Zitat von ZettelStimmt es empirisch, daß der Preis einer Ware von der in ihr "geronnenen" (so Marx) Arbeitszeit bestimmt wird? Augenscheinlich nicht. Eine Skizze von Picasso, in fünf Minuten angefertigt, kann Millionen wert sein. Das Werk eines Tüftlers, das niemand kaufen will, kann nichts wert sein, auch wenn er noch so viele Arbeitsstunden investiert hat.
Aber deswegen spricht er ja auch von durchschnittlich zur Reproduktion erforderlichen Arbeitseinheiten. Dass es Produktivitätsunterschiede gibt, steht dem ja nicht entgegen. Nur handelt es sich dann um triviale, fast tautologische, Aussagen. Das ist fast in der gesamten Wirtschaftswissenschaft so. Ist ja auch nicht weiter schlecht, wenn es zu einer strukturierten und geordneten Betrachtunsgweise führt.
Danke für die Erläuerungen zur Dialektik. Wie ich sehe, handelt es sich dabei um ein quasi-religiöses Postulat über jegliche Dynamik.
Zitat von ZettelStimmt es empirisch, daß der Preis einer Ware von der in ihr "geronnenen" (so Marx) Arbeitszeit bestimmt wird? Augenscheinlich nicht. Eine Skizze von Picasso, in fünf Minuten angefertigt, kann Millionen wert sein. Das Werk eines Tüftlers, das niemand kaufen will, kann nichts wert sein, auch wenn er noch so viele Arbeitsstunden investiert hat.
Aber deswegen spricht er ja auch von durchschnittlich zur Reproduktion erforderlichen Arbeitseinheiten. Dass es Produktivitätsunterschiede gibt, steht dem ja nicht entgegen. Nur handelt es sich dann um triviale, fast tautologische, Aussagen. Das ist fast in der gesamten Wirtschaftswissenschaft so. Ist ja auch nicht weiter schlecht, wenn es zu einer strukturierten und geordneten Betrachtunsgweise führt.
Ich verstehe bekanntlich, lieber Dirk, nichts von Ökonomie. In meiner laienhaften Weise stelle ich es mir so vor, daß der Preis einer Ware als untere Grenze (normalerweise) die Gestehungskosten hat und ansonsten dadurch bestimmt wird, was der Käufer zu zahlen bereit ist.
Von "geronnener Arbeit" kann ich darin nichts finden. Natürlich haben die Gestehúngskosten etwas mit Arbeit zu tun; aber doch nicht mit dem (Marx' Begriff) "Quantum" an gesellschaftlich notwendiger Arbeit, sondern viel mehr mit deren Qualität.
Die Herstellung der ersten Atombombe war immens teuer - aber nicht, weil so viele Hilfsarbeiter schufteten, sondern weil so viele hochqualifizierte Mitarbeiter mit so vielen teuren Geräten arbeiteten, die ihrerseits von Hochqualifizierten hergestellt worden waren.
Die Arbeitswerttheorie erscheint mir entweder trivial - was verkauft wird, muß irgendwann einmal durch Arbeit hergestellt worden sein - oder empirisch falsch; dann nämlich, wenn man meint, eine monotone (oder gar lineare?) Abhängigkeit des durchschnittlichen Preises einer Ware von der Zahl der in sie investierten Arbeitsstunden behaupten zu können.
Zitat von Zettel In meiner laienhaften Weise stelle ich es mir so vor, daß der Preis einer Ware als untere Grenze (normalerweise) die Gestehungskosten hat und ansonsten dadurch bestimmt wird, was der Käufer zu zahlen bereit ist.
In der kurzen Frist ist der Preis durch das gegenwärtige Angebot und die Nachfrage, also der Zahlungsbereitschaft der Käufer bestimmt.
In der langen Frist aber ist das Angebot flexibel (jedenfalls dann, wenn es sichum ein reproduzierbares Gut handelt. Kunstwerke, alte Weine etc. sind das nicht). Würde der Preis langfristig über den Herstellungskosten liegen, fände sich ein Geschäftsmann, der dies ausnutzt und das Angebot an diesem Gut erweitert.
Und wenn es nur einen knappen Produktionsfaktor gibt (auch Kapital ist ja mal durch Arbeit hergestellt worden), dann sind die Herstellungskosten letztlich alles Arbeitskosten in irgendeiner Form. Also entspricht der durchschnittliche Preis eines Gutes der zur Herstellung verwendeten Menge an Arbeit.
In dem Sinne ist die Arbeitswertlehre trivial. Nicht ganz, denn sie basiert ja auf der zusätzlichen Annahme, dass Konkurrenz dafür sorgt, dass der Preis nicht dauerhaft über den Herstellungskosten liegen kann. (Interessante Konsequenz: Durch die Annahme ist eine Ausbeutung durch den Kapitalisten ausgeschlossen. An anderer Stelle nimmt Marx aber genau das an. Meiner Meinung nach zwei widersprüchliche Annahmen, aus denen er dann die Tendenz des Kapitalsimus zu Krisen ableitet.)
Im Sinne der anderen Interpretation, die unterschiedliche Fähigkeiten unberücksichtigt lässt, und dernach die in die Herstellung hineingesteckte Arbeit, egal wie ineffizient, immer den Preis bestimme, ist sie falsch.
Nachtrag: Anders gesagt: Der Kern der Arbeitswertlehre, wie sie von Smith, Ricardo, Stuart Mill usw. entwickelt und verwendet wurde, ist die Hypothese, dass sich in der langen Frist das Angebot so anpasst, dass die Preise den Herstellungskosten enstprechen. Alles andere wäre kein Gleichgewicht. In dieser Form hat die Theorie tatsächlich Gehalt und wird noch heute als gültig angesehen.
Die meisten heutigen Wirtschaftswissenschaftler haben sich aber nie ernsthaft mir der Arbeitswertlehre auseinandergesetzt, sondern nehmen einen Strohmann, wie etwa ihr Picasso Beispiel, um sie für falsifiziert zu halten und sie bequem ignorieren zu können. Dieses Vorgehen mag ich nicht. Nicht zuletzt, weil es unterstellt, dass nicht nur Marx, sondern auch Smith, Ricardo und Stuart Mill dumme Leute gewesen seien.
Zitat von Zettel In meiner laienhaften Weise stelle ich es mir so vor, daß der Preis einer Ware als untere Grenze (normalerweise) die Gestehungskosten hat und ansonsten dadurch bestimmt wird, was der Käufer zu zahlen bereit ist.
In der kurzen Frist ist der Preis durch das gegenwärtige Angebot und die Nachfrage, also der Zahlungsbereitschaft der Käufer bestimmt.
In der langen Frist aber ist das Angebot flexibel (jedenfalls dann, wenn es sichum ein reproduzierbares Gut handelt. Kunstwerke, alte Weine etc. sind das nicht). Würde der Preis langfristig über den Herstellungskosten liegen, fände sich ein Geschäftsmann, der dies ausnutzt und das Angebot an diesem Gut erweitert.
Das, und was Sie sonst noch geschrieben haben, leuchtet mir ein; vielen Dank!
Allerdings glaube ich nicht, daß Marx es (nur) so gemeint hat, denn so ist es ja wirklich trivial. Ihm ging es, wenn ich ihn richtig verstanden habe, um den Wert als etwas, das der Ware auf irgendeine geheimnisvolle Weise innewohnt, und das eben nicht nur der Preis ist (nach Ihrer Erläuterung, wenn ich es recht verstehe, der asymptotische Preis, der unter Bedingungen freier Konkurrenz und keiner Knappheit erreicht wird).
Die Arbeitswertlehre besagt, daß sich der Wert eines Gutes aus der für seine Bereitstellung aufgewandten Arbeit ableitet. Das Gegenteil ist richtig: Für die Bereitstellung eines Gutes wird höchstens soviel Aufwand betrieben, daß er dem Wert des Gutes entspricht. Es handelt sich bei der Arbeitswertlehre um eine schlichte Verwechslung des Wertes mit den Kosten.
Zitat Und wenn es nur einen knappen Produktionsfaktor gibt (auch Kapital ist ja mal durch Arbeit hergestellt worden), dann sind die Herstellungskosten letztlich alles Arbeitskosten in irgendeiner Form. Also entspricht der durchschnittliche Preis eines Gutes der zur Herstellung verwendeten Menge an Arbeit.
Es gibt mehr knappe Produktionsfaktoren als die Arbeit. Da sind zum einen die Faktoren die nicht hergestellt werden können, Boden genannt. Dann lässt das Argument, dass letztlich alles auf Arbeit zurückzuführen ist, die Tatsache außer Acht, dass dieser Prozess Zeit braucht. Kapitalkosten liegt letztlich nichts anderes zugrunde. Dass Marx den Faktor Zeit völlig ignoriert lässt sich an verschiedenen Stellen zeigen. Daher ist die Arbeitswertlehre falsch, sie vernachlässigt in unzulässiger Weise die Zeit.
Zitat von HermannDie Arbeitswertlehre besagt, daß sich der Wert eines Gutes aus der für seine Bereitstellung aufgewandten Arbeit ableitet. Das Gegenteil ist richtig: Für die Bereitstellung eines Gutes wird höchstens soviel Aufwand betrieben, daß er dem Wert des Gutes entspricht. Es handelt sich bei der Arbeitswertlehre um eine schlichte Verwechslung des Wertes mit den Kosten.
Wozu, lieber Hermann, braucht man überhaupt das Konstrukt "Wert"?
Ein Gut herzustellen bringt bestimmte Kosten mit sich; das läßt sich operationalisieren. Wenn das Produkt verkauft wird, erzielt man einen bestimmten Preis. Auch diesen kann man ermitteln.
Der Preis wird (in der Regel) nicht unter den Kosten liegen. Er liegt um x höher; wobei der Wert von x, wenn ich das richtig verstehe, von den Gegebenheiten des jeweiligen Markts abhängt, sowohl auf der Angebots- als auch auf der Nachfrageseite.
Aber wo ist nun der "Wert"? Wie mißt man ihn? Ist er etwas Drittes, neben den Herstellungskosten und dem Preis? Oder ist er nur ein anderes Wort für eines von beiden?
Mich interessiert, wie das die heutige Ökonomie sieht, und zwar aus prinzipiellen wissenschaftstheoretischen Gründen.
Mein Vorwurf an den Marxismus ist ja, daß der Begriff "Wert" gar kein theoretisches Konstrukt ist, sondern nur eine Definition enthält.
Marx definiert den Wert einfach als direkt proportional zur gesellschaftlich notwendigen Arbeitszeit für die Herstellung des betreffenden Produkts. Mir erscheint diese Definition beliebig.
Zum einen: Warum direkt proportional? Warum ist der Wert nicht die Quadratwurzel oder der Logarithmus der Arbeitszeit, oder sonstwie mit ihr verknüpft?
Zweitens: Warum Arbeitszeit und nicht ein Maß, das auch die Qualität der Arbeit mit einschließt?
Und drittens eben: Wozu braucht man überhaupt eine solche Definition?
Wie jede Definition ist sie nicht empirisch prüfbar.
Definitionen einer Größe machen aber dann Sinn, wenn man sie damit operationalisieren und mit anderen Größen in Beziehung setzen kann, wie das etwa mit den Größen der Newton'schen Mechanik geschieht. Kraft ist Masse mal Beschleunigung, beispielsweise.
Aber ist "Wert" in dieser Weise mit anderen Größen verknüpft?
Zitat Wozu, lieber Hermann, braucht man überhaupt das Konstrukt "Wert"?
Damit sprechen sie einen Zentralen Mangel der AWT an. Es ist in der Tat so, dass der Marxsche Wertbegriff redundant ist. Man benötigt ihn zur Beschreibung ökonomischer Vorgänge nicht. Marx war stark durch Hegels Philosophie beeinflusst, der Wert ist für ihn das Wesen und der Preis nur dessen Erscheinung. Ob solche Unterscheidungen Wissenschaftlich Sinn machen ist natürlich zweifelhaft.
Allerdings ist die AWT etwas stärker als ihre Fragen implizieren.
Zitat Zum einen: Warum direkt proportional? Warum ist der Wert nicht die Quadratwurzel oder der Logarithmus der Arbeitszeit, oder sonstwie mit ihr verknüpft?
Das ergibt sich daraus, dass die erzeugt Warenmenge proportional zur Arbeitszeit ist und der Wert einer Warenmenge proportional zu ihrem Umfang sein sollte. Zwei Ballen Tuch ist genau doppelt soviel wert, wie ein Ballen.
Zitat Zweitens: Warum Arbeitszeit und nicht ein Maß, das auch die Qualität der Arbeit mit einschließt?
Marx löst das Problem in dem er unterschiedliche Arten der Arbeit mit unterschiedlichen Proportionalitätsfaktoren versieht. Die Grundeinheit nennt Marx die abstrakte Arbeit, die er von der konkreten Arbeit unterscheidet. Eine Stunde Arbeitszeit eines Handwerksmeisters entspricht ein Mehrfaches an abstrakter Arbeit, die ein Tagelöhner in der gleichen Zeit verrichtet. Durch diesen Kniff koppelt m.E. Marx seinen Wert begriff vollends von der Empirie ab.
Zitat Und drittens eben: Wozu braucht man überhaupt eine solche Definition?
Zitat von Michel(…) Das ergibt sich daraus, dass die erzeugt Warenmenge proportional zur Arbeitszeit ist und der Wert einer Warenmenge proportional zu ihrem Umfang sein sollte. Zwei Ballen Tuch ist genau doppelt soviel wert, wie ein Ballen.
Das gilt doch aber nur, wenn ich beide Ballen zum selben Preis an den selben Kunden verkaufe. Wenn ich Preisdiskriminierung betreibe, sind beide Ballen unterschiedlich viel wert.
Zitat Das gilt doch aber nur, wenn ich beide Ballen zum selben Preis an den selben Kunden verkaufe. Wenn ich Preisdiskriminierung betreibe, sind beide Ballen unterschiedlich viel wert.
Damit negierst du schon eine Prämisse der AWT, nämlich dass es einen objektiven Wert überhaupt gibt. In der Vorstellung Marx ist der Wert eine Qualität, die fest mit der Ware verbunden ist und nur von ihr und der Entwicklung der Produktivkräfte abhängt. Wenn Preisdiskriminierung möglich ist, müssen wir eingestehen, dass der Wert subjektiv ist und davon abhängt Wer einer Sache Wert zumisst. Die moderne VWL hat sich von der Vorstellung eines objektiven Wertes gelöst. Die AWT wäre im heutigen wirtschaftswissenschaftlichen Paradigma nicht mehr zu integrieren.
Danke für den Einwand, damit kam ein weiter Knackpunkt der AWT auf den Tisch.
Zitat von Michel(…) Das ergibt sich daraus, dass die erzeugt Warenmenge proportional zur Arbeitszeit ist und der Wert einer Warenmenge proportional zu ihrem Umfang sein sollte. Zwei Ballen Tuch ist genau doppelt soviel wert, wie ein Ballen.
Das gilt doch aber nur, wenn ich beide Ballen zum selben Preis an den selben Kunden verkaufe. Wenn ich Preisdiskriminierung betreibe, sind beide Ballen unterschiedlich viel wert.
Mal angenommen, ich will ein Zirkuszelt herstellen, und brauche dazu zwei Ballen Tuch. Ein einzelner Ballen reicht nicht aus. Dann ist für mich ein Ballen nichts wert, zwei Ballen haben hingegen einen echten Wert.
Aber das ist ja alles Realität. Und die schert AWT-ler ja nicht.
-- Vertrauen in das Volk ist fast immer unbegründet; Kultur ist das Werk weniger. - Zettel
Zitat von GorgasalMal angenommen, ich will ein Zirkuszelt herstellen, und brauche dazu zwei Ballen Tuch. Ein einzelner Ballen reicht nicht aus. Dann ist für mich ein Ballen nichts wert, zwei Ballen haben hingegen einen echten Wert.
Nach Marx geht es da um den Gebrauchswert, den er scharf vom Tauschwert unterscheidet. Wenn er einfach nur "Wert" sagt, dann meint er, soweit ich mich erinnere, immer den Tauschwert.
Ach ja, erinnern. Wenn ich solche Diskussionen lese, dann fühle ich mich fast wie in einem Jungbrunnen.
Preis und Wert sind nicht dasselbe. Der Preis ist das Äquivalent, für das eine Ware am Markt gehandelt wird. Er läßt sich objektiv und genau (kardinal) bestimmen und ist für alle Marktteilnehmer gleich - die Summe Geldes, für die ein Gut gekauft und verkauft wird, ist sein Preis. Der Wert ist rein subjektiv, läßt sich oft nur relativ zum Wert anderer Güter bestimmen und ist für die Marktteilnehmer tendenziell unterschiedlich. Worauf man für ein Gut zu verzichten bereit ist, das ist sein Wert.
Menschliches Handeln ist generell darauf gerichtet, die eigene Lage zu verbessern. (Das ist natürlich ein Axiom.) Wenn ich ein Glas Bier für einen Euro kaufe, und das als Verbesserung meiner Lage betrachte, hat das Bier für mich offensichtlich einen höheren Wert als einen Euro. Der Wirt handelt aber nicht umgekehrt mit dem Vorsatz, seine Lage zu verschlechtern, deshalb muß das Bier für ihn einen geringeren Wert als einen Euro haben - es gibt aber nur einen Preis. Wenn man will, kann man den Preis auch Marktwert nennen...
Lieber Herr Zettel, Zitat: "Ach ja, erinnern. Wenn ich solche Diskussionen lese, dann fühle ich mich fast wie in einem Jungbrunnen." Für mich ist das eher ein Alptraum. Wenigstens über diesen Marx-Unsinn muß man heutzutage nicht mehr diskutieren und die Diskussion hier ist rein akademischer Natur. http://www.thueringer-allgemeine.de/star...Loch-1520242494 Wer damals ernsthaft mit Kommunisten diskutiert hat, war sowieso nahe am "nützlichen Idioten". Mit freundlichem Morgengruß!
Zitat von Nonkonformist Zitat: "Ach ja, erinnern. Wenn ich solche Diskussionen lese, dann fühle ich mich fast wie in einem Jungbrunnen." Für mich ist das eher ein Alptraum. Wenigstens über diesen Marx-Unsinn muß man heutzutage nicht mehr diskutieren und die Diskussion hier ist rein akademischer Natur.
Niemand muß, lieber Nonkonformist, über irgend etwas diskutieren. Jede Diskussion, jedenfalls ab einem bestimmten Niveau, ist akademischer Natur.
Zitat von NonkonformistWer damals ernsthaft mit Kommunisten diskutiert hat, war sowieso nahe am "nützlichen Idioten".
Das war sehr verschieden. Was mich angeht, habe ich durch Diskussionen, die es damals zwischen Jusos und Kommunisten gab, den Kommunismus verstehen gelernt.
Die DKP-Leute sagten im vertrauten Kreis das Gegenteil von dem, was sie öffentlich sagten. Sie waren "geschult", aber die meisten hatten außer "Lohn, Preis und Profit" von Marx und Engels nichts gelesen. Der Rest stammte aus den Schulungsheften, die man aus der DDR importierte. Sie waren entschlossen, diesen Staat zu beseitigen und jammerten gemäß Direktive von oben zugleich darüber, daß "das Grundgesetz verletzt" werde.
Daß ich heute eine so eindeutig antikommunistische Haltung habe, wie Sie das meinen Beiträgen entnehmen können, verdanke ich diesen damaligen Gesprächen. Vor allem sehe ich aber in der Strategie der umbenannten SED exakt die Strategie der damaligen, bekanntlich aus Ostberlin gesteuerten DKP:
Nach außen hin als Demokraten auftreten. Machtpositionen erobern (bei der DKP noch nicht im parlamentarischen Bereich, aber außerparlamentarisch bei Gewerkschaften, Vereinigungen usw.). Also "fortschreitende Machteroberung", wie Gesine Lötzsch das jetzt öffentlich proklamiert hat.
Bis eine große Krise kommt - Lötzsch hat sie beschrieben -, in der man die Macht an sich reißen kann. Um dann den "zweiten Sozialismusversuch" zu starten. Eine Diktatur wie in der DDR, mit noch weniger Freiheiten (denn als Kardinalfehler sieht man an, der Kirche zuviel Freiheit gelassen zu haben; aus ihr kam die Revolution des Herbsts 1989). Aber eine bessere Lenkung der Wirtschaft, so daß "unsere Menschen" zufrieden sind.
Man will auch im Sozialismus 2.0 die möglichst dumm gehaltene Herde, die vom guten Schäfer versorgt und von seinen Stasi-Hunden bewacht wird. Aber das Futter soll besser werden als beim Sozialismus 1.0.
Was nun Marx angeht, kann ich nur empfehlen, ihn gründlich zu lesen. Leider tun es zu wenige. Man muß ja verstehen, wo diese Faszination herkommt, die ihn zum (in einem schlimmen Sinn) einflußreichsten Denker machte, den unsere westliche Kultur jemals hervorgebracht hat.
Über Marx zu schwadronieren, ohne ihn zu kennen, ist ebenso einfach, wie den DIAMAT nachzubeten, ohne Marx zu kennen. Auch hier hilft nur das Motto der Aufklärung: Bediene dich deines eigenen Verstandes. In diesem Fall, um Marx zu beurteilen, nachdem man ihn gelesen hat.
Zitat von HermannMenschliches Handeln ist generell darauf gerichtet, die eigene Lage zu verbessern. (Das ist natürlich ein Axiom.) Wenn ich ein Glas Bier für einen Euro kaufe, und das als Verbesserung meiner Lage betrachte, hat das Bier für mich offensichtlich einen höheren Wert als einen Euro. Der Wirt handelt aber nicht umgekehrt mit dem Vorsatz, seine Lage zu verschlechtern, deshalb muß das Bier für ihn einen geringeren Wert als einen Euro haben - es gibt aber nur einen Preis. Wenn man will, kann man den Preis auch Marktwert nennen...
Verstehe (hopefully ).
Marx unterscheidet ja, vermutlich Smith und Ricardo folgend, zwischen Gebrauchswert und Tauschwert. Der Gebrauchswert ist subjektiv und zugleich konkret. Wenn ich Schmerzen habe, dann brauche ich Schmerztabletten. Ein anderer braucht sie nicht, also ist der Gebrauchswert subjektiv. Mit den Tabletten kann ich nichts anderes machen als Schmerzen bekämpfen, also ist der Gebrauchswert konkret.
Der Tauschwert hingegen ist abstrakt und objektiv. Er ist abstrakt, weil er nicht an einen bestimmten Nutzen gebunden ist (für die zehn Euro hätte ich auch ins Kino gehen können). Er ist objektiv, weil er für alle am Tausch beteiligten gilt (der Preis, den ich für die Packung zahle, ist genau derselbe, den der Apotheker entgegennimmt).
Was Sie jetzt definiert haben, lieber Hermann, ist aber ein "Wert", der einerseits subjektiv, andererseits aber abstrakt ist.
Vor einiger Zeit habe ich aus einem Nachlaß eine Reihe von Erstausgaben von Arno Schmidt erworben. Ich hätte viel mehr gezahlt, als ich zahlen mußte; sie waren mir also mehr wert als ihren tatsächlichen Preis. Ich hatte ein Schnäppchen gemacht. Vielleicht fand auch der Verkäufer, daß er einen guten Handel gemacht hat, weil er gar nicht wußte, zu welchem Preis diese Bücher heute beim ZVAB verzeichnet sind.
Aber mit der AWT hat dieser Wertbegriff nicht das Geringste zu tun, soweit ich sehe.
Zitat von ZettelWozu, lieber Hermann, braucht man überhaupt das Konstrukt "Wert"?
Man sollte das Wort "Wert" nicht zu ernst nehmen und nicht in einem normativen Sinn verstehen.
Im Grunde genommen handelt es sich nur um eine gedankliche Vereinfachung; statt in Euro, Gold oder ähnlichem rechnet man in Lohnkosten eines durchschnittlichen Arbeiters. Wenn für die Herstellung von Tuch und Mantel nur Arbeit benötigt wird und alle Arbeiter für ein Tuch jeweils 1 Stunde für einen Mantel jeweils 10 Stunden benötigen, dann sind die Herstellunskosten des Mantel 10 mal so hoch wie die des Mantels, nämlich 10 Stundenlöhne. Und egal wie hoch die nun in Euro sind, macht es die Sache etwas einfacher, wenn wir uns die Kosten in Lohneinheiten denken, dann sind die Kosten genau 10. Wir noch Kapital zur Produktion benötigt, dann macht es die Sache etwas schwieriger aber letztlich wurde ja auch (physisches Produktions-) Kapital mal mittels Arbeit hergestellt, bzw. kann mit Arbeit reproduziert werden. Insoweit ist die Arbeitswertlehre nur eine gedankliche Vereinfachung, die es erlaubt alle Herstellungskosten auf einen Nenner, Arbeitseinsatz, zu bringen. Mehr nicht. So weit so gut.
Als nächstes kommt dann, etwa bei Smith oder Ricardo, noch die Annahme perfekter Märkte (Konkurrenzdruck, etc.) ins Spiel. Das führt dann zur theoretischen Schlussfolgerung, dass im Gleichgewicht die Preise den Herstellungskosten entsprechen. Die Hypothese ist dann, dass wir im Durchschnitt ein derartiges Gleichgewicht beobachten und maximal kurzfristige Abweichungen mit Dynamik zurück ins Gleichgewicht. Das wird von heutigen Ökonomen, ergänzt um Beispiele des Marktversagens, noch genau so gesehen.
Zitat Zum einen: Warum direkt proportional? Warum ist der Wert nicht die Quadratwurzel oder der Logarithmus der Arbeitszeit, oder sonstwie mit ihr verknüpft?
Naja, weil man mit doppelt soviel Arbeit dopppelt soviel herstellen kann.
Zitat Zweitens: Warum Arbeitszeit und nicht ein Maß, das auch die Qualität der Arbeit mit einschließt?
Tut es, wobei die Qualität ausschließlich in Produktivität gemessen ist. Ein Arbeiter der doppelt so schnell schafft doppelt soviel Wert. Aber richtig, die gedankliche Vereinfachung beinhaltet die Annahme, dass Arbeit homogen ist in dem Sinne, dass alle Arbeiter alles können und sich nur in der Arbeitsgeschwindigkeit unterscheidet. Aber auch diese Annahme ist, auch im heutige Zeitalter komplexer Arbeit, keine so dramatisch schlechte Annäherung und wird auch heute in fast allen Ökonomischen Modellen so gehandhabt. (es kommt immer darauf an, welche Frage man beantworten möchte. Wenn es um die wirkung eines Mindestlohnes geht, halte ich das nicht mehr für legitim, auch wenn es oft getan wird)
Zitat Und drittens eben: Wozu braucht man überhaupt eine solche Definition?
Zur gedanklichen Vereinfachung, um die Herstellungskosten auf einen Nenner zu bringen.
Zitat von GorgasalMal angenommen, ich will ein Zirkuszelt herstellen, und brauche dazu zwei Ballen Tuch. Ein einzelner Ballen reicht nicht aus. Dann ist für mich ein Ballen nichts wert, zwei Ballen haben hingegen einen echten Wert.
Aber das ist ja alles Realität. Und die schert AWT-ler ja nicht.
Damit machen Sie es sich zu einfach. Sie sollten das Wort wert nicht überstrapazieren. Ja, für sie hat ein Ballen dann keinen Wert, aber er besitzt ja immer noch denselben Marktwert.
Es wirklich zu einfach, eine Theorie, die Smith, Ricardo und Stuart Mill lange beschäftigt hat, mit so einfachen Beispielen widerlegen zu wollen.
Lieber Herr Zettel, es ist natürlich wunderbar, wenn es Menschen wie Sie in Sachen Marxismus oder Ulfkotte in Sachen Islam gibt, auf deren fundierte Erkenntnisse man zurückgreifen kann. Ich selbst lehne es ab, Bücher wie Rosenbergs "Mythos", Hitlers "Mein Kampf", Mohammeds "Koran" oder Marxens "Kapital" zu studieren, wo schon grobes Durchsehen den offensichtlichen Unsinn erkennen läßt (Viel wichtiger ist es, jeder an seiner Stelle, die relevanten praktischen Auswirkungen dieser realitätsfremden Ideologieen zu bekämpfen). Wer nun einwendet, wenn man die Ideologie in der Diskussion bekämpft, bekämpft man auch deren Auswirkungen, ist realitätsblind. Ideologieen scheitern immer erst an der "normativen Kraft des Faktischen". Mit freundlichem Gruß!
Zitat von NonkonformistWer nun einwendet, wenn man die Ideologie in der Diskussion bekämpft, bekämpft man auch deren Auswirkungen, ist realitätsblind.
Ich glaube nicht, daß das hier jemand glaubt. Natürlich reichen Diskussionen nicht zur Bekämpfung einer Ideologie.
Aber die Beschäftigung mit der Ideologie ist schon wichtige Voraussetzung für die Entscheidung, ob sie überhaupt bekämpft werden muß. Und nur wenn man sie in den wichtigsten Punkten kennt, kann man sie auch widerlegen bzw. Leute überzeugen, die sich noch nicht für Pro oder Kontra entschieden haben.
Die wirklich fanatischen Anhänger der Ideologie wird man natürlich durch Diskussionen fast nie überzeugen können.
Zitat von HermannDie Arbeitswertlehre ist schlicht falsch, und die subjektive Wertlehre schlicht richtig.
Entschuldigen Sie meine Hartnäckigkeit, lieber Herrmann (und lieber Dirk): Ich verstehe zwar nichts von Ökonomie, aber a bisserl von Wissenschaftstheorie.
Ich sehe mich deshalb jetzt einmal in der Rolle jener Philosophen, die auf vielen interdisziplinären Konferenzen gefürchtet sind: Sie haben von der Sache nicht viel Ahnung, fragen aber gern nach der Bedeutung, nach dem Status, der Operationalisierung von Begriffen.
Nach dem, was ich jetzt von Ihnen beiden gelernt zu haben meine, bezeichnen verschiedene ökonomische Schulen mit dem Wort "Wert" einfach zwei verschiedene Konzepte. Man redet von verschiedenen Dingen und benutzt dafür nur dasselbe Wort.
Der subjektive Wert, wie Sie, lieber Hermann, ihn erläutert haben, ist im Grunde auf der Ebene der Psychologie angesiedelt. Er bezeichnet einen Sachverhalt beim Marktteilnehmer, der dessen Entscheidungsverhalten beeinflußt.
Ich könnte mir denken, daß man das theoretisch ausbauen und formalisieren kann, es wahrscheinlich längst getan hat. Dieser "Wert" ist ja, wenn ich es verstanden habe, so etwas wie der subjektive Nutzen, der mit dem Erwerb des betreffenden Guts einhergeht. Da wird man, denke ich, das übliche mathematische Instrumentarium der Entscheidungstheorie anwenden können.
Mir will scheinen, daß diese Theorie so wenig eine richtige oder falsche Theorie "des" Werts ist, wie die AWT. Daß es den Sachverhalt des subjektiven Nutzens gibt, kann ja niemand gut bestreiten; warum ihn nicht "Wert" nennen?
Oder anders, von mir aus "Schnüsselditopp". Was macht das für einen Unterschied?
Die AWT scheint sich - jedenfalls ist das bei Marx so, da bin ich auf subjekiv sicherem Boden - mit etwas ganz anderem zu befassen, nämlich der Frage, was eigentlich sozusagen ontologisch "hinter" dem Preis einer Ware steckt. Marx war ja ein großer Voyeur; er wollte hinter den "Schein" gucken und das Wesen ergründen. Den "Fetischcharakter" der Ware entlarven.
Das Wesen einer Ware nun war für ihn, daß sie eigentlich "geronnene" Arbeit ist. Der Wert, den wir ihr beimessen, steckt nicht in der Ware selbst, sondern in der Arbeit, die zu ihrer Produktion erforderlich war.
Ja, mei. Das tut er oder tut er nicht. Ich sehe nach wie vor nicht, wozu man diesen Begriff von "Wert" braucht. Er erscheint mir wissenschaftlich ungefähr so hilfreich, wie wenn ein Naturwissenschaftler sagt, die Natur sei die Schöpfung Gottes. Ob sie das nun ist oder nicht - an der Gravitationskonstante und an der Lichtgeschwindigkeit ändert das nichts.
Also: Mir scheint, daß es sich nicht um konkurrierende Theorien handelt, von denen die eine richtig und die andere falsch ist, sondern um zwei verschiedene Verwendungen des Worts "Wert", von denen die eine einen realen Sachverhalt und die andere ein leeres Konstrukt bezeichnet.
Lieber R. A., die Überschrift hier heißt: Sozialismus und Kommunismus Sie schreiben: "Aber die Beschäftigung mit der Ideologie ist schon wichtige Voraussetzung für die Entscheidung, ob sie überhaupt bekämpft werden muß. Und nur wenn man sie in den wichtigsten Punkten kennt, kann man sie auch widerlegen bzw. Leute überzeugen, die sich noch nicht für Pro oder Kontra entschieden haben." Kürzlich habe ich hier geschrieben: (sinngemäß) Vor 90 Jahren hat mein Vater zuletzt über Kommunismus diskutiert, und ich vor 50 Jahren. In diesem Kontext ist mein Beitrag zu verstehen. Ich hoffe, Sie verstehen, was ich damit sagen will. Mit freundlichem Gruß!
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