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ZETTELS KLEINES ZIMMER

Das Forum zu "Zettels Raum"



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 Kommentare/Diskussionen zu "Zettels Raum"
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Zettel Offline




Beiträge: 20.200

04.01.2011 22:27
Zitat des Tages: Gesine Lötzsch, Kommunistin Antworten

Nein, eine Sensation ist das Bekennntnis von Gesine Lötzsch zum Kommunismus nicht. Interessant ist allerdings, daß man in der Führung der umbenannten SED jetzt offenbar bereit ist, das Tarnnetz ein Stück weit wegzuziehen.

Dagny Offline



Beiträge: 1.096

04.01.2011 22:55
#2 RE: Zitat des Tages: Gesine Lötzsch, Kommunistin Antworten

Gregor Gysi sprach 1990 davon, immer in seinem Herzen Sozialist zu bleiben, egal was kommt. Er wuerde sich zwar aendern, [Nachtrag: anpassen - an das erinnere ich mich nicht genau. dieses wort ziehe ich zurueck: er sprach von 'sich veraendern' in einem positiven sinne. nicht von anpassen-muessen], veraendern, aber er werde immer Sozialist bleiben.

Es ist eine Weile her. Es war kurz nach der Wende, kurz nach der Einheit. Die kleine Dagny sah ein Interview im ZDF (Talkshows gab es damals nicht, es muss eine hochehrwuerdige Sonntags-abends Sendung gewesen sein. 'Bonn direkt' vermutlich) mit Gregor Gysi, dem neuen Mann der alten SED (so in der Art. keine Ahnung, warum mir diese Sendung so woertlich in Erinnerung geblieben ist). - Soweit zum Setting, Gysis Ausspruch aus dieser Vor-Internet Zeit duerfte praktisch unrecherierbar sein, er ist hier sinngemaess zitiert.

Zettel Offline




Beiträge: 20.200

05.01.2011 00:03
#3 RE: Zitat des Tages: Gesine Lötzsch, Kommunistin Antworten

Zitat von Dagny
Es ist eine Weile her. Es war kurz nach der Wende, kurz nach der Einheit. Die kleine Dagny sah ein Interview im ZDF (Talkshows gab es damals nicht, es muss eine hochehrwuerdige Sonntags-abends Sendung gewesen sein. 'Bonn direkt' vermutlich) mit Gregor Gysi, dem neuen Mann der alten SED (so in der Art. keine Ahnung, warum mir diese Sendung so woertlich in Erinnerung geblieben ist). - Soweit zum Setting, Gysis Ausspruch aus dieser Vor-Internet Zeit duerfte praktisch unrecherierbar sein, er ist hier sinngemaess zitiert.


Ich habe zwei ähnliche Äußerungen Gysis in Erinnerung, die ich beide auch nicht dokumentieren kann und deshalb in ZR nicht verwende.

Die eine stammt auch aus der Wendezeit, als er gerade als Nachfolger von Egon Krenz Vorsitzender der SED geworden war. Damals fragte ihn ein westdeutscher Reporter, wie sich die SED denn verhalten würde, wenn sie nach Wahlen in der DDR keine Mehrheit mehr hätte. "Das kann ich mir nicht vorstellen" oder so ähnlich war Gysis Antwort.

Das andere war erst kürzlich in einer Talkshow, und es wurde hier im kleinen Zimmer schon erwähnt. Gysi sinngemäß: Die katholische Kirche hätte 2000 Jahre durchgehalten. "Da werden wir doch nicht nach weniger als hundert Jahren schon aufgeben"; so ungefähr.



Was viele, die in dieser Hinsicht naiv sind, übersehen, das ist vor allem das Geschichtsbild von Kommunisten: Für sie steht fest, daß der Kapitalismus zusammenbrechen und durch den Sozialismus ersetzt werden wird. Das ist für sie kein Glaube, sondern wissenschaftlich nachgewiesen.

Ereignisse wie der Zusammenbruch der Sowjetunion widerlegen das aus ihrer Sicht so wenig wie ein Halt an der Ampel dagegen spricht, daß das Auto sein Ziel erreicht. Es wird halt etwas länger dauern, man wird es besser anfangen müssen.

Aber wegen eines solchen Rückschlags eine wissenschaftliche Wahrheit nicht mehr für eine wissenschaftliche Wahrheit zu halten, das käme einem Marxisten absurd vor.

Das ist das eine. Das andere ist, daß für jeden Kommunisten die Tarnung eine Selbstverständlichkeit ist. Das Wesen des Leninismus ist die Lüge. Wolfgang Leonhard hat beschrieben, wie es ihm und den anderen Studenten auf der Parteihochschule bei Strafe verboten war, den anderen auch nur seinen wahren Namen zu nennen. Alle hatten Kampfnamen verpaßt bekommen, und nur die kannten die anderen.

So sind sie, die Kommunisten. Also arbeitet man - Kaderlinie - an der Errichtung einer DDR 2.0. Also tut man - Massenlinie - nach außen so, als sei man "in der Bundesrepublik angekommen". Man ist aber nur "angekommen", um diesen Staat zu vernichten.

Herzlich, Zettel

F.Alfonzo Offline



Beiträge: 2.292

05.01.2011 00:21
#4 RE: Zitat des Tages: Gesine Lötzsch, Kommunistin Antworten

Geehrter Zettel,

unvorstellbar dass ein Mensch wie Sie es tatsächlich schafft, einen Artikel aus der Jungen Welt zu lesen, ohne sekündlich Amok zu laufen... Danke hierfür

Das schöne ist, dass die SED *hust* demokratische Partei 'Die Linke' dort mal gerne die Katze aus dem Sack lässt.

Ich darf das Lötzsch-Zitat mal für normale Bürger übersetzen:

Zitat
Die Wege zum Kommunismus können wir nur finden, wenn wir uns auf den Weg machen und sie ausprobieren,



Übersetzung: Wir wollen die DDR nochmal ausprobieren, mal sehen ob's diesmal funktioniert.

Zitat
ob in der Opposition oder in der Regierung.



Übersetzung: Wenn ihr uns nicht wählen wollt, blockieren wir euch solange, bis ihr uns wählt. Natürlich unterstützen wir in der Opposition auch Gruppen, die politische Ziele auf der Straße durchsetzen wollen (Autos anzünden, Polizisten verdreschen).

Zitat
Auf jeden Fall wird es nicht den einen Weg geben, sondern sehr viele unterschiedliche Wege, die zum Ziel führen.



Übersetzung: Wir tun alles, um unsere Privilegien zu bekommen, koste es, was es wolle.

Grüße,
Alfonzo

Zettel Offline




Beiträge: 20.200

05.01.2011 06:59
#5 RE: Zitat des Tages: Gesine Lötzsch, Kommunistin Antworten

Zitat von Zettel
Was viele, die in dieser Hinsicht naiv sind, übersehen, das ist vor allem das Geschichtsbild von Kommunisten: Für sie steht fest, daß der Kapitalismus zusammenbrechen und durch den Sozialismus ersetzt werden wird. Das ist für sie kein Glaube, sondern wissenschaftlich nachgewiesen.


Ich bin jetzt zufällig auf einen Artikel von Günter Schabowski von 2005 gestoßen, der das sehr schön beschreibt und der auch sonst lesenswert ist:

Zitat
Marx umhüllt die Aura des Wissenschaftlichen. Seine Nachbeter werden nicht müde, das zu beschwören. Es ist der Versuch, seine kommunistischen Zukunftsvisionen vom Ruch platter Prophetie zu entlasten. Aber gerade diese Voraussagen sind es, die Marx zum Stifter einer zweifelhaften Diesseitsreligion machen. Sein Entwurf einer Zukunftsgesellschaft hatte mit der Religion gemein, daß er so unbewiesen war wie das Leben nach dem Tode. Man mußte daran glauben. Die Überzeugtheit vom ewigen Leben fordert allerdings nicht, als gesellschaftliche Totalität durchgesetzt zu werden. Marx setzte das wissenschaftliche Fundament seiner Analysen dazu ein, seine Utopie mit dem Chitinpanzer einer veritablen Theorie auszustatten. Im Unterschied zu den Gottesreligionen bot der Marxismus Perspektiven, die irdisch beweisbar und machbar schienen. Der marxistische Messianismus, zu wissen, wie die Welt von ihren Übeln zu erlösen ist, wurde von denen schnell akzeptiert, die der Religion verübelten, daß sie Duldsamkeit und Demut predigte, hienieden nichts verändern wollte und die Hoffnungen auf ein besseres Jenseits richtete.


Es erscheint mir unabweisbar, daß diejenigen in der umbenannten SED, die dies - wie Schabowski - zur Zeit der DDR glaubten, es auch heute noch glauben.

Denn wer durchschaut hat, daß die "Wissenschaftlichkeit" des DIAMAT nichts als Schwindel ist, der bleibt nicht mehr in einer solchen Partei; der geht den Weg von Schabowski nach 1990, der ja nicht gerade ein Zuckerschlecken für ihn gewesen ist.

Blub ( gelöscht )
Beiträge:

05.01.2011 07:23
#6 RE: Zitat des Tages: Gesine Lötzsch, Kommunistin Antworten

Aus Sicht von Kommunisten (oder generell, wenn man es genau nimmt) war die DDR nur ein sozialistischer Versuch auf dem Weg zum Kommunismus. Das mag subtil klingen, ist aber ein himmelweiter Unterschied... zumindest in der Theorie.

Zettel Offline




Beiträge: 20.200

05.01.2011 08:23
#7 Sozialismus und Kommunismus Antworten

Zitat von Blub
Aus Sicht von Kommunisten (oder generell, wenn man es genau nimmt) war die DDR nur ein sozialistischer Versuch auf dem Weg zum Kommunismus. Das mag subtil klingen, ist aber ein himmelweiter Unterschied... zumindest in der Theorie.


Ein Versuch wohl nicht, lieber Blub; man war ja fest davon überzeugt, auf dem richtigen Weg zu sein.

Ansonsten stimmt das. Man muß dazu wissen, daß Marx zwar der Meinung war, man könne den Gang der Geschichte wissenschaftlich vorhersagen, es aber nie unternommen hat, das im einzelnen auszuarbeiten.

Im Jugendwerk, vor allem den Pariser Manuskripten, gibt es diese ganzen schönen Ideen von der Aufhebung der dreifachen Entfremdung (von seinem Produkt, von sich selbst, von der Natur, wenn ich mich recht erinnere) im Kommunismus.

Danach hat sich Marx fast nur noch mit dem Kapitalismus befaßt, den er gewissermaßen zu Tode analysieren wollte: Zeigen, wie dessen eigenen "Bewegungsgesetze" unweigerlich zu seiner Zerstörung führen und damit den Weg freimachen für den Sozialismus.

Wie dieser aussehen sollte, hat Marx kaum irgendwo genau spezifiziert. Am ehesten noch in den Randglossen zum Programm der deutschen Arbeiterpartei, meist zitiert als "Kritik des Gothaer Programms" (1875). Dort äußert er sich zu Kommunismus, Sozialismus und Diktatur des Proletariats in ein paar Absätzen, und das ist nun für den DIAMAT die "wissenschaftliche Vorhersage" des Gangs der Geschichte:

Zitat
Es fragt sich dann: Welche Umwandlung wird das Staatswesen in einer kommunistischen Gesellschaft untergehn [ein tyisch Marx'scher Anglizismus, von to undergo; zu deutsch also "erfahren"; Zettel]? In andern Worten, welche gesellschaftliche Funktionen bleiben dort übrig, die jetzigen Staatsfunktionen analog sind? Diese Frage ist nur wissenschaftlich zu beantworten, und man kommt dem Problem durch tausendfache Zusammensetzung des Worts Volk mit dem Wort Staat auch nicht um einen Flohsprung näher.

Zwischen der kapitalistischen und der kommunistischen Gesellschaft liegt die Periode der revolutionären Umwandlung der einen in die andre. Der entspricht auch eine politische Übergangsperiode, deren Staat nichts andres sein kann als die revolutionäre Diktatur des Proletariats.


Die Diktatur des Proletariats ist also für Marx identisch mit dem Sozialismus, als der Übergangsphase zwischen Kapitalismus und Kommunismus. Die weitverbreitete Meinung, er hätte mit "Diktatur des Proletariats" nur eine Übergangsphase nach der Revolution gemeint, bevor mit dem Aufbau des Sozialismus begonnen wird, ist falsch.

Genauer erläutert Marx den Unterschied zwischen Sozialismus und Kommunismus in dieser Passage:

Zitat
Womit wir es [bei der "genossenschaftlichen, auf Gemeingut an den Produktionsmitteln gegründeten Gesellschaft", also im Sozialismus; Zettel] hier zu tun haben, ist eine kommunistische Gesellschaft, nicht wie sie sich auf ihrer eignen Grundlage entwickelt hat, sondern umgekehrt, wie sie eben aus der kapitalistischen Gesellschaft hervorgeht, also in jeder Beziehung, ökonomisch, sittlich, geistig, noch behaftet ist mit den Muttermalen der alten Gesellschaft, aus deren Schoß sie herkommt. Demgemäß erhält der einzelne Produzent - nach den Abzügen - exakt zurück, was er ihr gibt. (...)

Bei gleicher Arbeitsleistung und daher gleichem Anteil an dem gesellschaftlichen Konsumtionsfonds erhält also der eine faktisch mehr als der andre, ist der eine reicher als der andre etc. Um alle diese Mißstände zu vermeiden, müßte das Recht, statt gleich, vielmehr ungleich sein.

Aber diese Mißstände sind unvermeidbar in der ersten Phase der kommunistischen Gesellschaft [also dem Sozialismus in der Terminologie des DIAMAT; Zettel], wie sie eben aus der kapitalistischen Gesellschaft nach langen Geburtswehen hervorgegangen ist. Das Recht kann nie höher sein als die ökonomische Gestaltung und dadurch bedingte Kulturentwicklung der Gesellschaft.

In einer höheren Phase [dem, was im DIAMAT "Kommunismus" genannt wird; Zettel] der kommunistischen Gesellschaft, nachdem die knechtende Unterordnung der Individuen unter die Teilung der Arbeit, damit auch der Gegensatz geistiger und körperlicher Arbeit verschwunden ist; nachdem die Arbeit nicht nur Mittel zum Leben, sondern selbst das erste Lebensbedürfnis geworden; nachdem mit der allseitigen Entwicklung der Individuen auch ihre Produktivkräfte gewachsen und alle Springquellen des genossenschaftlichen Reichtums voller fließen - erst dann kann der enge bürgerliche Rechtshorizont ganz überschritten werden und die Gesellschaft auf ihre Fahne schreiben: Jeder nach seinen Fähigkeiten, jedem nach seinen Bedürfnissen!


Die UdSSR und ihre Kolonien, also auch die DDR, haben im Grunde sehr konsequent das umgesetzt, was Marx sich unter Sozialismus vorgestellt hatte. Es gab da keine Fehlentwicklung oder dergleichen; ein Mehrparteiensystem, Rechtstaatslichkeit, Meinungsfreiheit usw. hat Marx für den Sozialismus nicht vorgesehen, sondern eben die Diktatur des Proletariats. (Seit Lenin ist das die Avantgarde, also die Kommunistische Partei).

Es ist deshalb naiv, zu meinen, daß Lötzsch mit ihrem "zweiten Sozialismusversuch" so etwas wie einen freiheitlichen Sozialismus meinen könnte; dann wäre sie eine miserable Marxistin. Im Sozialismus, also der Diktatur des Proletariats, gibt es das nicht.

Herzlich, Zettel

C. Offline




Beiträge: 2.639

05.01.2011 09:26
#8 RE: Sozialismus und Kommunismus Antworten

Eine Frage, die mch seit jahren brennend interessiert: Wer stellt das Proletariat in Deutschland dar und wenn ja, wieviele? Ist Frau Lötzsch noch Proletariat oder schon Bourgeoisie?

http://www.iceagenow.com/

Zettel Offline




Beiträge: 20.200

05.01.2011 09:53
#9 RE: Sozialismus und Kommunismus Antworten

Zitat von C.
Eine Frage, die mch seit jahren brennend interessiert: Wer stellt das Proletariat in Deutschland dar und wenn ja, wieviele? Ist Frau Lötzsch noch Proletariat oder schon Bourgeoisie?

Das ist sehr einfach, dear C.: Gesine Lötzsch gehört dann zum Proletariat, wenn sie lohnabhängig ist. Sie gehört dann zur Bourgeoisie, wenn sie das nicht ist, sondern vom Eigentum an Produktionsmitteln lebt.

Wie das bei ihr ist, weiß ich nicht. Kommt darauf an, wieviele Aktien sie hat.

Marx hat übrigens den Begriff des Proletariats nur selten verwendet und meist von den Arbeitern, Lohnabhängigen, der Arbeiterklasse gesprochen.

Herzlich, Zettel

Blub ( gelöscht )
Beiträge:

05.01.2011 10:30
#10 RE: Sozialismus und Kommunismus Antworten

Lieber Zettel, alles, was gescheitert ist, war ein Versuch. Bei einem Versuch denkt man immer, dass er klappt, bis er gescheitert ist. Dann versucht man es nochmal.

Klar, die Trennung zwischen Sozialismus und Kommunismus wird oft als Entschuldung genommen (es war nicht der Kommunismus....). Ich denke, viele gesellschaftliche Traumentwürfe (auch im Kleinen) sind so angelegt, dass sie von vollständiger Kooperation und Einsicht aller Beteiligten ausgehen und sich nur dann, dass schöne Traumbild ergibt. Insofern müssen sie entweder scheitern oder zu einer Art Diktatur degenerieren und mit Zwang für Kooperation sorgen. Es gibt hier sicher zusätzlich auch einen himmelweiten Unterschied zwischen dem Traumbild vom Kommunismus und dem, was Marx gedacht hat.

Zettel Offline




Beiträge: 20.200

05.01.2011 12:31
#11 RE: Sozialismus und Kommunismus Antworten

Zitat von Blub
Ich denke, viele gesellschaftliche Traumentwürfe (auch im Kleinen) sind so angelegt, dass sie von vollständiger Kooperation und Einsicht aller Beteiligten ausgehen und sich nur dann, dass schöne Traumbild ergibt. Insofern müssen sie entweder scheitern oder zu einer Art Diktatur degenerieren und mit Zwang für Kooperation sorgen. Es gibt hier sicher zusätzlich auch einen himmelweiten Unterschied zwischen dem Traumbild vom Kommunismus und dem, was Marx gedacht hat.


Was Marx gedacht hat, würde mich schon interessieren. Der junge Marx war Kommunist im damaligen Sinn, keine Frage. Das Kommunistische Manifest war von diesem Pathos getragen, die ganze Welt umzukrempeln und alles neu und schön werden zu lassen. Da war Marx gerade mal dreißig, als er das schrieb. Als er die Pariser Manuskripte schrieb, die noch utopischer Ideen enthielten, war er Mitte Zwanzig. Die Zeit vor 1848 war eine ähnliche Zeit wie die um 1968; eine Zeit revolutionärer Phantasien.

Was aber der alte Marx wirklich dachte, wer will das wissen? War er noch so naiv, an das kommunistische Paradies zu glauben, das er in der Kritik des Gothaer Programms schilderte? (Da war er ein ergrauter Endfünfziger).

Oder hat er mit diesem Heilsversprechen nur jongliert, der alte Scharlatan, und hatte längst erkannt, daß das Paradies auf Erden nicht zu haben ist?

Herzlich, Zettel

Blub ( gelöscht )
Beiträge:

05.01.2011 14:45
#12 RE: Sozialismus und Kommunismus Antworten

Und das Versprechen des Paradieses auf Erden, genau deshalb erschreckt der Begriff Kommunismus kaum jemand, sondern ist oft immer noch positiv besetzt und man erhält sicher zustimmendes Nicken, wenn man die Schrecken damit niederwalzt, dass man ja sonst im Kapitalismus verbleiben müsste. Und jeder weiss, dass der böse ist und nichts Gutes will (sondern einfach nur Gutes tut...).

Gorgasal Offline




Beiträge: 4.095

05.01.2011 14:52
#13 RE: Zitat des Tages: Gesine Lötzsch, Kommunistin Antworten

Mittlerweile hat auch die FAZ davon gehört.

Und da frage ich mich doch einmal ganz naiv, ab was für Zielvorstellungen der Verfassungsschutz eingreift oder ein Parteiverbot zumindest andiskutiert wird. Müssen diese Mitmenschen denn erst ausdrücklich von der Abschaffung der FDOG sprechen? Wenn die Führungsspitze einer Partei von "Wegen zum Nationalsozialismus" spricht, wird dann auch noch erwartet, dass sie mit der FDOG konform geht?

--
Vertrauen in das Volk ist fast immer unbegründet; Kultur ist das Werk weniger. - Zettel

AndreasJ Offline



Beiträge: 28

05.01.2011 18:51
#14 RE: Zitat des Tages: Gesine Lötzsch, Kommunistin Antworten

Durch einen Beitrag im Blog des Liberalen Instituts bin ich auf einen Link zum Originaltext in der jW gestoßen.

Frau Lötzsch zitiert dort Rosa Luxemburg mit

Zitat von Rosa Luxemburg
So soll die Machteroberung nicht eine einmalige, sondern eine fortschreitende sein, indem wir uns hineinpressen in den bürgerlichen Staat, bis wir alle Positionen besitzen und sie mit Zähnen und Nägeln verteidigen.


und schreibt anschließend, für sie

Zitat von Gesine Lötzsch
steht linke Politik insgesamt und die Politik der Partei Die Linke in dieser herausfordernden Tradition gesellschaftsverändernder, radikaler Realpolitik


Das ist im Grunde das aggressivste, was sie schreibt. Der Rest besteht aus den üblichen Forderungen (Ökologie, Verstaatlichungen) und Beschwichtigungen (Gewaltlosigkeit). Weshalb die Ziele der umbenannten SED sicher wieder verklärt werden. Allerdings hat das BVerfG 1956 entschieden:

Zitat von BVerfG
Es ist das Ziel der KPD, die sozialistisch-kommunistische Gesellschaftsordnung auf dem Wege über die proletarische (sozialistische) Revolution und die Diktatur des Proletariats herbeizuführen. Sowohl die proletarische Revolution als auch der Staat der Diktatur des Proletariats sind mit der freiheitlichen demokratischen Ordnung unvereinbar


Zettel zeigte oben die Identiät der Diktatur des Proletariats mit dem Sozialismus. Deshalb wäre für einen juristisch Ungebildeten wie mich die Entscheidung leicht, wenn ich von Forderungen nach einem "demokratischen Sozialismus" lese.

vonhaeften Offline



Beiträge: 48

05.01.2011 19:05
#15 RE: Zitat des Tages: Gesine Lötzsch, Kommunistin Antworten

Und das irreste ist die Zusammensetzung auf dem Podium jener Diskussion, die von der "Jungen Welt" veranstaltet werden soll:RAF, Antifa, DKP.
Da sind sie dann alle wieder vereint, die ihre politischen Ziele mit Gewalt und Terror durchsetzen wollen.

123 Offline



Beiträge: 287

05.01.2011 19:36
#16 Lob, Lob, Lob Antworten

ich will Ihnen gewiß nicht übermässig schmeicheln, lieber Zettel,


aber die Fülle an substanzieller Information zu den Machenschaften der SED und deren tatsächlichem Anliegen, findet man sonst in
ganz Deuschland nicht noch einmal.

Kein Mediem berichtet über die tatsächlichen Ziele der SED, umbenannt in "die Linke".
Einer Partei, der einzigen im Bundestag, die foltern und systematisch morden ließ um ihre Macht zu erhalten.

Vielen Dank für Ihre Mühe. Ihre Recherchen müssen sehr zeitaufwendig sein und sind zudem von hoher Kompetenz geleitet.

Ich kenne kein Medium in der BRD, das hier auch nur annähernd ein ähnliches Niveau erreicht. Speziell wenn es um Aspekte linker Politik und linker Parteien geht.

Beste Grüße und machen Sie bitte weiter so.

danielphoffmann Offline




Beiträge: 124

10.01.2011 13:13
#17 RE: Sozialismus und Kommunismus Antworten

Lieber Zettel,

in den von ihnen angeführten Marx Zitaten ist von verschiedenen Phasen des Kommunismus die Rede, nicht aber wird die erste oder niedere Phase ("Diktatur des Proletariats") Sozialismus genannt. Kann es sein, dass die Klassifizierung der ersten oder niederen Phase des Kommunismus nachträglich in Sozialismus umgetauft wurde, insbesondere durch den Sowjetmarxismus?

Zettel Offline




Beiträge: 20.200

10.01.2011 13:42
#18 RE: Sozialismus und Kommunismus Antworten

Zitat von danielphoffmann
in den von ihnen angeführten Marx Zitaten ist von verschiedenen Phasen des Kommunismus die Rede, nicht aber wird die erste oder niedere Phase ("Diktatur des Proletariats") Sozialismus genannt. Kann es sein, dass die Klassifizierung der ersten oder niederen Phase des Kommunismus nachträglich in Sozialismus umgetauft wurde, insbesondere durch den Sowjetmarxismus?


Marx äußert sich ja, lieber Daniel Hoffmann, sehr vage. Ihn hat das alles herzlich wenig interessiert.

Das Proletariat muß, so dachte er sich das, die Macht erobern und sie diktatorisch verteidigen; dabei entsteht eine Gesellschaft, die noch stark vom Kapitalimus geprägt ist. Wo also beispielsweise Arbeitsteilung herrscht und wo jeder danach verdient, wie viel er leistet. Irgendwann soll daraus dann der eigentliche Kommunismus (die "zweite Stufe des Kommunismus") hervorgehen.

Wie eigentlich, hat Marx meines Wissens nirgends erläutert. Hätte er auch da dialektisch gedacht, dann hätte er sich eigentlich sagen müssen, daß diese spätere Stufe ja nur aus den Widersprüchen in der früheren heraus entstehen kann. Aber wie gesagt, das war ihm alles egal. Er wollte, daß der Kapitalismus untergeht, und das Weitere würde sich schon finden.

Im DIAMAT ist das zu einem Geschichtsschema zurechtgezimmert worden. Es könnte gut sein, daß Sie Recht haben und daß dabei überhaupt erst der Begriff "Sozialismus" für die erste Stufe des Kommunismus = Diktatur des Proletariats geprägt wurde.

Jedenfalls findet sich in dem sehr sorgsam und mit immensem Fleiß zusammengestellten Karl-Marx-Lexikon von Wal Buchenberg überhaupt kein Stichwort "Sozialismus".

Marx und Engels benutzten den Begriff "Wissenschaftlicher Sozialismus". Aber damit war - wie die Bezeichnung schon sagt - nicht eine Phase in der Geschichte der Menschheit gemeint, sondern die Lehre von Marx und Engels; mit dem Epitheton "wissenschaftlich" wollte man sich von den sogenannten "utopischen Sozialisten" wie Fourier, Saint-Simon und Owen abheben.

Wie dann das Wort "Sozialismus" für Marx' "erste Stufe des Kommunismus" eingeführt wurde und warum - es wäre interessant, das herauszufinden. Vermutlich wurde das untersucht, nur kenne ich leider keine Quelle.

Herzlich, Zettel

PS: Danke für die interessante Anregung und willkommen im kleinen Zimmer!

stefanolix Offline



Beiträge: 1.959

10.01.2011 14:03
#19 RE: Sozialismus und Kommunismus Antworten

Zitat von Zettel
(…) Marx und Engels benutzten den Begriff "Wissenschaftlicher Sozialismus". Aber damit war - wie die Bezeichnung schon sagt - nicht eine Phase in der Geschichte der Menschheit gemeint, sondern die Lehre von Marx und Engels; mit dem Epitheton "wissenschaftlich" wollte man sich von den sogenannten "utopischen Sozialisten" wie Fourier, Saint-Simon und Owen abheben.

Wie dann das Wort "Sozialismus" für Marx' "erste Stufe des Kommunismus" eingeführt wurde und warum - es wäre interessant, das herauszufinden. Vermutlich wurde das untersucht, nur kenne ich leider keine Quelle.



Ich kann nur aufgrund meiner Erinnerungen an den zwangsweise erlebten Unterricht während meines Studiums antworten. In der DDR musste jeder Hochschulstudent neben seinem eigentlichen Studienfach die drei Fächer "Dialektischer und Historischer Materialismus", "Politische Ökonomie" und "Wissenschaftlicher Kommunismus" ablegen, die Prüfungen waren obligatorisch. Ich hatte Glück: nach Prüfung Nummer 1 kam die Wende ;-)

Wie gesagt, auf der Basis meiner Erinnerungen: Der Sozialismus galt nicht als die erste Stufe des Kommunismus, sondern als eine eigenständige Gesellschaftsordnung. Er galt als noch nicht vollkommen. Es sollte mit dem Kommunismus noch einmal eine grundlegend neue Stufe erreicht werden. Diese neue Stufe bezog sich u.a. auf das Vorhandensein von Klassen, auf das Eigentum und auf das Geld. Der Kommunismus sollte die letzte Gesellschaftsordnung in der Geschichte der Menschheit sein.

Das erscheint mir im Rückblick auch als in sich logisch, denn den Sozialismus hatten wir ja schon und es musste den Menschen nun etwas (noch) Besseres in Aussicht gestellt werden ;-)

Ein Lehrgebiet "Wissenschaftlicher Sozialismus" ist mir von damals nicht in Erinnerung. Aber es klingt logisch, dass sich Marx und Engels von nicht-wissenschaftlichen Herangehensweisen distanzieren wollten. Man kann ihnen ja eine wissenschaftliche Arbeit nicht absprechen. Wäre es rein wissenschaftlich weitergegangen, dann wäre der Menschheit viel Leid erspart geblieben.

In der DDR gab es ja dann den bitteren Witz, dass der Marxismus/Sozialismus keine Wissenschaft sein könne: Wissenschaftler hätten es immer zuerst an Ratten ausprobiert …

Herzliche Grüße
Stefan

.

Nonkonformist ( gelöscht )
Beiträge:

10.01.2011 14:07
#20 RE: Sozialismus und Kommunismus Antworten

Lieber Herr Zettel,
Richard Wagner schrieb auf der "achse":
"Früher gerieten die Parteien in Verruf. Heute geraten sie in Vergessenheit. Das ist den Parteien bekannt. Bekannt ist ihnen auch, dass dagegen nur eines hilft: die Provokation. Die Linkspopulisten machen, zumindest in dieser Frage, keine Ausnahme. Wie sie überhaupt nicht die Ausnahme sind, die sie gerne wären, und für die sie sich gelegentlich ausgeben und sogar halten. Die Dummheit der anderen ist eben leichter zu erkennen als die eigene.

Von der LINKEN hatte man seit einer ganzen Weile nichts mehr gehört, und man vermisste sie auch nicht. Das muss der Parteichefin, der Genossin Lötzsch, aufgefallen sein. Und da sich die schöne Gelegenheit bot, im Zentral-Organ der Berliner Revoluzzerszene „Junge Welt“ auf die Pauke zu hauen, tat sie dies auch.

Womit kann man die Geister in Deutschland in Aufregung versetzen? Natürlich mit dem Kommunismus. Nicht etwa mit einer Warnung vor ihm, sondern mit Überlegungen dazu, wie man den angeblich Unvermeidlichen, doch noch auf gutem Wege erreichen könnte...."
http://www.achgut.com/dadgdx/index.php/d...e/gesines_welt/
Von meiner Seite aus ist dem nichts hinzuzufügen.
Mit frdl. Gruß!

Zettel Offline




Beiträge: 20.200

10.01.2011 14:40
#21 RE: Sozialismus und Kommunismus Antworten

Zitat von stefanolix
Wie gesagt, auf der Basis meiner Erinnerungen: Der Sozialismus galt nicht als die erste Stufe des Kommunismus, sondern als eine eigenständige Gesellschaftsordnung. Er galt als noch nicht vollkommen. Es sollte mit dem Kommunismus noch einmal eine grundlegend neue Stufe erreicht werden. Diese neue Stufe bezog sich u.a. auf das Vorhandensein von Klassen, auf das Eigentum und auf das Geld. Der Kommunismus sollte die letzte Gesellschaftsordnung in der Geschichte der Menschheit sein.


Ja, so wurde das gelehrt. Ich habe damals die Schulungshefte aus der DDR gelesen, die im Westen in den DKP-Buchhandlungen "Das internationale Buch" oder so ähnlich verkauft wurden.

Aber so steht es meines Wissens nicht bei Marx. Ich habe damals, als er diskutiert wurde, sehr viel von Marx gelesen, auch von Engels; vermutlich a bisserl mehr als die meisten Marxisten.

Vom Sozialismus als einer Stufe vor dem Kommunismus ist bei Marx nicht die Rede; jedenfalls würde ich mich sehr wundern, wenn es das gäbe, ohne daß ich es gelesen habe.



Wie schon früher geschrieben: Der Kommunismus hat Marx nur in seiner Jugend interessiert, als er den Linkshegelianismus mit Feuerbach zu verbinden versuchte. In den "Pariser Manuskripten" hat er dazu bizarre Ideen entwickelt, der Höhepunkt dieser Phase war das "Kommunistische Manifest".

Dann hat er Ökonom zu werden versucht, Adam Smith und Ricardo gelesen und daraus "Zur Kritik der politischen Ökonomie" und "Das Kapital" entwickelt. Da ging es ihm nur um den Kapitalismus.

Daß er sich dann 1875 doch noch zum Kommunismus geäußert hat, dürfte an der damaligen spezifischen Situation der Arbeiterbewegung gelegen haben: Der Gothaer Parteitag war der Vereinigungsparteitag, auf dem die Marxisten und die Lassalianer sich zu einer Partei zusammenfanden. Da ging es Marx darum, die reine Lehre zu retten. Er nahm nicht teil, sondern saß in London, reagierte von dort aus aber umso heftiger.

Er mußte etwas zum Kommunismus sagen, weil die Lassalianer den ja gar nicht wollten; sie waren zufrieden mit einem "Voksstaat", in dem jeder seinen "gerechten Lohn" erhalten sollte.

Zitat
Ein Lehrgebiet "Wissenschaftlicher Sozialismus" ist mir von damals nicht in Erinnerung. Aber es klingt logisch, dass sich Marx und Engels von nicht-wissenschaftlichen Herangehensweisen distanzieren wollten.


Ja, das taten sie ja mit Heftigkeit. Anfangs, indem sie sich mit den utopischen Sozialisten auseinandersetzten. Später hat Engels das dann noch einmal in "Die Entwicklung des Sozialismus von der Utopie zur Wissenschaft" zusammengefaßt. Aber da war "Sozialismus" eben eine Lehre und nicht eine Phase in der Geschichte der Menschheit.

Zitat
Man kann ihnen ja eine wissenschaftliche Arbeit nicht absprechen. Wäre es rein wissenschaftlich weitergegangen, dann wäre der Menschheit viel Leid erspart geblieben.

Als ich anfing, Marx zu lesen, erwartete ich auch Wissenschaft, lieber Stefanolix. Je mehr ich las, umso stellte sich heraus, daß im Marxismus kein Quentchen Wissenschaft ist.

Es fehlt alles, was eine Wissenschaft ausmacht: Die freie Diskussion, das ständige Infragestellen aller Annahmen, die Prüfung an der Realität.



Vor allem ist aber die Marx'sche Theorie auch keine wissenschaftliche Theorie, rein formal nicht. Nehmen Sie den Begriff des Wertes. Der Wert einer Ware - Sie werden da gelernt haben, lieber Stefanolix - bestimmt sich nach Marx durch die Dauer der zu ihrer Herstellung erforderlichen gesellschaftlich notwendigen Arbeit.

Nun weiß allerdings jeder, daß der Preis einer Ware auch dann hoch sein kann, wenn sie einfach herzustellen ist, aber die Nachfrage das Angebot überschreitet.? Also? Also ist der Preis eben nicht mit dem Wert identisch. Und wie kann man nun prüfen, ob der Wert von der Dauer der gesellschaftlich notwendigen Arbeit bestimmt wird? Gar nicht kann man es. Was Marx als eine Erkenntnis verkauft, ist eine reine Definition.



Oder nehmen Sie das berühmte "Gesetz vom tendenziellen Fall der Profitrate". Es basiert auf Marx Meinung, daß - s.o. - Wert nur durch "lebendige Arbeit" geschaffen werden kann, also nicht durch Maschinen.

Nun führt die Technisierung aber dazu, daß immer mehr Kapital in Maschinen usw. fließt und immer weniger in Lohnzahlungen. Marx nennt das eine Änderung in der "organischen Zusammensetzung des Kapitals".

Vom Gesamtkapital erzeugt also ein immer kleinerer Teil Wert, nämlich nur derjenige, der in Lohnzahlungen fließt ("variables Kapital"). Da der Profit sich aber auf das gesamte eingesetzte Kapital bezieht, sinkt notwendig die Profitrate.

Schlau ausgedacht, nur falsch. Auch zu Marx' Zeiten gab es keinen solchen durchgängigen Trend, wenn auch in Phasen natürlich der Ertrag sank. Also spricht Marx vom "tendenziellen" Fallen der Profitragte. Wenn ihm kein nachweisbares Fallen entspricht, dann liegt das daran, daß "entgegenwirkende Tendenzen" stärker sind.

Es ist wie bei der Weltuntergangssekte: Wenn die Welt dann doch nicht untergeht, widerlegt das ihren Glauben nicht, sondern bestätigt ihn. Denn nur weil sie gebetet haben, ist die Welt nicht untergegangen.

Der Marxismus ist Pseudowissenschaft, wie sie leibt und lebt. Man könnte lachen, wenn es nicht die vielen Millionen Opfer gegeben hätte.

Herzlich, Zettel

dirk Offline



Beiträge: 1.538

10.01.2011 15:11
#22 RE: Sozialismus und Kommunismus Antworten

Zitat von Zettel
Der Wert einer Ware - Sie werden da gelernt haben, lieber Stefanolix - bestimmt sich nach Marx durch die Dauer der zu ihrer Herstellung erforderlichen gesellschaftlich notwendigen Arbeit.



Ja, wenn es das wäre, dann wäre es ja fast eine Tautologie. Arbeit ist der knappe Faktor und wir drücken alle Preise in Eineheiten an Arbeit aus. Wenn es fünf mal soviel Arbeit braucht einen Mantel herzustellen als ein Brot, dann wird ein Mantel auch fünf mal soviel kosten. Andernfalls würde der Hersteller von Mänteln sich der Produktion von Tüchern zuwenden. So banal.

Nur für die Abeit soll das nicht gelten. Eine Stunde Arbeit sei weniger "Wert" als eine Stunde Arbeit. Dieses Paradoxon wird ähnlich dejenigens des Barbiers der alle rasiert, die sich nicht sebst rasierens, durch die Formulierung "Der Wert einer Sache entspricht der zur Reproduktion erforderlichen Menge an Arbeit" erzeugt. Und um Arbeit zu reproduzieren brauche es, so Marx, nur die Lebenshaltungskosten eines Arbeiters. Hier liegt ein/der Denkfehler: Um eine Stunde Arbeit zu reproduzieren, braucht es eine Stunde Arbeit!

Beim "tendenziellen Fall der Profitrate" ist es nicht anders. Natürlich, wenn immer mehr Kapital eingesetzt wird, aber nur begrenzt viel Arbeit, kann der Ertrag des Kapitals gemessen in Arbeitseinheiten, nicht konstant bleiben. Im Preis von Arbeit gerechnet müssen die Profite fallen. Anders gesagt: Für den Zins, den ich auf mein Kapital erhlate, kann ich mir immer weniger Arbeit leisten. Aber das muss, anders als Marx meinte, nicht zur Krise führen, denn erstens steigt gleichzeitig die Produktivität, so dass auch das weniger an Arbeit immer bedeuten kann, dass ich mehr und bessere Güter erhalte und zweitens ist der Kpaitalismus gar nicht auf eine positive Kapitalverzinsung angewiesen. Selbst wenn die Profitrate null ist, wo ist das Problem?

Und abgesehen davon ist es ja gut, wenn die Profite in Arbeitseinheiten sinken, denn das bedeutet ja (wenn man obigen Fehler nicht macht), dass der Preis der Arbeit, also die Löhne steigen (relativ zum Kapital).

Zettel Offline




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10.01.2011 15:25
#23 RE: Sozialismus und Kommunismus Antworten

Zitat von dirk
Arbeit ist der knappe Faktor und wir drücken alle Preise in Eineheiten an Arbeit aus. Wenn es fünf mal soviel Arbeit braucht einen Mantel herzustellen als ein Brot, dann wird ein Mantel auch fünf mal soviel kosten. Andernfalls würde der Hersteller von Mänteln sich der Produktion von Tüchern zuwenden. So banal.

Nur für die Abeit soll das nicht gelten. Eine Stunde Arbeit sei weniger "Wert" als eine Stunde Arbeit. Dieses Paradoxon wird ähnlich dejenigens des Barbiers der alle rasiert, die sich nicht sebst rasierens, durch die Formulierung "Der Wert einer Sache entspricht der zur Reproduktion erforderlichen Menge an Arbeit" erzeugt. Und um Arbeit zu reproduzieren brauche es, so Marx, nur die Lebenshaltungskosten eines Arbeiters. Hier liegt ein/der Denkfehler: Um eine Stunde Arbeit zu reproduzieren, braucht es eine Stunde Arbeit!


Der Trick ist ja bei Marx, daß der Arbeiter dem Kapitalisten nicht seine Arbeit verkauft, sondern seine Arbeitskraft.

Das ist der Trick, mit dem der Mehrwert in die Welt gesetzt wird: Der Arbeiter wird völlig korrekt bezahlt. Er bekommt mit dem Lohn den vollen Wert seiner Arbeitskraft, die sich durch deren Herstellungskosten bestimmt (die "Reproduktionskosten" der Arbeit).

Aber das, was er produziert, hat einen höheren Wert als den Wert seiner Arbeitskraft. Die Differenz ist der Mehrwert. Ausbeutung - die Aneignung von Mehrwert - gehört somit zum Wesen des Kapitalismus.

q.e.d.



Schwierig wird es mit den "Reproduktionskosten" natürlich, wenn der Arbeiter so viel verdient, daß er sich einen Ford kaufen, Urlaub in der Karibik machen usw. kann. Aber damit hat der Marxist kein Problem: Heute gehört das eben alles zu den Reproduktionskosten der Arbeit.

Auch hier wird, wie jeder sehen kann, wieder eine Definition als eine Erkenntnis verkauft. Die Theorie vom Mehrwert ist so sinnleer wie der Wertbegriff selbst.

Marxismus ist wirklich Pseudowissenschaft, in einem sehr präzisen Sinn: Es werden Aussagen gemacht, die formal wie Theorien aussehen, die in Wahrheit aber Definitionen oder nicht falsifizierbare Behauptungen sind.

Herzlich, Zettel

dirk Offline



Beiträge: 1.538

10.01.2011 16:51
#24 RE: Sozialismus und Kommunismus Antworten

Zitat von Zettel
Der Trick ist ja bei Marx, daß der Arbeiter dem Kapitalisten nicht seine Arbeit verkauft, sondern seine Arbeitskraft.



Ich zweifel nicht daran, dass man die Mehrwerttheorie sprachlich so geschikct ausdrücken kann, dass sie wie eine konsistente Definition erscheint. Aber wie man es auch anstellt, es handelt sich um eine sprachliche Täuschung. Sobald man versucht das ganze formaler aufzuziehen, klappt es nicht. Zum Beispiel ist es nicht plausibel, dass Arbeit einmal als beliebig reproduzierbar angenommen wird (indirekt, wenn sich der Lohn nach den Reproduktionskosten richtet) und einmal als begrenzt (beim tendenziellen Fall der Profitrate). Die Sprache aber erlaubt es, den Bezugspunkt einer Definition zu wechseln. Und genau deswegen lässt sich der Pudding so schwer an die Wand nageln.

Was ich aber gerne verstehen würde ist, was Dialektik ist oder sein soll. Meiner (Diskussions-)Erfahrung nach ist das einfach ein Zaubermittel, um (logische) Widersprüche stehen zu lassen, ohne kognitiven Dissonanzen ausgesetzt zu sein. Quasi eine geschickt verpackte Form der Ignoranz. Weist man darauf hin, dass Freiheit und (vollkommene) Gleichheit unvereinbar seien, wird nicht etwa auf den Widerspruch eingegangen, es wird auch nicht versucht ihn zu widerlegen sondern ausgeschmückt aber platt geantwortet "Aber Ziel muss es doch sein, Gleichheit und Freiheit zu verbinden! In der Idealgesellschaft, die wir anstreben, sind alle frei und gleich".

Gibt es irgendeine Definition für Dialektik? Oder eine knappe Beschreibung, was gemeint ist? Irgendwie ist es ja mehr als ein Argumentationsschema. Aber es ist keine Hypothese. Wenn ich mir Quellen im Netz anschaue, [url="http://en.wikipedia.org/wiki/Dialectical...cal_materialism"]etwa Wikipedia[/url], bekomme ich den Eindruck es handele sich um eine Religion; bzw. ich verstehe es nicht.

Zettel Offline




Beiträge: 20.200

10.01.2011 17:31
#25 RE: Sozialismus und Kommunismus Antworten

Zitat von dirk

Zitat von Zettel
Der Trick ist ja bei Marx, daß der Arbeiter dem Kapitalisten nicht seine Arbeit verkauft, sondern seine Arbeitskraft.



Ich zweifel nicht daran, dass man die Mehrwerttheorie sprachlich so geschikct ausdrücken kann, dass sie wie eine konsistente Definition erscheint. Aber wie man es auch anstellt, es handelt sich um eine sprachliche Täuschung. Sobald man versucht das ganze formaler aufzuziehen, klappt es nicht. Zum Beispiel ist es nicht plausibel, dass Arbeit einmal als beliebig reproduzierbar angenommen wird (indirekt, wenn sich der Lohn nach den Reproduktionskosten richtet) und einmal als begrenzt (beim tendenziellen Fall der Profitrate). Die Sprache aber erlaubt es, den Bezugspunkt einer Definition zu wechseln. Und genau deswegen lässt sich der Pudding so schwer an die Wand nageln.



Mit der Einschränkung gesagt, lieber Dirk, daß es ziemlich genau vierzig Jahre her ist, daß ich ausführlich Marx gelesen habe:

Marx will ja Wert nicht definieren, sondern er sieht die Arbeitswerttheorie (die er von Ricardo hat) als ein System von Aussagen über die Wirklichkeit an; also eben eine wissenschaftliche Theorie.

Das ist sie aber nicht, weil sie nicht falsifizierbar ist.

Würde Marx nicht zwischen Wert und Preis unterscheiden, dann könnte man die Arbeitswerttheorie prüfen: Stimmt es empirisch, daß der Preis einer Ware von der in ihr "geronnenen" (so Marx) Arbeitszeit bestimmt wird? Augenscheinlich nicht. Eine Skizze von Picasso, in fünf Minuten angefertigt, kann Millionen wert sein. Das Werk eines Tüftlers, das niemand kaufen will, kann nichts wert sein, auch wenn er noch so viele Arbeitsstunden investiert hat.

Aber Marx würde entgegnen: Das ist kein Einwand, denn der wahre Wert der Skizze ist eben doch gering, und der wahre Wert des Tüftelwerks ist groß; nur kommt das in den Preisen nicht zum Ausdruck.

Das hypothetische Konstrukt "Wert" ist nur durch die unabhängige Variable "Arbeitszeit" operationalisiert und wird mit keiner abhängigen Variablen verknüpft. Deshalb ist die "Arbeitswerttheorie" in Wahrheit eine Definition und keine Theorie.

Zitat
Was ich aber gerne verstehen würde ist, was Dialektik ist oder sein soll. Meiner (Diskussions-)Erfahrung nach ist das einfach ein Zaubermittel, um (logische) Widersprüche stehen zu lassen, ohne kognitiven Dissonanzen ausgesetzt zu sein.


Marx hat den Begriff der Dialektik von Hegel übernommen, wo er sich auf die Entwicklung von Ideen bezieht: Eine Idee (These) erzeugt Widerspruch durch eine entgegengesetzte (Antithese); schließlich verbinden sich beide in der Synthese. So stellte sich Hegel die Entwicklung "des Geistes" vor.

Marx hatte nun den Einfall, das auf reale Prozesse anzuwenden. Am Schema ändert sich nichts. Etwas - zum Beispiel Unterdrückung durch die herrschende Klasse - bringt einen Widerspruch (das Aufbegehren der Unterdrückten) hervor, und daraus entsteht nach einer Revolution etwas Neues, eine Synthese: Eine neue Klassenherrschaft oder aber die klassenlose Gesellschaft.

Engels hat dieses Schema auch auf die "Dialektik der Natur" (so der Titel seiner Schrift) anwenden wollen, und da kommen dann die absonderlichsten Dinge heraus.

Ich habe das damals mit Amüsement gelesen und jetzt eben danach gegoogelt. Kostprobe:

Zitat
Mit der Molekularbewegung erst erhält der Formwechsel der Bewegung seine volle Freiheit. Während, an der Grenze der Mechanik, die Massenbewegung nur einzelne andre Formen annehmen kann: Wärme oder Elektrizität, sehen wir hier eine ganz andre Lebendigkeit des Formwechsels: Wärme geht über in Elektrizität in der Thermosäule, wird identisch mit dem Licht auf gewisser Stufe der Strahlung, erzeugt ihrerseits wieder mechanische Bewegung; Elektrizität und Magnetismus, ein ähnliches Geschwisterpaar bildend wie Wärme und Licht, schlagen um, nicht nur ineinander, sondern auch in Wärme und Licht und ebenfalls in mechanische Bewegung. Und das nach so bestimmten Maßverhältnissen, daß wir eine gegebne Menge einer jeden in jeder andern, in Meterkilogrammen, in Wärmeeinheiten, in Volts ausdrücken können und ebenso jedes Maß in jedes andre übersetzen.


Lehrbuch-Physik auf Gymnasialniveau, mehr oder weniger verstanden und in einer putzigen Sprache formuliert.

Und was hat das nun mit Dialektik zu tun? Engels:

Zitat
Wir haben hier kein Handbuch der Dialektik zu verfassen, sondern nur nachzuweisen, daß die dialektischen Gesetze wirkliche Entwicklungsgesetze der Natur, also auch für die theoretische Naturforschung gültig sind. Wir können daher auf den innern Zusammenhang jener Gesetze unter sich nicht eingehn.

1. Gesetz vom Umschlagen von Quantität in Qualität und umgekehrt. Dies können wir für unsern Zweck dahin ausdrücken, daß in der Natur, in einer für jeden Einzelfall genau feststehenden Weise, qualitative Änderungen nur stattfinden können durch quantitativen Zusatz oder quantitative Entziehung von Materie oder Bewegung (sog. Energie).

Alle qualitativen Unterschiede in der Natur beruhen entweder auf verschiedner chemischer Zusammensetzung oder auf verschiednen Mengen resp. Formen von Bewegung (Energie) oder, was fast immer der Fall, auf beiden. Es ist also unmöglich, ohne Zufuhr resp. Hinwegnahme von Materie oder von Bewegung, d.h. ohne quantitative Änderung des betreffenden Körpers, seine Qualität zu ändern. In dieser Form erscheint also der mysteriöse Hegelsche Satz nicht nur ganz rationell, sondern selbst ziemlich einleuchtend-

Es ist wohl kaum nötig, darauf hinzuweisen, daß auch die verschiednen allotropischen und Aggregatzustände der Körper, weil auf verschiedner Molekulargruppierung, auf größeren oder geringeren dem Körper mitgeteilten Mengen von Bewegung beruhen.

Aber der Formwechsel der Bewegung oder sog- Energie? Wenn wir Wärme in mechanische Bewegung verändern, oder umgekehrt, da wird doch die Qualität verändert und die Quantität bleibt dieselbe? Ganz richtig. Aber Formwechsel der Bewegung ist wie Heines Laster: Tugendhaft kann jeder für sich sein, zum Laster gehören immer zwei. Formwechsel der Bewegung ist immer ein Vorgang, der zwischen mindestens zwei Körpern erfolgt, von denen der eine ein bestimmtes Quantum Bewegung dieser Qualität (z.B. Wärme) verliert, der andre ein entsprechendes Quantum Bewegung jener Qualität (mechanische Bewegung, Elektrizität, chemische Zersetzung) empfängt. Quantität und Qualität entsprechen sich hier also beiderseits und gegenseitig. Bisher ist es noch nicht gelungen, innerhalb eines einzelnen isolierten Körpers Bewegung aus einer Form in eine andre zu verwandeln.

Mache sich jeder seinen Reim auf derartigen Stuss. Für Marxisten ist das alles heilig. Als ich es damals gelesen habe, habe ich mich gefragt, was ein kommunistischer Physiker oder Chemiker wohl denkt, wenn er so etwas liest.

Herzlich, Zettel

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