Präsident Obamas damaliger Stabschef Rahm Emanuel hat es klipp und klar gesagt: "Man möchte eine schwere Krise nie ungenutzt lassen". Die Wirtschaftskrise soll Obama dazu dienen, die USA in seinem Sinn umzugestalten. Beispielsweise ermöglichen die riesigen stimulus-Mittel, die der Staat in die Wirtschaft pumpt, eine gezielte Investitionslenkung.
Perfide und darum glaubwürdig. Es kommt meist nichts Gutes von Politikern und "großem" Staat. Es gibt aber immer auch mal "Sternstunden". Vielleicht ist es bald mal wieder soweit. Aber bis dahin wird wohl gelten. Staat = gut, Freiheit = böse.
Das ist gerade heute reingekommen über die Strategie:
Zitat von Wolfgang SchäubleWürde man uns aber einige Monate Zeit geben, daran zu arbeiten, und gäbe es die Hoffnung, dass andere Mitgliedsstaaten dem ebenso zustimmen, sehe ich eine Chance.
Zitat von Erling PlaetheDie Regierungen Europas verschwören sich gegen die europäischen Völker? Hab ich das richtig verstanden?
Nein. Weder Kielmannsegg sagt das, noch käme ich auf den Gedanken, es zu behaupten.
Sondern es ist Realpolitik: Man nutzt eine Situation, um die eigenen politischen Ziele zu befördern, gibt aber vor, nur die Situation zu bewältigen. Wir erleben das gegenwärtig in großem Stil in der Art, wie Fukushima dafür benutzt wird, die Weichen in Richtung Ökostaat zu stellen.
So ist nun einmal Politik. Ich kritisiere nicht, daß die Regierungen möglicherweise - es ist ja nur eine von drei Möglichkeiten, die Kielmansegg erörtert - diese Strategie verfolgen. Sondern ich sehe mit Sorge, wie ein von oben statt von unten konstruiertes Europa sich selbst delegitimiert. Auf Dauer kann man so etwas nicht machen, wenn die Bürger sich nicht damit identifizieren.
Die Vereinigten Staaten von Nordamerika wären gescheitert, wenn nicht eine amerikanische Identität entstanden wäre, welche die meisten Bürger für sich akzeptierten. Das war nicht leicht, wie der Sezessionskrieg zeigt. Aber es ist unabdingbar, wenn ein solches Projekt gelingen soll. Und mit einem nur auf Regierungsebene konstruierten Europa wird man das nicht hinbekommen.
Zitat von ZettelWie Obamas Experiment einer Sozialdemokratisierung der USA bisher gelaufen ist, das ist bekannt; es hat seiner Partei bei den Wahlen im vergangenen Herbst eine verheerende Niederlage eingetragen. Die Amerikaner mögen es nicht, wenn ihnen von oben vorgeschrieben werden soll, wie sie ihr Land gestalten wollen. Auch nicht - schon gar nicht - unter Ausnutzung einer Krise.
Mit Verlaub, Franklin D. Roosevelt hat doch genau das getan. Man muss es nur richtig anpacken.
Wäre FDR nicht vor Kriegsende gestorben, und hätte sein Nachfolger Truman nicht den Rat seiner Volkswirtschaftler in den Wind geschlagen, so wären die USA wohl in dieser halbsozialistischen Kriegswirtschaft erstarrt, genau wie Großbritannien vor Thatcher.
Wenn die US Regierung etwas tut, dass der Bevölkerung nicht gefällt, dann wird sie bei den nächsten Wahlen abgestraft. Wenn die europäischen Regierungen das tun, dann wird solange gewählt bis es stimmt.
... ganz im Sinne der jeweiligen Verfassungen, was sich schon in den ersten Worten zeigt: US Constitution: We the People ... Vertrag von Lissabon: SEINE MAJESTÄT DER KÖNIG DER BELGIER,
Da wird doch der einfache Bürger nicht ihrer Majestät** widersprechen wollen, oder?
** sollte kein traditioneller Adel vorhanden sein, kann er durch Amtsadelige ersetzt werden.
Zitat Es geht um Konstitutionsakte, und für die brauchen die politischen Eliten, wenn denn von Demokratie noch soll die Rede sein können, explizite Ermächtigung und explizite Zustimmung.
Damit geht seine Kritik am "Projekt Europa" meiner Meinung nach am zentralen Problempunkt vorbei, d. h. sie geht nicht tief genug. Er hat natürlich recht, wenn er schreibt:
Zitat Liegt jetzt nicht offen zutage, dass es eine Skepsis gibt, auf die das europäische Projekt, wenn es denn langfristig erfolgreich sein soll, dringend angewiesen ist?
und
Zitat In gewissem Sinn wird der demokratische politische Prozess suspendiert, und dies in einer Föderation, die sich ausdrücklich als ein Zusammenschluss von Demokratien definiert.
Aber haben wir in Europa wirklich vornehmlich ein Demokratie-Defizit-Problem?
Anders gefragt: wäre das Vorgehen der europäischen Regierungen richtiger, wenn sie sich dabei explizit auf die Unterstützung der Völker, die sie repräsentieren sollen, berufen könnten?
Meiner Meinung nach wäre es scharfsinniger, z. B. auf zwei poltisch-soziologische "Gesetze" hinzuweisen, die beide auf die "Notwendigkeit" der Zunahme der Bürokratie hinweisen:
Es ist dabei natürlich kein Zufall, dass der Angelsachse die Sache als Mißstand darstellt, während der Kontinentaleuropäer das ganze als Segen ansieht.
Und genau, das ist es doch, was wir gerade in der causa "Griechenland-Rettung" zu sehen bekommen:
Erst meint "Brüssel" über seine Frankfurter Dependance, die EZB, mit einer zentralistisch-bürokratischen Geld-Politik, flankiert durch eine zentralistisch-bürokratische Strukturfond-Poltik die Griechen auf das Wohlstandsniveau der Deutschen heben zu können. Als diese Politik gescheitert ist, erklärt sich die Brüsseler Bürokratie für die Ausgabenpolitik des griechischen Volkes verantwortlich und zuständig, und wenn dabei so Dinge wie demokratisches Budgetrecht oder Volkssouveranität über den Deister gehen, dann sind das eben Kollateralschäden, die für die große Sache gebracht werden müssen. Aber wie das mit wuchernden, allzuständigen Bürokratien so ist, sie ersticken die freiheitlichen, produktiven Kräfte der Gesellschaft; "Europa" (d. h. "Brüssel") wird am eigenen Erfolg zugrunde gehen - und als "Europa"-Skeptiker darf man vielleicht hinzufügen: "Und das ist auch gut so!"
Ich halte einen anderen Absatz im wirklich lesenswerten FAZ-Beitrag von Kielmansegg aus demokratischer Sicht für ebenso wichtig:
Zitat von FAZEnttabuisierung des Dissens heißt vor allem: Das Freund-Feind-Schema, das die Wahrnehmung der Europa-Debatten hierzulande so häufig bestimmt, muss aufgegeben werden. Zwar ist vom „Feind“ nicht ausdrücklich die Rede, sondern vorsichtiger vom „Skeptiker“. Doch faktisch wird mit diesem Etikett der Feind markiert. Seine Argumente sind dann nicht mehr von großem Interesse. Wieso aber, muss man fragen, stellte sich, beispielsweise, einer, der die Erfolgschancen der Währungsunion skeptisch beurteilte, gegen Europa? Wem verdanken wir denn die Krise, in die das europäische Projekt geraten ist? Jedenfalls nicht den „Europaskeptikern“. Liegt jetzt nicht offen zutage, dass es eine Skepsis gibt, auf die das europäische Projekt, wenn es denn langfristig erfolgreich sein soll, dringend angewiesen ist?
Wenn "Europa" ein demokratisches Projekt sein soll, dann brauchen wir dafür nicht nur eine europäische Öffentlichkeit mit einer europäischen Debatte, sondern diese Debatte muss auch wirklich offen sein, selbst wenn unsere Eliten vor lauter Drang, ihren Traum verwirklichen oder Geschichte schreiben zu wollen, dabei ihren Umsetzungszeitplan gefährdet sehen.
Ich stimme dir, lieber Zettel, in der Analyse natürlich zu. Wir stecken in einer Systemkrise, und es ist kein Wunder, dass dann grundsätzliche strategische Überlegungen auf den Tisch kommen. Die einen sehen die Lösung wie immer in mehr Staat, mehr Zentralismus, mehr "Steuerung", die anderen in mehr Markt, mehr Subsidiarität und mehr Wettbewerb. Was Kielmansegg im obigen Zitat anspricht, ist aber der von der veröffentlichten Meinung und den politischen Eliten initiierte diskurstechnische Versuch, die eine Variante als "proeuropäisch" zu etikettieren ("proeuropäisch" ist ebenso positiv besetzt wie "liberal" - vielleicht sollte man mal ein "neo" davorhängen...), die andere aber als "rechtspopulistisch" und "nationalistisch", Kriegsdrohung inklusive.
Und das wird um so erbitterter betrieben, je mehr sich die "proeuropäische" Strategie als gescheitert entpuppt. Für einige, wie den sich bei SPON quasi im Dauerfeuer dazu ausslassenden Henrik Müller, ist die Antwort auf das Versagen der Medizin nur, immer noch mehr von ihr zu verabreichen. Warum? Na, weil es doch "um Europa geht". Wer keine planwirtschaftlich agierende EU-Kommission will, ist schuld am dann angeblich unvermeidlichen Ende der EU. Die Vertreter dieser Richtung sollten sich aber lieber fragen, welche Art von Politik dazu geführt hat, dass jetzt plötzlich nur noch diese Alternativen im Raum stehen sollen. Wie Kielmansegg richtig bemerkt: An den "Euroskeptikern" lag es sicher nicht.
-- L'État, c'est la grande fiction à travers laquelle tout le monde s'efforce de vivre aux dépens de tout le monde. (Frédéric Bastiat)
Zitat von Am_RandeErst meint "Brüssel" über seine Frankfurter Dependance, die EZB, mit einer zentralistisch-bürokratischen Geld-Politik, flankiert durch eine zentralistisch-bürokratische Strukturfond-Poltik die Griechen auf das Wohlstandsniveau der Deutschen heben zu können. Als diese Politik gescheitert ist, erklärt sich die Brüsseler Bürokratie für die Ausgabenpolitik des griechischen Volkes verantwortlich und zuständig, und wenn dabei so Dinge wie demokratisches Budgetrecht oder Volkssouveranität über den Deister gehen, dann sind das eben Kollateralschäden, die für die große Sache gebracht werden müssen.
Ich ging bisher davon aus, dass das den Griechen gegebene Geld zur Tilgung von Schulden bestimmt war und nicht dazu, das dortige Wohlstandsniveau zu heben. Und die Gläubiger sind wer und sitzen wo?
Latürnich kann ich mich auch täuschen.
Mit freundlichem Gruß
-- „Die Wahrheit ist dem Menschen zumutbar“ – sagt Ingeborg Bachmann
Welche Kalküle Europas Krisenmanager in diesen Tagen umtreiben, darüber lässt sich nur spekulieren.
Für die These, dass die ganze Konstruktion des Euro von Anfang an darauf angelegt war und ist, weitere Integrationsschritte zu erzwingen - notfalls durch eine unvermeidliche, aber "nützliche" Krise -, für diese These spricht aber sehr viel.
Europas Architekten haben immer gerne auf die sogenannte "Methode Monnet" gesetzt, Institutionen zu errichten, die dann automatisch ihre eigene Integrationsdynamik, ja ihren eigenen Integrationszwang entfalten. Das Wort von der "beneficial crisis" wird dem Kommissionspräsidenten Jacques Delors zugeschrieben, der damit auf den Vorwurf reagiert haben soll, das Euro-Arrangement werde unweigerlich in eine Krise führen.
Eine "beneficial crisis" ist sogar noch viel eleganter als die zufällig hereinschneiende Krise, die ein Obama clever ausnutzt. Die "beneficial crisis" ist in einer gewählten Konstruktion bereits angelegt, und ihre Lösung beinhaltet zwingend die Entscheidungen, die der Politiker im ersten Schritt nicht durchsetzen konnte.
Einer, der diese Dynamik sehr früh und sehr hellsichtig formuliert hat ist der tschechische Staatspräsident (und Ökonom) Vaclav Klaus:
Zitat a single currency (without fiscal unification) creates an environment for fiscal irresponsibility. We can even talk--together with Anthony de Jasay--about fiscal free-riding: "Each member state of the eurozone is caught between two alternatives--to engage in fiscal free-riding or to be the victim of free-riding by the others" (de Jasay 2003: 2). In the same spirit, Peter Kenen (1996) rightly asked whether the currency domain can be bigger than the fiscal domain. I do not think it can. When a country has its own currency, fiscal irresponsibility carries its own punishment. Such punishment does not, however, exist in the current eurozone. The fiscal deficits in some of those countries after the establishment of the euro seem to support this argument.
Second, European monetary unification is the Trojan horse for overall harmonization of economic rules, policies, and laws in the EU. I am convinced that any eurozone problem will be in the future interpreted as a consequence of the lack of harmonization (of nominal unification) and will lead to another wave of a creeping harmonization. Hans Eichel, the German minister of finance, made it quite clear: "The currency union will fall apart if we don't follow through with the consequence of such a union. I am convinced we will need a common tax system" (The Sunday Times, December 23, 2001). Such an unnecessary and counterproductive harmonization (and centralization), which tries to eliminate comparative advantages of individual countries, is one of the most worrisome elements of the whole European integration process. http://findarticles.com/p/articles/mi_go...le_skin;content
Zitat von Uwe RichardIch ging bisher davon aus, dass das den Griechen gegebene Geld zur Tilgung von Schulden bestimmt war und nicht dazu, das dortige Wohlstandsniveau zu heben.
Und wozu dienten die Schulden?
-- L'État, c'est la grande fiction à travers laquelle tout le monde s'efforce de vivre aux dépens de tout le monde. (Frédéric Bastiat)
Zitat von Am_RandeErst meint "Brüssel" über seine Frankfurter Dependance, die EZB, mit einer zentralistisch-bürokratischen Geld-Politik, flankiert durch eine zentralistisch-bürokratische Strukturfond-Poltik die Griechen auf das Wohlstandsniveau der Deutschen heben zu können.
Zitat von Uwe RichardIch ging bisher davon aus, dass das den Griechen gegebene Geld zur Tilgung von Schulden bestimmt war und nicht dazu, das dortige Wohlstandsniveau zu heben.
Und die Gläubiger sind wer und sitzen wo?
Zitat von RaysonUnd wozu dienten die Schulden?
Und was soll ich bitteschön mit Ihrer Gegenfrage anfangen? Wer hat denn je durch Schuldenmachen seinen Wohlstand erhöht? Schulden, die er mit neuen Krediten tilgt?
Mit freundlichem Gruß
-- „Die Wahrheit ist dem Menschen zumutbar“ – sagt Ingeborg Bachmann
Noch immer halte ich die Idee eines europäischen Bundesstaates (evtl. nach dem Vorbild der USA; USE) für sehr gut, ABER auf demokratischer Grundlage! Und genau daran happert es der derzeitigen EU! Darum ist die spöttische Bezeichnung EUdSSR so falsch nicht! Angefangen bei der EU-Kommission über "Genderpolitik" bis Lissaboner "Vertrag"! In jedem demokratischen Staat ist es das von den Bürgern gewählte Parlament das über den Haushalt, Steuern, Gesetze entscheidet, Nur in der EU nicht! Es zeigt sich mal wieder die Angst der "Eliten" vor dem Volk, national wie europäisch: VDS, ACTA, Netzzensur, INDECT, etc. Das erinnert fatal an die Zustände im untergegangenen "realexistierenden" Sozialismus! Was in ganz Europa geschieht ist das Wiedererstarken des Obrigkeitsstaates, in dem der Bürger gefälligst der Regierung/den Politikern zu gehorchen hat! Das für mich treffendste Beispiel dieses Denkens gab der Schwabinger Grüne Kisa in seinem Kommentar zur Erdogan Rede: „Die deutsche Regierung muss akzeptieren, dass sie daran versagt hat, diese Menschen entsprechend zu erziehen...."
Zitat von dentix07In jedem demokratischen Staat ist es das von den Bürgern gewählte Parlament das über den Haushalt, Steuern, Gesetze entscheidet, Nur in der EU nicht!
Das ist schlicht und ergreifend falsch. Jeder normale Rechtsakt der EU mit Gesetzescharakter hat die Zustimmung der Mehrheit des Europäischen Parlaments. Daneben noch die Zustimmung des Rates, der sich, ganz ähnlich dem deutschen Bundesratsmodell, aus Abgesandten der Länderexekutiven zusammensetzt.
Zitat von dentix07In jedem demokratischen Staat ist es das von den Bürgern gewählte Parlament das über den Haushalt, Steuern, Gesetze entscheidet, Nur in der EU nicht!
Das ist schlicht und ergreifend falsch. Jeder normale Rechtsakt der EU mit Gesetzescharakter hat die Zustimmung der Mehrheit des Europäischen Parlaments. Daneben noch die Zustimmung des Rates, der sich, ganz ähnlich dem deutschen Bundesratsmodell, aus Abgesandten der Länderexekutiven zusammensetzt.
Ich bitte darum, das EU-Bashing nicht durch das Einbringen von Fakten zu beeintraechtigen!
Zitat Das ist schlicht und ergreifend falsch. Jeder normale Rechtsakt der EU mit Gesetzescharakter hat die Zustimmung der Mehrheit des Europäischen Parlaments. Daneben noch die Zustimmung des Rates, der sich, ganz ähnlich dem deutschen Bundesratsmodell, aus Abgesandten der Länderexekutiven zusammensetzt.
Aus Wikipedia ("Europäisches Parlament"):
Zitat Neben dem ordentlichen Gesetzgebungsverfahren gibt es noch andere Formen der Rechtsetzung in der EU, bei denen das Parlament weniger Mitspracherechte besitzt. Diese erstrecken sich nach dem Vertrag von Nizza heute jedoch nur noch auf einige bestimmte Politikbereiche. So muss das Parlament im Bereich der Wettbewerbspolitik und bestimmten Feldern der Gemeinsamen Handelspolitik lediglich angehört werden; auch in der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik hat es kaum Mitspracherechte.
Am Rande: Ich betrachte mich als weit überdurchschittlich politisch interessiert. Und ich kenne die genauen Kompetenzen der verschiedenen EU-Institutionen auch nicht genau. Dies liegt auch an der unglaublichen Komplexität des europäischen Rechts. Ich wüßte schon gar nicht, auf welche Gesetze sich nun genau die obigen Kompetenzen des EU-Parlaments stützen. Letztlich ist ja auch der Wikipedia-Artikel eher vage. (Was genau bedeutet "einige Politikbereiche"? Was genau bedeutet "weniger Mitspracherechte"?) Dieses fehlende Verständnis für die europäischen Abläufe führt in der Bevölkerung sicher auch zu fehlendem Vertrauen in die europäischen Institutionen.
Zitat von FTT_2.0Ich bitte darum, das EU-Bashing nicht durch das Einbringen von Fakten zu beeintraechtigen!
Daran erinnern, daß das EP - jedenfalls nach den Maßstäben unserer Verfassung - keindemokratisch gewähltes Parlament ist, und daß das wohl mehr als nur ein kleiner Schönheitsfehler ist, darf man aber schon, oder? Ganz unbeschadet der Frage, ob etwas überhaupt durch EU-Normen geregelt werden sollte, was m.E. in den allermeisten Bereichen (und ganz gewiß bei der Besteuerung) zu verneinen ist.
Aber darüber waren wir uns ja schon damals nicht einig.
____________________________________________________ "I want my republic back!"
Zitat von FAB.Daran erinnern, daß das EP - jedenfalls nach den Maßstäben unserer Verfassung - keindemokratisch gewähltes Parlament ist
Nach diesem Kriterium wäre weder der US-Kongress noch der Bundesrat noch überhaupt ein Mehrkammernsystem demokratisch. Was ist also der Nutzen dieser Definition von Demokratie?
-- Defender la civilización consiste, ante todo, en protegerla del entusiasmo del hombre. - Nicolás Gómez Dávila, Escolios a un Texto Implícito
Zitat von GorgasalNach diesem Kriterium wäre weder der US-Kongress noch der Bundesrat noch überhaupt ein Mehrkammernsystem demokratisch. Was ist also der Nutzen dieser Definition von Demokratie?
Einwand erschließt sich mir nicht. Was hat die Frage einer etwaigen Zweiten Kammer mit der Frage zu tun, wie die Erste Kammer (in den VSA: Repräsentantenhaus) gewählt wird? Bei der Wahl des Repräsentantenhauses gilt m.W. ebenso wie bei der Wahl des Deutschen Bundestags das demokratische Prinzip der Erfolgswertgleichheit. Was der "Nutzen" der Demokratiedefinition des GG ist, ist eine interessante, aber eher nicht im Rahmen einiger Zeilen zu beantwortende Frage. Ich bin für Diskussionen über die Wiedereinführung des Zensuswahlrechts bei Bundestagswahlen durchaus offen. Worum es mir hier ging, war aber zunächst nur die Klarstellung, daß eine Verschiebung von Gesetzgebungskompetenzen vom Bundestag auf das EP nicht einfach eine Art der Volksvertretung durch eine gleichwertige andere "Volksvertretung" ersetzt, nach dem Motto, es sei doch gleichgültig, ob das nun in Berlin oder Straßburg entschieden werde, es sei doch beides ein "demokratisches Parlament". Die Rolle des EP in der EU-Gesetzgebung ist eine andere, sein Grad an tatsächlicher "Repräsentativität" ebenfalls. Und zwar beides im Sinne eines weniger an "Demokratie" i.S.d. GG.
____________________________________________________ "I want my republic back!"
Zitat von GorgasalNach diesem Kriterium wäre weder der US-Kongress noch der Bundesrat noch überhaupt ein Mehrkammernsystem demokratisch. Was ist also der Nutzen dieser Definition von Demokratie?
In einem Zweikammersystem kann natürlich eines - und zwar das weniger wichtige - der beiden Parlamente (z.B. der Senat, das Oberhaus oder der Bundesrat) nach ganz anderen Kriterien besetzt werden, aber das "Hauptparlament" sollte doch so konstituiert werden, daß jede Stimme eines Wählers exakt dasselbe Gewicht hat. Dies ist beim Bundestag, beim Unterhaus und beim Repräsentantenhaus der Fall, beim EP allerdings nicht.
Die demokratische Grundlage scheitert an dem grundlegenden Problem, dass es keine europäische Öffentlichkeit und kein europäisches Volk gibt. Es gibt zwar eine transnationale Elite (ein bisschen wie vor 1914, nicht wahr, auch wenn es noch keine vererbaren Positionen gibt?) aber es gibt kein "demos". Wer in einer Demokratie leben will, muss erst einmal erklären, warum ihm die real existierende Bundesrepublik Deutschland nicht gut genug war. Ich erinnere mich vage ... noch vor 20 Jahren versicherte man uns, es ginge um freien Handel und Mobilität, nicht um politische Einigung. Das war gelogen.
Bis jetzt deutet alles darauf hin, dass Demokratie im Nationalstaat am besten aufgehoben ist. Der demokratische und souveräne Nationalstaat ist der natürliche Feind dieser Elite, die "ihre Völker" lieber nach ethnischen und regionalen Aspekten einteilen würde, sowie nach Geschlecht und sozialer Klasse. Dass diese Elite auch nationalen Parlamente durchsetzt ist nicht verwunderlich, macht es aber nicht gut.
Zitat ... aber das "Hauptparlament" sollte doch so konstituiert werden, daß jede Stimme eines Wählers exakt dasselbe Gewicht hat.
Das ist zwar ein wichtiges Kriterium für ein "gutes" Wahlrecht, kann aber durchaus mit guten Gründen gegenüber anderen Kriterien zurückgestuft werden.
Zitat Dies ist beim Bundestag, beim Unterhaus und beim Repräsentantenhaus der Fall, beim EP allerdings nicht.
Das EP ist halt ein Mischsystem, da sind die direkte proportionale politische Vertretung und die nach Größe gestaffelte regionale zusammengerechnet. Vielleicht kein schöner Kompromiß, aber demokratisch durchaus vertretbar.
Im übrigen: Beim Bundestag haben wir mit der 5%-Klausel und beim Unterhaus noch viel stärker mit dem Mehrheitsstimmrecht ebenfalls Faktoren, die die Gleichwertigkeit der Wählerstimmen beeinträchtigen. Das kollidiert auch mit dem demokratischen Ideal, ist aber noch vertretbar.
Zitat von GorgasalNach diesem Kriterium wäre weder der US-Kongress noch der Bundesrat noch überhaupt ein Mehrkammernsystem demokratisch. Was ist also der Nutzen dieser Definition von Demokratie?
In einem Zweikammersystem kann natürlich eines - und zwar das weniger wichtige - der beiden Parlamente (z.B. der Senat, das Oberhaus oder der Bundesrat) nach ganz anderen Kriterien besetzt werden, aber das "Hauptparlament" sollte doch so konstituiert werden, daß jede Stimme eines Wählers exakt dasselbe Gewicht hat. Dies ist beim Bundestag, beim Unterhaus und beim Repräsentantenhaus der Fall, beim EP allerdings nicht.
Vielleicht bin ich ja jetzt etwas daneben, was mit "exakt dasselbe Gewicht" gemeint ist, allerdings konstatiere ich, dass bspw. das Verhältnis von Einwohnern zu Abgeordneten im Repräsentantenhaus doch recht unterschiedlich ist.
Bsp: In Wyoming kommt auf 515.000 Einwohner ein Abgeordneter, in Kalifornien sind es ca. 680.000 Einwohner (wobei hier wahrscheinlich sehr viel mehr nicht wahlberechtigte Einwanderer zu finden sind) und in Montana 944.000 Einwohner.
Abgesehen davon verstehe ich auch nicht, warum das Repräsentantenhaus gegenüber dem Senat das "Hauptparlament" sein sollte. Tendenziell würde ich sogar eher das Gegenteil behaupten.
Zitat von R.A.Beim Bundestag haben wir mit der 5%-Klausel und beim Unterhaus noch viel stärker mit dem Mehrheitsstimmrecht ebenfalls Faktoren, die die Gleichwertigkeit der Wählerstimmen beeinträchtigen.
Weder beim Mehrheitswahlrecht noch durch eine 5%-Klausel werden die Stimmen der Wahlberechtigten von vorneherein unterschiedlich gewichtet. Für die Entscheidung, ob eine Parteiliste den 5%-Stimmenanteil erreicht oder der Wahlkreiskandidat die Mehrheit erreicht, jeweils als Voraussetzung dafür, ins Parlament zu gelangen, hat jede abgegebene gültige Stimme das gleiche Gewicht. Anders etwa beim Zensuswahlrecht oder eben bei der Wahl des EP. Es verwundert mich immer wieder, daß, obwohl wir doch alle schon in der Schule gelernt haben, wie undemokratisch, ja nachgerade unmoralisch das seinerzeitige preußische "Dreiklassenwahlrecht" gewesen ist, die Anwendung desselben Prinzips in der EU ohne weiteres akzeptiert wird.
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