Mein Ärger über Wallraff und die Wertschätzung, die er zu Unrecht genießt ist ein Dauerbrenner in ZR. Aber nicht weniger monoton ist ja das, worauf ich reagiere - Wallraffs Art, sich mit Hilfe von Lügnerei in einem Umfeld zu bewegen, aus dem er dann irgendwelche agitatorisch aufbereiteten Dinge "berichtet".
Offenbar sehen viele Menschen sozusagen einen Doppel-Wallraff: Den notorischen Lügner, wenn er "auftritt", und einen, der sich seltsamerweise in einen Freund der lauteren Wahrheit verwandelt, wenn er sich hinsetzt und das aufschreibt oder einen Film schneiden läßt.
Vielleicht herrschen bei den Paketdiensten wirklich schlechte Arbeitsbedingungen. Um das zu wissen, brauchte man seriöse journalistische Recherchen und nicht eine Agitation, deren Absicht der Kampf gegen Privatisierung und Deregulierung ist.
D'accord, lieber Zettel, der Analyse der Motive von Herrn Wallraff ist nichts hinzuzufügen. Und auch sprachlich kann er sich von Egon Erwin Kisch noch ein paar Scheiben abschneiden, da sind sogar Kischs Reportagen aus der Sowjetunion der 30er Jahre noch ein künstlerischer Hochgenuss. Soweit ich weiss, hat Wallraff auch immer Ghostwriter beschäftigt.
Eine kleine Ausnahme möchte ich gelten lassen: Das Buch "Das Reich zerfiel, die Reichen blieben", eine Art Doppelreportage von Wallraff zusammen mit Bernt Engelmann. Amüsant zu lesen, wenn man die agitatorische Absicht ausblendet. Jedenfalls sehr interessant, wie der Gegensatz zwischen den Trägern großer Namen (Interviews und Hausbesuche von Bernt Engelmann bei den Oetkers, Guttenbergs etc.) und den "realen" Arbeitsbedingungen in deren Unternehmen (Wallraffs Part) aussieht. Wenn man mal da den ideologischen Überbau weglässt, gibt das sehr interessante Kontraste. Hat mich jedenfalls als Jugendlichen fasziniert, und auch heute lese ich das noch gerne, weil es einfach gut geschrieben ist.
Und ja, Engelmann war Stasi, Wallraff möglicherweise auch. Das muss man eben bei der Lektüre im Hinterkopf haben.
Mir ist Wallraff auch unsympathisch. Und zwar so sehr, dass es mir schwer fällt bei ihm gerechtfertigte Kritik von seinem Geschwätz zu trennen. Die Reportage gestern habe ich gesehen und bei einigen Sachen habe ich mich wieder über Wallraff geärgert. Wie er immer wieder darauf hinwies, wie früh die Leute mit der Arbeit beginnen mussten (Oh mein Gott schon vor 5 Uhr), wie sie keine Pause machen durften (Quatsch, sie wollten es nicht, weil sie sonst später fertig würden) oder wie schlimm die Strafen doch sind (da wird doch das Werfen von Kundenpaketen glatt mit Geldbuße bestraft). Auch gestört hat mich die Einseitigkeit des Betrages. Wenn Erwachsene Leute Verträge unterzeichnen und sich 20 Fahrzeuge kaufen ohne die Verträge dabei mal durchzulesen, dann könnte ein ernsthafter Journalist mal auf den Gedanken kommen, dass hier zumindest eine gewisse Mitschuld vorliegt.
Das ändert aber nichts daran, dass in der Branche mit Methoden gearbeitet wird, die letztendlich nichts weiter als Betrug sind. Es werden bewusst Verträge mit Subunternehmern abgeschlossen, die bestenfalls sittenwidrig uns schlimmstenfalls betrügerisch sind. Willkürliche Kürzungen werden vorgenommen - im Wissen, dass die armen Hunde kein Geld mehr für Anwälte haben. Selbst unter guten Umständen bleiben da wirklich nur ein paar Kröten übrig. Und dazu muss der Subunternehmer meist auch noch Sozialbetrug begehen.
Das Thema gibt schon berechtigte Empörung her. Wallraff zielt, wie immer, über das Ziel hinaus.
Warum regen mich die angeblichen Skandalzitate so garnicht auf?
Hat Wallraff seine Fans (und Gegner) unter seinen Zeitgenossen (den Alt-68ern) hat? Die kaufen und lesen was immer er publiziert. Naja, wie Grass jemand, der die Wende 1990, das Internet und überhaupt so viele Dinge einfach nicht mitgegangen ist.
Zitat von TehutDas ändert aber nichts daran, dass in der Branche mit Methoden gearbeitet wird, die letztendlich nichts weiter als Betrug sind. Es werden bewusst Verträge mit Subunternehmern abgeschlossen, die bestenfalls sittenwidrig uns schlimmstenfalls betrügerisch sind. Willkürliche Kürzungen werden vorgenommen - im Wissen, dass die armen Hunde kein Geld mehr für Anwälte haben. Selbst unter guten Umständen bleiben da wirklich nur ein paar Kröten übrig. Und dazu muss der Subunternehmer meist auch noch Sozialbetrug begehen.
Wenn das so ist, dann ist es schlimm und muß in Ordnung gebracht werden. Würden Sie, lieber Tehut, bitte sagen, woher Sie diese Informationen haben? Vielleicht schreibe ich dann etwas darüber.
Zitat von ZettelWenn das so ist, dann ist es schlimm und muß in Ordnung gebracht werden. Würden Sie, lieber Tehut, bitte sagen, woher Sie diese Informationen haben? Vielleicht schreibe ich dann etwas darüber.
In der entfernteren Bekanntschaft habe ich auch schon von den Dingen gehört, die Tehut andeutete. Aber ich stand den Leuten nicht so nahe, dass sie mir konkrete Zahlen genannt hätten. Verweise auf ARD-Sendungen über einen öfter kritisierten Paketdienst gibt es hier: http://de.wikipedia.org/wiki/Hermes_Europe#Kritik
Beobachtungen mit anekdotischer Evidenz in ungeordneter Reihenfolge:
(1): In der Adventszeit sieht man oft Paketdienst-Zusteller, die wohl nahe an ihrer Leistungsgrenze sind. Sehr kritisch sieht es aus, wenn ein Mann und eine Frau im Alter 60+ (augenscheinlich selbständig, beide total fertig) gemeinsam Pakete ausfahren.
(2): Einen besseren Ruf als andere Dienste hat DHL. Kam nach unseren Beobachtungen immer mit fachlich überzeugendem und fittem Personal.
(3): Ich habe mich neulich mit einem Taxifahrer unterhalten, der von einem Paketdienst zurück ins Taxi gewechselt ist. Er sagte: Es gibt Paketdienste mit ergonomisch gebauten Fahrzeugen. Aber nicht alle Paketdienste arbeiten mit solchen.
Zitat von stefanolix(1): In der Adventszeit sieht man oft Paketdienst-Zusteller, die wohl nahe an ihrer Leistungsgrenze sind. Sehr kritisch sieht es aus, wenn ein Mann und eine Frau im Alter 60+ (augenscheinlich selbständig, beide total fertig) gemeinsam Pakete ausfahren.
Wie sieht diese Leistungsgrenze für einen Zusteller aus? Und wie sieht ein total fertiger Zusteller aus? Geht er auf den Knien, fährt er schneller als erlaubt?
Nun, ich bin 68+ und arbeite immer noch. Mein Firmeninhaber und Chef meint, ich solle mich nicht so anstellen und weiterarbeiten. Der Firmeninhaber und Chef bin ich, das Unternehmen gehört mir.
Zitat von vivendiWie sieht diese Leistungsgrenze für einen Zusteller aus? Und wie sieht ein total fertiger Zusteller aus? Geht er auf den Knien, fährt er schneller als erlaubt?
Und vor allem: Wer zwingt die Menschen bei Hermes & Co. zu arbeiten? Wer zwingt Unternehmen als Sub für derart ausbeuterische Kapitalisten anzuheuern. Und wie schafft es der Staatskonzern Deutsche Post nur, trotz Kampfpreisen, seinen Mitarbeitern soviel mehr an Komfort und Lohn zu bieten? Fragen über Fragen...
Zitat von Zettel Vielleicht herrschen bei den Paketdiensten wirklich schlechte Arbeitsbedingungen. Um das zu wissen, brauchte man seriöse journalistische Recherchen und nicht eine Agitation, deren Absicht der Kampf gegen Privatisierung und Deregulierung ist.
Mich wundert ja nix mehr, aber Wallraff bei RTL ist schon witzig. Hoffentlich hat er genug Bertelsmannbücher durch die Gegend gewuchtet. Von all dem abgesehen, kapiere ich die Vielfalt im Paketdienstwesen sowieso nicht ganz. Die recht übersichtliche Straße, in der ich meine bescheidene Behausung habe wird täglich von 5-7 verschiedenen Paketdiensten angesteuert, wenn das mal keine Resourcenverschwendung ist. Ich habe mir aber schon gedacht, dass bei GLS und Hermes die bedauernswertesten Fahrer sein müssen, da sie auch schon mal nach 18 Uhr aufkreuzen. Um die Uhrzeit haben ihre Kollegen von DPD, DHL, UPS, TNT und Fedex schon lange Feierabend.
Zitat von vivendiWie sieht diese Leistungsgrenze für einen Zusteller aus? Und wie sieht ein total fertiger Zusteller aus? Geht er auf den Knien, fährt er schneller als erlaubt?
Nun, ich bin 68+ und arbeite immer noch. Mein Firmeninhaber und Chef meint, ich solle mich nicht so anstellen und weiterarbeiten. Der Firmeninhaber und Chef bin ich, das Unternehmen gehört mir.
Ich vermute und hoffe, dass Sie in einer anderen Branche arbeiten und dass Sie nicht mehr als zehn Stunden am Tag Pakete schleppen müssen.
Ich selbst hoffe, dass ich mit 68 meine freiberufliche Tätigkeit noch in dem Maße fortführen kann, wie ich es dann selbst bestimme.
Ich bin ganz sicher ein überzeugter Anhänger der Marktwirtschaft, aber gleichzeitig möchte ich mir noch eine gewisse Empathie bewahren. Wenn ich Menschen im besagten Alter von 60+ sehe, die eine mittelschwerere Sendung kaum noch vom Tor bis zum Eingang tragen können, denen die Hände beim Bedienen des Quittiergerätes zittern und die als älteres Paar zu zweit auf Tour gehen, dann stimmt irgend etwas mit dem Geschäftsmodell nicht.
Zitat von stefanolix Wenn ich Menschen im besagten Alter von 60+ sehe, die eine mittelschwerere Sendung kaum noch vom Tor bis zum Eingang tragen können, denen die Hände beim Bedienen des Quittiergerätes zittern und die als älteres Paar zu zweit auf Tour gehen, dann stimmt irgend etwas mit dem Geschäftsmodell nicht.
Wäre es, lieber Stefanolix, denn anders, wenn die Betreffenden auf dem Bau arbeiten würden? Oder, sagen wir, als Fluglotsen?
Soweit ich das beurteilen kann, ist das Problem, ob jemand die Arbeit noch leisten kann, die erwartet wird und die Jüngere ja auch leisten können. Ich sehe, ehrlich gesagt, keinen Zusammenhang mit dem Geschäftsmodell. Es ist ein Problem des Alterns und der abnehmenden Leistungsfähigkeit.
Wenn Wallraffs Arbeitgeber etwas vorzuwerfen ist, dann ist es, daß er einen fast Siebzigjährigen für diesen Job eingestellt hat. Aber hat Wallraff denn überhaupt sein Alter wahrheitsgemäß angegeben? In dem Artikel steht davon nichts.
Wallraff hätte ebenso von Lehrern über 60 berichten können, die mit ihrer Klasse nicht mehr fertig werden und deren Hände beim Eintragen in das Klassenbuch zittern.
Aber wo wäre da der Feind gewesen? Der Feind ist das private Unternehmertum. Das Ziel ist es, die "Privatisierung und Deregulierung" rückgängig zu machen; also dem "Neoliberalismus" in Deutschland den Garaus zu machen. Es geht eben nicht um Berichterstattung, sondern um Agitation.
Zitat von VogelfreiUnd wie schafft es der Staatskonzern Deutsche Post nur, trotz Kampfpreisen, seinen Mitarbeitern soviel mehr an Komfort und Lohn zu bieten? Fragen über Fragen...
Mischkalkulation und Briefmonopol? Vielleicht noch einige Beamte aus alten Zeiten an Bord, für die die Post keine Arbeitgeberbeiträge zur Sozialversicherung zahlen muss?
-- Defender la civilización consiste, ante todo, en protegerla del entusiasmo del hombre. - Nicolás Gómez Dávila, Escolios a un Texto Implícito
Zitat von stefanolixIch vermute und hoffe, dass Sie in einer anderen Branche arbeiten und dass Sie nicht mehr als zehn Stunden am Tag Pakete schleppen müssen. Ich selbst hoffe, dass ich mit 68 meine freiberufliche Tätigkeit noch in dem Maße fortführen kann, wie ich es dann selbst bestimme.
Selbstbestimmung, richtig. Inwiefern ist Zustellern die Selbstbestimmung verweigert?
Zitat Wenn Wallraffs Arbeitgeber etwas vorzuwerfen ist, dann ist es, daß er einen fast Siebzigjährigen für diesen Job eingestellt hat. Aber hat Wallraff denn überhaupt sein Alter wahrheitsgemäß angegeben? In dem Artikel steht davon nichts.
das scheint mir in der Tat ein Kernpunkt zu sein.
Wikipedia weiß von früheren Aktionen: (..)nahm Wallraff mithilfe eines Maskenbildners die Identität eines 16 Jahre jüngeren Mannes an.(..)
Nun wird bei einem Siebzigjährigen auch der fähigste Maskenbildner an seine Grenzen stoßen; ein wenig zynisch betrachtet, liefern diese "Reportagen" eines rüstigen Rentners doch inzwischen die besten Argumente gegen die Forderungen nach früherem Ruhestand für körperlich hart belastende Berufe und die immer wieder behauptete Chancenlosigkeit der 'Generation 50+' auf dem Arbeitsmarkt..
@vivendi: “...Nun, ich bin 68+ und arbeite immer noch. Mein Firmeninhaber und Chef meint, ich solle mich nicht so anstellen und weiterarbeiten. Der Firmeninhaber und Chef bin ich, das Unternehmen gehört mir...”
@vogelfrei: “...Und vor allem: Wer zwingt die Menschen bei Hermes & Co. zu arbeiten?...”
@zettel: “...Soweit ich das beurteilen kann, ist das Problem, ob jemand die Arbeit noch leisten kann, die erwartet wird und die Jüngere ja auch leisten können. Ich sehe, ehrlich gesagt, keinen Zusammenhang mit dem Geschäftsmodell...”
Unbarmherzige Logik. - Das Geschäftsmodell vieler Zustelldienste besteht doch gerade darin, den gekündigten älteren Arbeitnehmer (idealerweise auch noch in einer persönlichen Notlage) als Mitarbeiter bzw. Subunternehmer zu gewinnen. Es sind besonders die Tüchtigen, welche auf keinen Fall “dem Staat auf der Tasche liegen wollen”, die in diesen Diensten sinnlos “verbraten” werden. Ein persönliches Gespräch mit einem Mitarbeiter von Hermes könnte hier sicherlich Aufklärung bringen. Dies ist allerdings nur möglich, wenn man den Kontakt zu den sog. “einfachen Menschen” nicht völlig verloren hat...
Gibt es den “mitfühlenden Konservativen” eigentlich nur noch in der Theorie?
PS: Wallraff ist mir zutiefst unsympathisch, man darf sein Wirken aber nicht nur negativ (*) sehen.
(*) - “...Inzwischen hat sich der Schriftsteller Günter Wallraff Najafis angenommen. Er hatte 1989 den Schriftsteller Salman Rushdie bei sich aufgenommen, als dieser wegen seines Buches «Die satanischen Verse» in einer Fatwa mit dem Tod bedroht wurde. Najafi sei nicht so berühmt wie Rushdie, sagte Wallraff in einem Interview der «Zeit». «Ich wünsche mir jetzt, dass wir eine breite Solidarität mit Shahin organisieren können», sagte Wallraff. «Ich rufe die Künstler und Musiker dieses Landes auf, ihm zu helfen.» Najafi sei die Hoffnung des anderen, des jungen Irans. Er könne in Zukunft noch eine große Rolle spielen...” http://www.welt.de/newsticker/dpa_nt/inf...hen-Rapper.html
Zitat von uniquololUnbarmherzige Logik. - Das Geschäftsmodell vieler Zustelldienste besteht doch gerade darin, den gekündigten älteren Arbeitnehmer (idealerweise auch noch in einer persönlichen Notlage) als Mitarbeiter bzw. Subunternehmer zu gewinnen. Es sind besonders die Tüchtigen, welche auf keinen Fall “dem Staat auf der Tasche liegen wollen”, die in diesen Diensten sinnlos “verbraten” werden. Ein persönliches Gespräch mit einem Mitarbeiter von Hermes könnte hier sicherlich Aufklärung bringen. Dies ist allerdings nur möglich, wenn man den Kontakt zu den sog. “einfachen Menschen” nicht völlig verloren hat...
Unbarmherzig? Wenn jemand lieber selber arbeitet, als Almosen zu kassieren? Wenn er bereit ist, dafür auch Nachteile in Kauf zu nehmen? Gott sei Dank ist dies, zumindest in Teilen, noch möglich bei uns...
Kein Kapitalist dieser Welt hat die Macht jemanden auszubeuten oder zu einer Arbeit zu zwingen, die er nicht verrichten mag. Wer unter Arbeitsbedingungen arbeitet, die ein nichtabgehobener uniquolol für inakzeptabel erachtet, der tut dies aus freien Stücken und ganz bewußt! Aber wahrscheinlich wissen diese Menschen einfach nur nicht, daß sie janz fies ausjenommen werden und man sollte sie besser zu ihrem Glück zwingen... ;)
Zitat von uniquololUnbarmherzige Logik. - Das Geschäftsmodell vieler Zustelldienste besteht doch gerade darin, den gekündigten älteren Arbeitnehmer (idealerweise auch noch in einer persönlichen Notlage) als Mitarbeiter bzw. Subunternehmer zu gewinnen. Es sind besonders die Tüchtigen, welche auf keinen Fall “dem Staat auf der Tasche liegen wollen”, die in diesen Diensten sinnlos “verbraten” werden. Ein persönliches Gespräch mit einem Mitarbeiter von Hermes könnte hier sicherlich Aufklärung bringen. Dies ist allerdings nur möglich, wenn man den Kontakt zu den sog. “einfachen Menschen” nicht völlig verloren hat...
Gibt es den “mitfühlenden Konservativen” eigentlich nur noch in der Theorie?
Ganz abgesehen davon, dass wir weder wissen, wie 'schrecklich' die Arbeit denn wirklich war noch unter welchen Umständen und Vorwänden Wallraff diesen Job bekommen hat (den er sicher UNBEDINGT haben wollte) ... wer wiederholt lügt, um sein Ziel zu erreichen, dem sollte man unter keinen Umständen trauen.
In der Regel sucht man sich einen Job aus, dem man geistig und körperlich gewachsen ist. Ich werde mich doch nicht als Schornsteinfeger anstellen lassen, wenn ich unter Schwindelgefühlen leide, oder als Bauarbeiter, wenn ich Rückenprobleme habe. Selbst wenn ich dem Staat nicht auf der Tasche liegen will.
Von einem Zusteller erwartet man, dass er neben Dokumentmappen und Briefen auch Pakete vom Platz vor dem Haus bis zur Haustür trägt. Für schwerere Lasten steht sicher ein Sackkarren zur Verfügung.
Zitat von uniquolol@zettel: “...Soweit ich das beurteilen kann, ist das Problem, ob jemand die Arbeit noch leisten kann, die erwartet wird und die Jüngere ja auch leisten können. Ich sehe, ehrlich gesagt, keinen Zusammenhang mit dem Geschäftsmodell...”
Unbarmherzige Logik. - Das Geschäftsmodell vieler Zustelldienste besteht doch gerade darin, den gekündigten älteren Arbeitnehmer (idealerweise auch noch in einer persönlichen Notlage) als Mitarbeiter bzw. Subunternehmer zu gewinnen. Es sind besonders die Tüchtigen, welche auf keinen Fall “dem Staat auf der Tasche liegen wollen”, die in diesen Diensten sinnlos “verbraten” werden. Ein persönliches Gespräch mit einem Mitarbeiter von Hermes könnte hier sicherlich Aufklärung bringen. Dies ist allerdings nur möglich, wenn man den Kontakt zu den sog. “einfachen Menschen” nicht völlig verloren hat...
Das würde wenig helfen, lieber uniquolol. Es geht doch nicht um Einzelfälle, sondern um die Verhältnisse in einer Branche.
Vielleicht sind ja die Verhältnisse so, wie Wallraff sie schildert. Dann muß dagegen vorgegangen werden, indem zum Beispiel Ruhezeiten strenger kontrolliert werden usw.
Nur kann man das doch nicht dem entnehmen, was ein Wallraff schildert. Er hat vor ein paar Jahren, als "Neger" verkleidet, angebliche Erfahrungen gemacht, die das Bild eines rassistischen Deutschlands illustrieren sollten. Absurd. Ist ihm denn diesmal mehr zu trauen?
Ich habe in diesem Thread schon jemanden gefragt, ob er zu diesem Thema seriöse Informationen hat. Haben Sie sie? Sie würden mich sehr interessieren.
Ich sehe bei Wallraff nur Meinungsmache mit dem offenkundigen und ja auch gar nicht verschwiegenen Ziel, gegen die Privatisierung dieser Branche zu agitieren.
ein paar klitzekleine einblicke kann ich geben, da die mutter meines auskunftsfreudigen praktikanten für hermes fährt.
das erwirtschaftete geld langt i.d.R. hinten und vorne nicht, sie muß aufstocken. allerdings hängt der zu erwartende gewinn stark von der zugewiesenen route ab.
ihre arbeitszeiten finde ich, als selbstständiger, nicht sonderlich ungewöhnlich. sicherlich ist das kein normaler 8 stunden tag, aber früh um 5 fängt sie nicht an und vor 18 uhr sollte auch meist feierabend sein.
da der koreanische kleinwagen zum bewältigen der arbeit nicht mehr ausreicht, wurde von der chefetage ein kleintransporter angeschafft der abgeatbeitet wird um später in ihren besitz überzugehen. finde ich fair.
momentanes problem ist, daß sie jemanden einstellen soll um nicht mehr als scheinselbstständig zu gelten. das wird mit 100prozentiger wahrscheinlichkeit schief gehen, ist aber eine folge staatlicher überregulierung.
Zitat von uniquolol...Gibt es den “mitfühlenden Konservativen” eigentlich nur noch in der Theorie?
Den mitfühlenden Konservativen schon, den mitfühlenden Liberalen halt nur selten, sobald ein "Feind der Freiheit" ausgemacht ist.
Also regen wir uns nicht so auf. Die Welt ist schön und jeder an seinem Los selbst schuld. Sollen sie doch Kuchen essen!
Zitat PS: Wallraff ist mir zutiefst unsympathisch, man darf sein Wirken aber nicht nur negativ (*) sehen.
Mir auch. Und es sind zwei paar Schuhe, ob sich Wallraff mithilfe von Lügen irgendwo einschleicht (was aber meistens nicht Hochstapelei ist) und ob seine Reportagen einseitig bzw. gelogen sind. Beides kann man kritisieren, aber das eine führt nicht zum anderen.
"Nimm das Recht weg – was ist dann ein Staat noch anderes als eine große Räuberbande!" Und nimm den Staat weg, dann bleiben unorganisierte Räuber zurück!
Zitat von lois janeDen mitfühlenden Konservativen schon, den mitfühlenden Liberalen halt nur selten, sobald ein "Feind der Freiheit" ausgemacht ist.
Also regen wir uns nicht so auf. Die Welt ist schön und jeder an seinem Los selbst schuld. Sollen sie doch Kuchen essen!
Wie nett, wir packen den Sarkasmus aus. Vielleicht sind Sie dann ja auch so nett, werte lois jane, und bringen uns ein Beispiel, da jemand in der heutigen Zeit in Deutschland zum Arbeiten gezwungen wird. Eins reicht vollkommen aus - es muß noch nichteinmal das Transport-Gewerbe sein.
Zitat von lois janeUnd es sind zwei paar Schuhe, ob sich Wallraff mithilfe von Lügen irgendwo einschleicht (was aber meistens nicht Hochstapelei ist) und ob seine Reportagen einseitig bzw. gelogen sind. Beides kann man kritisieren, aber das eine führt nicht zum anderen.
Warum soll jemand, der keine Skrupel hat, über Wochen, manchmal Monate die Menschen zu belügen, mit denen er Umgang hat, auf einmal solche Skrupel haben, wenn es um die Öffentlichkeit geht?
Wallraff hat eine antikapitalistische Botschaft. Diese illustriert er mit seinen Artikeln und Filmen. Was spricht dafür, daß er sich dabei um die Wahrheit bemüht und nicht um Agitation?
Die Fälle, die er in dem Artikel schildert, wird es geben; da sichert sich Wallraff schon ab. Aber wie repräsentativ sind sie? Nehmen Sie ein paar Details:
Wie Wallraff es schildert, sind die Pakete grundsätzlich "schwer". Das meiste, was wir bei Amazon usw. bestellen, kommt in leichten Paketen. So ist es auch bei denen, die wir für unsere Nachbarn entgegennehmen.
Bei Wallraff "rennen" die Boten mit ihrem Paket vom Auto und zurück. Ich habe noch keinen rennen sehen. Es sind überwiegend freundliche, gar nicht gestreßt wirkende Leute, die ihr Paket abliefern, ihr Trinkgeld entgegennehmen und ganz normal zu ihrem Auto zurückgehen.
Oder: Wieviele haben einen Arbeitstag von 12 bis 16 Stunden, wie Wallraff ihn schildert?
Er erzählt von "Sekundentod", von tödlichen Unfällen übermüdeter Fahrer. Hat er eine Statistik? Sind sie in dieser Branche häufiger als in anderen, in denen die Mitarbeiter mit dem Auto unterwegs sind?
Und so fort. Ich habe den Artikel gründlich gelesen und könnte hinter fast jede Behauptung ein solches Fragezeichen setzten; bis zu den ungeklärten Umständen, unter denen Wallraff "recherchiert" hat (wie hat er sich eingeschlichen, mit welchen Papieren? Welches Alter hat er dabei angegeben? Was hat er überhaupt gemacht? - man erfährt etwas von den ersten Tagen, in denen er von einem Andy angelernt wurde; danach keine eigenen Erlebnisse, sondern das, was ihm angeblich zugetragen wurde).
Wie ich schon geschrieben habe, liebe lois jane - wenn es Mißstände gibt, dann müssen sie behoben werden; indem die Einhaltung von Gesetzen durchgesetzt wird, vielleicht müssen auch Vorschriften geändert werden.
Wenn. Aber ich kann nicht nachvollziehen, wieso Sie anscheinend glauben, daß die Zustände so sind, wie Wallraff es uns glauben machen will, nur weil Wallraff es uns glauben machen will.
Zitat von ZettelEs sind überwiegend freundliche, gar nicht gestreßt wirkende Leute, die ihr Paket abliefern, ihr Trinkgeld entgegennehmen und ganz normal zu ihrem Auto zurückgehen.
Trinkgeld? Für den Paketboten? Doch nur, wenn der 'ne Pizza bringt ... oder habe ich die Post- und Paketboten unwissentlich jahrelang mies behandelt?
---------------------------------------------------- Calimeros Rumpelkammer - Ein Raum für freie Rede und Gedanken, mittendrin im Irrenhaus.
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