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ZETTELS KLEINES ZIMMER

Das Forum zu "Zettels Raum"



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Dieses Thema hat 98 Antworten
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 Kommentare/Diskussionen zu "Zettels Raum"
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H_W Offline



Beiträge: 456

01.07.2012 18:19
#26 RE: Legendenbildung Merkel ? Antworten

Zitat von Zettel
Die deutsche Regierung verantwortlich zu machen, ist so, als würde man einen Arzt für die Krankheit verantwortlich machen, der sie zu therapieren versucht.



Das, lieber Zettel, kann ein durchaus passender Vergleich sein.
Wie sehen Sie denn die Verantwortung des Arztes, der zunächst einen Knochenbruch mit heißen Wadenwickeln und eventuell noch Kamillentee behandelt. Und wenn das völlig überraschend nicht funktionieren sollte, einen Vorschlaghammer einsetzen will?

Gruß, H_W

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Woran erkennt man ein linksgrünes Märchen?
Es beginnt mit: Es wird einmal sein.
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R.A. Offline



Beiträge: 8.171

01.07.2012 18:23
#27 RE: Legendenbildung Merkel ? Antworten

Zitat von Juno im Beitrag #9
Selbstverständlich trägt Merkel Verantwortung. Aber "EINZIG UND ALLEINE"???

Natürlich sind alle mitverantwortlich, die in Regierung und Bundesrat die Entschlüsse mitgetragen haben.
Aber die Schuld an der Misere liegt fast komplett bei Merkel.
Denn sie hat ja fast im Alleingang die Verhandlungen geführt, ohne vorherige Abstimmung der Positionen und möglichen Zugeständnisse in Partei oder Koalition. Und ist dann jedes Mal mit einer "alternativlosen" Festlegung zurückgekehrt. Und dann hatten die übrigen Akteure immer nur die Wahl, entweder zähneknirschend mitzumachen, oder aber Regierung platzen zu lassen.

Nachdem Merkel ihre innerparteilichen Konkurrenten erledigt und die FDP nach der Regierungsbildung geschwächt war, hatte die Kanzlerin weitgehend freie Hand. Und hat das nach 2010 eiskalt genutzt. Vor der Geschichte wird sie eindeutig die sein, die das Debakel verschuldet hat.

Noricus Offline



Beiträge: 2.362

01.07.2012 18:25
#28 RE: Legendenbildung Merkel ? Antworten

Zitat von Llarian im Beitrag #17

Zitat
Aber ausgerechnet Schröder und Eichel öffenten die Schleusen, und Deutschland wurde nicht bestraft (siehe den Beitrag von Noricus). Damit war der Euro im Grunde gescheitert.

I wo. Was Deutschland (und meiner Erinnerung nach Frankreich) zu diesem Zeitpunkt getan haben waren ziemlich unbedeutende Kleinigkeiten. Ja, man hätte sie dafür bestrafen sollen, aber beide Länder haben nicht in grossem Stile Bilanzen gefälscht. Oder versucht ihre Schulden zu vergemeinschaften, wie das jetzt geschieht. Zu dem Zeitpunkt wo Deutschland die Maastricht Kriterien verfehlt hat (knapp) waren bereits in Griechenland jahrelang massiv Bilanzen gefälscht worden. Das eine als Folge des anderen darzustellen, verdreht die Fakten nicht nur ein bischen.



Das eine war nicht die Folge des anderen. Aber dass man das Defizitverfahren auf Wunsch Deutschlands und Frankreichs gleichsam kastriert hat, trug nicht zu einem Klima bei, in dem ein Mitgliedstaat Sorge vor einer Überschreitung der Maastricht-Kriterien haben musste. Die Sünder konnten also fortan ohne Angst vor Strafe sündigen; denn wenn sogar das Land, das nur wenige Jahre zuvor die Stabilitätskriterien durchgeboxt hatte, seinen eigenen Prinzipien untreu wurde, wer sollte es dann denen verdenken, die noch nie etwas von Schuldenbegrenzung gehalten hatten, dass sie munter weiterwurschtelten?

Aber freilich: Dass man damals den Art. 126 AEUV entwertet hat, rechtfertigt die im Rahmen der Krisenbewältigungsversuche geschehenen Vertragsbrüche in keiner Weise. Und dass man jetzt auch noch an bestandsfesten Pfeilern des Grundgesetzes rüttelt, hebt das Ganze auf eine neue Stufe.


Zitat

Es war die Leistung der deutschen Wirtschaft die in einer bis dahin beispiellosen Zusammenarbeit von Arbeiternehmern und Arbeitgebern den Karren flott gehalten hat.



Das sehe ich auch so.

Llarian Offline



Beiträge: 7.127

01.07.2012 18:43
#29 RE: Legendenbildung Merkel ? Antworten

Zitat von Noricus im Beitrag #28
Aber dass man das Defizitverfahren auf Wunsch Deutschlands und Frankreichs gleichsam kastriert hat, trug nicht zu einem Klima bei, in dem ein Mitgliedstaat Sorge vor einer Überschreitung der Maastricht-Kriterien haben musste. Die Sünder konnten also fortan ohne Angst vor Strafe sündigen; denn wenn sogar das Land, das nur wenige Jahre zuvor die Stabilitätskriterien durchgeboxt hatte, seinen eigenen Prinzipien untreu wurde, wer sollte es dann denen verdenken, die noch nie etwas von Schuldenbegrenzung gehalten hatten, dass sie munter weiterwurschtelten?

Auf prinzipieller Betrachtung haben Sie ohne Zweifel recht. Wer seine eigenen Prinzipien nicht einhält macht sich unglaubwürdig. Dumm war das zweifelsfrei und ich bin sicher auch der letzte, der dem gekauften Kanzler irgendetwas positives nachsagen möchte. Dennoch sehe ich zwei grundsätzliche Unterschiede:
Was die Griechen betrifft ist die Nichteinhaltung der Schuldengrenzen in der Tat etwas, das sie mit Deutschland unter Schröder gemeinsam haben. Aber Schröder hat nicht in großem Stile Bilanzen fälschen lassen. Und was die restliche Schuldenkönige betrifft so gibt es einen weiteren, fundamentalen Unterschied: Deutschland mag unter Schröder Maastricht verletzt haben, ist aber zu keinem Zeitpunkt auf die Idee gekommen seine Schulden zu vergemeinschaften oder dafür Geld nachzudrucken. Sprich: Die Verletzung von Maastricht hatte für keinen (ausser für die Deutschen selbst) eine direkte Auswirkung. Weder wurden andere Länder in ihrer Währung geschwächt noch wurden Schulden nicht selbst getragen.
Es stimmt das Deutschland nicht auf andere zeigen sollte, die jetzt vielleicht 4 Prozent statt 3 Prozent Defizit haben. NUR: Deswegen haben die 4% + Sünder KEIN Anrecht darauf, dass der deutsche Steuerzahler ihre Schulden übernimmt.

Der Witz ist ja der: Die derzeitige Situation (ohne den Rettungsirrsinn) ist eine klare Aussage der internationalen Geldgeber: Wir vertrauen darauf, dass Deutschland in der Lage ist, seine Schulden zu bedienen. Und wenn die 3 odere 4 Prozent Defizit machen, wir glauben das immernoch. Wir haben das vor zehn Jahren geglaubt und wir glauben es noch heute. Denn wir glauben das die Deutschen ihre Schulden zahlen sich eben nicht in noch schlimmere Sphären begeben. Den Italienern glauben wir das nicht.
Und Monti und Konsorten tritt jetzt an und sagt: Das ist unfair, dass uns keiner glaubt. Wir wollen das Vertrauen, das sich die Deutschen verdient haben. Und dank Merkel bekommen sie es auch. Oder auch nicht, denn auch Deutschland kann nicht ganz Europa retten.

R.A. Offline



Beiträge: 8.171

01.07.2012 18:45
#30 RE: Legendenbildung Merkel ? Antworten

Zitat von Zettel im Beitrag #12
Es gab und gibt weder einen einzigen Schuldigen für die jetzige Krise (schon gar nicht die Kanzlerin, die mit ihr fertigzuwerden versucht),

Das kommt jetzt darauf an, was genau man unter "die jetzige Krise" versteht.

Da haben wir einmal das Problem, daß alle EU-Staaten über ihre Verhältnisse leben (Schäuble agiert da genauso unseriös wie seine Vorgänger und wie alle seine europäischen Kollegen). Das ist ein langfristiges Problem, und bei einigen Staaten ist es inzwischen so eskaliert, daß die Pleite eben real wurde.
Bei dieser Schuldenkrise haben sehr viele Politiker sich schuldig gemacht. Unter anderem auch Schröder, der die Strafregelungen von Maastricht aushebelte. Aber das ist marginal - die Hauptschuld liegt natürlich immer noch bei den Politikern, die vertragsbrüchig zu viele Schulden gemacht haben.

Diese Schuldenkrise ist aber nicht unser wirkliches Problem. Eine Griechenlandpleite Anfang 2010 wäre sehr unangenehm geworden, in erster Linie für die Griechen, aber auch für diverse westeuropäische (vor allem französische) Banken. Es wäre aber eine begrenzte Krise geblieben, insbesondere hätte die Währung Euro überhaupt keinen Schaden genommen - wie denn auch?
Deutschland hätte nur sehr begrenzt Schaden genommen - und dann auch nur, wenn man wieder irgendwelche Banken "gerettet" hätte.

Die wesentliche Krise, die uns hunderte von Milliarden kosten wird - die ist aber erst 2010 von Merkel verursacht worden. Weil sie zugesagt hat, daß Deutschland erst für die griechischen, dann auch für die übrigen Schulden der Pleitestaaten aufkommt. Über zwei Jahre hinweg hat sie fortwährend neue Hilfen zugesagt, obwohl es überhaupt keine rechtliche Verpflichtung dazu gab.

Zitat
Natürlich war allen klar, daß eine Einheitswährung nur funktionieren kann, wenn es eine einheitliche, wenigstens eine ähnliche Fiskalpolitik gibt


Nein. Das ist ein (im wesentlichen sozialdemokratisches) Märchen.
Es gibt überhaupt keine zwingende Verbindung zwischen Fiskalpolitik und Währung. Zu Zeiten des Goldstandards gab es de facto eine europaweite Einheitswährung - und die Staaten haben eine ganz krass unterschiedliche Fiskalpolitik getrieben.

Zitat
Denn ohne eine gemeinsame Fiskalpolitik braucht man das Instrument der Wechselkursanpassungen ...


Nein, braucht man nicht.
Erst einmal waren die Wechselkursanpassungen nur nützlich bei unterschiedlicher Produktivkostenentwicklung. Aber auch bei denen "braucht" man Wechselkursveränderungen nicht - es ist nur das für Regierungen einfachste Mittel, es gibt noch andere.
Und zweitens haben die Produktivkosten recht wenig mit der Fiskalpolitik zu tun. Die Wirtschaft eines Land kann ganz hervorragend wettbewerbsfähig sein - und die Regierung trotzdem eine völlig unseriöse Schuldenpolitik betreiben. Und umgekehrt kann eine Regierung ganz musterhaft wirtschaften und alle Maastrichtkriterien einhalten - während die FIrmen immer mehr Exportprobleme haben.

Zitat
Unterschätzt haben er und viele andere Experten die innenpolitische Dynamik der südlichen Länder Europas, die eine Tradition der Klientelpolitik haben, aber nicht einer restriktiven Haushaltsführung.


Das war nicht schlau das falsch einzuschätzen. Aber dafür gab es ja noch die "No-Bailout"-Klausel: Wenn ein Staat sich in die Pleite wirtschaftet, bekommt er nach den Maastricht-Verträgen kein Geld von den anderen Euro-Staaten.

Diesen Vertrag hat Merkel gebrochen, damit begann das Desaster.

Zitat
Hinzu kam dann die globale Krise seit 2008 ...


... die mit der EU-Schuldenkrise nur marginal zu tun hat.

Zitat
die Deutschland dank den beiden Regierungen Merkel ungleich besser meisterte als fast alle anderen europäischen Länder


Die Deutschland gut meisterte, völlig unabhängig davon, daß zufällig parallel Merkel im Kanzleramt saß.
Sie werden nicht eine einzige politische Maßnahme finden, mit der Merkel zur Krisenbewältigung irgendetwas beigetragen hätte.

Zettel Offline




Beiträge: 20.200

01.07.2012 18:48
#31 RE: Ausgehebelt Antworten

Zitat von R.A. im Beitrag #25
Ein gewisser Zettel hat ganz hervorragende Beitrage geschrieben zur finanzpolitischen Geschichte Griechenlands. Wenn man die liest wird klar, daß es von Anfang an keine realistische Hoffnung gegeben hat.
"Von Anfang an" heißt in diesem Fall vom Beitritt Griechenlands in die EU an. Die Fehler wurden vor Jahrzehnten gemacht. Jetzt muß man versuchen, mit den Folgen fertigzuwerden. Wir können ja keine Zeitreise veranstalten oder, wie Sarrazin Heraklit zitiert, nicht zweimal in denselben Fluß steigen.

Ich fürchte, lieber R.A., ich kann mich ansonsten nur wiederholen: Die Vorstellung, daß ein deutscher Kanzler - wenn er es denn gewollt hätte - gegen den Widerstand aller Partner, gegen den Widerstand der deutschen, auf den Export in den Euroraum angewiesenen Wirtschaft, hätte durchsetzen können, Griechenland aus dem Euro zu werfen (wie eigentlich gegen seinen Willen?), ist meines Erachtens nicht begründbar.

Vielleicht kommt es am Ende dazu, daß Griechenland austritt. Vielleicht haben wir in ein paar Jahren auch wieder die D-Mark. Aber erst, nachdem alles versucht wurde, die Eurozone zu retten.



Das ist verantwortliche Politik, ist Realpolitik. Übrigens befürwortet auch Thilo Sarrazin, dessen Buch ich nur dringend empfehlen kann (vielleicht komme ich in ZR doch noch darauf zurück) keineswegs einen Ausstieg aus dem Euro oder gar dessen Abschaffung.

Am Ende des siebten Kapitels schreibt er:

Zitat
Natürlich kann und soll man nicht einfach aussteigen. (...) Aber wir müssen wieder zu den Urprinzipien des Vertrags von Maastricht zurückkehren.

Nur, wie das gehen soll, weiß auch Sarrazin nicht. So scharfsichtig und detailliert seine Analyse ist, so wenig vermag auch er zu raten.

Das Manuskript wurde abgeschlossen, bevor Hollande gewählt war. Jetzt ist Sarrazins Idee, doch zu den Prinzipien von Maastricht zurückzukehren, erst recht unrealistisch. Hollande will, wie die meisten Sozialisten, die Staatsausgaben erhöhen und nicht senken. Er sieht die Fiskalpolitik als Sozialpolitik und nicht als Politik der Geldwertstabilität.

Wie es weitergehen wird, weiß niemand. Was Deutschland, soweit ich sehe, tun kann, ist nur: Weiter tapfer seine Interessen verteidigen, soweit das unter den neuen Machtverhältnissen in Europa noch geht; und ansonsten sich auf alle Eventualitäten vorbereiten.

Herzlich, Zettel

R.A. Offline



Beiträge: 8.171

01.07.2012 19:22
#32 RE: Ausgehebelt Antworten

Zitat von Zettel im Beitrag #31
"Von Anfang an" heißt in diesem Fall vom Beitritt Griechenlands in die EU an.

Nein. Dieser Beitritt war vielleicht auch nicht sehr schlau, aber von den Folgen her überschaubar.

"Von Anfang an" bezieht sich auf Frühjahr 2010 als Merkel deutsche Hilfsgelder zusagte im Gegenzug gegen griechische Versprechen, künftig solide zu wirtschaften. Das war einfach nur dumm.

Zitat
Die Vorstellung, daß ein deutscher Kanzler - wenn er es denn gewollt hätte - gegen den Widerstand aller Partner, gegen den Widerstand der deutschen, auf den Export in den Euroraum angewiesenen Wirtschaft, hätte durchsetzen können, Griechenland aus dem Euro zu werfen (wie eigentlich gegen seinen Willen?), ist meines Erachtens nicht begründbar.


Richtig.
Aber es stand doch überhaupt nicht zur Debatte, Griechenland "aus dem Euro zu werfen". Dafür gab es keine juristische Grundlage, das wäre auch überhaupt nicht im deutschen Interesse gewesen (höchstens im griechischen).

Was 2010 im Raum stand war die schlichte Anwendung der Maastricht-Verträge. Die Griechen bekamen kein Geld mehr auf dem Kapitalmarkt und wollten nun Hilfe von der EU. Und da hätte Merkel einfach nur "Nein" sagen müssen. Völlig problemlos durchsetzbar.
Dann hätten die Griechen zum Londoner Club gehen und ihren Staatsbankrott verhandeln müssen. Wie Dutzende von anderen Staaten vorher. Für solche Verhandlungen und überhaupt die Abwicklung eines Staatsbankrotts ist es völlig unerheblich, in welcher Währung die Griechen im Lande ihren Ouzo bezahlen.

Merkel wollte Sarkozy einen Gefallen tun, weil dem Rettungszahlungen an französische Banken wg. des Ausfalls von Griechenland-Bonds innenpolitisch ziemlich geschadet hätten. Grundsätzlich ist es auch nicht falsch, wenn Deutschland Frankreich einen Gefallen tut - kann von mir aus auch mal ein paar Milliarden kosten.

Aber sie hat eben nicht einfach nur eine begrenzte Menge Geld über den Tresen geschoben - das hätte sie nämlich in Deutschland vertreten müssen, das hätte Kritik gegeben. Sondern sie hat statt dessen eine Entwicklung in Gang gesetzt, die die Pleite verschoben hat - aber dafür ganz gräßliche Folgen für Deutschland brachte. Das war ihr zentrales Versagen.

Zitat
Übrigens befürwortet auch Thilo Sarrazin, dessen Buch ich nur dringend empfehlen kann (vielleicht komme ich in ZR doch noch darauf zurück) keineswegs einen Ausstieg aus dem Euro oder gar dessen Abschaffung.


Da stimme ich ihm zu.

Zitat
Am Ende des siebten Kapitels schreibt er: Zitat:Natürlich kann und soll man nicht einfach aussteigen. (...) Aber wir müssen wieder zu den Urprinzipien des Vertrags von Maastricht zurückkehren.


Das wäre 2010 noch gegangen, inzwischen sehe ich da keinen Weg mehr. Merkels Schuld.

Zitat
Wie es weitergehen wird, weiß niemand.


Es wird einen großen Knall geben. Wann und wie genau ist offen. Aber es ist völlig unmöglich, daß Deutschland die jetzt übernommenen Verpflichtungen für die Schulden ganz Europas bezahlen kann. Nicht zuletzt, weil auch in Deutschland Bund, Ländern und Kommunen jedes Jahr unverantwortlich neue Schulden machen.

Zitat
Was Deutschland, soweit ich sehe, tun kann, ist nur: Weiter tapfer seine Interessen verteidigen, soweit das unter den neuen Machtverhältnissen in Europa noch geht; und ansonsten sich auf alle Eventualitäten vorbereiten.


Deutschland hat bisher nicht seine Interessen verteidigt, sondern nur Ausreden konstruiert, damit die Milliardenzahlungen dem deutschen Wahlvolk irgendwie plausibel gemacht werden konnten. Zu keinem Zeitpunkt hat Deutschland irgendwelche stabilen Zugeständnisse oder gar Gegenleistungen erhalten.

Zettel Offline




Beiträge: 20.200

01.07.2012 19:31
#33 RE: Ausgehebelt Antworten

Zitat von R.A. im Beitrag #32
Zu keinem Zeitpunkt hat Deutschland irgendwelche stabilen Zugeständnisse oder gar Gegenleistungen erhalten.
Bindende Vereinbarungen mit Griechenland gibt es sehr wohl, lieber R.A. Gegenleistungen hat Deutschland nicht zu erwarten. Die Situation ist nicht so.

Ich denke, wir müßten darüber einmal ausführlicher diskutieren; gerade Ihre Meinung als Historiker würde mich interessieren: Wie haben sich die Entscheidungsspielräume europäischer (und anderer) Politiker in den vergangenen Jahrzehnten verändert? Welche Optionen hat Deutschland, was seine Rolle in Europa angeht? Welche Möglichkeiten für die weitere Entwicklung Europas sind gegenwärtig noch offen?

Vielleicht könnte man das ja mit dem einen oder anderen Beitrag zu dieser Serie diskutieren?

Herzlich, Zettel

ESKA ( gelöscht )
Beiträge:

01.07.2012 22:05
#34 RE: Legendenbildung Merkel ? Antworten

Zitat von Zettel im Beitrag #24
Zitat von ESKA im Beitrag #20
Zitat von Juno im Beitrag #9

Zitat
Die Tatsache, dass Deutschand in diesem Zuge am Ende eine Billionen (!) Zahlung leisten wird, verdanken wir EINZIG UND ALLEINE Angela Merkel.
Selbstverständlich trägt Merkel Verantwortung. Aber "EINZIG UND ALLEINE"???
Doch. EINZIG UND ALLEINE.
Merkel ist EINZIG UND ALLEINE Kanzlerin.
Aber stellen Sie sich vor, lieber ESKA - was in Europa passiert, und auch was in Deutschland passiert, hängt nicht einzig und allein von der deutschen Kanzlerin ab!

Wir wissen schon, dass der junge Alexander Indien nicht allein eroberte. Komplexe Prozesse sind nie auf eine Person projizierbar.
Das ändert aber nichts daran, dass der Chef der Chef, der General der General ist. Gewinnt er die Schlacht, kriegt er den Triumpf. Andernfalls kann er sich (wenn die Feinde das nicht schon erledigt haben) in sein Schwert stürzen.
Kein Mensch hat Merkel gezwungen Kanzlerin zu werden. Und niemand hat ihr den Rücktritt verweigert.
Wenn ich mich recht erinnere haben Sie früher argumentiert, dass es mit anderem Personal noch schlimmer wäre. Heut ist der Tag zu fragen: Wie schlimmer?
Eine Frage, deren Antwort jeder kennt und die Steinhöfel so formuliert

Zitat von Steinhöfel
Man muss lange in der deutschen Nachkriegsgeschichte suchen, um ein noch kompletteres und verantwortungsloseres politisches Versagen zu entdecken, als Bundeskanzlerin Merkels bedingungslose Kapitulation beim gefühlten siebenundneunzigstausendsten „Krisengipfel“ in Brüssel.

Wie könnte ein Feind unseres Landes uns noch mehr schaden als Merkel?

Zitat von Zettel im Beitrag #24
Mir ist nicht ganz klar, wie Sie Ihre personalisierende Sicht begründen. Wir wissen doch, wie eng heutzutage die Handlungsspielräume aller Akteure sind; wie miteinander verflochten inzwischen die Entscheidungsprozesse.
Ja, das wissen wir. Was ändert das? Im Maastricht-Vertrag habe ich jedenfalls keinen Verflochtenenhandlungsspielraum-Vorbehalt entdeckt. Hab ich was übersehen?
Zitat von Zettel im Beitrag #24
Deutschland hatte zu keinem Zeitpunkt die Wahl, sich einfach aus dem Euro zu verabschieden, bevor nicht alles zu seiner Rettung versucht ist. Es konnte und kann immer nur darum gehen, innerhalb der Linie, die gemeinsam beschlossen wird, die deutschen Interessen möglichst gut zu vertreten.
Als das vor 3 Jahren mit dem Griechenlandgerette losging, hätte Merkel einen auf alte Römerin machen können: Pacta sunt servanda.
Das hätte ein paar Monate ganz schön gerumpelt. Wir hätten einige zehn Milliarden verloren – und Europa ordnungspolitisch auf Kurs gebracht. Das Exempel Griechenland wäre allen eine Warnung gewesen.
Und im Gegensatz zu Merkel glaube ich nicht, dass Wüstenfuchs Rommel in Nordafrika einmarschiert wäre oder die Engländer die französische Flotte in Mers-el-Kébir versenkt hätten.
Trotzdem danke Angie, dass wir eine völlig konfliktlose Zukunft nicht fürchten müssen

Zitat von Ortner, Das Europäische Friedensprojekt als Bedrohung des Friedens in Europa
Man braucht keinen Hauptschulabschluss, um zu erkennen, wo dieser staatschuldensozialistische Kurs eher früher als später hinführen wird: in ein völliges wirtschaftliches Desaster – so wie schon nach 1981 der erste Versuch französischer Sozialisten unter François Mitterrand, eine Art charmantere DDR mit guter Rotweinversorgung auf französischem Boden zu errichten.

am absehbaren unerquicklichen Ende des Staatsschuldensozialismus wird der Versuch Frankreichs stehen, sich zum Zwecke der Konkursvermeidung Angela Merkels (oder wer auch immer dann Bundeskanzler sein wird) Gold Card zu schnappen; so wie das heute Griechen, Portugiesen und Spaniern ja recht erfolgreich gelingt.

Es wird ein historisch überaus interessantes Experiment sein, wenn Deutschland unter den Bedingungen einer Fiskal- und Schuldenunion in ein paar Jahren das von den Sozialisten in die Pleite geführte Frankreich großflächig alimentieren muss – und sich die Grande Nation, atomare Siegermacht des Zweiten Weltkrieges, von einem als Brüssel getarnten Berlin die Kürzungen seines Budgets diktieren lassen muss.
Jener Hass, der Deutschland und seiner Kanzlerin nicht nur in Athen in diesen Tagen entgegenschwappt, war vermutlich eine harmlose Kostprobe jener Antipathien, die dann zwischen Deutschen und Franzosen hochlodern würden: ein wahrer Triumph des Friedensprojektes EU.



Zitat von Zettel im Beitrag #24
Das ist der Kanzlerin und Schäuble bisher weitgehend gelungen. Nicht umsonst hat ja Hollande schon im Wahlkampf angekündigt, er werde als Präsident eine "Neuverhandlung" verlangen.
Ja logisch. Wenn Merkel die deutsche Staatskasse den Schurkenstaaten zur Selbstbedienung überlässt, wären die Franzosen mit dem Klammerbeutel gepudert sich dieses Angebot entgehen zu lassen.
Zitat von Zettel im Beitrag #24
Aber jetzt ist die deutsche Position eben geschwächt.
Sag ich ja. Merkel hat die deutsche Position geschwächt.
Zitat von Zettel im Beitrag #24
Nicht nur weil Hollande kein Partner ist wie Sarkozy, sondern der Anführer einer gegen Deutschland gerichteten Fronde. Sondern auch, weil viele in der SPD und bei den Grünen seinen keynesianischen Ansatz prima finden und jetzt in Deutschland sozusagen als Hollandes Fünfte Kolonne agieren.
Ja klar. Verkommene Sprache macht verkommene Denke macht verkommenes Handeln.
Ist die Katze aus dem Haus, tanzen die Mäuse auf den Tischen. Und der Schlaf der Vernunft gebiert Dämonen.
Wenn Deutschland keine eigenen Interessen formulieren darf, wenn fiskalische Angelegenheiten nicht mit der angemessenen buchhalterischen und juristischen Sprache diskutiert werden, dann übernimmt Solidaritäts-, Menschenwürde- und Friedenspöbel die Führerschaft. Alles andere wäre ein Wunder. Wenn Merkel selbst (im Osten nichts Neues) mit entweder oder Krieg „argumentiert“, liefert sie SPD und Grünen eine rhetorische Steilvorlage. Warum sollten die die nicht annehmen?

Rayson Offline




Beiträge: 2.367

01.07.2012 23:58
#35 RE: Ausgehebelt Antworten

Zitat von R.A.
Dann hätten die Griechen zum Londoner Club gehen und ihren Staatsbankrott verhandeln müssen.

Das hätte aber die implizite Erwartung der gesamtschuldnerischen Haftung der Eurostaaten platzen lassen, von der die Märkte seit Ankündigung der Währungsunion ausgingen und die von der Politik mehr gefördert als gedämpft wurde. Und dann wären die Zinsen für Länder bis hin zu Frankreich binnen Kurzem auf ein Niveau geschnellt, das zu noch mehr hektischer Aktivität Anlass gegeben hätte. Auf der anderen Seite wären die Folgen für das Finanzsystem nach der Finanzkrise enorm bis katastrophal gewesen. Da trafen sich also die Interessen der Politik und der Bankbosse, diesen Fall nicht auszutesten, und diese Logik beherrscht das Geschehen bis heute.

Die Frage ist, ob sich die Katastrophe überhaupt vermeiden lässt. Da bin ich skeptisch. Die nächste Frage wäre, in welcher Form die Katastrophe eintreten wird. Da bin ich optimistischer. Es wird nur eine Hyperinflation geben.

--
L'État, c'est la grande fiction à travers laquelle tout le monde s'efforce de vivre aux dépens de tout le monde. (Frédéric Bastiat)

Techniknörgler Offline



Beiträge: 2.738

02.07.2012 00:32
#36 RE: Legendenbildung Merkel ? Antworten

Zitat von Llarian im Beitrag #7
Man mag mich korrigieren, aber der Sündenfall des Brechens der "no-bail-out" Regel stammt nicht aus der Regierung Gerhard Schröder sondern aus der Regierung Merkel. Schröder mag wohl die Maastricht-Kriterien verletzt haben, aber das ist sicher nicht die Ursache für die heute eingetretene Katastrophe. Ebensowenig die Tatsache das Griechenland aufgenommen wurde, denn auch Schröder hat die Griechen kaum dazu aufgefordert jahrelang Bilanzen zu fälschen und sich den Eintritt in den Euro per Betrug zu verschaffen. Versaut wurde das ganze an zwei Stellen, an der Nichtreaktion auf einen offenkundigen Betrug (Regierung Merkel) und das Brechen des no-bail-outs (Regierung Merkel). Kurz ausgedrückt: Die Tatsache, dass Deutschand in diesem Zuge am Ende eine Billionen (!) Zahlung leisten wird, verdanken wir EINZIG UND ALLEINE Angela Merkel. Es ist ihr Versagen das in extremem Gegensatz zur Legendenbildung der harten Kanzlerin steht, die sie nicht ist. Wer eine harte Regierungschefin sehen will, der soll sich an Margaret Thatcher erinnern.

Das Wolgang Schäuble die Misere am Rande nutzen wollte (und will) mehr Macht in "Europa" (und damit am Ende auch in seinen Händen) zu konzentrieren, ist dabei nur eine Randnotiz. Wer Schaden vom deutschen (!) Volk abhalten wollte, der würde kaum mit Geld mehr Macht (für sich) im Ausland kaufen. Er würde schlicht das Geld behalten. Ich wüsste auch nicht mit welchem Recht deutsche Spitzenpolitiker meinen anderen Völkern vorschreiben zu dürfen, wie die ihren Haushalt aufbauen. Das geht schlicht weder das deutsche Volk noch die deutsche Politik einen feuchten Schmutz an (und macht "uns" Deutsche auch im Ausland nicht für 2 Cent beliebter). Unsere lieben Volksvertreter täten deutlich besser daran, eine stabile Währung zu gewährleisten. Wer lieber Schulden machen will, soll das gerne tun. Mit seiner Währung. Oder meinetwegen auch mit unserer, so lange er diese nicht nachdrucken kann. Abgsehen davon geht der Haushalt eines Landes nur die Wähler dieses Landes etwas an. Wir würden uns umgekehrt auch jede Einmischung verbitten. Zurecht.

Maastricht war bis zum Ausbruch der Griechenland Krise (2009, lange nach Schröder) kein Problem. Es wäre auch danach kein Problem gewesen, wenn die Regierung Merkel nicht auf ganzer Linie versagt hätte. Zum damaligen Zeitpunkt hätte man Griechenland begründet aus dem Euro werfen können (wegen Betrugs und Bilanzfälschung), bzw. Pleite gehen lassen können und jeder hätte gewusst, dass Maastricht eben für alle bindend ist (und vermutlich würde es den Griechen heute besser gehen als jetzt). Stattdessen hat man (allzutypisch Merkel) versucht das ganze zuzudecken und unter einem "Rettungsschirm" zu verstecken. Das dabei der zentrale europäische Währungsvertrag gebrochen wurde, war für Merkel nur eine Randnotiz. Und in den drei Folgejahren konnte man dahinter nicht mehr zurück, das Schicksal nahm seinen Lauf. Und heute hat Merkel eine Situation das nahezu ganz Europa gerne ans deutsche Geld möchte (warum auch nicht, bei Griechenland hats ja auch geklappt) und es ist kein Verständnis da, warum das nicht passieren soll. Und so weich wie Merkel auftritt (grosse Klappe nur im Koalitionsausschuss und selbst das vermutlich eher ein Zufallsprodukt) wird sich das auch nicht ändern.
Europa hat ein Schuldenproblem. Und auf Schuldenprobleme folgen Bankrotte und Sparmaßnahmen. Alles kein Drama, ist normale Marktwirtschaft. Aber wenn natürlich einer hingeht und sagt "Ich hab da einen Rettungsschirm für Dich", dann machen die Leute halt lieber Schulden. Und die, die vielleicht sparen wollten, nehmen auch lieber das Geld. Bis es dann ganz alle ist. Dann sind wir alle pleite.

Deutschland hat in den letzten Jahrzehnten deutlich mehr produziert als die meisten anderen Länder in Europa, nicht zuletzt dadurch das deutsche Arbeitnehmer im Verhältnis zu ihrer Qualifikation sehr zurückhaltend sind was soziale Wohltaten angeht. Dadurch sind Schulden entstanden, sozusagen der Verzicht dieses Landes. Ich frage mich tatsächlich, ob es die Regierung Merkel am Ende geschafft haben wird, dass all das, was in Jahrzehnten (!) erarbeitet wurd, am Ende verschwunden sein wird. Dann wäre Merkel der schlechteste Bundeskanzler seit dem Krieg. Im Moment spricht einiges dafür. Selbst ohne den "Energiewende"-Irrsinn.


Das schlimmste daran wird ja immer vergessen: Das ganze wird auf immer mit einer liberal-konservativen Regierung in Verbindung gebracht werden und daher "neoliberalem" und marktwirtschaftlichem Gedankengut angelastet werden. Und genau deshalb sehe ich nicht, wieso sich der Linkstrend unserer Bevölkerung in Deutschland nochmal wenden sollte. Bis es das tun könnte, ist von den wenigen postivien Seiten der deutschen Mentalität (*) nichts mehr übrig, da erfolgreich wegpropagiert und wegerzogen. Nur noch die negativen Seiten, wie die deutsche Arroganz und der Hang zum konsequenten Durchziehen auch eher bescheidener Gedankenergüsse bleibt.


*(z.B. Sparsamkeit, lieber investieren statt konsumieren und lieber beides nicht auf Pump; die Erkenntnis, dass man anders auch kein Wirtschaftswachstum erzeugen könnte, da sowohl für Investitionen, als auch für Konsum die Kaufkraft irgendwo her kommen muss, man sich also keine Resoursen auf der Zukunft leihen kann)

______________________________________________________________________________

“Being right too soon is socially unacceptable.”
― Robert A. Heinlein


"Considering the exclusive right to invention as given not of natural right, but for
the benefit of society, I know well the difficulty of drawing a line between the
things which are worth to the public the embarrassment of an exclusive patent, and
those which are not."

-Thomas Jefferson

Quelle: The Public Domain, p. 21, http://www.thepublicdomain.org/download/

Ulrich Elkmann Offline




Beiträge: 14.560

02.07.2012 01:05
#37 RE: Legendenbildung Merkel ? Antworten

Es kann auch anders kommen: Daß eben im Gefolge der anstehenden 7 (d.h. 7 mal X) mageren Jahre sich die Erkenntnis durchsetzt - weil eben nichts anderes funktioniert, daß die "Tugenden der schwäbischen Hausfrau" das Entscheidende sind; daß Mehrwert, der verteilt sein soll, erst mal erarbeitet werden muß; daß man ihn nicht in windige Pyramidengeschäfte investiert; daß niemand anders mehr da ist, den man fallweise anbaggern oder ausplündern könnte; daß man auch nicht die Finanzierung den Enkeln überläßt; daß diese Kniepigkeit schon mehrfach gewirkt hat - wer sich den Zustand Europas nach '45 vergegenwärtigt, dürfte wenig Zweifel haben, daß die Folgen der Eurokrise zu stemmen sind, wenn, ja wenn "die Zukunft", das Große-Ganze, die "Vision Europa" und sonstige Luftschlösser zusammen mit der Kreditkartenmentalität entsorgt werden.
Und natürlich die alte Politikergeneration, die ganz bestimmt erklären wird, warum die kommende Krise endlich ungeahnte Solidarität, Bescheidenheit, und das Wahre Abendland bedeutet ("jetzt sitzen wir alle in einem Boot, und Das-Ist-Gut-So").

Erling Plaethe Offline




Beiträge: 4.660

02.07.2012 01:17
#38 RE: Ausgehebelt Antworten

Zitat von Zettel im Beitrag #31

Das ist verantwortliche Politik, ist Realpolitik. Übrigens befürwortet auch Thilo Sarrazin, dessen Buch ich nur dringend empfehlen kann (vielleicht komme ich in ZR doch noch darauf zurück) keineswegs einen Ausstieg aus dem Euro oder gar dessen Abschaffung.

Am Ende des siebten Kapitels schreibt er:

Zitat
Natürlich kann und soll man nicht einfach aussteigen. (...) Aber wir müssen wieder zu den Urprinzipien des Vertrags von Maastricht zurückkehren.
Nur, wie das gehen soll, weiß auch Sarrazin nicht. So scharfsichtig und detailliert seine Analyse ist, so wenig vermag auch er zu raten.


Heute wird das BVerfG wieder einmal entscheiden, ob das, was die Regierung verhandelt und das Parlament beschlossen hat, dem Grundgesetz widerspricht oder nicht. Dieses Gericht hat die Macht Regierung und Parlament zu stoppen, wenn diese die Rechte des Souveräns verletzt, welche im Grundgesetz niedergeschrieben wurden. Das Kennzeichen eines Rechtsstaates ist es, dass niemand sich außerhalb der Gesetze stellen darf.

Als der Europäische Verfassungsentwurf scheiterte, fand er in dem Vertrag von Lissabon seine Umsetzung. Auch der Vertrag von Maastricht mit den Euro-Konvergenzkriterien floss in ihn ein. Der Vertrag von Lissabon ist als völkerrechtlicher Vertrag der Grundlagenvertrag der EU. Wenn man von einer Politischen Union sprechen will, ist er sozusagen das Grundgesetz.

Über die Einhaltung des Vertrages wacht aber kein unabhängiges Gericht, wie das BVerfG. Der Hüter der Verträge ist die Europäische Kommission. Da aber der Europäische Rat, also die Regierungschefs der Länder der EU, "gegenüber der Kommission gewissermaßen eine übergeordnete Zusatzexekutive" bilden, kontrollieren sie die von ihnen beschlossenen Verträge selbst:
Dem Vertragstext nach "gibt er der Union die für ihre Entwicklung erforderlichen Impulse" und er „legt die allgemeinen politischen Zielvorstellungen und Prioritäten hierfür fest“.
Deswegen sind Verträge wie der von Maastricht nichts wert und eine Rückkehr zu ihnen völlig zwecklos. Die EU wie auch die Eurozone hat ein strukturelles Demokratiedefizit-Problem weil es keine Gewaltenteilung kennt und keine der Exekutive übergeordnete Judikative.
Klar, kann man jetzt sagen, es gibt ja auch keinen EU-Staat. Stimmt, und deshalb sollte man auch nicht so tun als ob.

Zitat von Europäischer Rat-Wikipedia
So schreibt etwa - neben vielen anderen - der österreichische Essayist Robert Menasse: Auffällig sei, welche unrühmliche Rolle in (der) anschwellenden Krise der Europäische Rat gespielt habe. Es sei der Rat gewesen, der zunächst bei der Euro-Einführung eine begleitende gemeinsame Wirtschafts- und Finanzpolitik verhindert habe. Jeder habe gewusst, dass eine gemeinsame Währung ohne gemeinsame Finanzpolitik ein Unding sei. Der Rat habe dann auch die Maastrichter Stabilitätskriterien aufgehoben, als es Deutschland und Frankreich so gepasst habe, weil sie selbst die Kriterien nicht hätten erfüllen können. Deutschland und Frankreich hätten einer Abmahnung durch die Kommission entgehen wollen – das erst habe die Schleusen einer fahrlässigen Budgetpolitik geöffnet, an deren Ende dann Deutschland geglaubt habe, die Griechen bestrafen zu müssen. Und dann sei es der Rat gewesen, der die Hilfe für Griechenland, als sie noch billig zu haben gewesen sei, so lange verhindert habe, bis sie auf Grund der schwindelerregend steigenden Risikozinsen schockierend teuer geworden sei: „Auch das ein Grund, warum alle, die sich mit Herz und Hirn mit der EU beschäftigen, zu diesem Punkt kommen: Was jetzt überlebensnotwendig ist, ist eine Reform des institutionellen Gefüges der EU, ein Zurückdrängen und letztlich das Abschaffen des Rats.”


http://de.wikipedia.org/wiki/Europäischer_Rat

Viele Grüße, Erling Plaethe

Michael B. Offline



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02.07.2012 01:29
#39 RE: Legendenbildung Merkel ? Antworten

Zitat
Man kann es auch so sehen: Deutschland kauft sich einen europäischen Staat. Ob das Geld gut investiert ist, hängt dann halt davon ab, was man von dem Ziel hält. Nachtrag: Leider kann wohl davon ausgehen, dass keine Absicht dahintersteckt. Sonst könnte man es wenigstens als gut eingefädelt sehen.



Ich bin mir da ziemlich sicher, daß Sie sich mit dem "Nachtrag" (leider) irren. Hätten Sie Recht, und Merkel hätte bloß unabsichtlich unfassbar kostspielige Fehler begangen, so wie Kohl auch mit der Euroeinführung einen unfassbar teuren Fehler begangen hätte, wäre das meiner Meinung nach die angenehmere Variante, sie würde, und wie es jetzt aussieht wird das auch jetzt, jeden deutschen Haushalt dauerhaft vielleicht 300-400€ monatlich extra kosten und viele Leute zudem ihre Altervorsorge und/oder ihr Haus und/oder noch einiges andere, plus Inflation, plus Verschuldung. Im Vergleich zu einer idealen Welt ist das natürlich eine Katastrophe. Aber die Alternative ist ja keine ideale Welt, es ginge noch schlimmer -- ich werde darauf zurückkommen.

Ich denke sowohl Kohl als auch Merkel handelten absichtsvoll, und zwar nicht, um irgendwelche Opfer für ein schwüles Europaideal zu bringen, oder weil Mitterand oder die Bilderberger ihnen das befohlen haben, oder weil sie Deutschland nochmal so richtig für Auschwitz büßen lassen wollten, oder weil sie Keynes so toll finden, sondern weil beiden klar war und ist, daß Deutschland im Speziellen und Europa im Allgemeinen seine Handlungsfreiheit und Unabhängigkeit nur wiedererlangen kann, wenn sie ein möglich großflächig vereintes Europa zusammenkaufen und zusammenverhandeln, in dem es aufgrund der Größenverhältnisse eine zurückhaltendst unterschwellig dominante Rolle spielt.

Der Unterschied zur idealen Welt, in der Kohl/Schröder/Merkel eine Katastrophe dargestellt hätten, ist die Geopolitik:
Erstens ist da die Rolle der USA und des Dollars. Man trete doch einmal einen Schritt zurück und mache sich klar in welch großem Umfange es in den letzen 40 Jahren gelungen ist, sich von den USA freizuschwimmen und wie der Unterschied auch im Lebensstandard geschrumpft ist. Damals waren Deutschland und weite Teile Westeuropas praktisch Vasallen der USA und der Dollar die absolut dominante Weltwährung, ein so gewaltiger geldwerter Vorteil für die USA, daß die EZB und der Euro in ihrer Ursprungsanlage von den USA nur als Kampfansage verstanden werden konnten und wurden. Es lief lange ziemlich gut für uns, der Euro hatte große Breschen in den Alleinreservestatus des Dollars geschlagen, es wurde massenhaft Kapital angelockt, das ohne den Euro in den Dollarraum gewandert wäre, und in dieser Hinsicht (und nur in dieser) ist es völlig gerechtfertigt davon zu sprechen, daß "Deutschland vom Euro profitiert" hat, mit etwas unklarem Nettoausgang für Nordeuropa zwar, aber mit überwäligendem Plus im Süden und Osten.

Wie man weiß, wackelt der Dollar gewaltig und die Immobilenblase hat im Nominalvermögen der Amerikaner geradezu Verwüstungen hinterlassen: 40% Vermögensverlust, durchschnittlich! Man braucht dringend Anlagezuflüsse aus Asien (um die die man mit Europa konkurriert) und aus Europa (was man vor den Euro in stärkeren Maße hatte und im Rahme der Eurokrise jetzt auch wieder bekommt). Die absolute Qualität von Euro und Dollar (inzwischen beide schlecht) ist in dieem Zusammenhang viel weniger wichtig als ihre relative Position zueinander; es gibt zuviel Papiervermögen als daß sich beide Währungen und Wirtschaften halten können, es wird sich aber eine auf Kosten der anderen retten können und müssen. Dazu bedarf es nicht einmal eines expliziten oder unterschwelligen gezielten Wirtschaftskrieges (den es aber teilweise natürlich auch gibt) - die Mechanismen des Marktes und die Individualentscheidungen von Millionen unpolitischer und sogar gutmeinender Individualnutzenmaximieren würden dazu reichen.
Merkel ist in mehr als einem Dilemma: Zum einen sind da natürlich die dämlichen ideologischen und wahltaktischen Oppositionsparteimaneuver, ein kleines Problem. Zum anderen der Verteilungskampf innerhalb der EU, wobei den meisten ungefähr klar sein dürfte, wie weit sie das jeweils treiben können, ein mittelgroßes Problem. Und zum dritten das große Problem: Der gemeinsame Versuch, sich von den USA zu emanzipieren und nicht in die Dollarabhängigkeit zurückzurutschen. Südeuropa pokert hier auf der zweiten Ebene sehr, sehr hoch, wohl wissend, daß Deutschland aufgrund der dritten Ebene zu erheblichen Zugeständnissen bereit sein wird.

Denn das Problem ist ja: Es wäre für die USA kaum problematisch, die Europäer gegen Deutschland aufzubringen und den Euroraum auseinanderzubrechen, falls Merkel zu dominant und unnachgiebig aufträte (wozu sie augenblichlich wirtschaftlich leicht die Macht hätte): Resteuropa wäre in Nullkommanix gegen Deutschland aufzuwiegeln, wenn man dort nicht immer mal wieder das Gefühl bekäme, man hätte es (wie vorgestern) den Deutschen so richtig gezeigt. Die Nazivergleiche, Imperialismusvorwürfe und Reparationsforderungen sind ja eh' immer schnell bei der Hand, aber man stelle sich einmal vor, es würden nach Dönerbudenbesitzern jetzt -- ob durch Echtneonazis oder durch irgendeinen Geheimdienst -- auch der eine oder andere Tapasbarwirt, Pizzabäcker, Gyrosverkäufer oder ein französischer und englischer Mittelrangdiplomat unter mysteriösen Umständen (aber mit Anti-EU-Bekennerschreiben) ums Leben kommen, und interessierte Kreis schlachten das so richtig aus: Pariahstaus in der EU und international, Boykotte, Kapitalflucht, Ausschluss aus internationalen Organisationen "bis die Ordnung wieder hergestellt ist", Regierungsrücktritt, Proteste in der Bevölkerung, deshalb Kuratell der Armee, Polizei und Verwaltung (Naziverdacht) durch UNO, USA und einige Europäer usw. Das wäre nicht nur irre peinlich sondern vor allem richtig ruinös. Man erinnere sich: "Der Euro garantiert den Frieden in Europa" (Kohl et al.)

Nachtrag: Wem das jetzt zu fantastisch klingt, der sei daran erinnert, daß erst 1999 eine europäische Hauptstadt durch die US-Airforce sogar bombardiert wurde. 1989 hätte ich sowas für absurd gehalten. Die Gründe waren mehr als fadenscheinig (Hufeisenplan, Stadion-KZs etc), wie man inzwischen weiß. Ende Nachtrag.

Zweitens ist da das Demografieproblem, in mehrerer Hinsicht: Zum einen ist vieles von dem, was jetzt hinsichtlich der Rentenansprüche und Lebenversicherungen nach Europa oder die Banken "verschenkt" werden soll, sowieso nur noch eine Illusion, man spricht nur nicht gern drüber. Viele werden sich, wenn auch murrend, daran machen oder machen müssen, hier ranzuklotzen und das, was sie jetzt als verloren erkennen werden, ersetzen. Zum anderen wird sich trotz der Hilfen die relative innereuröpäische Wirtschaftsstärke nicht fundamental verschieben, es ist also davon auszugehen, daß der europäische Norden erhebliche Wanderungsbewegungen vor allen junger Spanier, Italiener usw. sehen wird. Das ist gut für unsere Demografie, außerdem sind das unproblematische Leute, deren Einwanderung es Deutschland ersparen wird, problematischere Afrikaner und Nahostler aufzunehmen; Diese werden den zunehmend sich entleerenden Süden Europas besiedeln, den die EU irgendwann irgendwie abkoppeln wird oder den diese von der EU abkoppeln werden. Wir kaufen uns langfristig nicht nur Europa, wir importieren es auch noch zu unserem Nutzen. Das kann man jetzt natürlich nicht kommunizieren, nicht mal so richtig denken, aber die Fakten laufen darauf hinaus, wenn es nur jetzt gelingt, den Laden irgendwie vor dem Auseinanderfliegen zu bewahren.

Techniknörgler Offline



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02.07.2012 03:03
#40 RE: Legendenbildung Merkel ? Antworten

@Michael B.

Macht sogar irgendwie Sinn.

Dann könnte eine (vielleicht gar nicht mal so unrealistische) optimale Zukunft in einer deutsch-polnischen Eidgenossenschaft (Niederlande und Luxemburg können auch noch mit rein, Belgien auch, aber hier reden wir lieber von den Staaten Flandern und Wallonei) bestehen, die eine feste und enge Allianz mit den skandinavischen Ländern eingeht, so eng durch Verträge verwoben, dass heutige EU-Romantiker blass vor Neid werden. Dabei gehören Spanier, Portugiese und Italiener ja dann auch zu großen Teilen dazu, allerdings weil sie in die deutsch-polnische Föderation eingewandert sind.

Für die an der Föderation beteiligten ist das alles ein guter Deal: Polen ist eine solide, aufsteigende Wirtschaft mit der richtigen Mentalität, Deutschland hat bereits unglaubliche Wirtschaftskraft, mit der es offenbar sowieso nicht weiß wohin, da könnte Polen (vielleicht auch Tschechien?) durchaus Vorteile in einer solchen Allianz sehen.

Es gibt eine gemeinsame, faszinierende und weit zurückreichende Geschichte, die verbinden kann. Gut, Deutsche und Polen werden ihre Vorurteile und gegenseitigen Beschimpfungen und Diffamierungen am Stammtisch beibehalten, aber "was sich liebt, dass neckt sich" kann man auch umdrehen, eine Hassliebe fürs Leben schweißt zusammen. Die bestehenden, gegenseitigen Differenzen können als Rivalitätsmotor ebenfalls eine Zusammengehörigkeit stiftende, gemeinsame neue Tradition der Neckereien begründen (wie zwischen Preußen und Bayern). Eine Selbstdefinition als Willensnation tut ihr übriges.

Klingt Kurios, könnte aber nicht nur funktionieren, sondern auch Vorteilhaft für alle Beteiligten sein, insbesondere aber um Deutschland eine Metanation zu geben, auf welche die deutschen endlich wieder Patriotismus projezieren könnten. Auch eine Allianz mit den Skandinavischen Ländern könnte die notwendige Homogenität aufweisen, um stabiler und enger zu sein als die EU.

Mein Gedankenerguss kommt mir selber noch so kurios vor, aber je länger ich drüber nachdenke, destso mehr gewinnt es an Reiz.

Was denken andere zu diesem, meinem Hirngespinst?

______________________________________________________________________________

“Being right too soon is socially unacceptable.”
― Robert A. Heinlein


"Considering the exclusive right to invention as given not of natural right, but for
the benefit of society, I know well the difficulty of drawing a line between the
things which are worth to the public the embarrassment of an exclusive patent, and
those which are not."

-Thomas Jefferson

Quelle: The Public Domain, p. 21, http://www.thepublicdomain.org/download/

Noricus Offline



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02.07.2012 10:47
#41 RE: Ausgehebelt Antworten

Zitat von Erling Plaethe im Beitrag #38


Als der Europäische Verfassungsentwurf scheiterte, fand er in dem Vertrag von Lissabon seine Umsetzung. Auch der Vertrag von Maastricht mit den Euro-Konvergenzkriterien floss in ihn ein. Der Vertrag von Lissabon ist als völkerrechtlicher Vertrag der Grundlagenvertrag der EU. Wenn man von einer Politischen Union sprechen will, ist er sozusagen das Grundgesetz.




Schon lange vor dem Lissabon-Vertrag hat der EuGH ausgesprochen, dass die Verträge materielles Verfassungsrecht der EU seien. Dies ist auch völlig unstrittig der Fall, denn sekundäre Rechtsakte (Verordnungen, Richtlinien, Beschlüsse) müssen sich an ihrer Vertragskonformität messen lassen.
Nicht nur der Vertrag von Lissabon, sondern der EUV und der AEUV (= der durch Lissabon geänderte EG-Vertrag) samt Protokollen, Änderungs- und Beitrittsverträgen sowie die Grundrechtecharta und die allgemeinen Rechtsgrundsätze bilden das Primärrecht (= Verfassungsrecht) der Union.

Zitat von Erling Plaethe im Beitrag #38

Über die Einhaltung des Vertrages wacht aber kein unabhängiges Gericht, wie das BVerfG.



Doch, der Gerichtshof der Europäischen Union. Der kann aber ebenso wenig von Amts wegen tätig werden wie das BVerfG. Es bedarf einer Klage. Und einer der Klagelegitimierten ist eben die Kommission. Aber auch der Einzelne kann Vertragsverletzungen rügen, siehe Art. 263 AEUV: http://dejure.org/gesetze/AEUV/263.html
Die Klagebefugnis des Einzelnen gegen nicht an ihn gerichtete Rechtsakte mit Gesetzgebungscharakter (das sind typischerweise die vom Rat und dem Parlament erlassenen Verordnungen oder Richtlinien) wird aber vielfach als unbefriedigend empfunden, weil der Gerichtshof (also der EuGH) hier an einer engen Definition (sog. Plaumann-Formel: adressatengleiche Individualisierung des Betroffenen durch den Rechtsakt) festhält. Das Gericht (also das vormalige Gericht erster Instanz) wollte in der Rechtssache Jégo-Quéré durch eine extensivere Interpretation des Tatbestandsmerkmals "individuelle Betroffenheit" die Klagebefugnis des Einzelnen erheblich ausweiten. Der (in der Regel konservativere) EuGH ist dem (leider) nicht gefolgt.
Zu den wesentlichen Rechtsfragen in Jégo-Quéré:
http://www.menschenrechte.ac.at/docs/04_2/04_2_13

Zitat von Erling Plaethe im Beitrag #38

Der Hüter der Verträge ist die Europäische Kommission. Da aber der Europäische Rat, also die Regierungschefs der Länder der EU, "gegenüber der Kommission gewissermaßen eine übergeordnete Zusatzexekutive" bilden, kontrollieren sie die von ihnen beschlossenen Verträge selbst:



De iure stimmt das nicht. Denn gemäß Art. 17 Abs. 3 Uabs. 3 EUV ist die Kommission unabhängig und weisungsfrei: http://dejure.org/gesetze/EU/17.html
Dass auf sie politischer Druck ausgeübt wird, ist aber zweifellos richtig. Dem müsste und dürfte sie sich jedoch nicht beugen. Im Gegenteil: Richtigerweise hätte die Kommission die Mitgliedstaaten wegen der Krisenvereinbarungen (die überwiegend keine Rechtsakte der EU, sondern bi- bzw. multilaterale Verträge zwischen Mitgliedstaaten, also klassisches Völkerrecht) sind, mit Aufsichtsklagen (Art. 258 AEUV) überziehen müssen; denn der Grundsatz der Unionstreue (Art. 4 Abs. 3 EUV) gebietet es, dass man Unionsrecht nicht durch klassisches Völkerrecht umgeht. Und die betreffenden EU-Rechtsakte stehen ja auch nicht auf solider Basis, siehe dazu (näher in einem meiner vorigen Kommentare) die Subsumtion der Überschuldung eines Mitgliedstaats als außergewöhnliches Ereignis, das sich seiner Kontrolle entzieht.

Zitat von Erling Plaethe im Beitrag #38

Deswegen sind Verträge wie der von Maastricht nichts wert und eine Rückkehr zu ihnen völlig zwecklos.



Nein. Würde man wirklich zu den Verträgen zurückkehren, sie also strikt einhalten, wäre das enorm viel wert.

Zitat von Erling Plaethe im Beitrag #38

Die EU wie auch die Eurozone hat ein strukturelles Demokratiedefizit-Problem weil es keine Gewaltenteilung kennt und keine der Exekutive übergeordnete Judikative.



Letzteres ist schlichtweg unrichtig, siehe oben; zu Ersterem ist Folgendes zu sagen: In der EU sollen die checks and balances außer durch die Jurisdiktion des Gerichthofs der EU durch ein instutionelles Gleichgewicht zwischen den Organen, also eine exakte Abgrenzung der Organkompetenzen, hergestellt werden. Problematisch ist aber unter anderem, dass der Rat (= Ministerrat, nicht zu verwechseln mit dem Europäischen Rat = Staats- und Regierungschefs) eigentlich als Exekutivorgan konzipiert ist, aber zusammen mit dem Parlament auch der Gesetzgeber der Union ist. Letztlich liegt der Haken wohl darin, dass die EU eine Institutionenlandschaft übernommen hat, die für sektorielle Gemeinschaften wie die einstige EGKS, die Euratom oder die alte EWG passend gewesen sein mag, für die EU des Jahres 2012 aber nicht mehr taugt. Eine Fortentwicklung hat es nur bei der Versammlung, also dem heutigen Parlament, gegeben.

Zitat von Erling Plaethe im Beitrag #38

Klar, kann man jetzt sagen, es gibt ja auch keinen EU-Staat. Stimmt, und deshalb sollte man auch nicht so tun als ob.



Richtig, und deshalb ist das bestehende Demokratiedefizit der EU, wie das BVerfG richtig erkannt hat, unauflösbar, solange die EU ein Staatenverbund in seiner derzeitigen Verfasstheit bleibt. Wem der Europäische Rat bzw. der Rat ein Dorn im Auge ist, der sollte Folgendes bedenken: Die mitgliedstaatlichen Verfassungen könnten vorsehen, dass ihr Vertreter in diesen Organen Abstimmungsvorgaben des nationalen Parlaments zwingend beachten muss. Soweit ich das überblicke, tun die mitgliedstaatlichen Verfassungen dies aber quantitativ und qualitativ nur höchst lückenhaft (siehe in Deutschland Art. 23 GG sowie das IntVG und das EUZBBG).

Noricus Offline



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02.07.2012 11:13
#42 RE: Ausgehebelt Antworten

Was ich vergessen habe zu erwähnen: In der EU gilt ja grundsätzlich das Prinzip des dezentralen Vollzugs, d.h. das Gros des Unionsrechts wird von nationalen Behörden und Gerichten vollzogen. Bei Zweifeln über die richtige Auslegung des Unionrechts bzw. über die Gültigkeit eines sekundären Unionsrechtsakts muss jedenfalls die letzte nationale Instanz dem EuGH die Frage vorlegen, wie die betreffende Unionsnorm auszulegen bzw. ob sie gültig sei (Vorabentscheidungsverfahren, Art. 267 AEUV). Auch auf diesem Weg übt der EuGH seine Verfassungsgerichtskompetenz aus.

Erling Plaethe Offline




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02.07.2012 11:54
#43 RE: Ausgehebelt Antworten

Zitat von Noricus im Beitrag #41
[quote="Erling Plaethe"|p74576]
Vielen Dank für ihre Antwort und die kenntnisreichen Ausführungen. Ein paar Entgegnungen habe ich aber doch, auch um mir mit fehlendem juristischen Sachverstand trotzdem ein Bild machen zu können, von Dingen, die mich direkt etwas angehen und mit denen ich mich sozusagen beschäftigen muss.
[quote="Erling Plaethe"|p74576]
Über die Einhaltung des Vertrages wacht aber kein unabhängiges Gericht, wie das BVerfG.


Zitat von Noricus im Beitrag #41
Doch, der Gerichtshof der Europäischen Union.
Ich habe mir die Erwähnung dieser kläglichen Institution erspart durch das Wörtchen "wie" vor dem BVerfG.
Zitat von Noricus im Beitrag #41
Der kann aber ebenso wenig von Amts wegen tätig werden wie das BVerfG. Es bedarf einer Klage. Und einer der Klagelegitimierten ist eben die Kommission.

Ja, welche de facto vom Europäischen Rat dominiert wird. Das ist bei jeder europäischen Krisennacht gut zu beobachten. Also gibt es keinen Kläger. Der Gerichtshof ist ein Papiertiger.
Zitat von Noricus im Beitrag #41
Die Klagebefugnis des Einzelnen gegen nicht an ihn gerichtete Rechtsakte mit Gesetzgebungscharakter (das sind typischerweise die vom Rat und dem Parlament erlassenen Verordnungen oder Richtlinien) wird aber vielfach als unbefriedigend empfunden, weil der Gerichtshof (also der EuGH) hier an einer engen Definition (sog. Plaumann-Formel: adressatengleiche Individualisierung des Betroffenen durch den Rechtsakt) festhält. Das Gericht (also das vormalige Gericht erster Instanz) wollte in der Rechtssache Jégo-Quéré durch eine extensivere Interpretation des Tatbestandsmerkmals "individuelle Betroffenheit" die Klagebefugnis des Einzelnen erheblich ausweiten. Der (in der Regel konservativere) EuGH ist dem (leider) nicht gefolgt.

Ja, leider. Der EuGH hat nicht die Macht welche das BVerfG in Deutschland hat; und damit auch nicht die Stellung.
Zitat von Erling Plaethe im Beitrag #38

Der Hüter der Verträge ist die Europäische Kommission. Da aber der Europäische Rat, also die Regierungschefs der Länder der EU, "gegenüber der Kommission gewissermaßen eine übergeordnete Zusatzexekutive" bilden, kontrollieren sie die von ihnen beschlossenen Verträge selbst:


Zitat von Noricus im Beitrag #41
De iure stimmt das nicht. Denn gemäß Art. 17 Abs. 3 Uabs. 3 EUV ist die Kommission unabhängig und weisungsfrei: http://dejure.org/gesetze/EU/17.html
Dass auf sie politischer Druck ausgeübt wird, ist aber zweifellos richtig. Dem müsste und dürfte sie sich jedoch nicht beugen. Im Gegenteil: Richtigerweise hätte die Kommission die Mitgliedstaaten wegen der Krisenvereinbarungen (die überwiegend keine Rechtsakte der EU, sondern bi- bzw. multilaterale Verträge zwischen Mitgliedstaaten, also klassisches Völkerrecht) sind, mit Aufsichtsklagen (Art. 258 AEUV) überziehen müssen; denn der Grundsatz der Unionstreue (Art. 4 Abs. 3 EUV) gebietet es, dass man Unionsrecht nicht durch klassisches Völkerrecht umgeht. Und die betreffenden EU-Rechtsakte stehen ja auch nicht auf solider Basis, siehe dazu (näher in einem meiner vorigen Kommentare) die Subsumtion der Überschuldung eines Mitgliedstaats als außergewöhnliches Ereignis, das sich seiner Kontrolle entzieht.

Lassen wir mal den Konjunktiv für einen Augenblick beiseite, was bleibt dann? Eine übergeordnete Zusatzexekutive. Äquivalent zum Ministerrat.

Zitat von Erling Plaethe im Beitrag #38

Deswegen sind Verträge wie der von Maastricht nichts wert und eine Rückkehr zu ihnen völlig zwecklos.


Zitat von Noricus im Beitrag #41
Nein. Würde man wirklich zu den Verträgen zurückkehren, sie also strikt einhalten, wäre das enorm viel wert.

Warum soll die europäische Exekutive Verträge einhalten wenn sie es nicht will? Und sie will dann und wann nicht.
Auch in Deutschland neigt die Exekutive mitunter zum Vertragsbruch, ohne dies vorsätzlich zu tun, selbstverständlich. Ist halt eine komplizierte Materie. Macht aber auch nichts, weil: Es gibt ja die Klagemöglichkeit und ein oberstes Gericht, welches in Deutschland gerade auf seine Standfestigkeit hin überprüft wird.

Zitat von Erling Plaethe im Beitrag #38

Die EU wie auch die Eurozone hat ein strukturelles Demokratiedefizit-Problem weil es keine Gewaltenteilung kennt und keine der Exekutive übergeordnete Judikative.


Zitat von Noricus im Beitrag #41
Letzteres ist schlichtweg unrichtig, siehe oben; zu Ersterem ist Folgendes zu sagen: In der EU sollen die checks and balances außer durch die Jurisdiktion des Gerichthofs der EU durch ein instutionelles Gleichgewicht zwischen den Organen, also eine exakte Abgrenzung der Organkompetenzen, hergestellt werden. Problematisch ist aber unter anderem, dass der Rat (= Ministerrat, nicht zu verwechseln mit dem Europäischen Rat = Staats- und Regierungschefs) eigentlich als Exekutivorgan konzipiert ist, aber zusammen mit dem Parlament auch der Gesetzgeber der Union ist. Letztlich liegt der Haken wohl darin, dass die EU eine Institutionenlandschaft übernommen hat, die für sektorielle Gemeinschaften wie die einstige EGKS, die Euratom oder die alte EWG passend gewesen sein mag, für die EU des Jahres 2012 aber nicht mehr taugt. Eine Fortentwicklung hat es nur bei der Versammlung, also dem heutigen Parlament, gegeben.

Was sie, lieber Noricus, problematisch nennen, ist für mich objektiv nicht umgesetzt und damit nicht existent. Es gibt kein Gleichgewicht, nicht mit Europäischem Rat und nicht mit Ministerrat. Mit beiden Institutionen verschiebt die Exekutive das Gleichgewicht der checks and balances zu ihren Gunsten. Die Gewaltenteilung als nicht existent zu bezeichnen geht zugegebenermassen etwas zu weit, aber in der Praxis kommt es dem gefährlich nahe - im Großen und Ganzen.

Zitat von Erling Plaethe im Beitrag #38

Klar, kann man jetzt sagen, es gibt ja auch keinen EU-Staat. Stimmt, und deshalb sollte man auch nicht so tun als ob.



Zitat von Noricus im Beitrag #41
Richtig, und deshalb ist das bestehende Demokratiedefizit der EU, wie das BVerfG richtig erkannt hat, unauflösbar, solange die EU ein Staatenverbund in seiner derzeitigen Verfasstheit bleibt. Wem der Europäische Rat bzw. der Rat ein Dorn im Auge ist, der sollte Folgendes bedenken: Die mitgliedstaatlichen Verfassungen könnten vorsehen, dass ihr Vertreter in diesen Organen Abstimmungsvorgaben des nationalen Parlaments zwingend beachten muss. Soweit ich das überblicke, tun die mitgliedstaatlichen Verfassungen dies aber quantitativ und qualitativ nur höchst lückenhaft (siehe in Deutschland Art. 23 GG sowie das IntVG und das EUZBBG).

Dieses Problem sollte durch das Subsidiaritätsprinzip weitestgehend ausbleiben. Ja, mir sind beide Räte ein Dorn im Auge.

Viele Grüße, Erling Plaethe

Ulrich Elkmann Offline




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02.07.2012 12:07
#44 RE: Ausgehebelt Antworten

Der Europäische Gerichtshof hat wichtigere Dinge zu erledigen, als sich um die Verschiebung von Souveränitätsrechten oder der Verfassungsmäßigkeiten von Shake-Hands-Agreements, bei denen es um peanuts in Billionenhöhe geht, zu bekümmern.

Welt online, 02. 07. '12, 11:54:

http://www.welt.de/newsticker/dpa_nt/inf...ingegangen.html
______
"Klage gegen Hundesteuer bei Europäischem Gerichtshof eingegangen"
______

Erling Plaethe Offline




Beiträge: 4.660

02.07.2012 12:18
#45 RE: Ausgehebelt Antworten

Zitat von Noricus im Beitrag #42
Was ich vergessen habe zu erwähnen: In der EU gilt ja grundsätzlich das Prinzip des dezentralen Vollzugs, d.h. das Gros des Unionsrechts wird von nationalen Behörden und Gerichten vollzogen. Bei Zweifeln über die richtige Auslegung des Unionrechts bzw. über die Gültigkeit eines sekundären Unionsrechtsakts muss jedenfalls die letzte nationale Instanz dem EuGH die Frage vorlegen, wie die betreffende Unionsnorm auszulegen bzw. ob sie gültig sei (Vorabentscheidungsverfahren, Art. 267 AEUV). Auch auf diesem Weg übt der EuGH seine Verfassungsgerichtskompetenz aus.

Gut, aber mir ging es um die verfassungsmässige Kontrolle des Gesetzgebers und der Regierung und da hält sich der EuGH zurück. Wieso hält er still wenn mit dem Gouverneursrat des ESM ein rechtsfreier Raum geschaffen wird? Wann kennzeichnet der EuGH verfassungswidrige Massnahmen dieser Organe?

Zitat von http://dejure.org/gesetze/AEUV/263.html
Jede natürliche oder juristische Person kann unter den Bedingungen nach den Absätzen 1 und 2 gegen die an sie gerichteten oder sie unmittelbar und individuell betreffenden Handlungen sowie gegen Rechtsakte mit Verordnungscharakter, die sie unmittelbar betreffen und keine Durchführungsmaßnahmen nach sich ziehen, Klage erheben.


Kann vor dem EuGH gegen den ESM geklagt werden wie vor dem BVerfG?

Viele Grüße, Erling Plaethe

Martin Offline



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02.07.2012 12:57
#46 RE: Ausgehebelt Antworten

Zitat von Zettel im Beitrag #33
Bindende Vereinbarungen mit Griechenland gibt es sehr wohl, lieber R.A. Gegenleistungen hat Deutschland nicht zu erwarten. Die Situation ist nicht so.


Lieber Zettel,

zu Vereinbarungen gehören zwei Seiten, die das was sie vereinbaren auch durchsetzen können oder überhaupt wollen. Es gibt allenfalls Bedingungen, die in der Vergangenheit regelmäßig korrigiert wurden. Eine Gegenleistung für Deutschland wäre eine Durchgriffsmöglichkeit auf die Souveränität Griechenlands gewesen. Dieser Spieß wurde umgedreht, jetzt haben die Schuldnerländer eine Durchgriffsmöglichkeit auf Deutschlands Souveränität.

Gruß, Martin

Kaa Offline




Beiträge: 658

02.07.2012 13:03
#47 RE: Legendenbildung Merkel ? Antworten

Michael B, ausgedruckt sind es drei Seiten, die das Nachdenken lohnen. Danke.


Der neue Faschismus wird nicht sagen: Ich bin der Faschismus. Er wird sagen: Ich bin der Antifaschismus Autor im Netz bekannt

Zettel Offline




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02.07.2012 13:04
#48 RE: Ausgehebelt Antworten

Zitat von Martin im Beitrag #46
zu Vereinbarungen gehören zwei Seiten, die das was sie vereinbaren auch durchsetzen können oder überhaupt wollen. Es gibt allenfalls Bedingungen, die in der Vergangenheit regelmäßig korrigiert wurden.

Zum bindenden Charakter dieser Vereinbarungen gibt es im aktuellen "Spiegel" ein Gespräch mit dem Völkerrechtler Calliess. Leider im Augenblick wohl nur für Abonenten oder Käufer des "Spiegel" verfügbar. Er sieht die Bestimmungen des Fiskalpakts als völkerrechtlich bindend an.

Herzlich, Zettel

Noricus Offline



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02.07.2012 13:05
#49 RE: Ausgehebelt Antworten

Zitat von Erling Plaethe im Beitrag #45

Kann vor dem EuGH gegen den ESM geklagt werden wie vor dem BVerfG?


Ich darf darauf à la Radio Eriwan antworten: Im Prinzip ja. Nur bezweifle ich die Erfolgsaussichten einer solchen Klage. Problematisch ist, dass der ESM einen völkerrechtlichen Vertrag zwischen den Eurozonen-Mitgliedstaaten darstellt, der gerade nicht als "Handlung" der EU erlassen wurde. Für völkerrechtliche Verträge zwischen den Mitgliedstaaten ist der EuGH nicht zuständig. Man müsste also argumentieren, dass es sich eigentlich um einen Rechtsakt der EU handelt, der, um die mangelnde Verbandskompetenz der Union für die Einrichtung von Stabilitätsmechanismen und den Widerspruch des ESM zu Art. 125 AEUV zu kaschieren, als vr. Vertrag getarnt wurde und dass die Vertragspartner deshalb mit dem EMS jedenfalls auch gegen den Grundatz der Unionstreue verstoßen (Art. 4 Abs. 3 EUV). Ob der EuGH (bzw. zunächst das für Individual-Nichtigkeitsklagen zuständige Gericht [erster Instanz]) auf diese - m.E. völlig zutreffende Argumentation einsteigt - ist fraglich.
Zudem ist fraglich, ob Sie im Sinne der erwähnten Plaumann-Formel (die der EuGH in Jégo-Quéré aufrechterhalten hat) durch den ESM-Vertrag aus der Menge der anderen Rechtsunterworfenen herausgehoben und dem Adressaten eines (Individual-)Rechtsakts gleich individualisiert werden. Dies wird man wohl verneinen müssen; denn Sie werden durch den ESM nicht mehr und in anderer Weise betroffen als alle anderen Bewohner der Eurozone.

EDIT: "Sie" als Beispiel für einen klagewilligen Eurozonenbürger

Ulrich Elkmann Offline




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02.07.2012 13:07
#50 RE: Ausgehebelt Antworten

Zitat von Martin im Beitrag #46
Zitat von Zettel im Beitrag #33
Bindende Vereinbarungen mit Griechenland gibt es sehr wohl, lieber R.A. Gegenleistungen hat Deutschland nicht zu erwarten. Die Situation ist nicht so.


Lieber Zettel,

zu Vereinbarungen gehören zwei Seiten, die das was sie vereinbaren auch durchsetzen können oder überhaupt wollen. Es gibt allenfalls Bedingungen, die in der Vergangenheit regelmäßig korrigiert wurden. Eine Gegenleistung für Deutschland wäre eine Durchgriffsmöglichkeit auf die Souveränität Griechenlands gewesen. Dieser Spieß wurde umgedreht, jetzt haben die Schuldnerländer eine Durchgriffsmöglichkeit auf Deutschlands Souveränität.

Gruß, Martin


Damit dürfte der spin klar sein, mit dem dieser Ist-Zustand dem deutschen Publikum als unbedenklich verkauft werden wird: "Die werden ja nicht so töricht sein, die Gans zu schlachten, die die goldenen Eier legt..."

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