grundsätzlich stellt sich natürlich auch die Frage, in wie weit "völkerrechtswidrig" eigentlich eine wichtige Kategorie ist.
Zum einen ist das Völkerrecht (wie Sie zurecht schreiben) im Ernstfall nicht durchsetzbar. Es gibt keine überstaatliche Instanz, die völkerrechtswidriges Verhalten im Notfall mit Gewalt unterbinden könnte.
Zum anderen ist aber auch die ethisch/moralische Bedeutung des Völkerrechts zweifelhaft. Das Völkerrecht ist das zwischen souveränen Staaten geltende Recht. Wie diese Staaten beschaffen sind, spielt dabei keine Rolle: eine mörderische Diktatur steht völkerrechtlich auf der gleichen Stufe wie eine mustergültige Demokratie. Und das Einmischen in deren innere Angelegenheiten ist völkerrechtlich immer problematisch - auch dann, wenn man durch eine Intervention eine Diktatur durch eine Demokratie ersetzt. Um es härter zu formulieren: Aus Sicht des Völkerrechts ist das Menschenrecht nicht relevant.
Zitat von Florian Zum anderen ist aber auch die ethisch/moralische Bedeutung des Völkerrechts zweifelhaft. Das Völkerrecht ist das zwischen souveränen Staaten geltende Recht. Wie diese Staaten beschaffen sind, spielt dabei keine Rolle: eine mörderische Diktatur steht völkerrechtlich auf der gleichen Stufe wie eine mustergültige Demokratie. Und das Einmischen in deren innere Angelegenheiten ist völkerrechtlich immer problematisch - auch dann, wenn man durch eine Intervention eine Diktatur durch eine Demokratie ersetzt.Um es härter zu formulieren: Aus Sicht des Völkerrechts ist das Menschenrecht nicht relevant.
Bitte nicht gleich das Kind mit dem Bade ausschütten...
Das Kriegsvölkerrecht ist nur ein Teil des Völkerrechts. Es gibt weite Bereiche, wo es gut oder sogar sehr gut funktioniert. Auch die Menschenrechte sind im Völkerrrecht fest verankert. Es ist richtig, daß es von den einzelnen Staaten abhängt, inwieweit sie die Menschenrechte in Form völkerrechtlicher Verträge achten, aber in vielen Teilen der Welt ist das eben der Fall. Es stimmt deshalb nicht, wenn Sie behaupten, sie seien nicht relevant. Die EMRK zB funktioniert gut, das gilt auch für viele Handels-, Freundschafts-, Konsular-, Konsultationsabkommen, für Vereinbarungen über die Rechtsstellung diplomatischer Verträge, das NATO-Truppenstatut, für patentrechtliche Vereinbarungen, für Abkommen über die Rechtsstellung minderjähriger Flüchtlinge oder Kinder, diverse Verträge mit familienrechtlichen Bezug, und und und.
An seine Grenzen stößt das Völkerrecht, wenn es Sachverhalte regeln soll, die nichts oder nur wenig mit Recht, sondern mit Politik zu tun haben. Mit anderen Worten, wenn man das Recht überfordert. In Deutschland ist es sehr populär, Politik durch Moral und Recht zu ersetzen. Die Verrechtlichung, die unser tägliches Leben bereits erstickt, soll ausgedehnt werden auf die Politik. Das wird nicht funktionieren und entsprechende Folgen haben für Staaten, die das nicht erkennen wollen.
80% der Deutschen vertrauen dem Rechtsstaat. Die anderen 20% haben bereits mit ihm zu tun gehabt.
Zitat von JeffDavisDie erste Frage, die sich stellt, ist die nach der Rechtmäßigkeit des Irakkrieges. Sie haben dazu geschrieben: „Ob die Invasion völkerrechtswidrig war, ist nach wie vor umstritten. Es hängt davon ab, wie man die Resolution 1441 interpretiert.“ Das stimmt so nicht.
Selbstverständlich stimmt das so.
Es ist umstritten, ob die Invasion völkerrechtswidrig war. Tony Blair hat seinerzeit einen hohen britischen Juristen - wenn Sie darauf bestehen, suche ich Namen und Funktion heraus - mit einem Gutachten beauftragt, dessen Ergebnis war, daß die Invasion mit dem Völkerrecht vereinbar ist.
Natürlich können Sie anderer Meinung sein; wie vermutlich die Mehrheit jedenfalls der deutschen Völkerrechtler. Das ändert nichts daran, daß die Frage umstritten ist und daß dabei das Problem, wie 1441 zu interpretieren ist, eine zentrale Rolle spielt.
Ich vermag Ihren Stil, das, was nicht Ihrer Meinung entspricht, als "stimmt nicht" abzuqualifizieren, überhaupt nicht zu schätzen, lieber JeffDavis. Das war ja - aus meiner Sicht - der Grund, warum wir die Debatte über Levée en masses etc. abgebrochen haben. Auch hier sehe ich keinen Sinn darin, nun über Fragen des Völkerrechts zu debattieren. Sie sind vermutlich kein Völkerrechtler, und ich bin es schon gar nicht.
Unser Ausgangspunkt war ja aber der Artikel in Foreign Affairs gewesen, in dem analysiert wird, warum Saddam Hussein bis zum Schluß daran glaubte, er könne einen Krieg verhindern oder mindestens überstehen. Dazu hatten Sie eigene Informationen (oder Recherchen) angekündigt; und das würde mich interessieren.
Es würde mich deshalb interessieren, weil das, was in Foreign Affairs dargelegt wird, die erste für mich plausible Antwort auf die Frage ist, warum Saddam Hussein nicht, wie angeboten, ins Exil ging. Ich bin deshalb gespannt darauf, welche anderen Antworten Sie gefunden haben oder noch finden werden.
Zitat von JeffDavisDie erste Frage, die sich stellt, ist die nach der Rechtmäßigkeit des Irakkrieges. Sie haben dazu geschrieben: „Ob die Invasion völkerrechtswidrig war, ist nach wie vor umstritten. Es hängt davon ab, wie man die Resolution 1441 interpretiert.“ Das stimmt so nicht.
Selbstverständlich stimmt das so. Es ist umstritten, ob die Invasion völkerrechtswidrig war. Tony Blair hat seinerzeit einen hohen britischen Juristen - wenn Sie darauf bestehen, suche ich Namen und Funktion heraus - mit einem Gutachten beauftragt, dessen Ergebnis war, daß die Invasion mit dem Völkerrecht vereinbar ist. Natürlich können Sie anderer Meinung sein; wie vermutlich die Mehrheit jedenfalls der deutschen Völkerrechtler. Das ändert nichts daran, daß die Frage umstritten ist und daß dabei das Problem, wie 1441 zu interpretieren ist, eine zentrale Rolle spielt.
Lieber Zettel,
meine Darstellung ist schon richtig, auch wenn Sie es nicht einsehen mögen. Die Völkerrechtswidrigkeit des Irakkrieges ist umstritten, ich habe auch nichts anderes behauptet.
Zuerst zu Ihrem britischen Zeugen: Es handelt sich um Peter Henry Goldsmith, Baron Goldsmith, damals ua. Attorney General for England and Wales. In dieser Eigenschaft hat er die Regierung Blair bezüglich der völkerrechtlichen Probleme eines Angriffs auf den Irak beraten. In seiner ersten Stellungnahme vom 07.03.2003 hatte er noch erhebliche Zweifel geäußert: "A court might well conclude that operative paragraphs 4 and 12 do require a further Council decision in order to revive the authorisation." und "...the argument that resolution 1441 alone has revived the authorisation to use force in resolution 678 will only be sustainable if there are strong factual grounds for concluding that Iraq has failed to take the final opportunity. In other words, we would need to be able to demonstrate hard evidence of non-compliance and non-cooperation.", auch wenn er letztlich die Ansicht vertrat, daß "a reasonable case can be made that resolution 1441 is capable in principle of reviving the authorisation [of the use of force] in Resolution 678 without a further resolution."
In seiner abschließenden Stellungnahme vom 11.03.2003 fehlten die vorher geäußerten Zweifel dann plötzlich. Die erste Stellungnahme gelangte später an die Presse und es gab eine große Kontroverse. Elizabeth Wilmshurst, Deputy Legal Adviser beim Foreign and Commonwealth Office trat am 20.03.2003 zurück, weil sie die offizielle Ansicht der brit. Regierung über die Legalität des Krieges nicht teilte. In ihrem veröffentlichten Rücktrittsschreiben beschuldigte sie Lord Goldsmith, seine Meinung geändert zu haben.
Im November 2008 bemerkte der frühere Lord Chief Justice und Senior Law Lord, Lord Bingham of Cornhill, zu den Begutachtungen von Lord Goldsmith, dessen Rat habe keine handfesten Beweise gegen den Irak enthalten und der Angriff sei "a serious violation of international law and of the rule of law."
Die USA haben sich in ihrer Note an den Sicherheitsrat nur auf die Resolution 678 und 687 bezogen, nicht auf 1441. Die US-Argumentation ist hier auch sehr gut dargestellt.
Das bestätigt die Ausführungen des BVerwG zur Resolution 1441. Sie werden es mir nicht übel nehmen, wenn ich die Darstellung des BVerwG in seinem Urteil als Ausgangspunkt nehme, die rechtlichen Fragen sind dort sehr sauber und juristisch nachvollziehbar dargestellt, ich habe keine Veranlassung, die Darstellung anzuzweifeln, zumal sie von der englischsprachigen Literatur bestätigt wird. Ich habe etliche Bücher daraufhin geprüft und möchte nur - statt aller - auf Kapitel 7 des Buches "The Iraq War" European perspectives on politics, strategy and operations, edited by Jan Hallenberg and Håkan Karlsson, hinweisen, erschienen 2005 bei Routledge.
Das BVerwG führt zur Resolution aus (Auszug):
"Welche Entscheidungen der UN-Sicherheitsrat in einer solchen Situation dann fassen würde, wurde offen gelassen. Der UN-Sicherheitsrat rief in Nr. 13 dieser Resolution jedoch in Erinnerung, dass er in der Vergangenheit den Irak wiederholt gewarnt habe, und drohte, dass der Irak mit „ernsthaften Konsequenzen“ („serious consequences as a result of its continued violations of its obligations“) rechnen müsse. Worin diese „serious consequences“ bestehen würden, konkretisierte er nicht. Nach wochenlangen Beratungen brachte der UN-Sicherheitsrat in dieser Resolution 1441 (2002) in Nr. 14 selbst jedoch unmissverständlich zum Ausdruck, dass er (auch nach ihrer Verabschiedung) mit der Angelegenheit befasst bleiben werde. Er stellte damit der Sache nach klar, dass er nicht bereit war, die Angelegenheit aus der Hand zu geben, sondern - wie in der UN-Charta vorgesehen - (auch)künftig selbst darüber entscheiden wollte, welche Konsequenzen aus einem Fehlverhalten des Irak im Zusammenhang mit der Durchsetzung der einschlägigen UN-Resolution(en) gezogen werden sollten. Mit dieser Resolution 1441 (2002) und insbesondere mit der in Nr. 13 gewählten Formulierung („serious consequences“) sprach er mithin letztlich „lediglich“ eine nicht näher bestimmte Warnung aus, nahm jedoch bewusst davon Abstand, die von den Regierungen der USA und des UK angestrebte Gewaltanwendung zu billigen oder sonstwie zu legitimieren. Nur wenn der UN-Sicherheitsrat ausweislich des Resolutionstextes - innerhalb der von der UNCharta gezogenen Grenzen - eine Gewaltanwendung positiv gebilligt hätte, wären militärische Gewaltmaßnahmen gegen den Irak nach der UN-Charta zulässig gewesen. Ein diesbezügliches „Schweigen“ oder Offenlassen der Art der angedrohten „ernsthaften Konsequenzen“ reichte als Ermächtigungsgrundlage nicht aus." (...) " Dem kann nicht entgegengehalten werden, die Vertreter der USA und des UK hätten im UN-Sicherheitsrat dann nicht für die schließlich verabschiedete Fassung der Resolution 1441 (2002) gestimmt, wenn sie in den darin gefundenen Formelkompromissen nicht zumindest soviel Interpretationsspielraum gesehen hätten, dass auch ihre Einschätzung einer erfolgten Ermächtigung zum Krieg gegen den Irak zumindest vertretbar wäre. Für die Ermittlung dessen, was der UN-Sicherheitsrat in einer solchen Resolution beschlossen hat, ist aber nicht entscheidend, was sich Regierungsbeauftragte bei der Beratung und Beschlussfassung im UN-Sicherheitsrat „gedacht“ haben. Vielmehr kommt es darauf an, was im Text der verabschiedeten Resolution seinen Niederschlag gefunden hat. Fehlt es daran, mangelt es insoweit an einer entsprechenden Beschlussfassung. Mentalreservationen von Regierungsbeauftragten oder ihrer Auftraggeber sind völkerrechtlich insoweit nicht maßgeblich. Wie der Text der Resolution 1441 (2002) ausweist, ist eine Ausnahme vom grundsätzlichen Gewaltanwendungsverbot vom UN-Sicherheitsrat gerade nicht beschlossen worden. Von einer Ermächtigung oder Autorisierung irgendeiner Regierung oder eines Staates zur Gewaltanwendung nach Kapitel VII der UN-Charta ist an keiner Stelle die Rede. Der Begriff „Autorisierung“ („authorization“) taucht im Resolutionstext in diesem Zusammenhang nicht einmal auf. Der Versuch der Regierungen der USA, des UK und des Königreichs Spanien, durch eine weitere Resolution später dann unmittelbar vor Kriegsbeginn doch noch eine Ermächtigung für die Anwendung militärischer Mittel zu erreichen, fand im UN-Sicherheitsrat keine Mehrheit. Um eine Abstimmungsniederlage zu vermeiden, wurde der entsprechende Resolutionsentwurf zurückgezogen."
"a) Für einen Krieg gegen den Irak konnten sich die Regierungen der USA und des UK entgegen der von ihnen bei Beginn der Kampfhandlungen in förmlichen diplomatischen Noten an den UN-Sicherheitsrat zum Ausdruck gebrachten Rechtsauffassung(en) auf keine sie ermächtigende Resolution(en) des UN-Sicherheitsrates nach Art. 39 und 42 UN-Charta stützen. In diesen Noten haben sich die Regierung der USA am 21. März 2003 (UN Doc.S/2003/351) ausschließlich und die Regierung des UK (UN Doc.S/2003/350) maßgeblich zwar auf die vom UN-Sicherheitsrat nach der im Jahre 1990 durch irakische Streitkräfte erfolgten militärischen Besetzung Kuwaits verabschiedeten Resolutionen 678 (1990) und 687 (1991) berufen (vgl. Bothe, Archiv des Völkerrechts <AVR> 2003, 255 [259 f.]). Diese stellten jedoch im Frühjahr 2003 keine völkerrechtlich wirksame Ermächtigungsgrundlage für militärische Kampfhandlungen gegen den Irak dar."
Die USA und das UK haben sich in den offiziellen Noten an den Sicherheitsrecht also gar nicht entscheidend auf die Resolution 1441 bezogen. Deren Verletzung ist zwar vom Sicherheitsrat festgestellt worden, sie enthält aber keine neue Ermächtigung zur Anwendung militärischer Mittel. Das haben selbst die USA und das UK nicht behauptet, sondern sie standen auf dem Standpunkt, daß sie in diesem Falle auf Resolution 678 zurückgreifen dürften. Die ganz überwältigende Mehrheit der Völkerrechtspezialisten in aller Welt (nicht nur in D, wie Sie fälschlich meinen) teilt diese Ansicht aber nicht und hält den Krieg für völkerrechtswidrig.
Ich halte fest, daß selbst Ihr britischer Jurist zumindest seine Zweifel hatte. Die amerikanische Regierung hat sich sogar noch weniger Mühe gemacht, ihre Position sauber zu begründen. Außer einem einsamen, noch dazu in seinen Außerungen widersprüchlichen britischen Juristen haben Sie keinen einzigen Völkerrechtler genannt. Reichlich wenig für die Behauptung, die Völkerrechtswidrigkeit sei umstritten. Man muß auch kein Völkerrechtler sein, um die Schlüssigkeit der Argumente und den Gang der Ereignisse zu überprüfen. Eine Suche im Internet fördert genügend Dokumente, Aufsätze, Bücher usw. zu Tage, die eine recht genauen Überblick und eine Schlußfolgerung erlauben. Und ich meine ausschließlich juristische Fundstellen!
Sie mögen meinen Stil nicht schätzen, nun gut. Ich habe einige Zeit damit zugebracht, mich in diese Teilfrage einzuarbeiten, und finde meine Überlegungen eigentlich überall bestätigt. Sie sind wenigstens abgesichert.
Ich, lieber Zettel, finde Ihr Argumentationsmuster ist auch nicht sonderlich prickelnd. Sie picken sich immer nur ein, zwei Belegstellen heraus, um Ihre Thesen zu stützen. Wenn ich dann nachhake, kommt nichts mehr oder Sie versuchen auszuweichen. Es ist für meinen Geschmack wenig überzeugend, als These aufzustellen, die Rechtswidrigkeit sei umstritten und es komme auf die Interpretation der Resolution 1441 an, dann aber nichts Substanzielles als Beleg dafür anzubieten. Die meisten Fragen und Probleme haben in diesem Zusammenhang, die ich beim Lesen der Literatur gefunden habe, haben Sie nicht einmal erwähnt. Stattdessen genügen Ihnen offenbar Stellungnahmen zweier beteiligter Staaten.
Ich hatte es in anderem Zusammenhang hier im Thread bereits gesagt: Die Völkerrechtswidrigkeit ist nach meinem persönlichen Verständnis von untergeordneter Bedeutung. Man hat seine Mitarbeiter, die einem schon das passende Argument liefern, ganz wie es paßt. Es läßt sich für beinahe alles ein völkerrechtliches Argument finden. In diese Kategorie fallen auch die positiven Begutachtungen amerikanischer und britischer Regierungsjuristen. Die USA sind mächtig genug, daß sie ihr eigenes Völkerrecht definieren können, und niemand kann sie daran hindern, jedenfalls noch nicht. Sehr viel wichtiger ist dagegen die Frage, ob der Angriff auf den Irak ein ein politischer, wirtschaftlicher und militärischer Fehler. Daher ist mir letztlich das Ergebnis der Rechtsdiskussion gleichgültig, obwohl sie natürlich interessant ist. Wenn Sie substantiierte Gegenbelege bringen, die ich auch überprüfen kann, die ich evtl. sogar bisher übersehen habe, bin ich jederzeit bereit, meine Meinung zu revidieren. Aber bisher konnten Sie mich auch nicht ansatzweise davon überzeugen, daß Ihre eingangs erwähnte These zutrifft.
Zu den weiteren Punkten, die Sie angesprochen haben, komme ich noch.
80% der Deutschen vertrauen dem Rechtsstaat. Die anderen 20% haben bereits mit ihm zu tun gehabt.
Zitat von JeffDavisDie erste Frage, die sich stellt, ist die nach der Rechtmäßigkeit des Irakkrieges. Sie haben dazu geschrieben: „Ob die Invasion völkerrechtswidrig war, ist nach wie vor umstritten. Es hängt davon ab, wie man die Resolution 1441 interpretiert.“ Das stimmt so nicht.
Selbstverständlich stimmt das so. Es ist umstritten, ob die Invasion völkerrechtswidrig war. Tony Blair hat seinerzeit einen hohen britischen Juristen - wenn Sie darauf bestehen, suche ich Namen und Funktion heraus - mit einem Gutachten beauftragt, dessen Ergebnis war, daß die Invasion mit dem Völkerrecht vereinbar ist. Natürlich können Sie anderer Meinung sein; wie vermutlich die Mehrheit jedenfalls der deutschen Völkerrechtler. Das ändert nichts daran, daß die Frage umstritten ist und daß dabei das Problem, wie 1441 zu interpretieren ist, eine zentrale Rolle spielt.
Lieber Zettel, meine Darstellung ist schon richtig, auch wenn Sie es nicht einsehen mögen. Die Völkerrechtswidrigkeit des Irakkrieges ist umstritten, ich habe auch nichts anderes behauptet.
Wie man oben lesen kann, haben Sie meine Feststellung, das sie umstritten sei, als nicht richtig bezeichnet. Jetzt sagen Sie, Sie hätten nichts anderes behauptet, als daß sie umstritten sei.
Wir kommen so nicht weiter, lieber JeffDavis. Lassen wir's.
Zitat von Zettel „Ob die Invasion völkerrechtswidrig war, ist nach wie vor umstritten. Es hängt davon ab, wie man die Resolution 1441 interpretiert.“ Wie man oben lesen kann, haben Sie meine Feststellung, das sie umstritten sei, als nicht richtig bezeichnet. Jetzt sagen Sie, sie hätten nichts anderes behauptet, als daß sie umstritten sei. Wir kommen so nicht weiter, lieber JeffDavis. Lassen wir's. Herzlich, Zettel
Ich habe leider diese Reaktion von Ihnen kommen sehen. Wie schon bei anderer Gelegenheit lassen Sie das weg, was Ihnen nicht paßt und kritisieren dann die verstümmmelte Kritik. Auf die eigentliche Argumentation gehen Sie überhaupt nicht ein. Sie entziehen sich der Diskussion und schweigen. Es ist sehr schade, daß Sie sich die Gelegenheit entgehen lassen, andere von der Richtigkeit Ihrer Thesen zu überzeugen.
Ich halte nochmals fest: Das BVerwG führt aus, daß sich weder die USA noch das UK auf die Res 1441 berufen hätten. Das hat meine Recherche in der mir zugänglichen Fachliteratur auch ergeben. Die Res stellt fest, daß der Irak seinen Verpflichtungen gegenüber der UN nicht vollständig und in dem notwendigen Umfang nachgekommen sei. Ihr Inhalt der Res ist - soweit ich das prüfen konnte - weder streitig noch wird sie interpretiert. Streitig ist dagegen, ob die daraus gezogene Schlußfolgerung der USA und des UK, in diesem Fall gelte die Res 678 und jedes einzelne UN-Mitglied dürfe ohne erneute Res des Sicherheitsrats militärische Gewalt anwenden, zulässig ist. Die ganz überwältigende Mehrheit der Völkerrechtler lehnt diese Position ab. Und zwar auch die Mehrheit der Völkerrechtler in den USA und im UK. Ihre These, die Völkerrechtswidrigkeit hänge von der Interpretation der Res 1441 ab, stimmt also nicht. Wenn, hängt sie von der Interpretation und Reichweite der Res 678 ab.
Ich habe weiter Ihrer Position, die völkerrechtliche Zulässigkeit sei umstritten, den benefit of doubt eingeräumt, weil ich natürlich nicht die kpl völkerrechtliche Literatur überblicke. Aber das, was ich gelesen habe, ist schon recht umfangreich und hätte mindestens weitergehende Hinweise auf abweichende Meinungen enthalten, wie es unter Juristen üblich ist. Vor allem das BVerwG hätte mit 100%iger Sicherheit auf abweichende Meinungen hingewiesen. Man kann natürlich weiter vertreten, der Krieg sei von der Res 678 gedeckt und rechtmäßig, insofern ist die Frage formal umstritten. Allerdings sollte man so fair sein und darauf hinweisen, daß es amerikanische und britische Regierungsjuristen sind, die diese Argumentation vertreten. Sie haben nur einen einzigen brit. Juristen für Ihre These benannt, und der hat auch noch widersprüchliche Gutachten geliefert. Das ist ungefähr so, als wenn Sie die Rechtmäßigkeit einer Geldtransaktion der Mafia prüfen, und dazu nur die Meinung des Hausanwalts des Mafiachefs heranziehen.
Ich nehme an, Sie haben zwischen Ihren beiden Beiträgen recherchiert, aber nichts gefunden, was meine Ausführungen, insbesondere zu Ihrem Kronzeugen Lord Goldsmith, entkräftet. Sie räumen selbst ein, kein Militärexperte und kein Völkerrechtler zu sein. Das ist prinzipiell keine gute Ausgangsbasis, wenn man die völkerrechtliche Zulässigkeit militärischer Gewalt beurteilen will.
Ich bin Jurist mit 20 Jahren Berufserfahrung im öffentlichen Recht. Das Völkerrecht mag schwammig und weit interpretierbar sein, aber das Kernproblem zu umreißen und die verschiedenen Ansichten auf ihre Schlüssigkeit hin zu prüfen, ist für einen Juristen nicht schwer. Genau das habe ich getan. Ich hatte angenommen, daß Sie gründlicher recherchiert haben und erwartet, daß viel mehr Juristen die Ansicht der USA und des UK teilen. Ich war verblüfft festzustellen, wie überwältigend die ablehnende Mehrheit ist. Genauso überwältigend übrigens, wie umgekehrt die Mehrheit bei der Frage, ob der Angriff der USA auf Afghanistan, ein völkerrechtliches Novum, zulässig ist.
Ich bitte Sie deshalb nochmals, für Ihre Thesen substantiierte Belege beizubringen, die mich davon überzeugen könnten, daß Sie recht haben. Bis dahin bleibe ich dabei, daß erstens die Interpretation der Res 1441 für die Rechtmäßigkeit des Angriffs keine Rolle spielt, und zweitens der Streit um die Zulässigkeit zwar formal besteht, die eine Seite aber eine so schwache Begründung hat, wie man sie selten findet.
80% der Deutschen vertrauen dem Rechtsstaat. Die anderen 20% haben bereits mit ihm zu tun gehabt.
Zitat In Deutschland ist es sehr populär, Politik durch Moral und Recht zu ersetzen. Die Verrechtlichung, die unser tägliches Leben bereits erstickt, soll ausgedehnt werden auf die Politik. Das wird nicht funktionieren und entsprechende Folgen haben für Staaten, die das nicht erkennen wollen.
Auf diese Aussage können wir uns einigen. Sie fasst sehr schön zusammen, worauf ich eigentlich hinaus wollte.
Natürlich ist "völkerrechtswidrig" eine Kategorie, die in der politischen Diskussion wichtig sein muss. Aber - und das geht in Deutschland m.E. meist unter - sie ersetzt eine politische Diskussion nicht.
In der Diskussion um den Irak-Krieg fällt daher auch immer wieder das Totschlag-Argument vom "völkerrechtswidrigen Angriffskrieg". Dabei wird oft so getan, dass sich derjenige, der einen solchen Krieg führt automatisch ins moralische und politische Unrecht setzt. Und so einfach ist die Sache eben nicht.
Klar schafft es ein ernsthaftes Legitimierungs-Problem, wenn (bzw. falls) der amerikanische Angriff auf den Irak völkerrechtswidrig war. Aber an dieser Stelle mit dem Denken aufzuhören, greift einfach zu kurz.
Um es platt zu sagen: Völkerrechtlich kann China (als Veto-Macht) darüber bestimmen, ob eine Intervention rechtlich gedeckt ist. Ich kann China aber nicht ernsthaft als alles entscheidende moralische/ethische/politische Autorität anerkennen, wenn es darum geht, ob die menschenrechtlichen Zustände in einem Land eine Intervention rechtfertigen.
Zitat von JeffDavis Auf die eigentliche Argumentation gehen Sie überhaupt nicht ein. Sie entziehen sich der Diskussion und schweigen.
Ich kann und will, lieber JeffDavis, keine Diskussion über die völkerrechtliche Beurteilung der Invasion des Irak führen. Ich kann es nicht, weil mir jede Kompetenz dazu fehlt; ebenso, wie ich fachliche Kontroversen in anderen mir wissenschaftlich fernstehenden Bereichen nicht beurteilen oder mich gar daran beteiligen kann.
Sie selbst mögen in Völkerrecht spezialisiert sein; das weiß ich nicht. Mehr als ein Forum für einen - ja vielleicht durchaus interessanten - Monolog kann ich Ihnen aber hier nicht bieten; es sei denn, es meldet sich jemand als Ihr Diskussionspartner, der Spezialist für Völkerrecht ist.
Das ist meine Haltung nicht nur diesem Fall, sondern überall dort, wo ich mich fachlich nicht kompetent fühle. Sie werden feststellen, daß ich mich nie in wirtschaftswissenschaftliche Diskussionen einmische, allenfalls in Form von Fragen an die Fachleute. Ebenso schreibe ich immer wieder, daß ich die Modelle der Klimaforschung und die Argumente in den einschlägigen Kontroversen nicht fachlich beurteilen kann.
Ich hatte im jetzigen Fall konstatiert, daß die Frage, ob die Invasion des Irak völkerrechtswidrig war, umstritten ist. Das ist nun einmal der Fall; und ich wundere mich, daß Sie es bestreiten. Sie zitieren ja selbst den Baron Goldsmith, damals Attorney General Ihrer Majestät, der die Konformität mit dem Völkerrecht bejahte. Andere verneinen sie. Also ist die Frage umstritten. Was soll man darüber diskutieren?
Sie neigen denen zu, die Invasion für völkerrechtswidrig halten. Gut möglich, daß Sie die besseren Argumente haben; ich weiß das nicht. Aber weil Sie selbst einer bestimmten Rechtsauffassung zuneigen, können Sie doch nicht behaupten, daß die Frage nicht umstritten sei.
Noch etwas Allgemeines: Wenn ich mich an einer Diskussion wenig oder gar nicht beteilige, dann heißt das nicht, daß ich mich "ihr entziehe". Sie, lieber JeffDavis, führen hier im Forum wenige Diskussionen. Ich bin an vielen beteiligt; das liegt in der Natur der Sache, weil die meisten sich ja auf Artikel von mir beziehen.
Also muß ich eine Auswahl treffen. Ich tue das nach verschiedenen Gesichtspunkten - Habe ich etwas beizutragen? Bin ich hinreichend kompetent? Wie sehr interessiert mich das Thema? Und nicht zuletzt: Ist mit den betreffenden Partnern eine fruchtbare Diskussion zu erwarten, oder wollen sie nach meinem Eindruck nur Recht behalten?
Ich verwende recht viel von meiner Zeit auf ZR und auf dieses Forum. Wenn Sie finden, daß Sie bei mir mit Ihren Anliegen zu kurz kommen, dann bedaure ich das, muß Sie aber bitten, damit zu leben.
bei allen (temporären) Diskrepanzen: Ich finde die Dsikussion äußerst informativ. Vielen Dank. Das Niveau geht weit über das hinaus, was üblicherweise in den Printmedien zu finden ist.
Zettel meint, die Völkerrechtswidrigkeit der Invasion in den Irak sei umstritten; JeffDavis meint, das sei nicht der Fall. Wer hat Recht?
Formal betrachtet Zettel; als Jurist neige ich aber trotzdem dazu, JeffDavis zuzustimmen. Hintergrund ist, dass jedes Statement zu einer Rechtsfrage, das nicht von vornherein totaler Mumpitz ist, formal dazu führt, dass man eine Rechtsfrage als "umstritten" bezeichnen kann. Trotzdem hat in der Zunft der Begriff "umstritten" insofern eine quasi wissenschaftssoziologische Bedeutung, als dass er eine Situation beschreibt, in der über eine Frage ernsthaft diskutiert wird in dem Sinne, dass 'man' davon ausgeht, es bestünde noch Klärungsbedarf. Das ist vage formuliert, gebe ich zu, aber so ist die Realität in unserer nicht ganz exakten Wissenschaft.
Nach Abschluss eines Diskussionsprozesses sprechen Rechtswissenschaftler informell davon, eine Frage sei "ausgelutscht" oder "durch" oder sie interessiere schlicht niemanden mehr. Dann hat man seine "herrschende Meinung" oder gar "allgemeine Ansicht", und damit arbeitet man dann. Und das trotz des Umstandes, dass es im Prinzip nach wie vor unterschiedliche Meinungen gibt, die aber eben nicht mehr wirklich diskutiert werden.
"Vertreten wird alles"; allerdings gibt es Auffassungen, von denen jeder weiß, dass sie einfach Quatsch sind. Der Klassiker schlechthin dürfte die Frage sein, ob "Mord" ein eigener Straftatbestand ist oder nur (laienhaft ausgedrückt) eine besonders schwere Form des Totschlags. Die Rechtsprechung geht davon aus, der Mord sei ein eigener Tatbestand; 'jeder' Jurist weiß aber, dass das dummes Zeug ist.
Und so ist es auch mit der Irak-Invasion. 'Jeder' weiß, dass die völkerrechtswidrig war, aber das kann man natürlich nicht zugeben, weshalb man irgendetwas erzählt, was formal betrachtet dazu führt, dass sie Sache "umstritten" ist. Kann man aber m.E. nicht wirklich ernst nehmen.
Gruß, fedchan
p.s.: Um Missverständnisse zu vermeiden: Dass die Invasion völkerrechtswidrig war, bereitet mir nicht direkt schlaflose Nächte, um es zurückhaltend zu formulieren.
Zitat von fedchanZettel meint, die Völkerrechtswidrigkeit der Invasion in den Irak sei umstritten; JeffDavis meint, das sei nicht der Fall. Wer hat Recht? Formal betrachtet Zettel; als Jurist neige ich aber trotzdem dazu, JeffDavis zuzustimmen. Hintergrund ist, dass jedes Statement zu einer Rechtsfrage, das nicht von vornherein totaler Mumpitz ist, formal dazu führt, dass man eine Rechtsfrage als "umstritten" bezeichnen kann. Trotzdem hat in der Zunft der Begriff "umstritten" insofern eine quasi wissenschaftssoziologische Bedeutung, als dass er eine Situation beschreibt, in der über eine Frage ernsthaft diskutiert wird in dem Sinne, dass 'man' davon ausgeht, es bestünde noch Klärungsbedarf. Das ist vage formuliert, gebe ich zu, aber so ist die Realität in unserer nicht ganz exakten Wissenschaft.
Sie sprechen da einen interessanten Punkt an, lieber Fedchan, der mir auch durch den Kopf gegangen ist, nachdem ich JeffDavis geantwortet hatte.
Wenn ich als Naturwissenschaftler in einer Diskussion jemandem sage: "Das stimmt so nicht", dann meine ich damit, daß der Betreffende entweder falsch gerechnet hat oder er sich auf Daten stützt, die methodisch unsauber erhoben wurden und inzwischen durch zutreffende Daten ersetzt sind.
Wenn ich aber nur anderer Meinung bin, wenn ich nur eine andere theoretische Position habe, dann würde ich dem Anderen niemals sagen: "Was sie behaupten, das stimmt so nicht". Sondern ich würde sagen: "Meine Theorie ist besser, weil sie einfacher ist, weil sie mehr Daten abdeckt" usw.
Vielleicht ist das wirklich eine verschiedene Art, in Diskussionen zu verfahren. Für Naturwissenschaftler gibt es einen scharfen Unterschied zwischen Daten und Theorien. Daten müssen stimmen; ebenso wie das Rechnen. Von einer Theorie kann man nie sagen, daß sie stimmt - nur, daß sie mehr oder weniger wahrscheinlich richtig ist.
Bei euch Juristen mag das ganz ander sein. Mir ist schon vor langer Zeit eine seltsame Formulierung in Gerichtsurteilen aufgefallen: Dieses "mußte". Also zB "Die Klage mußte abgewiesen werden, weil ...".
Wieso "mußte"? Das setzt eine apodiktische Gewißheit voraus, die vielleicht dem (deutschen) Juristen selbstverständlich ist.
Übrigens lese ich das in angelsächischen Urteilen ganz anders. Da schreibt der Richter eher, er hätte alles erwogen, und es wolle ihm doch scheinen, daß der Kläger nicht genügend zugunsten seiner Sache vorgetragen habe, so daß er es am Ende richtiger fände, die Klage abzuweisen. So ungefähr, a bisserl karikiert.
Also, vielleicht geht es nicht nur um die verschiedenen Kulturen von zwei wissenschaftlichen Disziplinen, sondern auch um deutsche vs. angelsächsische Denkweise.
In den Naturwissenschaften merkte man früher diesen Unterschied sehr deutlich. Die Deutschen wurden oft veräppelt, weil mancher so tat, als hätte er sozusagen eine privilegierte Partnerschaft mit der Wahrheit.
Ein britische Kollege brachte das mal beim abendlichen Wein in Bezug auf einen Deutschen auf die schöne Formel: "When he says 'we know', he means that there is some evidence. When he says 'there is strong evidence', he means that there is a little bit of evidence. And when he says 'there is some evidence' - then he means that he has no idea whatsoever". So ähnlich, aus der Erinnerung zusammenfabuliert.
Immer wieder spannend zu sehen wie durch staendige Widerholung etwas zur Wahrheit wird. Vergessen wird aber ganz gerne dass das auch kleine Daenemarkt dem Irak so ganz offiziel den Krieg erklaert hat. Nun kann man sagen Daenemarks Beteiligung war nur marginal und ehr symbolisch, nur aendert das etwas daran das ein Mitglied der NATO und der EU einem anderen Land im Jahr 2003 den Krieg erklaert hat? Quelle
Edit, versucht den Link besser hinzubekommen Nochmal Edit für den Link [Kallias]
Zitat von ZettelMir ist schon vor langer Zeit eine seltsame Formulierung in Gerichtsurteilen aufgefallen: Dieses "mußte". Also zB "Die Klage mußte abgewiesen werden, weil ...". Wieso "mußte"? Das setzt eine apodiktische Gewißheit voraus, die vielleicht dem (deutschen) Juristen selbstverständlich ist.
Ein anderes Beispiel: Die Formulierung "das Gericht sieht es als erwiesen an".
Ob etwas erwiesen ist, das ist keine Ansichtssache. Man müßte dann formulieren: "Es wurde erwiesen ...".
Wenn es aber um eine Ansicht geht, dann kann man nicht von Erwiesensein sprechen. Dann sollte es zB heißen: "Das Gericht sieht es als hinreichend wahrscheinlich an ...". Oder schlicht und treffend: "Das Gericht glaubt, daß ...".
Zitat von ZettelMir ist schon vor langer Zeit eine seltsame Formulierung in Gerichtsurteilen aufgefallen: Dieses "mußte". Also zB "Die Klage mußte abgewiesen werden, weil ...". Wieso "mußte"? Das setzt eine apodiktische Gewißheit voraus, die vielleicht dem (deutschen) Juristen selbstverständlich ist.
Ein anderes Beispiel: Die Formulierung "das Gericht sieht es als erwiesen an". Ob etwas erwiesen ist, das ist keine Ansichtssache. Man müßte dann formulieren: "Es wurde erwiesen ...". Wenn es aber um eine Ansicht geht, dann kann man nicht von Erwiesensein sprechen. Dann sollte es zB heißen: "Das Gericht sieht es als hinreichend wahrscheinlich an ...". Oder schlicht und treffend: "Das Gericht glaubt, daß ...".
Diese Formulierungen werden vielleicht klarer, wenn man sich die eigentliche Funktion der Gerichte mehr vor Augen hält: Nämlich einen Streit zu entscheiden, damit die Leute nicht mit Keulen aufeinander losgehen. Vor Gericht bekommt man daher nicht Recht, sondern ein Urteil. Alle reden gern davon, vor Gericht Recht zu bekommen, glauben, es ginge um Gerechtigkeit. Das spielt natürlich eine Rolle, Richter sollen nach Recht und Gesetz entscheiden. Aber sie sollen eben entscheiden. Daher kommt es letzten Endes weder auf eine Gewißheit noch auf einen Beweis im naturwissenschaftlichen Sinne an (auch wenn zB im Rahmen einer Beweisaufnahme naturwissenschaftliche Verfahren zur Anwendung kommen können), sondern allein auf die Gewißheit des Richters, auf seine richterliche Überzeugung.
Die Formulierung, daß ein Gericht etwas als erwiesen ansieht, ist in juristischen Sinne daher zutreffend. Im übrigen, jedenfalls soweit ich das anhand meiner Erfahrung mit verwaltungsgerichtlichen Verfahren sagen kann, kommen in Entscheidungsbegründungen durchaus Formulierungen vor wie "Das Gericht glaubt dem Zeugen nicht" oder "Das Gericht hält den geschilderten Ablauf der Ereignisse für unglaubhaft."
80% der Deutschen vertrauen dem Rechtsstaat. Die anderen 20% haben bereits mit ihm zu tun gehabt.
Zitat von ZettelEin anderes Beispiel: Die Formulierung "das Gericht sieht es als erwiesen an".
Ob etwas erwiesen ist, das ist keine Ansichtssache. Man müßte dann formulieren: "Es wurde erwiesen ...". Wenn es aber um eine Ansicht geht, dann kann man nicht von Erwiesensein sprechen. Dann sollte es zB heißen: "Das Gericht sieht es als hinreichend wahrscheinlich an ...". Oder schlicht und treffend: "Das Gericht glaubt, daß ...".
Diese Formulierungen werden vielleicht klarer, wenn man sich die eigentliche Funktion der Gerichte mehr vor Augen hält: Nämlich einen Streit zu entscheiden, damit die Leute nicht mit Keulen aufeinander losgehen. Vor Gericht bekommt man daher nicht Recht, sondern ein Urteil.
Ja, zweifellos. Der Rechtsfrieden muß wieder hergestellt werden. Aber ich sehe nicht, warum deshalb eine in sich widersprüchliche Formulierung wie "das Gericht sieht es als erwiesen an" verwendet werden muß. Entweder ist es erwiesen, dann sollte das auch so gesagt werden. Oder das Gericht sieht es als hinreichend wahrscheinlich an, dann ist es aber eben nicht erwiesen.
Zitat von JeffDavisAlle reden gern davon, vor Gericht Recht zu bekommen, glauben, es ginge um Gerechtigkeit. Das spielt natürlich eine Rolle, Richter sollen nach Recht und Gesetz entscheiden. Aber sie sollen eben entscheiden. Daher kommt es letzten Endes weder auf eine Gewißheit noch auf einen Beweis im naturwissenschaftlichen Sinne an (auch wenn zB im Rahmen einer Beweisaufnahme naturwissenschaftliche Verfahren zur Anwendung kommen können), sondern allein auf die Gewißheit des Richters, auf seine richterliche Überzeugung.
Was, wie mir scheint, seinen besten Ausdruck im angelsächsischen Geschworenengericht findet. Die Jury gibt ihre Überzeugung kund, ihre einstimmige (oder sie muß eine hung jury melden). Sie braucht kein Wort der Begründung dem Verdikt hinzuzufügen.
Zitat von JeffDavisDie Formulierung, daß ein Gericht etwas als erwiesen ansieht, ist in juristischen Sinne daher zutreffend.
Das kann ich immer noch nicht sehen. Sie ist, wie gesagt, in sich widersprüchlich. Wenn etwas erwiesen ist, dann gilt es unabhängig davon, wie es jemand ansieht. Und kann etwas im juristischen Sinn zutreffen, das im logischen falsch ist?
Zitat Die Formulierung, daß ein Gericht etwas als erwiesen ansieht, ist in juristischen Sinne daher zutreffend.
Das kann ich immer noch nicht sehen. Sie ist, wie gesagt, in sich widersprüchlich. Wenn etwas erwiesen ist, dann gilt es unabhängig davon, wie es jemand ansieht. Und kann etwas im juristischen Sinn zutreffen, das im logischen falsch ist?
§ 267 Strafprozeßordnung (1) Wird der Angeklagte verurteilt, so müssen die Urteilsgründe die für erwiesen erachteten Tatsachen angeben, in denen die gesetzlichen Merkmale der Straftat gefunden werden. (...)
Ob logisch oder nich': Was der Gesetzgeber sagt, ist, nun, Gesetz.
Zettel hat auf einen Artikel in Foreign Affairs 2006 (Saddam's Delusions: The View From the Insider, Mai/Juni-Ausgabe) aufmerksam gemacht, der sich mit den Vorstellungen, Annahmen und Planungen der irakischen Seite beschäftigt, beruhend auf der Auswertung erbeuteter irakischer Akten.
Ich konnte mich auf der Webseite zwar registrieren, den Artikel jedoch nicht herunterladen. Im Netz habe ich dann dies gefunden:
Iraqi Pespectives Project - A View of Operation Iraqi Freedom from Saddam's Senior Leadership (ca.210 Seiten), von Kevin Woods, mit Michael Pease, Mark Stout, Williamson Murray und James Lacey. Ich nehme an, bei dem Artikel in FA handelt es sich um eine Zusammenfassung des Buches.
Kapitel 1 beschäftigt sich mit der Natur des Regimes und behandelt u.a. seine Entstehung, Saddams Führungsstil, Weltsicht, und allgemeine Kriegsplanungen. Saddams verzerrte Strategie ist Gegenstand des 2.Kapitels, in dem es um die diplomatischen Aktionen in letzter Minute geht, um die Behinderung des irakischen Militärs durch Saddam, dessen politische Schwerpunkte und seine Siegeszuversicht. Zustand und Kampfkraft des irakischen Militärs beschreibt Kapitel 3, die operativen Planungen und den neuen Verteidigungsplan vom Dezember 2002 Kapitel 4. Die konkrete militärische, psychologische und diplomatische Vorbereitung auf den Krieg ist Gegenstand von Kapitel 5, der Ablauf der Operationen schließlich wird in Kapitel 6 behandelt.
war Gideon Rose als Managing Editor der Foreign Affairs am 6.4.2006 online und hat sich Fragen der Leser gestellt, ausdrücklich unter Bezugnahme auf den kommenden Artikel.
Ich fasse das Ergebnis meiner Lektüre wie folgt zusammen:
1. Immer und überall war die innere Sicherheit des Regimes oberstes Gebot. Ihr ordnete der Diktator sogar die Kriegführung gegen die USA unter, selbst noch nach Kriegsbeginn. Sie erklärt viele militärisch unsinnige Maßnahme des Regimes, beispielsweise:
- Besetzung der Kommandeursstellen nicht nach militärischer Kompetenz, sondern dem Grad der Loyalität des Offiziers zu Saddam - Bildung verschiedener Milizen auf Kosten der regulären Streitkräfte, die als einzige dem Regime gefährlich werden konnten - Verbot großer Truppenmanöver aus Furcht vor einem Putsch - Verbot gemeinsamer militärischer Planung der Special Republican Guard mit anderen militärischen Verbänden - jeder Marsch einer militärischen Einheit mußte von Saddam genehmigt werden
Dazu Gideon Rose: „Saddam's entire regime was based on terror and lies. He was concerned first and foremost with internal control, making sure that nobody could ever threaten or even challenge him.“
An zweiter Stelle stand die Rücksichtnahme auf sein Ansehen in der arabischen Welt. Saddam wollte um keinen Preis Schwächen zeigen. Daher auch das Doppelspiel mit den WMD. Er wollte den Eindruck aufrechterhalten, er verfüge über sie, obwohl das nicht der Fall war, und nahm dafür sogar drastische Maßnahmen der USA in Kauf.
Wieder Rose: „That said, it appears that Saddam was basically playing a double game on WMD: he knew he didn't have major programs, but didn't want to admit that to others for fear of looking weak.“
Ganz am unteren Ende der Skala stand die Bedrohung durch die Amerikaner, die er - wie viele andere Gegner der USA - vollkommen unterschätzte und für einen Papiertiger hielt. Er glaubte fest daran, die USA würden nur aus der Luft angreifen und allenfalls im Südirak begrenzte örtliche Angriffe zu Lande unternehmen. Die ganze Zeit über hat er den Iran als einen gefährlicheren Gegner eingeschätzt als die USA.
2. Der Charakter Saddams und seiner Herrschaft führte zu aus unserer Sicht absurden Fehleinschätzungen und Informationsmängeln. Er lebte seit Beginn der 90er Jahre zunehmend in einer Scheinwelt, weitab von den politischen und militärischen Realitäten. Untergebene und Mitarbeiter lieferten ihm aus Angst vor Repressalien nur Nachrichten, die er hören wollte.
Saddam war von der eigenen Propaganda überzeugt und glaubte fest daran, er habe einen besonderen Kampfgeist und einen stärkeren Willen als die Amerikaner. Er redete sich ein (und wurde von seiner Umgebung darin bestärkt), das Überleben seines Regimes 1991 sei in Wahrheit ein triumphaler Sieg über fast die ganze Welt gewesen.
Saddam hielt sich für einen begnadeten Feldherrn und politischen Führer, der von der Vorsehung auserwählt worden sei. Er wußte alles besser als seine Generale und Minister, traf einsam selbst weitreichende Entscheidungen ohne Rücksprache mit Beratern, führte vom Schreibtisch aus, auf der Basis irrealer Lagemeldungen und Berichte. Er glaubte mehr an spirituelle Eingebungen als an nüchterne politische Analysen; auch sein beschränkter Horizont und seine mangelnde militärische, politische oder wirtschaftliche Ausbildung verhinderten eine umfassende Beurteilung der Lage.
Die Konzentration fast sämtlicher Entscheidungen in der Person Saddams führten zu einer irrationalen und sprunghaften Entscheidungsfindung, zu einer immer problematischeren Sammlung, Filterung und Vermittlung entscheidungserheblicher Informationen, die selbst den irakischen Geheimdienst bei seiner Arbeit behinderte.
3. Alle Streitkräfte befanden sich nach den jahrelangen Sanktionen in schlechter Verfassung. Ihre Kampfkraft war deutlich schwächer als 1991. Den Amerikanern und Briten waren sie nicht einmal ansatzweise gewachsen. Die Kampfmoral selbst der Special Republican Guard war gering. Es fehlten Ersatzteile, viele Waffensysteme waren veraltet, gepanzerte Fahrzeuge und Kfz schlecht gewartet, teilweise nicht einsatzbereit. Aus den geschilderten Gründen war die Mehrzahl der Kommandeure inkompetent. Angst und Vorsicht gegenüber Saddam bestimmten ihr Handeln, nicht die Erfordernisse der Kriegführung. Auch die Ausbildung der Truppen hatte erheblich gelitten.
Der Buch erwähnt ein einziges größeres Manöver, das bezeichnenderweise die Abwehr eines iranischen Angriffs übte. Aus den Ereignissen 1991 wurden keine militärisch sinnvollen Konsequenzen gezogen, Dienstvorschriften nicht modernisiert.
Die irakische Luftwaffe flog keinen einzigen Einsatz. Auf Anweisung Saddams sollte sie ihre Maschinen verstecken, damit sie nach dem Sieg über die Amerikaner zur Verfügung standen. Die Stärke der Marine war seit 1991 laufend abgesunken, sie spielte keinerlei Rolle mehr.
Saddam griff selbst wiederholt mit verheerenden Auswirkungen in Planung und Ablauf der militärischen Operationen ein. So warf er am 18.12.2002 den bisherigen Verteidigungsplan um und befahl die Verteidigung Baghdads in Form konzentrischer Ringe um die Stadt.
Die Bildung dreier privater Armeen (die Saddam Fedayeen, die Al-Quds-Armee und die Miliz der Baath-Partei), zusätzlich zur regulären Armee und den beiden Typen der Republikanischen Garde, und unmittelbar Sadam untergeordnet, diente der Sicherheit des Regimes, schwächte aber die Kampfkraft.
4. Saddams Fehlvorstellungen führten dazu, daß er die außenpolitischen Schritte der USA nicht ernst nahm. Noch vor allen anderen Gründen vertraute er darauf, daß Frankreich und Rußland, in geringerem Masse auch China, wegen ihrer wirtschaftlichen Interessen dafür sorgen würden, daß im UN-Sicherheitsrat keine Maßnahmen gegen den Irak beschlossen, und sie die USA von einem Krieg abhalten würden. Am Ende waren aber diese Staaten nur bereit, sich soweit gegen die Amerikaner zu stellen, wie es zur Verteidigung ihrer eigenen Interessen erforderlich war, aber nicht zur Unterstützung des Irak.
Die Bemühungen des Irak wurden überdies von der eigenen undurchsichtigen Politik in Bezug auf die WMD untergraben. Da Saddam den Eindruck aufrechterhalten wollte, vielleicht doch über sie zu verfügen, gelang es ihm nie, das Mißtrauen der USA zu zerstreuen.
5. Saddams Vorgeschichte und eben diese undurchsichtige Haltung führten dazu, daß die USA und das UK die Existenz von WMD-Programmen für möglich hielten. Allerdings waren Hinweise und Fakten keineswegs eindeutig. Da es sich beim Irak um eine Diktatur ohne Pressefreiheit und mit strenger Zensur handelte, war es schwierig zu beurteilen, ob Saddam die Wahrheit sagte.
Dazu Rose: „He (US-Präsident Bush, Anm. JeffDavies) was certainly deceived by Saddam, as were most others. But that doesn't mean that he didn't also exaggerate or distort the evidence that he had available. My own sense is that the senior echelons of the administration were truly convinced that Saddam presented a major WMD threat. They then either closed their minds to contrary evidence and presented only the things justifying their views, or they decided that exaggerations, hype, and minor deceptions were legitimate in the service of trying to persuade others to see the larger truth of the dangers Saddam posed. Other explanations of their behavior--either dramatically more favorable or dramatically less favorable--don't strike me as consistent with the evidence publicly available.„
Und weiter: „So the real question is, can you believe a regime's protestations of innocence if there's no independent internal means of verification and they haven't themselves decided to give you what you need to be persuaded? The answer: probably not. So we're sort of condemned to make decisions under uncertainty in this area, unfortunately. „
Auf die Frage eines Hörers, der behauptete, die USA hätten den Irak selbst dann angegriffen, wenn es nachweisbar keine MWD gegeben hätte, machte Rose folgende Bemerkung, die ich ebenfalls für wichtig halte:
„I disagree. If it were clear that Iraq had not had proscribed weapons programs, there would have been no invasion. It's as simple as that. Even if there were people within the administration who still wanted to topple Saddam for other reasons, they would never have been able to get the whole administration to go along, or the country, or the few outsiders who did. So Saddam could have stopped the whole thing had he wanted to--just like he could have ended the sanctions at any moment, simply by complying fully with UN mandates. He chose not to. Doesn't mean we had to invade, of course, but it's important to keep the history straight. „
Das Buch von Woods/Rease über die Innenansicht des irakischen Regimes ist unbedingt lesenswert und noch bei einschlägigen Online-Händlern erhältlich. Da die Annahme gerechtfertigt ist, daß Lage, Zustand der politischen Führung und Entscheidungsfindung in Nordkorea oder dem Iran nicht sehr weit von den Verhältnissen in Saddams Irak entfernt sind, ist das Buch noch sehr aktuell.
Nun meine persönlichen Schlußfolgerungen aus der Lektüre:
- Ich muß zunächst meine Ansicht revidieren, wonach Saddam die Stärke der USA richtig eingeschätzt hatte. Genau das Gegenteil ist der Fall, und er ist dadurch zu einer völlig falschen Lagebeurteilung gekommen. Mein Fehler lag darin, Saddam erstens einen ausreichenden Informationsstand zuzubilligen, und ihm zweitens Gedankengänge zu unterstellen, die ein in den üblichen rationalen Bahnen denkender Mensch bei einer Entscheidung über Krieg oder Frieden angestellt hätte.
Man darf die Sicht oder Gedankenwelt dieser Gegner nicht an eigenen Überzeugungen und am eigenen Informationsstand messen. Männer wie Kim Jong Il, Saddam oder Ahmedineshad leben in ihrer eigenen Welt und sind nicht mit unseren Maßstäben zu messen. Das schließt nicht aus, daß auch demokratische Politiker krassen Fehleinschätzungen unterliegen können, aber Öffentlichkeit, politische Opposition, freie Presse und Struktur des demokratischen Systems verringern diese Gefahr ganz erheblich. Ein weiterer Punkt: Jedes Nachgeben, jede Kompromißbereitschaft wird von diesen Leuten als Schwäche ausgelegt. Man muß deshalb mit konsequenter Härte vorgehen (was nicht gleichbedeutend sein muß mit militärischer Gewalt).
- Es gab aufgrund der Vorgeschichte Saddams und der Geheimdienstberichte Anhaltspunkte für die Existenz irakischer WMD-Programme. Insofern wird man weder Bush noch Blair vorwerfen dürfen, sie hätten in diesem Punkt bewußt gelogen, um den Irak angreifen zu können. Aber sie haben sich zu früh festgelegt, und keine ausgewogene Lagebeurteilung unter Berücksichtigung sämtlicher Informationen mehr vorgenommen, sondern entschlossen den Krieg gesucht. Dadurch, und weil sich erstens ein Teil der Informationen als fehlerhaft herausgestellt, und man zweitens nach der Besetzung keine WMD gefunden hat, konnte der Eindruck entstehen, beide seien von Anfang an - WMD hin oder her - zum Angriff entschlossen gewesen.
Voller falscher Annahmen und Fehleinschätzungen hingegen waren die Planungen der USA für die Nachkriegszeit und für das Nation-Building im Irak sowie im Hinblick auf die Sogwirkung des Krieges auf arabische Kämpfer und Al-Kaida.
- In den irakischen Dokumenten, die im Bericht von Woods/Rease erwähnt sind, spielt Deutschland keinerlei Rolle. Die ablehnende Haltung der Regierung Schröder ist zwar unstreitig, und Schröder ist auch sehr früh vorgeprescht, aber Saddam hat klar auf Frankreich und Rußland gesetzt. Sein aus innenpolitischen Gründen erfolgter Schritt hat viel außenpolitisches Porzellan zerschlagen (und spricht Bände über sein Fingerspitzengefühl), hat aber die Entscheidungsfindung der irakischen Führung nicht beeinflußt.
Ein Buch des damaligen chilenischen UN-Botschafters, das in einem Artikel der Washington Post besprochen wird, zeigt, daß Deutschland in der UN anderen Staaten zumindest logistische Unterstützung durch Bereitstellung eines abhörsicheren Raumes bot, und dies den Unwillen der US-Regierung hervorrief.
„Bush hatte die Möglichkeit nicht in Betracht gezogen, daß Schröder sein Wort brechen und daß Chirac die daraus resultierende Isolierung Deutschlands nutzen würde, um den alten gaullistischen Traum neu zu beleben, Deutschland aus seiner Äquidistanz zu Frankreich und den USA herauszulösen und in ein gegen die USA gerichtetes Bündnis mit Frankreich zu führen.
Die Folge war, daß der Krieg nicht - wie es der strategischen Planung der Regierung Bush entsprochen hatte - als ein Feldzug der Völkergemeinschaft gegen einen notorischen Friedensgefährder geführt werden konnte, sondern daß er als eine einseitige Aktion der USA und des UK erschien. „
und
„Sie (die US-Strategie, Anm. JeffDavies) ist aber dennoch gescheitert, weil die US-Regierung nicht mit der Möglichkeit gerechnet hatte, daß Deutschland mit seiner Obstruktionspolitik Ernst machen und daß sich Frankreich und Rußland anschließen würden. Es war der berühmte eine Fehler im Kalkül.“
Diese Ausführungen klingen so, als sei Deutschland einer der Hauptverantwortlichen dafür, daß keine UN-Resolution mit einer Ermächtigung zur Anwendung militärischer Gewalt zustandegekommen ist.
Das heißt mE, das politische Gewicht Deutschlands weit zu überschätzen. Die Ablehnung des Krieges war in der UN sehr weit verbreitet, dazu hätte es Deutschland nicht gebraucht. Wie das Buch des chilenischen Diplomaten zeigt, haben sich die USA bei der Behandlung ihrer Freunde und der Neutralen wie ein Elefant im Porzellanladen benommen. Gemeinsam mit der fragwürdigen Beweislage wird das mehr als alle deutsche Politik dafür gesorgt haben, daß der Vorstoß für eine Anwendung militärischer Gewalt mit UN-Mandat gescheitert ist.
Rußland war schon früher als Bremser aufgetreten, Frankreich hatte sich zB schon Ende der 90er Jahre aus der Luftraumüberwachung des Irak zurückgezogen. Keines der Länder brauchte Deutschland als Vorreiter oder Zugpferd. Weiter kann ich keinen Beleg dafür finden, daß Chirac oder Putin eine deutsche Isolierung ausgenutzt hätten. Beide standen der US-Politik schon vorher ablehnend gegenüber. Die irakische Führung jedenfalls maß der deutschen Haltung - soweit dies aus dem Buch hervorgeht – keine Bedeutung zu.
Ob eine einheitliche Haltung des Westens Saddam zur Aufgabe bewegt hätte, ist ebenso Spekulation wie ein Gang in das Exil. Der Glaube an seine Unbesiegbarkeit und an die Schwäche der USA sprechen allerdings klar dagegen.
Ich bin nach wie vor der Meinung, daß der Angriff ein verheerender Fehler gewesen ist:
- Mit Saddam haben die USA einen kompromißlosen Gegner des Iran ausgeschaltet, de facto also einem erklärten und deutlich gefährlicheren Feind geholfen, und ihre eigene Position gegenüber dem Iran stark geschwächt. Mit dem Irak als Verbündeten hätte es neben Israel noch einen weiteren Staat ohne Interesse an iranischen Atomwaffen gegeben, der dem Iran hätte Paroli bieten können. Und der dazu noch eine gemeinsame Grenze als Ausgangsbasis für Luftangriffe und Angriffe auf dem Boden besaß.
- US-Army und USMC wurden durch die Fehleinschätzung der Nachkriegsprobleme und den Partisanenkrieg jahrelang überfordert, geplante Modernisierungen und Umstrukturierungen verzögert, die Soldaten durch vermehrte und längere Einsätze bis an die Grenze des Zumutbaren belastet. Reserven für einen anderen Krisenfall gab es nicht mehr.
- Der Krieg brachte Al Kaida und den Islamisten sehr großen Zulauf.
- Man beginnt keinen neuen Krieg, solange der erste noch nicht gewonnen ist.
Diese Punkte hätten bei der Entscheidung über den Angriff einkalkuliert oder vorausgesehen werden können und müssen.
Es geht den USA, anders als Zettel an anderer Stelle gemeint hat, nicht primär um eine langfristige Stabilisierung einer Region als Ziel. Diese ist nur ein Mittel.
Ziel der USA ist es - abstrakt gesprochen – zu verhindern, daß in einer Weltregion, in der sie vitale Interessen besitzen, Entscheidungen ohne oder gegen ihren Willen getroffen werden. Das kann durch eine Stabilisierung geschehen, muß aber nicht. Im Mittleren Osten wäre es mE besser gewesen, die Bedrohung, die vom Regime Saddam für den Iran und andere arabische Staaten ausgegangen ist, für eigene Zwecke nutzbar zu machen.
Auch eine Schwächung des islamistischen Terrorismus hätte man einfacher mit einem Verbündeten Saddam erreichen können.
Die USA hatten überdies gerade im Herbst 2001 Führungsstärke und Macht demonstriert. Deswegen hätten sie keinen Krieg mit dem Irak anzufangen brauchen. Stattdessen hätten sie die besser gegenüber dem Iran demonstrieren oder Al Kaida intensiver bekämpfen sollen. Das hätte auch den Amerikanern bewiesen, daß ihr Land sich durch den 9/11 nicht hat unterkriegen lassen (das war ihnen allerdings ohnehin schon klar).
Das Vorgehen der USA 2002/2003 ist ein Beispiel aus dem Lehrbuch, wie man es nicht machen sollte: Verzettelung der Kräfte, fehlerhafte politische Lagebeurteilung, mangelndes Fingerspitzengefühl im Umgang mit Verbündeten, Neutralen und (nach dem Sturz Saddams) den Irakern, nicht zuletzt die Spaltung der Bevölkerung in den USA selbst, sind schwerwiegende Fehler, die den Gegnern der USA in die Hände gespielt haben.
Wie lächerlich, aus bloßer Parteidisziplin auch gegen den fähigen Kandidaten des Gegners zu stimmen. (Klonovsky)
Ich finde es sehr schade, dass bisher niemand diesen klugen und kenntnisreichen Beitrag von JeffDavies kommentiert hat. In fast allen Punkten trifft er genau meine Meinung, die ich mir in den letzten Jahren nach der Lektüre vieler Artikel zu diesem Thema gebildet habe.
Der Einmarsch in den Irak war - um Talleyrand zu modifizieren - schlimmer als ein evt. Verstoss gegen das Völkerrecht, es war ein Fehler.
Der einzige arabische Staat in dieser Region, der in der Lage war dem Iran die Stirn zu bieten, war Saddams Irak, und der wurde damit aus dem Weg geräumt. Schlimmer noch, dadurch wurden die Schiiten an die Macht gebracht. Zusammen mit Syrien, das von der kleinen Minderheit der Aleviten regiert wird, und das mittelfristig ohne die Unterstützung des Irans nicht überleben kann, und Libanon, wo die Hezbollah immer stärker wird, hat Iran jetzt einen starken Einfluss von Afganistan bis zum Mittemeer. Ich gehe sgoar davon aus,dass nach dem Abzug der USA aus diesem starken Einfluss die Kontrolle wird. Man sollte auch nicht übersehen, dass es auch in Afghanistan eine starke shiitische und farsisprechende Minderheit gibt, nämlich die Hazaras. Die es unter Umständen mit iranischer Unterstützung sogar schaffen könnten, die Kontrolle über Zentalafghanistan -ihrem Hauptsiedlungsgebiet- zu erlangen. Man hätte dann fast wieder ein persisches Grossreich, wie in den Tagen vor Alexander.
Ich könnte mir gut vorstellen, dass Saudi-Arabien darüber sehr besorgt ist. Gerade wenn man weiss, welcher Hass zwischen Wahabiten und den Schiiten herrscht. Um die Problematik zu vergrössern, hat das an sich wahabitische S.A. gerade am Golf, wo die Erölquellen sind, eine starke shiitische Minderheit. Das Gleiche gilt auch für das Emirat Bahrein. Dies ergibt natürlich für den Iran eine Vielzahl von Möglichkeiten, bis hin zur Sezession. Auf Hilfe kann Saudi-Arabien nicht rechnen. Die USA werden nach ihren Erfahrungen im Irak und Aghanistan mit Sicherheit keinen Landkrieg mehr im Nahen Osten führen.
Zitat von Franz Der Einmarsch in den Irak war - um Talleyrand zu modifizieren - schlimmer als ein evt. Verstoss gegen das Völkerrecht, es war ein Fehler.
Frage am Rande: War es wirklich Talleyrand? Ich hatte immer angenommen, der Spruch stamme von Napoleons Polizeiminister Fouché, der die von Napoleon veranlaßte Entführung und Erschießung des Herzogs von Enghien im März 1804 mit der Bemerkung kommentierte, das sei schlimmer als ein Verbrechen, das sei ein Fehler.
Zitat von FranzIch finde es sehr schade, dass bisher niemand diesen klugen und kenntnisreichen Beitrag von JeffDavies kommentiert hat.
Dem stimme ich zu. Meine Ausrede: ich war im Urlaub ohne Internet...
Vielen Dank, werter JeffDavis, für diesen ausführlichen und sehr schönen Beitrag
Einziger Kommentar: wie Sie und Ihre Quelle ja schreiben, legte Saddam es darauf an, dass man ihm sein WMD-Programm abnahm. Das ging ja so weit, dass selbst ranghohe irakische Militärs der Meinung waren, es gebe dieses Programm. Ihre Quelle (und, wenn ich Sie richtig verstehe, Sie selbst) wirft Bush & Blair vor, sich zu früh auf die Existenz von WMDs versteift und dagegen sprechende Beweise ignoriert zu haben.
Wenn ich mir jetzt die Payoff-Matrix der vier Möglichkeiten ansehe (der Irak hat/hat keine WMD; der Westen glaubt, dass Saddam WMDs hat/nicht hat), dann vergleiche ich zwei mögliche Fehler: "falsch positiv", der Westen rechnet mit WMDs, die aber nicht existieren, also der eingetretene Fall - und "falsch negativ", der Westen "is not convinced", um es mit Joschka Fischer auszudrücken, aber der Irak verfügt in der Tat über WMDs.
Bei der Beurteilung der Entscheidung von Bush & Blair muss man natürlich nicht nur die subjektive Wahrscheinlichkeit für WMDs berücksichtigen, sondern auch die möglichen Folgen dieser beiden Fehlertypen. Die möglichen Folgen einer falsch positiven Einschätzung sehen wir. Die möglichen Folgen einer falsch negativen Einschätzung... naja, Sie beschreiben ja sehr plastisch Saddams Wahnwelt, gehen auch auf die Feindschaft mit dem Iran ein, und das garniere ich gedanklich gerade mit Atomwaffen. Kein schöner Gedanke.
Unbeschadet der Frage, ob sich Bush & Blair zu früh festgelegt haben und ob die Einschätzung des US-Militärs über das nation building zutreffend war, halte ich es daher durchaus für diskutabel, angesichts dieser Alternativen einer möglichen falsch positiven Einschätzung zu folgen - Krieg zu führen, obwohl möglicherweise keine WMDs vorhanden sind - anstatt möglicherweise einen Wahnsinnigen GröFaZ mit Atomwaffen in Bagdad sitzen zu haben. Hinzu kommt noch die Signalwirkung; immerhin war Libyen nach dem Golfkrieg plötzlich viel kooperativer. Und schließlich fällt es mir sehr schwer, mögliche Fehlentscheidungen von Bush & Blair nicht hauptsächlich Saddam anzulasten, der schließlich ohne Probleme die UNO-Auflagen hätte erfüllen können.
-- El liberalismo pregona el derecho del individuo a envilecerse, siempre que su envilecimiento no estorbe el envilecimiento del vecino. - Nicolás Gómez Dávila, Escolios a un Texto Implícito
Zitat von GorgasalMeine Ausrede: ich war im Urlaub ohne Internet...
Haben Sie denn keine Verwandten/Bekannten, die Ihnen das Internet ausdrucken und in den Urlaub nachsenden können?
Zitat von Gorgasal Ihre Quelle (und, wenn ich Sie richtig verstehe, Sie selbst) wirft Bush & Blair vor, sich zu früh auf die Existenz von WMDs versteift und dagegen sprechende Beweise ignoriert zu haben.
Ich bevorzuge den Begriff „feststellen“, weil bei einem „Vorwurf“ immer eine moralische Komponente mitschwingt, die ich in der Außenpolitik nicht so gern verwende.
Zitat von Gorgasal Bei der Beurteilung der Entscheidung von Bush & Blair muss man natürlich nicht nur die subjektive Wahrscheinlichkeit für WMDs berücksichtigen, sondern auch die möglichen Folgen dieser beiden Fehlertypen. Die möglichen Folgen einer falsch positiven Einschätzung sehen wir. Die möglichen Folgen einer falsch negativen Einschätzung... naja, Sie beschreiben ja sehr plastisch Saddams Wahnwelt, gehen auch auf die Feindschaft mit dem Iran ein, und das garniere ich gedanklich gerade mit Atomwaffen. Kein schöner Gedanke.
Stimmt. Ein Saddam mit ABC-Waffen ist kein schöner Gedanke. Ich stimme Ihnen auch zu, daß Saddam durch sein Vorgehen und seine Vorgeschichte eine Ursache für den Krieg gesetzt hat. Aber Indien, Pakistan und Nordkorea haben auch Atomwaffen, ohne das die USA sie deshalb angegriffen hätten (den Iran lasse ich mal außen vor, die Entwicklung dort gilt es noch abzuwarten).
Ich sehe auch, daß man hinterher leicht Ratschläge erteilen kann. In der konkreten Situation sieht es für die Entscheidungsträger oft anders aus. Aber trotzdem:
Nehmen wir an, B&B hätten die Beweislage nüchterner betrachtet. Das Ergebnis wäre gewesen, daß einige Fakten für die Existenz von WMD-Programmen sprechen, andere nicht (ein gewisser Beurteilungsspielraum wäre selbst bei einer sorgfältigeren Geheimdienstarbeit mE immer verblieben). Sie hätte aber auch ergeben, daß eine Gefahr für beide Staaten 2002/2003 noch nicht bestand.
Sie hätten zu der Schlußfolgerung gelangen können, daß die Inspektionen hätten weitergehen können. Es ist sehr unwahrscheinlich, daß Saddam angesichts der Inspektionen, der Sanktionen und der Überwachung die WMD-Programm mit Aussicht auf Erfolg hätte verfolgen können. Insofern unterscheidet sich sein Lage von der des Iran.
Wäre er weiter unkooperativ geblieben, hätte man möglicherweise eine Resolution des UN-Sicherheitsrates mit Ermächtigung zur Gewaltanwendung erreicht. Auf jeden Fall hätte die Zeit für ein militärisches Eingreifen noch ausgereicht.
Bei nüchterner Beurteilung der Lage bestand kein zwingender Grund für einen Einmarsch. Das sagt sinngemäß auch Gideon Rose in dem Zitat (s.o.).
Dann hätten B&B aber nicht nur berücksichtigen dürfen, welche Folgen ein Saddam mit ABC-Waffen hat, sondern hätten auch überlegen müssen, welche Folgen der Angriff und die Besatzung für die USA und das UK haben könnten. Die beiden konnten zwar nicht in allen Einzelheiten voraussehen, was nach Kriegsbeginn geschehen würde. Aber kluge Entscheidungsträger hätten die von mir aufgelisteten Faktoren einkalkuliert und überlegt, ob man das strategische Ziel nicht auch auf andere Weise (zB. ein Bündnis) hätte erreichen können.
Auch möchte ich darauf hinweisen, daß Saddam im ersten Golfkrieg (gegen den Iran) und gegen die Kurden chem. Waffen eingesetzt hat. Weder die USA noch das UK haben das zum Anlaß für Maßnahmen genommen. Durch den bloßen Besitz fühlte sich offenbar keiner der Staaten bedroht.
Sicher hat Saddam mit seinem widersprüchlichen Verhalten einen schweren Fehler begangen, aber das rechtfertigt die Fehler von B&B nicht. Selbst wenn es nachweisbar WMD-Programme gegeben hätte, wäre ein vorbeugender Angriff (preemptive war) gegen den Irak nicht zweckmäßig gewesen.
Die Haltung der USA gegenüber anderen Atommächten zeigt, daß sie ihre Bedrohung je nach Staat anders beurteilen und der Entscheidungsprozeß anders ablaufen kann.
Wie lächerlich, aus bloßer Parteidisziplin auch gegen den fähigen Kandidaten des Gegners zu stimmen. (Klonovsky)
Ungelt
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15.06.2010 14:48
#73 RE: Strategie der USA im Irak; Hitlers Kriegserklärung
Zitat von GorgasalMeine Ausrede: ich war im Urlaub ohne Internet...
Haben Sie denn keine Verwandten/Bekannten, die Ihnen das Internet ausdrucken und in den Urlaub nachsenden können?
*vordiestirnschlag* Dass ich darauf nicht gekommen bin!
Zitat von JeffDavisAber Indien, Pakistan und Nordkorea haben auch Atomwaffen, ohne das die USA sie deshalb angegriffen hätten (den Iran lasse ich mal außen vor, die Entwicklung dort gilt es noch abzuwarten).
Stimmt. Aber mit diesem Argument habe ich meine Schwierigkeiten. Dieser Argumentation zufolge dürften die USA auch nicht gegen Nordkorea militärisch vorgehen, solange sie es nicht auch gegen Pakistan tun. Letzten Endes müssten sie, um dieses Argument zu entkräften, nahezu zeitgleich gegen alle oder gegen gar keinen Schurkenstaat vorgehen. Impliziert die Unmöglichkeit, gleichzeitig überall präsent zu sein, dass man gar nichts tun darf?
Zitat von JeffDavisEs ist sehr unwahrscheinlich, daß Saddam angesichts der Inspektionen, der Sanktionen und der Überwachung die WMD-Programm mit Aussicht auf Erfolg hätte verfolgen können.
Das ist der aktuelle Wissensstand. Offensichtlich war das 2002 nicht so offensichtlich, es gab ja schließlich Informationen (und Saddam versuchte den Anschein zu erwecken), dass das sehr wohl möglich sei.
Zitat von JeffDavisWäre er weiter unkooperativ geblieben, hätte man möglicherweise eine Resolution des UN-Sicherheitsrates mit Ermächtigung zur Gewaltanwendung erreicht.
Gerade aufgrund der französischen und russischen Politik, die Sie oben beschreiben, bin ich da skeptisch. Und selbst wenn das möglich gewesen wären, hätten sich die Russen ein solches Entgegenkommen wohl teuer bezahlen lassen. Obendrein ist unklar, inwieweit sich mittelfristig nicht noch weitere Staaten gegen ein Eingreifen gestellt hätten. Mir erscheint es zumindest nicht offensichtlich, dass die Zeit gegen und nicht für Saddam gearbeitet hätte.
Zitat von JeffDavisAuf jeden Fall hätte die Zeit für ein militärisches Eingreifen noch ausgereicht.
Stimmt. Aber wie lange hätte man warten sollen? Hinsichtlich einer klareren Resolution stehen meine Bedenken oben. Wahrscheinlich werden Sie jetzt einwenden: "bis man Klarheit hat". Das ist in der Tat ein Argument. Aber im Nachhinein ist es viel leichter festzustellen, wann man wieviel Klarheit erreicht hat, als in der Hitze des Augenblicks...
Zitat von JeffDavisSelbst wenn es nachweisbar WMD-Programme gegeben hätte, wäre ein vorbeugender Angriff (preemptive war) gegen den Irak nicht zweckmäßig gewesen.
Sondern?
Zitat von JeffDavisDie Haltung der USA gegenüber anderen Atommächten zeigt, daß sie ihre Bedrohung je nach Staat anders beurteilen und der Entscheidungsprozeß anders ablaufen kann.
Nachdem Sie oben Indien erwähnen, eine funktionierende Demokratie: ich bin ganz glücklich darüber, dass die USA die Bedrohung durch Atomwaffen je nach Staat unterschiedlich einschätzen. Oder wie Zettel Krauthammer zitiert: demokratische Rechtsstaaten mit Atomwaffen sind nicht das Problem.
-- El liberalismo pregona el derecho del individuo a envilecerse, siempre que su envilecimiento no estorbe el envilecimiento del vecino. - Nicolás Gómez Dávila, Escolios a un Texto Implícito
Zitat von JeffDavisAber Indien, Pakistan und Nordkorea haben auch Atomwaffen, ohne das die USA sie deshalb angegriffen hätten (den Iran lasse ich mal außen vor, die Entwicklung dort gilt es noch abzuwarten).
Stimmt. Aber mit diesem Argument habe ich meine Schwierigkeiten. Dieser Argumentation zufolge dürften die USA auch nicht gegen Nordkorea militärisch vorgehen, solange sie es nicht auch gegen Pakistan tun. Letzten Endes müssten sie, um dieses Argument zu entkräften, nahezu zeitgleich gegen alle oder gegen gar keinen Schurkenstaat vorgehen. Impliziert die Unmöglichkeit, gleichzeitig überall präsent zu sein, dass man gar nichts tun darf?
Nein, es zeigt aber, daß der Besitz oder der bevorstehende Besitz von ABC-Waffen allein kein Kriterium für die Zweckmäßigkeit eines vorbeugenden Krieges gegen den Besitzer ist.
Auch nach damaligen Kenntnisstand - so die Autoren des Berichts - konnte man "nur" davon ausgehen, daß Saddam eine Infrastruktur für potentielle WMD-Programmme besaß und Vorbereitungen getroffen hatte, die Programme wieder anlaufen zu lassen, sobald die Sanktionen aufgehoben waren. Von tatsächlich einsatzfähigen WMDs war er noch sehr weit entfernt.
Wie es weitergegangen wäre, wenn die USA und das UK den Irak nicht angegriffen hätten, darüber können wir nur Vermutungen anstellen. Das kommt auf die weitere Entwicklung der außenpolitischen Lage an, die nicht zuletzt auch von den anderen Mitspielern beeinflußt wird. Jedenfalls hätten sich B&B alle Optionen offengehalten (einschl. Angriff), und sich nicht vorzeitig festgelegt.
Zitat von Gorgasal
Zitat von JeffDavisSelbst wenn es nachweisbar WMD-Programme gegeben hätte, wäre ein vorbeugender Angriff (preemptive war) gegen den Irak nicht zweckmäßig gewesen.
Sondern?
Sich mit ihm verbünden. Bis zum Abzug aus Afghanistan oder bis zur Klärung des Iran-Problems. Danach zB die Kurden und Shiiten im Irak gegen ihn aufhetzen und dann humanitär intervenieren (wie im Kosovo). Oder ein Attentat. Oder dann mit UN-Mandat angreifen. Das käme (s.o.) jeweils auf die jeweilige Situation an. Und WMD-Programm bedeutet nicht einsatzbereite WMD. Bis dahin wäre es noch ein weiter Weg gewesen.
Zitat von GorgasalNachdem Sie oben Indien erwähnen, eine funktionierende Demokratie: ich bin ganz glücklich darüber, dass die USA die Bedrohung durch Atomwaffen je nach Staat unterschiedlich einschätzen. Oder wie Zettel Krauthammer zitiert: demokratische Rechtsstaaten mit Atomwaffen sind nicht das Problem.
Ich auch. Aber der einzige Staat, der jemals Atomwaffen eingesetzt hat, war ein demokratischer Rechtsstaat.
Wie lächerlich, aus bloßer Parteidisziplin auch gegen den fähigen Kandidaten des Gegners zu stimmen. (Klonovsky)
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