selten möchte ich so sehr zustimmen, wie hier. Jeder einzelne Satz wäre unterstreichungswürdig. Am nachdenklichsten machen mich aber ihre Schlussbemerkungen. Es ist erstaunlich wie wenig Anspruch "wir" im Allgemeinen an Politiker haben. Die Grünen haben keine Probleme damit, dass ihr Partei von Betonkommunisten und Steinewerfern geführt wird (von anderen Geschichten wie Cohn Bendit und seinen grossen Basar noch gar nicht angefangen). Die Dunkelroten werden von einem ehemaligen IM geführt. Die Roten machen sich daran ihren letzten Kanzler, der ganz offensichtlich von einer fremden Macht gekauft wurde, zum Ehrenvorsitzenden zu machen (oder ist das sogar schon durch ?). Und die Schwarzen juckt es nicht, wenn ihr grosses Zugpferd ein Betrüger ist.
Ich bin zwar nicht mehr ganz jung, aber ich frage mich, ob das früher auch schon so war. Ist ne ganz ernst gemeinte Frage: Ist diese Anspruchslosigkeit neu oder war die schon immer Teil der BRD ?
Zitat von LlarianIch bin zwar nicht mehr ganz jung, aber ich frage mich, ob das früher auch schon so war. Ist ne ganz ernst gemeinte Frage: Ist diese Anspruchslosigkeit neu oder war die schon immer Teil der BRD ?
Ich meine, das war nicht immer so. Frage mich aber auch immer wieder, ob das an meiner Wahrnehmung liegt, also dass ich einfach politisch erwachsen wurde und damit einhergehend bestimmte Dinge erst registrierte. Es gab immer mal einen Skandal, siehe Strauß, aber die gingen dann und gut war oder verzogen sich zumindest mal anstandshalber für eine Weile sozusagen zur Strafe. Dass aber irgend wie überall die Leichen liegen oder zumindest viele schwarze Flecken gegeben sind, ich meine das war so nicht.
Zitat von KaterKarloHier ist ein sehr interessanter Artikel von Max Steinbeis zu einem Effekt den er den "anti-elitären" Effekt nennt.
Danke für den Hinweis. Gefällt mir.
Zitat Der Plagiats-Vorwurf gegen Guttenberg ist zutiefst elitär, ein Debattierthema von Akademikern für Akademiker. Für eine Frisöse, für einen Altenpfleger, für einen Investmentbanker ist nicht mehr als eine Petitesse von ungefähr der gleichen Tragweite, als hätte Guttenberg beim Abitur gespickt.
Das muss man sich klar machen.
Heißt das, dass ich mich jetzt schäme und sage, ich seh’s ein, alles halb so schlimm?
Im Gegenteil. Jetzt wird mir erst richtig gruselig.
-- Margot Käßmann erhält für ihren Rücktritt nach einer betrunkenen Autofahrt den Europäischen Kulturpreis für Zivilcourage. - Der Spiegel, nicht am 1. April
Gefällt mir auch, wenngleich mich wundert, dass der Autor nur Rechtskonservative ausmacht, für die das hier gelten soll
Zitat Gerade deshalb gibt es wenig Undemokratischeres als ein Mächtiger, der sich unmittelbar auf den Willen des Volkes stützt statt auf das Recht.
Meiner Ansicht ist das gerade die Definition von linker Politik und das Beharren auf das formalistische Recht charakteristisch für Rechtskonservative.
Nunja, nicht ganz. Es ist das Ziel linker Politik, aber um es zu erreichen, muss erstmal die Elite übernehmen, was sie aber nicht daran hindert, sich auf den Volkswillen zu berufen, wenn es ihnen passt.
Zitat von KaterKarloHier ist ein sehr interessanter Artikel von Max Steinbeis ..
Ja. Ich führe zwei Zitate an, einen von Steinbeis und einen von Nico Fried. Sie beleuchten die Dinge in komplementärer Weise, und beide haben, glaube ich, recht.
Zitat von Max Steinbeis: Guttenberg und das anti-elitäre Ticket Aber jetzt zu den Folgen: Ich glaube nicht, dass Guttenberg jetzt schwächer ist als vorher, eher das Gegenteil. Ich glaube aber, dass seine Machtbasis sich verändert hat, und zwar auf eine Weise, die nichts Gutes verheißt.
Die Empörung all der vielen Leute, die in den Attacken auf den Plagiator Guttenberg nur den elitären Versuch sehen, “unseren besten Mann kaputt zu machen”, ist für Guttenberg ein ungeheuer wertvolles politisches Kapital.
Zitat von Nico Fried: Merkel gibt sich auf, SZ-online Wie viel Freiraum überlässt die Kanzlerin dem Freiherrn? Merkel hat suggeriert, Guttenberg könne auch bleiben, falls ihm der Doktortitel aberkannt werde, schließlich habe sie einen Verteidigungsminister berufen und keinen wissenschaftlichen Assistenten. Nach dieser Logik sind im Kabinett Schwindler und Hochstapler künftig willkommen.
Und die Entscheidung über die politische Zukunft Guttenbergs gibt Merkel damit aus der Hand, vermutlich in voller Absicht: Sie will nicht die Verantwortung für den Zorn der Union und der Guttenberg-Fans im ganzen Land auf sich ziehen, sollte der vermeintliche Mann der Zukunft sich in seiner Vergangenheit verheddern.
Der Verteidigungsminister kann zufrieden sein. Karl-Theodor zu Guttenberg steht nicht mehr in der Abhängigkeit der Kanzlerin.
Zitat Nunja, nicht ganz. Es ist das Ziel linker Politik, aber um es zu erreichen, muss erstmal die Elite übernehmen, was sie aber nicht daran hindert, sich auf den Volkswillen zu berufen, wenn es ihnen passt.
Ob links oder rechts, es ist eine recht passende Definition für Populismus. Erlaubt ist was gefällt und wird gemacht, weil es gefällt. Es ist nicht verwunderlich dass ein Verfassungsrechtler sich auf Tocqueville bezieht und eine sehr intelligente Definition von Demokratie liefert. Dass er das mit Seitenhieb auf "Rechts" tut mag ich freilich...
Zitat Ob links oder rechts, es ist eine recht passende Definition für Populismus. Erlaubt ist was gefällt und wird gemacht, weil es gefällt. Es ist nicht verwunderlich dass ein Verfassungsrechtler sich auf Tocqueville bezieht und eine sehr intelligente Definition von Demokratie liefert. Dass er das mit Seitenhieb auf "Rechts" tut mag ich freilich...
Zitat von Vielleichteinlinker. Es ist nicht verwunderlich dass ein Verfassungsrechtler sich auf Tocqueville bezieht und eine sehr intelligente Definition von Demokratie liefert.
Ich würde eher sagen, er beruft sich auf die Federalist Artikel (Tocqueville habe ich vor 10 Jahren gelesen, kann ich nicht ausschliessen, aber mein Bauchgefühl verneint). Wie auch immer, jedenfalls ist das für mich eine konservative Definition und scheint mir im Widerspruch zu allem zu stehen, was ich als links einordnen würde. Freut mich, wenn es nicht so ist.
Die Beobachtung von Steinbeis trifft zu: Es gibt "konservative" Politiker wie Sarah Palin, die durch berechtigte Kritik nur noch mehr Volkszustimmung erfahren. Auf der "linken" Seite knüpft der Volkswille stärker an Sachthemen an: "Stuttgart 21", Hartz als Armut durch Gesetz, Erregung über Bagatellkündigungen. Beiden Seiten ist gemein, daß der Volkswille nicht in Wahlen oder Abstimmungen formal festgestellt wird, sondern daß Umfragen und Einschätzungen entschheiden. Darin liegt die antidemokratische Gefahr.
Ich habe aus den Kernformulierungen der Erklärung Guttenbergs vom Video ein Transkript angefertigt. Quelle: http://www.spiegel.de/politik/deutschlan...,746886,00.html — Guttenberg ist kursiv gesetzt. Rhetorisch interessant ist schon der Einstieg:
Und nach dieser Beschäftigung, meine Damen und Herren, habe ich auch festgestellt, wie richtig es war, dass ich am Freitag gesagt habe, dass ich den Doktortitel nicht führen werde.
Übersetzung: Ich habe es richtig gemacht. Ich habe am Freitag eine richtige Entscheidung getroffen. — Ein guter Einstieg. Kann man jemandem böse sein, der richtige Entscheidungen trifft? Er hat ja ganz allein seine richtige Entscheidung getroffen. Da fehlt nur das kleine Detail, dass ihm dieser Titel gar nicht mehr zustand, ja eigentlich noch nie zustand. Und dass die Uni jetzt wohl kaum noch prüfen wird, wie schlimm das Plagiat ist.
Ich sage das ganz bewusst, weil ich am Wochenende auch nachdem ich diese Arbeit mir intensiv noch einmal angesehen habe, feststellen musste, dass ich gravierende Fehler gemacht habe. Gravierende Fehler, die den wissenschaftlichen Kodex, den man so ansetzt, nicht erfüllen.
Der wissenschaftliche Kodex, den man so ansetzt, war ihm bis zu dem Zeitpunkt noch etwas wert, als er nicht erwischt worden war — nein, das stimmt ja eigentlich nicht. Der Titel war ihm etwas wert. Der Kodex war ihm völlig egal. Man lese noch einmal das Vorwort über das Seminar bei seinem Doktorvater — was ist das für ein Kitsch! Heute wird der wissenschaftliche Kodex in einem Nebensatz abgehandelt. Fast schon verächtlich, als sei das eine Konvention von gestern.
(Schnitt)
Ich habe diese Fehler nicht bewusst gemacht, ich habe auch nicht bewusst oder absichtlich in irgendeiner Form getäuscht und musste mich natürlich auch selbst fragen, meine Damen und Herren: Wie konnte das geschehen? Wie konnte das passieren?
Die typische Passiv-Form: Der Plagiator als Opfer. Wie konnte das mit mir nur geschehen? — Das würden wir unseren Kindern nie durchgehen lassen. Dreijährige versuchen es so: »Meine Hand hat gehauen« (ich nicht). Und wir zeigen ihnen die Grenzen. Aber einem veritablen Minister lassen wir das durchgehen?
Und so ist es, dass man nach ... einen Blick dann zurückwirft und feststellt man hat sechs, sieben Jahre an einer solchen Arbeit geschrieben und hat in diesen sechs, sieben Jahren — möglicherweise an der einen oder anderen Stelle, an der einen oder anderen Stelle auch zuviel, auch teilweise den Überblick über die Quellen verloren.
Der aufmerksame Leser sagt sich: damit kann man doch aber nicht hunderte Stellen erklären. Inzwischen ist die Beschäftigung so vieler Leute im Netz, so vieler Journalisten und Geisteswissenschaftler, mit der Doktorarbeit völlig sinnlos geworden, weil Guttenberg mit der Formel »an der einen oder anderen Stelle auch zuviel« jeden Betrugsversuch einschließen kann. Hoffentlich werden die Autoren das Urheberrecht zur Hilfe nehmen!
Aus diesem Menschen wird noch viel werden. Vielleicht wird er noch hohe Ämter erringen, vielleicht wird ihn seine Partei weiterhin als Hoffnungsträger einsetzen. Aber etwas Großes wird er nicht mehr.
Trösten wir uns. Es hätte (nach dem bekannten Fotowitz) schlimmer kommen können. Er hätte auch Arzt werden können …
Zitat weil ich am Wochenende - auch, nachdem ich diese Arbeit mir intensiv noch einmal angesehen habe - feststellen mußte, daß ich gravierende Fehler gemacht habe; gravierende Fehler, die den wissenschaftlichen Kodex, den man so ansetzt, nicht erfüllen. ... in diesen sechs, sieben Jahren möglicherweise an der einen oder anderen Stelle - an der einen oder anderen Stelle auch zuviel - auch teilweise den Überblick über die Quellen verloren.
mit Verlaub gasagt, erinnert mich das an die unbestimmt bleibende sogenannte Geheimrede Chrustschows, in der ebenso grundsätzlich nur von "gewissen Verbrechen" die Rede war und man nur gelegentlich konkret wurde. Ebenso redet man hier wie die Katze um den heissen Brei herum.
Zitat im Umfeld von Fra ... Frankr ... Frankfurt
spätestens an dieser Stelle leuchtet einem nicht ein, weshalb es sich um ein "rhetorisches Meisterstück" handeln soll, lieber Zettel. Auf mich wirkt es eher wie der Versuch einer Ausrede eines pubertierenden Pennälers, der alles darauf setzt, dass der Klassenlehrer Verständnis für die Vergesslichkeit zeigt.
Zitat von stefanolixIch habe aus den Kernformulierungen der Erklärung Guttenbergs vom Video ein Transkript angefertigt.
Zwei Menschen, ein Gedanke.
Fanden Sie's auch so mühsam? Ich bin ja keine Sekretärin, die so schnell tippen kann, wie Guttenberg redet. Also immer wieder stopp, zurück, neu abhören usw. Naja, wenn's der Wahrheitsfindung dient.
Jedenfalls habe ich jeden Satz so oft auf Übereinstimmung geprüft, daß ich behaupten würde: Mir sind keine gravierenden Fehler unterlaufen.
spätestens an dieser Stelle leuchtet einem nicht ein, weshalb es sich um ein "rhetorisches Meisterstück" handeln soll, lieber Zettel.
Solche Blockaden laden natürlich zum Freudianisieren ein.
Vielleicht war ihm dieser Versuch, sich beim Publikum durch ein Lob der Stadt Frankfurt einzuschmeicheln, selbst etwas peinlich. Freud hat so etwas in "Zur Psychopathologie des Alltagslebens" analysiert.
Was die Rhetorik angeht: Ich habe mich vor Jahrzehnten mal a bisserl mit Rhetorik befaßt. Glauben Sie mir, die Rede ist rhetorisch meisterhaft.
Daß sie inhaltlich indiskutabel ist, steht auf einem anderen Blatt. Falls es mit der Politik nichts mehr ist, würde ich Guttenberg eine Karriere als Rhetoriktrainer empfehlen. Selbstverständlich nur für Spitzenmanager.
Zitat von ZettelFanden Sie's auch so mühsam? Ich bin ja keine Sekretärin, die so schnell tippen kann, wie Guttenberg redet. Also immer wieder stopp, zurück, neu abhören usw. Naja, wenn's der Wahrheitsfindung dient.
Jedenfalls habe ich jeden Satz so oft auf Übereinstimmung geprüft, daß ich behaupten würde: Mir sind keine gravierenden Fehler unterlaufen.
Ich wollte ja nur die Kernsätze abtippen und diese Kernsätze sind rhetorisch ganz besonders klar. Ganz herzlichen Dank, dass Sie sich die Mühe gemacht haben, alles abzuschreiben. Das macht die Analyse einfacher.
Ich stimme zu: die Rede ist rhetorisch genial. Er hat sein Publikum in der Hand und darauf kommt es ihm an. An einer einzigen Stelle spürt man die Lüge, da geht die Stimme etwas hoch.
darain unterscheiden wir uns. Ich komme nämlich aus diesem Bereich. Ein ordentlicher Manager hätte in seiner Situation Tacheles geredet und nicht um den heissen Brei herum, zumal Umfragen zeigen, dass den Bürgern die Sache nicht so dringlich ist und er seine Partei ebenso hinter sich weiss. Möglicherweise hätte er seine Verdienste hervorgehoben, frei nach dem Motto "Was ist euch wichtiger? Eine Diss oder meine Leistung?".
Zitat von danielphoffmannEin ordentlicher Manager hätte in seiner Situation Tacheles geredet und nicht um den heissen Brei herum,...
Richtig. Genau deswegen gehen Spitzenmanager regelmäßig ein, wenn sie sich in öffentlichen Medien zu einem heiklen Thema äußern. Mal als Beispiel die Kopper'schen Peanuts - damit hat er das Image seiner Bank für Jahre in den Keller gebracht.
Das Guttenberg-Rhetorik-Training wäre also nicht für den Firmenalltag gedacht, sondern für die Krisenkommunikation, wenn die Medienmeute sich anschickt die Firma fertig zu machen.
Zitat von R.A.Genau deswegen gehen Spitzenmanager regelmäßig ein, wenn sie sich in öffentlichen Medien zu einem heiklen Thema äußern. Mal als Beispiel die Kopper'schen Peanuts - damit hat er das Image seiner Bank für Jahre in den Keller gebracht.
Nur zu diesem Aspekt: ich war damals noch lange nicht so intensiv mit liberalem Gedankengut in Berührung gekommen, aber ich habe es Kopper nie übelgenommen. Aus Sicht der Bank war es Klartext und es war sachlich richtig, wenn man die Summen gesehen hat.
Gerade WEIL die Deutsche Bank hier inhaltlich alles richtig gemacht hat, ist das Peanuts-Zitat ein schönes Beispiel, was falsche Kommunikation bewirken kann.
Nur zur Erinnerung: Der Immobilienspekulant Schneider hat betrogen. Und zwar erstens die Deutsche Bank und zweitens diverse Handwerker. Die Deutsche Bank hat sich damals sehr honorig verhalten und den betroffenen Handwerkern ihren Schaden ersetzt. Als Kopper dann irgendwann auf diese noble Geste angesprochen wurde, wollte er (vermute ich) einfach nur bescheiden wirken (bzw. mit Bescheidenheit kokettieren) und die Handwerker-Unterstützung nicht als etwas so überragend tolles darstellen. "Das sind doch nur Peanuts" meinte also "Die Unterstützung durch die Deutsche Bank ist doch gar nicht der Rede wert".
Dass die Verbindung aus nobler Geste und Kleinreden dieser Geste dann ein solches PR-Desaster werden würde, hätte er sich wahrscheinlich nicht im Traum gedacht.
Zitat von LlarianIch bin zwar nicht mehr ganz jung, aber ich frage mich, ob das früher auch schon so war. Ist ne ganz ernst gemeinte Frage: Ist diese Anspruchslosigkeit neu oder war die schon immer Teil der BRD ?
wie es "früher" war, kann ich zwar nicht sagen, aber dafür weiß ich genau, daß es mir ganz und gar nicht gefällt, wie es heute läuft. Die Prozedur ist doch inzwischen immer gleich: Ganz egal, was jemand verbockt hat, wird der Anschein gewahrt, es sei alles in Ordnung, solange es nur geht ("die Anschuldigungen weise ich in aller Schärfe zurück" etc.). Wenn dann nachgewiesen wird, daß das glatt gelogen war, wird sich vor die Kameras gestellt, es werden "Fehler" eingeräumt (man sei schließlich auch nur ein Mensch) und eine Entschuldigung nachgeschoben, denn man habe "selbstverständlich niemanden schädigen wollen". Dabei ist ganz wichtig, den Zeitpunkt richtig zu treffen, nämlich zwar nachdem die Ausweglosigkeit deutlich geworden ist, aber bevor der ganze Umfang des Versagens breitgetreten wird. Wenn man es dann schafft, sich selbst sozusagen noch als Opfer irgendwelcher Umstände zu präsentieren und darzustellen, daß es keinesfalls Absicht gewesen sei, hat man jedem den Wind aus den Segeln genommen, der danach noch mit (neuen) "Details" kommt. Denn diese werden ja nun einfach unter den bereits eingeräumten "Fehlern" abgehakt.
Soweit jedenfalls mein Eindruck. Ich habe das Gefühl, solange man nicht verurteilt wird und tatsächlich ins Gefängnis muß, also zwangsläufig nicht weitermachen kann, kann man, wenn man sich nur geschickt genug anstellt, im politischen Betrieb mit allem durchkommen. Von der Politik muß man sich ständig Moralpredigten anhören, Gesellschaftsklempner wollen uns laufend zu "besseren Menschen" erziehen, aber an solchen Beispielen sieht man, daß das absolut gar nichts wert ist. Wenn es jemand aus ihren Reihen ist, der Mist gebaut hat - egal welcher Art -, wird alles schöngeredet. Jahrelanger Betrug? Konsequenzen? Ach was ...
Zitat von FlorianDie Deutsche Bank hat sich damals sehr honorig verhalten und den betroffenen Handwerkern ihren Schaden ersetzt. Als Kopper dann irgendwann auf diese noble Geste angesprochen wurde, wollte er (vermute ich) einfach nur bescheiden wirken (bzw. mit Bescheidenheit kokettieren) und die Handwerker-Unterstützung nicht als etwas so überragend tolles darstellen.
Danke; das wusste ich nicht. Ich war damals 11 und kann mich heute noch an die Aufregung über die Peanuts erinnern, aber das von Ihnen gesagte rückt die Sache erst ins richtige Licht. Erbärmlich - aber das ist man ja mittlerweile gewohnt.
das sich einzelne nicht besonders anständig verhalten, das denke ich, ist nicht unbedingt neu. Skandale hat es immer gegeben, persönliche Bereicherung hat es immer gegeben und Lügen sind wohl so alt wie die Politik selbst. Was ich meine ist "unser" Umgang damit und das man heutzutage so oft nur noch oppositionell Anstoss daran nimmt. Bei der ganzen Angelegenheit geht es überhaupt nicht mehr darum, ob die Person tragbar ist oder nicht. Ich will das an einem nicht aktuellen Beispiel erörtern, dem Kaufkanzler. Da ist ein ehemaliger Regierungschef, der offen von einer fremden Macht gekauft worden ist, es geht nicht viel offensichtlicher. Das ist vermutlich allen hier furchtbar unsympathisch. Was mich aber aufregt, was mich stört, ist, dass die Sozialdemokraten da so wenig Anstoss daran nehmen. Es ist nicht Sinn der Sozialdemokratie einen Kanzler zu haben, der von einer fremden Macht gekauft ist. Wir können über die Roten schimpfen wie wir wollen, prinzipiell wollen die auch nur das beste für sich. Und nicht das beste eines anderen Staates. Eigentlich kann einem Sozialdemokrat Schröder nur genauso unsympathisch sein, wie einem Liberalen. Und die machen den zum Ehrenvorsitzenden. Da kriege ich die Krise. Und ich unterstelle: Die glauben nicht an das Gute in dem Mann. Die sind nur verzweifelt, weil sie ja nicht zugeben können einem gekauften Staatsmann nachgelaufen zu sein. Sie können nicht zugeben, dass ihr grösster Politiker der letzten 20 Jahre käuflich war. Und jetzt schlage ich auch die Kurve zum aktuellen Fall (Stefanie möge mir verzeihen, ist aber nicht persönlich gezielt, sondern hier wirklich ganz allgemein, Anwesende ausgeschlossen). Den Schwarzen (insbesondere der CSU) ist es bisweilen egal, ob ein zu Guttenberg betrogen hat. Man muss sich hinter ihn stellen, weil er ein grosses politisches Talent ist, zumindest aus ihrer Sicht. Und da frage ich: Warum sind "wir" so anspruchslos ? Sind wir wirklich so ohne Alternativen, dass wir niemanden haben, der untadelig ist ? Ist Schröder das Beste was die Sozialdemokratie vorzuweisen hat ? Sind Trittin oder Cohn Bendit das Beste was die Grünen aufzubieten haben ? Das meine ich mir Anspruchslosigkeit. Das sich der Einzelne danebenbenimmt und selbst bei den eindeutigsten Beweisen immernoch windet (was soll er auch sonst tun) ist nachvollziehbar, wenn ich mein Leben lang nach Macht gestrebt habe, dann fällt es schwer diese aus einem Gefühl des Anstandes heraus aufzugeben (und Anstand war ja nun meistens schon vorher ein Problem, bei denen, über die wir sprechen). Aber das "wir" das mitmachen, das widert, um ihre Worte aufzugreifen, lieber RexCramer, mich an.
Ich will nicht, das mich ein Betrüger vertritt, ich will nicht, dass mich ein Steineschmeisser vertritt und ich will nicht, dass mich die Mauermörder vertreten. Ich habe niemanden betrogen, ich habe auf niemanden Steine geschmissen und ich habe auch niemandem geholfen andere einzusperren oder zu erschiessen. Und ich glaube das gilt für die breite Mehrheit. Warum müssen wir von solchen vertreten werden, bei denen das nicht so ist ?
(Kleine Anmerkung zur Ehrenrettung: Die Aufzählung ist tendentiell unglücklich, denn ich sehe natürlich Unterschiede zwischen einem Helfer des Unrechtsstaates DDR und einem Betrüger. Insofern gehören die nicht in einen Topf. Ich meine nur, wir brauchen beide nicht als Vertreter.)
Zitat von Llarian Und jetzt schlage ich auch die Kurve zum aktuellen Fall (Stefanie möge mir verzeihen, ist aber nicht persönlich gezielt, sondern hier wirklich ganz allgemein, Anwesende ausgeschlossen). Den Schwarzen (insbesondere der CSU) ist es bisweilen egal, ob ein zu Guttenberg betrogen hat. Man muss sich hinter ihn stellen, weil er ein grosses politisches Talent ist, zumindest aus ihrer Sicht. Und da frage ich: Warum sind "wir" so anspruchslos ? Sind wir wirklich so ohne Alternativen, dass wir niemanden haben, der untadelig ist ?
Lieber Llarian,
da ich weder eine Schwarze bin, noch die Auffassung vertrete, dass man sich hinter zu Guttenberg stellen müsse, weil er ein so großes politisches Talent sei, weiß ich überhaupt nicht, was ich verzeihen müsste.
"Wir" haben leider überhaupt niemanden. Wenn haben die Parteien und darin dann auch nur wenige.
Mitglieder:
Grüne: 52 608 FDP: wohl ganz knapp unter 70 000 Linke: 78 046 CSU: 160 000 SPD. 505 000 CDU 508 079
Bedeutet grob, ca 1.3 Millionen Menschen von 81,7 Millionen Einwohnern sind in den im Bundestag vertretenen Parteien - wenn ich mich jetzt beim Überschlagen nicht vertan habe - und selbst von diesen kann kaum einer mitbestimmen, wer Spitzenkanditat wird. Und auch diese wenigen, die mit abstimmen dürfen, haben kaum Einfluss bis auf wenige in Spitzenpositionen, weil denen zwei oder einer als Kandidat nur vorgestellt wird, den sie dann bestätigen können oder eben nicht und die Wahlergebnisse zeigen, es wird fast immer bestätigt, denn ein Ergebnis unter 90 % gilt als ein schlechtes. Finden Mitgliederbefragungen sieht es ähnlich aus, es wird zur Auswahl gestellt und auf die Auswahl haben auch wieder nur ganz wenige Einfluss.
Daher, nicht wir haben die Auswahl, das haben vielleicht 200 Personen, wenn es hoch kommt. Und die Minister, da haben wir erst recht keinen Einfluss drauf.
Ich bin sicher, es gibt viele Fleißige und Redliche in der Politik, aber durch kommen tut der, welcher Netzwerke hat - was nicht gleichbedeutend mit unredlich sein muss, aber Redlichkeit, Fleiß und eine gute Arbeit allein reichen nicht - und die aufzubauen ist schwer und meistens nur möglich, wenn man schon jung dabei war. Merkel hat es ohne Netzwerke später geschafft sich in ihren Landesverband durchzusetzen. Die Gerüchte köchelten immer - kann ich nicht belegen - dass sie dabei alles andere als zimperlich gewesen sei und so den ein oder anderen eiskalt ausgeschaltet habe - glaube ich heute, während ich mir das 98 so überhaupt noch nicht vorstellen konnte - Ich habe dafür keine Belege, da aber in den Medien immer mal wieder by the way berichtet wurde, dass sie keinen Wahlkreis hat, auf den sie sich verlassen kann, spricht viel dafür, dass das stimmt. Muss nicht stimmen. Alle anderen haben mehr oder weniger in jungen Jahren schon Netzwerke aufgebaut. *
Daher Llarian, wen sollen wird haben? Wir haben die, welche sich in der Politik durchsetzten, die man durchließ aus was für Gründen auch immer. Ein Grund ist ganz sicher, diese hatten Unterstützer und das ganz sicher nicht, weil sie immer nur machten, was sie für richtig hielten, sondern auch in den Netzwerken gefällig den anderen gegenüber waren.
Edit: bin müde, war völlig chaotisch formuliert, konnte keiner verstehen.
*Edit 2: Lange war Heinz Eggert einer der wenigen ostdeutschen Minister. Der hatte auch keine Netzwerke und den hat man durch eine ganz miese Intrige erledigt. Statt Ostdeutsche, die sich auskennen im Lande, importierte man Wessis. Hat sich etwas geändert. Weiß nicht woran das lag, würde aber nicht ausschließen, dass es die mangelnden Netzwerke waren.
Im Vereinigten Königreich ist es einfach: Alle "Adelstitel" sind auf eine Verleihung durch den Monarchen zurück zu führen, und dementsprechend hat ein Herzog auch immer einen höheren sozialen Rang als ein Graf und dieser wiederum steht über einem einfachen Baron, unabhängig davon, wie alt die Familie ist. Ich habe hier "Adelstitel" in Anführungszeichen geschrieben, weil die britische Peerage sich eigentlich nicht mit Adel im kontinentaleuropäischen Sinn vergleichen lässt. Zwar gab es auch in Großbritannien eine privilegierte Schicht, aber keinen streng abgeschlossenen Stand, da alle Söhne, auch der Erbe eines Peers, rechtlich gesehen Bürgerliche waren. Eine Unterscheidung zwischen altem und neuem Adel konnte sich dort deshalb nie etablieren.
Ganz anders sah es in Deutschland aus. Nicht nur sozial, sondern teilweise bis 1919 auch rechtlich, spielte die Familiengeschichte eine viel größere Rolle, als der Titel (Fürst, Freiherr, Graf) den jemand trug.
Neben den regierenden Häusern der bis 1871 souverän gewesenen deutschen Bundestaaten, quasi den deutschen "Royals", gab es noch die Standesherren, die im Heiligen Römischen Reich bis 1803/06 ein Territorium regiert hatten und dort allein den Kaiser über sich hatten. Trotz der Mediatisierung, d.h. der zwangsweisen "Eingemeindung" in einen größeren deutschen Staat, galten sie weiterhin generell als ebenbürtig, auch wenn streng zwischen Reichsfreiherren (wie den zu Guttenbergs), Reichsgrafen und Reichsfürsten (zu denen nicht nur Fürsten, Herzöge, Markgrafen, Landgrafen sondern u.a. auch gefürstete Grafen gehörten - ein nicht gerade übersichtliches System) unterschieden.
Danach kamen noch die uradeligen Familien, die zwar kein eigenständiges Territorium hatten, aber die schon so lange adelig waren, dass nicht mehr bekannt war, wer sie in den Adelsstand erhoben hatte. Auch hier gab es Grafen und Freiherren, vor allem jedoch untitulierten Adel (reines von). Unterste Gruppe waren die im 18. Jahrhundert erst geadelten. Selbst ein vom deutschen Kaiser verliehener Herzogstitel wurde aber vom "alten Adel" nicht für gleichrangig angesehen. Von der Urgroßmutter unseres Verteidigungsministers ist sogar der Satz "ein fränkischer Freiherr spuckt auf einen bayrischen Grafen" überliefert.
In der Praxis braucht dieses Wissen heutzutage kaum jemand mehr. Viele Adelige pflegen zwar noch diese alten Traditionen, aber als Gruppe hat der Adel heutzutage keinen gesellschaftlichen Einfluss mehr. Auch wenn Einzelne natürlich geschickt darin sind das Vermögen und die Verbindungen der Familie entsprechend zu nutzen.
Für den normalen Deutschen ist jedoch Adel einfach Adel, unabhängig von den feineren Unterschieden innerhalb dieser Gruppe. Bei Karl-Theodor zu Guttenberg ist der Name auch nur ein kleiner Teil seines ganzen Images. Er wäre mit seinem Auftreten, seinem Aussehen und als Schlossbewohner sicherlich auch mit dem Nachnamen "Müller" beliebt geworden, aber sein Nachname ergänzt natürlich das Bild, dass er nach außen darstellen möchte, zu einem stimmigen Ganzen.
Sehr anschaulich wird das, wenn man ihn mit dem von der FDP gestellten Bundestagsvizepräsidenten vergleicht. Dieser nennt sich einfach nur "Solms" und die Tatsache, dass er ein "Prinz zu Solms-Hohensolms-Lich" ist, würde ihn kaum glamouröser erscheinen, weil es nicht zu seinem sonstigen Auftreten passt.
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