident oder Außenminister (siehe unten) sind Sie damit leider ungeeignet.... ".
Ja, im letzten Punkt haben Sie leider Recht, obwohl ich mich auf dieses Amt mein Leben lang vorbereitet hatte. Aber jetzt, wo Sie es sagen, muß ich wohl erkennen, daß ich da meine Fähigkeiten überschätzt habe.

2.Aber das ändert ja überhaupt nichts daran, daß es die Politik der USA spätestens seit dem Ersten Weltkrieg ist, wenn irgend möglich zur Verbreitung der Demokratie in anderen Ländern beizutragen. Wie schwierig das sein kann, zeigt nicht nur jetzt der Irak, sondern auch Vietnam hat es in den sechziger und frühen siebziger Jahren gezeigt. In Afghanistan erleben wir es jetzt auch.
Es war nie das Ziel der US-Politik, Dikaturen zu fördern. Ihr Ziel ist es immer gewesen, demokratische Entwicklungen in Gang zu setzen und zu fördern. Aber oft ist dieses Ziel nicht erreichbar. Und natürlich ist es immer noch mehr im Interesse der USA, einen von ihnen abhängigen Diktator zu unterstützen, als ein kommunistisches Regime nach dem anderen in ihrem Vorgarten zu haben.



ad 1: Das ist nicht ganz richtig, lieber Zettel. Sie unterschätzen mich, wenn Sie annehmen, ich unterschätzte Sie. Natürlich kennen Sie die Fakten. Meine Bemerkung bezog sich darauf, daß Sie die demokratische Sendung der USA für bare Münze nehmen und nicht als politisches Mittel zur Durchsetzung amerikanischer Ziele erkennen (wollen). Beziehungsweise diese Funktion als Mittel der US-Politik herunterspielen (oder besser formuliert: anders gewichten). Sie betrachten - wenn ich Sie richtig verstanden habe - die Verbreitung der Demokratie als ein genuines Ziel der US-Außenpolitik. Ich nicht.

Wie ich allerdings auch geschrieben habe, ist die Sache deshalb nicht so einfach, weil natürlich die US-Amerikaner erstens eine funktionierende Demokratie haben, zweitens davon überzeugt sind, God's own country zu sein, und es drittens ihre Aufgabe sei, to make the world safe for democracy.

Als US-Präsident, so stelle ich mir das vor, würden Sie außenpolitisch wohl eher in die Kategorie Woodrow Wilson fallen, nicht in die Kategorie FDR und Lincoln.
Da ich in den USA geboren bin, kann ich übrigens US-Präsident werden. Werde ich auch, aber erst, wenn ich im Ruhestand bin. Als erste Amtshandlung werde ich meinen alten Traum verwirklichen und die Unabhängigkeit der Konföderierten Staaten von Amerika wiederherstellen.

ad 2: Natürlich war es nicht das Ziel der USA, Diktaturen zu fördern. Ebensowenig wie es ihr Ziel war und ist, die Demokratie um Ihrer selbst willen zu fördern. Die USA handeln wie jeder andere normale Staat von Gewicht, sie versuchen, ihre Ziele durchzusetzen, und benutzen dafür alle Mittel, die die Politik zur Verfügung stellt.

Sie weisen richtig auf den ersten Weltkrieg als Zäsur hin. Vorher waren die USA nicht mit ihrem vollen Gewicht aufgetreten. Die Grundzüge der US-Politik konnte man zwar im Sezessionskrieg deutlich erkennen. Aber der fand noch abseits der damaligen politischen Bühne in Europa statt, die USA waren noch nicht so weit.

Um die Jahrhundertwende gab es eine kurze Phase, in der die USA eine Politik des klassischen Imperialismus verfolgten (Hawaii, Cuba, Puerto Rico, Guam, die Philippinen). Sie haben aber sehr schnell gemerkt, daß sie das aufgrund ihrer kontinentalen Lage an zwei Ozeanen, ihrer schieren Größe und ihrer enormen Wirtschaftskraft gar nicht nötig hatten. Sie fuhren viel besser mit einer indirekten Herrschaft, ausgeübt durch internationale Friedensordnungen (nach den Vorstellungen der USA) mit internationalen Gremien und Organisationen, durch die Auflösung des klassischen europäischen Völkerrechts, durch die Menschenrechtsideologie (so möchte ich es mal verkürzt nennen), die es ihnen erlaubt, sich im Namen der Menschheit, Humanität etcpp. überall einzumischen. Gestützt wird die Politik auf sehr leistungsfähige und starke Streitkräfte, die eine militärische Intervention an nahezu jedem beliebigen Punkt der Welt gestatten, und auf die Beherrschung der Seewege für den Handel.

Demokratie und Menschenrechte sind dabei nur ein probates Mittel, auch, um die eigenen Kräfte zu stärken. Wilson hätte kaum die USA in den 1.Weltkrieg führen können, wenn er den Amerikanern die Wahrheit erzählt hätte (die erst durch das Nye-Committee an das Tageslicht kam), deshalb mußten die höchsten Ziele der Menschheit her. Die Amerikaner führen daher auch nie einen klassischen Krieg, sondern nutzen intensiv alle Mittel und Methoden des Wirtschaftskrieges, und, wenn das nicht reicht, folgt ein Kreuzzug, eine humanitäre Intervention oder Polizeiaktion. Jedenfalls verteidigen sich die USA immer nur.

Saddam oder Hitler zB. haben diese Mittel der Politik nie begriffen, auch die Japaner nicht.

Es ist mE unnötig, in Vietnam, dem Irak oder in Afghanistan die Demokratie einführen zu wollen. Wenn diese Völker sich die Demokratie nicht selbst erkämpfen, wir werden sie ihnen kaum bringen. Daran ändern auch die „Wahlen“ in Afghanistan nichts, die Entwicklung im Irak muß man erst mal abwarten. Ich sehe da noch keine Demokratie ausbrechen, auch wenn es erfreulich ist, daß Saddam gestürzt worden ist.


Zitat von Zettel

Das bringt mich zum zweiten Punkt: Unter welchen Randbedingungen findet heute Weltpolitik statt?
Auch an anderen Stellen haben Sie zu erkennen gegeben, daß sie als Realpolitik eine Bündnispolitik ansehen, die allein von den aktuellen Machtinteressen bestimmt wird; Sie haben ja propagiert, daß die USA sich mit Saddam hätten verbünden sollen, statt ihn zu attackiern.
Da Sie mich treuherzig genannt haben, will ich auf derselben Spracheben sagen: Das ist, bei aller Wertschätzung, anachronistisch. Sie beschreiben eine Außenpolitik, wie sie im 18. und 19. Jahrhundert betrieben wurde.



Nein, ich beschreibe eine Außenpolitik, wie sie schon die alten Ägypter und Römer verfolgt haben, wie sie in allen Jahrhunderten betrieben worden ist, und wie sie auch zukünftig aller Voraussicht betrieben werden wird (wenn die Klimakatastrophe nicht doch noch kommt ).

Staaten haben keine Freunde, nur Interessen (hat mal irgendein Politiker gesagt). Diese Interessen sind auch vor 1776 schon mit ideologischen Mitteln verfolgt worden (zB. die Kreuzzüge). Mit den USA und der UdSSR sind zwar zwei Staaten auf die Bühne der Weltpolitik getreten, die in der Tat ihre Ziele besonders stark ideologisch begründen. Aber diese Ideologie ist nur ein weitere Mittel im Arsenal, die anderen sind weiter in Gebrauch und sogar entscheidend. Denn ohne sie hätte kein Mensch von der Ideologie Notiz genommen. So ist zB die Insel Nauru ist auch eine demokratische Republik, die aktive Friedenpolitik betreibt, nur kümmert das keinen. Nein, mein lieber Zettel, es gibt jetzt nur ein zusätzliches Mittel im Arsenal, die klassischen Mittel der Außenpolitik sind keineswegs anachronistisch, sondern nach wie vor aktuell und nach wie vor entscheidend. Das hat die deutsche Bundesregierung zB noch nicht begriffen.


Zitat von Zettel

Der Westen wird den Islamismus nur dann besiegen, wenn er die islamischen Länder von den Vorzügen der Demokratie und des Kapitalismus überzeugt.



Das, lieber Zettel, ist ein ganz fundamentaler Irrtum. Sie setzen dabei voraus, daß unser westliches Verständnis von Freiheit, Demokratie und Wirtschaftsordnung zutreffend ist, und daß sich die Muslims (oder wer auch immer) letztlich davon überzeugen lassen werden, daß es auch für sie vorteilhafter ist, diese Werte zu übernehmen. Das sieht aber derzeit nicht danach aus, und die Geschichte lehrt uns, daß andere Kulturen schlicht und ergreifend eine ganz andere Vorstellung von politischer, wirtschaftlicher und gesellschaftlicher Ordnung haben können als der Westen. Ich unterstelle dabei mal der Einfacheit halber, der Westen besäße eine einheitliche Vorstellung dieser Dinge (was nicht der Fall ist). Aus China wird nie eine Demokratie im westlichen Sinn, auch nicht aus religiös strukturierten muslimischen Staaten.

Nach ihrer Lesart zB gab es für die Spanier, Russen, Österreicher und Preußen keinen Grund, sich gegen die Errungenschaften der franz Revolution zu wehren. Menschenrechte, republikanische Staatsform, gesetzmäßig arbeitende Verwaltung, das wären nach Ihrer Meinung alles vernünftige Dinge. Trotzdem wollte man sie nicht, jedenfalls nicht zwangsweise von den franz. Armeen gebracht oder sonstwie von den Franzosen aufoktroyiert. Die Indianer in den USA haben sich auch nicht für die Werte der amerikanischen Revolution begeistern können (man hat sie freilich auch nicht gelassen, sondern umgebracht oder weggesperrt). Mit den sog. westlichen Werten verhält es sich genauso.

Übrigens, Sie erinnern sich an den Kant-Thread, auf den damals niemand geantwortet hat (meine kommt noch, meine Apologie des Krieges dauert nur ein bißchen)? Kant begeht den gleichen Denkfehler wie Sie, wenn er annimmt, alle Menschen würden sich letztlich aus Einsicht der Vernunft beugen.

Mir würde es schon reichen, wenn man die Menschen hier im Westen von den Vorzügen der Demokratie und des Kapitalismus überzeugen würde. Danach sieht es ganz und gar nicht aus. Das ist aber viel wichtiger, als die Muslims davon zu überzeugen. Die Muslims können den Kampf gegen den Westen gar nicht gewinnen, aus den verschiedensten Gründen. Aber wir sind drauf und dran, ihn aus eigener Kraft zu verlieren.

Zettel Offline




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21.03.2010 16:59
#38 RE: Strategie der USA im Irak; Hitlers Kriegserklärung Antworten

Zitat von JeffDavis
Sie unterschätzen mich, wenn Sie annehmen, ich unterschätzte Sie. Natürlich kennen Sie die Fakten. Meine Bemerkung bezog sich darauf, daß Sie die demokratische Sendung der USA für bare Münze nehmen und nicht als politisches Mittel zur Durchsetzung amerikanischer Ziele erkennen (wollen).


Nein, da verstehen Sie mich falsch, lieber JeffDavis. Ich kann aber verstehen, daß Sie mich falsch verstehen.

Denn meine Position ist vielleicht a bisserl ungewöhnlich. Ich bin ja wie Sie der Meinung, daß die USA kalte Machtpolitik betreiben (und hoffe sehr, daß sie es in unser aller Interesse auch weiter erfolgreich tun). Nur gehört aus meiner Sicht zur Politik einer Weltmacht, wenn sie erfolgreich sein soll, eben wesentlich die ideologische Komponente.

Das habe ich historisch zu skizzieren versucht. Es geht zurück auf die amerikanische und die französische Revolution, also letztlich auf die Aufklärung. Aber lassen wir das beiseite: Jedenfalls aktuell geht es um den Machtanspruch islamischer Länder, vor allem des Iran. Und diesem wird der Westen nur erfolgreich begegnen können, wenn er der Religion der Extremisten die eigenen westlichen Werte entgegensetzt; wenn es gelingt, wie jetzt im Irak die Völker davon zu überzeugen, daß es sich in einer freien, kapitalistischen Gesellschaft besser lebt als unter der Herrschaft von Fanatikern.

Insofern ist die Verbreitung der Demokratie ein, wie Sie schreiben, "genuines Ziel der US-Außenpolitik". Genuin ja, also echt; aber zugleich instrumentell. Letztlich geht es selbstverständlich, wie stets in der Politik, um Macht und Selbstbehauptung.

Herzlich, Zettel

Philipp Offline



Beiträge: 78

21.03.2010 18:31
#39 RE: Strategie der USA im Irak; Hitlers Kriegserklärung Antworten

Zitat
Zitat von Zettel

Insofern ist die Verbreitung der Demokratie ein, wie Sie schreiben, "genuines Ziel der US-Außenpolitik". Genuin ja, also echt; aber zugleich instrumentell. Letztlich geht es selbstverständlich, wie stets in der Politik, um Macht und Selbstbehauptung.



Außenpolitik kann meines Erachtens nicht "echt" und "instrumentell" zugleich sein, wie Sie, lieber Zettel, es hier schreiben. Zumindest nicht dann, wenn (politisches) Handeln eingeleitet wird. Wenn die ersten Handlungen erst einmal gesetzt sind, mag beides Hand in Hand gehen. Aber zuerst müssen entweder Machtkalkül oder Ideologie den Ausschlag geben.

Entweder die ideologische Überzeugung ist der Antrieb, der Ausgangspunkt politischen Handelns.

Oder Ideologie ist schlicht Mittel zum Zweck. Dies würde implizieren, dass all die Aussagen von George Bush, wonach die USA mit ihrer Irakpolitik im Nahen Osten Frieden, Demokratie und Menschenrechte fördern wollten, vorgeschobenes Gerede waren, um kühle machtpolitische Überlegungen der USA zu rechtfertigen.

Sie haben, lieber Zettel, sowohl in Zettels Raum als auch in diesem Forum immer wieder darauf hingewiesen, dass sie die ideologische Geradlinigkeit von George Bush sehr zu schätzen wissen - und dass sie Bush für einen "freiheitlichen" Präsidenten im besten Sinn halten.

Ich gehe deshalb davon aus, dass sie die Ideologie als Triebfeder des amerikanischen Irak-Engagements erachten, und nicht primär machtpolitische Überlegungen.

Palmström, etwas schon an Jahren,

wird an einer Straßenbeuge

und von einem Kraftfahrzeuge

überfahren.

Ungelt ( gelöscht )
Beiträge:

21.03.2010 19:55
#40 RE: Strategie der USA im Irak; Hitlers Kriegserklärung Antworten

Zitat von Philipp
Entweder die ideologische Überzeugung ist der Antrieb, der Ausgangspunkt politischen Handelns.

Oder Ideologie ist schlicht Mittel zum Zweck. Dies würde implizieren, dass all die Aussagen von George Bush, wonach die USA mit ihrer Irakpolitik im Nahen Osten Frieden, Demokratie und Menschenrechte fördern wollten, vorgeschobenes Gerede waren, um kühle machtpolitische Überlegungen der USA zu rechtfertigen.

Ich habe nun überhaupt keine fachlichen Voraussetzungen für diese Diskussion, nur etwas Lebenserfahrung. Die sagt mir aber, daß es praktisch nie ein entweder - oder gibt. Nicht im Privatleben, und ich sehe keine Gründe, warum es in der Politik anders sein sollte. Es ist doch immer eine große Anzahl von Faktoren, die praktisch jede Entscheidung bestimmen.

Warum diese Ausschleißlichkeit? Weil man hierzulande nur Gut und Böse kennt? Ich frage ja nur

Philipp Offline



Beiträge: 78

21.03.2010 21:16
#41 RE: Strategie der USA im Irak; Hitlers Kriegserklärung Antworten

Zitat
Zitat von Ungelt

Ich habe nun überhaupt keine fachlichen Voraussetzungen für diese Diskussion, nur etwas Lebenserfahrung. Die sagt mir aber, daß es praktisch nie ein entweder - oder gibt. Nicht im Privatleben, und ich sehe keine Gründe, warum es in der Politik anders sein sollte. Es ist doch immer eine große Anzahl von Faktoren, die praktisch jede Entscheidung bestimmen.

Warum diese Ausschleißlichkeit? Weil man hierzulande nur Gut und Böse kennt? Ich frage ja nur



Ich habe mich wohl missverständlich ausgedrückt und hätte besser schreiben sollen:

Außenpolitik kann meines Erachtens nicht in gleichem Maße zur gleichen Zeit "echt" und "instrumentell" sein. Ich sehe ein, dass sich dann der Einwand, den ich gegen Zettels Argument erhob, eigentlich erübrigt. Ich bitte ob meiner nachlässigen Formulierung um Nachsicht.

Was sich nicht erübrigt, und was ich für eine sehr wichtige Frage halte, wenn es um Außenpolitik geht, ist die oben angeschnittene Frage: Überwiegt die Ideologie als Triebfeder außenpolitischen Handelns, oder bedient man sich außenpolitisch nur solange einer Ideologie, wie es eben opportun erscheint?

Ich denke, dass nicht zuletzt die subjektiv unterschiedlichen Antworten auf diese Frage in Bezug auf die Person Bush die Geister scheiden: Die einen unterstellen Bush, er habe es ohnehin nur auf amerikanischen Machtausbau und Öl abgesehen, weshalb die USA im Nahen Osten nichts verloren hätten. Die anderen argumentieren, es sei vollkommen richtig, dass im Irak die Fahnen von Freiheit und Demokratie hochgehalten würden.

Ich bin der Meinung, dass eine Außenpolitik, die nicht auf Werten basiert, die auch in Ausnahmesituationen vertreten wird, zum Scheitern verurteilt ist. Das beste Beispiel ist meines Erachtens die Beziehung zwischen Israel und den USA. Natürlich ist es auch aus machtpolitischen Gründen für die USA von großer Bedeutung, Israel zu stärken. Das Fundament der tiefen Verbundenheit sind jedoch die gemeinsamen Werte. Obama lässt mit seiner momentanen Nahostpolitik erkennen, dass er dies nicht begriffen hat.

Palmström, etwas schon an Jahren,

wird an einer Straßenbeuge

und von einem Kraftfahrzeuge

überfahren.

Ungelt ( gelöscht )
Beiträge:

21.03.2010 23:00
#42 RE: Strategie der USA im Irak; Hitlers Kriegserklärung Antworten

Zitat von Philipp
Ich bin der Meinung, dass eine Außenpolitik, die nicht auf Werten basiert, die auch in Ausnahmesituationen vertreten wird, zum Scheitern verurteilt ist.


Ich denke, daß auch in Ausnahmesituationen beide Komponenten, Überzeugungen UND Zwänge, einfließen. Mal angenommen, daß ich nach meiner Überzeugung für die Selbstbestimmung aller Menschen eintreten würde - das bedeutet doch wohl nicht, daß ich in einem solchen Fall keine Kompromisse eingehen und "bittere Pillen" schlucken dürfte. Das ist ja nicht zu vermeiden, wenn Schlimmeres vermieden werden muß. Dadurch verliert die Politik auch nicht unbedingt seine Basis, denke ich. Und die Vertreter dieser Politik nicht ihre Glaubwürdigkeit. (Natürlich gibt es da auch Grenzen.)

Ich kann mich ja gut an die Situation des Prager Frühlings aus der Innensicht erinnern. Jeder sah zu der Zeit, daß Tschechen die moralische Unterstützung der "freien Welt" hatten, sofern sie bereits nicht durch den Appeasment-Virus infiziert war. Deswegen erwartete aber Keiner, daß die USA deswegen einen 3. Weltkrieg riskieren. Man erwartete freilich, daß die UdSSR klug und ausdauern bekämpft wird, und da täuschte man sich, jetzt auf die USA bezogen, glücklicherweise nicht.

Das oben geschilderte soll natürlich nicht bedeuten, daß ich bezüglich Israel und Obama der Meinung bin, daß Obama nur den besten Weg sucht, Israel zu schützen. Ich befürche leider auch, daß er andere persönliche Prioritäten hat und diese seine Politik bestimmen.

Ich habe wirklich große Mühe mit absoluten Ansprüchen, und auch mit dem Begriff "Ideologie", den Sie hier für Überzeugungen verwenden. Ich bin und will hier auch nicht "objektiv" sein. Für mich gibt es natürlich Ideologien, aber die Überzeugung, daß es so etwas wie Freiheit gibt, und daß man versuchen muß ihr mehr Raum zu verschaffen, bezeichne ich nicht so. Und das Benennen der eigenen Überzeugungen bezeichne ich auch nicht als "Instrumentalisierung einer Ideologie". Wenn man es aufgibt, die eigene Wahrheit so zu bezeichnen, wie sie es verdient, ist es der erste Schritt zur Kapitulation. Es gibt keinen Zwang zur "Ausgewogenheit" gegenüber verbrecherischen Regimen.

Gute Nacht, Ungelt

Zettel Offline




Beiträge: 20.200

21.03.2010 23:30
#43 RE: Strategie der USA im Irak; Hitlers Kriegserklärung Antworten

Zitat von Philipp

Zitat
Zitat von Zettel
Insofern ist die Verbreitung der Demokratie ein, wie Sie schreiben, "genuines Ziel der US-Außenpolitik". Genuin ja, also echt; aber zugleich instrumentell. Letztlich geht es selbstverständlich, wie stets in der Politik, um Macht und Selbstbehauptung.


Außenpolitik kann meines Erachtens nicht "echt" und "instrumentell" zugleich sein, wie Sie, lieber Zettel, es hier schreiben.



Ich möchte das doch verteidigen, lieber Philipp.

Außenpolitik kann immer nur Politik im Interesse des eigenen Landes sein. Ich schreibe das gelegentlich: Ein Regierungschef, ein Außenminister, die ihre Politik an anderen Interessen orientieren würden, verletzten damit ihren Amtseid. Jeder deutsche Kanzler und Minister schwört zum Beispiel, den Nutzen des deutschen Volkes zu mehren und Schaden von ihm zu wenden. Nicht anderer Völker.

Dies gesagt - wo liegen die Interessen des eigenen Landes? Bis ins 18. Jahrhundert lagen sie darin, dessen Reichtum zu mehren. Dazu brauchte man mehr Untertanen, die ordentlich Steuern zahlen. Also suchte man das Land zu vergrößern, wie Friedrich II. das zum Beispiel getan hat. Dazu mußte man Absatzgebiete für die eigenen Produkte gewinnen, Handelsrouten schützen, rohstoffreiche Kolonien erobern usw.

Derartiges spielt heute natürlich auch noch eine Rolle. Aber seit der amerikanischen und dann der französischen Revolution ist etwas anderes hinzugetreten: Es geht nicht nur um das Gewinnen und Erhalten von Reichtum, sondern auch um das Erlangen und Sichern einer bestimmten Gesellschaftsform. Die Amerikaner haben einen Volkskrieg gegen die englische Krone geführt, weil sie frei sein wollten. Die Franzosen haben, weil sie frei sein wollten, bald danach den zweiten Volkskrieg geführt.

Man kann diesen Wandel dann im Preußen der napoleonischen Zeit sehen. Die preußische Krone schwankte zwischen dem Bündnis mit Rußland und dem mit Frankreich. Das Volk aber führte einen Freiheitskrieg gegen die Franzosen.



Zur Zeit des Kalten Kriegs ging es offensichtlich zugleich, und miteinander verwoben, um klassische Machtpolitik und um den Kampf zwischen Freiheit und Sozialismus. Diesen Krieg haben wir, das Lager der Freiheit, gewonnen. Manche sahen danach das Ende der Geschichte, eine von der "einzigen verbliebenen Supermacht" beherrschte Welt usw.

So scheint es sich aber nicht zu entwickeln. Es gibt wieder einen Kampf der Systeme - Freiheit gegen Islamismus -, und es gibt wieder einen Kampf um globale Hegemonie - USA gegen China.

Dabei ist, wie im Kalten Krieg, die Überlegenheit des Kapitalismus, die Überlegenheit des freiheitlichen Rechtsstaats, eine entscheidende Waffe.

Der Niederggang des Sowjetreichs begann mit der Konferenz von Helsinki. Die Sowjets sahen die Garantien, die sie für den Bestand ihres Reichs erhalten hatten ("Unverletzlichkeit der Grenzen"). Der Westen setzte aber auf die Informationsfreiheit, und er gewann.

Auch heute müssen wir nach meiner Überzeugung auf die Überlegenheit unseres Systems setzen. Das hat Präsident Bush erkannt, und er hat es mit Verläßlichkeit und Geradelinigkeit umzusetzen versucht. Ich finde, da ist kein Widerspruch.

Herzlich, Zettel

JeffDavis Offline



Beiträge: 448

22.03.2010 11:44
#44 RE: Strategie der USA im Irak; Hitlers Kriegserklärung Antworten

Zitat von Zettel


1 .Dies gesagt - wo liegen die Interessen des eigenen Landes? Bis ins 18. Jahrhundert lagen sie darin, dessen Reichtum zu mehren. Dazu brauchte man mehr Untertanen, die ordentlich Steuern zahlen. Also suchte man das Land zu vergrößern, wie Friedrich II. das zum Beispiel getan hat. Dazu mußte man Absatzgebiete für die eigenen Produkte gewinnen, Handelsrouten schützen, rohstoffreiche Kolonien erobern usw.

2. Derartiges spielt heute natürlich auch noch eine Rolle. Aber seit der amerikanischen und dann der französischen Revolution ist etwas anderes hinzugetreten: Es geht nicht nur um das Gewinnen und Erhalten von Reichtum, sondern auch um das Erlangen und Sichern einer bestimmten Gesellschaftsform. Die Amerikaner haben einen Volkskrieg gegen die englische Krone geführt, weil sie frei sein wollten. Die Franzosen haben, weil sie frei sein wollten, bald danach den zweiten Volkskrieg geführt.

3.Man kann diesen Wandel dann im Preußen der napoleonischen Zeit sehen. Die preußische Krone schwankte zwischen dem Bündnis mit Rußland und dem mit Frankreich. Das Volk aber führte einen Freiheitskrieg gegen die Franzosen.




Diesen Ausführungen möchte ich widersprechen, das es das Wesen der Außenpolitik auf das aktuelle, von der Aufklärung und der Auffassung des Westens seit ca. 1776 geprägte Bild reduziert, und mE auch inhaltliche Fehler enthält.

ad 1 : Das sind größtenteils unbewiesene Annahmen. Ich bestreite bereits, daß man vor der Ausbildung souveräner Nationalstaaten überhaupt von staatlichen Interessen im heutigen Sinne sprechen kann. Zweitens ist es sehr fraglich, ob man das „staatliche Interesse“ auf die simple Mehrung des Reichtums durch Vergrößerung der Zahl steuerzahlender Untertanen reduzieren kann. Die Ausdehnungspolitik Ludwigs XIV, die Lage Preußens, die Türkenkriege, die Ausdehnung Rußlands in Richtung Schwarzes Meer/Krim, den Hundertjährigen Krieg, die Kreuzzüge, die Kriege Karls XII, die zwischen Franz I und Karl V, oder die Kriege Karls des Großen, alle über einen Kamm zu scheren und mit der Vermehrung der Untertanen erklären zu wollen, halte ich nicht für überzeugend. Ganz zu schweigen von der Außenpolitik der islamischen Herrscher, der chinesischen und japanischen Kaiser, oder der südamerikanischen Indianerreiche.

Rohstoffreiche Kolonien zu erobern war in der vorindustriellen Zeit unnötig. Die Portugiesen, Spanier, Engländer, Holländer und Franzosen haben zwischen dem 15. und 18.Jahrhundert kein Kolonialreich wegen der Rohstoffe gegründet. Die Kontrolle des Handels und seiner Routen war ein zentrales Element, aber dazu brauchte man keine großen Gebiete zu besetzen, sondern nur durch Stützpunkte und eine starke Flotte die Verkehrswege zu kontrollieren. Das ist besonders den Engländern sehr gut gelungen. Die riesigen Gebiete in Indien oder Indonesien waren damals im privaten Besitz verschiedener Handelsgesellschaften, nicht im staatlichen. Auch die Inbesitznahme und Besiedlung zB Kanadas und Nordamerikas war keine Frage der Rohstoffe. Das ist eher eine Kennzeichen der letzten Phase des Imperialismus ab etwa 1850.


ad 2 : Das ist nicht zutreffend. Die Franzosen haben keinen Volkskrieg zu ihrer Befreiung geführt, denn es hat sie niemand unterdrückt oder in ihrer Existenz als Volk bedroht. Allenfalls der erste Koalitionskrieg kann mit Wohlwollen als ein Kampf um die Revolution gesehen werden, aber selbst da ist die Kriegserklärung durch F erfolgt. Um die Freiheit der Franzosen ging es allenfalls innerfranzösisch, also um die Ereignisse ab dem Ballhausschwur bis zur Enthauptung Robespierres. Ich möchte behaupten, daß die Freiheit der Franzosen durch ihre eigenen Politiker deutlich mehr gefährdet war als durch die Alliierten. Selbst im Falle eines Sieges wäre die Freiheit der Franzosen nicht wesentlich geringer gewesen; kein Monarch hätte weitermachen können wie vor 1789.

Den Kampf der Amerikaner gegen die englische Krone war ein Kampf um Teilhabe an der politischen Macht, um politische Repräsentation, erst in letzter Konsequenz, nachdem die Krone dies verweigert hat, ein Unabhängigkeitskrieg, und nicht der erste in der Weltgeschichte.

ad 3: Das ist nicht zutreffend. Die Krone schwankte keineswegs zwischen zwei Bündnissen. Das Bündnis mit F war ein durch 1806 erzwungenes, nicht aus Überzeugung eingegangen. Von den üblichen Quislingen abgesehen, sah niemand in Preußen, auch nicht der König, das nationale Interesse am besten durch ein Bündnis mit F gewahrt. Es ging eher um den richtigen Zeitpunkt für eine Trennung, das warnende Beispiel von 1809 vor Augen. Der König war vom Charakter her ein Zauderer und fand nur schwer zu einem Entschluß. Das hat nichts damit zu tun, daß er im Bündnis mit F bleiben wollte.

Übrig bleibt, daß ab 1776 in der Politik (nicht Außenpolitik) der in der europäischen Tradition stehenden Staaten demokratische Prinzipien, Freiheit und Menschenrechte, kurz die politisch tätigen Bürger, eine zunehmende Rolle spielten. Ich sehe nicht, wie und wo das „Erhalten einer bestimmten Gesellschaftsform“ in der Außenpolitik vor 1914-18 eine Rolle gespielt hätte. Vielleicht können Sie mal einige Beispiele bringen, damit man diese These überprüfen kann.

Zitat von Zettel

Zur Zeit des Kalten Kriegs ging es offensichtlich zugleich, und miteinander verwoben, um klassische Machtpolitik und um den Kampf zwischen Freiheit und Sozialismus. Es gibt wieder einen Kampf der Systeme - Freiheit gegen Islamismus -, und es gibt wieder einen Kampf um globale Hegemonie - USA gegen China.
Dabei ist, wie im Kalten Krieg, die Überlegenheit des Kapitalismus, die Überlegenheit des freiheitlichen Rechtsstaats, eine entscheidende Waffe.
Der Niederggang des Sowjetreichs begann mit der Konferenz von Helsinki. Die Sowjets sahen die Garantien, die sie für den Bestand ihres Reichs erhalten hatten ("Unverletzlichkeit der Grenzen"). Der Westen setzte aber auf die Informationsfreiheit, und er gewann.
Auch heute müssen wir nach meiner Überzeugung auf die Überlegenheit unseres Systems setzen. Das hat Präsident Bush erkannt, und er hat es mit Verläßlichkeit und Geradelinigkeit umzusetzen versucht.



Derart einfach würde ich die aktuelle globale Politik nicht erklären wollen, lieber Zettel.

China strebt keine globale Hegemonie an. Es verhindert allenfalls durch Politik, Größe, Bevölkerungszahl, Wirtschaftskraft und Streitkräfte eine globale Hegemonie der USA. Weil es dadurch zu den sehr, sehr wenigen Staaten gehört, die im Zweifel die USA nicht (mehr) fürchten müssen. Das hat nicht nur mit dem Besitz von Atomwaffen zu tun, wie irrtümlich Nordkorea und der Iran glauben.

Ich hatte es bereits oben erwähnt: Ihr Irrtum besteht in der Überzeugung, alle anderen Menschen würden letztlich die Überlegenheit des freiheitlichen Rechtsstaats und des Kapitalismus erkennen, ja, diese überhaupt für erstrebenswert halten, wenn sie nur „vernünftig“ genug sind.

Mal abgesehen davon, daß es gerade in Asien einige Beispiele gibt, warum beides nicht notwendig zusammengehören muß, gibt es nicht nur viele Abstufungen, Vorstellungen, und Formen von Freiheit, Rechtsstaat und Demokratie, sondern ich vermag vor allem nicht zu erkennen, wie sie es jemals schaffen wollen, alle Menschen unter einen Hut zu bringen. Das funktionierte in den vergangenen Jahrtausenden nicht mal mit dem Weltfrieden, von dessen Vorteil man alle Menschen doch am ehesten überzeugen können sollte.

Der Hinweis auf den Sieg über den Sozialismus überzeugt nicht, weil die Sowjetunion, erst recht die von ihr besetzen Staaten Europas, Teil des europäisch/abendländischen Kulturkreises sind. Im Gegensatz zu China oder den muslimischen Staaten, die sie mE nicht von den Vorzügen der Aufklärung etcpp. werden überzeugen können. Mit Informationsfreiheit allein ist auch kein Blumentopf zu gewinnen. Deswegen hat der Westen bestimmt nicht gewonnen, dafür sind ganz andere Gründe auschlaggebend.

Die Entwicklung im Irak steht dem auch nicht entgegen. Nur weil man da mal gewählt hat, ist dort noch keine Demokratie ausgebrochen. Ich bin nicht davon überzeugt, daß die gewaltsame Implementierung eines den bisherigen Traditionen diametral entgegengesetzen politischen Systems dauerhafte Wirkung entfalten kann.

Kapitalismus und freiheitlicher Rechtsstaat sind deshalb nicht die entscheidenden Waffen in der Außenpolitik, sondern innenpolitisch, wenn es darum geht, die Stärke des Westens zu erhalten. Wir sollten erst einmal dafür sorgen, daß sie bei uns nicht gefärdet sind (wie es aktuell sehr der Fall ist) . Wir sind - ich schreib es bereits - auf dem besten Wege, alles zu verspielen. Die Gegenseite wird den Kampf gewinnen, weil wir vorher geistig kapitulieren und nicht mehr bereit sind, unser System zu verteidigen.

Zettel Offline




Beiträge: 20.200

22.03.2010 15:38
#45 RE: Strategie der USA im Irak; Hitlers Kriegserklärung Antworten

Zitat von JeffDavis
Ich bestreite bereits, daß man vor der Ausbildung souveräner Nationalstaaten überhaupt von staatlichen Interessen im heutigen Sinne sprechen kann.


Das sage ich ja auch.

Zitat von JeffDavis
Zweitens ist es sehr fraglich, ob man das „staatliche Interesse“ auf die simple Mehrung des Reichtums durch Vergrößerung der Zahl steuerzahlender Untertanen reduzieren kann.


Das, lieber JeffDavis, tue ich ja ausdrücklich nicht. Ich habe andere Interessen genannt, wie den Schutz von Handelsrouten und den Erwerb von Rohstoffen. Möglicherweise hat Sie ein doppeldeutiges Wort in meinem Text irritiert. Ich habe "dazu" geschrieben und meinte damit "weiterhin". Vielleicht haben Sie es als "zu diesem Zweck" mißverstanden. Ansonsten zu diesem Punkt - danke für Ihre Beispiele, aber ich finde darin nichts, was dem widersprechen würde, was ich geschrieben habe.

Zitat von JeffDavis
Die Franzosen haben keinen Volkskrieg zu ihrer Befreiung geführt, denn es hat sie niemand unterdrückt oder in ihrer Existenz als Volk bedroht. Allenfalls der erste Koalitionskrieg kann mit Wohlwollen als ein Kampf um die Revolution gesehen werden, aber selbst da ist die Kriegserklärung durch F erfolgt.


Würden Sie bitte richtig zitieren? Ich habe nicht geschrieben, daß die Franzosen einen Volkskrieg "zu ihrer Befreiung geführt" hätte, was in der Tat falsch wäre. Sondern ich habe geschrieben, daß sie ihn führten, "weil sie frei sein wollten". Mir ist nicht klar, was Sie daran unzutreffend finden. Die Kriegserklärung an den damals noch nicht zum Kaiser gekrönten Franz II wurde von fast der gesamten Legislative unterstützt (Robespierre war einer der wenigen Abweichler) und mit republikanisch-vaterländischem Pathos garniert.

Zitat von JeffDavis
Um die Freiheit der Franzosen ging es allenfalls innerfranzösisch, also um die Ereignisse ab dem Ballhausschwur bis zur Enthauptung Robespierres. Ich möchte behaupten, daß die Freiheit der Franzosen durch ihre eigenen Politiker deutlich mehr gefährdet war als durch die Alliierten. Selbst im Falle eines Sieges wäre die Freiheit der Franzosen nicht wesentlich geringer gewesen; kein Monarch hätte weitermachen können wie vor 1789.


Das ist Ihre Interpretation. Mir ging es aber nicht um Ihre Interpretation, sondern um die tatsächlichen Motive für diesen Krieg. Und diese waren, noch einmal gesagt, ganz andere als die Motive für die Kabinettskriege des 18. Jahrhunderts.

Zitat von JeffDavis
Den Kampf der Amerikaner gegen die englische Krone war ein Kampf um Teilhabe an der politischen Macht, um politische Repräsentation, erst in letzter Konsequenz, nachdem die Krone dies verweigert hat, ein Unabhängigkeitskrieg, und nicht der erste in der Weltgeschichte.


Stimmt alles. Und widerspricht alles in keiner Weise dem, was ich geschrieben habe.

Zitat von JeffDavis
Die Krone schwankte keineswegs zwischen zwei Bündnissen. Das Bündnis mit F war ein durch 1806 erzwungenes, nicht aus Überzeugung eingegangen.


Ich habe nicht von den Motiven gesprochen. Sie schreiben dann ja richtig, daß es "um den richtigen Zeitpunkt für die Trennung" ging und daß der König unentschlossen war. Genau das meinte ich mit dem Schwanken zwischen zwei Bündnissen. Auch hier, lieber JeffDavis, behaupten Sie, ich hätte Unzutreffendes geschrieben, um dann nur zu konkretisieren und zu bestätigen, was ich geschrieben hatte.

Zitat von JeffDavis

Übrig bleibt, daß ab 1776 in der Politik (nicht Außenpolitik) der in der europäischen Tradition stehenden Staaten demokratische Prinzipien, Freiheit und Menschenrechte, kurz die politisch tätigen Bürger, eine zunehmende Rolle spielten.


Übrig bleibt Wort für Wort das, was ich geschrieben hatte.

Sie behaupten, das, was ich geschrieben hatte, enthielte "inhaltliche Fehler"; aber sie konkretisieren und ergänzen es dann nur. Das ist ein Modus der Argumentation, der mich, das will ich gar nicht verschweigen, schon a bisserl ärgert.

Wenn ich mich geirrt habe, dann lasse ich mich gern korrigieren. Wenn Sie anderer Meinung sind, dann her damit. Aber wenn Sie nur ergänzen und/oder Ihre eigene Meinung vortragen und das als das Korrigieren von Fehlern etikettieren, die ich angeblich gemacht hätte, dann ist das kein guter Diskussionsstil.

Herzlich, Zettel

JeffDavis Offline



Beiträge: 448

22.03.2010 17:57
#46 RE: Strategie der USA im Irak; Hitlers Kriegserklärung Antworten

Zitat von Zettel

Zitat von JeffDavis
Ich bestreite bereits, daß man vor der Ausbildung souveräner Nationalstaaten überhaupt von staatlichen Interessen im heutigen Sinne sprechen kann.


Das sage ich ja auch.




Wo? Bei Ihnen heißt es: "Dies gesagt - wo liegen die Interessen des eigenen Landes? Bis ins 18. Jahrhundert lagen sie darin..." Für mich bedeutet das vor dem Kontext, den wir diskutieren, staatliche Interessen über den ganzen Zeitraum vor dem 18.Jahrhundert. Eingeschlossen die Zeit, in der es noch keine Länder iSv. Nationalstaat gab.


Zitat von Zettel

Zitat von JeffDavis
Zweitens ist es sehr fraglich, ob man das „staatliche Interesse“ auf die simple Mehrung des Reichtums durch Vergrößerung der Zahl steuerzahlender Untertanen reduzieren kann.


Das, lieber JeffDavis, tue ich ja ausdrücklich nicht. Ich habe andere Interessen genannt, wie den Schutz von Handelsrouten und den Erwerb von Rohstoffen. Möglicherweise hat Sie ein doppeldeutiges Wort in meinem Text irritiert. Ich habe "dazu" geschrieben und meinte damit "weiterhin". Vielleicht haben Sie es als "zu diesem Zweck" mißverstanden. Ansonsten zu diesem Punkt - danke für Ihre Beispiele, aber ich finde darin nichts, was dem widersprechen würde, was ich geschrieben habe.




Okay, granted. Aber letztlich ist mein Punkt der, daß die von Ihnen aufgezählten Punkte vom heutigen Standpunkt aus staatliche Interessen sind. Ob man das für frühere Epochen auch sagen kann, bezweifle ich weiterhin. Meine Eingangsbemerkung "Das sind größtenteils unbewiesene Annahmen." hatte aufzeigen sollen, was ich meinte. Sie stellen im Grunde einige Tatsachen und Zusammenhänge als unzweifelhaft in den Raum, die es aber in Wirklichkeit nicht sind.


Zitat von Zettel

Zitat von JeffDavis
Die Franzosen haben keinen Volkskrieg zu ihrer Befreiung geführt, denn es hat sie niemand unterdrückt oder in ihrer Existenz als Volk bedroht. Allenfalls der erste Koalitionskrieg kann mit Wohlwollen als ein Kampf um die Revolution gesehen werden, aber selbst da ist die Kriegserklärung durch F erfolgt.


Würden Sie bitte richtig zitieren? Ich habe nicht geschrieben, daß die Franzosen einen Volkskrieg "zu ihrer Befreiung geführt" hätte, was in der Tat falsch wäre. Sondern ich habe geschrieben, daß sie ihn führten, "weil sie frei sein wollten". Mir ist nicht klar, was Sie daran unzutreffend finden. Die Kriegserklärung an den damals noch nicht zum Kaiser gekrönten Franz II wurde von fast der gesamten Legislative unterstützt (Robespierre war einer der wenigen Abweichler) und mit republikanisch-vaterländischem Pathos garniert.




Bei Ihnen heißt es wörtlich: "Die Amerikaner haben einen Volkskrieg gegen die englische Krone geführt, weil sie frei sein wollten. Die Franzosen haben, weil sie frei sein wollten, bald danach den zweiten Volkskrieg geführt." Dieselben Begriffe, derselbe Zusammenhang. Der Unterschied ist, daß die englische Krone im Land war, und die Amerikaner sich durch den Volkskrieg von ihr lossagten, während die Alliierten noch nicht im Land waren, die Franzosen haben aber einen Volkskrieg gegen die Bedrohung führten. Beide wollten, Sie haben das ausdrücklich in diesen Zusammenhang gestellt, "ihre Gesellschaftsform erlangen bzw. sichern." Was ich da falsch zitiert haben soll, ist mir leider nicht nachvollziehbar. Ich hatte ausdrücklich ausgeführt, daß der erste Koalitionskrieg der "Wahrung einer Gesellschaftsform" in Frankreich diente. Ob das ein Volkskrieg war, obwohl überall in der Republik erhebliche Teile des Volkes gegen die Herrschaft der Jakobiner revoltierten, kann offenbleiben. Und mein Einwand, "um die Freiheit der Franzosen ging es allenfalls innerfranzösisch" ist auch nicht entkräftet.


Zitat von Zettel
Mir ging es aber nicht um Ihre Interpretation, sondern um die tatsächlichen Motive für diesen Krieg. Und diese waren, noch einmal gesagt, ganz andere als die Motive für die Kabinettskriege des 18. Jahrhunderts.



Jetzt begrenzen Sie den Zeitraum wieder auf die Kabinettskriege. Vorher ging es noch um den Zeitraum bis zum 18.Jahrhundert. Ich könnte jetzt den Einwand bringen, daß Sie stets durch leichte Veränderungen und Argumentationswechsel der Kritik ausweichen. Egal, im Grunde ist es nämlich - und darauf kommt es an - Ihre Kernthese "Aber seit der amerikanischen und dann der französischen Revolution ist etwas anderes hinzugetreten: Es geht nicht nur um das Gewinnen und Erhalten von Reichtum, sondern auch um das Erlangen und Sichern einer bestimmten Gesellschaftsform.", die in dieser Allgemeinheit unzutreffend ist, und allenfalls - wenn man denn Ihre These für richtig hält - für die Zeit ab 1914-18 richtig ist. Sie haben auch trotz meiner Bitte kein Beispiel für einen europäischen Krieg vor 1914 genannt, in dem es "um die Erlangung und Sicherung einer bestimmten Gesellschaftsform" gegangen wäre.

Ich vermag die von Ihnen betonte Zäsur durch diese zwei Ereignisse - was die Außenpolitik angeht - ohnehin nicht zu erkennen, und halte sie für künstlich und in der Sache unzutreffend. Es hat auch schon vorher Kriege bzw. bewaffnete Auseinandersetzungen gegeben, die nicht zur Vermehrung des Reichtums geführt wurden, sondern um die "Gesellschaftsform". Eine echte Zäsur, wenn Sie schon darauf abstellen wollen, die auch heute noch bestimmend ist, ist der Versailler Vertrag. Mit ihm wurde die Zerstörung des klassischen europäischen Völkerrechts zum ersten Mal in eine rechtliche Form gegossen und institutionell verankert.

Zitat von Zettel

Zitat von JeffDavis
Die Krone schwankte keineswegs zwischen zwei Bündnissen. Das Bündnis mit F war ein durch 1806 erzwungenes, nicht aus Überzeugung eingegangen.


Ich habe ja nicht von den Motiven gesprochen. Sie schreiben dann ja richtig, daß es "um den richtigen Zeitpunkt für die Trennung" ging und daß der König unentschlossen war. Genau das meinte ich mit dem Schwanken zwischen zwei Bündnissen. Auch hier, lieber JeffDavis, behaupten Sie, ich hätte Unzutreffendes geschrieben, um dann nur zu konkretisieren und zu bestätigen, was ich geschrieben hatte..




Auch hier, lieber Zettel, wieder Ihr kleiner Wechsel. Ihre These, über die wir die ganze Zeit streiten, ist doch die vom Krieg zur Erhaltung und Wahrung der Gesellschaftsform, der ab 1776 hinzugetreten sein soll. Sie meinten also: Während also die preuß. Krone schwankt (also offenbar an den Grundsätzen des Kabinettskrieges festhalten will, sonst macht der Hinweis hier doch gar keinen Sinn) führt das Volk den Freiheitskrieg. Damit suggerieren Sie einen Kontrast (Krone hier - Volk da), den es nicht gibt. Meine Behauptung ist hingegen, daß das Schwanken und Zögern andere Gründe hatte, und der König gemeinsam mit seinem Volk gegen die Franzosen kämpfen wollte.


Ich darf mir hier den wiederholten Hinweis gestatten, daß gerade der Befreiungskrieg von Ihrem Standpunkt aus gar nicht ins Bild paßt. Eigentlich hätten die anderen Europäer doch vernünftig sein und die Erungenschaften der franz. Revolution (Menschenrechte etcpp.) begrüßen müssen. Wozu also ein Krieg um die "Gesellschaftsform"? Doch wohl einmal deshalb, weil die Völker sich lieber ihre eigene "Gesellschaftsform" suchen, statt sie sich von einem ausländischen Eroberer diktieren zu lassen, zum anderen deshalb, weil es in dem Krieg eben nicht "um die Wahrung einer "Gesellschaftsform" ging. Die Frage ist dabei noch nicht einmal gestellt, worin sich eigentlich zB "die Gesellschaft" des UK von der Frankreichs so unterscheidet, daß man damit einen fast zwanzigjährigen Krieg erklären kann.


Zitat von Zettel

Zitat von JeffDavis
Übrig bleibt, daß ab 1776 in der Politik (nicht Außenpolitik) der in der europäischen Tradition stehenden Staaten demokratische Prinzipien, Freiheit und Menschenrechte, kurz die politisch tätigen Bürger, eine zunehmende Rolle spielten.


Übrig bleibt Wort für Wort das, was ich geschrieben hatte.




Nein, Sie beziehen sich auf die Erlangung und Sicherung der Gesellschaftsform, die seit 1776 als Kriegsmotiv in der Politik hinzugetreten seien. Ich hätte, um meinen Standpunkt besser zu verdeutlichen, Innenpolitik schreiben sollen, denn im Großen und Ganzen nur dort spielt der politisch tätige Bürger seit 1776 eine zunehmende Rolle.


Zitat von Zettel

Sie behaupten, das, was ich geschrieben hatte, enthielte "inhaltliche Fehler"; aber sie konkretisieren und ergänzen es dann nur. Das ist ein Modus der Argumentation, der mich, das will ich gar nicht verschweigen, schon a bisserl ärgert.



Die inhaltlichen Fehler, vor allem aber die Schwächen, sind mE nicht zu übersehen und ich denke, ich habe das auch hinreichend deutlich gemacht, lieber Zettel. Für meinen Geschmack vergröbern Sie komplexe Sachverhalte und lange geschichtliche Entwicklungen allzusehr, wenn Sie in nur vier kurzen Absätzen ihre Ansicht darlegen. Die von Ihnen behaupteten Zusammenhänge sind für meinen Geschmack auch oft eher willkürlich, Ihre Argumetationsketten allgemein und vage, und Sie treten auch keinen Beweis für Ihre Thesen an. Wenn ich dann konkretisiere und kritisiere, nutzen Sie diese Unbestimmtheit aus und verändern dabei immer ein klein wenig die Argumentation, so daß der Eindruck entsteht, meine Kritik liege falsch (was ja im Einzelfall auch stimmen oder auf ein Mißverständnis zurückgeführt werden kann).

Kein guter Diskussionsstil ist es mE auch immer nur einzelne Dinge herauszugreifen, die Sie dann kritisieren, auf die zentralen Punkte aber gar nicht einzugehen. Weder haben Sie bisher Ihre Thesen im ersten Teil des Beitrages von "Außenpolitik kann immer nur Politik im Interesse des eigenen Landes sein" bis "Das Volk aber führte einen Freiheitskrieg gegen die Franzosen." handfest untermauert, noch sind Sie bisher auf meine Replik zum zweiten Teil Ihrer Ausführungen von "So scheint es sich aber nicht zu entwickeln" bis "Der Westen setzte aber auf die Informationsfreiheit, und er gewann." eingegangen.


Ich bleibe bei meinen beiden Haupteinwänden, wonach erstens die von Ihnen vorgenommene Zäsur durch die Ereignisse 1776/1789 keine ist (was die Außenpolitik angeht), und Sie das auch bisher nicht nachweisen konnten, und daß zweitens Ihr Irrtum in der Annahme besteht, alle anderen Menschen müßten letztlich die Überlegenheit des freiheitlichen Rechtsstaats und des Kapitalismus erkennen bzw diese für erstrebenswert halten, wenn sie nur „vernünftig“ genug sind.

Zettel Offline




Beiträge: 20.200

22.03.2010 18:32
#47 RE: Strategie der USA im Irak; Hitlers Kriegserklärung Antworten

Zitat von JeffDavis
Für meinen Geschmack vergröbern Sie komplexe Sachverhalte und lange geschichtliche Entwicklungen allzusehr, wenn Sie in nur vier kurzen Absätzen ihre Ansicht darlegen.


Vergröbern, lieber JeffDavis, muß man nun mal, wenn man lange geschichtliche Entwicklungen in vier kurzen Absätzen darlegt.

Die Frage ist, ob es dadurch falsch wird. Daß ich irgend etwas geschrieben hätte, was falsch ist, sehe ich auch nach Ihren Erläuterungen nicht.

Herzlich, Zettel

JeffDavis Offline



Beiträge: 448

22.03.2010 20:07
#48 RE: Strategie der USA im Irak; Hitlers Kriegserklärung Antworten

Zitat von Zettel

Zitat von JeffDavis
Für meinen Geschmack vergröbern Sie komplexe Sachverhalte und lange geschichtliche Entwicklungen allzusehr, wenn Sie in nur vier kurzen Absätzen ihre Ansicht darlegen.


Vergröbern, lieber JeffDavis, muß man nun mal, wenn man lange geschichtliche Entwicklungen in vier kurzen Absätzen darlegt.
Die Frage ist, ob es dadurch falsch wird. Daß ich irgend etwas geschrieben hätte, was falsch ist, sehe ich auch nach Ihren Erläuterungen nicht.
Herzlich, Zettel




Es besteht ein qualitativer Unterschied zwischen der Reduzierung komplexer Sachverhalte auf ihren Kern unter Wahrung der zentralen Zusammenhänge einerseits, dem Vergröbern durch Weglassen wesentlicher Elemente und ganzer Argumentationsstränge andererseits.

Aber ich denke, wir brechen die Diskussion hier vorläufig ab, zumal Sie auf meine beiden Thesen nicht eingehen. Bestimmt nähern wir uns den Fragen bei anderer Gelegenheit und aus anderem Blickwinkel, und räumen dabei zumindest den einen oder anderen Dissens aus.

Zettel Offline




Beiträge: 20.200

22.03.2010 21:42
#49 RE: Strategie der USA im Irak; Hitlers Kriegserklärung Antworten

Zitat von JeffDavis
Bestimmt nähern wir uns den Fragen bei anderer Gelegenheit und aus anderem Blickwinkel, und räumen dabei zumindest den einen oder anderen Dissens aus.


Einverstanden. Sie wollten ja zur Vorgeschichte des Irakkriegs recherchieren; auf diese Diskussion bin ich gespannt.

Herzlich, Zettel

JeffDavis Offline



Beiträge: 448

30.03.2010 19:56
#50 RE: Strategie der USA im Irak; Hitlers Kriegserklärung Antworten

Lieber Zettel,

ich fange mal mit der Diskussion des Irakkrieges an, werde mich der Einfachheit halber an Ihrem Artikel orientieren, in dem sie Ihre Ansichten über den Irakkrieg 2003 „ a bisserl aufdröseln“, und einige Aspekte ergänzen.

Teil 1:
Die erste Frage, die sich stellt, ist die nach der Rechtmäßigkeit des Irakkrieges.

Sie haben dazu geschrieben:
„Ob die Invasion völkerrechtswidrig war, ist nach wie vor umstritten. Es hängt davon ab, wie man die Resolution 1441 interpretiert.“

Das stimmt so nicht. Völkerrechtlich kann der Krieg (von irrelevanten Sonderfällen abgesehen) unter drei Gesichtspunkten rechtmäßig gewesen sein:

1.Es liegt ein Mandat des UN-Sicherheitsrates vor
2.Es liegt ein Fall der Selbstverteidigung nach Art. 51 UN-Charta vor
3.Es liegt ein Fall der sog. humanitären Intervention vor

Was den ersten und zweiten Fall betrifft, verweise ich auf das sehr informative Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 21.06.2005, 2 WD 12.04. In der Entscheidung beschäftigt sich das Gericht ab S.73 der Urteilsbegründung ausführlich mit beiden Fallgruppen und kommt zum Ergebnis, daß weder ein Fall der Selbstverteidigung noch ein UN-Mandat vorliegen. Die Resolution 1441 wird dabei vorerst gar nicht erwähnt, weil sich weder die USA noch das UK auf sie gestützt haben, sondern auf die Resolutionen 678 und 687 (in der Entscheidung finden sich übrigens noch weitere Fundstellen, unter anderem ein Gutachten des wissenschaftlichen Dienstes der Deutschen Bundestages).

Im weiteren Verlauf der Begründung legt das BVerwG dann ausführlich dar, warum die Resolution 1441 gerade keine Ermächtigung zur Anwendung militärischer Mittel enthält, sondern in Ziffer 14 bestimmt hatte, weiter mit der Sache befaßt bleiben zu wollen. Weiter legt das Gericht präzise dar, warum sich die USA und das UK auch nicht auf das Recht zur Selbstverteidigung stützen konnten, und warum der sog. preventive war als Bestandteil der Bush-Doktrin kein geltendes Völkerrecht ist.

Ob die Doktrin unter allen Umständen völkerrechtswidrig ist (es gibt auch Gründe, die dagegen sprechen), kann offen bleiben, denn in Bezug auf den Irak liegen nicht einmal deren Voraussetzungen vor (siehe unten).

Was im Urteil nicht angesprochen wird, ist der Frage, ob der Angriff nicht als Selbstverteidigung unter dem Gesichtspunkt des Kampfes gegen den weltweiten Terrorismus gerechtfertigt gewesen sein könnte. Das Gericht verweist nur darauf, daß die Regierungen der USA und des UK die mögliche Bedrohung durch ABC-Waffen des Irak selbst nicht zum Bestandteil ihrer Rechtfertigung gegenüber dem UN-Sicherheitsrat gemacht haben, sondern sie im Bereich politischer Erklärungen blieb.

Hier stellt sich die Sache allerdings etwas komplizierter dar. Terroristische Angriffe fielen ursprünglich nicht unter den Begriff „armed attack“ in Art. 51 (weil es sie entweder nicht gab, oder sie nur „incidents“, aber keine „full-scale attacks“ ausländischer Staaten waren). Ihre Bekämpfung blieb Polizeiarbeit im internationalen Rahmen.

Mit dem 11.09.2001 und den daraus resultierenden Angriffen auf Afghanistan änderte sich das aber. Nachdem die USA die Angriffe auf Afghanistan am 08.10.2001 dem UN-Sicherheitsrat angezeigt hatten, fanden sie eine breite Anerkennung. Ich habe keine Fundstelle gefunden, die den Angriffen die völkerrechtliche Legitimität absprechen würde. Damit ist der traditionelle Begriff des „armed attack“ erweitert auf terroristische Angriffe größeren Stils, gegen die Selbstverteidigung im Rahmen des Art. 51 zulässig ist.

Für den Irak gibt diese Entwicklung allerdings nichts her, da er nicht wie Afghanistan involviert war. Wenn die USA hätten beweisen können, daß der Irak in ähnlicher Weise terroristische Tätigkeiten gegen die USA unterstützt hat wie Afghanistan, wäre der Angriff völkerrechtlich zulässig gewesen. Daher ist selbst die sog. Bush-Doktrin im Falle des Irak keine völkerrechtliche Legitimation für den Angriff.

Meiner Meinung nach bietet die Entscheidung als deutschsprachige Quelle den besten Überblick über die rechtliche Problematik. Auch sonst fällt auf, daß in erster Linie Vertreter der USA und des UK, also die Täter selbst, den Krieg für rechtmäßig halten. Ansonsten findet sich eine breite Front der Ablehnung (wobei ich nur seriöse Meinungen werte, keine Verschwörungstheoretiker usw.).

Der dritte Fall ist anläßlich der Kosovo-Intervention gebildet worden und noch umstrittener als der Irakkrieg. Auf diese Rechtfertigung haben sich weder die USA noch das UK berufen. Ich konnte weder jemanden finden, der den Angriff auf den Irak mit diesem Argument juristisch gerechtfertigt hätte, noch einen Gesichtspunkt - wenn man diese Rechtfertigung militärischer Gewalt überhaupt anerkennt - für eine humanitäre Intervention erkennen. Allenfalls 1988, als Saddam gegen die Kurden vorging und chemische Waffen zur Anwendung brachte, wäre auf der Basis dieser Argumentation die Anwendung miitärischer Gewalt in Frage gekommen. Eine normale Diktatur reicht nicht. Meiner Meinung nach steht die humanitäre Intervention ohnehin im Gegensatz zur UN-Charta.

Für mich ist das Ergebnis eindeutig: Der Angriff auf den Irak war ein völkerrechtswidriger Angriffskrieg.


Der Irakkrieg zeigt übrigens zum wiederholten Male die Irrelevanz des Völkerrechts, wenn ein Staat mächtig genug ist, es zu ignorieren oder den Inhalt der zentralen Begriffe selbst zu bestimmen (Carl Schmitt läßt grüßen!). Die USA praktizieren das seit etwa den 30er Jahren des 20.Jahrhunderts ausgiebig, und sie können es auch heute (noch).


Teil 2 (Ziele der US-Regierung) folgt in Kürze.

80% der Deutschen vertrauen dem Rechtsstaat. Die anderen 20% haben bereits mit ihm zu tun gehabt.

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