Eigentlich wollte ich dieses Thema in einem einzigen Artikel abhandeln. Aber die Abschnitte - die mir zum Verständnis nötig erscheinen - darüber, was Intelligenz eigentlich ist und wie man sie mißt, haben dann doch schon den Umfang eines Artikels angenommen.
Also muß ich den Leser, der wissen möchte, wie es denn nun mit der Erblichkeit der Intelligenz steht, ein wenig vertrösten; voraussichtlich auf morgen. Wenn er den jetzigen Artikel gelesen hat, wird er - hoffe und denke ich - dann besser verstehen, wie die Aussage von Sarrazin zu bewerten ist; und vor allem warum sie so zu bewerten ist.
Auch wenn die Definition der Intelligenz noch so wissenschaftlich daherkommt, ich kann ihr nichs abgewinnen.
Zitat eine Reihe von sieben Ziffern zu wiederholen oder Unterschiede zwischen Begriffen zu erkennen
Schon der frühen Kindheit erlernt ein Kind das Wiederholen von Zahlenreihen. Über die Bedeutung dieser Abfolge von Lauten weiss das Kind zunächst gar nichts, es ist ein mechanischer Vorgang, aufbauend auf der Fähigkeit, solche Laute im Gedächtnis zu speichern und wieder abzurufen. Ist ein dreijähriges Kind, das bis 20 "zählen" kann, nun intellignet oder nicht? Bevor man die Fähigkeit hat, Unterschiede zwischen Begriffen zu erkennen, muss man die Begriffe kennen und sie in ihrem Umfeld schon gehört und angewandt haben. Hier spielt also das Umfeld die Rolle des Intelligenzverstärkers. Aber ich warte mal ab, was die anderen Folgen dieser Serie noch bringen werden.
Mir scheint das Problem von Sarrazins Ausführungen darin zu bestehen, daß er "erblich" mit "vererbbar" durcheinanderbringt. Die Intelligenz eines Menschen wird wohl zu einem hohen Maß durch seine Erbanlagen bestimmt, insofern erbt man in der Tat seine Intelligenz teilweise von seinen Eltern. Jedoch ist Intelligenz nicht vererbbar, da ja niemand in der Lage ist, seine Intelligenz seinen Kindern zu vererben. Auch dumme Eltern können kluge Kinder haben (und umgekehrt). Selbst unter Geschwistern, die ja die gleichen Eltern haben, sind die Unterschiede in der Intelligenz doch erheblich.
Zitat von vivendiAuch wenn die Definition der Intelligenz noch so wissenschaftlich daherkommt, ich kann ihr nichs abgewinnen.
Ich habe, lieber Vivendi, ja bewußt keine Definition im üblichen Sinn gegeben, sondern nur einen Link zu einer Liste mit etlichen Dutzend Definitionen gesetzt. Denn ich bin der Meinung, daß man durch Definieren keine neuen Erkenntnisse gewinnt, sondern nur durch Messen.
Die operationale Definition ist eben, daß Intelligenz das ist, was die Tests testen. Und nun muß man diskutieren, wie valide diese Operationalisierungen sind; ob sie also das treffen, was wir mit Intelligenz meinen, und ob die so gemessene Intelligenz hinreichend hoch mit Außenkriterien wie dem Berufserfolg korreliert.
Zitat von vivendi
Zitat eine Reihe von sieben Ziffern zu wiederholen oder Unterschiede zwischen Begriffen zu erkennen
Schon der frühen Kindheit erlernt ein Kind das Wiederholen von Zahlenreihen. Über die Bedeutung dieser Abfolge von Lauten weiss das Kind zunächst gar nichts, es ist ein mechanischer Vorgang, aufbauend auf der Fähigkeit, solche Laute im Gedächtnis zu speichern und wieder abzurufen. Ist ein dreijähriges Kind, das bis 20 "zählen" kann, nun intellignet oder nicht?
Es ist wahrscheinlich intelligenter als ein Kind, welches das nicht kann. Wahrscheinlich; denn alle Aussagen in diesem Bereich sind Wahrscheinlichkeitsaussagen. Was übrigens nicht nur für psychologische Tests gilt, sondern zB auch viele medizinische Tests.
Zitat von vivendiBevor man die Fähigkeit hat, Unterschiede zwischen Begriffen zu erkennen, muss man die Begriffe kennen und sie in ihrem Umfeld schon gehört und angewandt haben. Hier spielt also das Umfeld die Rolle des Intelligenzverstärkers.
Sie erhöht die Intelligenz. Kinder werden durch eine günstige Umwelt intelligenter. Nur ist es ein Fehlschluß, daraus abzuleiten, daß also Intelligenz nicht vererbt werde. Ich hoffe, ich kann das im zweiten Teil deutlich machen und belegen.
Zitat von vivendiSchon der frühen Kindheit erlernt ein Kind das Wiederholen von Zahlenreihen.
Eigentlich nicht. Es geht ja nie darum, daß ein Kind schlicht "einszweidreivierfünfsechs" nachsprechen soll. Sondern das wird immer verknüpft mit echtem Zählen, man nimmt also Gegenstände, und ordnet die einzelnen Zahlworte zu. Das Kind lernt die Zahlworte eigentlich nur, weil es sie mit dem Zählen verknüpft. Und wenn es das Konzept des Zählens früher oder ausführlicher kann als andere Kinder, dann ist das ein ganz wichtiges Indiz für Intelligenz.
Zitat von Mark MallokentSelbst unter Geschwistern, die ja die gleichen Eltern haben, sind die Unterschiede in der Intelligenz doch erheblich.
Sie haben dieselben Eltern, aber nicht dieselben Gene. Dieselben Gene haben nur eineiige Zwillinge. Deshalb ist - das werde ich im zweiten Teil erläutern - die Zwillingsforschung ein wichtiges Instrument, um den Einfluß von Anlage und Umwelt zu untersuchen.
Zitat von Mark MallokentMir scheint das Problem von Sarrazins Ausführungen darin zu bestehen, daß er "erblich" mit "vererbbar" durcheinanderbringt.
Das glaube ich nicht. An verschiedenen Stellen macht er klar, daß er über Korrelationen und Wahrscheinlichkeiten spricht. Es sind im wesentlichen seine Gegner, die mit statistischen Grundbegriffen Probleme haben und die von ihm korrekt dargestellten Zusammenhänge auf primitivste Art verkürzen.
Zitat von ZREin IQ-Wert ist dabei dadurch definiert, wieviel Prozent der Bevölkerung einen höheren bzw. einen niedrigeren Punktwert im Test erzielen.
Ein IQ von 100 entspricht einer Leistung, die von genau 50 Prozent der Bevölkerung erreicht wird. Wer mit seiner Leistung eine Standardabweichung oberhalb des Mittelwerts liegt, der hat einen IQ von 115; wer eine Standardabweichung darunter liegt, einen IQ von 85. Entsprechend werden IQs von 130 und von 70 bei Leistungen erreicht, die zwei Standardabweichungen ober- oder unterhalb des Mittelwerts liegen.
Habe ich das jetzt richtig verstanden, dass das Messgerät IQ-Test zum letzten mal in den 50er-Jahren kalibriert wurde? In einer Zeit, als die unmittelbaren Kriegsfolgen noch spürbar waren (Männermangel, evtl. noch Armut und unzureichende Ernährung? Müsste unser IQ-Durchschnitt nicht mittlerweile höher sein?
Beste Grüße, Calimero
---------------------------------------------------- Wir sind alle gemacht aus Schwächen und Fehlern; darum sei erstes Naturgesetz, dass wir uns wechselseitig unsere Dummheiten verzeihen. - Voltaire
Mir scheint, das bestätigt meine These, daß Intelligenz zwar erblich, aber nicht vererbbar ist. Wer dächte hier nicht an Goethes Worte: "Ohne Wahl verteilt die Gaben, ohne Billigkeit das Glück."
Vielleicht war es nicht Sarrazins Fehler, sondern wurde in den Medien so vermittelt. Es wäre ja nicht das erste Mal, daß da Papiertiger aufgebaut und dann mit Aplomp erlegt werden.
Zitat von vivendiSchon der frühen Kindheit erlernt ein Kind das Wiederholen von Zahlenreihen.
Eigentlich nicht. Es geht ja nie darum, daß ein Kind schlicht "einszweidreivierfünfsechs" nachsprechen soll. Sondern das wird immer verknüpft mit echtem Zählen, man nimmt also Gegenstände, und ordnet die einzelnen Zahlworte zu. Das Kind lernt die Zahlworte eigentlich nur, weil es sie mit dem Zählen verknüpft. Und wenn es das Konzept des Zählens früher oder ausführlicher kann als andere Kinder, dann ist das ein ganz wichtiges Indiz für Intelligenz.
Da ich gerade mit meiner 3-jährigen Enkelin durch diese Phase gehe: Zuerst hat sie die Zahlen "auswendig" gelernt. Dann hat sie gelernt, diese Zahlen mit Objekten in Verbindung zu bringen, z.B. indem wir beim "Zählen" nacheinander auf ähnliche Objekte gezeigt haben (Finger, Bausteine). Die Fingerbewegungen werden also mit der Rhythmik im gesprochene Text in synchronisiert. Es handelt sich soweit um rein mechanische Abläufe. Sie kann auch das ganze Alphabet hersagen, weil sie ein Lied gelernt hat. Aber sie kann bisher keine geschriebenen Buchstaben den entsprechenden Lauten zuordnen. Intelligenz oder "gutes" Gedächtnis.
Zitat von Mark MallokentMir scheint das Problem von Sarrazins Ausführungen darin zu bestehen, daß er "erblich" mit "vererbbar" durcheinanderbringt. Die Intelligenz eines Menschen wird wohl zu einem hohen Maß durch seine Erbanlagen bestimmt, insofern erbt man in der Tat seine Intelligenz teilweise von seinen Eltern.
Das ist eine Frage, die mich ernsthaft interessiert. Muss man "vererbbar" unbedingt im genetischen Sinne verstehen. Sind "intelligente" Eltern nicht einfach eher und besser in der Lage, ihre Erkenntnisse, ihre Neugier, ihre Logik, ihre Denkweise, ihre Aufgeschlossenheit, an den Nachwuchs weiter zu geben?
Zitat von CalimeroHabe ich das jetzt richtig verstanden, dass das Messgerät IQ-Test zum letzten mal in den 50er-Jahren kalibriert wurde? In einer Zeit, als die unmittelbaren Kriegsfolgen noch spürbar waren (Männermangel, evtl. noch Armut und unzureichende Ernährung? Müsste unser IQ-Durchschnitt nicht mittlerweile höher sein?
Sie haben vollkommen Recht, das ist der sogenannte Flynn-Effekt. Mit Männermangel allerdings hat er wohl nichts zu tun. Einer der stabilsten Befunde der Intelligenzforschung ist, daß Männer und Frauen sich in ihrer Intelligenz nicht unterscheiden. (Jedenfalls in der Gesamtintelligenz; bei einzelnen Skalen mag es Unterschiede geben).
Das ist ein kleines Problem für die IQ-Messung, aber nur ein kleines. Alle IQs liegen heute etwas höher als vor einigen Jahrzenten (es sieht so aus, als könnte der Effekt sich seit den 90er Jahren abflachen). Die Unterschiede im IQ aber bleiben.
Zitat von vivendiIntelligenz oder "gutes" Gedächtnis.
Die meisten Intelligenzforscher, lieber Vivendi, würden sagen, daß Gedächtnis Teil der Intelligenz ist. Einige meinen, daß die Intelligenz überhaupt nur aus solchen "Teilen" besteht, also einzelnen Fähigkeiten wie abstraktes Denken, räumliche Vorstellung, sprachliche Fähigkeit usw. und eben Gedächtnis.
Die Befunde deuten aber darauf hin, daß es zwischen allen diesen Fähigkeiten eine Korrelation gibt, dh daß - statistisch! - wer im einen Bereich gut ist, eine überzufällige Wahrscheinlichkeit hat, es auch in einem anderen zu sein. (Lieber Gorgasal, mich an unsere seinerzeitige Median-Diskussion erinnerend, füge ich hinzu, daß ich das jetzt vereinfacht ausdrücke ).
Das ist der berühmte "g-Faktor" (g für general), der für viele den eigentlichen Kern der Intelligenz ausmacht.
Zitat von vivendiDas ist eine Frage, die mich ernsthaft interessiert. Muss man "vererbbar" unbedingt im genetischen Sinne verstehen. Sind "intelligente" Eltern nicht einfach eher und besser in der Lage, ihre Erkenntnisse, ihre Neugier, ihre Logik, ihre Denkweise, ihre Aufgeschlossenheit, an den Nachwuchs weiter zu geben?
Unbedingt. Man hat es dann gar nicht mit Heredität zu tun, sondern mit dem, was man "Pseudo-Heredität" genannt hat.
Das ist das methodische Kernproblem bei der Untersuchung des nature-nurture-Problems: Die echte Erblichkeit von dieser Pseudo-Heredität zu trennen. Dazu mehr im zweiten Teil.
Zitat Die meisten Intelligenzforscher, lieber Vivendi, würden sagen, daß Gedächtnis Teil der Intelligenz ist. Einige meinen, daß die Intelligenz überhaupt nur aus solchen "Teilen" besteht, also einzelnen Fähigkeiten wie abstraktes Denken, räumliche Vorstellung, sprachliche Fähigkeit usw. und eben Gedächtnis.
Und davon sollte man tunlichst etwas trennen wie "emotionale Intelligenz", "soziale Intelligenz" etc. trennen; der Intelligenz-Begriff wurde meiner Ansicht nach von der - wie soll ich sagen - Intelligenz als "Informationsverarbeitungsfähig- und -geschwindigkeit" in alle möglichen Bereiche übertragen, und zwar wie mir scheint, um zu kaschieren, dass einige Menschen intelligenter sind als andere. Wenn jeder irgendwie intelligent ist, der eine im eigentlich Sinn, der nächste emotional, der hat eine kreative Intelligenz - dann ist am Ende keiner mehr unintelligent. Scheinbar hat es sich dann mit den Intelligenzunterschieden. Yogeshwar hat diesen Taschenspielertrick am Montag ja auch versucht.
Zitat von Zettel Und nun muß man diskutieren, wie valide diese Operationalisierungen sind; ob sie also das treffen, was wir mit Intelligenz meinen, und ob die so gemessene Intelligenz hinreichend hoch mit Außenkriterien wie dem Berufserfolg korreliert.
Lieber Zettel, darf ich mich der Vorfreude hingeben, dass Sie auch einige Sätze über Volkmar Weiss verlieren werden, der das Thema Vererbung von Intelligenz schon zu DDR-Zeiten (ich bin rein zufällig Mitte/Ende der 80er auf ihn gestoßen) behandelt, und der durch Langzeitstudien eine deutliche Verbindung von Intelligenz und beruflichem Erfolg hergestellt hat.
Mit freundlichem Gruß
-- Political language – and with variations this is true of all political parties, from Conservatives to Anarchists – is designed to make lies sound truthful and murder respectable, and to give an appearance of solidity to pure wind – Eric A. Blair
Zitat von GansguoterUnd davon sollte man tunlichst etwas trennen wie "emotionale Intelligenz", "soziale Intelligenz" etc. trennen; der Intelligenz-Begriff wurde meiner Ansicht nach von der - wie soll ich sagen - Intelligenz als "Informationsverarbeitungsfähig- und -geschwindigkeit" in alle möglichen Bereiche übertragen, und zwar wie mir scheint, um zu kaschieren, dass einige Menschen intelligenter sind als andere. Wenn jeder irgendwie intelligent ist, der eine im eigentlich Sinn, der nächste emotional, der hat eine kreative Intelligenz - dann ist am Ende keiner mehr unintelligent. Scheinbar hat es sich dann mit den Intelligenzunterschieden. Yogeshwar hat diesen Taschenspielertrick am Montag ja auch versucht.
Das würde ich nicht so nennen, lieber Gansguoter. Es stimmt schon, daß die klassischen IQ-Tests solche Bereiche vernachlässigen. (Nicht ganz; im Untertest "Allgemeines Verständnis" des HAWIE wird durchaus auch so etwas wie soziale Intelligenz miterfaßt).
Das erste Mal ist diese Kritik in den sechziger Jahren laut geworden, als man die "Kreativität" entdeckte. Man nannte das damals manchmal "laterales Denken". Auch Kreativität wird in den klassischen IQ-Tests in der Tat nicht erfaßt, ist aber auch schwer zu messen.
Man kann, glaube ich, auch nicht bestreiten, daß die soziale Intelligenz für den Erfolg in vielen Berufen wichtig ist, sogar an Hochschulen. (Ich jedenfalls kenne manchen Kollegen, der seine Karriere mehr seiner sozialen Intelligenz verdankt als seinen intellektuellen Fähigkeiten im klassischen Sinn ).
Denken Sie an Claudia Roth. Ich habe sie einmal in einer dieser Ratesendungen mit Prominenten erlebt, bei der sie die einfachsten Fragen nicht beantworten konnten; um die Peinlichkeit nicht zu groß werden zu lassen, flüsterte man ihr dann von hinten allerlei zu, das ist ja bei solchen Promi-Specials manchmal erlaubt.
Aber dank ihrer sozialen Intelligenz hat sie Karriere gemacht.
Zitat von Uwe RichardLieber Zettel, darf ich mich der Vorfreude hingeben, dass Sie auch einige Sätze über Volkmar Weiss verlieren werden, der das Thema Vererbung von Intelligenz schon zu DDR-Zeiten (ich bin rein zufällig Mitte/Ende der 80er auf ihn gestoßen) behandelt, und der durch Langzeitstudien eine deutliche Verbindung von Intelligenz und beruflichem Erfolg hergestellt hat.
Danke für den Hinweis! Nein, dieser Forscher war mir bisher nicht bekannt; werde mal nachsehen.
Aber es ist schon interessant, daß man in dieser Hinsicht in der DDR undogmatischer war als die meisten Westlinken (siehe auch das Thema Eliteschulen, das wir ja kürzlich hatten). Wenn es "praktisch" wird, dann tritt halt die Ideologie zurück. Die DDR brauchte gute Kader und eine gute "technische Intelligenz"; auch wenn die einen Teil ihrer Leistungsfähigkeit ihren Genen verdankte.
Zitat Man kann, glaube ich, auch nicht bestreiten, daß die soziale Intelligenz für den Erfolg in vielen Berufen wichtig ist, sogar an Hochschulen. (Ich jedenfalls kenne manchen Kollegen, der seine Karriere mehr seiner sozialen Intelligenz verdankt als seinen intellektuellen Fähigkeiten im klassischen Sinn ).
Ich kenne einen Fachbereich, wo das mehr die Regel denn die Ausnahme ist ...
Zitat Denken Sie an Claudia Roth. Ich habe sie einmal in einer dieser Ratesendungen mit Prominenten erlebt, bei der sie die einfachsten Fragen nicht beantworten konnten; um die Peinlichkeit nicht zu groß werden zu lassen, flüsterte man ihr dann von hinten allerlei zu, das ist ja bei solchen Promi-Specials manchmal erlaubt.
Aber dank ihrer sozialen Intelligenz hat sie Karriere gemacht.
Aber "intelligent" im eigentlichen Sinne wird man sie wohl nicht nennen wollen?! Ich wenigstens nicht!
Vielleicht kommt es jetzt wieder darauf an, was der einzelne unter "Kreativität" oder "kreativer Intelligenz" versteht.
Im Studienseminar wenigstens wurde uns beigebracht, alle Schüler seien gleich intelligent, nur in verschiedenen Bereichen - was der eine an Intelligenz in Mathematik habe, habe der andere halt beim Malen, der dritte als Streitschlichter in der Streitschlichter-AG und so fort. In der Summe der so verstandenen Einzelintelligenzen (Mathe-Intelligenz + Sprachintelligenz + Malintelligenz + Sozial-I. ...) seien aber alle gleich intelligent. Auf diese Weise Intelligenzunterschiede wegdiskutieren zu wollen (wie die Studienseminarausbilder) kommt mir schon als Taschenspielertrick vor. Dies dürfte auch die ideologische Grundlage für die NRW-Schulpolitik sein: Es sind ja alle irgendwie intelligent und gleich und dann kann man sie alle in eine Schule packen.
Zitat von ZettelMan kann, glaube ich, auch nicht bestreiten, daß die soziale Intelligenz für den Erfolg in vielen Berufen wichtig ist, sogar an Hochschulen.
Aber warum sollte man es "soziale Intelligenz" nennen? Warum nicht "soziale Fähigkeiten"? Man spricht ja auch nicht von "läuferischer Intelligenz" wenn jemand geschwind die hundert Meter zurücklegen kann.
Intelligenz wird immer schäl angesehen. Der besonders musische, der künstlerisch besonders begabte, der besonders sportliche oder der besonders schöne Mensch, der Dichter, Redner oder Sänger wird akzeptiert oder gar bewundert. Unterschiede in diesen Bereichen werden akzeptiert. Der besonders intelligente Mensch aber ist in der Schulzeit ein Streber ist und im späteren Leben dann eine gefühlskalte Intelligenzbestie (Intelligenz soll also mit anderen Defiziten korreliert oder gar durch diese bedingt sein). Ich frage mich woher das kommen mag...
Zitat von ZettelAber es ist schon interessant, daß man in dieser Hinsicht in der DDR undogmatischer war als die meisten Westlinken (siehe auch das Thema Eliteschulen, das wir ja kürzlich hatten). Wenn es "praktisch" wird, dann tritt halt die Ideologie zurück.
Da habe ich mich wohl missvertändlich ausgedrückt. Volkmar Weiss war umstritten und wurde in der DDR von den Linksaußen schon stark angefeindet und es wurde sogar versucht ihn nicht publizieren zu lassen; aber eine Gruppe von, wie soll ich sagen, "Meritokraten", hat wohl ihre schützende Hand über ihn gehalten. Das Thema habe ich seit damals nicht weiter verfolgt, sodass ich nicht sagen kann, wie hoch sein H-Index ist (irgendwo zwischen 10 und 20, schätze ich).
Mit freundlichem Gruß
-- Political language – and with variations this is true of all political parties, from Conservatives to Anarchists – is designed to make lies sound truthful and murder respectable, and to give an appearance of solidity to pure wind – Eric A. Blair
Zitat Der Vorteil des Tests liegt darin, daß man es präzise bestimmen kann. Wir können dann nicht nur sagen: "X ist ziemlich intelligent", sondern: "X hat einen IQ von 112".
Diese Feststellung widerspricht aller Lebenserfahrung. Nehmen wir mal an, ein Mensch habe eine absolute Intelligenz, messbar durch ein standardisiertes Testverfahren, dann heißt das noch lange nicht, dass ein Testergebnis diese Intelligenz widerspiegelt. Zwischen Fähigkeit und passendem Output kann eine Menge passieren. Ist ein Proband an einem guten Ergebnis interessiert, weil es u.U. zu seinem Vorteil ist, dann würde ich ihm bei einem Test Konzentration und Kooperation unterstellen. Hat ein Proband aber kein gesteigertes Interesse oder keinen Ehrgeiz, dürfte das mit Sicherheit ein Testergebnis beeinflussen. "X hat einen IQ von mindestens 112" dürfte dies besser adressieren.
Was sagt mir meine Lebenserfahrung? Nur einige Beobachtungen:
1. Bei meinem (bisher einzigen) Test in jugendlichem Alter (Ende 60er Jahre, der Test war etwas völlig Neues) hatte ich mich während des Tests mehrfach mit der Frage beschäftigt, ob hinter einer Frage vielleicht etwas Besonderes stecken könnte, dass die offensichtliche Antwort zu einfach sein könnte. Schließlich war der Test als 'Intelligenztest' präsentiert worden, und durfte ja nicht allzu einfach sein. Ich bin sicher, dass das Ergebnis anders ausgefallen wäre (nein, soo 'schlecht' war es nicht), hätte der Test spielerisch stattgefunden.
2. Mein Gehirn arbeitet anders, wenn ich 'unter Strom' stehe als wenn ich eine Woche im Liegstuhl am Strand gesessen bin. Andere haben offensichtlich ähnliche Beobachtungen gemacht, irgendwo habe ich mal gelesen, der IQ sinke im Urlaub.
3. Es gibt nach meiner Beobachtung Menschen, die stehen ständig 'unter Strom', andere bringen Leistung nur, wenn der Stimulus passt. Ein gewisser Grad von Lethargie könnte also dem Testergebnis das ganze Potential vorenthalten.
Es gibt Familien oder auch Volksgruppen, da sind Denkspiele und Rätsel Sport. Probanden aus solchen Familien oder Volksgruppen mögen also in Testsituationen nicht nur mehr Übung haben, sondern auch mehr Bereitschaft zeigen. Wenn das so wäre, dann wird es schwierig die Veerbarkeit der Intelligenz nachzuweisen. Am nächsten käme man einer Aussage hier nur durch Zwillinge, die getrennt wurden (wie hoch sind eigentlich die Unterschiede bei Zwillingen generell?).
Zur Korrelation zum Berufserfolg:
1. Wie wird Berufserfolg gemessen? 2. Besteht nicht sowieso eine Korrelation zwischen dem Aufbau von Intelligenztests und den Fähigkeiten, die wir zum erfolgreichen Leben in unserer Gesellschaft benötigen, und würde diese gar nicht mehr stimmen, wenn die Umgebung eine andere wäre?
Eine weitere Überlegung:
Ich habe die Entwicklung meiner Tochter mit großem Staunen verfolgt. Sie hat im Alter von zwei bis drei Jahren mit großem Interesse Tierbücher mit photgraphischen Abbildungen angeschaut. So hat sie beispielsweise zum erstenmal hier unbekannte Tiere in zweidimensionaler Darstellung aus einer einzigen Perspektive gesehen. Es war mir manchmal fast unbegreiflich, wie sie mit dieser Information später ohne Zögern diese Tiere aus völlig anderer Perspektive oder fast unkenntlich abstrakt dargestellt erkannt hat. Ich behaupte mal, dass diese Fähigkeit Intelligenz ausmacht, aber durch die bestehenden Tests nicht abgeprüft werden kann. Das besondere der mir bekannten Tests ist ja, dass sie über den Informationsträger Papier oder Bildschirm funktionieren. Die menschlichen Sinne sind aber viel breiter ausgebildet. So dürften heutige Intelligenztests nur einen kleinen Bereich der Intelligenz erfassen, die wir 'nach gutem Kennen eines Menschen' in diesem zu erkennen glauben. Und da muss man nicht auf 'soziale Intelligenz' ausweichen.
Wie Sie sicher sehen habe ich eine ausgeprägte Skepsis über die Aussagefähigkeit und Genauigkeit von Intelligenztests, und damit auch über deren Eignung für die Vererbbarkeit von Intelligenz.
Gruß, Martin
Leipziger
(
gelöscht
)
Beiträge:
01.09.2010 22:46
#24 RE: Sarrazin auf dem Prüfstand der Wissenschaft (2): Intelligenz, Teil 1
Zitat von Zettel Alle IQs liegen heute etwas höher als vor einigen Jahrzenten (es sieht so aus, als könnte der Effekt sich seit den 90er Jahren abflachen).
Leider nicht. Der Effekt flacht sich nicht ab. Tatsächlich geht es abwärts, so wie von Spengler vorhergesagt, von Weiss und nun auch Sarrazin ausführlich beschrieben. Mit den Genen hat das natürlich nichts zu tun, man will ja kein Biologist sein. Mit dem Islam hat es auch nichts zu tun. Man will ja kein Islamophobiker sein. Aber woran liegt es dann? Vermutlich Chemtrails oder Tunguska-Sporen.
Zitat von GansguoterIm Studienseminar wenigstens wurde uns beigebracht, alle Schüler seien gleich intelligent, nur in verschiedenen Bereichen - was der eine an Intelligenz in Mathematik habe, habe der andere halt beim Malen, der dritte als Streitschlichter in der Streitschlichter-AG und so fort. In der Summe der so verstandenen Einzelintelligenzen (Mathe-Intelligenz + Sprachintelligenz + Malintelligenz + Sozial-I. ...) seien aber alle gleich intelligent.
Das ist schlicht falsch. Diejenigen, die den Referendaren nicht den Stand der Wissenschaft beigebracht haben, sondern ihre eigenen Phantasien, gehören nachträglich aus dem Beamtenverhältnis entlassen, mindestens.
Zitat von GansguoterDies dürfte auch die ideologische Grundlage für die NRW-Schulpolitik sein: Es sind ja alle irgendwie intelligent und gleich und dann kann man sie alle in eine Schule packen.
Was noch nicht einmal den Schwächeren nützt. Es gibt schlicht keine empirischen Belege dafür, daß längeres "gemeinsames Lernen" irgendwem nützt - den Stärkeren sowieso nicht, den Schwächeren aber eben auch nicht. Siehe zum Beispiel die Stellungnahme des Bildungsforschers Rainer Dollase.
Die angeblichen Belege sehen, soweit ich das verfolgt habe, so aus, daß ein "längeres gemeinsames Lernen" doch auch in den USA oder in Finnland funktioniert. Dabei wird - absichtlich oder aus Dummheit - ausgeblendet, daß die dortigen Schulsysteme von unserem sehr verschieden sind.
Im amerikanischen High-School-System - Sie werden das, lieber Gansguoter, vielleicht besser beurteilen können als ich - herrscht keineswegs mehr Vereinheitlichung, sondern gerade mehr Differenzierung als bei uns. Unter dem gemeinsamen Namen High School gibt es die diversesten Schulen; von solchen, die Schüler mit ganz niedrigem Leistungsniveau unterrichten, bis zu Spezialschulen für Hochbegabte; sogar eine Schule für Homosexuelle gibt es. Ich habe das einmal in ZR thematisiert.
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