Sie sind vermutlich noch nicht im Forum angemeldet - Klicken Sie hier um sich kostenlos anzumelden  

ZETTELS KLEINES ZIMMER

Das Forum zu "Zettels Raum"



Sie können sich hier anmelden
Dieses Thema hat 83 Antworten
und wurde 7.060 mal aufgerufen
 Kommentare/Diskussionen zu "Zettels Raum"
Seiten 1 | 2 | 3 | 4
hoegi1973 Offline



Beiträge: 17

23.02.2011 21:16
#26 RE: Fussnotenfetischisten Antworten

Auch hochangesehene Wissenschaftler schlagen sich mittlerweile auf zu Guttenbergs Seite und stellen sich gegen die linke Schmierenkampagne:


Zitat
"'Eine Doktorarbeit ist kein Kriminalroman'

Herr Dr. zu Guttenberg steigt in meiner Achtung. Mit summa cum laude zu promovieren, ist eine seltene Auszeichnung, die besonders strenge Voraussetzungen und zusätzliche externe Gutachten erfordert. Die derzeitigen Angriffe richten sich deshalb weniger gegen Herrn Dr. zu Guttenberg, sondern in erster Linie gegen die Rechts- und Wirtschaftswissenschaftliche Fakultät der Universität Bayreuth. Die dortige Promotionskommission setzt sich aus sechs hochkarätigen Wissenschaftlern sowie mindestens einem externen Gutachter zusammen. Summa cum laude erfordert einen einstimmigen Beschluss der Kommissionsmitglieder und des externen Gutachters. Es kann unterstellt werden, daß die Gutachter über den Stand der Wissenschaft auf ihrem eigenen Fachgebiet bestens informiert sind. Eine Doktorarbeit ist kein Kriminalroman, auch wenn viele Kritiker den Unterschied verwischen möchten. Sie ist eine eigenständige wissenschaftliche Leistung und erfordert eine detaillierte Auseinandersetzung mit dem derzeitigen Stand der Wissenschaft. Hierzu ist es üblich, wenn nicht sogar erforderlich, seitenweise aus anderen Quellen zu quotieren. Ein Plagiat liegt nur dann vor, wenn ein relevanter fremder Beitrag als eigene wissenschaftliche Leistung dargestellt wird. Ein derartiger Vorwurf ist bis heute aber nicht erhoben worden. Das bloße Quotieren von Textpassagen rechtfertigt diesen Verdacht jedenfalls nicht. Quellenangaben für verwendete Textbausteine sind dann zwingend erforderlich, wenn damit zwischen fremden wissenschaftlichen Beiträgen und den eigenen wissenschaftlichen Leistungen unterschieden wird. In allen anderen Fällen ist die Quellenangabe eine übliche und sicher sehr erwünschte Höflichkeitsgeste gegenüber dem Autor, aber auch nicht mehr. Die Frankfurter Allgemeine verdient Anerkennung für ihren hervorragenden Journalismus. Sie ist aber keine wissenschaftliche Fachzeitung. Ein Textbaustein aus der Frankfurter Allgemeinen mag eine brillante Formulierung enthalten, trägt aber kaum etwas zu dem wissenschaftlichen Beitrag und Wert einer Doktorarbeit bei. Der Versuch, einem erfolgreichen Politiker auf diese Weise am Zeug zu flicken, ist schlechter politischer Stil. Hier wird der Versuch unternommen, auf diese Art und Weise etwas anzuhängen.”

(Prof. Dr.-Ing. Wilhelm G. Spruth, Böblingen)

stefanolix Offline



Beiträge: 1.959

23.02.2011 21:16
#27 RE: Tartuffe Guttenberg Antworten

Zitat von Stefanie
Ja, das ist so. Nicht nur Mitarbeiter des Öffentlichen Dienstes. Das sind aber Angebote aller Versicherer an bestimmte Personengruppen, bei denen Risiken geringer eingeschätzt werden. Diese Rabatte für alle möglichen Clubs werden gewährt, weil man sich über die Masse Umsatz verspricht. Völlig legitim.

Also ein Minister, dem weite Teile der Bevölkerung unterstellen, private Krankenkassen zu protegieren, sollte eigentlich ein Interesse haben, dass nicht seine Partei mit einem solchen Versicherer einen Sondertarif aushandelt. Der könnte mal in Erklärungsnot kommen, wenn er aus irgendwelchen Gründen einem Anliegen eines Lobbisten eben der DKV nachkommt.



Zwei Bemerkungen:
(1) Die Risikogruppe FDP-Mitglieder könnte auch attraktiv sein.
(2) Wem soll Rösler die Vereinbarung von Sondertarifen verbieten: den Privaten Krankenversicherungen oder seiner eigenen Partei?

Im Grunde sollte das doch nach dem Gleichbehandlungsgrundsatz entweder für alle PKV und alle Parteien erlaubt oder verboten sein. Aber gegen eine »Lex FDP« oder gegen eine einseitige Benachteiligung würde sich mein Rechtsempfinden sträuben.

Ergänzung und Disclaimer: Ich bin nicht Mitglied der FDP.

stefanolix Offline



Beiträge: 1.959

23.02.2011 21:19
#28 RE: Fussnotenfetischisten Antworten

Zitat von hoegi1973
Auch hochangesehene Wissenschaftler schlagen sich mittlerweile auf zu Guttenbergs Seite und stellen sich gegen die linke Schmierenkampagne:



Das ist doch ein FAZ-Leserbrief, oder? Die ganze Seite war jedenfalls bezeichnend für das Niveau der Diskussion. Ich hatte in der Straßenbahn Mühe, mir das Lachen zu verkneifen. Denn viele Briefe waren von einer tiefen Unkenntnis geprägt. Zu diesem Thema sollte jeder erst mal ZETTELs Raum lesen ;-)

Stefanie Offline



Beiträge: 606

23.02.2011 21:22
#29 RE: Tartuffe Guttenberg Antworten

Zitat von stefanolix
(2) Wem soll Rösler die Vereinbarung von Sondertarifen verbieten: den Privaten Krankenversicherungen oder seiner eigenen Partei?




Verbieten

Wenn Sie meine Meinung nicht teilen, dass das pikant ist, macht das nichts. Aber dazu muss ich dann auch nichts weiter schreibe.

stefanolix Offline



Beiträge: 1.959

23.02.2011 21:31
#30 RE: Tartuffe Guttenberg Antworten

Zitat von Stefanie

Zitat von stefanolix
(2) Wem soll Rösler die Vereinbarung von Sondertarifen verbieten: den Privaten Krankenversicherungen oder seiner eigenen Partei?




Verbieten

Wenn Sie meine Meinung nicht teilen, dass das pikant ist, macht das nichts. Aber dazu muss ich dann auch nichts weiter schreibe.




OK: auf welche Weise sollte Minister Rösler die Vergabe der Tarife unterbinden? Wie könnte er das praktisch durchsetzen?

Ich teile Ihre Meinung, dass die Vergabe von Sondertarifen durch Parteien pikant sein kann. Aber diese Praxis sollte nur ganz (also für alle) oder gar nicht unterbunden werden. Da mir die Kontrolle eines solchen Verbotes sehr schwierig zu sein scheint, bin ich eher für eine Pflicht zur Transparenz.

Stefanie Offline



Beiträge: 606

23.02.2011 21:34
#31 RE: Tartuffe Guttenberg Antworten

Zitat von stefanolix

Zitat von Stefanie

Zitat von stefanolix
(2) Wem soll Rösler die Vereinbarung von Sondertarifen verbieten: den Privaten Krankenversicherungen oder seiner eigenen Partei?




Verbieten

Wenn Sie meine Meinung nicht teilen, dass das pikant ist, macht das nichts. Aber dazu muss ich dann auch nichts weiter schreibe.




OK: auf welche Weise sollte Minister Rösler die Vergabe der Tarife unterbinden? Wie könnte er das praktisch durchsetzen?

Ich teile Ihre Meinung, dass die Vergabe von Sondertarifen durch Parteien pikant sein kann. Aber diese Praxis sollte nur ganz (also für alle) oder gar nicht unterbunden werden. Da mir die Kontrolle eines solchen Verbotes sehr schwierig zu sein scheint, bin ich eher für eine Pflicht zur Transparenz.




Wie viel transparenter soll das denn noch sein? Macht man einfach nicht. Wer auch immer das konkret gemacht hat. Und es geht auch nicht darum, dass Rösler das irgendwie verbieten soll, sondern darum, dass man ihn damit in eine blöde Situation bringt.

hoegi1973 Offline



Beiträge: 17

23.02.2011 21:37
#32 RE: Fussnotenfetischisten Antworten

Möglich. Keine Ahnung, wo der Text jetzt genau herkommt, hab ihn im Netz gefunden.

Ich persönlich hätte keinerlei Problem damit, wenn KTzG weiterhin Minister bleibt oder gar als Kanzler kandidiert. Und das trotzdem ich selber Akademiker bin (zwar ohne Doktor, aber immerhin mit Diplom) und dementsprechend die Vorschriften des akademischen Arbeitens kenne und auch selber "erdulden" mußte.

Zettel Offline




Beiträge: 20.200

23.02.2011 21:50
#33 RE: Fussnotenfetischisten Antworten

Zitat von neoliberaler
Ganz einfach, man kopiert das Zitat in die Arbeit, vergisst das zitieren und irgendwann später ändert man den Text, wie man es immer malmacht, wenn man eine Arbeit überarbeitet.

Wie, bitte, will man denn die Zitate später für die Fußnoten und das Literaturverzeichnis identifizieren, wenn man sie nicht markiert? Ist das denn so schwer zu verstehen, daß das so wenig geht, wie daß man ohne Benzin oder Diesel in einem Auto herumfahren kann?

Zitat von neoliberaler
Ich kann schon verstehen, dass jemand, der sein ganzes Leben im Elfenbeinturm Universität verbracht hat, nicht kapiert, dass es für andere (d.h. Guttenberg selbst und u.a. die 250.000 auf Facebook,die gegen dieseKampagne sind) nicht das wichtigste auf der Welt ist, ob ein paar Anführungszeichen richtig gesetzt sind.

Er wollte promovieren. Dafür sind nun mal Leute wie ich zuständig, die beurteilen können, wie das funktioniert.

Wenn er einen Haarschnitt wollte, dann wäre der Friseur zuständig gewesen. Für sein Auto ist ein KfZ-Elektroniker zuständig. Wenn er operiert werden muß, dann ist ein Chirurg zuständig. Das ist doch einfach, nicht wahr?

Zitat von neoliberaler
Frage Zettel: "Mal die Arbeitswelt auserhalb der Uni gesehen?"

Was in aller Welt hat das mit der Frage zu tun, ob Guttenberg sich in der Uni korrekt verhalten hat?

Herzlich, Zettel

Juno Offline



Beiträge: 332

23.02.2011 22:26
#34 RE: Tartuffe Guttenberg Antworten

John F Kennedy hat zwar keinen Doktortitel erhalten, aber immerhin einen Pulitzerpreis für ein Buch, das er nicht alleine geschrieben hat.
http://en.wikipedia.org/wiki/Ted_Sorense...rage_.281956.29

Wissenschaftlich gravierender ist der Fall Martin Luther Kings, dessen PhD-Dissertation in Teilen abgeschrieben war, was allerdings erst nach seinem Tod auffiel.

Zitat
The Martin Luther King, Jr. Papers Project addresses these concerns on pp. 25-26 of Volume II of The Papers of Martin Luther King, Jr. entitled "Rediscovering Precious Values, July 1951-November 1955," Clayborne Carson, Senior Editor. Following is an excerpt from these pages:

. . . .The readers of King's dissertation, L. Harold DeWolf and S. Paul Schilling, a professor of systematic theology who had recently arrived at Boston University, failed to notice King's problematic use of sources. After reading a draft of the dissertation, DeWolf criticized him for failing to make explicit "presuppositions and norms employed in the critical evaluation," but his comments were largely positive. He commended King for his handling of a "difficult" topic "with broad learning, impressive ability and convincing mastery of the works immediately involved." Schilling found two problems with King's citation practices while reading the draft, but dismissed these as anomalous and praised the dissertation in his Second Reader's report. . . .

As was true of King's other academic papers, the plagiaries in his dissertation escaped detection in his lifetime. His professors at Boston, like those at Crozer, saw King as an earnest and even gifted student who presented consistent, though evolving, theological identity in his essays, exams and classroom comments. . . .Although the extent of King's plagiaries suggest he knew that he was at least skirting academic norms, the extant documents offer no direct evidence in this matter. Thus he may have simply become convinced, on the basis of his grades at Crozer and Boston, that his papers were sufficiently competent to withstand critical scrutiny. Moreover, King's actions during his early adulthood indicate that he increasingly saw himself as a preacher appropriating theological scholarship rather than as an academic producing such scholarship. . . .
http://web.archive.org/web/2008020509241...equests/faq.htm



Ein vor wenigen Tagen erschienenes Buch versucht übrigens auch die Beweisführung, dass Barack Obama seinen gefeierten Erstling "Dreams from my father" nicht selbst geschrieben hat.
http://www.cashill.com/intellect_fraud/obama_stung.htm

KT steht also in einer Reihe mit JFK, MLK und BO. Solche Männer spielen einfach ein einer anderen Liga als Otto Normalbetrüger

Nilfisk Offline



Beiträge: 69

23.02.2011 22:43
#35 RE: Fussnotenfetischisten Antworten

Zitat von Zettel
Was in aller Welt hat das mit der Frage zu tun, ob Guttenberg sich in der Uni korrekt verhalten hat?


natürlich hat er sich dort miserabel verhalten. Und hier geht es tatsächlich nicht nur um ein paar "Anführungszeichen", sondern hier wurden fremde Gedanken als eigene ausgegeben, ua die Kritik am fehlenden Gottesbezug der EU-Verfassung bzw. des Entwurfs. Für einen Klau dieser Art kann es nur gröbste Schelte geben. Die Arbeit ist furchtbar.

Aber das alles ist noch meilenweit davon entfernt, dem politischen Gegner auch nur einen Millimeter Erfolg zuzugestehen. Glauben Sie, daß ein derartiger Fall bei den Grünen überhaupt medial so verarbeitet werden würde? Oder nicht als läßliche Sünde gleich von vornherein auf die hintersten Spalten der Zeitungen verschwunden wäre?

Einem Herrn Fischer wurden seine Gewalttaten als "Jugendsünden" abgetan. Und hier handelt es sich um richtige Gewaltverbrechen, wo Menschen zu Tode kommen hätten können. Die Union ist damals im Bundestag dagegen angegangen, erfolglos. Warum sollen "wir" jetzt dem Gegner frei Haus Opfer bringen? Bei einer weit geringeren Verfehlung?

Warum sollte man übrigens Herrn Guttenberg in diesem Zusammenhang nicht auch unterstellen, aus dieser Erfahrung zu lernen? Er war der jüngste Wirtschaftsminister, er ist unbestritten ein kluger Kopf, vielleicht wird man in einigen Jahrzehten diese Episode in seiner Biographie als prägend für seine weitere Karriere kennzeichnen.

Mir persönlich bereitet die Häme der Linken regelrecht körperliche Schmerzen. Mir bleibt gar nichts anderes übrig, als Herrn Guttenberg bei jeder Gelegenheit vehement zu verteidigen. Mag sich vielleicht mal als Fehler herausstellen, aber momentan ist es ... alternativlos.

Jenninger Offline



Beiträge: 14

23.02.2011 23:10
#36 RE: Fussnotenfetischisten Antworten

Zitat von Zettel

Zitat von neoliberaler

[quote="neoliberaler"]Frage Zettel: "Mal die Arbeitswelt auserhalb der Uni gesehen?"

Was in aller Welt hat das mit der Frage zu tun, ob Guttenberg sich in der Uni korrekt verhalten hat?

Herzlich, Zettel



Natürlich gar nichts. Er hat sich nicht korrekt verhalten und da ist auch kein weiterer Beweis nötig.

Es war aber etwas anderes gemeint. Sie, lieber Zettel, und auch andere hier sind unmittelbar Betroffene. Sie schreiben es ja: "Er wollte promovieren. Dafür sind nun mal Leute wie ich zuständig, die beurteilen können, wie das funktioneirt." In diesem Fall hat es nicht funktioniert. Die Beurteilung war schlicht und einfach vollständig falsch. Und das trifft Sie. Ich denke, Sie fühlen sich auch persönlich betrogen - und auch angreifbar gemacht. Die Frage könnte in den Raum gestellt werden, ob auch in anderen Fällen vergleichbare Fehler geschehen sind.
So sehr ich Ihre Analysen schätze, die für mich mittlerweile zur Tageslektüre gehören, in diesem Fall ist die Sie so sonst auszeichnende Nüchternheit Ihrer persönliche Betroffenheit gewichen. Das ist ausdrücklich kein Vorwurf. Mir würde es wahrscheinlich genauso gehen.

Auch außerhalb des akademischen Betriebes ist den meisten Menschen das Fehlverhalten durchaus bewusst. Es fehlt ihnen aber in der Regel die persönliche Betroffenheit (obwohl diese im Grunde da sein sollte). Außerdem haben sie durch vielfältige Beispiele häufig eine geringe Erwartungshaltung an unsere Politiker, zumindest was den Umgang mit der Wahrheit angeht. Da paßt dann der Fall Guttenberg nur zu gut in das schon vorhandene Bild und die Aufregung hält sich in Grenzen. Was nichts daran ändert, daß das Thema für immer an ihm kleben wird.

RexCramer ( gelöscht )
Beiträge:

24.02.2011 01:04
#37 RE: Tartuffe Guttenberg Antworten

Zitat von Stefanie
Nö, nicht durch die Diss-Affäre, sollte da nichts mehr kommen. Und selbst wenn er zurück treten würde, er ginge dann für ein Weilchen nach Brüssel und dann mit etwas Abstand käme er wie Phönix aus der Asche wieder. Sollte er künftig nicht über irgend etwas stolpern, wird er auch sicher irgend wo mal einen Ehrendoktor bekommen. Und je weiter sich das Personal Tableau bei der CDU verdünnt, um so wahrscheinlicher ist es, dass er weiter der Star der Union bleibt.

So ist das in diesem Lande.



Wer weiß, vielleicht liegen Sie damit richtig. Großartig verwundern würde es mich vermutlich nicht.

Zettel Offline




Beiträge: 20.200

24.02.2011 01:51
#38 RE: Fussnotenfetischisten Antworten

Zitat von Jenninger
Sie, lieber Zettel, und auch andere hier sind unmittelbar Betroffene. Sie schreiben es ja: "Er wollte promovieren. Dafür sind nun mal Leute wie ich zuständig, die beurteilen können, wie das funktioneirt." In diesem Fall hat es nicht funktioniert. Die Beurteilung war schlicht und einfach vollständig falsch. Und das trifft Sie. Ich denke, Sie fühlen sich auch persönlich betrogen - und auch angreifbar gemacht. Die Frage könnte in den Raum gestellt werden, ob auch in anderen Fällen vergleichbare Fehler geschehen sind.

Sie irren, lieber Jenninger. Ich bin weder "betroffen" noch gar "angreifbar gemacht". Ich bin empört darüber, wie ein Tartuffe versucht, mit Lügen durchzukommen, und wie er offenbar damit bei vielen Menschen Erfolg hat, die auf ihn hereinfallen.

Was mich von einigen der anderen unterscheidet, die über den Fall diskutieren, das ist allein, daß ich weiß, daß es Lügen sind, weil ich weiß, wie Wissenschaft funktioniert.

Zitat von Jenninger
So sehr ich Ihre Analysen schätze, die für mich mittlerweile zur Tageslektüre gehören, in diesem Fall ist die Sie so sonst auszeichnende Nüchternheit Ihrer persönliche Betroffenheit gewichen. Das ist ausdrücklich kein Vorwurf. Mir würde es wahrscheinlich genauso gehen.

"Betroffenheit", dieses Gutmenschen-Wort, ist, wie gesagt, völlig falsch. Ich bin genauso empört, wie ich empört war über die Art, wie man Sarrazin behandelt hat. Nur bekomme ich jetzt Beifall von denen, die mich damals kritisiert haben, und es kritisieren mich jetzt diejenigen, die damals meine Empörung geteilt haben.

Ob jemand anständig und ehrlich ist und von den Unanständigen und Unehrlichen diffamiert wird wie Sarrazin, oder ob jemand ein Tartuffe ist und jetzt von denen angegriffen wird, die selbst Tartuffes sind, das spielt für mein Urteil keine Rolle. Wer ehrlich ist, der hat meine Unterstützung. Einen Blender und Aufschneider kritisiere ich. Auch wenn der Aufrichtige in der SPD ist und der Blender in der CSU.

Zitat von Jenninger
Auch außerhalb des akademischen Betriebes ist den meisten Menschen das Fehlverhalten durchaus bewusst. Es fehlt ihnen aber in der Regel die persönliche Betroffenheit (obwohl diese im Grunde da sein sollte). Außerdem haben sie durch vielfältige Beispiele häufig eine geringe Erwartungshaltung an unsere Politiker, zumindest was den Umgang mit der Wahrheit angeht. Da paßt dann der Fall Guttenberg nur zu gut in das schon vorhandene Bild und die Aufregung hält sich in Grenzen.

Kohl wurde etwas weitaus Harmloseres vorgeworfen; ihm wurde dafür der Ehrenvorsitz der CDU entzogen. Schäuble konnte nicht sein Nachfolger werden, nur weil eine dubiose Dame ihn beschuldigte. Möllemann ging, weil er das Produkt eines entfernten Verwandten empfohlen hatte. Ich habe an anderer Stelle schon weitere Beispiele aufgezählt. Derjenige, auf den sich vermutlich Ihr Nick bezieht, mußte ohne jede Verfehlung gehen, allein aufgrund seiner Aufrichtigkeit.

Wenn ein Plagiator und - was noch schlimmer ist - dreister Lügner jetzt Minister bleibt, dann ist das, was man "politische Kultur" nennt, wirklich massiv beschädigt.

Dann macht sich des weiteren jeder Professor lächerlich, der überhaupt noch nach Plagiaten sucht. Denn jeder Student, der schamlos abschreibt, kann sich doch auf den Minister berufen, der nachgewiesen hat, daß man das tun kann, ohne im entferntesten die Absicht der Täuschung zu haben.

Wenn Rotgrün regieren würde, lieber Jenninger, und ein Minister würde sich so bar jeden Anstands verhalten wie jetzt Guttenberg, dann würde ich exakt so reagieren wie jetzt. Vermutlich hätte ich dann auch Ihre Zustimmung. Warum nicht im Fall Guttenberg? Hängt denn die Beurteilung von Unanständigkeit vom Parteibuch ab?

Herzlich, Zettel

dirk Offline



Beiträge: 1.538

24.02.2011 03:00
#39 RE: Tartuffe Guttenberg Antworten

Zitat von RA

Zitat von Stefanie
Er hat auch davon profitiert, dass sich die ehemals schweigende Mehrheit zu artikulieren gelernt hat.

http://www.achgut.com/dadgdx/index.php/d...enberg_debatte/




Das ist was dran.

Obwohl ich in der grundsätzlichen Frage Guttenberg-Rücktritt gegenteiliger Meinung bin, finde ich die Position von Lengsfeld bedenkenswert.




Das falsche Symbol für eine richtige Sache. Das ist in der Tat bedenkenswert.

stefanolix Offline



Beiträge: 1.959

24.02.2011 07:27
#40 RE: Tartuffe Guttenberg Antworten

Zitat von dirk

Zitat von RA

Zitat von Stefanie
Er hat auch davon profitiert, dass sich die ehemals schweigende Mehrheit zu artikulieren gelernt hat.

http://www.achgut.com/dadgdx/index.php/d...enberg_debatte/



Das ist was dran.

Obwohl ich in der grundsätzlichen Frage Guttenberg-Rücktritt gegenteiliger Meinung bin, finde ich die Position von Lengsfeld bedenkenswert.




Das falsche Symbol für eine richtige Sache. Das ist in der Tat bedenkenswert.





Ich finde es eher etwas erschreckend.

Man zieht heute den Vergleich zu Ex-Außenminister Fischer. Die Steinwürfe in dessen militanten Phase sind ein schwerwiegenderes Delikt als das Copy&Paste eines Jungpolitikers am Rechner: Steine können Menschen schwer verletzen oder töten. Fischer wäre — bei einer anderen Entwicklung — mit seinem Talent möglicherweise ein Extremistenführer geworden.

Aber bei Fischer liegt zwischen der militanten Phase und seiner ersten Vereidigung als Landesminister in Hessen wenigstens ein Prozess der Entwicklung. Ich will diesen Prozess jetzt nicht im einzelnen untersuchen. Aber es ist ein Prozess, an dessen Beginn er sich von der Gewalt losgesagt hat. Ein Prozess, in dem er sein politisches Talent in eine ganz andere Richtung entwickelt hat.

Zu Guttenberg macht einfach weiter, obwohl es auch an seiner Amtsführung wesentliche Zweifel gibt. Ein Entwicklungsprozess ist gar nicht erkennbar. Fast könnte man meinen, dass ihm die Affäre um die Doktorarbeit gelegen kam, um von seinen anderen Problemen abzulenken. In der F.A.Z. und auch hier wurden immer wieder die Fälle der suspendierten Offiziere und Führungskräfte genannt. Dort müsste die Aufklärung ansetzen, aber jetzt hat er erst einmal in Drachenblut gebadet.

Thomas Pauli Offline




Beiträge: 1.486

24.02.2011 08:12
#41 RE: Fussnotenfetischisten Antworten

Zitat
Dann macht sich des weiteren jeder Professor lächerlich, der überhaupt noch nach Plagiaten sucht. Denn jeder Student, der schamlos abschreibt, kann sich doch auf den Minister berufen, der nachgewiesen hat, daß man das tun kann, ohne im entferntesten die Absicht der Täuschung zu haben.


Volle Zustimmung, lieber Zettel, aber wirft das nicht (a) ein sehr seltsames Licht auf die Prüfungskommission und paßt es nicht (b) in eine allgemeine Entwicklung, nach der einst beinharte Qualifikationen allmählich aufgeweicht werden? Ich denke da etwa an das Abitur, an Führerscheine, die man in manchen Städten wohl leichter kaufen als erwerben kann usw usw usw.

Herzlich, Thomas

Martin Offline



Beiträge: 4.129

24.02.2011 09:24
#42 RE: Fussnotenfetischisten Antworten

Zitat von Zettel
Kohl wurde etwas weitaus Harmloseres vorgeworfen; ihm wurde dafür der Ehrenvorsitz der CDU entzogen. Schäuble konnte nicht sein Nachfolger werden, nur weil eine dubiose Dame ihn beschuldigte. Möllemann ging, weil er das Produkt eines entfernten Verwandten empfohlen hatte. Ich habe an anderer Stelle schon weitere Beispiele aufgezählt. Derjenige, auf den sich vermutlich Ihr Nick bezieht, mußte ohne jede Verfehlung gehen, allein aufgrund seiner Aufrichtigkeit.



Lieber Zettel,

hier nehmen Sie eine Wertung vor (was ist harmloser), bei der Ihnen eben eine Vielzahl Menschen nicht folgen werden. Sie versuchen auch den Nachweis zu führen, dass nicht unendliche Schlampigkeit die Ursache für das Desaster war, sondern böser Vorsatz. Mein Jagdfieber ist nicht ausgeprägt genug, um allen im Netz gemachten Ausführungen dazu folgen zu wollen, und meine persönliche Erfahrung aus dem akademischen Bereich (Ingenieurswesen) will ich nicht auf den juristischen akademischen Bereich übertragen, aber ich kann mich noch ganz gut an einige wenige Dinge mit meiner Diplomarbeit erinnern. Erstens gab es von seiten der Uni überhaupt keinen Versuch, über Regeln und Richtlinien wissenschaftlicher Arbeiten aufzuklären, und das bestätigen mir auch zur gleichen Zeit promovierte Kollegen. Zweitens durfte ich seinerzeit meine Arbeit nochmals komplett mit der Schreibmaschine nachtippen, weil ich die Graphiken nicht mit eigenen Texten versehen hatte sondern nur im Text darauf Bezug genommen hatte. Ich kannte keine solche Regel, und ich hatte mir darüber keine Gedanken gemacht. Der eine systematische 'Fehler' hätte aber auf beinahe jeder Seite meiner Arbeit als 'Fehler' gewertet werden können. Im Maßstab der an Guttenberg angelegt wird, wären sozusagen auf 80% der Seiten die Regel verletzt gewesen.

Vielleicht können Sie ein bisschen nachvollziehen, warum ich nicht bereit bin, hier mit Steinen zu werfen. Ich erinnere mich auch gut an diese Zeit, in der ich neben der Arbeit mir das Studium mit zwei Nebenjobs verdient habe, um die Eltern nicht zu belasten. Ich sehe also Guttenbergs Hinweis auf die Nebenbelastung nicht nur als vorgeschoben.

Wenn Sie dann argumentieren, dass dann eben keine Dissertation geschrieben werden darf: Gut, akzeptiert. Die ganzen Diskussion der letzten Tage stellen aber eh den ganzen wissenschaftlichen Betrieb und den gesellschaftlichen Kontext in Frage. Wenn die Prüfung nur auf Vertrauen basiert, dann ist eine wichtige Voraussetzung für die staatliche Finanzierung dieses Betriebs nicht erfüllt, genauso wenig für die Umsetzung in staatliche Programme (Noch schlimmer: Die Vielzahl der 'Forschungsinstitute' und politisch gesteuerter Forschungsaufträge). Es fehlt an objektiven Qualitätsanforderungen.

Gruß, Martin

Gorgasal Offline




Beiträge: 4.021

24.02.2011 10:00
#43 RE: Fussnotenfetischisten Antworten

Zitat von Martin
Erstens gab es von seiten der Uni überhaupt keinen Versuch, über Regeln und Richtlinien wissenschaftlicher Arbeiten aufzuklären, und das bestätigen mir auch zur gleichen Zeit promovierte Kollegen. Zweitens durfte ich seinerzeit meine Arbeit nochmals komplett mit der Schreibmaschine nachtippen, weil ich die Graphiken nicht mit eigenen Texten versehen hatte sondern nur im Text darauf Bezug genommen hatte. Ich kannte keine solche Regel, und ich hatte mir darüber keine Gedanken gemacht. Der eine systematische 'Fehler' hätte aber auf beinahe jeder Seite meiner Arbeit als 'Fehler' gewertet werden können. Im Maßstab der an Guttenberg angelegt wird, wären sozusagen auf 80% der Seiten die Regel verletzt gewesen.


Mit Verlaub: der Vergleich hinkt. Ich glaube Ihnen gerne, dass die Standards Ihres Fachs nicht durch Osmose vermittelbar sind. Besonders schlimm ist der Formalismus in der Psychologie, wo es ein ganzes Buch (das APA Publication Manual) über die Textstandards gibt. Dort wird vorgegeben, dass Tabellen nur horizontale Linien enthalten dürfen, keine vertikalen, und dass führende Nullen in Dezimalzahlen kleiner als 1 weggelassen werden ("p=.02", nicht "p=0.02"). Natürlich muss man das explizit erläutert bekommen.

Aber sind Sie denn wirklich der Meinung, zu Guttenberg hätte eine explizite Aufklärung darüber gebraucht, dass man nicht Textpassagen wortwörtlich abschreiben darf, ohne die Quelle anzugeben? Meinen Sie das ernst?

Überdies hat er ja durchaus auch "normale" Zitate gebracht, er kann sich also schlecht darauf hinausreden, er hätte von wissenschaftlicher Zitationspraxis keine Ahnung gehabt. Mal ganz abgesehen davon, dass er ja ein langes Literaturverzeichnis aufführt - hat er denn all diese Literatur gelesen, und ist ihm dabei nie aufgefallen, dass die Autoren hier und da mal zitieren?

Nein, die Argumentation, zu Guttenberg hätte eine explizite Einweisung in wissenschaftliche Zitationen gebraucht, das lasse ich im ersten Semester gelten, aber nicht mehr in einer Promotion.

Und die Überarbeitung: das lasse ich gerne als Erklärung für ein paar wenige Ausrutscher gelten. Aber doch nicht auf fast 70% der Seiten!

--
Margot Käßmann erhält für ihren Rücktritt nach einer betrunkenen Autofahrt den Europäischen Kulturpreis für Zivilcourage. - Der Spiegel, nicht am 1. April

Gorgasal Offline




Beiträge: 4.021

24.02.2011 10:06
#44 RE: Tartuffe Guttenberg Antworten

Zitat von Stefanie
Wie viel transparenter soll das denn noch sein? Macht man einfach nicht. Wer auch immer das konkret gemacht hat.


Ich bin mir ziemlich sicher, dass es diese Sonderkonditionen (wahrscheinlich nicht nur in der DKV, sondern auch bei Haftpflichtversicherungen, Kreditkarten und sonstigem) schon weit vor der aktuellen Regierungsbeteiligung gab. Hätte man die Vereinbarung mit der DKV kündigen sollen, als Rösler das Gesundheitsministerium übernahm? Und sie bei der nächsten Kabinettsumbildung, bei der die Gesundheit an die CDU geht und dafür die FDP irgendwas anderes bekommt, wieder einführen sollen? Nein, soviel Planungsunsicherheit werden Partner der FDP (und der anderen Parteien) nicht brauchen können. Bleibt also nur, dass Parteien keine solchen Kooperationen mit Sonderkonditionen für ihre Mitglieder haben sollten. Erscheint mir ein wenig unverhältnismäßig.

--
Margot Käßmann erhält für ihren Rücktritt nach einer betrunkenen Autofahrt den Europäischen Kulturpreis für Zivilcourage. - Der Spiegel, nicht am 1. April

Stefanie Offline



Beiträge: 606

24.02.2011 10:46
#45 RE: Tartuffe Guttenberg Antworten

Zitat von Gorgasal

Ich bin mir ziemlich sicher, dass es diese Sonderkonditionen (wahrscheinlich nicht nur in der DKV, sondern auch bei Haftpflichtversicherungen, Kreditkarten und sonstigem) schon weit vor der aktuellen Regierungsbeteiligung gab.



Lieber Gorgasal,

ich habe den Artikel anders verstanden, es ist aber völlig unerheblich, wann die Verträge abgeschlossen wurden. Als Partei hat man solche Verträge nicht abzuschließen, um Mitglieder an sich zu binden. Als Partei will man glaubwürdig sein. Und es liegt immer nahe, dass man Geschäftspartnern gefällig sein könnte und damit das Risiko läuft, dass politische Entscheidungen als parteiisch gewertet werden. Und warum läuft man hier das Risiko, um Mitglieder zu binden.

Ich finde das jetzt nicht grob verwerflich, aber dumm und es zeigt im Kleinen, dass ein bestimmtes Fingerspitzengefühl einfach verloren gegangen ist. Im Großen sind es bezahlte Reisen, bezahlte Veranstaltungen etc., welche dann dazu führen, dass man Politikern eine zu große Nähe unterstellt und im Kleinen ist es halt der Abschluss eines Rahmenvertrages mit besonders günstigen Konditionen. Wie kann man sich als politische Partei solche Konditionen anbieten lassen für alle Mitglieder. Der ADAC oder der Smart Club können das, aber kein "Verein", dessen Gewicht auch ist, glaubwürdig zu sein und keine Klientelpolitik zu betreiben. Sie haben doch erlebt, was i.S. Mehrwertsteuersatz der Hoteliers war. Was denken Sie, was gesagt wird, i.S. private Krankenversicherung, wenn hier etwas entschieden wird. Die FDP will ihren Versicherer Vorteile zukommen zu lassen.

Nein, es sind nicht nur die großen Dinge, welche Geschmäckle haben. Auch kleine Sachen, die man macht, um eigene Interessen zu sichern - Mitgliederbindung - müssen gut überlegt sein und wegen der Mitgliederbindung sich auf so etwas einzulassen, ist nichts Grobes, aber dennoch nicht ganz sauber.

Es geht um Glaubwürdigkeit insgesamt und diese hat die Politik in zu weiten Teilen verloren. Das wundert nicht, bei dem, was dort täglich so abgeht und der Kundenrabatt für FDP Mitglieder reiht sich da nur nahtlos ein.

Martin Offline



Beiträge: 4.129

24.02.2011 10:50
#46 RE: Fussnotenfetischisten Antworten

Zitat von Gorgasal
Aber sind Sie denn wirklich der Meinung, zu Guttenberg hätte eine explizite Aufklärung darüber gebraucht, dass man nicht Textpassagen wortwörtlich abschreiben darf, ohne die Quelle anzugeben? Meinen Sie das ernst?

Überdies hat er ja durchaus auch "normale" Zitate gebracht, er kann sich also schlecht darauf hinausreden, er hätte von wissenschaftlicher Zitationspraxis keine Ahnung gehabt. Mal ganz abgesehen davon, dass er ja ein langes Literaturverzeichnis aufführt - hat er denn all diese Literatur gelesen, und ist ihm dabei nie aufgefallen, dass die Autoren hier und da mal zitieren?

Nein, die Argumentation, zu Guttenberg hätte eine explizite Einweisung in wissenschaftliche Zitationen gebraucht, das lasse ich im ersten Semester gelten, aber nicht mehr in einer Promotion.

Und die Überarbeitung: das lasse ich gerne als Erklärung für ein paar wenige Ausrutscher gelten. Aber doch nicht auf fast 70% der Seiten!



Lieber Gorgasal,

ich erlege mir nur etwas Zurückhaltung in der Bewertung von Abläufen auf, bei denen ich mir aufgrund eigener Erfahrung - in von mir aus entfernt ähnlicher Situation- mehr plausible Optionen vorstellen kann, als die auf die sich die Internet- und Journalistengemeinde eingeschossen hat. Hat Guttenberg systematisch bei der anfänglichen Zusammenstellung geschlampt, dann ist nicht unplausibel, dass sich das bis zum Ende potenziert hat. Dann ist auch nicht unplausibel, dass er danach nicht mehr als die eigenen Beiträge erkennbare Passagen 'verbessert' hat. Es wäre auch plausibel, dass Guttenberg unter Zeitdruck mögliche Fehler einfach ignoriert hat, weil er diesen wenig Bedeutung für den wissenschaftlichen Beitrag zugemessen hat. Da wäre dann maximal mangelnder Respekt gegenüber den Regeln, nicht aber fremde Beiträge über bekannte Sachverhalte als eigene ausgeben zu wollen. So schrecklich das aus wissenschaftlicher Sicht ist, so unwichtig kann das aus Sicht des Normalbürgers sein.

Ansonsten: Ob Doktorant oder nicht: Wer mal eine Weile selbstkritisch auf der Welt gewandelt ist, der ist sicher gelegentlich erstaunt, welche Wissenslücken er bei sich auch nach 50 Jahren entdeckt, die der Rest der Welt nicht zu haben scheint. Deshalb interessieren mich nicht andere Beispiele. Es wäre interessant, was konkret eine Uni Bayreuth getan hat, um über Regeln aufzuklären. Tut mir leid, wenn Sie in einem Betrieb auditiert werden, dann ist das die erste Frage an die verantwortliche Leitung.

Gruß, Martin

Reader Offline



Beiträge: 803

24.02.2011 10:58
#47 RE: Fussnotenfetischisten Antworten

Zitat von Gorgasal

Zitat von Martin
Erstens gab es von seiten der Uni überhaupt keinen Versuch, über Regeln und Richtlinien wissenschaftlicher Arbeiten aufzuklären, und das bestätigen mir auch zur gleichen Zeit promovierte Kollegen. Zweitens durfte ich seinerzeit meine Arbeit nochmals komplett mit der Schreibmaschine nachtippen, weil ich die Graphiken nicht mit eigenen Texten versehen hatte sondern nur im Text darauf Bezug genommen hatte. Ich kannte keine solche Regel, und ich hatte mir darüber keine Gedanken gemacht. Der eine systematische 'Fehler' hätte aber auf beinahe jeder Seite meiner Arbeit als 'Fehler' gewertet werden können. Im Maßstab der an Guttenberg angelegt wird, wären sozusagen auf 80% der Seiten die Regel verletzt gewesen.


Mit Verlaub: der Vergleich hinkt. Ich glaube Ihnen gerne, dass die Standards Ihres Fachs nicht durch Osmose vermittelbar sind. Besonders schlimm ist der Formalismus in der Psychologie, wo es ein ganzes Buch (das APA Publication Manual) über die Textstandards gibt. Dort wird vorgegeben, dass Tabellen nur horizontale Linien enthalten dürfen, keine vertikalen, und dass führende Nullen in Dezimalzahlen kleiner als 1 weggelassen werden ("p=.02", nicht "p=0.02"). Natürlich muss man das explizit erläutert bekommen.




Wieso soll ein Regelwerk wie das der APA "besonders schlimm" sein?
Was dabei herauskommt, wenn man sich an keine Regeln hält, sieht man ja bei Guttenberg.

"American Psychological Association (APA) Style is a set of rules that authors must use when submitting papers for publications in APS journals [1]. The APA states that they were developed to assist reading comprehension in the social and behavioral sciences, for clarity of communication, and to "move the idea forward with a minimum of distraction and a maximum of precision."[2] The Publication Manual of the American Psychological Association contains guidelines for every aspect of writing, especially in the social sciences, from determining authorship to constructing a table to avoiding plagiarism and constructing accurate reference citations." Zitat aus der Wikipedia-Seite (Hervorhebung von mir): http://en.wikipedia.org/wiki/Publication...cal_Association

Die APA ist nicht die einzige Organisation, mit präzisen science style bzw. reference Vorgaben für wissenschaftliche Texte.
Sehr präzise, sicher, aber "schlimmer Formalismus"?

Herr von Guttenberg hätte bei Wikipedia nachschlagen sollen/können, wie man mit Zitaten arbeitet.

"Broadly, a citation is a reference to a published or unpublished source (not always the original source). More precisely, a citation is an abbreviated alphanumeric expression (e.g. [Newell84]) embedded in the body of an intellectual work that denotes an entry in the bibliographic references section of the work for the purpose of acknowledging the relevance of the works of others to the topic of discussion at the spot where the citation appears. Generally the combination of both the in-body citation and the bibliographic entry constitutes what is commonly thought of as a citation (whereas bibliographic entries by themselves are not).

A prime purpose of a citation is intellectual honesty: to attribute prior or unoriginal work and ideas to the correct sources, and to allow the reader to determine independently whether the referenced material supports the author's argument in the claimed way.

The forms of citations generally subscribe to one of the generally accepted citations systems, such as the Oxford,[1] Harvard, MLA, American Sociological Association (ASA), American Psychological Association (APA), and other citations systems, as their syntactic conventions are widely known and easily interpreted by readers. Each of these citation systems has its respective advantages and disadvantages relative to the trade-offs of being informative (but not too disruptive) and thus should be chosen relative to the needs of the type of publication being crafted. Editors will often specify the citation system to use
."

Zitat aus Wikipedia: http://en.wikipedia.org/wiki/Citation

R.r


Edit: Hervorhebung mit roter Farbe.
R.r

Reader Offline



Beiträge: 803

24.02.2011 11:05
#48 RE: Fussnotenfetischisten Antworten

Zitat von Martin

Zitat von Gorgasal
Aber sind Sie denn wirklich der Meinung, zu Guttenberg hätte eine explizite Aufklärung darüber gebraucht, dass man nicht Textpassagen wortwörtlich abschreiben darf, ohne die Quelle anzugeben? Meinen Sie das ernst?

Überdies hat er ja durchaus auch "normale" Zitate gebracht, er kann sich also schlecht darauf hinausreden, er hätte von wissenschaftlicher Zitationspraxis keine Ahnung gehabt. Mal ganz abgesehen davon, dass er ja ein langes Literaturverzeichnis aufführt - hat er denn all diese Literatur gelesen, und ist ihm dabei nie aufgefallen, dass die Autoren hier und da mal zitieren?

Nein, die Argumentation, zu Guttenberg hätte eine explizite Einweisung in wissenschaftliche Zitationen gebraucht, das lasse ich im ersten Semester gelten, aber nicht mehr in einer Promotion.

Und die Überarbeitung: das lasse ich gerne als Erklärung für ein paar wenige Ausrutscher gelten. Aber doch nicht auf fast 70% der Seiten!



Lieber Gorgasal,

ich erlege mir nur etwas Zurückhaltung in der Bewertung von Abläufen auf, bei denen ich mir aufgrund eigener Erfahrung - in von mir aus entfernt ähnlicher Situation- mehr plausible Optionen vorstellen kann, als die auf die sich die Internet- und Journalistengemeinde eingeschossen hat. Hat Guttenberg systematisch bei der anfänglichen Zusammenstellung geschlampt, dann ist nicht unplausibel, dass sich das bis zum Ende potenziert hat. Dann ist auch nicht unplausibel, dass er danach nicht mehr als die eigenen Beiträge erkennbare Passagen 'verbessert' hat. Es wäre auch plausibel, dass Guttenberg unter Zeitdruck mögliche Fehler einfach ignoriert hat, weil er diesen wenig Bedeutung für den wissenschaftlichen Beitrag zugemessen hat. Da wäre dann maximal mangelnder Respekt gegenüber den Regeln, nicht aber fremde Beiträge über bekannte Sachverhalte als eigene ausgeben zu wollen. So schrecklich das aus wissenschaftlicher Sicht ist, so unwichtig kann das aus Sicht des Normalbürgers sein.

Ansonsten: Ob Doktorant oder nicht: Wer mal eine Weile selbstkritisch auf der Welt gewandelt ist, der ist sicher gelegentlich erstaunt, welche Wissenslücken er bei sich auch nach 50 Jahren entdeckt, die der Rest der Welt nicht zu haben scheint. Deshalb interessieren mich nicht andere Beispiele. Es wäre interessant, was konkret eine Uni Bayreuth getan hat, um über Regeln aufzuklären. Tut mir leid, wenn Sie in einem Betrieb auditiert werden, dann ist das die erste Frage an die verantwortliche Leitung.

Gruß, Martin





Zitat
"Es wäre auch plausibel, dass Guttenberg unter Zeitdruck mögliche Fehler einfach ignoriert hat, weil er diesen wenig Bedeutung für den wissenschaftlichen Beitrag zugemessen hat. Da wäre dann maximal mangelnder Respekt gegenüber den Regeln, nicht aber fremde Beiträge über bekannte Sachverhalte als eigene ausgeben zu wollen. So schrecklich das aus wissenschaftlicher Sicht ist, so unwichtig kann das aus Sicht des Normalbürgers sein."



Das würde aber auch voraussetzen, dass er vergessen hatte, dass er überhaupt je Quellen herangezogen hat.

Würde man einem "Doktoranden von der Strasse" so etwas glauben?

.

Gorgasal Offline




Beiträge: 4.021

24.02.2011 11:08
#49 RE: Fussnotenfetischisten Antworten

Zitat von Martin
ich erlege mir nur etwas Zurückhaltung in der Bewertung von Abläufen auf, bei denen ich mir aufgrund eigener Erfahrung - in von mir aus entfernt ähnlicher Situation- mehr plausible Optionen vorstellen kann, als die auf die sich die Internet- und Journalistengemeinde eingeschossen hat.


Ich habe selbst promoviert, seitdem einiges in wissenschaftlichen Journalen publiziert und einige Promotionen unterstützt und miterlebt, wenn auch nicht betreut. So etwas wie zu Guttenberg habe ich noch nie erlebt. Nein, hier kann ich mir wirklich nur noch zwei Möglichkeiten vorstellen: entweder hat zu Guttenberg die Dissertation anfertigen lassen und dachte, er bekommt für teures Geld gute Qualität, oder er hat selbst betrogen. Alles andere erscheint mir völlig unmöglich. Hauptsächlich wegen der schieren Menge an Material.

Zitat von Martin
Hat Guttenberg systematisch bei der anfänglichen Zusammenstellung geschlampt, dann ist nicht unplausibel, dass sich das bis zum Ende potenziert hat. Dann ist auch nicht unplausibel, dass er danach nicht mehr als die eigenen Beiträge erkennbare Passagen 'verbessert' hat. Es wäre auch plausibel, dass Guttenberg unter Zeitdruck mögliche Fehler einfach ignoriert hat, weil er diesen wenig Bedeutung für den wissenschaftlichen Beitrag zugemessen hat.


Das sind alles gute Argumente, die ich voll und ganz gelten lassen würde. Wenn es um ein paar wenige Fehler ginge. Offen gestanden kann ich nicht nachvollziehen, wie Sie das als Erklärung für Plagiate auf fast 70% der Seiten der Dissertation auch nur im entferntesten plausibel finden können.

Zitat von Martin
Da wäre dann maximal mangelnder Respekt gegenüber den Regeln, nicht aber fremde Beiträge über bekannte Sachverhalte als eigene ausgeben zu wollen.


Siehe oben. Das zieht bei der schieren Menge nicht mehr als Argument.

Zitat von Martin
So schrecklich das aus wissenschaftlicher Sicht ist, so unwichtig kann das aus Sicht des Normalbürgers sein.


Ich habe schon anderswo darauf hingewiesen: wenn ich hier im Betrieb in derartigem Umfang fremde Leistungen als meine verkaufe, dann kann ich das auch irgendwann nicht mehr als Schusseligkeit hinstellen. Dazu muss ich gar nicht in der Wissenschaft sein.

Zitat von Martin
Es wäre interessant, was konkret eine Uni Bayreuth getan hat, um über Regeln aufzuklären. Tut mir leid, wenn Sie in einem Betrieb auditiert werden, dann ist das die erste Frage an die verantwortliche Leitung.


Das hatten wir schon oben. Dass Doktoranden explizit über die äußere Form der Dissertation aufgeklärt werden müssen (analog im Betrieb vielleicht: was alles unter Reisekosten abrechenbar ist und was nicht), das sei Ihnen unbenommen. Aber dass nicht seitenweise fremdes Gedankengut abgeschrieben werden darf, ohne den Autor zu zitieren, das ist nur noch damit vergleichbar, das ich in der Firma nicht einfach die Büroeinrichtung mitnehmen und auf dem Flohmarkt verkaufen darf. Wenn ein Mitarbeiter sich so benimmt und rausfliegt, kann er sich (hoffentlich??) auch nicht darauf berufen, dass er nicht schriftlich über die FirmenInventarNichtKlauenDürfenPolicy aufgeklärt wurde.

Anscheinend zeugt diese ganze Diskussion hauptsächlich davon, wie weit ich mittlerweile vom Normalmenschen entfernt denke...

--
Margot Käßmann erhält für ihren Rücktritt nach einer betrunkenen Autofahrt den Europäischen Kulturpreis für Zivilcourage. - Der Spiegel, nicht am 1. April

Gorgasal Offline




Beiträge: 4.021

24.02.2011 11:19
#50 RE: Fussnotenfetischisten Antworten

Zitat von Reader
Wieso soll ein Regelwerk wie das der APA "besonders schlimm" sein?


Das sage ich Ihnen gerne: es ist zu rigide.

Zitat
The APA states that they were developed to assist reading comprehension in the social and behavioral sciences, for clarity of communication, and to "move the idea forward with a minimum of distraction and a maximum of precision.


Tabellen dürfen eben beispielsweise keine vertikalen Linien enthalten. Aber im konkreten Fall könnte die reading comprehension eben durchaus durch vertikale Linien gefördert werden, wenn man beispielsweise Kolumnen in einer Tabelle gruppieren muss. Aber solche Ausnahmen sind nicht vorgesehen, und Reviewer und Journale werden falsche Tabellen in Manuskripten immer bemängeln, egal wie es um die reading comprehension bestellt ist.

Ähnlich: dass p-Werte (die ja naturgemäß immer kleiner als 1 sind) ohne die Null vor dem Komma dargestellt werden, ebenso Korrelationen und so weiter, damit habe ich kein Problem. Aber diese Vorgabe bezieht sich eben auch auf andere Zahlen, beispielsweise geschätzte Regressionskoeffizienten, und die Lesbarkeit ist meines Erachtens bei "regression coefficients were estimated as 1.12, .93, .87 and 1.02" niedriger als bei "1.12, 0.93, 0.87 and 1.02". Könnte man mal untersuchen...

Und schließlich führt die Sprachregelung, man solle nur von "participants" schreiben, nicht von "subjects", weil das die Leute verdingliche (ich weiß nicht, ob "patients" erlaubt ist), zu einer sprachlichen Verarmung, schlechterem Stil und - halt immer noch - schlechterer Lesbarkeit.

EDIT: "verdinglicht" in "verdingliche" geändert, hier geht es um indirekte Rede, und diese Aussage mache ich mir nicht zu eigen. Ja, auf so etwas achte ich...

--
Margot Käßmann erhält für ihren Rücktritt nach einer betrunkenen Autofahrt den Europäischen Kulturpreis für Zivilcourage. - Der Spiegel, nicht am 1. April

Seiten 1 | 2 | 3 | 4
 Sprung  



Bitte beachten Sie diese Forumsregeln: Beiträge, die persönliche Angriffe gegen andere Poster, Unhöflichkeiten oder vulgäre Ausdrücke enthalten, sind nicht erlaubt; ebensowenig Beiträge mit rassistischem, fremdenfeindlichem oder obszönem Inhalt und Äußerungen gegen den demokratischen Rechtsstaat sowie Beiträge, die gegen gesetzliche Bestimmungen verstoßen. Hierzu gehört auch das Verbot von Vollzitaten, wie es durch die aktuelle Rechtsprechung festgelegt ist. Erlaubt ist lediglich das Zitieren weniger Sätze oder kurzer Absätze aus einem durch Copyright geschützten Dokument; und dies nur dann, wenn diese Zitate in einen argumentativen Kontext eingebunden sind. Bilder und Texte dürfen nur hochgeladen werden, wenn sie copyrightfrei sind oder das Copyright bei dem Mitglied liegt, das sie hochlädt. Bitte geben Sie das bei dem hochgeladenen Bild oder Text an. Links können zu einzelnen Artikeln, Abbildungen oder Beiträgen gesetzt werden, aber nicht zur Homepage von Foren, Zeitschriften usw. Bei einem Verstoß wird der betreffende Beitrag gelöscht oder redigiert. Bei einem massiven oder bei wiederholtem Verstoß endet die Mitgliedschaft. Eigene Beiträge dürfen nachträglich in Bezug auf Tippfehler oder stilistisch überarbeitet, aber nicht in ihrer Substanz verändert oder gelöscht werden. Nachträgliche Zusätze, die über derartige orthographische oder stilistische Korrekturen hinausgehen, müssen durch "Edit", "Nachtrag" o.ä. gekennzeichnet werden. Ferner gehört das Einverständnis mit der hier dargelegten Datenschutzerklärung zu den Forumsregeln.



Xobor Xobor Forum Software
Einfach ein eigenes Forum erstellen
Datenschutz