Zitat von Martin im Beitrag #125Ich bewundere Leute, die bei komplexen Sachverhalten genau wissen was richtig ist.
Danke. Aber ich brauche keine Bewunderung. Mir reicht das Wissen, daß ich hier recht habe.
Zitat Nun, sind die Schulden weg ist Griechenland wieder voll kreditwürdig
Sie können Ihre Ersparnisse dann ja gerne in Griechen-Bonds anlegen. Aber das wird eine sehr einsame Entscheidung sein. Zur Kreditwürdigkeit gehört mehr als der Kontostand.
Zitat weil das Steueraufkommen für die vielen öffentlichen Bediensteten hinten und vorne nicht reicht
Wie gesagt: Überschuß im Primärhaushalt.
Zitat Da sich nimand so leicht das Heft aus der Hand nehmen lässt heißt 'Aufwand' ständige Reiberei.
Nu und? Wenn man noch etwas von seinem Geld wiedersehen will, ist das zu verkraften.
Zitat von R.A. im Beitrag #124Diese These ist wohl falsch. Kein einziges Problem in Griechenland ist auf die Stärke/Schwäche der verwendeten Währung zurückzuführen. Die Euro-Einführung hatte eine indirekte Wirkung auf die griechische Haushaltssituation - das Land kam eine gewisse Zeit an billige Kredite und hat das bis zur völligen Überschuldung ausgenutzt. Aber jetzt sind die Schulden da, das läßt sich nicht durch Aufgabe der Währung wieder zurückdrehen.
Ein paar Probleme hat die Euro Einführung für Griechenland schon. Die Möglichkeit die selbstverwaltete Währung abzuwerten und durch Inflation die Schuldensituation zu verbessern, ist seit dem Euro nicht mehr möglich. Wenn man sich den Wechselkurs Drachme - DM anschaut, dann sieht man sehr schön wie hier die Entwicklung in der Vergangenheit verlaufen ist. Das man damit nur die Wirklichkeit kaschiert hat und das Problem in die Zukunft verschoben hat, ist ein anderes, wenn auch immer noch aktuelles Problem. Da hilft dann auch keine noch so starke bzw. schwache Währung. Würde Griechenland zur Drachmen zurückkehren, hätten sie wieder die Möglichkeit abzuwerten.
Zitat von Elmar im Beitrag #127Die Möglichkeit die selbstverwaltete Währung abzuwerten und durch Inflation die Schuldensituation zu verbessern, ist seit dem Euro nicht mehr möglich.
Mit einer Abwertung kann man die allgemeine Wettbewerbsfähigkeit der eigenen Wirtschaft kurzfristig verbessern. Und richtig, diese Möglichkeit besteht mit dem Euro nicht mehr. Aber die Schuldensituation wird mit Abwertung sogar schlechter, weil Staaten wie Griechenland sich nur begrenzt in eigener Währung verschulden können und die in Devisen geschuldeten Beträge mit der abgewerteten Währung schwieriger zu bedienen sind.
Was momentan an Zahlen vorliegt deutet aber darauf hin, daß Griechenland es zumindestens teilweise geschafft hat, Wettbewerbsprobleme auf reelle Weise anzugehen. D.h. es sind real Arbeitskosten gesenkt worden. Auch bei den Staatsausgaben ist es wohl gelungen, reale Erfolge zu erzielen (sprich: Da haben wirklich Leute ihre Pfründe verloren). Das ist natürlich alles noch mit Vorbehalt zu nehmen. Griechische Haushaltszahlen sind ja ohnehin nicht sehr zuverlässig. Aber die wirtschaftliche Entwicklung ist wohl nachprüfbar positiv.
Zitat von Elmar im Beitrag #127 Ein paar Probleme hat die Euro Einführung für Griechenland schon. Die Möglichkeit die selbstverwaltete Währung abzuwerten und durch Inflation die Schuldensituation zu verbessern, ist seit dem Euro nicht mehr möglich. Wenn man sich den Wechselkurs Drachme - DM anschaut, dann sieht man sehr schön wie hier die Entwicklung in der Vergangenheit verlaufen ist.
Wirklich interessante Kurve.
Man sieht dort auch sehr gut, wie aberwitzig die damalige Politiker-Entscheidung zur Griedchenland-Aufnahme war.
Denn von 1971 bis 2001 hat Griechenland im Durchschnitt jedes Jahr um 10,0% gegenüber der DM abgewertet. Und diese Entwicklung war auch bis in die (aus Sicht von 2001) jüngste Vergangenheit weitergegangen. (Von 1991 bis 2001 war die Abwertung überschlägig gerechnet 9% pro Jahr). Diese Abwertung war ja ein Marktergebnis. Also offensichtlich notwendig, um Griechenland wettbwerbsfähig zu halten.
Und dann meint man allen ernstes, dass von einer über Jahrzehnte etablierten Notwendigkeit einer jährlichen 10%-Abwertung praktisch über Nacht kein Abwertungsbedarf mehr besteht? Natürlich KANN man das erreichen. Aber dies erfordert einen ungeheuer brutalen Eingriff in die griechische Realwirtschaft. Dass dies notwendig gewesen wäre, musste man doch eigentlich auf den ersten Blick erkennen. Und auch, dass so ein Eingriff politisch in Griechenland kaum vermittelbar sein würde.*
Also wirklich eine (auch aus Sicht von 2001) erkennbar falsche Entscheidung. Auch wenn man meinetwegen gutgläubig auf von Griechenland gefälschte Konkunktur- und Haushaltszahlen hereinfällt: Allein die Wechselkursentwicklung spricht doch eine deutliche Sprache. Für den Zeitraum 1991 bis 2001 war diese Entwicklung übrigens auch um Welten problematischer als die Entwicklung z.B. der spanischen, portugiesischen oder italienischen Währungen. Hätte wirklich auffallen können. Wenn man denn bereit gewesen wäre, wirtschaftliche Argumente zu berücksichtigen.
______________ * Nachtrag: Um das zu illustrieren: Die jährliche 10%-Abwertung war notwendig, weil [Delta griechische Inflation - deutsche Inflation] + [Delta deutsches Produktivtätswachstum - griechisches Produktivitätswachstum] = langfristig ca. 10% war. Dieser Term musste nun praktisch über Nacht von 10% auf 0% gehen. Dass sich eine reale Größe wie das Produktivitätswachstum in kurzer Frist ändert ist nicht möglich. Dass sich die deutsche Inflationsrate spürbar ändert war auch nicht zu erwarten. Also musste als einzige mögliche Stellschraube die griechische Inflationsrate um 10 Prozentpunkte gemindert werden. Nun war die griechische Inflationsrate in den 90er Jahren im Durchschnitt allerdings deutlich unter 10% (im Schnitt vielleicht 7%). D.h. notwendig wäre gewesen, dass die griechische Inflationsrate langfristig (über etliche Jahre hinweg) bei -3% pro Jahr liegt. Wie gesagt: Das KANN man erreichen. Aber natürlich nur mit ganz extremen "Austeritäts-"Maßnahmen. Also z.B. jährliche Kürzung der Beamtengehälter. Dass so etwas politisch nicht durchsetzbar wäre, muss jedem klar gewesen sein.
Zitat von Florian im Beitrag #129Wie gesagt: Das KANN man erreichen. Aber natürlich nur mit ganz extremen "Austeritäts-"Maßnahmen. Also z.B. jährliche Kürzung der Beamtengehälter. Dass so etwas politisch nicht durchsetzbar wäre, muss jedem klar gewesen sein.
Die politische Durchsetzbarkeit ist beinahe zweitrangig. Gehälterkürzung oder Entlassungen bewirken erst mal, dass Kaufkraft weggenommen wird, damit gibt es auch weniger Staatseinnahmen. Mag sein, dass die Menschen noch Tafelsilber zum Verwerten haben, aber irgendwann ist auch dieser Ofen aus.
Die Situation wäre eine andere, wenn es in Griechenland eine Wirtschaft gäbe, die händeringend Personal sucht. Das ist aber für absehbare Zeit illusorisch. Wenn es noch produktive Wirtschaft gibt, dann ist diese durch Austeritätsmaßnahmen bald zerstört, auf keinen Fall braucht sie Personal.
Der einzig mir bekannte Strohhalm ohne Schuldenschnitt wäre die Ausbeutung der Gasresourcen im Seegebiet Griechenlands, wobei noch fraglich wäre, wie daraus zeitnah der nötige Cash-Flow generiert werden könnte, da in der Regel regelmäßige Zahlungen erst mit der Förderung fließen.
Zitat von Florian im Beitrag #129Auch wenn man meinetwegen gutgläubig auf von Griechenland gefälschte Konkunktur- und Haushaltszahlen hereinfällt: Allein die Wechselkursentwicklung spricht doch eine deutliche Sprache.
Da ist etwas dran. Wobei man allerdings anmerken muß: Hinterher ist man halt immer schlauer. Ich kann mich an manche Kritik damals erinnern, die zu Recht Fragen wie die griechische Haushaltspolitik etc. aufwarfen. Aber m. W. hat niemand die Wechselkurshistorie betrachtet.
Zitat Wenn man denn bereit gewesen wäre, wirtschaftliche Argumente zu berücksichtigen.
Es wurde damals politisch wohl schon eingepreist, daß Griechenland wirtschaftlich nur zweitklassig ist und man mindestens ein halbes Auge zudrücken muß. Was man für vertretbar hielt, weil das Land so klein ist. Ich fand es damals auch aus grundsätzlichen Erwägungen her für falsch, mit den Kriterien so locker umzugehen. Aber ich wäre nicht auf die Idee gekommen, daß die griechische Krise ein so heftiges Ausmaß annehmen könnte. Was wohl auch daran liegt, daß kurz vorher die große Immobilienblasen-/Banken-Krise durch Europa getobt ist, die Banken waren schlicht mies aufgestellt für eine weitere Krise.
Zitat Die jährliche 10%-Abwertung war notwendig, weil [Delta griechische Inflation - deutsche Inflation] + [Delta deutsches Produktivtätswachstum - griechisches Produktivitätswachstum] = langfristig ca. 10% war.
Ist das wirklich so? Du gibst 7% griechische Inflation an, aber 2-3% hatten wir in Deutschland ja auch. Das griechische Produktionswachstum war niedrig, aber bestimmt nicht Null. Das gäbe nach Deiner Formel dann ein deutsches Produktivitätswachstum von locker über 6% - und das hatten wir bei weitem nicht.
Mir scheinen da irgendwelche Faktoren zu fehlen.
Zitat Also musste als einzige mögliche Stellschraube die griechische Inflationsrate um 10 Prozentpunkte gemindert werden.
Das sehe ich nicht. Die Wettbewerbsfähigkeit bemißt sich ja nicht an der Inflation (also über die Verbraucherpreise), sondern an der Lohnentwicklung.
Wenn also nun Deutschland und Griechenland per Währung hart gekoppelt werden, und auch einen Wirtschaftsraum bilden - dann müßte sich die Inflationsrate tendenziell angleichen. Und dann bleibt die Wettbewerbsfähigkeit dann unverändert, wenn Deutsche und Griechen ihre Lohnerhöhungen genau nur in Höhe ihres jeweiligen Produktivitätszuwachses nehmen.
Und das ist grundsätzlich machbar, auch ohne Volksaufstand und extreme Austerität.
Wenn die Inflation über dem Produktivitätszuwachs läge, wäre das natürlich ein Kaufkraftverlust für die Beschäftigten. Aber genau das ist auch die grundsätzliche Wirkung einer Abwertungspolitik.
(Und als Anmerkung: Ich habe mal vor langer Zeit VWL-Vorlesungen besucht. Und bin auch ziemlich sicher, dass ich mit dem was ich hier schreibe recht habe. Falls ich allerdings einen fachlichen Denkfehler habe, wäre ich um Korrektur dankbar).
Dies würde (über den ganz groben Daumen) zu einer jährlichen Drachme-Abwertung von 9% führen: (2%-7%) + (0%-4%) = -9%
[Ob die Zahlen so genau stimmen, weiß ich nicht. Aber sie würden zum beobachteten Ergebnis der 9% Abwertung passen].
Aus diesen -9% müssen nun in kurzer Frist 0% werden. Nachdem Deutschland bzw. der sonstige Euro-Raum im Vergleich zu Griechenland sehr groß ist, ist klar, dass die Anpassung in Griechenland passieren muss. Nun ist das Produktitätswachstum eine reale Größe, die sich nicht in kurzer Frist schmerzlos ändern wird. ("Mit Schmerzen" wäre eine Änderung natürlich möglich: wenn in Griechenland ausreichend viele Arbeitnehmer mit geringer Produktivität entlassen werden, steigt die durchschnittliche Produktivität natürlich an auch ohne dass ein einzelnenr Arbeitsplatz tatsächlich produktiver geworden wäre). Bleibt also noch die Inflation. Statt 7% Inflation bräuchte man 2% Deflation.
Egal wie man es dreht: Nach 2001 wäre für Griechenland eine massiv deflationäre Austeritätspolitik notwendig gewesen. Realistischerweise war das nicht möglich. Also war klar, dass da irgendetwas nicht zusammen passt.
Natürlich waren ähnliche Anpassungen auch z.B. in Spanien notwendig (und sind leider teilweise unterblieben). Aber es macht halt schon einen großen Unterschied, ob man eine Lücke von 9% schließen muss (wie bei Griechenland) oder eine Lücke von vielleicht 2% (wie vermutlich in Spanien).
Oder in Ökonomen-Sprech: Griechenland war ganz eindeutig nicht Teil eines optimalen Währungsraums. Und das hätte man wissen können.
Zitat Wobei man allerdings anmerken muß: Hinterher ist man halt immer schlauer.
Stimmt natürlich. Ich darf für micht persönlich zwar in Anspruch nehmen, dass mir das Problem "nicht optimaler Währungsraum" auch 2001 schon bewusst war und ich deswegen auch gegen den Euro in der jetzigen Form war. Allerdings gebe ich zu: Ich habe damals die Gefahr eher andersherum gesehen. Nämlich dass Deutschland einen eigentlich bestehenden Abwertungsdruck dann nicht mehr ausgleichen kann. (Das war damals noch vor der Agenda 2010 und der deutschen Austeritätspolitik der Nuller Jahre).
So oder so: Als die Euro-Einführung deabtiert wurde, habe ich noch studiert. Ich kann mich rückblickend eigentlich an keinen einzigen VWL-Professor erinnern, der die Euro-Einführung nicht skeptisch gesehen hätte. Auch die Politik hätte sich entsprechend informieren können - wenn sie gewollt hätte.
Allerdings ist auch richtig, dass zumindest die öffentliche Diskussion sich praktisch ausschließlich auf die Maastricht-Kriterien kaprizierte. Als ob eine kurzfristig manipulierbare Kennziffer wie das Haushaltsdefizit ein guter Indikator dafür wäre, ob ein Land Teil eines optimalen Währungsraums ist. In wie weit das eine (wirtschaftspolitisch intensiv beratene) Bundesregierung entlastet, ist eine andere Frage.
Zitat von Florian im Beitrag #132Noch einmal vielleicht etwas deutlicher:
Vielen Dank, aber das hat mir leider nicht geholfen. Denn ich meine schon den Gedankengang verstanden zu haben. Nur glaube ich ihn inhaltlich nicht.
1.) Ich glaube weder 4% Zuwachs für Deutschland (zu hoch) noch 0% für Griechenland (zu niedrig). Wohlgemerkt: Ich habe keine besseren Zahlen gefunden, nur schwache Erinnerung. Aber wenn diese Zahlen dichter zusammenliegen, dann fehlen einige Prozent zu den gesamten 10% - irgendetwas scheint also noch zu fehlen.
2.) Wenn wir über Wettbewerbsfähigkeit reden, dann ist doch die Lohnentwicklung interessant - nicht die Inflation (also die Verbraucherpreise).
Zitat Nachdem Deutschland bzw. der sonstige Euro-Raum im Vergleich zu Griechenland sehr groß ist, ist klar, dass die Anpassung in Griechenland passieren muss.
Ja. Aber dazu reicht eine Angleichung der Inflation - die ist auch grundsätzlich zu erwarten (aber nicht eingetreten, wegen der unseriösen Staatspolitik dort).
Ansonsten ist halt die Frage, inwieweit der Produktionsfortschritt sich in den Löhnen niederschlägt.
Zitat Griechenland war ganz eindeutig nicht Teil eines optimalen Währungsraums.
Das sind viele strukturschwache Gebiete in Deutschland auch nicht. Der Währungsraum DM hat trotzdem funktioniert. Und hätte es auch ohne gewisse Umverteilungen à la Länderfinanzausgleich, die es so im EU-Maßstab nicht gibt.
Zitat Ich kann mich rückblickend eigentlich an keinen einzigen VWL-Professor erinnern, der die Euro-Einführung nicht skeptisch gesehen hätte.
Die Frage ist halt, welche Qualität die Skepsis hat. Gegenüber der reinen wissenschaftlichen Lehre sind ja politische Maßnahmen immer suboptimal. Damit kann man aber leben. Das konkret eingetretene Desaster hat aber meiner Erinnerung nach keiner vorausgesehen. Dafür sind andere, prognostizierte Probleme nicht eingetreten.
Zitat von Florian im Beitrag #132Noch einmal vielleicht etwas deutlicher:
Vielen Dank, aber das hat mir leider nicht geholfen. Denn ich meine schon den Gedankengang verstanden zu haben. Nur glaube ich ihn inhaltlich nicht.
1.) Ich glaube weder 4% Zuwachs für Deutschland (zu hoch) noch 0% für Griechenland (zu niedrig). Wohlgemerkt: Ich habe keine besseren Zahlen gefunden, nur schwache Erinnerung. Aber wenn diese Zahlen dichter zusammenliegen, dann fehlen einige Prozent zu den gesamten 10% - irgendetwas scheint also noch zu fehlen.
2.) Wenn wir über Wettbewerbsfähigkeit reden, dann ist doch die Lohnentwicklung interessant - nicht die Inflation (also die Verbraucherpreise).
.
zu 2.) Ich glaube zwar, dass Inflation hier tatsächlich der relevante Maßstab ist (denn für die Entwicklung der Devisenkurse ist ja die Purchasing Power Parity relevant). Oder anders gesagt: "Inflation" spiegelt alle Faktorpreise eines Landes wider, nicht nur die Lohnkosten.
Aber ich gebe zu: Ich bin mir auch nicht ganz sicher. Und habe leider auch nicht die Zeit, die VWL-Theorie dahinter sauber zu recherchieren. Mein obiges Argument funktioniert aber glaube ich auch genauso gut, wenn man "Inflation" durch "Lohnentwicklung" ersetzt. Dann kommt man eben zu dem Ergebnis, dass für einen Ausgleich eine jährliche Lohnsenkung notwendig gewesen wäre. Zumindest dann, wenn die zweite Grundannahme stimmt, nämlich dass Deutschland einen großen Vorsprung bei der Produktivitätsentwicklung gegenüber Griechenland hat.
Ich würde vermuten, das war so. Denn anders ist eigentlich die über jahrzehnte gehende Abwertung der Drachme gegenüber der DM kaum zu erklären. Aber auch hier gebe ich zu: ich weiß es nicht sicher. Könnte sein, dass der Produktivitätsunterschied geringer war. Dann müssen aber (um die massive langfristige Abwertung zu erklären) die Lohn-Entwicklungen in D und GR vor 2001 noch stärker auseinander gegangen sein als von mir vermutet.
So oder so und ganz egal wie man es wendet: Das Ergebnis ändert sich eigentlich nicht: Die (ja nicht nur kurzfristige sondern über jahrzehnte recht monoton verlaufende) sehr starke Drachme-Abwertung von 9-10% p.a. war eigentlich ein sehr starker Indikator dafür, dass Griechenland nicht Teil eines optimalenn Währungsraums war.
Wenn man darüber nachdenkt, ist der Indikator "Wechselkursentwicklung" für diese Beurteilung auch viel besser geeignet als Indikatoren wie "Haushaltsdefizit" oder "Staatsverschuldung": Wenn ein Land einen sehr massiven, immer in die gleiche Richtung gehenden Anpassungsbedarf beim Wechselkurs hat, dann ist es vermutlich keine gute Idee, den Wechselkurs festzubinden.
Zitat
Zitat -------------------------------------------------------------------------------- Griechenland war ganz eindeutig nicht Teil eines optimalen Währungsraums. --------------------------------------------------------------------------------
Das sind viele strukturschwache Gebiete in Deutschland auch nicht. Der Währungsraum DM hat trotzdem funktioniert. Und hätte es auch ohne gewisse Umverteilungen à la Länderfinanzausgleich, die es so im EU-Maßstab nicht gibt.
Wirklich?
Fakt ist, dass es innerhalb Deutschlands massive Umverteilung gibt. Der Länderfinanzausgleich ist davon nur ein kleiner, relativ unbedeutender Teil. (Um vermutlich mehr als den Faktor 10 bedeutsamer sind z.B. die Transfers innerhalb der Sozialversicherungen.) Außerdem gibt es innerhalb Deutschlands einen realen Ausgleichsmechanismus, der EU-weit bei weitem nicht so gut funktioniert: die Binnenwanderung. Die Leute wandern aus Strukturschwachen Gebieten ab in strukturstarke. Seit der Wiedervereinigung mehrere Millionen von Ost nach West. Gleichzeitig weitere Millionen innerhalb des Westens von schwachen zu starken Regionen. In der EU ist Binnenwanderung schwieriger, allein schon wegen der Sprach- und Kulturbarrieren.
Wie der "innerdeutsche Währungsraum" funktionieren würde, ohne solche Ausgleichsmechanismen, ist natürlich reine Spekulation.
Aber auf jeden Fall dient das NICHT als Beweis dafür, dass ein EU-weiter Währungsraum ohne vergleichbare Mechanismen funktionieren würde.
Zitat von Florian im Beitrag #134Mein obiges Argument funktioniert aber glaube ich auch genauso gut, wenn man "Inflation" durch "Lohnentwicklung" ersetzt.
Es ist natürlich schon klar, daß Inflation und Lohnentwicklung eine gewisse Korrelation haben. Der Unterschied ist aber m. E.: Bei den Löhnen können die Bedingungen einer Branche viel genauer berücksichtigt werden als bei globalen Sachen wie Inflation oder Abwertung.
Zitat Dann kommt man eben zu dem Ergebnis, dass für einen Ausgleich eine jährliche Lohnsenkung notwendig gewesen wäre.
Da müßte man jetzt genauer nachrechnen. Meine Vermutung wäre eher: Es müßte reichen, wenn bei griechischen Branchen mit Wettbewerbsproblemen die Löhne nicht oder nur moderat steigen. Das ist offenbar ja nicht geschehen - und das hat die Wirtschaft abschmieren lassen.
Zitat Zumindest dann, wenn die zweite Grundannahme stimmt, nämlich dass Deutschland einen großen Vorsprung bei der Produktivitätsentwicklung gegenüber Griechenland hat.
Und Deutschland generell darauf verzichten würde, seinen Produktivitätsfortschritt in Lohnerhöhungen umzusetzen. Und das wäre schon unrealistisch.
Zitat Dann müssen aber (um die massive langfristige Abwertung zu erklären) die Lohn-Entwicklungen in D und GR vor 2001 noch stärker auseinander gegangen sein als von mir vermutet.
Mit diesem Erklärungsansatz hätte ich aber wenig Probleme - die Abwertungspolitik früher im Süden ging durchaus mit hohen nominalen Lohnsteigerungen einher.
Zitat Wenn man darüber nachdenkt, ist der Indikator "Wechselkursentwicklung" für diese Beurteilung auch viel besser geeignet als Indikatoren wie "Haushaltsdefizit" oder "Staatsverschuldung".
Da stimme ich zu. Eigentlich waren die Staatsfinanzen ja sogar völlig unwichtig - weil ja wegen des bail-out-Verbots ohnehin jeder für sich wirtschaftete. Das Problem mit der Wechselkursfrage ist natürlich, daß man dann ab Währungsunion nichts mehr messen kann.
Zitat
Zitat Das sind viele strukturschwache Gebiete in Deutschland auch nicht. Der Währungsraum DM hat trotzdem funktioniert.
Wirklich?
Tja, ganz sicher bin ich mir da auch nicht. Aber es gibt nun mal viele große Staaten mit einheitlicher Währung, aber sehr unterschiedlicher ökonomischer Stärke der Regionen darunter. Und zur Zeiten des Goldstandards gab es ja im Prinzip europaweit eine Währungsunion, ohne irgendwelche Umverteilung und mit verhältnismäßig wenig Binnenwanderung.
Zitat Fakt ist, dass es innerhalb Deutschlands massive Umverteilung gibt.
Ich sehe jetzt nicht, daß z. B. die Sozialversicherungen größere Subventionen von strukturstarken in strukturschwache Landesteile organisieren. Es gibt diese Effekte - aber die gäbe es auch ohne Währungsunion: Kinder wandern in wirtschaftsstarke Regionen ab und schicken den in den schwachen Regionen zurückgebliebenen Familien Geld.
Zitat In der EU ist Binnenwanderung schwieriger ...
Richtig - aber siehe das Beispiel Europa um 1900. Auch Binnenwanderung gleich ja die Nachteile der strukturschwachen Gebiete nicht aus - im Gegenteil.
Der wesentliche Ausgleich erfolgt doch bei strukturschwachen Gebieten anders: Die Lebenshaltungskosten und damit die Löhne sind deutlich niedriger als in den Ballungsräumen. Damit bleibt ein Betrieb in Ostfriesland konkurrenzfähig - oder in Griechenland.
Zitat Aber auf jeden Fall dient das NICHT als Beweis dafür, dass ein EU-weiter Währungsraum ohne vergleichbare Mechanismen funktionieren würde.
Beweis natürlich nicht, dazu ist die Diskussion noch zu vage. Aber Indiz schon.
Irgendwie irritiert mich, daß man bei der Frage der Euro-Währungsunion Kriterien für "optimale Währungsräume" diskutiert, die man selbst bei völlig disparaten Nationalstaaten nie vermißt. Deutet das nicht darauf hin, daß wirtschaftliche Gleichgewichtigkeit ziemlich unwichtig ist für ein Währungsgebiet?
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