Ich kann mich nicht an irgendeine Situation in der Geschichte der Bundesrepublik erinnern, in der so viele Fachleute auf die Gefahren einer Regierungsentscheidung hingewiesen hätten wie jetzt beim ESM; aktuell gestern der Professor für Öffentliche Finanzen Stefan Homburg.
Wie groß der Handlungsspielraum der Bundesregierung noch ist, das ist schwer zu beurteilen. Der Druck auf Deutschland ist im Augenblick immens. Mit dem Sieg Hollandes in Frankreich hat sich - ich habe schon mehrfach darauf hingewiesen - die europapolitische Lage grundlegend verändert. Deutschlands größte Mitstreiter sind jetzt Finnland und die Niederlande.
Wohlfeiler Kritik an der Regierung kann ich mich deshalb nicht anschließen. Man kann nur hoffen, daß auch im Kanzleramt und im Finanzministerium Fachleute wie Homburg sitzen, die solche Verträge zu lesen wissen.
Ob das, was dann entschieden wird, richtig ist oder falsch, das wird erst die kommende Entwicklung zeigen. Vermutlich geht es längst nur noch darum, von allen falschen Alternativen die noch erträglichste zu wählen.
Zitat von ZRMan kann nur hoffen, daß wenigstens einige der vielbeschäftigten Abgeordneten des Deutschen Bundestags, die zum eigenen intensiven Studiums des Entwurfs vielleicht keine Zeit haben, von diesem Angebot Gebrauch machen.
Das dürfte nun wohl zu spät sein. Wir können nur noch hoffen, dass das Bundesverfassungsgericht und der Bundespräsident dem Elend ein Ende setzen. Die Abgeordneten haben ja schon 1,5 Millionen Petitionen bekommen und hatten lange vor der betreffenden Abstimmung auch die Möglichkeit sich das Ganze per Video erklären zu lassen. Wer bis dahin nicht gecheckt hatte um was es geht, ist als Volksvertreter wohl nur als ungeeignet zu bezeichnen. Wer trotz der Informationskampagne noch für den ESM gestimmt hat, kann dies nur noch mit Herdentrieb, persönlicher Hilflosigkeit oder ganz einfach Ignoranz erklären.
Den Anspruch Vertreter des Volkes sein zu wollen, haben diese zwei Drittel des Parlamentes jedenfalls nur noch auf ihren Visitenkarten. Meine Meinung.
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Zitat von Zettel im Beitrag #1Ich kann mich nicht an irgendeine Situation in der Geschichte der Bundesrepublik erinnern, in der so viele Fachleute auf die Gefahren einer Regierungsentscheidung hingewiesen hätten wie jetzt beim ESM; aktuell gestern der Professor für Öffentliche Finanzen Stefan Homburg.
Und es ist langsam auffällig, dass (fast?) alle diese gewichtigen Stimmen - dankenswerterweise - in der FAZ/FAS ein Forum finden.
Zitat Wohlfeiler Kritik an der Regierung kann ich mich deshalb nicht anschließen.
Um die geht es auch nicht. Sondern darum, dass der Weg zum ESM schon mit Rechtsbrüchen gepflastert war, und der ESM selbst äußerst bedenkliche Regelungen trifft; dass, selbst wenn Homburgs Vertragsauslegung eine worst-case-Interpretation ist, das bisherige Vorgehen in der Krise gezeigt hat, wie nonchalant man auch ganz eindeutige juristische Grenzen überschreiten kann; dass der ESM der Schritt auf die slippery slope ist, dem dann mit hoher Wahrscheinlichkeit eine Rutschpartie nach unten folgen wird.
Zitat Ob das, was dann entschieden wird, richtig ist oder falsch, das wird erst die kommende Entwicklung zeigen. Vermutlich geht es längst nur noch darum, von allen falschen Alternativen die noch erträglichste zu wählen.
Genau so ist es. Eine Glaskugel hat niemand. Es geht nur noch darum, was voraussichtlich das kleinere Übel sein wird.
Zitat von Calimero im Beitrag #2Wer bis dahin nicht gecheckt hatte um was es geht, ist als Volksvertreter wohl nur als ungeeignet zu bezeichnen. Wer trotz der Informationskampagne noch für den ESM gestimmt hat, kann dies nur noch mit Herdentrieb, persönlicher Hilflosigkeit oder ganz einfach Ignoranz erklären.
Das sehe ich anders, lieber Calimero. Wir Deutschen haben nicht mehrheitlich Abgeordnete gewählt, auf die Ihre Kennzeichnung zutrifft. (Denn in Deutschland werden die Mandate ja nicht verlost ).
Die Situation ist nun einmal extrem schwierig; die vermutlich schwierigste für Deutschland seit 1945. Niemand hat ein Rezept, wie man da wieder herauskommt. Der Druck auf Deutschland ist, wie geschrieben, im Augenblick immens.
Es kann sein, daß es zu einem Kladderadatsch kommt, wenn der ESM beschlossen wird. Es kann sein, daß es zu einem Kladderadatsch kommt, wenn das BVerfG ihn kippen sollte. Ich sehe überhaupt keinen gangbaren Weg aus der gegenwärtigen Misere.
Abgeordneten in einer solchen Situation vorzuwerfen, daß sie sich nicht gegen die eigene Regierung gestellt haben, halte ich für nicht vertretbar.
Hätte jemand eine plausible Lösung, dann wäre ihm der Nobelpreis sicher. Hätten die Abgeordneten, die mit ja gestimmt haben, einen besseren Weg gesehen, dann hätten sie vermutlich nicht mit ja gestimmt.
Das ist, kurz zusammengefaßt, der wesentliche Inhalt des ESM-Vertrages. Der seit einer gefühlten Ewigkeit, jedenfalls lange vor der Abstimmung darüber im Bundestag, bekannt war und, jedenfalls im Internet, auch breit diskutiert wurde.
Das bedeutet, daß unsere Abgeordneten entweder in der voraussichtlich folgenschwersten Abstimmung ihres Lebens bewußt die Augen verschlossen haben vor dem Inhalt und den Konsequenzen dessen, was sie da beschließen sollten. Oder aber, daß sie diesen Inhalt und diese Konsequenzen ihres Tuns kannten, gleichwohl aber als reine Befehlsempfänger ihrer jeweiligen Führer abgestimmt haben, also bereit sind, aus Gefolgschaftstreue diesen Führern gegenüber sehenden Auges Beschlüsse zu fassen, von denen offensichtlich ist, daß sie unserem Volk zu schwerstem Schaden gereichen werden. Eine dritte Möglichkeit sehe ich, ehrlich gesagt, nicht mehr.
Zitat von ZettelMan kann nur hoffen, daß auch im Kanzleramt und im Finanzministerium Fachleute wie Homburg sitzen, die solche Verträge zu lesen wissen.
Nicht gelesen oder nicht verstanden zu haben, was sie da beschlossen, das mag allenfalls im Falle einfacher Abgeordneter noch vorstellbar sein, und schlimm genug. Aber die Führung von Regierung und Ministerien? Selbstverständlich kennen diese den Inhalt der von ihnen ausgehandelten und dem Parlament zur Zustimmung vorgelegten Verträge. Die Vorstellung, es könnte anders sein, es könnten ausgerechnet Frau Merkel und Herr Schäuble den Inhalt des ESM-Vertrages nicht kennen, erscheint mir, pardon, einigermaßen skurril. Das, was in diesem Vertrag steht, ist das, was unsere Regierung will und mit höchster Energie und gegen alle Widerstände durchsetzt.
Was die Handelnden sich dabei denken, und welche Beweggründe sie antreiben, darüber kann man aus dem Blickwinkel der misera plebs nur rätseln. Aber eines können die Verantwortlichen nicht. Sie können sich nicht, niemals, vor uns hinstellen und verkünden: "Das haben wir nicht gewollt."
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Zitat von Zettel im Beitrag #4Abgeordneten in einer solchen Situation vorzuwerfen, daß sie sich nicht gegen die eigene Regierung gestellt haben, halte ich für nicht vertretbar.
Hätte jemand eine plausible Lösung, dann wäre ihm der Nobelpreis sicher. Hätten die Abgeordneten, die mit ja gestimmt haben, einen besseren Weg gesehen, dann hätten sie vermutlich nicht mit ja gestimmt.
Es gibt meiner Ansicht nach keine "Lösung" dieses Desasters. Keine Möglichkeit etwas anzukurbeln, was nicht extrem weh täte. Momentan betreibt man sehenden Auges Konkursverschleppung und hofft ... auf was eigentlich? Dass sich die Märkte "beruhigen"? Nachdem man grundsätzliche Verträge gebrochen hat? Nachdem man durch die Ausschließung offensichtlicher Staatsbankrotte das Elend erst hat immer weiter anwachsen lassen? Nachdem man private Anleger dann doch zwangsgehaircuttet hat? Nachdem man in mittlerweile Jahren nicht ein bissl gerettet, sondern lediglich die im Raum stehenden Summen stets weiter erhöht hat?
Wäre ich Abgeordneter und würde vor diesem Scherbenhaufen stehen, ohne die Aussicht auf ein Entkommen, würde ich mich sozusagen aufs Notfallprogramm zurückbesinnen. Auf meine Prinzipien und auf mein Gewissen. So, wie es ja durchaus auch manche Abgeordnete der bürgerlichen Koalition getan haben.
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Zitat von FAB. im Beitrag #5Die Vorstellung, es könnte anders sein, es könnten ausgerechnet Frau Merkel und Herr Schäuble den Inhalt des ESM-Vertrages nicht kennen, erscheint mir, pardon, einigermaßen skurril.
Soweit ich es beurteilen kann, lieber FAB., geht es ja nicht einfach um den Inhalt, sondern um das, was im schlimmsten Fall eintreten kann.
Ich stelle mir das als juristischer Laie vor wie das Bürgen im Zivilleben. Jemand bittet mich, für ihn zu bürgen. Um was es sich handelt, steht in einem kurzen, einfachen Vertrag. Aber erst der Fachmann sagt mir, welche Folgen dieses Bürgen im ungünstigsten Fall für mich haben könnte. Dazu muß man eben auch die Kompetenz haben, das Kleingedruckte auf alle seine möglichen Weiterungen hin abklopfen zu können.
Man sollte noch erwähnen, daß Homburg natürlich auch Partei ist; denn er vertritt Kläger in dieser Sache vor dem BVerfG.
Zitat von Noricus im Beitrag #3Und es ist langsam auffällig, dass (fast?) alle diese gewichtigen Stimmen - dankenswerterweise - in der FAZ/FAS ein Forum finden.
Ja, das ist mir auch aufgefallen. Man könnte es auch negativ formulieren: Daß sie in den anderen Medien, die dafür auch in Frage kämen, bisher offenbar kein Forum gefunden haben.
Zitat von ZettelWohlfeiler Kritik an der Regierung kann ich mich deshalb nicht anschließen.
Lieber Zettel,
mittlerweile gibt es so viele ernstzunehmende Stimmen, die vor diesem Vertrag warnen, daß ich diese Kritik nicht mehr als wohlfeil bezeichnen kann. Ich habe noch nie ein Vertragswerk gesehen, das so zum Mißbrauch auffordert wie dieses. Schon allein dadurch, daß die potentiellen Mißbraucher sakrosankt sein werden! Demokratische Kontrolle? Fehlanzeige! Irgendeine wie auch immer geartete Kontrolle? Berichtspflicht? Alles Fehlanzeige!
Zitat von FABDas, was in diesem Vertrag steht, ist das, was unsere Regierung will und mit höchster Energie und gegen alle Widerstände durchsetzt.
Zitat von Zettel im Beitrag #7 Ich stelle mir das als juristischer Laie vor wie das Bürgen im Zivilleben. Jemand bittet mich, für ihn zu bürgen. Um was es sich handelt, steht in einem kurzen, einfachen Vertrag. Aber erst der Fachmann sagt mir, welche Folgen dieses Bürgen im ungünstigsten Fall für mich haben könnte. Dazu muß man eben auch die Kompetenz haben, das Kleingedruckte auf alle seine möglichen Weiterungen hin abklopfen zu können.
Ähm ... ICH habe es begriffen. Tausende erregte Kommentatoren im Internet haben es begriffen. Die Zivile Koalition um Beatrix von Storch hat es lang, breit und offensichtlich erklärt. Und unsere Regentschaft soll eventuell nicht die Kompetenz dafür haben??? Kein Fachmann, nirgends? Über den Tisch gezogen von "angelsächsischen Kanzleien"? Sorry, ich halte Schäuble für gefährlich, aber nicht für dumm.
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Zitat von ZettelIch stelle mir das als juristischer Laie vor wie das Bürgen im Zivilleben. Jemand bittet mich, für ihn zu bürgen. Um was es sich handelt, steht in einem kurzen, einfachen Vertrag. Aber erst der Fachmann sagt mir, welche Folgen dieses Bürgen im ungünstigsten Fall für mich haben könnte.
Sind Sie sicher, daß das hier ein angemessener Vergleichsmaßstab ist?
Zitat von ZettelDazu muß man eben auch die Kompetenz haben, das Kleingedruckte auf alle seine möglichen Weiterungen hin abklopfen zu können.
Wie wahrscheinlich ist es, daß diese Kompetenz in Kanzleramt und Finanzministerium der Bundesrepublik Deutschland nicht vorhanden ist?
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Zitat von Calimero im Beitrag #2Wer bis dahin nicht gecheckt hatte um was es geht, ist als Volksvertreter wohl nur als ungeeignet zu bezeichnen. Wer trotz der Informationskampagne noch für den ESM gestimmt hat, kann dies nur noch mit Herdentrieb, persönlicher Hilflosigkeit oder ganz einfach Ignoranz erklären.
Das sehe ich anders, lieber Calimero. Wir Deutschen haben nicht mehrheitlich Abgeordnete gewählt, auf die Ihre Kennzeichnung zutrifft. (Denn in Deutschland werden die Mandate ja nicht verlost ).
Ich würde die angebliche Elite, auch wenn von einer Mehrheit gewählt, nicht überschätzen. Ein gelostes Gremium, dass representativ die Bevölkerung abbildet, hätte vielleicht am Anfang mitgemacht aber irgendwann gesagt: Es reicht, das wird ja ein Fass ohne Boden.
“Being right too soon is socially unacceptable.” ― Robert A. Heinlein
"Considering the exclusive right to invention as given not of natural right, but for the benefit of society, I know well the difficulty of drawing a line between the things which are worth to the public the embarrassment of an exclusive patent, and those which are not."
Danke, ich weiß das Jungenfrauengeburt und Dogma der unbefleckten Empfängnis zwei grundverschiedene Dinge sind. Nur weil jemand einem Dogma nicht folgt, muss er es nicht unbedingt falsch verstanden haben, auch wenn es tatsächlich ein weit verbreitetes Missverständnis gibt.
Zitat von Zettel im Beitrag #4[ Wir Deutschen haben nicht mehrheitlich Abgeordnete gewählt, auf die Ihre Kennzeichnung zutrifft. (Denn in Deutschland werden die Mandate ja nicht verlost ).
Der gemeine Wähler konnte es aber vorher ahnen, wenn er sich etwas intensiver mit den Kandidaten für das Direktmandat auseinandergesetzt hat. Auch wenn es eine Mehrheitsentscheidung der durch das deutsche Volk gewählten Abgeordneten ist, spiegelt diese nicht den Willen des deutschen Volkes wider.
Zitat Abgeordneten in einer solchen Situation vorzuwerfen, daß sie sich nicht gegen die eigene Regierung gestellt haben, halte ich für nicht vertretbar.
Ich halte es nicht nur für vertretbar, sondern für die Pflicht eines Abgeordneten nicht gegen sein Gewissen zu stimmen. Es mag zwar sein, dass das Gewissen mehrheitlich mit der Regierung ist, auch bei offensichtlichen Fehlentscheidungen, doch es haben sich immerhin einige gefunden, deren gewissen geboten hat, dem munteren Treiben Einhalt zu bieten.
Zitat von ZettelHätte jemand eine plausible Lösung, dann wäre ihm der Nobelpreis sicher. Hätten die Abgeordneten, die mit ja gestimmt haben, einen besseren Weg gesehen, dann hätten sie vermutlich nicht mit ja gestimmt.
Es könnte auch Besoffenheit vorliegen, kam in der Vergangenheit schon öfters vor.
Zitat von Calimero im Beitrag #10Ähm ... ICH habe es begriffen.
Glückwunsch, lieber Calimero.
Ich leider nicht. Ich sehe eine Regierung, die in einer schwierigen Situation das tut, was ihr der Amtseid gebietet. Es gibt gute Gründe, zu befürchten, daß es sich als das Falsche erweisen wird. Es kann auch sein, daß es das genau Richtige ist und uns vor einer Katastrophe bewahrt.
Ich staune hier wieder einmal (wie auf anderen Gebieten auch) über die Sicherheit, mit der viele meiner Mitmenschen wissen, was bei einem hochkomplexen Thema richtig und was falsch ist. Die Sicherheit, mit der in einer von Unsicherheiten nur so wimmelnden Welt so viele sich ein Urteil zutrauen, kommt mir manchmal schwindelerregend vor.
Das gilt übrigens auch für die Klimatologie, in die ich mich für die geplante Serie gerade a bisserl einlese (kann sein, daß es mit den Artikeln deshalb noch etwas dauert).
Im Fall der Ökonomie habe ich gelegentlich erwogen, mir das eine oder andere Lehrbuch zu kaufen, mich für ein paar Wochen zurückzuziehen und das durchzuackern. Aber auch das würde ja nicht mehr liefern als Laienwissen; oder anders gesagt: Unwissen, nur auf einem höheren Niveau.
Zitat von ZettelDazu muß man eben auch die Kompetenz haben, das Kleingedruckte auf alle seine möglichen Weiterungen hin abklopfen zu können.
Wie wahrscheinlich ist es, daß diese Kompetenz in Kanzleramt und Finanzministerium der Bundesrepublik Deutschland nicht vorhanden ist?
Ich weiß es nicht, lieber FAB.
Sarrazin war in der Zeit, in der die Weichenstellung beschlossen wurde, die schließlich zum Euro führte, Beamter im Bundesfinanzministerium. Er schildert den damaligen Meinungsbildungsprozeß - viele Einwände, aber am Ende war man sic einig, daß man es riskieren könne.
So ähnlich mag es auch jetzt sein. Ein mögliches Problem ist, daß man zur Beurteilung eines solchen Vertrags eine mehrfache Kompetenz braucht: Europarecht, internationales Vertragsrecht, aber auch Finanzpolitik und nicht zuletzt Ökonomie.
Mich würde interessieren, welche Hochschullehrer die Bundesregierung in diesen Fragen beraten und wessen Rat sie speziell in Bezug auf ESM eingeholt hat.
Zitat von Zettel im Beitrag #14 Ich staune hier wieder einmal (wie auf anderen Gebieten auch) über die Sicherheit, mit der viele meiner Mitmenschen wissen, was bei einem hochkomplexen Thema richtig und was falsch ist.
Im Angelsächsischen (außerhalb von Winkelkanzleien) gibt es da eine brauchbare Daumenregel:
Zitat _________ The duck test is a humorous term for a form of inductive reasoning. This is its usual expression: “ If it looks like a duck, swims like a duck, and quacks like a duck, then it probably is a duck." _________
Zitat von ZettelIch staune hier wieder einmal (wie auf anderen Gebieten auch) über die Sicherheit, mit der viele meiner Mitmenschen wissen, was bei einem hochkomplexen Thema richtig und was falsch ist.
Der Inhalt eines Vertrags mag noch so "komplex" und undurchschaubar formuliert sein - in dem Moment, in dem ich aufgefordert werde, mit Blut zu unterschreiben, ist die Sache klar.
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Zitat von Zettel im Beitrag #4 Es kann sein, daß es zu einem Kladderadatsch kommt, wenn der ESM beschlossen wird. Es kann sein, daß es zu einem Kladderadatsch kommt, wenn das BVerfG ihn kippen sollte.
Es ist ja eine Sache, ob die finanziellen Schäden im Falle des Zusammenbruchs der Währungsunion höher wären, oder bei deren dauerhaften Rettung. Dies kann keiner letztendlich voraussagen (wobei ich ganz eindeutig den Stimmen traue, die das "Ende mit Schrecken" fordern). Die andere und viel wichtigere Sache ist doch, dass die Demokratie gebeugt wird und Entscheidungsbefugnisse des Bundestages und letztendlich der Bürger geopfert werden.
Ich bin KEIN Experte für das, was hier als angelsächsisches Vertragsrecht bezeichnet wird, würde aber erwarten, dass sich ein solcher Vertrag erst einmal gut liest und anhört, dann aber Fallstricke beinhaltet. Ich frage mich, was dann ist, wenn ein Vertrag wie der ESM bereits offensichtlich gravierend schlechte Regelungen enthält. Muss uns dann der Vetragsersteller erst erklären, dass alles viel besser ist als es sich liest? Für mich nicht logisch.
Zitat von Calimero im Beitrag #10Ähm ... ICH habe es begriffen.
Glückwunsch, lieber Calimero.
Ich leider nicht. Ich staune hier wieder einmal (wie auf anderen Gebieten auch) über die Sicherheit, mit der viele meiner Mitmenschen wissen, was bei einem hochkomplexen Thema richtig und was falsch ist. Die Sicherheit, mit der in einer von Unsicherheiten nur so wimmelnden Welt so viele sich ein Urteil zutrauen, kommt mir manchmal schwindelerregend vor.
Herzlich, Zettel
Meine Kompetenzen als ´Weltökonom´ sind auch noch nicht voll ausgebildet, ähnlich wie die unserer Abgeordneten. Diese, allerdings, treten mit genau dieser wackeligen Sicherheit vor die Kameras und verkünden das "Richtige". So schwierig und undurchschaubar sich mir die Lage darstellt, so überrascht bin ich wie überzeugt neue Beschlüsse verkündet werden. Und zwar häufig genug als alternativlos. Und genau das gibt es nicht. Nie! Dabei wird es auch um so deutlicher, es wird scheinbar garnicht in alle Richtungen gedacht um die anstehenden Probleme zu lösen, sondern nur unter ideologischen Sichtweisen. Die Eu, der Euro werden in ihrer großen Linie nicht in Frage gestellt: Alle Lösungsvorschläge haben sich dieser Überschrift zu beugen. Solch eine Vorgehensweise kann nur zufällig funktionieren. Das gilt übrigens auch für die Klimatologie.
Zitat von Noricus im Beitrag #3Und es ist langsam auffällig, dass (fast?) alle diese gewichtigen Stimmen - dankenswerterweise - in der FAZ/FAS ein Forum finden.
Ja, das ist mir auch aufgefallen. Man könnte es auch negativ formulieren: Daß sie in den anderen Medien, die dafür auch in Frage kämen, bisher offenbar kein Forum gefunden haben.
Herzlich, Zettel
Das könnte daran liegen, dass es als proeuropäisch und solidarisch gilt, für den ESM zu sein; das sind Attribute, mit denen sich deutsche Journalisten gern schmücken. Dagegen werden ESM-Gegner in die antieuropäische und unsolidarische Ecke gestellt. Das sind natürlich Eigenschaften, die sich kaum ein Redakteur nachsagen lassen will.
Die FAZ/FAS hat eine salomonische Lösung gewählt. Man lässt Experten sprechen, deren sachverständige Meinung nicht so einfach als nationalistische Panikmache abgetan werden kann, und hält sich selbst im Hintergrund.
Zitat von Zettel im Beitrag #14Ich staune hier wieder einmal (wie auf anderen Gebieten auch) über die Sicherheit, mit der viele meiner Mitmenschen wissen, was bei einem hochkomplexen Thema richtig und was falsch ist. Die Sicherheit, mit der in einer von Unsicherheiten nur so wimmelnden Welt so viele sich ein Urteil zutrauen, kommt mir manchmal schwindelerregend vor.
Ein paar entscheidungstheoretische Anmerkungen: Im normalen Leben würde man einen Vertrag, der unüberschaubare Risiken enthalten kann, nicht unterschreiben wenn es nicht auch eine "Gewinnchance" gibt. Wo also ist denn in der ganzen Sache die Gewinnchance?
Es gibt doch ein paar allgemeine Daumenregeln: Bist Du in einer schlechten Situation - sieh zu das Du nicht in eine noch schlechtere Situation kommst.
Und eine vertragliche Verpflichtung ist immer die schlechtere Situation im Vergleich zum vertragslosen Zustand.
Und weiter: Unterschreibe NIEMALS einen Vertrag dessen Konsequenzen Du nicht überschaust, nicht überschauen kannst oder dessen maximale Konsequenzen Du nicht zu tragen gewillt bist.
Und dann gilt auch: Lieber ein Ende mit Schrecken als ein Schrecken ohne Ende
Zitat Abgeordneten in einer solchen Situation vorzuwerfen, daß sie sich nicht gegen die eigene Regierung gestellt haben, halte ich für nicht vertretbar.
Das ist der alte Widerspruch zwischen Theorie und Praxis: Politische Theorie:
Zitat Die Abgeordneten des Deutschen Bundestages […] sind Vertreter des ganzen Volkes, an Aufträge und Weisungen nicht gebunden und nur ihrem Gewissen unterworfen.
(So das Deutsche Grundgesetz, Artikel 38)
Politische Praxis:
Zitat Dann lass dich doch beim nächsten Mal von deinem Gewissen aufstellen.
Zitat Es kann sein, daß es zu einem Kladderadatsch kommt, wenn der ESM beschlossen wird. Es kann sein, daß es zu einem Kladderadatsch kommt, wenn das BVerfG ihn kippen sollte. Ich sehe überhaupt keinen gangbaren Weg aus der gegenwärtigen Misere.
Abgeordneten in einer solchen Situation vorzuwerfen, daß sie sich nicht gegen die eigene Regierung gestellt haben, halte ich für nicht vertretbar.
Guter Zettel, Ihre Rechtfertigungen gehen meiner Ansicht nach an der Problematik vorbei. Um diese oder zukünftige Finanz- und Wirtschaftskrisen zu bewältigen - und zwar situationsgerecht und gerecht zu bewältigen - ist es einfach überflüssig, die Haushaltssouveränität der Bundesrepublik für jetzt und immerdar vollständig in EU-Hände zu legen.
Daß Sie mal achselzuckend und mit so schwachen Wischiwaschi-Verteidigungsargumenten ein Konzept hinnehmen, bei dem den Leistungsträgern von den Leistungsnehmern die Kapitulationsbedingungen diktiert werden, hätte ich bis vor kurzem nicht für möglich gehalten.
Zitat von ZettelIch staune hier wieder einmal (wie auf anderen Gebieten auch) über die Sicherheit, mit der viele meiner Mitmenschen wissen, was bei einem hochkomplexen Thema richtig und was falsch ist.
Der Inhalt eines Vertrags mag noch so "komplex" und undurchschaubar formuliert sein - in dem Moment, in dem ich aufgefordert werde, mit Blut zu unterschreiben, ist die Sache klar.
Schön plastischer Vergleich. Aber was, wenn nicht das eigene, sondern nur das Blut von anderen gefordert, und die Unterschrift alternativlos wäre?
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