Eigentlich nur eine kleine Sprachhunzerei - aber doch auch Zeichen dafür, wie das krampfhafte Bemühen um "Political Correctness" die Medienlandschaft durchzieht.
Ich habe gestern am Rande eine Antwort von Oliver Bierhoff mitbekommen. Er wurde IIRC bei der Pressekonferenz des DFB befragt. Er sagte sinngemäß, ihm sei es nicht wichtig, wie man die Stadt benenne. Es käme ihm auf den Kontext an und es sei wichtig, dass man gegenüber den Gastgebern Respekt habe.
Bei der Bahn kann man übrigens zwar nach »Breslau« suchen, bekommt aber dann als Ergebnis die Verbindung von Dresden nach »Wroclaw Glowny« angezeigt (»glowny« ist der Hauptbahnhof). Da wäre mir übrigens auch die Bezeichnung relativ gleichgültig, wenn nur endlich die Strecke richtig ausgebaut würde …
Ich möchte noch willkürlich einige andere Kandidaten anfügen:
- das zukünftige Liège / Luik, noch Lüttich, - das zukünftige Bruxelles / Brussel, noch Brüssel, - das zukünftige al-Qāhira, noch Kairo, - das zukünftige București, noch Bukarest.
Tischler
(
gelöscht
)
Beiträge:
06.06.2012 12:25
#4 RE: Die Angst des Journalisten vor der Autobahn
Es ist allerdings, genau wie Sie es beschreiben, werter R.A., unsäglich. Dieser ständig erwartete Wortschatzabgleich mit dem der Deutschen von 1933-1945.
Ob nun Kamingespräch, Autobahn oder Städte. Vielleicht hilft ja nur das ersatzlose Streichen der deutschen Sprache. Wahlweise gingen ja noch die Kürzel aus Chatrooms.
Ich vermute, daß auch unser geschätzte Gastgeber, bei Ihrer Vokabel `Blockwart´, leicht die Stirn gerunzelt hat.
Zitat von stefanolixBei der Bahn kann man übrigens zwar nach »Breslau« suchen, bekommt aber dann als Ergebnis die Verbindung von Dresden nach »Wroclaw Glowny« angezeigt (»glowny« ist der Hauptbahnhof).
Das liegt aber wahrscheinlich daran, dass grenzüberschreitende Bahnauskünfte offenbar auch im Ausland jeweils in der Landessprache angezeigt werden. Ich habe gerade bei sncf.fr nach einer Verbindung von Paris nach Cologne gesucht und bekomme "Köln Hbf". Auch eine Fahrt nach Varsovie endet in Warszawa Zachodnia. Das liegt also wohl eher nicht an Autobahn.
Nachtrag: wenn ich bei sbb.ch auf Französisch von Lausanne nach Berne fahren will, dann komme ich auch in Bern an. Und die Schweizer sind der Autobahn nun wirklich unverdächtig.
-- Defender la civilización consiste, ante todo, en protegerla del entusiasmo del hombre. - Nicolás Gómez Dávila, Escolios a un Texto Implícito
Vielleicht sollte man darauf bestehen, auf daß die GEZ-Gelder sinnvoll umgesetzt werden, im Gegenzug beständig "Chemnitz, das frühe Karl-Marx-Stadt" zu verwenden. "Neu-Amsterdam" macht sich auch nicht übel. Oder "Sankt Petersburg-das frühere-Leningrad-und-noch-frühere-Petrograd-und-ehemals-gewesene Sankt. Petersburg", genannt "Piter". Gez. Frau Holle, gesch. Drosselbart, ex Fundevogel, ehem. Griselis, weiland Meerkönigs Tochter.
Zitat von Ulrich Elkmann"Chemnitz, das frühe Karl-Marx-Stadt"
Echte Umbenennungen (innerhalb einer Sprache) sind ja nun eine andere Sache. Alle übrigen diskutierten Beispiele sind ja eben keine Umbenennungen, sondern da werden die Bezeichnungen parallel gebraucht.
Wobei es mich ja weniger stört, wenn jemand den deutschen Namen einer ihm ansonsten vorher nicht bekannten Stadt schlicht nicht weiß und den jetzt landesüblichen verwendet. Man kann ruhig "Zagreb" sagen, wenn einem "Agram" nicht mehr geläufig ist.
Aber die Journalisten wissen ja, wie der deutsche Begriff heißt. Und vermeiden ihn bewußt.
Und suggerieren mit dem "früher Lemberg" auch noch völlig falsche historische Hintergründe. Lemberg war nie eine deutsche Stadt wie z. B. Breslau, sondern hatte immer nur eine deutsche Bevölkerungsgruppe unter mehreren.
Lemberg hat doch zu Österreich gehört, Galizien, Bukowina, oder? Also doch irgendwie deutsch, zumindestens waren sie mal Teil des Heiligen Römischen Reiches deutscher Nation.
Was sagt man eigentlich bei polnisch-deutschen Grenzstädten? Zgorzelec, das frühere Görlitz? Aber es gibt ja heute noch Görlitz! Verwirrend. Oder Gubin, das frühere Wilhelm-Pieck-Stadt-Guben? Ach nein, da habe ich was verwechselt. Flensburg, das frühere Flensborg (dänische Minderheit! Bei denen heisst das heute noch so!).
Zitat von KrischanLemberg hat doch zu Österreich gehört, Galizien, Bukowina, oder?[\quote] Öhöm. Sagen wir mal "Galizien, Buchenland".
Zitat Also doch irgendwie deutsch, zumindestens waren sie mal Teil des Heiligen Römischen Reiches deutscher Nation.
Nein. Galizien war nie deutsch, gehörte nie zum HRR oder später dem deutschen Bund. Die Habsburger benutzten Deutsch als allgemeine Verwaltungssprache, daneben aber auch polnisch und ruthenisch/ukrainisch. Aber deswegen war Galizien genau so wenig deutsch wie Ungarn römisch war in den Zeiten, als dort Latein Verwaltungssprache war.
Zitat Lemberg hat doch zu Österreich gehört, Galizien, Bukowina, oder? Also doch irgendwie deutsch, zumindestens waren sie mal Teil des Heiligen Römischen Reiches deutscher Nation.
Aber sicher nicht!
Zwischen der weitesten Ausdehnung des Heiligen Römischen Reichs und der Stadt Lemberg liegen fast 400 km Luftlinie.
Die Ostgrenze des Heiligen Römischen Reichs war zwar in den 1000 Jahren seiner Existenz etwas im Fluss. Aber die äußerste südöstliche Ausdehnung dürfte nicht viel weiter östlich gewesen sein als die heutigen slowenischen, österreichischen und tschechischen Staatsgrenzen. Die heutige Slowakei war m.W. immer außerhalb, dito das heutige (und auch das damalige) Ungarn.
Große Teile von Österreich-Ungarn lagen außerhalb des Heiligen Römischen Reichs. Ebenso übrigens auch große Teile von Preußen. (Die Markgrafen von Brandenburg konnten sich nur deshalb in späterer Zeit Könige von Preußen nennen, gerade WEIL Preußen nicht Teil des Reichs war. Denn einen zweiten König hätte es im Heiligen Römischen Reich natürlich nicht geben können).
Die KuK-Monarchie war im übrigen ein Vielvölkerstaat. Nur weil die wichtigste Amtssprache Deutsch war bedeutet dies natürlich nicht, dass Lemberg eine "irgendwie deutsche Stadt" gewesen wäre.
Unabhängig davon ist es aber natürlich in Ordnung, eine ausländische Stadt mit ihrem deutschen Namen zu benennen. Es ist dies ja sogar ein Zeichen der Wertschätzung: Nur Städte und Regionen, mit denen man sich in Deutschland intensiv auseinandersetzt, werden mit einem eigenen deutschen Namen bedacht. Wenn ein deutscher Name fehlt, ist das tendenziell ein Zeichen für empfundene Unwichtigkeit:
"Kalifornien", aber "Arizona" (und eben nicht "Arizonien"). "Rom", "Mailand" und "Neapel", aber "Bologna" und "Brindisi" (und eben nicht "Bolonien" und "Brindland"). Paris wird zumindest deutsch ausgesprochen, Calais und Marseille hingegen französisch.
Genauso handhabt das auch das Ausland. Köln und München haben auf französisch, italienisch und englisch jeweils eigene Namen. Für (sagen wir mal) Gelsenkirchen oder Rostock verwendet man den deutschen Namen.
Zitat von GorgasalDas ist die Transkription, aber das k wird wohl als ch ausgesprochen, weil davor ein Vokal steht
Ich bin am rätseln, in welchem Dialekt das so sein könnte. Im Hocharabischen gibt es diese Regel jedenfalls nicht, nicht nach langen Vokalen und erst recht nicht nach kurzen.
Zitat von FlorianZwischen der weitesten Ausdehnung des Heiligen Römischen Reichs und der Stadt Lemberg liegen fast 400 km Luftlinie.
Gut dargestellt. Es ist bei alten Landkarten immer wieder erstaunlich zu sehen, wie weit das Habsburgergebiet nach Osten reichte.
Zitat Die Markgrafen von Brandenburg konnten sich nur deshalb in späterer Zeit Könige von Preußen nennen, gerade WEIL Preußen nicht Teil des Reichs war. Denn einen zweiten König hätte es im Heiligen Römischen Reich natürlich nicht geben können.
Danke für die Gelegenheit zu etwas Besserwisserei ;-) Es gab im Königreich Deutschland selbstverständlich einen zweiten König - nämlich den von Böhmen. Und im HRR außerdem natürlich noch die Könige von Burgund und Italien.
Richtig ist natürlich, daß der Kaiser dafür gesorgt hat, daß die Königstitel im HRR alle bei ihm blieben. Er gestattete den Brandenburgern auch nur den Titel "König in Preußen", streng genommen durfte er sich also nur im dortigen Gebiet so nennen. Das "von Preußen" ist eigentlich illegal, das haben sie sich später einfach erdreistet.
Zitat "Kalifornien", aber "Arizona" (und eben nicht "Arizonien").
Schönes Beispiel. War mir gar nicht bewußt, daß das Deutsche da unterscheidet.
Zitat "Rom", "Mailand" und "Neapel", aber "Bologna" und "Brindisi" (und eben nicht "Bolonien" und "Brindland").
Was eigentlich überraschend ist, denn Bologna war (als erste Universitätsstadt der Welt!) sehr bedeutend, eine der größten Städte im HRR und für Deutsche sehr wichtig. Viel wichtiger als z. B. Neapel, und "Napoli" ist ja nun für Deutsche auch leicht auszusprechen. Alle möglichen anderen Sprachen haben eigene Bezeichnungen für Bologna, obwohl die Beziehungen bestimmt weniger eng waren als die deutschen: http://de.wiktionary.org/wiki/Verzeichni...C3%A4dtenamen#B
Einer strengen Logik folgt die Existenz von fremdsprachigen Städtenamen also nicht.
Zitat Die Markgrafen von Brandenburg konnten sich nur deshalb in späterer Zeit Könige von Preußen nennen, gerade WEIL Preußen nicht Teil des Reichs war.
Dis ist zutreffend.
Zitat Denn einen zweiten König hätte es im Heiligen Römischen Reich natürlich nicht geben können
Dis ist nur teilweise zutreffend. Im HRR gab es neben dem römischen König (und Kaiser wenn er in Rom gekrönt wurde) noch die Könige von Burgund (bis ins 14. Jahrhundert) und von Böhmen die nicht mit dem Römischen König identisch seien mußten. Allerdings haben sie recht Kurfürst Friedrich konnte sich für seine Reichtterritorien nicht selbst zum König erklären.
Lemberg hat übrigen im Hochmittelater magdeburgisches Stadtrecht erhalten und ist von deutschen Bürgern besiedelt worden, ein in dieser Zeit in Osteuropa und im Baltikum weit verbreiteter Casus. Es dürfte dann, dass für diese Zeit in Osteuropa übliche Nebeneinander verschiedener ethnischern Gruppen vorgeherrscht haben, die oft, in unterschiedlichen Rechtsformen und in verschiedener hierarchischer Beziehung zueinander, unterschiedliche soziale Funktionen wahrnahmen. Dis ist erst im 19. Jahrhundert zum "nationalen" Problem geworden und im Zuge der Weltkriege wurden dann im 20. Jahrhundert die heute relativ ethnisch homogenen Nationalstaaten geschaffen.
Bitte beachten Sie diese Forumsregeln: Beiträge, die persönliche Angriffe gegen andere Poster, Unhöflichkeiten oder vulgäre Ausdrücke enthalten, sind nicht erlaubt; ebensowenig Beiträge mit rassistischem, fremdenfeindlichem oder obszönem Inhalt und Äußerungen gegen den demokratischen Rechtsstaat sowie Beiträge, die gegen gesetzliche Bestimmungen verstoßen. Hierzu gehört auch das Verbot von Vollzitaten, wie es durch die aktuelle Rechtsprechung festgelegt ist. Erlaubt ist lediglich das Zitieren weniger Sätze oder kurzer Absätze aus einem durch Copyright geschützten Dokument; und dies nur dann, wenn diese Zitate in einen argumentativen Kontext eingebunden sind. Bilder und Texte dürfen nur hochgeladen werden, wenn sie copyrightfrei sind oder das Copyright bei dem Mitglied liegt, das sie hochlädt. Bitte geben Sie das bei dem hochgeladenen Bild oder Text an. Links können zu einzelnen Artikeln, Abbildungen oder Beiträgen gesetzt werden, aber nicht zur Homepage von Foren, Zeitschriften usw. Bei einem Verstoß wird der betreffende Beitrag gelöscht oder redigiert. Bei einem massiven oder bei wiederholtem Verstoß endet die Mitgliedschaft. Eigene Beiträge dürfen nachträglich in Bezug auf Tippfehler oder stilistisch überarbeitet, aber nicht in ihrer Substanz verändert oder gelöscht werden. Nachträgliche Zusätze, die über derartige orthographische oder stilistische Korrekturen hinausgehen, müssen durch "Edit", "Nachtrag" o.ä. gekennzeichnet werden. Ferner gehört das Einverständnis mit der hier dargelegten Datenschutzerklärung zu den Forumsregeln.