Zitat von Zettel(…) Manche Abkürzungen entstehen spontan. Der "Azubi" zum Beispiel war die Reaktion des Volks darauf, daß Ideologen das Wort "Lehrling", weil es angeblich diskriminierend sei, durch "Auszubildende(r)" ersetzten. Das wurde zu "Azubi" verkürzt. Überhaupt ist ja im Neudeutschen "-i" beliebt. Studenten werden zu "Studis", Zivildienstleistende zu "Zivis" usw.
Das meine ich nicht, sondern diese Abkürzeritis, à la Nazizeit und DDR. In den achtziger Jahren hat mir einmal ein Kollge aus der DDR erzählt, der als "Reisekader" in den Westen durfte, wie gern er ins KA reist. KA? - "Kapitalistisches Ausland" hieß das.
Auch »Stasi« endete auf -i und klingt eigentlich nicht gefährlich. Deshalb habe ich immer versucht, diese Abkürzung zu meiden. Das Spitzelsystem war das MfS oder die »Staatssicherheit«, MfS ist aber eine Abkürzung, die jeder in Deutschland versteht.
Die distanzierende Bezeichnung für »Sowjetunion« war »UdSSR«. Die Bezeichnung »Sowjetunion« war im Grunde obsolet, weil die Sowjets (Räte) keine Bedeutung mehr hatten. »UdSSR« war abstrakt. In beiden steckte »Union«, was ja eigentlich nie zutraf.
Wenn bei BmA der Betrieb das letze Wort hatte, denke ich mal wird die Kaderleitung in erster Linie nach den Zensuren und der sonstigen fachlichen und persönlichen Eignung entschieden haben, eher zweitrangig nach dem "Klassenstandpunkt", dann kam es ja noch drauf an wieviel Bewerber auf die Stelle kamen, "Beziehungen" usw. Arbeitskräfte fehlten ja überall.
Nach meinen Erlebnissen war 90% der Schüler von der politischen Einstellung her "normal", dh. "Mitläufer" wenn man dabei von Schülern schon sprechen kann, angepasst. Dunkelrote oder Nicht-Pioniere bzw. Nicht-FDJ-ler waren die Ausnahme.
Die Liste mit den Ausbildungsberufen zur BmA ist in dem Wikipediabeitrag auch verlinkt, ganz unten.
Zitat von stefanolixAuch »Stasi« endete auf -i und klingt eigentlich nicht gefährlich. Deshalb habe ich immer versucht, diese Abkürzung zu meiden. Das Spitzelsystem war das MfS oder die »Staatssicherheit«, MfS ist aber eine Abkürzung, die jeder in Deutschland versteht.
Genauso halte ich es auch, lieber Stefanolix. In meinen Artikeln heißt es fast immer "MfS". "Stasi" benutze ich vielleicht gelegentlich, um zB Wiederholungen zu vermeiden oder in Verbindungen wie "Stasi-Spitzel".
Zitat von stefanolixDie distanzierende Bezeichnung für »Sowjetunion« war »UdSSR«. Die Bezeichnung »Sowjetunion« war im Grunde obsolet, weil die Sowjets (Räte) keine Bedeutung mehr hatten. »UdSSR« war abstrakt. In beiden steckte »Union«, was ja eigentlich nie zutraf.
Meinem Eindruck und meiner Erinnerung nach hieß es in der Bundesrepublik "UdSSR" und in der DDR als Sprachregelung "SU". Oder irre ich mich da?
Zitat von ZettelDas meine ich nicht, sondern diese Abkürzeritis, à la Nazizeit und DDR. In den achtziger Jahren hat mir einmal ein Kollge aus der DDR erzählt, der als "Reisekader" in den Westen durfte, wie gern er ins KA reist. KA? - "Kapitalistisches Ausland" hieß das.
Im März 1990 (neunzehnhundertneunzig) hat mich die Kaderleitung als SW-Reisekader bestätigt. Es gab zwar kein sozialistisches Wirtschaftsgebiet mehr, aber wegen solcher Kleinigkeiten muss man ja nicht alle liebgewordenen Gewohnheiten aufgeben. Das haben alle Bürokratien gemeinsam. Wir haben noch 1995 ein Projekt realisiert, dass der Kunde mit Mitteln der Zonenrandförderung finanzierte. Wäre ja ungerecht diese einzustellen, nur weil es keine Zone mehr gibt.
Zitat von UrlauberIm März 1990 (neunzehnhundertneunzig) hat mich die Kaderleitung als SW-Reisekader bestätigt.
SW - was ist das nun wieder?
Diese Zeit in der ersten Jahrshälfte 1990 in der DDR, vor der Wiedervereinigung, war spannend. Wir waren damals im Sommer mit dem Wohnwagen in Brandenburg, auf einem FKK-Campingplatz südlich von Königswusterhausen, der noch nie einen Wessi gesehen hatte.
Da war in den Städten und Dörfern diese seltsame, manchmal skurrile Stimmung des Umbruchs überall greifbar. Die Kellner und Verkäufer waren meist noch mürrisch, aber einige hatten sich schon auf die Freiheit umgestellt und bemühten sich um die Kunden.
Die Mini-Unternehmen sprossen aus dem Boden; aber niemand hatte eine Ahnung von kaufmännischer Kalkulation. Neben dem Campingplatz baute sich zB ein Verkaufswagen auf, der Bier erst für - ich erfinde jetzt die Zahl - 2 DM die Dose anbot; und als das nicht lief, kostete sie einen Tag später nur noch 80 Pfennig. So tastete man sich an die Marktwirtschaft heran.
Dieser Sommer 1990 war extrem heiß. Eines Tages kam der Platzwart zu uns und sagte, er hätte für uns einen Kasten Mineralwasser auf die Seite geschafft. Ich verstand das überhaupt nicht - denn Mineralwasser gab es doch überall zu kaufen. Aber er hatte eben in der DDR gelernt, daß die Verfügungsgewalt über die Konsumgüter Macht verleiht.
Ob jetzt Abkürzeritis ein speziell deutsches und darüber hinaus ein Ost/West-Unterschied besteht, vermag ich nicht zu sagen. Der Art der Abkürzungen dürften in der DDR auch unterschiedlichen Motivationen zugrunde gelegen haben. Dass man ausschließlich von der BRD sprach hatte zum Einen mit der bewussten Vermeidung des Worts Deutschland nach der endgültigen Abkehr vom Einheitsgedanken in den 60er Jahren zu tun, es dürfte auch eine Rolle gespielt haben, dass man das Wort Republik tunlichst vermeiden wollte, hatte man es doch für sich reklamiert. Allerdings war DDR im Osten die gängige Selbstbezeichnung selbst bei oberen SED-Chargen, die ausführliche Variante wurde eigentlich nur bei offiziellen Anlässen verwendet.
Die Bezeichnungen Sowjetunion und UdSSR habe ich immer als recht gleichberechtigt erlebt, den kleineren Kindern vermittelte man der Einfachheit halber eher die erstere Variante. Aber DDR-Sprachgebrauch ist ohnehin eine hochkomplizierte Geschichte. Alleine die permanente Vermeidung der deutschen Namen für die in den ehemaligen Ostgebieten liegenden Orte! Seltsamerweise galt das nie für die Hauptstädte. Breslau oder Danzig zu sagen war hochriskant, Warschau hingegen war völlig in Ordnung und legal. Ebenso hieß es Moskau, Bukarest oder Prag anstatt die Bezeichnungen in Landessprache zu bemühen.
Als sich Tschechen und Slowaken 1992 voneinander lossagten, wurde als deutsche Kurzbezeichnung für den neuen tschechischen Staat "Tschechien" eingeführt. Man hielt das hier im Osten heute noch weitverbreitete "Tschechei" für historisch belastet. Warum dann aber nicht auch Slowakien statt Slowakei? Deutsche Sprache, schwere Sprache...
PS: Meine Lieblingsabkürzung war eine Postenbezeichnung in meiner Berufsschule. Der IfKuS, also der "Instrukteur für Kultur und Sport".
Zitat von McCluskeyAlleine die permanente Vermeidung der deutschen Namen für die in den ehemaligen Ostgebieten liegenden Orte! Seltsamerweise galt das nie für die Hauptstädte. Breslau oder Danzig zu sagen war hochriskant, Warschau hingegen war völlig in Ordnung und legal. Ebenso hieß es Moskau, Bukarest oder Prag anstatt die Bezeichnungen in Landessprache zu bemühen.
Das war (und ist zum Teil noch) ja im Westen nicht anders. Politisch korrekt war es, den Mund zu verbiegen, um irgendwie "Wrocław" herauszubekommen. Königsberg durfte keinesfalls Königsberg sein, sondern man mußte es Kaliningrad nennen - nach dem treuen Anhänger Stalins Michael Kalinin benannt.
In der DDR, lieber McCluskey, war diese deutsche Selbstverleugnung staatlich erzwungen. In der Bundesrepublik wurde sie de facto von den Wächtern über die PC durchgesetzt.
Jeder Vernnünftige wußte, daß die deutschen Ostgebiete verloren sind. Wer einen Krieg verliert, der bezahlt nun einmal. Aber sich dann so zu verbiegen, daß man auch noch Sprachregelungen bei den Namen von Städten folgt - das war schon sehr deutsch.
Entweder berauschen wir uns an nationalem Größenwahn, oder wir wollen am liebsten gar keine Nation sein.
Und ob das eine oder das andere - immer folgen wir gehorsam dem, was uns verordnet wird.
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