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ZETTELS KLEINES ZIMMER

Das Forum zu "Zettels Raum"



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Dieses Thema hat 98 Antworten
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 Kommentare/Diskussionen zu "Zettels Raum"
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Zettel Offline




Beiträge: 20.200

06.12.2010 09:26
#76 RE: Vertrauen Antworten

Zitat von Ungelt
Es ist genau dieses Phänomen, warum manche z.B. in Tschechien die Deutschen fürchten, einige auch hassen. Das selbstverständliche Beanspruchen der Deutungshoheit.


Jetzt bin ich es, der Ihnen nicht mehr folgen kann. Es geht, lieber Ungelt, um ein Wort. Nicht um Tschechen und Deutsche.

Kopfschüttelnd, Zettel

Ungelt ( gelöscht )
Beiträge:

06.12.2010 10:01
#77 RE: Vertrauen Antworten

Zitat von Zettel

Zitat von Ungelt
Es ist genau dieses Phänomen, warum manche z.B. in Tschechien die Deutschen fürchten, einige auch hassen. Das selbstverständliche Beanspruchen der Deutungshoheit.


Jetzt bin ich es, der Ihnen nicht mehr folgen kann. Es geht, lieber Ungelt, um ein Wort. Nicht um Tschechen und Deutsche.
Kopfschüttelnd, Zettel



Wörter sind hier unser einziges Verständigungsmittel, da kommt es schon darauf an. Wamba wird aktiv, wenn die falschen Wörter benutzt wurden. Sie geben Auskunft über die Denkweise dessen, der sie benutzt. Können Vertrauen fördern und zerstören. Sie dienen dazu, das Denken von Menschen zu beeinflussen. Wörter können auch die Würde von Menschen beschädigen. Auch als Begründung von sehr realen Entscheidungen und Taten werden sie benutzt. Wörter könne auch Kriege auslösen. Wem erzähle ich das.

Ich würde Wörter nicht so geringschätzen, Sie tun es als Wamba ja auch nicht. Ich empfehle den Forsyth-Brief zu lesen. Sowohl seine Beziehung zu Deutschland als auch seine Meinungen sind meinen nicht unähnlich. Und er kann um 500% besser schreiben.

Ja, irgendwie, Ungelt.

Zettel Offline




Beiträge: 20.200

06.12.2010 11:33
#78 RE: Vertrauen Antworten

Zitat von Ungelt
Wörter sind hier unser einziges Verständigungsmittel, da kommt es schon darauf an. Wamba wird aktiv, wenn die falschen Wörter benutzt wurden. Sie geben Auskunft über die Denkweise dessen, der sie benutzt. Können Vertrauen fördern und zerstören. Sie dienen dazu, das Denken von Menschen zu beeinflussen. Wörter können auch die Würde von Menschen beschädigen. Auch als Begründung von sehr realen Entscheidungen und Taten werden sie benutzt. Wörter könne auch Kriege auslösen. Wem erzähle ich das.


Ja, das können Wörter, lieber Ungelt.

Aber ich kann unseren jetzigen Dissens damit nicht in Verbindung bringen. Wir sind uns einig, daß Obama möglicherweise Ziele verfolgt, die er aus seiner Sicht für gut hält, die aber den USA schaden, unter Umständen auch dem Weltfrieden.

Wenn ein Präsident sich so verhält, dann nenne ich das unfähig. Aber es ist eine andere Art von Unfähigkeit, als wenn er nicht in der Lage ist, seine Ziele zu erreichen. Das habe ich mit der Unterscheidung zwischen Unfähigkeit auf der strategischen und der taktischen Ebene zu erfassen versucht.

Vielleicht haben Sie Recht und "strategische Unfähigkeit" ist kein guter Begriff. Welchen anderen finden Sie treffender? Realitätsferne, Verstiegenheit? Ich bin dabei, wenn wir es so nennen wollen.

Ich fand unsere Diskussion bis zu diesen letzten Beiträgen von uns beiden fruchtbar. Mir schien, daß wir ein Mißverständnis geklärt hatten. Ich fand auch Ihre drei Punkte oder Ebenen sehr hilfreich. Mir schien eigentlich alles geklärt zu sein, bis auf die Terminologie. Und was diese angeht, will ich mich, wie gesagt, gern anpassen.

Deshalb verstehe ich Ihre Reaktion in Ihrem vorletzten Beitrag nicht.

Daß Sie das Verhältnis zwischen Deutschen und Tschechen ins Spiel gebracht haben, hat mich ... tja, was? Betrübt, entsetzt, erschreckt, ratlos gelassen.

Irgend etwas davon oder alles. Ich kann das überhaupt nicht mit der vorausgehenden Diskussion in Verbindung bringen.

Naja, man muß einander ja nicht immer vestehen. Gedanken kann man nicht lesen, da haben Sie schon Recht.

Unverändert herzlich,

Zettel

Ungelt ( gelöscht )
Beiträge:

06.12.2010 13:24
#79 RE: Vertrauen Antworten

Zitat von Zettel
Deshalb verstehe ich Ihre Reaktion in Ihrem vorletzten Beitrag nicht.


Das kann ich ihnen gerne erklären: Es war zunächst nicht die Reaktion auf Ihren letzten Beitrag, es war eine Reaktion auf die ganze Diskussion und möglicherweise auch auf einge davor. Wir haben einfach eine sehr unterschiedliche - ich möchte es mal "Standfestigkeit" nennen. Das hat möglicherweise sowohl berufliche, als auch, wie von mir vermutet, kulturelle Hintergründe. Ich habe sowohl in der Verwandschaft als auch unter Bekannten einige Lehrer. Es ist natürlich keine statistisch signifikante Zahl, aber das bekannte Vorurteil fand ich in fast allen Fällen bestätigt.

Ich neige einfach mehr zum "leben und leben lassen", und zwar jeden nach seiner "Fasson", wenn ich das Gefühl habe, fair behandelt zu werden. Dazu gehört auch, daß man nicht versucht "auf biegen und brechen" die eigene Meinung durchzudrücken und auch mal einen Fehler eingestehen kann. Ein zurückweichen und Ausgleichen aber, zu dem sich manche instinktiv verpflichtet fühlen, rezipieren sie meinem Eindruck nach umgehend als Bestätigung ihrer Thesen und fühlen sich möglicherweise auch noch ermuntert, noch einen Zahn zuzulegen.

Das wird ihnen vermutlich überhaupt nicht auffallen, so wie sie z.B. auch FKK für absolut normal halten und jeden, bei dem es nicht der Fall ist für "irgendwie komisch" finden. So wie es manchen Deutschen oder Italienern in der Prager Straßenbahn auch nicht auffällt, daß sie die Einzigen sind, deren Unterhaltung man über die ganze Länge des Wagens mitverfolgen kann. Wenn man die Sprache versteht. Den Italienern verzeiht man das eher, weil sie eben "temperamentvoll" sind und es auch lustiger klingt, Bei den Deutschen empfindet man es eher als Wichtigtuerei und Überlegenheitsgeste. Es ist inzwischen zwar bekannt, daß man in Tunesien nicht unbedingt in einem kurzen Rock auf die Straße geht, aber damit hat es sich auch, im Wesentlichen. Das es auch innerhalb Europas noch gewisse Unterschiede gibt, wird nicht so wahrgenommen. Und wenn, dann als eine nich weiter zu berücksichtigende Schnurre. Um genauer zu sein: es ist natürlich individuell sehr unterschiedlich. Und zu den schlechen Eigenschaften der Tschechen können wir jederzeit einen neuen Thread gründen, damit auch genügend Platz zur Verfügung steht.

Das ist eben auch der Hintergrund, warum Deutsche in Tschechien oft reserviert betrachtet werden, sie haben den Ruf manchmal recht rücksichtslos zu agieren. Mit dem Hintergedanken im Kopf, meinem Eindruck nach, daß wer sich nich entsprechend wehrt, selber schuld sei. Es ist aber der kulturelle Hintergrund, der dazu führt, das Gefühl dafür, "was man tut" und "was man eben nicht tut". Ich betrachte es übrigens als eine sehr positive kulturelle Leistung, diese möglicherweise etwas "übersteigerte Rücksichtnahme".

Und nein, und es gibt keine universellen Wahrheiten, an denen wir den Zustand der Welt messen könnte. Außer einiger extremen Erscheinungen natürlich.

Herzlich Ungelt

Ungelt ( gelöscht )
Beiträge:

06.12.2010 14:44
#80 RE: Vertrauen Antworten

Zitat von Zettel
Wir sind uns einig, daß Obama möglicherweise Ziele verfolgt, die er aus seiner Sicht für gut hält, die aber den USA schaden, unter Umständen auch dem Weltfrieden.

Wenn ein Präsident sich so verhält, dann nenne ich das unfähig. Aber es ist eine andere Art von Unfähigkeit, als wenn er nicht in der Lage ist, seine Ziele zu erreichen. Das habe ich mit der Unterscheidung zwischen Unfähigkeit auf der strategischen und der taktischen Ebene zu erfassen versucht.


Nein. Ich bin der Meinung, daß es keine objektiven Maßstäbe dafür gibt, was "den USA schadet", oder meintwegen auch dem Welfrieden. Es ist immer eine Frage der Perspektive - so wie bei Klimabetrachtungen der betrachtete Zeitraum wichtig ist, den man berücksichtigt. (Danke, Kallias!) Man könnte ja auch der Meinung sein, als Beispiel, daß wenn einmal die ganze Welt muslimisch wäre, der Weltfrieden damit auf alle Zeiten endlich gesichert wäre. Warum sollte Obama nicht z.B. der Meinung sein, daß man Israel opfern müsse, um den Welfrieden und die "Aussöhnung mit dem Islam" zu erreichen? Sie können sich doch jederzeit einige bekloppte Scenarios zurechtbasteln, Opferzahlen gegenrechnen, und dann eben eine "gangbare Lösung" anstreben.

Welche "objektiven Beweise" wollen Sie denn vorbringen, wenn einer der Meinung ist, daß Freiheit weniger wichtig ist, als der Frieden oder das was er möglicherweise unter "Gerechtigkeit" versteht? Da gibt es, meiner Meinung nach, keine Beweise, nur Haltungen. Das kann mich zwar wütend machen, oder verzweifeln lassen, aber mit irgendwelchen objektiven Wahrheiten hat das nichts zu tun. Das ist Politik, der Kampf verschiedener Grundüberzeugungen. Da sitzen sie nicht wie ein Tennisschiedsrichter oben auf dem Stühlchen und entscheiden, welcher Punkt zählt und welcher nicht.

Und deswegen ist "Versagen" nicht der richtige Begriff, es kann sich ebenso um eine sehr effektive Realisierung einer aus unserer Sicht total verhängnisvollen, aber doch angestrebten Politik handeln. Das glatte Gegenteil von "Versagen", also. ((Und auch "schaden wollen" ist es natürlich nicht.)

Herzlich Ungelt

Zettel Offline




Beiträge: 20.200

06.12.2010 15:38
#81 Möglichkeiten Antworten

Zitat von Ungelt
Warum sollte Obama nicht z.B. der Meinung sein, daß man Israel opfern müsse, um den Welfrieden und die "Aussöhnung mit dem Islam" zu erreichen? Sie können sich doch jederzeit einige bekloppte Scenarios zurechtbasteln, Opferzahlen gegenrechnen, und dann eben eine "gangbare Lösung" anstreben.


So ist es, lieber Ungelt. Denkbar ist sehr viel. Bekloppte Szenarien gibt es ohne Ende.

Die Frage "Warum sollte nicht ...?" wird man fast nie mit dem Nachweis beantworten können, daß das nicht möglich ist. Ausschließen kann man sehr wenig; selbst die Widerlegung einer wissenschaftlichen Theorie ist selten zwingend.

In Robert Musils "Mann ohne Eigenschaften" ist der Held Ulrich ein "Möglichkeitsmensch". Ich bin von Ausbildung und Naturell her kein Möglichkeitsmensch. Ich glaube nur das, wofür es hinreichende Belege gibt, gegeben die jeweilige a-priori-Wahrscheinlichkeit.

Für das, was Sie in Bezug auf Präsident Obama fragen, gibt es keinen Beleg, noch nicht einmal ein Indiz.

Das heißt nicht, daß es ausgeschlossen ist. Aber ich kann keinen Sinn darin sehen, über die zahllosen Möglichkeiten zu diskutieren oder auch nur nachzudenken, die es in dieser Welt gibt. Das wird uferlos. Das Universum dessen, was möglich ist, ist unendlich; sich etwas davon herauszugreifen ist, beliebig. Man muß Kriterien anlegen.



Vernünftige Kriterien sind aus meiner Sicht die jeweiligen empirischen Belege und die a-priori-Wahrscheinlichkeit dafür, daß etwas der Fall ist. Die a-priori-Wahrscheinlichkeit dafür, daß morgen die Sonne aufgeht, ist hoch; also werde ich das Morgengrauen darauf zurückführen, selbst wenn ich die Sonne nicht sehen kann. Die a-priori-Wahrscheinlichkeit dafür, daß diese Helligkeit von der Explosion einer Atombombe herrührt, ist gering. Also werde ich das selbst dann nicht glauben, wenn es zugleich mit dem Morgengrauen blitzt und seltsame pilzartige Wolken aufsteigen.

Diese Art des Abwägens von Wahrscheinlichkeiten ist, lieber Ungelt, mein Blick auf die Wirklichkeit. Und übrigens das, was ich meine, wenn ich "vernünftige Gedanken" in den Untertitel von ZR hineingeschrieben habe; den großen Aufklärer Wolff zitierend.

Man kann es anders sehen, Sie sehen es wahrscheinlich anders. Das kann man nur zur Kenntnis nehmen und versuchen, den anderen zu verstehen.

Herzlich, Zettel

Gansguoter Offline



Beiträge: 988

06.12.2010 16:29
#82 RE: Möglichkeiten Antworten

Zitat
Für das, was Sie in Bezug auf Präsident Obama fragen, gibt es keinen Beleg, noch nicht einmal ein Indiz.



Die Anbiederung an den Islam einerseits, das Verhalten Obamas oder seiner Regierung gegenüber der israelischen Regierung lässt schon befürchten, dass hier die Prioritäten anders gesetzt werden. Als Israeli sähe ich in den USA unter Obama keinen verlässlichen Garanten meiner Sicherheit.

Zettel Offline




Beiträge: 20.200

06.12.2010 19:54
#83 Israels Sicherheit Antworten

Zitat von Gansguoter

Zitat
Für das, was Sie in Bezug auf Präsident Obama fragen, gibt es keinen Beleg, noch nicht einmal ein Indiz.


Die Anbiederung an den Islam einerseits, das Verhalten Obamas oder seiner Regierung gegenüber der israelischen Regierung lässt schon befürchten, dass hier die Prioritäten anders gesetzt werden. Als Israeli sähe ich in den USA unter Obama keinen verlässlichen Garanten meiner Sicherheit.



Das tun viele Israelis nicht, und ich habe darüber ja auch geschrieben, lieber Gansguoter. Dasselbe gilt für Südkorea; das habe ich ja gerade in ZR diskutiert. So, wie Obama sich im Irak und in Afghanistan verhält, muß man befürchten, daß kein Alliierter sich auf ihn verlassen kann, wenn es hart auf hart kommt.

Aber was Ungelt geschrieben hat, scheint mir etwas anderes zu sein:

Zitat von Ungelt
Man könnte ja auch der Meinung sein, als Beispiel, daß wenn einmal die ganze Welt muslimisch wäre, der Weltfrieden damit auf alle Zeiten endlich gesichert wäre. Warum sollte Obama nicht z.B. der Meinung sein, daß man Israel opfern müsse, um den Welfrieden und die "Aussöhnung mit dem Islam" zu erreichen?


Also keine Unzuverlässigkeit eines amerikanischen Alliierten, sondern ein Bestreben, die ganze Welt muslimisch zu machen und dafür Israel zu opfern.

Dafür sehe ich kein Indiz.

Herzlich, Zettel

Ungelt ( gelöscht )
Beiträge:

06.12.2010 21:56
#84 RE: Israels Sicherheit Antworten

Zitat von Zettel

Zitat von Ungelt
Man könnte ja auch der Meinung sein, als Beispiel, daß wenn einmal die ganze Welt muslimisch wäre, der Weltfrieden damit auf alle Zeiten endlich gesichert wäre. Warum sollte Obama nicht z.B. der Meinung sein, daß man Israel opfern müsse, um den Welfrieden und die "Aussöhnung mit dem Islam" zu erreichen?

Also keine Unzuverlässigkeit eines amerikanischen Alliierten, sondern ein Bestreben, die ganze Welt muslimisch zu machen und dafür Israel zu opfern.
Dafür sehe ich kein Indiz.



Ich habe dieses "Konzept" als ein Beispiel dafür beschrieben, daß es neben dem dem Ihrem "objektiven gut und schlecht", dessen reale Existenz ich bestreite, fast beliebig viele "alternative Konzepte" geben kann, die man weder in die Ecke der "strategischen Unfähigkeit", noch der "allgemeinen Unfähigkeit", noch des "Schlechtes wollen" schieben kann. Dieses soll es ja nach ihrer Theorie ja nicht geben können. (Sonst können Sie nicht mit Sicherheit auf welche auch immer "Unfähigkeit" schließen.)

Um zu beweisen, daß es das aber doch geben kann, braucht man aber keine Indizien für einen realen Plan. Es ist ja eine ausschließlich logische Beweisführung, keine empirische. Wir reden die ganze Zeit ja davon, ob man ausschließen kann, daß es das überhaupt gibt. Nur dann würde Ihre "Obama-Unfähigkeitstheorie" stimmen, natürlich nur unter der Voraussetzung, daß man zusätzlich "Schlechtes wollen" als "Absurd" einstuft.

Ich kann morgen gerne ausführlich und mit Zitaten ausgeschmückt darauf zurückkommen, wenn Sie möchten.

Gute Nacht, Ungelt

Zettel Offline




Beiträge: 20.200

06.12.2010 23:41
#85 Common Sense Antworten

Zitat von Ungelt
Um zu beweisen, daß es das aber doch geben kann, braucht man aber keine Indizien für einen realen Plan. Es ist ja eine ausschließlich logische Beweisführung, keine empirische.


Da sind wir uns völlig einig, lieber Ungelt. Ich habe ja immer wieder geschrieben, daß man wenig mit Sicherheit ausschließen kann.

Gerade lief in den "Tagesthemen" ein Beitrag zum Moon Hoax. Wann kann man völlig ausschließen, daß die Mondlandung getürkt war? Wenn es Fotos von der Startplattform des Eagle gibt, die immer noch auf dem Mond steht? Die können gefälscht sein. Wenn man diese Plattform zur Erde zurücktransportiert hat? Das kann alles ebenso getürkt sein wie die Mondlandung selbst.



Der Punkt, der mich seit langem interessiert (siehe die Serien über Realität und über Verschwörungstheorien) ist, wie man in einer Welt zurechtkommt, in der nahezu alles möglich ist.

Jemand kann paranoid sein und dabei hochintelligent. Man kann die Ereignisse so deuten, daß sie in ein solches Weltbild passen.

Marxisten können alles, was es auf dieser Welt gibt, in ihr Weltbild integrieren. Islamisten können es.

Ich habe schon einmal von einem ehemaligen Kollegen geschrieben, einem glänzenden Forscher, der daran glaubte, daß die Welt vor fünf- oder sechstausend Jahren erschaffen worden ist. Er war nicht zu widerlegen, so sehr ich mir auch Mühe gab.



Warum glauben die meisten Menschen das alles nicht? Ich habe im Grunde keine befriedigende Antwort.

Ich vermute, die Meisten von uns sind intuitive Baysianer. Sie haben ein Gespür dafür, wie plausibel etwas ist. Das ist es, was die Angelsachsen common sense nennen. Man hat es gelernt (vielleicht gibt es dafür eine biologische Basis), a-priori-Wahrscheinlichkeiten abzuschätzen; die Zuverlässigkeit von Informationen abzuschätzen (perfekte Baysianer sind wir nicht; dazu gibt es keine ganze Forschung unter der Überschrift base rate fallacy).

Ein anderes englisches Wort in diesem Zusammenhang, das man schwer übersetzen kann, ist reasonable. Es heißt nicht "vernünftig" im Sinn einer Vernunft schlußfolgendernden Denkens. Es meint die Vernünftigkeit, die sich im praktischen Leben bewährt. Reasonable prices sind vernünftige Preise; solche, mit denen Käufer und Verkäufer gleichermaßen leben können.



Common sense - ein schönes Wort, weil es eben auch um das common geht; in der Übersetzung "gesunder Menschenverstand" geht das verloren.

Verstiegene, extreme Ideen über die Welt schleifen sich im Kontakt mit Andersdenkenden sozusagen ab. Sie gedeihen nur im geschlossenen Biotop einer Gruppe von Gläubigen, von Eingeweihten, die sich gegenseitig bestärken.

"Schwarmintelligenz" ist ja im Augenblick ein Modebegriff. Mag sein, daß gemeinsam auch intelligentere Lösungen gefunden werden können als allein. Wichtiger scheint mir zu sein, daß in einer Gruppe, wenn sich ihre Mitglieder frei austauschen können, in der Regel das Vernünftige durchsetzt. Eben der common sense.

Das muß nicht so sein, und das macht die Sache so schwierig. Es gibt ja auch das Gegenteil - Gruppen, deren Dynamik zu Fehleinschätzungen führt, gerade zu extremen, wirklichkeitsfernen Meinungen und Entscheidungen. Warum das passieren kann, ist eine interessante Frage.

Ich habe in Statistikvorlesungen gelegentlich ein kleines Experiment gemacht: Man male einen Strich an die Tafel. Wie lang ist er, in Zentimetern? Wenn man einzelne Hörer aufruft und um ihre Schätzung bittet, bekommt man naturgemäß unterschiedliche Werte. Lassen Sie das hundert Leute machen, ihre Schätzungen aufschreiben und das auswerten. Man wird im allgemeinen finden, daß das arithmetische Mittel sehr nah am wahren Wert liegt.

Aber nehmen Sie eine kleine Gruppe und vereinbaren Sie zuvor mit Zweien von Denen, die in dieser Gruppe viel gelten, daß sie sich sofort melden und falsche Schätzungen nennen sollen. Der Rest wird in einem gewissen Umfang folgen; der Mittelwert der Schätzungen wird nicht mehr nah am wahren Wert liegen.



Wir sind alle Irrtümern unterworfen. Aber unsere Irrtümer heben sich zum Teil gegenseitig auf. Das ist auch in diesem Forum so. Wir streiten. Wir setzen unsere jeweiligen Irrtümer gegeneinander. Am Ende sind wir alle a bisserl schlauer.

Um den jüdischen Witz zu variieren, den ich kürzlich zitiert habe: Lachen würde ich ja, wenn wir am Ende alle dümmer wären.

Herzlich, Zettel

Ungelt ( gelöscht )
Beiträge:

07.12.2010 09:15
#86 RE: Common Sense Antworten

Zitat von Zettel

Zitat von Ungelt
Um zu beweisen, daß es das aber doch geben kann, braucht man aber keine Indizien für einen realen Plan. Es ist ja eine ausschließlich logische Beweisführung, keine empirische.


Da sind wir uns völlig einig, lieber Ungelt. Ich habe ja immer wieder geschrieben, daß man wenig mit Sicherheit ausschließen kann.
Gerade lief in den "Tagesthemen" ein Beitrag zum Moon Hoax. Wann kann man völlig ausschließen, daß die Mondlandung getürkt war? Wenn es Fotos von der Startplattform des Eagle gibt, die immer noch auf dem Mond steht? Die können gefälscht sein. Wenn man diese Plattform zur Erde zurücktransportiert hat? Das kann alles ebenso getürkt sein wie die Mondlandung selbst.



Sehr geehrter Zettel,

sie sagen, daß man "wenig mit Sicherheit ausschließen kann", was ich für mich mal übersetze als "eine kleine Restunsicherheit bleibt bestehen, vernachlässigbar aber, weil nicht bewiesen". Im Ergebnis also nicht zu berücksichtigen. Sonst wäre Ihre Festlegung auf "Unfähigkeit" ja nicht begründbar. Ist das richtig? Dann fasse ich wieder einmal zusammen:

- Sie bahaupten, Obamas Politik sei zu 100% "Unfähigkeit", welcher Art auch immer, zu 0% "schaden wollen" ("absurd"), und eine andere Möglichkeit "ist nicht auszuschließen, aber jedenfalls so unwahrscheinlich, daß sie hier nicht mitbedacht werden muß.

- ich behaupte, das "Versagen" durchaus in Frage kommt, "schaden wollen" möglich aber sehr unwahscheinlich ist, die Möglichkeit aber, daß Obama einfach eine anderes Konzept, eine andere Politik verfolgt als Ihre "objektiv gute" sehr gut möglich ist. Zwei Beispiele für eine solche "andere Politik", mit der er subjektiv durchaus "nicht schaden will", habe ich in meinem letzten Beitrag skizziert. (Ich behauptete und behaupte nicht, daß eines davon zutrifft, es sind eben nur Beispiele dafür, daß es abweichende Politikansätze durchaus geben kann)

Und Sie stellen mich jetzt in den Zusammenhang mit Verschwörungstheoretikern, obwohl ich drei verschiedene Ansätze für prinzipiell möglich halte, ohne mich für einen davon festzulegen.

Dafür beanspruchen Sie für Ihre Herangehensweise Wissenschaftlichkeit, obwohl Sie Obamas Motive für sein Tun genau zu kennen glauben und eine andere Zielsetzung als Ihre grundsätzlich verneinen. (Weil es dafür ja keine Belege gibt.)

Wir analysieren hier aber keine Wasserprobe, sondern sind prinzipiell auf Vermutungen angewiesen. Politische Konzepte und Absichten werden nicht im Vorfeld in alle Welt hinausposaunt, weil es deren Verwirklichung empfindlich stören würde. Es ist das Wesen von Politik, daß sie auch mit Geheimdiplomatie, Überraschungen und Überrumpelungen agiert. Das Fehlen von Beweisen bedeutet hier noch lange nicht, daß es solche Konzepte nicht gibt. Es bedeutet nicht einmal, daß es unwahrscheinlich ist, daß es sie gibt. Im Gegenteil, das Fehlen solcher Konzepte wäre sehr ungewöhnlich, und es wäre auch sehr ungewöhnlich, wenn sich das Obama-Konzept mit Ihrer "objektiv guten Politik" decken würde. Dann wäre doch McCains und Obamas und Ihr Konzept im Prinzip deckungsgleich, nicht? Warum wählt man dann überhaupt, nur um den "Fähigeren" auszusuchen, der das schon zuvor feststehende Konzept umsetzt? Das kann ich wirklich nicht ernst nehmen, und Ihr Beharren auf Beweise halte ich in diesem Punkt für pure Diskussionstaktik.

Ich halte Ihre Position auch für das Gegenteil eines wissenschaftlichen Vorgehens. Logisch plausible Alternativen auszuschließen, weil naturgemäß stichhaltige Beweise fehlen, ist ein größeres Wagnis, als sie im Spektrum der denkbaren Alternativen zu belassen. Ich halte Ihr Verhalten in dieser Sache nach wie vor für ein Test, möglicherweise auch ein Spiel, mit dem Sie sich beweisen wollen, daß sie in der Lage sind jeden beliebigen Unsinn ihren Mitdiskutanten gegenüber in einer Diskussion "durchzusetzen". Ein Spiel, oder eine Taktik, die ich für unwürdig und eigentlich auch für beleidigend halte. Es ist mir absolut unmöglich zu glauben, daß Sie tatsächlich einen anderen als Ihren "objektiv guten" Politikansatz bei Obama so weit ausschließen, daß sie glauben, ihn nicht ernsthaft berücksichtigen zu müssen.

Und, ich muß es sagen, weil es aus meiner Sicht leider der Wahrheit entspricht: ich halte das für ein im Prinzip unzumutbares Vorgehen. Wären hier nicht so viele von mir geschätzte Zimmerleute versammelt, die eine offene und angenehme Diskussionskultur pflegen und sehr interessante Tatsachen und Sichtweisen einbringen, hätte ich mich hier schon lange verabschiedet.

Herzlich, Ungelt

Zettel Offline




Beiträge: 20.200

07.12.2010 09:18
#87 RE: Common Sense Antworten

Zitat von Ungelt
Und, ich muß es sagen, weil es aus meiner Sicht leider der Wahrheit entspricht: ich halte das für ein im Prinzip unzumutbares Vorgehen. Wären hier nicht so viele von mir geschätzte Zimmerleute versammelt, die eine offene und angenehme Diskussionskultur pflegen und sehr interessante Tatsachen und Sichtweisen einbringen, hätte ich mich hier schon lange verabschiedet.


Ich kann mich Ihnen offenbar nicht verständlich machen. Belassen wir's halt dabei.

Herzlich, Zettel

R.A. Offline



Beiträge: 8.171

07.12.2010 12:10
#88 RE: Globale Erwärmung Antworten

Mal wieder von Obama weg zur Frage, wie lange eine Abweichung von der Prognose sein muß, um diese zu entwerten.

Da gibt es wohl einen neuen Stand:
http://www.dailymail.co.uk/sciencetech/a...ear-record.html

Wenn das stimmt, dann hätten wir schon 15 Jahre Stagnation (also ist das IPCC-Modell schon deutlich länger widerlegt als bestätigt).
Und die IPCC-Propagandisten haben das sogar als Problem bestätigt.

Solche Äußerungen hätten nun wirklich eine Mediensensation sein müssen.

Meyer2 ( gelöscht )
Beiträge:

07.12.2010 19:32
#89 RE: Globale Erwärmung Antworten

Zitat von R.A.
Solche Äußerungen hätten nun wirklich eine Mediensensation sein müssen.

Deshalb "hide the decline".
Das war auch eine Mediensensation - außerhalb Deutschlands.

C. Offline




Beiträge: 2.639

08.12.2010 00:24
#90 RE: Globale Erwärmung Antworten

Zitat von R.A.
Wenn das stimmt, dann hätten wir schon 15 Jahre Stagnation (also ist das IPCC-Modell schon deutlich länger widerlegt als bestätigt). Und die IPCC-Propagandisten haben das sogar als Problem bestätigt.
Solche Äußerungen hätten nun wirklich eine Mediensensation sein müssen.



Ich hätte nicht gedacht, dass das Glübirnenverbot so schnell und nachhaltig wirkt. Wenn wir weiter so erfolgreich das Klima bekämpfen, können wir bald zu Fuß den Ärmelkanal überqueren; entweder er friert zu oder er trocknet aus.

http://www.iceagenow.com/

Zettel Offline




Beiträge: 20.200

08.12.2010 01:52
#91 RE: Globale Erwärmung Antworten

Zitat von R.A.
Mal wieder von Obama weg zur Frage, wie lange eine Abweichung von der Prognose sein muß, um diese zu entwerten.
Da gibt es wohl einen neuen Stand:
http://www.dailymail.co.uk/sciencetech/a...ear-record.html
Wenn das stimmt, dann hätten wir schon 15 Jahre Stagnation (also ist das IPCC-Modell schon deutlich länger widerlegt als bestätigt).


So neu ist die Entdeckung eigentlich nicht, lieber R.A., daß die globale Temperatur in der vergangenen Dekade ein Plateau erreicht hat. Siehe Es ist vorerst vorbei mit der globalen Erwärmung. Haben die Klimaskeptiker am Ende doch Recht? ; ZR vom 17. 11. 2009.

Ob es nun eher zehn oder doch eher schon fünfzehn Jahre sind, ist schwer zu entscheiden. Es hängt halt davon ab, wie man die Regression anpaßt. In dieser Grafik der amerikanischen National Oceanic and Atmospheric Administration kann man sich die Daten ansehen. Es gehört schon einiger Mut dazu, diesen Daten eine lineare Regression anzupassen, wie man es häufig sieht.

Man kann diese Daten so und so lesen: Auch 2010 ist wieder eines der wärmsten Jahre seit 1880. Auch 2010 liefert andererseits keinen Hinweis auf einen weiteren Anstieg der globalen Temperatur seit ungefähr 2000 oder etwas davor.

Soweit ich das beurteilen kann, weiß man im Augenblick einfach nichts. The data are ambiguous, würde man im Slang der Naturwissenschaftler sagen.

Wenn die Erwärmung von ungefähr 1980 bis ungefähr 2000 überwiegend natürlichen, zyklisch wirkenden Ursachen zuzuschreiben ist, dann sollte das Plateau die erste Phase eine Umkehrung des Trends sein; also einer Abkühlung in der kommenden Dekade. Wenn es sich nur um eine (durch gegenwirkende natürliche Ursachen bedingte) Pause in einem Anstieg handelt, dann sollte dieser in der nächsten Dekade weitergehen.

Im Augenblick kann, soweit ich sehe, niemand sagen, ob die Daten auf das eine oder das andere hindeuten.

In zehn Jahren wissen wir mehr. Dann wird sich entschieden haben, wer Recht hat. Bis dahin kann man nur, wie ich es mit einer gewissen Verbissenheit tue, dafür plädieren, nicht die Lücken in unserem Wissen durch Glauben zu stopfen.

Weder den von Orthodoxen noch aber auch den von Ketzern.

Herzlich, Zettel

Zettel Offline




Beiträge: 20.200

08.12.2010 14:36
#92 RE: Globale Erwärmung Antworten

Zitat von Zettel
In dieser Grafik der amerikanischen National Oceanic and Atmospheric Administration kann man sich die Daten ansehen. Es gehört schon einiger Mut dazu, diesen Daten eine lineare Regression anzupassen, wie man es häufig sieht.
Man kann diese Daten so und so lesen: Auch 2010 ist wieder eines der wärmsten Jahre seit 1880. Auch 2010 liefert andererseits keinen Hinweis auf einen weiteren Anstieg der globalen Temperatur seit ungefähr 2000 oder etwas davor.


Da Werke der US-Regierung keinem Copyright unterliegen, kann ich die Abbildung anhängen. Es ist eine etwas andere Aufbereitung der Daten als in der verlinkten Abbildung; nämlich getrennt für die nördliche und die südliche Halbkugel statt für Ozeane und Landmassen.

Auch in dieser Abbildung (darauf klicken) ist deutlich zu sehen, daß es seit Ende der neunziger Jahre keine weitere Erwärmung mehr gibt, aber auch bisher keine Anzeichen für ein Ende der jetzigen Wärmeperiode.

Man kann die Grafik so zusammenfassen: Von 1880 bis ungefähr 1940 kälter als im Mittel. Von 1940 bis 1980 Temperaturen, die dem Durchschnitt der gesamten Periode von 130 Jahren entsprechen. Von 1880 bis 2000 ein steiler Anstieg. Von 2000 bis heute ein Plateau auf hohem Niveau.

Und nun muß man sich mal die kühne lineare Regression ansehen, die jemand zum Beispiel in die zweite angehängte Abbildung eingezeichnet hat (entnommen der Wikipedia)! Man beginnt einfach erst 1980 und tut so, als ob es nach 1998 (El Niño) weiter linear aufwärts ging, obwohl die Steigung seither in Wahrheit null ist.

Angefügte Bilder:
Global Temperature.gif   Global Warming Regression.png  
Gorgasal Offline




Beiträge: 4.095

08.12.2010 14:57
#93 RE: Globale Erwärmung Antworten

Zitat von Zettel
Und nun muß man sich mal die kühne lineare Regression ansehen, die jemand zum Beispiel in die zweite angehängte Abbildung eingezeichnet hat (entnommen der Wikipedia)! Man beginnt einfach erst 1980 und tut so, als ob es nach 1998 (El Niño) weiter linear aufwärts ging, obwohl die Steigung seither in Wahrheit null ist.


Schon richtig... aber die Alternative wäre eine geglättete Kurve, etwa mit einem Kerndichteschätzer - und dann wäre (abhängig vom Dichteparameter) viel zu viel Auf und Ab in der Kurve, und das sähe viel zu sehr nach normaler Variabilität aus und zu wenig nach katastrophaler Erwärmung...

--
La historia claramente demuestra que gobernar es tarea que excede la capacidad del hombre. - Nicolás Gómez Dávila, Escolios a un Texto Implícito

Zettel Offline




Beiträge: 20.200

08.12.2010 15:24
#94 RE: Globale Erwärmung Antworten

Zitat von Gorgasal

Zitat von Zettel
Und nun muß man sich mal die kühne lineare Regression ansehen, die jemand zum Beispiel in die zweite angehängte Abbildung eingezeichnet hat (entnommen der Wikipedia)! Man beginnt einfach erst 1980 und tut so, als ob es nach 1998 (El Niño) weiter linear aufwärts ging, obwohl die Steigung seither in Wahrheit null ist.


Schon richtig... aber die Alternative wäre eine geglättete Kurve, etwa mit einem Kerndichteschätzer - und dann wäre (abhängig vom Dichteparameter) viel zu viel Auf und Ab in der Kurve, und das sähe viel zu sehr nach normaler Variabilität aus und zu wenig nach katastrophaler Erwärmung...



Man braucht ja eigentlich überhaupt keine Kurve zusätzlich zu denjenigen für die Meßdaten (übrigens sieht man an diesen, wie gut terrestrische Messungen und Satellitenmessungen übereinstimmen, was alle Einwände wg. Manipulation terrestrischer Daten sehr relativiert).

Aber so eine eingezeichnete Regression hat ein suggestive Wirkung. Man könnte ebenso drei Regressionen berechnen, eine für die Phase bis 1980, eine für 1980 bis 2000, und eine für die letzte Dekade. Die erste und die dritte hätten Steigungen nahe null, die mittlere wäre steil. Das würde also dem Betrachter etwas ganz anderes suggerieren als die lineare Regression.

Wenn die überhaupt ordentlich berechnet wurde und nicht "fitted by eye".

Ich hänge jetzt noch die Kurve für die CO2-Konzentration an; die Einheit ppmv bedeutet Parts Per Million by Volume, also Millionstel Volumen. Man wird nicht gerade sagen können, daß der Temperaturverlauf diese Zunahme der Konzentration von CO2 spiegelt.

Herzlich, Zettel

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Kallias Offline




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08.12.2010 16:58
#95 RE: Globale Erwärmung Antworten

Zitat von Zettel

Zitat von R.A.
Mal wieder von Obama weg zur Frage, wie lange eine Abweichung von der Prognose sein muß, um diese zu entwerten. (...)

So neu ist die Entdeckung eigentlich nicht, lieber R.A., daß die globale Temperatur in der vergangenen Dekade ein Plateau erreicht hat. (...)
Soweit ich das beurteilen kann, weiß man im Augenblick einfach nichts. The data are ambiguous, würde man im Slang der Naturwissenschaftler sagen.
Wenn die Erwärmung von ungefähr 1980 bis ungefähr 2000 überwiegend natürlichen, zyklisch wirkenden Ursachen zuzuschreiben ist, dann sollte das Plateau die erste Phase eine Umkehrung des Trends sein; also einer Abkühlung in der kommenden Dekade. Wenn es sich nur um eine (durch gegenwirkende natürliche Ursachen bedingte) Pause in einem Anstieg handelt, dann sollte dieser in der nächsten Dekade weitergehen.
Im Augenblick kann, soweit ich sehe, niemand sagen, ob die Daten auf das eine oder das andere hindeuten.
In zehn Jahren wissen wir mehr. Dann wird sich entschieden haben, wer Recht hat.


Zehn Jahre sind viel zu kurz dafür.

Betrachten wir einmal die offiziellen Szenarios des Jahres 2001. Sind diese etwa durch die Entwicklung des vergangenen Jahrzehnts widerlegt worden, wie R.A. glaubt? Hierbei ist zunächst die Genauigkeit der Szenarios zu berücksichtigen. Dazu hat der IPCC eine schöne Grafik veröffentlicht: IPCC Third Assessment Report - Climate Change 2001, 9.2.2.4 Uncertainty

Bereits nach fünf Jahren - und nicht etwa erst im Lauf der Jahrzehnte - beträgt der Abstand zwischen den extremen Vorhersagen etwa 0,75°.

Ich habe in die Wikipedia-Grafik Parallelen zur Regressionsgeraden gezeichnet, jeweils im halben Abstand (0,375°) (s.u. links).

Wie man sieht, liegen die Temperaturen der vergangenen 25 Jahre fast immer innerhalb dieses Rahmens, nur das Jahr 1998 stellt eine markante Ausnahme dar.

Daraus folgt, daß die "Stagnation" seit 1998, die jeder (außer mir) anscheinend der Temperaturkurve entnehmen kann, für die Klimamodelle des Jahres 2001 kein Problem darstellen kann, da es sich um ein Phänomen handelt, das unterhalb der Genauigkeitsschwelle dieser Modelle liegt.

Daher kann man auch nicht sagen, daß die Modelle durch die Entwicklung der letzten 12 Jahre widerlegt worden sind. Solche kurzfristigen Erscheinungen können diese Modelle gar nicht erfassen.



Und "fitting by eye", kann ich auch.

Betrachten wir einmal den "steilen Anstieg" zwischen 1980 und 2000, von dem Sie schreiben, lieber Zettel. Pustekuchen! Betrachten Sie einmal die schwarze Regressionsgerade, die ich by eye in die Wikipedia-Grafik gefittet habe: zwei Jahrzehnte Stagnation, von 1979 bis 1997. (s.u. rechts)

Ohne die hohen Temperaturen der letzten 10 Jahre würde die Regressionsgerade gar nicht ansteigen.

Es handelt sich bei den Klimaprognosen darum, inmitten stark schwankender Meßwerte einen geringfügigen, jedoch langfristigen Prozess herauszufiltern, daher gehen alle hektischen Debatten über einzelne Jahrzehnte (ganz zu schweigen vom Gerede über das "drittwärmste Jahr der Geschichte" u.dgl.) am Problem vorbei. Am besten, das wäre mein Vorschlag, macht man alle 30 Jahre eine Konferenz und sieht sich dabei an, wie es den Prognosen der vorherigen Zusammenkunft ergangen ist.

Sobald eine mal eingetroffen ist, sollte man die politischen Konsequenzen ziehen.

Viele Grüße,
Kallias

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Zettel Offline




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09.12.2010 00:23
#96 RE: Globale Erwärmung Antworten

Zitat von Kallias

Zitat von Zettel
Im Augenblick kann, soweit ich sehe, niemand sagen, ob die Daten auf das eine oder das andere hindeuten. In zehn Jahren wissen wir mehr. Dann wird sich entschieden haben, wer Recht hat.

Zehn Jahre sind viel zu kurz dafür.



Es wären dann, lieber Kallias, ja zwanzig Jahre eines fehlenden Anstiegs der globalen Temperatur.

Mag sein, daß man die Modelle so trimmen kann, daß sie auch das verkraften. Man kann über jeden denkbaren vorhergesagten Anstieg ein so starkes Rauschen legen, daß jede beliebige Abweichung über jeden beliebigen Zeitraum von dem Modell verkraftet wird.

Wieweit die Modelle der IPCC tatsächlich gehen, weiß ich nicht. Im strengen Sinn widerlegen kann man kein solches Modell; dafür ist es ja auch gar nicht konstruiert.

Man wird nur irgendwann sagen: Ein Modell, das so wenig Varianz aufklärt, ist uninteressant. Man möchte dann doch lieber Erklärungen haben, die uns sagen, warum es einen Anstieg gab und dann über zwei Dekaden Stagnation; statt zu erfahren, daß das alles zufällige Abweichungen von einem wahren Verlauf sind, den man leider nur in den Daten nicht sehen kann.

Zitat von Kallias
Betrachten wir einmal die offiziellen Szenarios des Jahres 2001. Sind diese etwa durch die Entwicklung des vergangenen Jahrzehnts widerlegt worden, wie R.A. glaubt? Hierbei ist zunächst die Genauigkeit der Szenarios zu berücksichtigen. Dazu hat der IPCC eine schöne Grafik veröffentlicht: IPCC Third Assessment Report - Climate Change 2001, 9.2.2.4 Uncertainty
Bereits nach fünf Jahren - und nicht etwa erst im Lauf der Jahrzehnte - beträgt der Abstand zwischen den extremen Vorhersagen etwa 0,75°.


Das ist aber nicht das, was das Modell an zufälligen Abweichungen toleriert, sondern es sind, wenn ich nicht irre, Vorhersagen unter der Annahme verschiedener Modellparameter; vermutlich hauptsächlich oder überhaupt bezüglich der Entwicklung der CO2-Konzentration. Für den Fall, den wir jetzt diskutieren, sind das keine freien Parameter, denn die Konzentration kann man ja messen.

Zitat von Kallias
Ich habe in die Wikipedia-Grafik Parallelen zur Regressionsgeraden gezeichnet, jeweils im halben Abstand (0,375°) (s.u. links). Wie man sieht, liegen die Temperaturen der vergangenen 25 Jahre fast immer innerhalb dieses Rahmens, nur das Jahr 1998 stellt eine markante Ausnahme dar.


Das war das El-Niño-Jahr, also kein Problem. Aber die Schwankungsbreite, die Sie gewählt haben, ist willkürlich. Wie gesagt - man kann sie immer so wählen, daß alle denkbaren Daten noch erfaßt werden.

Zitat von Kallias
Daraus folgt, daß die "Stagnation" seit 1998, die jeder (außer mir) anscheinend der Temperaturkurve entnehmen kann, für die Klimamodelle des Jahres 2001 kein Problem darstellen kann, da es sich um ein Phänomen handelt, das unterhalb der Genauigkeitsschwelle dieser Modelle liegt.


Diese Folgerung teile ich nicht, lieber Kallias. Denn der Wert, den Sie gewählt haben, ist eben willkürlich gewählt.

Zitat von Kallias
Und "fitting by eye", kann ich auch.


Ja, gell, das ist leicht? Es ist erstaunlich, wie leicht sich unsere Intuition täuschen läßt. Ich habe oft einmal, das war noch in der Zeit des Millimeterpapiers, mit einem transparenten Lineal herumgespielt, um eine lineare Regression "anzupassen", bevor ich sie ausgerechnet habe. Oft lag ich da im Wortsinn ganz schön daneben. Vor allem Ausreißer berücksichtigt man intuitiv zu wenig.

Zitat von Kallias
Betrachten wir einmal den "steilen Anstieg" zwischen 1980 und 2000, von dem Sie schreiben, lieber Zettel. Pustekuchen! Betrachten Sie einmal die schwarze Regressionsgerade, die ich by eye in die Wikipedia-Grafik gefittet habe: zwei Jahrzehnte Stagnation, von 1979 bis 1997. (s.u. rechts)Ohne die hohen Temperaturen der letzten 10 Jahre würde die Regressionsgerade gar nicht ansteigen.


Ja, das stimmt. Wann man den Anstieg beginnen läßt, ist ziemlich beliebig. Meine Intuition hatte sich nicht an dieser Abbildung orientiert, sondern an der mit den blauen und roten Balken. Dann sieht es so aus, wie ich es beschrieben hatte. Ich glaube, ich habe es auch gelegentlich so gelesen.

Was sollte man da machen? Sie hätten vielleicht auch noch eine zweite Abszissenparalle durch die Werte ab 2000 ziehen sollen und die ansteigende Regressionsgrade weglassen.

Am besten beide Abszissenparallelen über den ganzen Bereich der Grafik ziehen. Das würde visualisieren: Es gab ein niedriges Plateau. Es gab und gibt später ein hohes Plateau. Den Übergang kann man verschieden lokalisieren; je nachdem, was man noch als Rauschen ansieht und was schon als Beginn oder Ende eines Trends.

Ich geben Ihnen völlig Recht - diese ganze Fitterei by eye ist fragwürdig. Aber ebenso ist eine lineare Regression fragwürdig, wenn die Daten derartig massive Plateaus zeigen. Man kann dann sagen, daß es einen linearen Trend gibt; aber es ist einer, der, wie gesagt, offenbar nicht viel Varianz aufklärt. Das eigentlich Interessante bleibt unerklärt.

Zitat von Kallias
Es handelt sich bei den Klimaprognosen darum, inmitten stark schwankender Meßwerte einen geringfügigen, jedoch langfristigen Prozess herauszufiltern, daher gehen alle hektischen Debatten über einzelne Jahrzehnte (ganz zu schweigen vom Gerede über das "drittwärmste Jahr der Geschichte" u.dgl.) am Problem vorbei. Am besten, das wäre mein Vorschlag, macht man alle 30 Jahre eine Konferenz und sieht sich dabei an, wie es den Prognosen der vorherigen Zusammenkunft ergangen ist.


Ich glaube, lieber Kallias, es hilft nur, verschiedene Prognosen gegeneinander zu setzen. Solange man nur ein einziges Modell hat, wird man jede beliebige Abweichung als zufällig deklarieren können. Auch ein Plateau von dreißig Jahren kann zufällig sein, innerhalb eines Trends zu mehr Erwärmung, den man immer noch behaupten kann.

Man braucht zu den IPCC-Modellen alternative Modelle. Solche, die derartige Plateaus vorhersagen oder ein Sinken der Temperatur. Wenn man dann die Modelle vergleicht, dann kann man sagen, welches das bessere und welches das schlechtere ist.

Ach ja: Das sind ja alles Fragen, für die wir ja einen Fachmann im Forum haben.

Gorgasal? Gorgasaaaal!

Herzlich, Zettel

Gorgasal Offline




Beiträge: 4.095

09.12.2010 09:40
#97 RE: Globale Erwärmung Antworten

Zitat von Zettel

Zitat von Kallias

Zitat von Zettel
Im Augenblick kann, soweit ich sehe, niemand sagen, ob die Daten auf das eine oder das andere hindeuten. In zehn Jahren wissen wir mehr. Dann wird sich entschieden haben, wer Recht hat.

Zehn Jahre sind viel zu kurz dafür.



Es wären dann, lieber Kallias, ja zwanzig Jahre eines fehlenden Anstiegs der globalen Temperatur.



Und selbst das ist bei den hier relevanten Zeiträumen recht kurz. Kallias' Idee, alle 30 Jahre Modelle zu vergleichen, hat einiges für sich... allerdings passt das nicht wirklich in normale DFG-Projektlaufzeiten oder Promotionsdauern...

Zitat von Zettel

Zitat von Kallias
Betrachten wir einmal die offiziellen Szenarios des Jahres 2001. Sind diese etwa durch die Entwicklung des vergangenen Jahrzehnts widerlegt worden, wie R.A. glaubt? Hierbei ist zunächst die Genauigkeit der Szenarios zu berücksichtigen. Dazu hat der IPCC eine schöne Grafik veröffentlicht: IPCC Third Assessment Report - Climate Change 2001, 9.2.2.4 Uncertainty
Bereits nach fünf Jahren - und nicht etwa erst im Lauf der Jahrzehnte - beträgt der Abstand zwischen den extremen Vorhersagen etwa 0,75°.


Das ist aber nicht das, was das Modell an zufälligen Abweichungen toleriert, sondern es sind, wenn ich nicht irre, Vorhersagen unter der Annahme verschiedener Modellparameter; vermutlich hauptsächlich oder überhaupt bezüglich der Entwicklung der CO2-Konzentration. Für den Fall, den wir jetzt diskutieren, sind das keine freien Parameter, denn die Konzentration kann man ja messen.



Da hat Zettel recht. Das sind Punktprognosen unter Annahmen verschiedener Szenarien - bei niedrigem CO2-Ausstoß rechnet das IPCC mit der untersten Kurve, bei hohem Ausstoß mit der obersten. Und das kann man natürlich ex post mit der tatsächlichen Entwicklung vergleichen, indem man diejenige Kurve anschaut, die am besten mit der tatsächlichen CO2-Konzentration übereinstimmt.

Aber dieses Diagramm zeigt auch mein Lieblingsproblem auf: meistens werden nur Punktprognosen angegeben, als wäre der Temperaturanstieg unter der Voraussetzung einer bestimmten CO2-Konzentration mit Sicherheit aus den Modellen bestimmbar. Aber das ist er nicht! Erstens sind die Modelle natürlich statistisch, man hat also Unsicherheiten in den Parametern, die sich in Unsicherheiten in den Prognosen niederschlagen - und zweitens hat man noch eine Unsicherheit in der Auswahl des Modells (das wird hier wohl zum Teil durch die Ensemble-Prognose abgedeckt).

Aber keine dieser Unsicherheiten wird in den Prognosediagrammen dargestellt, etwa durch Konfidenzintervalle. Ich habe den strengen Verdacht, dass beispielsweise die 80%-Konfidenzintervalle der Temperaturprognosen unter verschiedenen Szenarien einerseits sich gegenseitig so stark überlappen und andererseits die Nulllinie (kein Anstieg) enthalten, so dass man realistischerweise nicht behaupten kann, man hätte sinnvolle Prognosen.

Und dazu kommt noch ein bekanntes Problem im Forecasting: Konfidenzintervalle sind immer zu schmal, man unterschätzt immer die zukünftige Variabilität. Spontan finde ich als Beleg nur Makridakis et al. (1987), die das anhand der M1-Competition angeschaut haben, aber das ist mittlerweile so sehr Folklore unter Forecastern, dass dazu kaum noch separat publiziert wird.



Makridakis, S., Hibon, M., Lusk, E., & Belhadjali, M. (1987). Con dence intervals: An empirical investigation of the series in the M-competition. International Journal of Forecasting, 3(3-4), 489-508.



Zitat von Zettel

Zitat von Kallias
Und "fitting by eye", kann ich auch.


Ja, gell, das ist leicht? Es ist erstaunlich, wie leicht sich unsere Intuition täuschen läßt. Ich habe oft einmal, das war noch in der Zeit des Millimeterpapiers, mit einem transparenten Lineal herumgespielt, um eine lineare Regression "anzupassen", bevor ich sie ausgerechnet habe. Oft lag ich da im Wortsinn ganz schön daneben. Vor allem Ausreißer berücksichtigt man intuitiv zu wenig.



Was aber eher eine Schwäche der Regression ist, die ja die Summe der quadratischen Abweichungen von der Regressionsgeraden minimiert und dadurch Ausreißer sehr stark gewichtet. Sie ist halt mathematisch einfach und geschlossen lösbar und dominiert daher noch aus vor-Computer-Zeiten stammend die Datenanalyse. Und obendrein bekommt man schnucklige Koeffizienten mit t-Verteilungen, bei denen man Signifikanzen angeben kann, das ist in manchen Disziplinen der Heilige Gral (aber mit der mathematisch bewiesenen t-Verteilung habe ich in der Realität schwere Bauchschmerzen). Für Prognosezwecke muss man sich entweder Ausreißer sehr genau anschauen oder robustere Verfahren wählen.

Zitat von Zettel

Zitat von Kallias
Betrachten wir einmal den "steilen Anstieg" zwischen 1980 und 2000, von dem Sie schreiben, lieber Zettel. Pustekuchen! Betrachten Sie einmal die schwarze Regressionsgerade, die ich by eye in die Wikipedia-Grafik gefittet habe: zwei Jahrzehnte Stagnation, von 1979 bis 1997. (s.u. rechts)Ohne die hohen Temperaturen der letzten 10 Jahre würde die Regressionsgerade gar nicht ansteigen.


Ja, das stimmt. Wann man den Anstieg beginnen läßt, ist ziemlich beliebig. Meine Intuition hatte sich nicht an dieser Abbildung orientiert, sondern an der mit den blauen und roten Balken. Dann sieht es so aus, wie ich es beschrieben hatte. Ich glaube, ich habe es auch gelegentlich so gelesen.
Was sollte man da machen? Sie hätten vielleicht auch noch eine zweite Abszissenparalle durch die Werte ab 2000 ziehen sollen und die ansteigende Regressionsgrade weglassen.
Am besten beide Abszissenparallelen über den ganzen Bereich der Grafik ziehen. Das würde visualisieren: Es gab ein niedriges Plateau. Es gab und gibt später ein hohes Plateau. Den Übergang kann man verschieden lokalisieren; je nachdem, was man noch als Rauschen ansieht und was schon als Beginn oder Ende eines Trends.
Ich geben Ihnen völlig Recht - diese ganze Fitterei by eye ist fragwürdig. Aber ebenso ist eine lineare Regression fragwürdig, wenn die Daten derartig massive Plateaus zeigen.



Natürlich gibt es Verfahren, um Strukturbrüche automatisch und "objektiv" zu detektieren. Mit der Objektivität ist es allerdings so ein Problem... Man kann immer den Modellfit verbessern, wenn man mehrere Strukturbrüche zulässt (eine einzelne Gerade fittet die Daten schlechter als eine geknickte Gerade), man muss also abwägen zwischen dem Modellfit und der Anzahl Freiheitsgrade, die man seinem Fit zugesteht. Das kann man mit Informationskriterien machen (z.B. AIC, BIC), mit Kreuzvalidierung und dergleichen (was bei Zeitreihen immer schwierig ist) oder auch mit anderen Methoden - und je nachdem, wie man diese Abwägung macht (und vielleicht noch viel wichtiger: je nachdem, was man sonst noch im Modell hat!) kommen komplett unterschiedliche Strukturbrüche heraus.

Zitat von Zettel

Zitat von Kallias
Es handelt sich bei den Klimaprognosen darum, inmitten stark schwankender Meßwerte einen geringfügigen, jedoch langfristigen Prozess herauszufiltern, daher gehen alle hektischen Debatten über einzelne Jahrzehnte (ganz zu schweigen vom Gerede über das "drittwärmste Jahr der Geschichte" u.dgl.) am Problem vorbei. Am besten, das wäre mein Vorschlag, macht man alle 30 Jahre eine Konferenz und sieht sich dabei an, wie es den Prognosen der vorherigen Zusammenkunft ergangen ist.


Ich glaube, lieber Kallias, es hilft nur, verschiedene Prognosen gegeneinander zu setzen. Solange man nur ein einziges Modell hat, wird man jede beliebige Abweichung als zufällig deklarieren können. Auch ein Plateau von dreißig Jahren kann zufällig sein, innerhalb eines Trends zu mehr Erwärmung, den man immer noch behaupten kann.
Man braucht zu den IPCC-Modellen alternative Modelle. Solche, die derartige Plateaus vorhersagen oder ein Sinken der Temperatur. Wenn man dann die Modelle vergleicht, dann kann man sagen, welches das bessere und welches das schlechtere ist.



In Maßen. Eines der Modelle wird ex post immer das beste sein - egal wie schlecht sie allesamt sind - und das kann zu einem gerüttelt Maß allein am Zufall liegen. Wie die Banken, die immer mit der überdurchschnittlichen Performance ihrer Fonds werben (weil nämlich die unterdurchschnittlichen Fonds einfach eingestellt wurden).

--
La historia claramente demuestra que gobernar es tarea que excede la capacidad del hombre. - Nicolás Gómez Dávila, Escolios a un Texto Implícito

Zettel Offline




Beiträge: 20.200

09.12.2010 10:44
#98 RE: Globale Erwärmung Antworten

Lieber Gorgasal,

vielen Dank für die schnellen und kompetenten Auskünfte! Dazu ein paar Fragen und Anmerkungen mit der Bitte um ggf. Korrektur:

Zitat von Gorgasal
Aber dieses Diagramm zeigt auch mein Lieblingsproblem auf: meistens werden nur Punktprognosen angegeben, als wäre der Temperaturanstieg unter der Voraussetzung einer bestimmten CO2-Konzentration mit Sicherheit aus den Modellen bestimmbar. Aber das ist er nicht! Erstens sind die Modelle natürlich statistisch, man hat also Unsicherheiten in den Parametern, die sich in Unsicherheiten in den Prognosen niederschlagen - und zweitens hat man noch eine Unsicherheit in der Auswahl des Modells (das wird hier wohl zum Teil durch die Ensemble-Prognose abgedeckt).


Wie kommt eigentlich die Krakeligkeit dieser Kurven zustande? Sieht a bisserl nach einem random walk aus. Jedenfalls wird, wenn ich das richtig verstehe, irgendwie Rauschen über die Kurve gelegt. Was soll das eigentlich? Soll sie dadurch glaubwürdiger aussehen? Niemand glaubt doch, daß jeder einzelne Krakel so ausfallen wird. Wo es nach oben geht, könnte es ebenso nach unten gehen.

Das Lustige ist ja, daß der CO2-Anstieg selbst offenbar eine so geringe Varianz aufweist, wie man sie sich nur wünschen kann, sogar in den jahreszeitlichen Schwankungen (siehe die Abbildungen der Messungen von Hawaii). Wären die Modelle deterministisch, dann müßten die vorhergesagten Temperaturentwicklungen, soweit ich sehe, einen genauso glatten Verlauf zeigen. Irgendwie tut man aber a bisserl Schmutz dazu. Warum und wie?

Zitat
Und dazu kommt noch ein bekanntes Problem im Forecasting: Konfidenzintervalle sind immer zu schmal, man unterschätzt immer die zukünftige Variabilität. Spontan finde ich als Beleg nur Makridakis et al. (1987), die das anhand der M1-Competition angeschaut haben, aber das ist mittlerweile so sehr Folklore unter Forecastern, dass dazu kaum noch separat publiziert wird.


Makridakis, S., Hibon, M., Lusk, E., & Belhadjali, M. (1987). Con dence intervals: An empirical investigation of the series in the M-competition. International Journal of Forecasting, 3(3-4), 489-508.


Interessant, das wußte ich nicht. Aber warum? Ist ein Forecaster nicht auf der sicheren Seite, wenn er eine so große Variabilität annimmt, daß die Daten (jetzt also etwa dieses Zehnjahres-Plateau) ihn nicht widerlegen können?

Oder kann er dann seine Prognose niemandem mehr verkaufen, weil der sich sagt, dann könnte er ebenso würfeln, un das kostet nichts? Ist es also vielleicht sozusagen eine Verkaufsstrategie, mehr zu versprechen, als man halten kann?

Oder hat es mathematische Gründe?

Zitat

Zitat von Zettel

Zitat von Kallias
Und "fitting by eye", kann ich auch.


Ja, gell, das ist leicht? Es ist erstaunlich, wie leicht sich unsere Intuition täuschen läßt. Ich habe oft einmal, das war noch in der Zeit des Millimeterpapiers, mit einem transparenten Lineal herumgespielt, um eine lineare Regression "anzupassen", bevor ich sie ausgerechnet habe. Oft lag ich da im Wortsinn ganz schön daneben. Vor allem Ausreißer berücksichtigt man intuitiv zu wenig.



Was aber eher eine Schwäche der Regression ist, die ja die Summe der quadratischen Abweichungen von der Regressionsgeraden minimiert und dadurch Ausreißer sehr stark gewichtet. Sie ist halt mathematisch einfach und geschlossen lösbar und dominiert daher noch aus vor-Computer-Zeiten stammend die Datenanalyse. Und obendrein bekommt man schnucklige Koeffizienten mit t-Verteilungen, bei denen man Signifikanzen angeben kann, das ist in manchen Disziplinen der Heilige Gral (aber mit der mathematisch bewiesenen t-Verteilung habe ich in der Realität schwere Bauchschmerzen). Für Prognosezwecke muss man sich entweder Ausreißer sehr genau anschauen oder robustere Verfahren wählen.


Am Schönsten ist das mit den Ausreißern bei z-transformierten Normalverteilungen. Da gibt es an den Enden leicht astronomische Werte, die jede lineare Regression zum Witz machen können.Es gibt raffinierte Verfahren, damit fertigzuwerden (schon bei den Altvorderen die "Urban'schen Gewichte", wenn ich mich recht erinnere); ich habe damals einfach Werte außerhalb eines bestimmten Intervalls (zwei Normalabweichungen oder so etwas) aus der Analyse herausgenommen.

Zitat
Natürlich gibt es Verfahren, um Strukturbrüche automatisch und "objektiv" zu detektieren. Mit der Objektivität ist es allerdings so ein Problem... Man kann immer den Modellfit verbessern, wenn man mehrere Strukturbrüche zulässt (eine einzelne Gerade fittet die Daten schlechter als eine geknickte Gerade), man muss also abwägen zwischen dem Modellfit und der Anzahl Freiheitsgrade, die man seinem Fit zugesteht


... bis man im Extrem so viele Strukturbrüche erlaubt, wie man Meßdaten hat (vielmehr N-2).

Aber im Ernst: Ist das Kritische nicht die Theorie? Fitten ist letztlich beliebig. Man braucht constraints. Und die liefert nur eine Theorie.

Wenn, in unserem Fall, Sonnenflecken der entscheidende Faktor sind, dann kann man nicht einen beliebigen zyklischen Verlauf anpassen, sondern nur einen, der mit der empirischen Frequenz und Phase dieser Aktivität übereinstimmt.

Ebenso müßte man, scheint mir, beim CO2 verfahren. Dessen Konzentration wächst linear, vielleicht sogar leicht exponentiell, und zwar mit einer Steigung, die ja bekannt ist. Welche der Kurven aus der Kurvenschar, die uns Kallias gezeigt hat, gilt für diesen Fall? Haben sich die gemessenen Temperaturen in den letzten dreißig Jahren so entwickelt, wie es für diesen Fall - und nicht irgendeine andere Kurve aus der Schar - vorhergesagt wurde? Naja, wahrscheinlich zu einfach gedacht.

Zitat

Zitat von Zettel
Man braucht zu den IPCC-Modellen alternative Modelle. Solche, die derartige Plateaus vorhersagen oder ein Sinken der Temperatur. Wenn man dann die Modelle vergleicht, dann kann man sagen, welches das bessere und welches das schlechtere ist.


In Maßen. Eines der Modelle wird ex post immer das beste sein - egal wie schlecht sie allesamt sind - und das kann zu einem gerüttelt Maß allein am Zufall liegen. Wie die Banken, die immer mit der überdurchschnittlichen Performance ihrer Fonds werben (weil nämlich die unterdurchschnittlichen Fonds einfach eingestellt wurden).



Ja, das leuchtet ein. Allerdings ist das ja generell in der Forschung so - man entscheidet sich für die beste aller schlechten Theorien.

Aber ein erster Schritt wäre das doch, oder? Wenn man sagen könnte: Das Modell X (sagen wir, menschengemachte globale Erwärmung) erlaubt diesen und jenen Fit, und das Modell Y (Sonnenflecken, oder was immer) erlaubt einen besseren oder schlechteren?

Herzlich, Zettel

Gorgasal Offline




Beiträge: 4.095

09.12.2010 13:24
#99 RE: Globale Erwärmung Antworten

Zitat von Zettel
Wie kommt eigentlich die Krakeligkeit dieser Kurven zustande? Sieht a bisserl nach einem random walk aus.


Ohne mich jetzt konkret mit Temperaturprognosen beschäftigt zu haben, würde ich sagen, dass das sehr gut so ist. Ein random walk ist ja gerade ein Prozess im Laufe der Zeit, dessen nächster Zustand (nur) vom vorherigen Zustand und einem zufälligen Störterm abhängt, da kommt dann etwas Krakeliges heraus. Und die Temperatur ist natürlich auch hauptsächlich von der Temperatur in der Vorperiode abhängig, jedenfalls in kleinen Zeitintervallen - die beste Temperaturvorhersage für morgen ist einfach die heutige Temperatur. Ich denke schon, dass ein ähnlicher Prozess auch auf größeren Zeitskalen gilt und eine gewisse Autoregressivität herrscht. Allerdings sollte das umgekehrt durch die Ensembles zum Teil wieder herausgemittelt werden. Aber wahrscheinlich sollte man hier einen echten Experten fragen...

Zitat von Zettel
Jedenfalls wird, wenn ich das richtig verstehe, irgendwie Rauschen über die Kurve gelegt.


Das kann ich mir nun gar nicht vorstellen und will es auch nicht hoffen.

Zitat von Zettel
Das Lustige ist ja, daß der CO2-Anstieg selbst offenbar eine so geringe Varianz aufweist, wie man sie sich nur wünschen kann, sogar in den jahreszeitlichen Schwankungen (siehe die Abbildungen der Messungen von Hawaii). Wären die Modelle deterministisch, dann müßten die vorhergesagten Temperaturentwicklungen, soweit ich sehe, einen genauso glatten Verlauf zeigen. Irgendwie tut man aber a bisserl Schmutz dazu. Warum und wie?


Siehe oben - Autokorrelationen in den Residuen, nachdem alle deterministischen Faktoren drin stecken.

Zitat von Zettel

Zitat
Und dazu kommt noch ein bekanntes Problem im Forecasting: Konfidenzintervalle sind immer zu schmal, man unterschätzt immer die zukünftige Variabilität.


Interessant, das wußte ich nicht. Aber warum? Ist ein Forecaster nicht auf der sicheren Seite, wenn er eine so große Variabilität annimmt, daß die Daten (jetzt also etwa dieses Zehnjahres-Plateau) ihn nicht widerlegen können?
Oder kann er dann seine Prognose niemandem mehr verkaufen, weil der sich sagt, dann könnte er ebenso würfeln, un das kostet nichts? Ist es also vielleicht sozusagen eine Verkaufsstrategie, mehr zu versprechen, als man halten kann?
Oder hat es mathematische Gründe?



Prinzipiell kann man natürlich die Konfidenzintervalle deutlich größer machen - aber erstens ist häufig unklar, wie groß sie sein sollen (und vielleicht asymmetrisch?). Insbesondere halte ich die Normalverteilungshypothese, mit der häufig derlei Prognosen gerechnet werden, für sehr problematisch - aber auch Verteilungen mit schweren Enden,wie sie in der Finanzmathematik gerne verwendet werden, und gebootstrappte Realisierungen und so weiter haben immer das Problem, dass die Zukunft nie so sein wird wie die Vergangenheit.

Und wenn man tatsächlich die Intervalle aufbläst, dann haben Sie völlig recht: eine Aussage "wahrscheinlich steigt die Temperatur in 10 Jahren um 1 Grad, mit 80% Wahrscheinlichkeit kann es aber alles zwischen -2 und +4 Grad sein" mag richtig sein, hilft aber der Glaubwürdigkeit des Prognostikers nicht wirklich... abgesehen davon, dass auch eine Handlungsempfehlung davon nur schwer ableitbar ist.

Schließlich wollen wir die Konfidenzintervalle ja nicht zu sehr aufblasen. Wenn wir 80% Abdeckung anpeilen, aber 95% erreichen, dann haben wir einen Fehler in die falsche Richtung gemacht.

Zitat von Zettel
ich habe damals einfach Werte außerhalb eines bestimmten Intervalls (zwei Normalabweichungen oder so etwas) aus der Analyse herausgenommen.


Das ist eine Möglichkeit, um mit Ausreißern umzugehen... Aber damit nehmen Sie auch Varianz heraus und unterschätzen tendenziell noch mehr die Varianz zukünftiger Beobachtungen. Siehe oben.

Zitat von Zettel
Aber im Ernst: Ist das Kritische nicht die Theorie? Fitten ist letztlich beliebig. Man braucht constraints. Und die liefert nur eine Theorie.


Und damit haben Sie natürlich wieder recht.

--
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