Zitat von Zettel im Beitrag #77Hat denn, dear C., jemals eine deutsche Bundesregierung sich geweigert, sich einem Urteil des BVerfG zu unterwerfen?
Das kommt jetzt darauf an, was man unter Weigerung versteht. Keine Bundesregierung hat sich bisher direkt geweigert und dem Gericht öffentlich widersprochen.
Aber es gab schon genug Fälle (gerade in der jüngeren Vergangenheit), daß die Bundesregierung Gerichtsurteile faktisch ignoriert hat.
Danke, werter Zettel, dass Sie mal wieder mein aufbrausendes Temperament ein wenig bremsen und mich zwingen, nochmal zu überlegen und etwas präziser zu formulieren.
Sie haben natürlich Recht: Ohne den Kontext ist die Äußerung von Herrn Asselborn an sich nicht wirklich schlimm. In dem Interview ging es um die Haltung Deutschlands zu den neuen Plänenen für einen unbegrenzten Ankauf von Staatsanleihen durch die EZB. Nun muss man wissen: Der Ankauf von Staatsanleihen ist eine Maßnahme, die finanzpolitisch höchst risikoreich und problematisch ist. Mit gutem Grund wurden solche Staatsfinanzierungen deshalb unter der Ägide der alten Bundesbank unisono als unvereinbar mit der Rolle einer neutralen Instanz, die nur der Geldwertstabilität verpflichtet ist, angesehen. Die Skepsis - gerade in Deutschland - nun mit diesem alten ehernen Grundsatz zu brechen, ist daher aus meiner Sicht verständlich und nicht unbegründet.
Und was macht nun ein Herr Asselborn? Statt sich mit den Sachfragen zu beschäftigen (z.B. wie soll es einer EZB künftig möglich sein, im Sinne der Stabilität frei zu agieren, wenn ein Großteil ihrer Reserven und Buchwert im Falle einer Zinsentscheidung selbst in Mitleidenschaft gezogen wird?), sucht er nach einem Argumentationsmuster, mit dem er sich freischwimmen kann. Also er sucht und sucht und was fällt ihm spontan ein? Richtig! Wenn Deutschland nicht mitmacht, ist es isoliert in Europa...
Sorry, aber so einfach darf man es sich bei Fragen, die unsere Kinder und Kindeskinder mit Haftungsrisiken in einer Größenordnung konfrontieren, die wahrhaft biblisch sind, nun wirklich nicht machen. Ich bin gern bereit, meine (ablehnende) Haltung zu den derzeitigen Rettungsmaßnahmen noch mal zu überdenken. Dafür müsste ich freilich endlich ein wirkliches Sachargument hören, dass mich davon überzeugt, dass die bisherigen Maßnahmen wirklich einen Nutzen zu bringen versprechen, der es zumutbar erscheinen lässt, das Wohlergehen meiner Familie, meiner Kinder und meiner Enkel auf Spiel zu setzen (und nichts anderes tun wir als Deutschland gerade!).
Gruß
dari
PS: Lieber dari (männl.) ist richtig. Vielleicht sollte ich mir mal einen anderen nickname suchen...
Zitat Ich sehe die Gefahr auch, die Asselborn anspricht. Wenn Deutschland überfordert wird, wenn eine Mehrheit der Deutschen den Eindruck bekommt, von Europa künftig überwiegend Nachteile zu haben, dann besteht die Gefahr eines solchen Isolationismus.
Es mag eine Altersfrage sein, dass Sie, lieber Zettel, und die Politiker der Generation Kohl immer Deutschland als Gefahr sehen, wenn es nicht in EU-Strukturen gefesselt und gebunden ist.
Wir sind aber doch - unabhängig von Euro und EU - außenpolitisch über das Verhalten der Jahre vor 1914 und vor 1939, vor einem Streben nach einer militärisch untermauerten Machtposition lange hinaus.
Wir haben schon lange von Europa überwiegend Nachteile. Unsere Mark hat sich Kohl abschwatzen lassen, und jetzt dürfen wir für die Griechen und anderen Südländer zahlen. Vorteil? Ok, kein Geldumtausch bei Reisen ins NAchbarland. Aber Reisen in die Schweiz, nach London, nach Prag finden auch ohne Euro dort statt. - Es gibt keine Grenzkontrollen, so dass Hinz und Kunz einreisen kann, ohne dass das irgendwer mitbekommt. Vorteil? Ok, keine Wartezeit an den Hauptreisetagen. Ich habe es wieder bei der Schweiz gesehen: Wo ist das Problem einer Grenzkontrolle? Anhalten, Fenster auf, Personalausweis raushalten, "Gute Fahrt", weiter. - Jeder Auftrag der öfftl. Hand muss europaweit ausgeschrieben werden, so dass dann nicht der ortsansässige Unternehmer genommen wird, weil er ein paar Cent teurer ist, sondern es muss der Anbieter mit dem Dumpingpreis aus Portugal oder Polen genommen werden. Da fließt dann auch unser Geld nach Pusemuckel, während dem Unternehmer im ORt der Auftrag fehlt und er entsprechend weniger Gewerbesteuer zahlt, was dann wiederum uns erneut schädigt. Und wenn es um Gewährleistung geht, ist der Leistungserbringer in P. oder P. natürlich wunderbar am Wickel zu bekommen. Vorteil?
Wenn Deutschland einmal etwas mehr auch an seine eigenen Interessen denken würde - ja, das wäre vielleicht schlecht für Griechenland oder Portugal. Und deswegen holt Herr Asselborn die Moralkeule raus, damit wir nicht auch mal an uns denken.
Zitat Wo bitte habe ich das geschrieben? Ich habe wieder und wieder das genaue Gegenteil gesagt.
Bitte belegen Sie Ihre Behauptung oder entschuldigen Sie sich.
Guter Zettel, das war das Stilmittel der Ironie, wie aus dem Diskussionsverlauf eigentlich unmißverständlich hervorgeht. Selbstverständlich haben Sie das oder vergleichbares früher nicht gesagt - ganz im Gegenteil: Was Sie mir so sympathisch gemacht hat, war, daß Sie doch sehr konsequent für Freiheit, Selbstbestimmung und Eigenverantwortung eingetreten sind.
Umso unverständlicher ist mir Ihre Haltung in dieser Frage, daß freiwillige Entmündigung - also die Aufgabe von Freiheit, Selbstbestimmungsrecht und Eigenverantwortung - ja vielleicht doch eine ganz prima Lösung für die gegenwärtige Krise sei.
Mit "Schlaumeiern" meine ich diejenigen, die genau wissen, was die Regierung nur hätte tun müssen oder jetzt tun soll, und schon ist die Krise gemeistert.
Das erinnert mich an Leute auf einem Schiff in Seenot, die zum Kapitän auf die Brücke gehen und ihm raten, er solle sich doch bitte genau an seine Dienstvorschriften halten. Dann werde das Schiff schon nicht untergehen.
Interessanter Vergleich, vor allem wenn man bedenkt, dass der Kapitän eines Schiffes sich seine Mannschaft aussucht und nicht die Mannschaft ihn - wie das bei den Schlaumeiern der Fall ist. In der Tat habe ich den Eindruck unsere Kapitäne suchen sich ein neue Mannschaft der Meuterei als schwerstes aller Verbrechen gilt.
Mit "Schlaumeiern" meine ich diejenigen, die genau wissen, was die Regierung nur hätte tun müssen oder jetzt tun soll, und schon ist die Krise gemeistert.
Das erinnert mich an Leute auf einem Schiff in Seenot, die zum Kapitän auf die Brücke gehen und ihm raten, er solle sich doch bitte genau an seine Dienstvorschriften halten. Dann werde das Schiff schon nicht untergehen.
Herzlich, Zettel[/quote]
Wenn, guter Zettel, in den Dienstvorschriften schon ein Kapitel "Verhalten und Vorgehensweisen im Falle der Seenot" vorhanden ist, sollte man es schon beherzigen, denn es fußt ja auf den Erfahrungen von in Seenot geratenen Kapitänen. Francesco Schettino hielt es auch für nicht nötig sich an Vereinbarungen zu halten oder in die Dienstvorschrift zu schauen.
Zitat von wflamme im Beitrag #106Umso unverständlicher ist mir Ihre Haltung in dieser Frage, daß freiwillige Entmündigung - also die Aufgabe von Freiheit, Selbstbestimmungsrecht und Eigenverantwortung - ja vielleicht doch eine ganz prima Lösung für die gegenwärtige Krise sei.
Zitat von dari im Beitrag #102Der Ankauf von Staatsanleihen ist eine Maßnahme, die finanzpolitisch höchst risikoreich und problematisch ist. Mit gutem Grund wurden solche Staatsfinanzierungen deshalb unter der Ägide der alten Bundesbank unisono als unvereinbar mit der Rolle einer neutralen Instanz, die nur der Geldwertstabilität verpflichtet ist, angesehen.
Gemäß Art. 123 Abs. 1 AEUV (am Ende) sind der EZB Staatsanleihenankäufe am Primärmarkt ("der unmittelbare Erwerb") verboten, nicht jedoch am Sekundärmarkt. Ob diese Regelung ökonomisch sinnvoll ist, bezweifle ich, würde ihre Beurteilung aber gern ökonomisch sachverständigeren Zeitgenossen überlassen. Primärmarktkäufe dürfen jedoch von der EFSF durchgeführt werden.
Zitat von Noricus im Beitrag #94Der schwere Nachteil würde eben darin liegen, dass bei Nichterlassung der ew. Ao. Gauck den ESM ratifiziert und dieser unter den in Art. 48 I ESM-Vertrag genannten Bedingungen (Ratifikation durch so viele Staaten, dass deren Erstzeichnungen zusammen mindestens 90 % der Gesamtgarantiesumme ergeben) für Deutschland völkerrechtlich verbindlich wird.
Haben Sie, lieber Noricus, eine Vorstellung wovon Spanien eigentlich seine Anteile am ESM bezahlt? Oder Italien welches auch EU-Hilfen erwägt anzufordern? Wird dann nicht der ESM-Anteil gar von den EU-Hilfen bezahlt?
Optimal wäre ein Finanzministerium auf der Ebene, wo auch die Notenbank agiert, d.h. an der Spitze der Euro-Länder. Vorbild ist die USA: während die Bundesstaaten als Währungsnutzer ausgeglichen bilanzieren müssen (sollten), kann sich der Bund in unendlicher Höhe verschulden. Um dem glaubwürdig auch ein Instrument zur Kaufkraftabschöpfung gegenüber zu stellen, braucht der Bund auch Steuerhoheit. Die direkte Erhebung von Steuern (in den USA ist das vor allem der Bundesanteil an der Einkommenssteuer) ist politisch in Europa noch nicht möglich, also verpasst man dem ESM ein Werkzeug, mit dem er auf andere Weise eine Art Steuer erheben kann: direkte Einzahlungen und Nachschußpflichten.
Daß der ESM von allen Lizenzierungspflichten befreit ist, mag sein, aber er muß trotzdem bei der EZB Bankstatus beantragen. Es dürfte nur keine Möglichkeit der EZB geben, ihm diesen Status zu verwehren - was ja auch der Sinn davon ist, denn ein ESM ohne Refianzierungsmöglichkeit ist ein Krüppel und davon hat Europa in den letzten 15 Jahren ja schon genuge geschaffen.
Im Endausbau wird der ESM für alle Euroländer die Finanzierung übernehmen. Insofern ist der Fiskalpakt durchaus zweckmäßig, denn damit wird eine der USA ähnliche Situation geschaffen: die Nationalstaaten bilanzieren ausgeglichen und wer mehr benötigt, der geht zum Bund. Wünschenwert wäre es, wenn es eine Art Oberhaus á la US-Senat gäbe, wo über diese Wünsche demokratisch entschieden wird. So ein Gremium wird wohl irgendwann das ESM-Direktorium ersetzen.
In Summe ist der ESM an der Grenze dessen gemacht, was politisch in Europa möglich ist, aber gleichzeitig Aussicht hat, zu funktionieren. Es wäre an der Zeit, sind doch schon gut 3 Jahre unnötige Krise vergangen.
Zitat von Zettel im Beitrag #90Mit "Schlaumeiern" meine ich diejenigen, die genau wissen, was die Regierung nur hätte tun müssen oder jetzt tun soll, und schon ist die Krise gemeistert.
Das erinnert mich an Leute auf einem Schiff in Seenot, die zum Kapitän auf die Brücke gehen und ihm raten, er solle sich doch bitte genau an seine Dienstvorschriften halten. Dann werde das Schiff schon nicht untergehen.
Sie stellen einen Strohmann auf. Zumindest hier im Forum hat niemand impliziert, die Krise sei gemeistert, wenn die Regierung den ESM ablehnt.
-- Defender la civilización consiste, ante todo, en protegerla del entusiasmo del hombre. - Nicolás Gómez Dávila, Escolios a un Texto Implícito
Zitat von Noricus im Beitrag #110Gemäß Art. 123 Abs. 1 AEUV (am Ende) sind der EZB Staatsanleihenankäufe am Primärmarkt ("der unmittelbare Erwerb") verboten, nicht jedoch am Sekundärmarkt. Ob diese Regelung ökonomisch sinnvoll ist, bezweifle ich, würde ihre Beurteilung aber gern ökonomisch sachverständigeren Zeitgenossen überlassen. Primärmarktkäufe dürfen jedoch von der EFSF durchgeführt werden.
Mein Schlaumeier-Verstand sagt mir, dass es mittlerweile Jacke wie Hose ist, ob die EZB nun am Primär- oder nur am Sekundärmarkt kauft. Es dürfte für die EZB nicht allzu schwer sein, strohmannwillige Peripherie-Banken in der Eurozone zu finden, die die fragwürdigen Anleihen erst mal ersteigern um sie dann sofort zur Zentralbank durchzureichen. Ganz heimelig ums Herz wird mir auch bei dieser Story. Das Ausland flüchtet aus Spanien-Bonds, die spanischen Banken saugen diese dafür auf. Das Geld dafür kommt von der EZB, und für die dabei anfallenden Kursverluste haftet, zahlt, rettet ... ähm ... EFSMESMFS? ... Deutschland/Finnland/Holland? Ach, was weiß ich... Schlaumeier.
Zitat von QuerschüsseOberflächlich betrachtet hat die Liquiditätsflutung des spanischen Bankensystems gefruchtet, die spanischen Banken investierten in spanische Staatsanleihen. Die Crux dabei, sie generierten dabei Kursverluste, denn die Renditen spanischer Staatsanleihen am Sekundärmarkt stiegen. Dies wiederum zwingt fast die Helfer (Draghi) vorerst verbal und wohl auch konkret noch stärker zu helfen, auch um die Kursverluste der Banken und ihrer “Investments” in Staatsanleihen mittels Marktmanipulation, dem direkten Aufkauf von Staatsanleihen, um die Renditen zu drücken und natürlich auch um die Finanzierungskosten des Staates am Primärmarkt der Emissionen von Staatsanleihen zu senken.
AAAber hören wir doch mal zu, was hierzulande Wirtschaftsweise geheißene Menschen zur Staatsanleihenkauferei der EZB sagen:
Zitat von Der laut Prof. Krämer nicht ernstzunehmende Peter BofingerDer Kauf von Staatsanleihen ist das Instrument der EZB und das sollte sie einsetzen. (...) Die EZB kauft Anleihen zu 4 oder 5 Prozent Zinsen und solange diese vollständig zurückbezahlt werden – und davon gehe ich aus –, macht die EZB sogar Gewinn, weil sie sich quasi kostenlos refinanzieren kann. Dieser Gewinn landet in den Haushalten aller Mitgliedsländer.
Warum drucken die uns nicht einfach alle reich? Ich würde meinen Teil zum Wirtschaftsaufschwung bestimmt auch sofort beitragen.
---------------------------------------------------- Calimeros Rumpelkammer - Ein Raum für freie Rede und Gedanken, mittendrin im Irrenhaus.
Zitat von Zettel im Beitrag #96Es könnte dann wieder zu dem kommen, was den drei größten deutschen Staatsmänner des 20. Jahrhunderts, Konrad Adenauer, Helmut Kohl und Helmut Schmidt, größte Sorgen gemacht hat (alle drei haben das explizit gesagt): Daß Europa sich wieder von Deutschland bedroht fühlen könnte.
Welch ein Affront gegenüber Ludwig Erhardt, ohne dessen Wirtschaftspolitik, die er gegen immensen Widerstand (u. a. auch den Adenauers) durchsetzte, Deutschland niemals den Wohlstand erwirtschaften hätte können, den - neben Willy Brandt - gerade auch Helmut Schmidt und Helmut Kohl leichtfertig verplempert haben *kopfschüttel*
Der grösste deutsche Politiker der Nachkriegszeit (und vielleicht der gesamten deutschen Geschichte überhaupt) dürfte sich angesichts der aktuellen Geschehnisse im Grabe umdrehen.
Zitat von Johann Grabner im Beitrag #112Optimal wäre ein Finanzministerium auf der Ebene, wo auch die Notenbank agiert, d.h. an der Spitze der Euro-Länder.
Wenn man davon absieht, daß die Euro-Zone nicht die komplette EU umfaßt, gibt es das. Denn natürlich hat die EU ein Finanzministerium und einen Finanzminister, auch wenn er Kommissar genannt wird. Auf jeden Fall verwaltet der die Staatsfinanzen auf EU-Ebene, genau wie seine Kollegen auf Staats-, Länder- und Gemeindeebene das machen.
Zitat Vorbild ist die USA: ... kann sich der Bund in unendlicher Höhe verschulden.
Das ist kein Vorbild, sondern eine Horrorvision. Eine "unendliche Verschuldung" ist weder machbar noch wünschenswert. Und die übermäßige Verschuldung der letzten Jahre wird den USA noch sehr schmerzhaft auf die Füße fallen.
Zitat Um dem glaubwürdig auch ein Instrument zur Kaufkraftabschöpfung gegenüber zu stellen, braucht der Bund auch Steuerhoheit.
Steuern dienen eigentlich nicht der Kaufkraftabschöpfung. Warum der Bund als "Gegenüberstellung" so etwas braucht sollte, kann ich nicht nachvollziehen.
Zitat Die direkte Erhebung von Steuern (...) ist politisch in Europa noch nicht möglich
Sicher ist das möglich, die EU bekommt ja auch direkte Steuern (Mehrwertsteueranteil). Zusätzliche Steuereinnahmen sind grundsätzlich möglich, die Beschlußfassung dazu ist halt etwas kompliziert (Zustimmung der Einzelstaaten).
Zitat also verpasst man dem ESM ein Werkzeug, mit dem er auf andere Weise eine Art Steuer erheben kann: direkte Einzahlungen und Nachschußpflichten.
Was nun ein deutlicher Mißbrauch der ESM-Struktur und vertragswidrig wäre.
Zitat Daß der ESM von allen Lizenzierungspflichten befreit ist, mag sein, aber er muß trotzdem bei der EZB Bankstatus beantragen.
Warum? Mir ist nicht klar, welches Gesetz ihn dazu verpflichten würde.
Zitat Es dürfte nur keine Möglichkeit der EZB geben, ihm diesen Status zu verwehren...
Auch hier: Warum? Was soll die gesetzliche/vertragliche Grundlage dafür sein?
Zitat denn ein ESM ohne Refianzierungsmöglichkeit ist ein Krüppel
Der ESM hat 700 Milliarden zur Verfügung. Das würde ich nicht "verkrüppelt" nennen.
Zitat Im Endausbau wird der ESM für alle Euroländer die Finanzierung übernehmen.
Das ist natürlich die Hoffnung der Defizitländer und unser Alptraum.
Nun, lieber Zettel, im Grunde schon hier in Ihrem einführenden Kommentar:
Zitat Ich kann mich nicht an irgendeine Situation in der Geschichte der Bundesrepublik erinnern, in der so viele Fachleute auf die Gefahren einer Regierungsentscheidung hingewiesen hätten wie jetzt beim ESM; aktuell gestern der Professor für Öffentliche Finanzen Stefan Homburg. (...) Ob das, was dann entschieden wird, richtig ist oder falsch, das wird erst die kommende Entwicklung zeigen. Vermutlich geht es längst nur noch darum, von allen falschen Alternativen die noch erträglichste zu wählen.
Im ersten Absatz oben sehen Sie sehr wohl den Verlust wesentlicher Teile unserer Haushaltssouveränität, wenn der ESM so zustandekommt. Im letzten Teil eröffnen Sie dann aber immerhin die Möglichkeit, daß dieser Verlust die Lösung der Krise darstellen könnte, also 'richtig' wäre. MaW, 'richtig' sei, was die Krise löst, auch wenn es uns womöglich die Haushaltssouveränität kostet.
Und damit verraten Sie schon die von mir erwähnten Prinzipien, die Sie vorher so unermüdlich hochgehalten haben: Entmüngigung könnte nach dieser Darstellung ein 'richtiger' Weg sein.
Und da diese - möglicherweise 'richtige' - Entmündigung ja eine künftige unbegrenzte Vergemeinschaftung von Schulden und Leistungen zum Ziel hat, reden Sie damit wohl welchen politischen Strömungen das Wort, die Sie bisher so verabscheuten?
Zitat Wenn nun Deutschland glaubhaft signalisieren kann, dass die z.B. spanischen Staatsschulden auf jeden Fall sicher sind, dann sinken die spanischen Zinsen und der Ernstfall tritt erst gar nicht ein.
Lieber Florian,
die Bereitschaft eines leistungsfähigen Gläubigers, sich durch 'unbegrenzte' Alimentierung seines Schuldners notfalls sogarzu ruinieren, signalisiert doch spontan zweierlei: a) Dummheit und b) künftig nachlassende Leistungsfähigkeit dieses Gläubigers. Dies wäre jedenfalls das Signal, was ich 'empfangen' würde. Aber schieben wir das jetzt mal in den Hintergrund.
Ihre Argumentation fußt jedenfalls auf einer unausgesprochenen Prämisse. Die lautet, daß der Markt irrational ist und Spaniens wahre Bonität vom Kapitalmarkt unterschätzt wird. So daß das Signal eigentlich bedeutet, daß wir jetzt mit unserer gesamten Volkswirtschaft das Zocken anfangen.
Zitat von Johann Grabner im Beitrag #112Optimal wäre ein Finanzministerium auf der Ebene, wo auch die Notenbank agiert, d.h. an der Spitze der Euro-Länder. Vorbild ist die USA: während die Bundesstaaten als Währungsnutzer ausgeglichen bilanzieren müssen (sollten), kann sich der Bund in unendlicher Höhe verschulden. Um dem glaubwürdig auch ein Instrument zur Kaufkraftabschöpfung gegenüber zu stellen, braucht der Bund auch Steuerhoheit. Die direkte Erhebung von Steuern (in den USA ist das vor allem der Bundesanteil an der Einkommenssteuer) ist politisch in Europa noch nicht möglich, also verpasst man dem ESM ein Werkzeug, mit dem er auf andere Weise eine Art Steuer erheben kann: direkte Einzahlungen und Nachschußpflichten.
Steuern werden nicht zur Kaufkraftabschöpfung verwendet! Werden Steuern vom Staat eingenommen, dann wird die dadurch vorhandene Kaufkraft von Politikern direkt wieder in Umlauf gebracht im Rahmen staatlicher Ausgaben. Sprich: Es handelt sich nur um Umverteilung von Privat auf Politunfktionäre.
Selbst wenn man es zu anderen zwecken Nutzen würde, man also Staatstitel von staatlicher Seite tatsächlich wieder Aufkaufen würde um die Schuldenlast zu reduzieren: Warum können das die sich verschuldenden Teilstaaten nicht von sich aus? Weil der politische Wille fehlt? Der fehlt auch auf Bundesebene!
“Being right too soon is socially unacceptable.” ― Robert A. Heinlein
"Considering the exclusive right to invention as given not of natural right, but for the benefit of society, I know well the difficulty of drawing a line between the things which are worth to the public the embarrassment of an exclusive patent, and those which are not."
Danke, ich weiß das Jungenfrauengeburt und Dogma der unbefleckten Empfängnis zwei grundverschiedene Dinge sind. Nur weil jemand einem Dogma nicht folgt, muss er es nicht unbedingt falsch verstanden haben, auch wenn es tatsächlich ein weit verbreitetes Missverständnis gibt.
Im Endausbau wird der ESM für alle Euroländer die Finanzierung übernehmen. Insofern ist der Fiskalpakt durchaus zweckmäßig, denn damit wird eine der USA ähnliche Situation geschaffen: die Nationalstaaten bilanzieren ausgeglichen und wer mehr benötigt, der geht zum Bund. Wünschenwert wäre es, wenn es eine Art Oberhaus á la US-Senat gäbe, wo über diese Wünsche demokratisch entschieden wird. So ein Gremium wird wohl irgendwann das ESM-Direktorium ersetzen.
In Summe ist der ESM an der Grenze dessen gemacht, was politisch in Europa möglich ist, aber gleichzeitig Aussicht hat, zu funktionieren. Es wäre an der Zeit, sind doch schon gut 3 Jahre unnötige Krise vergangen.
Und woher kommt eigentlich die Kaufkraft des ESM? Aus dem nichts? Zum Teil von den Mitgliedsstaaten, aber der Apsekt der Refinanzierung über die EZB macht schon wieder klar worin die Reise geht: Neue Kaufkraft durch Gelddrucken. Das geht auf lange Sicht nicht gut. Die nächste Krise ist vorprogrammiert. Es ist ledliglich eine Binsenweisheit, dass eine größere und finanzstärkere Einheit sich länger Ineffizienz und Insolvenzverschleppung leiste kann als eine kleine Einheit - aber ist das immer ein Vorteil, insbesondere wenn die Kontrolle über diese Instanz bei Leuten liegt, die ihre eigenen Entscheidungen nicht selber ausbaden müssen, sondern an ihre Nachfolger weitergeben können?
Die Krise war tatsächlich unnötig: Mit ausgeglichenen Staatshaushalten und ohne Teilreservesystem wäre es vermutlich nicht zu einer solchen Schuldenkrise gekommen oder zumindest nicht in diesem krisenhaften Ausmaß.
Ob das Geld dann von einer der Kaufkraftstabilität verpflichteten unabhängigen Zentralbank herausgegeben oder zu 100% mit einer anderen zur Geldbasis erklärten Ware gedeckt wird erscheint mir eher zweitrangig. Ob durch eine einheitliche Zentralbank oder durch eine Vielzahl an Zentralbanken jeweils für ihr Gebiet auch.
Die beiden Aspekte mögen beides ihre Relevanz und Auswirkungen haben und man kann darüber streiten welches Modell nun in welchem Fall oder auch allgemein besser und den anderen überlegen ist. Die Unterschiede erscheinen mir dann aber nur noch graduell.
“Being right too soon is socially unacceptable.” ― Robert A. Heinlein
"Considering the exclusive right to invention as given not of natural right, but for the benefit of society, I know well the difficulty of drawing a line between the things which are worth to the public the embarrassment of an exclusive patent, and those which are not."
Danke, ich weiß das Jungenfrauengeburt und Dogma der unbefleckten Empfängnis zwei grundverschiedene Dinge sind. Nur weil jemand einem Dogma nicht folgt, muss er es nicht unbedingt falsch verstanden haben, auch wenn es tatsächlich ein weit verbreitetes Missverständnis gibt.
Zitat von FlorianWenn nun Deutschland glaubhaft signalisieren kann, dass die z.B. spanischen Staatsschulden auf jeden Fall sicher sind, dann sinken die spanischen Zinsen und der Ernstfall tritt erst gar nicht ein.
Oder der entgegengesetzte Effekt tritt ein: die deutschen Zinsen steigen.
Zitat von wflamme im Beitrag #119die Bereitschaft eines leistungsfähigen Gläubigers, sich durch 'unbegrenzte' Alimentierung seines Schuldners notfalls sogarzu ruinieren, signalisiert doch spontan zweierlei: a) Dummheit und b) künftig nachlassende Leistungsfähigkeit dieses Gläubigers. Dies wäre jedenfalls das Signal, was ich 'empfangen' würde.
Auch auf die Gefahr hin, mir jetzt von beiden Seiten einen Rüffel einzufangen, scheint mir, dass beide Herren bei ihrem Disput ein wenig aneinander vorbei reden: Fokus der Ausführungen von Zettel scheint mir eher die individuelle Selbstbestimmung des einzelnen Bürgers zu sein, wohingegen WFlamme vor allem auf die (kollektive) Selbstbestimmung Deutschlands über seine Finanzen abzuheben scheint.
Klar, das eine ist letztlich nicht vom anderen ganz zu trennen (schließlich bestehen Deutschlands Finanzen ja aus den Steuern und Abgaben der deutschen Bürger). Trotzdem unterscheiden sich beide Fragestellung in einem elementaren Punkt: Ich hätte grundsätzlich weniger Probleme damit, kollektive Selbstbestimmung Deutschlands auf ein anderes Subjekt zu übertragen (geschieht im Rahmen der EU nach Art. 23 GG ja andauernd). Bei meiner individuellen Selbstbestimmung sieht das dagegen aber nun doch gaaaanz anders aus!
Zitat von wflamme im Beitrag #119 ...Ihre Argumentation fußt jedenfalls auf einer unausgesprochenen Prämisse. Die lautet, daß der Markt irrational ist und Spaniens wahre Bonität vom Kapitalmarkt unterschätzt wird. So daß das Signal eigentlich bedeutet, daß wir jetzt mit unserer gesamten Volkswirtschaft das Zocken anfangen.
Deine Argumentation ist absolut korrekt. Die Argumentation der ESM-Befürworter ist zutiefst keynsianisch: die EU-Staaten sind samt und sonders leistungsfähig. Die Leistungsfähigkeit wird aber nicht ausgeschöpft, da a) böse Spekulanten +Lobbiisten sowie b) irrationale Markteilnehmer die Staaten daran hindern. Wenn jetzt künstlich Nachfrage geschaffen wird, dann wird dieser Teufelskreislauf durchbrochen und am Ende gewinnt derjenige sogar, der die künstliche Nachfrage vorfinanziert hat.
Diese Argumentation von Keynes ist doch schon seit 30 Jahren widerlegt.
Erstens würde die Keynsianische anti-zyklische Nachfragepolitik nur funktionieren, wenn es in erheblichem Ausmaß (so ab 20% aufwärts, alles andere würde von Anpassungsmechanismen aufgefressen) unausgelastete Produktionskapazitäten gäbe. Das ist aber weder in Griechenland noch in Spanien der Fall. Griechenland hat gar keine eigene Produktion (Tourismus kommt im keynsianischen Modell nicht vor). Spanien hat vielleicht 5% oder 6% Unterauslastung und das auch nur im Bausektor.
Zweitens würde künstliche Nachfrage die Inflation erhöhen und damit ist keinem geholfen.
Drittens würde die künstliche Nachfrage zum großen Teil sinnlos verpuffen, da sie von Marktteilnehmern aufgesaugt würde, die gar nicht profitieren sollten. Denn das Modell von Keynes geht im Kern von einem fixen Angebot aus, was völlig irre ist.
Viertens würde die künstliche Nachfrage zu einer Verschiebung auch der Nachfragekurven aller Konsumenten führen - auf Deutsch: die Lust zu arbeiten würde abnehmen.
In Summe gilt: Keynes funktioniert nicht. Kostet nur Geld.
Zitat von Johann Grabner im Beitrag #112 Vorbild ist die USA: während die Bundesstaaten als Währungsnutzer ausgeglichen bilanzieren müssen (sollten), kann sich der Bund in unendlicher Höhe verschulden.
Werter Herr Grabner, die USA ist gerade kein Vorbild. 1. Hat die USA die auf Grund des Geld-druckens erzeugte Inflation einfach in die Welt exportiert. Früher hat das mal England gemacht und davor Frankreich. Deswegen hofft ja jedes Kulturgebiet, dass seine Währung zur Hauptwährung wird: denn jeweils die eine Währung, die von der Welt als Sicherungs- und Leitwährung verwendet wird, kann Inflation exportieren. Es gab tatsächlich mal die Träume von EU-Politikern, der Euro könne den Dollar in dieser Rolle ablösen.
Ich persönlich glaube eher, wir stehen vor einer Zeit, in der es keine Leitwährung mehr geben wird. Weder die EU noch die BRIC-Länder haben die Macht, ihre eigene Währung in diese Rolle zu bringen; sind aber gleichzeitig zu stark, um noch auf den Dollar angewiesen zu sein.
2. Hat die USA einen viel kleineren Staatssektor.
3. Wüsste ich nicht, dass die US-Bundesstaaten selber Geld drucken dürfen.
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