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ZETTELS KLEINES ZIMMER

Das Forum zu "Zettels Raum"



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 Kommentare/Diskussionen zu "Zettels Raum"
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Zettel Offline




Beiträge: 20.200

30.07.2012 16:02
#51 RE: Zitat des Tages: ESM Antworten

Zitat von FAB. im Beitrag #47

Zitat von Tischler
Haben die da, bei der FAZ keinen Wamba? Das die so einem Rechtsstaatsleugner ein Forum bieten; unglaublich.
Prof. Rüthers leugnet in seinem Artikel nicht den Rechtsstaat und würde eine Bezeichnung der Bundesrepublik als Unrechtsstaat zweifellos zurückweisen.
Er zeigt bedenkliche Tendenzen auf; das ist alles.

Und solche Tendenzen kann es in jedem demokratischen Rechtsstaat geben; ihnen ggf. Einhalt zu gebieten, ist ja eben eine der Hauptaufgaben des Verfassungsgerichts.

Würde allerdings dieses Gericht das Recht beugen, dann würde in der Tat aus dem Rechtsstaat ein Unrechtsstaat. Ich denke, ich sehe das so wie Sie, lieber FAB.

Herzlich, Zettel

Frank2000 Offline




Beiträge: 3.260

30.07.2012 16:05
#52 RE: Zitat des Tages: ESM Antworten

Zitat von Zettel im Beitrag #41

Verstehe ich Sie richtig, daß Sie nicht nur der Kanzlerin und Ministern vorwerfen, sie würden Ihren Amtseid brechen, sondern auch dem BVerfG unterstellen, es werde das Recht beugen?

Wenn Sie der Meinung sind, wir lebten in einem Unrechtsstaat, dann möchte ich Sie bitten, diese Meinung an anderer Stelle zu äußern, aber nicht in diesem Forum. Bitte lesen Sie dazu die Forumsregeln.
Gruß, Zettel



Werter Zettel,
es ist völlig unstrittig und mehrfach belegt sowie von den höchsten deutschen Gerichten bestätigt, dass Verfassungsorgane bereits wissentlich die Gesetze missachtet haben. Nicht von ungefähr hat sich in den letzten 10 Jahren der Spruch von der "Regierung der Juristen" eingebürgert, da das BVG und andere Bundesgerichte Aktionen der Legislative oder Exekutive stoppen mussten, die nicht nur möglicherweise, sondern sogar offensichtlich gegen das Grundgesetz oder andere oberste Gesetzeswerke verstoßen haben.

Solche Fälle von wissentlicher Missachtung liegen zum Beispiel vor, wenn das BVG der Legislative einen Handlungsauftrag mitgegeben hat und dann in einer zweiten Entscheidung die fehlende Umsetzung des Handlungsauftrags feststellen musste. Aber auch auf Seiten der Exekutive gibt es unglaubliche Vorgänge. Mein persönlicher Klassiker ist die rückwirkende (!) Abschaffung des Absatzfonds (die Finanzierungsgesellschaft der CMA). Unfassbar, dass dafür ein oberstes Gericht einschreiten musste.

Bisher gab es keinen Anlass, an der Verfassungstreue des BVG oder der anderen obersten Gerichte zu zweifeln. Weiterhin gibt es keinen Anlass zur Sorge, dass unsere Wahlen nicht demokratischen Prinzipien genügen würden - und selbst die Diskussion über die Überhangmandaten ändern nichts an dieser Feststellung.

Auf der anderen Seite bin ich persönlich kein Anhänger der Formaltheorie: dass ein politischer Akt, nur weil er von den offiziellen Organen durchgeführt wurde, automatisch auch inhaltlich legitimiert ist. Sonst würden wir ja die Diskussion über die DDR nicht führen. Mit anderen Worten: nur weil BISHER das BVG und die anderen obersten Gerichte ein Bollwerk gegen Rechtsbeugung sind, heisst das nicht AUTOMATISCH, dass JEDE Entscheidung des BVG auch Grundrechtskonform wäre nur auf Grund der Tatsache, dass das BVG diese Entscheidung getroffen hat.

Diese Diskussion ist extrem problematisch und wird nie abschließend geklärt werden können. Ergebnis einer ähnlichen Diskussion war ja auch, dass viele Juristen des 3. Reiches unbehelligt blieben, weil sie formal den damaligen Regelwerken genügten. Schon klar. Gleichzeitig allerdings wurde in der deutschen Bundeswehr die Formaltheorie (der sogenannte "Befehlsnotstand") abgeschafft. Ein Soldat kann sich NICHT mehr bei Grundrecht- oder Menschenrechtswidrigen Aktionen auf einen Befehl berufen. Schwierig das alles.

Letztlich sind auch die Richter des BVG Menschen und als solche allen Verlockungen und Irrungen der menschlichen Natur unterworfen. Aber wir schweifen ab und ich werde mich in das Legitimationsthema auch nicht weiter einschalten. Ich fand lediglich Ihre Antwort auf WasIstLiberal überraschend.

Tischler ( gelöscht )
Beiträge:

30.07.2012 16:08
#53 RE: Zitat des Tages: ESM Antworten

Zitat von Zettel im Beitrag #51
[quote="FAB."|p76850][quote="Tischler"]
Er zeigt bedenkliche Tendenzen auf; das ist alles.


Ach, entschuldigung, ich dachte, im ersten Augenblick, es wäre was Ernstes.

Zettel Offline




Beiträge: 20.200

30.07.2012 16:19
#54 RE: Zitat des Tages: ESM Antworten

Zitat von Frank2000 im Beitrag #52
Mit anderen Worten: nur weil BISHER das BVG und die anderen obersten Gerichte ein Bollwerk gegen Rechtsbeugung sind, heisst das nicht AUTOMATISCH, dass JEDE Entscheidung des BVG auch Grundrechtskonform wäre nur auf Grund der Tatsache, dass das BVG diese Entscheidung getroffen hat.
Aber wer will das entscheiden, lieber Frank? Welche Instanz gibt es denn oberhalb des BVerfG (die Abkürzung "BVG" ist mir ein wenig fremd; gibt es die bei Juristen? Jemand hat hier im Forum einmal geschrieben, das seien doch die Berliner Verkehrsbetriebe )?
Zitat von Frank2000 im Beitrag #52
Diese Diskussion ist extrem problematisch und wird nie abschließend geklärt werden können. Ergebnis einer ähnlichen Diskussion war ja auch, dass viele Juristen des 3. Reiches unbehelligt blieben, weil sie formal den damaligen Regelwerken genügten. Schon klar. Gleichzeitig allerdings wurde in der deutschen Bundeswehr die Formaltheorie (der sogenannte "Befehlsnotstand") abgeschafft. Ein Soldat kann sich NICHT mehr bei Grundrecht- oder Menschenrechtswidrigen Aktionen auf einen Befehl berufen. Schwierig das alles.

Es würde aus meiner Sicht dann schwierig werden, wenn sich in der Bundesrepublik totalitäre Verhältnisse abzeichneten; etwa durch die Übernahme wesentlicher Teile der Regierungsmacht durch die Kommunisten oder eine rechtsextreme Partei.

Dann könnte sich die Frage von Art. 20 GG stellen; dann könnte - und müßte - darüber diskutiert werden, ob der demokratische Rechtsstaat in Gefahr ist, in einen Unrechtsstaat transformiert zu werden. Davon kann gegenwärtig glücklicherweise keine Rede sein.
Zitat von Frank2000 im Beitrag #52
Letztlich sind auch die Richter des BVG Menschen und als solche allen Verlockungen und Irrungen der menschlichen Natur unterworfen.

Dazu gehört aber nicht die Verlockung, wissentlich und willentlich das Recht zu beugen. Das tun nur Richter in einem totalitären Staat. Auf das Dritte Reich haben Sie ja hingewiesen. Ebenso wäre die DDR zu nennen.

Herzlich, Zettel

C. Offline




Beiträge: 2.639

30.07.2012 16:24
#55 RE: Zitat des Tages: ESM Antworten

Zitat von Zettel im Beitrag #48
Aber die Sache ist doch denkbar einfach, lieber AldiOn: Das BVerfG wird diese Frage entscheiden. So, wie es seine Pflicht ist. Auch Homburg wird diese Entscheidung selbstverständlich respektieren, auch wenn das Gericht nicht seiner Rechtsauffassung folgt.



Die Verfassunsgtreue von Hern Homburg steht außer Frage, wie auch immer das Bundesverfassungsgericht entscheiden möge.

Bedenken habe ich allerdings bei der Bundesregierung, ob sie wirklich willens oder in der Lage wäre, ein Urteil, das nicht dem Vorhaben entspricht, zu akzeptieren. Es gab in der jüngeren Vergangenheit mehrere Vorkommnisse, die diese Bedenken stützen. Die Bundesregierung ist nicht in der Lage diese komplexen Aufgaben im Rahmen der Verfassung zu lösen. Das erklärt auch Schäubles Vorstoß zu einer Verfassungsänderung und der Druck der von politisch interessierter Seite inklusive des Bundespräsidenten und des Bundestagspräsidenten auf das Bundesverfassungsgericht ausgeübt wird.

Der Riesling gehört zu Deutschland.

Frankenstein Offline




Beiträge: 888

30.07.2012 16:31
#56 RE: Zitat des Tages: ESM Antworten

Zitat von Noricus im Beitrag #3
Und es ist langsam auffällig, dass (fast?) alle diese gewichtigen Stimmen - dankenswerterweise - in der FAZ/FAS ein Forum finden.

Fairerweise sollte man konzedieren, dass es die Welt war, die als erstes Organ der deutschen Massenmedien kritische Artikel zum Thema Euro überhaupt erst zuliess, und zwar lange vor allen anderen Mitberwerbern, die bis vor gar nicht allzu langer Zeit zumindest meiner Wahrnehmung nach geradezu in Euro-Jubelpropaganda Orwell'schen Ausmasses schwelgten.

Erling Plaethe Offline




Beiträge: 4.660

30.07.2012 17:12
#57 RE: Zitat des Tages: ESM Antworten

Lieber Zettel!

Sie haben seinerzeit in Zettels Raum in ihrem Artikel zum ESM die Bedeutung der Abkürzung kreativ abgeändert; und den sprichwörtlichen Nagel auf den Kopf getroffen.
Sie schrieben:
Exekutive sucht Macht.
Das war weitsichtig und treffend. Stefan Homburg geht in die gleiche Richtung wenn er schreibt:

Zitat von FAZ
Die Mitgliedstaaten könnten den vorübergehenden Rettungsschirm prolongieren oder andere, verhältnismäßige Maßnahmen ergreifen, statt mit dem ESM ein auf ewig angelegtes Herrschaftsinstrument der Exekutive zu schaffen.


Die Exekutive sucht Macht, nicht etwa angelsächsische Kanzleien. Bei dieser Suche geht sie an Grenzen und erst wenn das BVerfG feststellt, dass es sie überschritten hat, sollte man mit ihr ins Gericht gehen. Diese Suche nach Macht vollzieht sich innerhalb der drei Gewalten im Staat, in jedem Staat der Eurozone. Es ist eine mit Macht betriebene Verlagerung von Macht; vom Parlament zur Exekutive. Solch eine Machtverschiebung geht in einem ausbalancierten System wie der demokratischen Gewaltenteilung immer auf Kosten einer anderen Macht.

In diesem Forum ist mal geschrieben worden, dass solch ein Ringen um Macht zwischen den drei Staatsgewalten nichts Ungewöhnliches wäre, mit einem Verweis auf die check and balances in den Vereinigten Staaten, als etwas besser ausbalanciert.

Man muss die Existenz unserer Demokratie nicht an der Entscheidung über den ESM festmachen, aber was auf keinen Fall common sense in Europa werden sollte, ist die Ansicht, das Recht habe sich finanziellen Notlagen anzupassen anstatt umgekehrt.

Viele Grüße, Erling Plaethe

123 Offline



Beiträge: 287

30.07.2012 17:46
#58 RE: Zitat des Tages: ESM Antworten

Zitat AldiOn

Zitat
Bekommen wir bei einem Auseinanderfallen des Euro-Raumes denn wirklich Krieg, Unfreiheit und Armut?




Warum argumentiert eigentlich nie jemand in die umgekehrte Richtung, zumal die Auswirkungen doch schon jetzt offensichtlich sind ?

Der Euro gefährdet den Frieden, gefährdet die Europa-Idee, führt in die Arumt und Unfreiheit - denn genau so sehen für jeden sichtbar doch die Folgen des Euro aus !


Dieses "Euro bewahrt den Frieden" ist ein rein fiktives Argument, welches ein Thema mit dem anderen verbindet, ohne daß ein erwiesener Zusammenhang besteht. Aber es ist wirksam, denn wer will schon gegen Frieden sein ?

Und die Euro-Skeptiker sind nicht in der Lage eine effektive Gegenargumentation aufzubauen, und setzten lediglich auf Sachlichkeit, die aber verpufft in einer von Schlagworten und Demagogie beherrschten Debatte.

Erling Plaethe Offline




Beiträge: 4.660

30.07.2012 18:23
#59 RE: Zitat des Tages: ESM Antworten

Zitat von 123 im Beitrag #58

Und die Euro-Skeptiker sind nicht in der Lage eine effektive Gegenargumentation aufzubauen, und setzten lediglich auf Sachlichkeit, die aber verpufft in einer von Schlagworten und Demagogie beherrschten Debatte.

Ich frage mich desöfteren was man wohl als Euro-Skeptiker in Anschlag bringen möchte, wenn ein Condor herbeigeflogen kommt, während man mit Kanonen auf Spatzen schießt.
So etwas kann in die Hose gehen wie eine sich selbst erfüllende Prophezeiung.
Vor schweren Krisen hat sich in Deutschland meist ein ausgeprägter Kulturpessimismus breitgemacht, welcher die politische Lage maßgeblich verschlechterte.

Die besonnene und manchmal vielleicht etwas stoische Verteidigung der Bundesregierung durch den Hausherren, ist für mich Anlaß genug, diesem allzu bequemen Suhlen in wohlig schaurigen Demokratieuntergangsszenarien öfter mal nicht nachzugeben.

Viele Grüße, Erling Plaethe

wflamme Offline



Beiträge: 187

30.07.2012 18:35
#60 RE: Zitat des Tages: ESM Antworten

Zitat

Zitat
Zitat von wflamme im Beitrag #24Ihre Rechtfertigungen gehen meiner Ansicht nach an der Problematik vorbei. Um diese oder zukünftige Finanz- und Wirtschaftskrisen zu bewältigen - und zwar situationsgerecht und gerecht zu bewältigen - ist es einfach überflüssig, die Haushaltssouveränität der Bundesrepublik für jetzt und immerdar vollständig in EU-Hände zu legen.



Einfach? Ja, dann teilen Sie uns doch Ihren Plan mit, lieber wflamme. Oder am besten gleich der Bundesregierung.




Guter Zettel,

ja, es ist einfach eine Tatsache, daß wir allen Anforderungen, mit denen der ESM künftig an uns herantreten wird, auch ohne ESM zustimmen könnten. Allen diesen Anforderungen könnten wir notgedrungen, aus freien Stücken oder aus besserer Einsicht heraus folgen.

Wenn der ESM demgegenüber einen Vorteil hat, dann den, daß wir dadurch gezwungen werden, diesen Ansprüchen sogar ohne Not, gegen unseren Willen oder gegen bessere Einsicht zu genügen. Letztendlich hätten wir (und alle anderen Teilnehmer) uns dann für unmündig erklärt und uns gemeinschaftlich einem besserwissenden Vormund unterstellt.

Und da zucken Sie die Achseln und sagen gewissermaßen: 'Naja, wer weiß das schon im vorhinein, vielleicht ist das ja sogar die bessere Lösung.'
Und da bin ich nicht der einzige, dem das auffällt, daß Sie den Vorstellungen von zB Die Linke oder kommunistischer Ideologien gegenüber niemals solche Experimentier- oder Duldungsbereitschaft gezeigt haben.

Grüße,

Wolfgang Flamme

Florian Offline



Beiträge: 3.136

30.07.2012 19:07
#61 RE: Zitat des Tages: ESM Antworten

@ wflamme:

Zitat
ja, es ist einfach eine Tatsache, daß wir allen Anforderungen, mit denen der ESM künftig an uns herantreten wird, auch ohne ESM zustimmen könnten.



Soweit richtig.

Zitat
Wenn der ESM demgegenüber einen Vorteil hat, dann den, daß wir dadurch gezwungen werden, diesen Ansprüchen sogar ohne Not, gegen unseren Willen oder gegen bessere Einsicht zu genügen.



Auch hier: richtig.
Auf den ersten Blick ist diese Selbstbindung natürlich ein Nachteil.
Sie enthält allerdings auch einen Vorteil:
Wie jede Selbstbindung verstärkt sie das Signalling.

Konkret ist die Euro-Krise ja (zumindest in der offiziellen Lesart) eine Vertrauenskrise:
Der Markt traut diversen Euro-Staaten nicht mehr, daraus folgen hohe Zinssätze.
Wenn nun Deutschland glaubhaft signalisieren kann, dass die z.B. spanischen Staatsschulden auf jeden Fall sicher sind, dann sinken die spanischen Zinsen und der Ernstfall tritt erst gar nicht ein.

Wenn Deutschland in jedem Einzelfall souverän entscheiden könnte, ob es helfen kann oder nicht, dann verbleibt unverändert das Risiko einer spanischen Staatspleite. Ergo bleiben die Zinsen hoch, ergo wird die Staatspleite wahrscheinlicher.

Ein starkes Signal, dass Deutschland im Ernstfall auf jeden Fall helfen wird, ist somit ein Mittel die Krise zu bekämpfen.


Nota bene:
Dies ist soweit plausibel.
Allerdings nur, wenn man die offizielle Lesart teilt, dass das Problem im Kern eine Vertrauenskrise ist.
(Und nicht etwa die südeuropäischen Staatsschulden objektiv nicht mehr beherrschbar sind).

Tischler ( gelöscht )
Beiträge:

30.07.2012 19:20
#62 RE: Zitat des Tages: ESM Antworten

Zitat von Florian im Beitrag #61
@ wflamme:

Zitat
ja, es ist einfach eine Tatsache, daß wir allen Anforderungen, mit denen der ESM künftig an uns herantreten wird, auch ohne ESM zustimmen könnten.


Soweit richtig.

Zitat
Wenn der ESM demgegenüber einen Vorteil hat, dann den, daß wir dadurch gezwungen werden, diesen Ansprüchen sogar ohne Not, gegen unseren Willen oder gegen bessere Einsicht zu genügen.



Auch hier: richtig.
Auf den ersten Blick ist diese Selbstbindung natürlich ein Nachteil.
Sie enthält allerdings auch einen Vorteil:
Wie jede Selbstbindung verstärkt sie das Signalling.

Konkret ist die Euro-Krise ja (zumindest in der offiziellen Lesart) eine Vertrauenskrise:
Der Markt traut diversen Euro-Staaten nicht mehr, daraus folgen hohe Zinssätze.
Wenn nun Deutschland glaubhaft signalisieren kann, dass die z.B. spanischen Staatsschulden auf jeden Fall sicher sind, dann sinken die spanischen Zinsen und der Ernstfall tritt erst gar nicht ein.

Wenn Deutschland in jedem Einzelfall souverän entscheiden könnte, ob es helfen kann oder nicht, dann verbleibt unverändert das Risiko einer spanischen Staatspleite. Ergo bleiben die Zinsen hoch, ergo wird die Staatspleite wahrscheinlicher.

Ein starkes Signal, dass Deutschland im Ernstfall auf jeden Fall helfen wird, ist somit ein Mittel die Krise zu bekämpfen.


Nota bene:
Dies ist soweit plausibel.
Allerdings nur, wenn man die offizielle Lesart teilt, dass das Problem im Kern eine Vertrauenskrise ist.
(Und nicht etwa die südeuropäischen Staatsschulden objektiv nicht mehr beherrschbar sind).




Selbst wenn man die offizielle Lesart stehen läßt, wird´s auch nicht besser. Wenn die Schuldenlast hoch genug ist(und weiter wächst), die wirtschaft stagniert oder schrumpft, kann man dennoch geringere Zinsen hin oder her, von der Summe der Last erdrückt werden. Und danach sieht es im Falle Griechenlands und wahrscheinlich auch Spaniens aus.

Erling Plaethe Offline




Beiträge: 4.660

30.07.2012 19:23
#63 RE: Zitat des Tages: ESM Antworten

Zitat von wflamme im Beitrag #60

Wenn der ESM demgegenüber einen Vorteil hat, dann den, daß wir dadurch gezwungen werden, diesen Ansprüchen sogar ohne Not, gegen unseren Willen oder gegen bessere Einsicht zu genügen. Letztendlich hätten wir (und alle anderen Teilnehmer) uns dann für unmündig erklärt und uns gemeinschaftlich einem besserwissenden Vormund unterstellt

Und wer, besser gesagt, welcher Staat, repräsentiert diesen Vormund stärker als andere? Wessen Stimmrecht verstärkt sich im ESM gegenüber einer völlig machtlosen und ausgelieferten Stellung in der EZB? Und nicht zuletzt, wer versucht sich selbst zu retten, in dem er finanzielle Stärke starken Einfluss beiseite stellt?
Einfach geht anders.

Nachtrag: Besser ist: beiseite stellen will, als "beiseite stellt"

Viele Grüße, Erling Plaethe

C. Offline




Beiträge: 2.639

30.07.2012 19:25
#64 RE: Zitat des Tages: ESM Antworten

Zitat von AldiOn im Beitrag #50
Wir sind auf der sicheren Seite wenn wir einfach Dummheit und eben nicht Bösartigkeit annehmen.


Hier bin ich vollkommen mit Zettel, es ist nicht Dummheit. Ob es Bösartigkeit ist, können wir jetzt noch nicht mit Sicherheit sagen, auch wenn ich dem einen oder anderen Akteur das zutraue. Wir sollten nicht vergessen, dass das Geld nicht weg ist, es werden nur andere haben oder es wird viel weniger wert sein.

Aber was ist schon Geld, solange Sandstrände nicht in privater Hand sind und das Erbe der DDR vor dem pseudobürgerlichen Geschichtstotalitarismus bewahrt wird. Tagsüber am Strand und für die Nacht ein Dach über dem Kopf, dazu Essensmarken für Spaghetti aus Italien mit Soße aus spanischen Tomaten, etwas Schafskäse und Oliven aus Griechenland und eine Plastikflasche gefüllt mit französichem Leitungwasser. Mit der sensationellen Kreta-Diät kann jede Krise überstanden werden. (Veganer können den Schafskäse gegen Algentofu eintauschen).

Der Riesling gehört zu Deutschland.

WasIstLiberal? ( gelöscht )
Beiträge:

30.07.2012 19:28
#65 RE: Zitat des Tages: ESM Antworten

Zitat von Zettel im Beitrag #41

Verstehe ich Sie richtig, daß Sie nicht nur der Kanzlerin und Ministern vorwerfen, sie würden Ihren Amtseid brechen, sondern auch dem BVerfG unterstellen, es werde das Recht beugen?



Nein, es ist anzunehmen, daß versucht werden wird den ESM ins Grundgesetz einzupassen. Nicht mehr und nicht weniger. Das der ESM gegen den Vertrag von Lissabon verstößt ist sicherlich unzweifelhaft. Mir brauchen Sie es nicht zu glauben, Aber es gibt ja offensichtlich genügend Schreiber die sich mit "Gesetzen" auskennen. Die können Sie gerne befragen wie ESM und keine Schuldenübernahme "zusammengeht".

Zitat von Zettel

Wenn Sie der Meinung sind, wir lebten in einem Unrechtsstaat, dann möchte ich Sie bitten, diese Meinung an anderer Stelle zu äußern, aber nicht in diesem Forum. Bitte lesen Sie dazu die Forumsregeln.

Gruß, Zettel



Würden Sie das bitte lassen? Ich halte mich sehr streng an die Forumsregeln. Sie selber nennen es Besoffenheit bei den Deutschen was den Atomstrom angeht nun ich nenne es Volltrunkenheit den ESM nicht abzulehnen. Dabei können wir es bitte belassen. Sie wollen sich in diesem Bereich nicht äußern, halten sich aber bei Kommentaren zu anderen Ländern wenig zurück. Sie werden Ihre Gründe haben, mir fällt es "nur" auf.

Und außerdem bin ich der Meinung Zentralbanken gehören abgeschafft.

AldiOn Offline




Beiträge: 983

30.07.2012 19:45
#66 RE: Zitat des Tages: ESM Antworten

Zitat von Florian im Beitrag #61
Wenn Deutschland in jedem Einzelfall souverän entscheiden könnte, ob es helfen kann oder nicht, dann verbleibt unverändert das Risiko einer spanischen Staatspleite. Ergo bleiben die Zinsen hoch, ergo wird die Staatspleite wahrscheinlicher.

Ein starkes Signal, dass Deutschland im Ernstfall auf jeden Fall helfen wird, ist somit ein Mittel die Krise zu bekämpfen.
Die Marktteilnehmer geben ihr Vertrauen (=Geld)aber nicht danach ob jemand Krisen bekämpfen will sondern ob er es kann.

Es gibt ja jetzt schon Hinweise darauf, daß die Griechen noch nicht mal den Willen haben. Und im aktuellen Spiegel wird in mehreren langen Artikeln dargestellt, daß die Spanier sich für völlig unschuldig halten. So wie den Griechen die Panzer und U-Boote sind den Spaniern die Flughäfen ohne Flugzeuge und die Touristenappartments von außen aufgepreßt worden. Sie können nichts dafür und das machen sie auf Demos deutlich. Man kann - und soll vielleicht auch - diesen Staaten aus ihrer Misere helfen. Man bringt sich aber selber in eine unglückliche Situation wenn man das mit einem (auch noch völlig unnötigen) Automatismus versieht. Bei Geld kann es so gut wie nie schaden mal eine Nacht drüber zu schlafen - wenn man denn die Wahl hat.

Bei den Krisenländern geht es ja - angeblich - auch um strukturelle Reformen. Es dauert sowieso Jahre bis so was realisiert ist und noch viel länger bis die versprochenen Wirkungen eintreten.
Schon unter diesen ganz trivialen Aspekten sehe ich keinen Grund für diese Selbstentmachtung. Schon gar nicht sehe ich diese Eilbedürftigkeit, die ja auch sonst im Leben i.d.R. nur ein Werbetrick ohne sachlichen Hintergrund ist.


Die Martkteilnehmer werden diese Selbstentmachtung auch sehen und sie eben gerade nicht als vertrauensbildende Maßnahme sondern als allerletzten Notnagel interpretieren. Es kann also sogar das Gegenteil ihrer Vermutung richtig sein.

C. Offline




Beiträge: 2.639

30.07.2012 19:47
#67 RE: Zitat des Tages: ESM Antworten

Zitat von WasIstLiberal? im Beitrag #65
Sie selber nennen es Besoffenheit bei den Deutschen was den Atomstrom angeht nun ich nenne es Volltrunkenheit den ESM nicht abzulehnen.



Ich kann mir nicht vorstellen, dass ein Vollrausch klüger macht. Es handelt sich, ob Zufall oder nicht, in beiden Fällen um eine nahezu identische große Koalition aus CDUCSUFDPSPDGrünen.

Der Riesling gehört zu Deutschland.

WasIstLiberal? ( gelöscht )
Beiträge:

30.07.2012 19:55
#68 RE: Zitat des Tages: ESM Antworten

Zitat von C. im Beitrag #67
Zitat von WasIstLiberal? im Beitrag #65
Sie selber nennen es Besoffenheit bei den Deutschen was den Atomstrom angeht nun ich nenne es Volltrunkenheit den ESM nicht abzulehnen.



Ich kann mir nicht vorstellen, dass ein Vollrausch klüger macht. Es handelt sich, ob Zufall oder nicht, in beiden Fällen um eine nahezu identische große Koalition aus CDUCSUFDPSPDGrünen.



Glauben Sie das wirklich noch an Zufall? Zufälle die vor ca 4 Jahren mit dem Bankenbailout begannen (wer erinnert sich hier noch an Paulson und seine 700 Mrd). Zufall mit der Etablierung der diversen Rettungsschirme? Zufall mit dem EFSF, Zufall mit den Bailout von Irland, teilweise Griechenland, Spanien, Portugal. Zufall mit dem ESM? Also wenn es so wäre dann haben wir es ja hier mit einer unglaublichen Kette an schwarzen Schwänen zu tun. Vielleicht ist es aber auch systemisch?

Wie Sie dazu stehen weiß ich nicht, ich halte es für systemisch und damit nicht für Zufall und schon gar nicht für "nachhaltig". Vor fast 100 Jahren gab es die WWK I "zufällig" gerade so 20 Jahre nach der Etablierung der FED, heute hatten wird das Vergnügen von Gelddruckexperten wie Herrn Greenspan, und nun ja der Spitzname "Helikopter Ben" spricht auch nicht gerade für Geld knapp halten.... Nein das hat schon System....

Und außerdem bin ich der Meinung Zentralbanken gehören abgeschafft.

Rayson Offline




Beiträge: 2.367

30.07.2012 20:39
#69 RE: Zitat des Tages: ESM Antworten

Zitat von Zettel
Ich leider nicht. Ich sehe eine Regierung, die in einer schwierigen Situation das tut, was ihr der Amtseid gebietet. Es gibt gute Gründe, zu befürchten, daß es sich als das Falsche erweisen wird. Es kann auch sein, daß es das genau Richtige ist und uns vor einer Katastrophe bewahrt.

Mit dieser Einstellung, die sich übrigens 1:1 auf die Energiewende übertragen ließe, zu der du, lieber Zettel, aber seltsamerweise eine dezidierte Meinung hast, obwohl die Materie sicher nicht einfacher ist, hätte sich der Anspruch, Politik zu kommentieren, dann ja wohl erledigt. Ich kenne sowas als Gottvertrauen und würde es auch gerne da lassen.

--
L'État, c'est la grande fiction à travers laquelle tout le monde s'efforce de vivre aux dépens de tout le monde. (Frédéric Bastiat)

Juno Offline



Beiträge: 332

30.07.2012 20:46
#70 RE: Zitat des Tages: ESM Antworten

Zitat
Ich sehe eine Regierung, die in einer schwierigen Situation das tut, was ihr der Amtseid gebietet. ... Ich staune hier wieder einmal (wie auf anderen Gebieten auch) über die Sicherheit, mit der viele meiner Mitmenschen wissen, was bei einem hochkomplexen Thema richtig und was falsch ist. Die Sicherheit, mit der in einer von Unsicherheiten nur so wimmelnden Welt so viele sich ein Urteil zutrauen, kommt mir manchmal schwindelerregend vor.
Das gilt übrigens auch für die Klimatologie


Die Probleme sind ohne Zweifel schwierig und einfache Antworten gibt es nicht. Bei einer nüchternen Beurteilung der Regierungspolitik sollte man aber auch berücksichtigen:

- Politik neigt immer stark zu opportunistischem Handeln. Wenn - grob vereinfacht - nur eine Wahl zwischen Ende mit Schrecken oder Schrecken ohne Ende besteht, dann werden sich die meisten Politiker zwölf Monate vor der Wahl eben schon aus Prinzip nicht für eine Option entscheiden, die kurzfristig hohe Kosten verursacht. Das gilt völlig unabhängig von der zu entscheidenden Sachfrage.

- Sowohl bei der Euro- als auch bei der Klimapolitik spricht vieles dafür, dass maßgebliche Akteure eine hidden agenda haben und die "nützliche Krise" für einen Systemwechsel instrumentalisieren wollen, für den sie in der offenen demokratischen Auseinandersetzung niemals eine Mehrheit bekämen. In der Europolitik war und ist dieses Ziel die Schaffung einer Politischen Union Europas, in der Klimapolitik ist es die tiefgreifende gesellschaftliche Öko-Transformation.

Mein Vertrauen in die Redlichkeit des Regierungsbemühens ist deshalb leider doch etwas begrenzt. Hier geht es eben nicht nur um die beste Lösung eines Problems, sondern zu nicht geringen Teilen einfach um strategische Machtpolitik.

Ein besseres Entscheidungsverfahren habe ich leider auch nicht anzubieten. Das, was wir haben, ist eben die beste aller schlechten Möglichkeiten. Aber tiefe Skepsis gegenüber den Entscheidern ist dringend notwendig.

notquite Offline



Beiträge: 506

30.07.2012 20:51
#71 RE: Zitat des Tages: ESM Antworten

Zitat von Zettel im Beitrag #4
Abgeordneten in einer solchen Situation vorzuwerfen, daß sie sich nicht gegen die eigene Regierung gestellt haben, halte ich für nicht vertretbar.


Ich hielte das grundsätzlich schon für vertretbar. In der konkreten Situation ist es aber falsch. Die Regierungskoalition hat bekanntlich in Sachen ESM im Bundestag keine eigene Mehrheit gehabt. +- 20 Abgeordnete haben die Zustimmung in dieser Sache verweigert. Man kann vielleicht spekulieren, dass dem einen oder anderen Abgeordneten das Nein leichter gefallen ist, weil die Mehrheit ohnehin sicher war, aber das ändert nichts daran, dass hier Vorbehalte glasklar artikuliert worden sind. Ginge es nach den Bundestagsabgeordneten dieser Regierungskoalition, wäre das Vorhaben im Parlament womöglich gescheitert.

Das eigentliche eklatante Versagen liegt meiner Meinung nach bei der Opposition, die hier der ihr in einem parlamentarischen System zugewiesenen Rolle in keinster Weise gerecht geworden ist. Das Problem an der aktuellen Situation ist nicht die schwache Politik der Regierung. Es ist vielmehr die Tatsache, dass hier die Interessen des demos in eklatanter Weise durch das Kartell der demokratisch erprobten Parteien verraten werden. Das hätte man den Grünen mal vor zehn Jahren sagen sollen, dass sie einer konservativ-liberalen Regierung dabei zur Hilfe eilen werden, zentrale Befugnisse des Parlaments auszuschalten und gigantische Geldbeträge und Befugnisse an eine in britischen Wirtschaftskanzleien erdachte Institution zu übertragen, deren Entscheidungsträger jeglicher Strafverfolgung entzogen sind. Die Realität übertrifft wirklich jede Satire.

Juno Offline



Beiträge: 332

30.07.2012 21:12
#72 RE: Zitat des Tages: ESM Antworten

Zitat
Und es ist langsam auffällig, dass (fast?) alle diese gewichtigen Stimmen - dankenswerterweise - in der FAZ/FAS ein Forum finden.



Die FAZ-Wirtschaftsredaktion hat die Rettungspolitik schon von Anfang an sehr kritisch begleitet. Sehr auffällig ist aber in der Tat, dass die großen Texte von Kirchhof und Sarrazin im FAZ-Feuilleton erschienen sind, das sich sonst eher durch gepflegten Anti-Kapitalismus hervortut. *

Auffällig ist auch, wie manche andere Blätter sich positionieren. Der Chefredakteur des "Stern" etwa hat kürzlich in seinem Editorial dazu aufgerufen, gegen die (nicht näher benannten) "populistischen Nationalisten" eine "moderate Liga der Politik, der Medien, der Kultur und der Wirtschaft" zu bilden, die den Menschen das Ziel der Vereinigten Staaten von Europa nahebringen müsse.

Das sind schon sehr eigenartige Begriffsverdrehungen: Ein radikales Konzept, das man ja begrüßen mag, das aber auf die Abschaffung der deutschen Staatlichkeit zielt, ist also plötzlich "moderat". Während die Verteidiger des rechtlichen Status Quo in die Ecke von Krypto-Nazis gedrückt werden. Medien bekennen sich offen zu einem Propagandaauftrag und der Euro wird zu einem Thema für den Aufstand der Anständigen.

Wahrscheinlich werden wir alle demnächst noch zu einer Lichterkette gegen geistige Anti-Euro-Gewalt gerufen.


* Nachtrag 31.7.: Wie beides - Antikapitalismus und Eurokritik - zusammenpasst zeigt sich sehr schön in der aktuellen FAZ-Ausgabe, in der das Feuilleton ein großes Gespräch mit Sahra Wagenknecht und dem linken Ökonomen Michael Hudson bringt. Überschrift: Nicht der Euro wird gerettet, sondern eine Ideologie.
(wobei sich diese Überschrift auf ein Zitat von Hudson bezieht: "statt der Banken wird eine Ideologie gerettet, nämlich jene, dass all die Schulden irgendwann tatsächlich zurückgezahlt werden müssen")

Noricus Offline



Beiträge: 2.362

30.07.2012 21:40
#73 RE: Zitat des Tages: ESM Antworten

Zitat von Frank2000 im Beitrag #52
Mit anderen Worten: nur weil BISHER das BVG und die anderen obersten Gerichte ein Bollwerk gegen Rechtsbeugung sind, heisst das nicht AUTOMATISCH, dass JEDE Entscheidung des BVG auch Grundrechtskonform wäre nur auf Grund der Tatsache, dass das BVG diese Entscheidung getroffen hat.


Nein, aber es wäre auch nicht in Ordnung, dem BVerfG Rechtsbeugung vorzuwerfen, sollte es den ESM passieren lassen. Die Probleme in diesem Verfahren beginnen ja schon mit der Sachverhaltsfeststellung. Sie haben gelesen, was Stefan Homburg über den ESM-Vertrag schreibt. Schauen Sie sich, wenn Sie mögen, zum Vergleich die einschlägigen Ausführungen von Christoph Möllers auf dem Verfassungsblog an. Man meint fast, es handle sich um völlig unterschiedliche Verträge. Nun ja, die Herren Professoren vertreten im Verfahren ja auch einander entgegengesetzte Streitparteien. Aber gut: Die Beurteilung des juristischen Potenzials eines völkerrechtlichen Vertrages gehört zweifellos zu dem, was man als Verfassungsrichter können muss.

Doch das BVerfG beschränkt sich ja nicht nur darauf, die Möglichkeiten und Fallen des ESM-Vertrages auszuloten. Es nimmt auch die unterschiedlichen Szenarien in seine Rechnung auf, die bei grünem Licht bzw dem Aus für den ESM drohen könnten. Während ich es beim Berufungsurteil der Strafkammer eines rheinischen Landgerichts unbedingt für geboten halte, dass es sich um die politischen Implikationen seiner Entscheidung nicht kümmert, kann das Bundesverfassungsgericht bei der Entscheidung über einen völkerrechtlichen Vertrag, mit dem eine schwere Krise der Eurozone in kontrollierbare Bahnen gelenkt werden soll, die ökonomisch-politischen Folgen seines Urteils nicht außer Acht lassen. Alles andere wäre Elfenbeinturmjustiz nach dem Motto ... et pereat mundus. Zudem hat die Dynamik der Krisenjahre gezeigt, dass Vereinbarungen zwischen den Euro-Staaten oft schon nach kurzer Zeit von den Ereignissen überholt werden und der Ruf nach immer mehr Engagement der Geberländer laut wird. Auf eine Prognose werden die Karlsruher Richter nicht ganz verzichten können. Aber dieses Rechnen mit einer Unbekannten bewirkt natürlich, dass schon der zu beurteilende Sachverhalt nicht feststeht, sondern auf einer von nicht ganz unerheblicher Unsicherheit geprägten Annahme beruht.

Nicht einfacher gestaltet sich die rechtliche Beurteilung. Es ist im Hinblick auf Art. 79 III GG klar, dass der Verfassungsgesetzgeber Bundestag + Bundesrat eine Grundgesetzänderung, durch welche das in Art. 20 GG genannte Demokratieprinzip berührt wird, zulässigerweise nicht vornehmen kann. Das BVerfG hat dies im Lissabon-Urteil sinngemäß so ausgedrückt, dass die Identität der verfassungsrechtlichen Ordnung Deutschlands gewahrt bleiben muss. Es ist auch klar, dass das Budgetbewilligungsrecht des Bundestages eine Ausprägung des Demokratieprinzips ist. Unklar ist hingegen, welchen Umfang die Haushaltsbefugnis des Parlaments aufweisen muss, damit dieser bestandfeste Verfassungsgrundsatz noch gewahrt ist. Was dabei sicher auch eine Rolle spielt: Formell wird das Budgetrecht des Bundestages durch den ESM nicht eingeschränkt, sondern "nur" materiell. Und wie hoch diese Beschränkung maximal sein kann, darüber divergieren offenbar die Ansichten der Prof.es Möllers und Homburg. Bleibt es bei 190 Mrd. Euro, ist das zwar sehr viel Geld, aber die Auswirkungen auf die Handlungsfähigkeit des Staates sind eine ganz andere als bei möglichen 700 + x Mrd. Euro. Zum Vergleich: Der Bundeshaushalt 2012 beträgt 306,2 Mrd. Euro.

Meine Meinung zum ESM ist bekannt. Ich habe in der Vergangenheit auch schon einige Urteile des BVerfG kritisiert, entweder weil ich das Ergebnis für falsch hielt oder weil ein vertretbares Ergebnis m.E. schwach begründet wurde. In der ESM-Sache wird es mir hingegen schwerfallen, die Entscheidung des BVerfG zu kritisieren (es sei denn, die Urteilsbegründung sollte absolut hanebüchen ausfallen - was ich aber nicht glaube). Ich möchte nicht in der Haut der Richter des 2. Senats stecken.

AldiOn Offline




Beiträge: 983

30.07.2012 21:51
#74 RE: Zitat des Tages: ESM Antworten

Zitat von Juno im Beitrag #70
Zitat:Die Probleme sind ohne Zweifel schwierig und einfache Antworten gibt es nicht.

Da bin ich anderer Meinung. Die Sache ist doch nur deshalb undurchschaubar, weil hier es so eine Menge von Verschiebebahnhöfen gibt. Im Kern ist es aber doch das sehr übliche und häufige Problem ob man einem Freund, der einem Geld schuldet, noch mehr Geld gibt, weil er angeblich nur so in die Lage versetzt wird zurückzuzahlen. Da steht man dann vor der Entscheidung ob man nachschießen soll (mit dem hohen Risiko das dann alles verloren ist) oder die Freundschaft kündigen und das Geld abschreiben soll.
Wobei in diesem speziellen Fall man (=wir) gar keine Vorwürfe bekommen hätten, wenn wir nicht die Verträge verletzt hätten - weil es ja eine offene Vertragsveletzung war. Jetzt ist man böse auf uns, weil wir Bedingungen an die Hilfe stellen.


Zitat von Juno im Beitrag #70
- Sowohl bei der Euro- als auch bei der Klimapolitik spricht vieles dafür, dass maßgebliche Akteure eine hidden agenda haben und die "nützliche Krise" für einen Systemwechsel instrumentalisieren wollen, für den sie in der offenen demokratischen Auseinandersetzung niemals eine Mehrheit bekämen. In der Europolitik war und ist dieses Ziel die Schaffung einer Politischen Union Europas, in der Klimapolitik ist es die tiefgreifende gesellschaftliche Öko-Transformation.
Da sind wir beide uns einig. Allerdings können sie das Argument in einer kontroversen Diskussion nicht verwenden, da eben die Agenda "hidden" ist.

Wobei... so versteckt nun auch wieder nicht:
Zitat von Juno im Beitrag #72
Der Chefredakteur des "Stern" etwa hat kürzlich in seinem Editorial dazu aufgerufen, gegen die (nicht näher benannten) "populistischen Nationalisten" eine "moderate Liga der Politik, der Medien, der Kultur und der Wirtschaft" zu bilden, die den Menschen das Ziel der Vereinigten Staaten von Europa nahebringen müsse.

Und es ist an den SPIEGEL-Artikel von Schäuble zu erinnern.

Zitat von Juno im Beitrag #72
Wahrscheinlich werden wir alle demnächst noch zu einer Lichterkette gegen geistige Anti-Euro-Gewalt gerufen.
Das ist so sicher wie das Amen in der Kirche. Wenn es richtig gut läuft wird man bei der von Schäuble angedrohten Volksabstimmung bei der Bewertung der
Zitat von Juno im Beitrag #72
in die Ecke von Krypto-Nazis
gerückten
Zitat von Juno im Beitrag #72
Verteidiger des rechtlichen Status Quo
das Wort "krypto" einfach vergessen. Denn wer dann das Grundgesetz verteidigt ist ein Anti-Europäer und damit ein "populistischer Nationalist". Und das ist ja nun wirklich nur noch (gefühlte) Millimeter vom Nazi entfernt.

Tischler ( gelöscht )
Beiträge:

30.07.2012 22:00
#75 RE: Zitat des Tages: ESM Antworten

Zitat Noricus

kann das Bundesverfassungsgericht bei der Entscheidung über einen völkerrechtlichen Vertrag, mit dem eine schwere Krise der Eurozone in kontrollierbare Bahnen gelenkt werden soll, die ökonomisch-politischen Folgen seines Urteils nicht außer Acht lassen. Alles andere wäre Elfenbeinturmjustiz


Das hieße ja, bester Noricus, dass das BVG aktive Wirtschafts und Außenpolitik betriebe.
Und doch selbst die vermeindlichen Fachleute noch versuchen das Kleingedruckte zu verstehen,
wie sollte das BVG in dann viel zu kurzer Zeit auch noch die Folgen eines Vetrages in
ihrem Urteil berücksichtigen, der doch nur dazu da ist Zeit zu kaufen, ohne die Folgen
annähernd abschätzen zu können.

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