Zitat von Am_Rande Zitat: Sir Humphrey: Oh Minister, let's look at this objectively. It is a game played for national interests, and always was. Why do you suppose we went into it? ... Hacker: That certainly doesn't apply to the Germans. Sir Humphrey: No, no. They went in to cleanse themselves of genocide and apply for readmission to the human race.
Mit Ersterem hat der fiktive Sir Humphrey natürlich Recht. Aber dies trifft auf alle internationalen Organisationen zu. Auf die EU ebenso wie auf die UN oder die NATO. Der Unterschied liegt wohl darin, dass die Mitgliedstaaten der EU das entsprechende Primärrecht in einer ziemlich unverfrorenen Weise brechen. Da wird noch nicht einmal versucht, die Vertragswidrigkeit des Handelns zu bemänteln, während Verstöße gegen die UN-Charta zumeist durch eine - wenn auch abenteuerliche - Interpretation dieser Satzung zu rechtfertigen versucht werden. Dies spricht aber weniger gegen die EU als gegen deren Akzeptanz durch die Mitgliedstaaten.
Die deutsche EU-Motivation ist hingegen differenzierter zu sehen, als das Humphrey tut. Die Zollunion, der Binnenmarkt und die Grundfreiheiten sind unabhängig von der Geschichte im wirtschaftlichen Interesse der Exportnation Deutschland. Und dass der Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts mit seiner gemeinsamen Asyl- und Migrationspolitik die frühere deutsche Regel des sicheren Drittstaats auf die Union umgegossen hat, ist ganz und gar kein völkerrechtlicher Resozialisierungsversuch. Es ist schon sehr unzutreffend, Deutschlands EU-Beteiligung auf eine Büßerrolle zu reduzieren.
Ich hätte wohl dazu schreiben müssen, dass es sich bei „Yes Minister“ um eine satirische Fernsehserie gehandelt hat. Und um kein abgefilmtes soziologisches Proseminar. Das ganz unbenommen; Sir Humphrey hat natürlich dennoch Recht…
Zitat von FlorianErstens wird es auch ohne EU immer noch sehr ausgereifte Verbindungen zwischen den Nationen geben. Jeder mögliche Vorteil durch einen sieggreich beendeten Krieg ist verschwindend gering im Vergleich zu den Nachteilen, die sich in der heutigen hoch entwickelten Weltwirtschaft für alle Nationen aus einer Unterbrechung dieser Verbindungen ergeben.
Ich habe mal gehoert, dass die wirtschaftliche Verflechtung vor dem ersten Weltkrieg auch unglaublich hoch gewesen sein soll, ohne dass ich das jetzt ueberprueft haette. Allerdings haben die (absehbaren) Kosten eines Krieges im Vergleich zu seinen Vorteilen auch in fast allen Kriegen des 20. Jahrhunderts schon ueberwogen und es hat in diesen Faellen die Parteien letztlich nicht abgeschreckt.
Zitat von FlorianErstens wird es auch ohne EU immer noch sehr ausgereifte Verbindungen zwischen den Nationen geben. Jeder mögliche Vorteil durch einen sieggreich beendeten Krieg ist verschwindend gering im Vergleich zu den Nachteilen, die sich in der heutigen hoch entwickelten Weltwirtschaft für alle Nationen aus einer Unterbrechung dieser Verbindungen ergeben.
Ich habe mal gehoert, dass die wirtschaftliche Verflechtung vor dem ersten Weltkrieg auch unglaublich hoch gewesen sein soll, ohne dass ich das jetzt ueberprueft haette. Allerdings haben die (absehbaren) Kosten eines Krieges im Vergleich zu seinen Vorteilen auch in fast allen Kriegen des 20. Jahrhunderts schon ueberwogen und es hat in diesen Faellen die Parteien letztlich nicht abgeschreckt.
Irgendwo hier habe ich vor einiger Zeit auch schon einen Auszug aus einem Buch gebracht, dessen Autor darauf hinwies, dass 1907 (? - auf jeden Fall Anfang des 20. Jhs.) ein Bestseller eines englischen Autors erschien, der exakt so argumentierte: die wirtschaftlichen Verflechtungen zwischen den Völkern Europas seien so eng, dass ein Krieg auf absehbare Zeit unvorstellbar sei. Leider finde ich spontan das Zitat nicht mehr. Mit solchen überzeugten Aussagen wäre ich daher auch vorsichtig.
Allerdings gibt es einen fundamentalen Unterschied zwischen 2012 und 1907: neben der engen wirtschaftlichen Verflechtung gab es überall in Europa Eliten, die Kriege als selbstverständliches Mittel der Politik ansahen - und massive ungelöste Probleme, sei es das Elsass oder die Balkanfrage. Beides gibt es heutzutage glücklicherweise in Westeuropa nicht in ernstzunehmendem Umfang.
-- Defender la civilización consiste, ante todo, en protegerla del entusiasmo del hombre. - Nicolás Gómez Dávila, Escolios a un Texto Implícito
Zitat von FlorianErstens wird es auch ohne EU immer noch sehr ausgereifte Verbindungen zwischen den Nationen geben. Jeder mögliche Vorteil durch einen sieggreich beendeten Krieg ist verschwindend gering im Vergleich zu den Nachteilen, die sich in der heutigen hoch entwickelten Weltwirtschaft für alle Nationen aus einer Unterbrechung dieser Verbindungen ergeben.
Ich habe mal gehoert, dass die wirtschaftliche Verflechtung vor dem ersten Weltkrieg auch unglaublich hoch gewesen sein soll, ohne dass ich das jetzt ueberprueft haette.
Das war jedenfalls die Hoffnung von Norman Angell in The Great Illusion:
Zitat __________ 1910: Kein Krieg mehr - "Ein Krieg ist in Zukunft unmöglich, weil, daß bei der herrschenden finanziellen und wirtschaftlichen Verflechtung der Nationen der Sieger nicht weniger als der Besiegte leiden wird; Krieg ist daher unrentabel geworden, und keine Nation wird so töricht sein, einen zu beginnen." (Norman Angell: Die große Illusion. Rasch in elf Sprachen übersetzt, wurde diese Studie ein regelrechtes Kult-Buch - im Jahr 1910!) __________
Das Große Unternehmen vom Sommer 1914 war natürlich auch etwas kürzer und kostengünstiger geplant. Als auf deutscher Seite die Parole ausgegeben wurde: "Ehe die Blätter von den Bäumen fallen, werdet ihr wieder zu Hause sein," war das durchaus ernst gemeint.
darf ich Ihnen dazu die Lektüre des Buches „Die Welt von Gestern - Erinnerungen eines Europäers“ von Stefan Zweig empfehlen? Der Autor beschreibt darin sehr genau die „gute alte Zeit“. Er schildert diese übrigens als eine Ära der Reise-Freizügigkeit der Europäer und einer gemeinsamen Gold-Währung in Europa. Freizügigkeit? Gemeinsame Währung? Wofür genau müssen wir der EU nochmal dankbar sein???
Zitat von FlorianErstens wird es auch ohne EU immer noch sehr ausgereifte Verbindungen zwischen den Nationen geben. Jeder mögliche Vorteil durch einen sieggreich beendeten Krieg ist verschwindend gering im Vergleich zu den Nachteilen, die sich in der heutigen hoch entwickelten Weltwirtschaft für alle Nationen aus einer Unterbrechung dieser Verbindungen ergeben.
Ich habe mal gehoert, dass die wirtschaftliche Verflechtung vor dem ersten Weltkrieg auch unglaublich hoch gewesen sein soll, ohne dass ich das jetzt ueberprueft haette.
Das war jedenfalls die Hoffnung von Norman Angell in The Great Illusion:
Zitat __________ 1910: Kein Krieg mehr - "Ein Krieg ist in Zukunft unmöglich, weil, daß bei der herrschenden finanziellen und wirtschaftlichen Verflechtung der Nationen der Sieger nicht weniger als der Besiegte leiden wird; Krieg ist daher unrentabel geworden, und keine Nation wird so töricht sein, einen zu beginnen." (Norman Angell: Die große Illusion. Rasch in elf Sprachen übersetzt, wurde diese Studie ein regelrechtes Kult-Buch - im Jahr 1910!)
Vielen Dank! Genau das meinte ich in meinem vorigen Beitrag. Seinerzeit hatte ich einen Verweis auf Angell in Barbara Tuchmans Guns of August gefunden. Dort wird Angell auch mit den militaristischen Eliten der damaligen Zeit konfrontiert, die heute fehlen.
-- Defender la civilización consiste, ante todo, en protegerla del entusiasmo del hombre. - Nicolás Gómez Dávila, Escolios a un Texto Implícito
Zitat Vielen Dank! Genau das meinte ich in meinem vorigen Beitrag. Seinerzeit hatte ich einen Verweis auf Angell in Barbara Tuchmans Guns of August gefunden. Dort wird Angell auch mit den militaristischen Eliten der damaligen Zeit konfrontiert, die heute fehlen.
Guns of August habe ich auch gelesen. Sehr empfehlenswert. Daher kannte ich auch "The Great Illusion". Als ich meinen obigen Beitrag formulierte, ist mir auch durch den Kopf gegangen, dass es genau das gleiche Argument schon einmal gab und dass es sich (auf den ersten Blick) als fehlerhaft herausstellte.
Agnell meinte Anfang des 20. Jahrhunderts, europäische Kriege wären klar unwirtschaftlich, deshalb würde es sie nicht mehr geben. Ja, es stimmt, die Geschichte hat ihn widerlegt: es kam zum 1. Weltkrieg. Andererseits hatte er aber auch recht: Die Kosten des Weltkriegs überstiegen jeden Nutzen den auch die Siegermächte aus ihrem Sieg zogen um ein vielfaches.
Und heutzutage wäre das Kosten-Nutzen-Verhältnis noch einmal um Zehnerpotenzen ungünstiger: Die internationale Verflechtung ist viel höher (obwohl sie vor dem ersten Weltkrieg auch relativ hoch war - auf jeden Fall höher als in den Zwischenkriegsjahren). Die durch Krieg gefährdete Infrastruktur ist viel wertvoller. Umgekehrt ist ein wirtschaftlicher Nutzen, der sich durch Kriegsbeute ergeben könnte, viel geringer. (Welchen Nutzen würden uns zusätzliche Weizenfelder in Westpreußen schon bringen? Was nutzt in einer modernen Wissensgesellschaft die zwangsweise Angliederung von zusätzlicher Bevölkerung im Elsass? Welchen Nutzen stiften zusätzliche Erzbergwerke in Lothringen, den wir nicht fast genauso günstig durch den Einkauf von Erz auf dem Weltmarkt haben können?
Daher bleibe ich dabei: Eine Abwägung von möglichen Kriegsgewinnen und Kriegskosten wird ganz offensichtlich ergeben, dass sich Krieg in Europa nicht rechnet. Und zwar ganz deutlich nicht. Und das macht ihn extrem unwahrscheinlich.
Anders wäre dies nur aus Sicht eines Volkes, das wenig zu verlieren hat. Also ein sehr niedriges Wohlstandsniveau und kaum Perspektiven hat. Und da wären wir wieder beim arabischen Nordafrika. Wenn es in den nächsten 30 Jahren auf europäischem Boden überhaupt einen nennenswerten Krieg gibt (was ich nicht glaube), dann wird er von der arabischen Welt ausgehen.
Die Bertha von Suttner hat vor hundert Jahren ausgerechnet, dass im Krieg alle verlieren. Die Verlierer sowieso, aber auch die Gewinner. Sie meinte mit diesem Argument könnte sie den aufziehenden großen Krieg verhindern. Offenbar unterlag sie dem Trugschluss, dass Kriege nichts anders sind als ein großangelegter Raubüberfall; ausschließlich Raffgier wäre die Triebkraft. Früher war das ja auch so. Die Kelten und Vandalen haben sich schon was dabei gedacht, als sie Rom geplündert haben. Die Horden des Dschingis-Khan sind bei ihren Raubzügen nicht ärmer geworden. Und der alte Fritz hat sich nicht nur aus sentimentalen Gründen Schlesien unter den Nagel gerissen. Mit der Erfindung des Kapitalismus hat sich dieses Motiv, der schnöde Raub, als Kriegsgrund erledigt. Nach der Eroberung der kolonialen Weltreiche haben die französischen und englischen Buchhalter Soll und Haben in die Tabelle eingetragen und verglichen. Uuups, wir zahlen mehr als wir rausholen. Die Ursache des ersten Weltkriegs war eher das Lieblingsthema von Gunnar Heinsohn, der youth bulge bzw. die Angst davor.
Und heute? Die europäischen Länder werden keinen Krieg anfangen, bei dem auch nur das kleinste Risiko besteht, dass im eigenen Land was kaputt geht. Allenfalls wird man Ackerland erobern, um von der EU Stilllegungsprämien zu kassieren. Youth bulge? Bei einer Geburtenrate von 1,1 gibt es schlicht keine Secondones, keine Zweit-, Dritt- und Viergeborenen. Im Gegenteil, die Eltern werden ihr einziges Kind nicht für den Krieg freigeben. Heute finanzieren die westlichen Staaten keine Eroberungen, sondern Geländeabtretungen. Zig Milliarden werden „genutzt“, um Leute ins Land zu holen, die nicht arbeiten und stattdessen no-go-areas für die autochthone Bevölkerung einrichten. Staatsräson. Wer abweicht wird plattgemacht mit Methoden, für die sich die zeitgenössischen Politiker und Journalisten eine Urheberrechtsklage von, lebte er noch, Julius Streicher einfangen würden.
Auch die Araber werden keinen Krieg gegen Europa führen. Warum sollten sie? Der arabische youth bulge (vorwiegend der jemenitische) kommt einfach und nimmt sich was er braucht.
@zettel: “...Wer diese differenzierte Meinung vertritt, der muß im heutigen Deutschland gewärtig sein, in die rechtsextreme Ecke gestellt zu werden...”
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