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ZETTELS KLEINES ZIMMER

Das Forum zu "Zettels Raum"



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Dieses Thema hat 113 Antworten
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 Kommentare/Diskussionen zu "Zettels Raum"
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Zettel Offline




Beiträge: 20.200

14.02.2013 05:41
Kommunismus Antworten

Der Kommunismus ist eben noch nicht tot. Der Schoß ist fruchtbar noch, aus dem das kroch.

Thomas Pauli Offline




Beiträge: 1.486

14.02.2013 09:27
#2 RE: Kommunismus Antworten

Lieber Zettel,

gerade habe ich die Lektüre von "Escape from Camp 14" abgeschlossen, das das Leben und Entkommen eines im nordkoreanischen Gulag Geborenen schildert. Ich habe keinerlei Grund anzunehmen, daß es sich bei den geschilderten Geschehnissen um Übetreibung handelt. Danach sind die Verhältnisse noch schlimmer als Du schilderst. Die Flucht konnte nur gelingen, weil die Nahrungsversorgung Nordkoreas in der Mitte der Neunziger Jahre komplett zusammengebrochen war (im Gulag lebten die Menschen möglicherweise besser als in den Städten, weil die Lager Selbstversorger auf niedrigstem Niveau sind) und die Bürokratie anfing, Bestechung durch illegale Händler für das geringere Risiko als zu verhungern hielten. Die "Regierung" ließ gezwungenermaßen Märkte und Schnmuggel zu, weil nur so die Zahl der verhungernden nicht zu groß wurde. In dieser Untergrundökonomie konnten auch Flüchtlinge überleben und nach China entkommen.
Dem Author (Blaine Harden) zufolge laute die Richtschnur der "Regierung" nunmehr "Alles dem Militär", dem ein großer Prozentsatz der Bevölkerung angehört. Wenn das Maß der Willkür ein Maß für die Absolutheit der ausgeübten Macht darstellt, dann ist die nordkoreanische absolut; sie wird nur noch von den Naturgesetzen begrenzt.

Herzlich, Thomas

adder Offline




Beiträge: 1.073

14.02.2013 09:31
#3 RE: Kommunismus Antworten

Die einfachen Bewohner Nordkoreas tun mir leid, denn sie müssen - wie Sie, lieber Zettel, so zutreffend titelten - 'leben und sterben in Lumpen', ohne auch nur den Hauch einer Chance, während Armeeführung und Parteispitze ja durchaus auch nach westlichen Maßstäben "gut" leben. In dieser Hinsicht ist Nordkorea dann noch schlimmer als der Steinzeitkommunismus eines Pol Pot; und deutlich schlimmer als das kommunistisch bemäntelte Regime in Kuba. Daher trifft Ihre Einschätzung auch zu: Nordkorea ist die Perfektion des Kommunismus. Kuba könnte sich durchaus in eine funktionierende "gelenkte Demokratie" verändern, China ist schon auf einem guten Weg dahin. Putins Herrschaft scheint offenbar vielen Schwellen- und Entwicklungsländern als erstrebenswert - v.a. weil man dann ja auch im "Westen" hofiert werden wird...

Für das Kim-Regime ist dieser Zug allerdings abgefahren - und es wird nur deshalb überleben, weil Südkorea aus Angst vor dem Zusammenbruch und den Unwägbarkeiten einer Revolution oder eines Putsches im Norden auch weiterhin die schlimmsten Mängel mit viel Geld und Hilfeleistung zu lindern versucht.

Fluminist Offline




Beiträge: 2.015

14.02.2013 09:46
#4 RE: Kommunismus Antworten

Zitat von Zettel
Es geht Nordkorea darum, erstens als bedrohlich (ferocious schreibt Friedman, also wild bedrohlich) wahrgenommen zu werden. Also testet man mit großem Getöse Raketen und veranstaltet mit großem Getöse Atomtests. Je mehr Lärm, umso besser.

Ein Staat, der diese militärischen Mittel wirklich würde ein­setzen wollen, würde sie geheimhalten.


Nun ja, nach Nagasaki haben Nuklearwaffen bisher Gott sei Dank generell nur der Abschreckung gedient, wurden und werden von den nuklear bewaffneten Staaten also nicht geheimgehalten, sondern groß avisiert. Sie sind ja gewissermaßen die Eintrittskarte in die crème de la crème der internationalen Diplomatie.
In dieser Hinsicht versucht Nordkorea also nur dem Beispiel der USA, der Sowjetunion, Großbritanniens, Frankreichs, Chinas, Indiens, Pakistans, Israels zu folgen. Das würde ich also nicht unbedingt mit dem Zustand als failed state in Verbindung bringen.

Daß das alles auf dem Rücken einer bis zum letzten geschundenen Bevölkerung stattfindet, ist natürlich schrecklich, deutet andererseits aber auch darauf hin, daß Nordkorea seinen privaten kalten Krieg vielleicht nicht sehr lange wird durchhalten können.

Der andere Aspekt der auffällig unberechenbaren Führung, die innerhalb weniger Tage sowohl Einlenken signalisiert als auch einen Kernwaffentest durchführt, ist allerdings gut beobachtet.

Diarra Offline



Beiträge: 19

14.02.2013 11:09
#5 RE: Kommunismus Antworten

Vor einigen Wochen hatte ich berufsbedingt in der Gedenkstätte Buchenwald zu tun. Als Vorbereitung darauf habe ich mir einen Vormittag Zeit genommen, um die Anlage und die noch erhaltenen Gebäude auf mich wirken zu lassen. Es war bedrückend. Einige Tage später habe ich eine Austellung über die Lager in Nordkorea besucht, die in meiner Stadt für mehrere Wochen zu besuchen war, u.a. in der Stadtverwaltung. Es gibt in der Stadt, in der ich lebe, viele Koreaner und die waren an der Vorbereitung für diese Austellung beteiligt, was der Ausstellung Authentizität verliehen hat. Diese Austellung über koreanische Lager hat mich tief bewegt. Man übertreibt nicht, wenn man sie mit den deutschen KZ vergleicht. "Buchenwald" und andere wurden von den Allierten Truppen befreit, anders war es gar nicht möglich. Die Deutschen hatten nicht mehr die moralische Kraft, selbst dagegen zu kämpfen. In Nordkorea ist es m.E. ähnlich. Das System (ich würde es noch nicht einmal Kommunismus nennen, sondern die Kim-Dynastie) hat seine eigenen Leute fest im Griff. Die einzige Gefahr, die ihm droht, kommt von außen. Entzieht China seine Unterstützung, bleibt ihm nur noch die reine Abschreckung durch Atomwaffen. Mein koreanischer Kollege hier vor Ort sagte mir: Die eigene Bevölkerung ist zu geschwächt und moralisch korrumpiert; sie wird sich nicht erheben, sondern immer nur ergeben.

Erling Plaethe Offline




Beiträge: 4.660

14.02.2013 11:39
#6 RE: Kommunismus Antworten

Zitat von Diarra im Beitrag #5
Das System (ich würde es noch nicht einmal Kommunismus nennen, sondern die Kim-Dynastie) hat seine eigenen Leute fest im Griff.

Schließt sich das irgendwie aus, lieber Diarra, Kommunismus und Dynastie? Mir sind eine Menge Dynastien bekannt, die ihre Untertanen ganz gut behandelt haben.

Nachtrag:
Lieber Diarra, Sie haben recht. Ich war dann doch neugierig, wie Sie das gemeint haben können und bin fündig geworden. Also, nichts für ungut und - Pardon!

Zitat von http://en.wikipedia.org/wiki/Communist_s...ommunist_states
Many people, especially in the west, would describe North Korea as a Communist state. North Korea has actually claimed that its so-called Socialist system was chosen by its people as a defence to human rights allegations,[23][24] thus justifying it when North Korea is labelled as Communist or Socialist .The government's official ideology, on the other hand is now the far right Juche policy of Kim Jong Il, as opposed to left wing Marxist-Leninist Communism. In 2009, the DPRK constitution was quietly amended so that not only did it disavow all Marxist Leninist references present in the first draft, but it dropped all reference to 'Communism'[25]


[25] http://leonidpetrov.wordpress.com/2009/1...s-constitution/

Viele Grüße, Erling Plaethe

Frank Böhmert Offline




Beiträge: 927

14.02.2013 12:52
#7 RE: Kommunismus Antworten

Zitat von Diarra im Beitrag #5
"Buchenwald" und andere wurden von den Allierten Truppen befreit, anders war es gar nicht möglich. Die Deutschen hatten nicht mehr die moralische Kraft, selbst dagegen zu kämpfen.

Siehe auch Sebastian Haffners GERMANY: JEKYLL & HYDE; dort beschrieb er das schon vor 1940 in aller Ausführlichkeit.

Mein Fazit nach der Lektüre vor zwei Jahren: "[...] erklärt Haffners Buch in erschreckender Ausführlichkeit, wie grauenhaft wenig man aber innerhalb dieses gleichgeschalteten, auf durchgehende Überwachung aufgebauten Maximalstaats gegen diesen hat unternehmen können, warum es keine nennenswerte Opposition mehr gab, keinen mehr als punktuellen Widerstand. Die einzige Hoffnung war, so Haffner, der Krieg."
http://frankboehmert.blogspot.de/2011/04...er-germany.html

Aber worauf liefe das dann konkret hinaus, im Falle von Nordkorea 2013ff.?

Erling Plaethe Offline




Beiträge: 4.660

14.02.2013 13:57
#8 RE: Kommunismus Antworten

Zitat von Frank Böhmert im Beitrag #7

Siehe auch Sebastian Haffners GERMANY: JEKYLL & HYDE; dort beschrieb er das schon vor 1940 in aller Ausführlichkeit.

Mein Fazit nach der Lektüre vor zwei Jahren: "[...] erklärt Haffners Buch in erschreckender Ausführlichkeit, wie grauenhaft wenig man aber innerhalb dieses gleichgeschalteten, auf durchgehende Überwachung aufgebauten Maximalstaats gegen diesen hat unternehmen können, warum es keine nennenswerte Opposition mehr gab, keinen mehr als punktuellen Widerstand. Die einzige Hoffnung war, so Haffner, der Krieg."
http://frankboehmert.blogspot.de/2011/04...er-germany.html

Hab ich übrigens nach dem letzten Besuch Ihrer Seite gekauft. Als eBook und natürlich ungekürzt auf englisch.
An dieser Stelle deshalb: Vielen Dank für den Hinweis!

Viele Grüße, Erling Plaethe

Frank Böhmert Offline




Beiträge: 927

14.02.2013 15:28
#9 RE: Kommunismus Antworten

Zitat von Erling Plaethe im Beitrag #8
Hab ich übrigens nach dem letzten Besuch Ihrer Seite gekauft. Als eBook und natürlich ungekürzt auf englisch.
An dieser Stelle deshalb: Vielen Dank für den Hinweis!

Oh, das freut mich! Unter anderem zu dem Zweck, auf gute Lektüre abseits der Neuerscheinungen aufmerksam zu machen, schreibe ich meine Lesenotizen ja.

R.A. Offline



Beiträge: 8.171

14.02.2013 16:01
#10 RE: Kommunismus Antworten

Zitat von Erling Plaethe im Beitrag #6
The government's official ideology, on the other hand is now the far right Juche policy of Kim Jong Il, as opposed to left wing Marxist-Leninist Communism. In 2009, the DPRK constitution was quietly amended so that not only did it disavow all Marxist Leninist references present in the first draft, but it dropped all reference to 'Communism'[25]

Richtig ist, daß die nordkoreanische Propaganda die völlig Eigenständigkeit der Ideologie betont, und die zentrale Rolle der Kims als Ideengeber. Und deswegen die Vorbilder Marx und Genossen genauso verschweigt wie den Begriff Kommunismus.
Das ändert aber nichts daran, daß "Juche" bis auf ein paar Umbenennungen und der Betonung auf nationale Eigenständigkeit Nordkoreas eine kommunistische Variante ist. Wie die Wikipedia hier auf "far right policy" kommt ist nicht nachvollziehbar.

stefanolix Offline



Beiträge: 1.959

14.02.2013 16:09
#11 RE: Kommunismus Antworten

Zitat von R.A. im Beitrag #10
Zitat von Erling Plaethe im Beitrag #6
The government's official ideology, on the other hand is now the far right Juche policy of Kim Jong Il, as opposed to left wing Marxist-Leninist Communism. In 2009, the DPRK constitution was quietly amended so that not only did it disavow all Marxist Leninist references present in the first draft, but it dropped all reference to 'Communism'[25]

Richtig ist, daß die nordkoreanische Propaganda die völlig Eigenständigkeit der Ideologie betont, und die zentrale Rolle der Kims als Ideengeber. Und deswegen die Vorbilder Marx und Genossen genauso verschweigt wie den Begriff Kommunismus.
Das ändert aber nichts daran, daß "Juche" bis auf ein paar Umbenennungen und der Betonung auf nationale Eigenständigkeit Nordkoreas eine kommunistische Variante ist. Wie die Wikipedia hier auf "far right policy" kommt ist nicht nachvollziehbar.


Wegen bestimmter Ähnlichkeiten zum Nationalsozialismus? Wegen des Überlegenheitswahns (Raketen, Atombombenversuch …)?

Ich hatte mal eine Satire im Blog, in der ich die Hälfte der Fragen der bekannten FES-Rechtsextremismus-Studie auf Nordkorea angewandt habe.
http://stefanolix.wordpress.com/2012/11/...korea/#comments

Da meldete sich ein Kommentator und wies auf diese Publikation hin:
http://www.amazon.de/The-Cleanest-Race-T.../dp/1935554344/

stefanolix Offline



Beiträge: 1.959

14.02.2013 16:13
#12 RE: Kommunismus Antworten

Zitat von Diarra im Beitrag #5
Vor einigen Wochen hatte ich berufsbedingt in der Gedenkstätte Buchenwald zu tun. Als Vorbereitung darauf habe ich mir einen Vormittag Zeit genommen, um die Anlage und die noch erhaltenen Gebäude auf mich wirken zu lassen. Es war bedrückend. Einige Tage später habe ich eine Austellung über die Lager in Nordkorea besucht, die in meiner Stadt für mehrere Wochen zu besuchen war, u.a. in der Stadtverwaltung. Es gibt in der Stadt, in der ich lebe, viele Koreaner und die waren an der Vorbereitung für diese Austellung beteiligt, was der Ausstellung Authentizität verliehen hat. Diese Austellung über koreanische Lager hat mich tief bewegt. Man übertreibt nicht, wenn man sie mit den deutschen KZ vergleicht. "Buchenwald" und andere wurden von den Allierten Truppen befreit, anders war es gar nicht möglich. Die Deutschen hatten nicht mehr die moralische Kraft, selbst dagegen zu kämpfen. In Nordkorea ist es m.E. ähnlich. Das System (ich würde es noch nicht einmal Kommunismus nennen, sondern die Kim-Dynastie) hat seine eigenen Leute fest im Griff. Die einzige Gefahr, die ihm droht, kommt von außen. Entzieht China seine Unterstützung, bleibt ihm nur noch die reine Abschreckung durch Atomwaffen. Mein koreanischer Kollege hier vor Ort sagte mir: Die eigene Bevölkerung ist zu geschwächt und moralisch korrumpiert; sie wird sich nicht erheben, sondern immer nur ergeben.


Aber das hochgerüstete Militär wird sich nicht so einfach ergeben. Kims Armee erreicht mit Raketen dichtbesiedelte Ballungsräume in Asien. Die Welt scheint hochgradig erpressbar. Eine Befreiung wie 1945 scheint momentan gar nicht möglich, selbst wenn China seine Unterstützung aufgäbe und sich genügend Alliierte fänden.

Erling Plaethe Offline




Beiträge: 4.660

14.02.2013 16:34
#13 RE: Kommunismus Antworten

Zitat von R.A. im Beitrag #10
Zitat von Erling Plaethe im Beitrag #6
The government's official ideology, on the other hand is now the far right Juche policy of Kim Jong Il, as opposed to left wing Marxist-Leninist Communism. In 2009, the DPRK constitution was quietly amended so that not only did it disavow all Marxist Leninist references present in the first draft, but it dropped all reference to 'Communism'[25]

Richtig ist, daß die nordkoreanische Propaganda die völlig Eigenständigkeit der Ideologie betont, und die zentrale Rolle der Kims als Ideengeber. Und deswegen die Vorbilder Marx und Genossen genauso verschweigt wie den Begriff Kommunismus.
Das ändert aber nichts daran, daß "Juche" bis auf ein paar Umbenennungen und der Betonung auf nationale Eigenständigkeit Nordkoreas eine kommunistische Variante ist. Wie die Wikipedia hier auf "far right policy" kommt ist nicht nachvollziehbar.

Das Problem tritt ja häufiger auf. Totalitäre Regime entziehen sich dem Rechts/Links-Schema. Rechtsextremismus und Linksextremismus sind nicht die beiden Enden eines linearen demokratischen Spektrums, finde ich.
Besser ist es deshalb sich ein Kreisschema vorzustellen. Oben befindet sich das demokratische Spektrum, an dem rechts und links davon die beiden Richtungen des Parlaments der Kreislinie folgend nach unten verlaufen. Dort wo sie sich treffen, befindet sich der Totalitarismus. Rechts und links von ihm, seine Varianten Kommunismus und Faschismus. Der Juche ist dann eben am untersten Punkt des Kreises, oder leicht rechts oder links davon, je nach Ansicht.

Viele Grüße, Erling Plaethe

Rayson Offline




Beiträge: 2.367

14.02.2013 16:44
#14 RE: Kommunismus Antworten

Zitat von Erling Plaethe
Oben befindet sich das demokratische Spektrum, an dem rechts und links davon die beiden Richtungen des Parlaments der Kreislinie folgend nach unten verlaufen.

Und wo sind in dem Schema die radikalliberalen bis libertären Richtungen vertreten?

--
L'État, c'est la grande fiction à travers laquelle tout le monde s'efforce de vivre aux dépens de tout le monde. (Frédéric Bastiat)
Je länger das Dritte Reich tot ist, um so stärker wird der Widerstand gegen Hitler und die Seinen. (Johannes Gross)

Florian Offline



Beiträge: 3.136

14.02.2013 16:47
#15 RE: Kommunismus Antworten

Zitat
Eine Befreiung wie 1945 scheint momentan gar nicht möglich, selbst wenn China seine Unterstützung aufgäbe und sich genügend Alliierte fänden.



Und nicht zu vergessen:
Die "Befreiung Deutschlands vom Nationalsozialismus" war ja 1945 nicht das vorrangige Kriegsziel der Alliierten. Sondern die "Befreiung Europas von den deutschen Agressoren".

Will sagen:
Der 2. Weltkrieg hat auf Allierter viele tote Soldaten gefordert. Diesen Blutzoll hätten die Allierten wohl kaum auf sich genommen, nur um die deutsche Bevölkerung von einer (zum Teil selbstgewollten) Diktatur zu befreien.
(Und heutzutage wäre im Westen die Bereitschaft für ein solches Opfer noch viel geringer als damals).

Und das hätte im übrigen auch damals nicht funktioniert.
Nehmen wir einmal theoretisch an, Hitler hätte in Deutschland zwar eine Binnen-Diktatur incl. Konzentrationslager aufgebaut. Allerdings keinen Angriffskrieg geführt. Und nun wird Deutschland von den USA und GB angegriffen um Deutschland von Hitler zu befreien. In der Bevölkerung hätte dies zu einer Solidarisierung mit Hitler geführt, das Hitler-Regime wäre im Nachhinein glorifiziert worden. Einen "demokratischen Neuanfang" hätte es unter solchen Bedingungen kaum gegeben.

Die nordkoreanische Bevölkerung ist nun aber noch viel perfekter indoktriniert als die damalige deutsche Bevölkerung (erstens dauert die Indoktrinierung nun schon fast 70 Jahre, so dass praktisch kein lebender Nordkoreaner noch eine Zeit vor den Kims kennt. Zweitens ist die Abschottung noch viel perfekter als die Nazideutschlands. 1938 konnte jeder Deutsche der wollte, in die Schweiz oder nach England fahren und die dortigen Zustände kennen lernen. Nordkoreaner können so etwas nicht).
Man darf daher davon ausgehen, dass eine große Mehrheit der Nordkoreaner fanatische Kim-Loyalisten sind.*

Ein von Außen herbeigeführter Sturz des Kim-Regimes würde daher keinesfalls auf eine begeisterte Unterstützung der unterdrückten Bevölkerung stoßen.

Ich fürchte daher, dass dieses Regime nicht so bald verschwinden wird.


* Hierzu die Literatur-Empfehlung "Nothing to envy":
Ein sehr interessanter Blick auf Nordkorea. Basierend auf Interviews mit Nordkoreanern, denen die Flucht gelungen ist.
Viele vollkommen erschütternde Details.
(Ein Beispiel: Einer Ärztin gelingt eines nachts die Flucht. In China angekommen entdeckt sie mitten in der Nacht einen einsamen Bauernhof. Vor dem Hof steht eine Schüssel mit Essen. Sie ist so hungrig, dass sie die Schüssel stiehlt. Das Essen ist das beste, was sie jemals hatte. Erst später wird ihr klar, dass es sich dabei um einen Napf mit Hundefutter gehandelt hatte. Und erst in diesem Moment wird ihr bewusst, wie arm Nordkorea wirklich ist: Eine Ärztin in Nordkorea hatte noch nie so gute Nahrung wie die tägliche Kost eines Bauern-Hundes irgendwo in der chinesischen Provinz).
Aber dennoch ist die Gehirnwäsche in Nordkorea perfekt:
Einer der Interview-Partnerinnen erzählt zum Beispiel, wie für sie eine Welt zusammengebrochen ist, als Kim senior starb. Die landesweite Trauer war kein Porpaganda-Märchen, sondern absolut echt.

R.A. Offline



Beiträge: 8.171

14.02.2013 16:48
#16 RE: Kommunismus Antworten

Zitat von stefanolix im Beitrag #11
Wegen bestimmter Ähnlichkeiten zum Nationalsozialismus?

Das wären dann wohl genau die Punkte, wegen derer der Nationalsozialismus auch als linke Ideologie gedeutet werden kann ...
"Juche" ist aber noch deutlich kommunistischer, weil ja die Produktionsmittel komplett verstaatlicht sind und es nicht einmal Reste einer "kapitalistischen Klasse" mehr gibt.

R.A. Offline



Beiträge: 8.171

14.02.2013 16:51
#17 RE: Kommunismus Antworten

Zitat von Erling Plaethe im Beitrag #13
Besser ist es deshalb sich ein Kreisschema vorzustellen.

Ein sehr vernünftiges Schema, aber von links- bzw. rechts-außen wird das natürlich heftig bestritten.
Und da der Wikipedia-Autor so dezidiert erklärt, Juche wäre eben rechts und nicht links, wird er diesem Kreisschema wohl nicht anhängen.

stefanolix Offline



Beiträge: 1.959

14.02.2013 17:07
#18 RE: Kommunismus Antworten

Zitat von Rayson im Beitrag #14

Zitat von Erling Plaethe
Oben befindet sich das demokratische Spektrum, an dem rechts und links davon die beiden Richtungen des Parlaments der Kreislinie folgend nach unten verlaufen.
Und wo sind in dem Schema die radikalliberalen bis libertären Richtungen vertreten?



In der Mitte des Kreises. Sie liegen dort im Gras und träumen von einer anderen Welt ;-)

Erling Plaethe Offline




Beiträge: 4.660

14.02.2013 17:10
#19 RE: Kommunismus Antworten

Zitat von Rayson im Beitrag #14

Zitat von Erling Plaethe
Oben befindet sich das demokratische Spektrum, an dem rechts und links davon die beiden Richtungen des Parlaments der Kreislinie folgend nach unten verlaufen.
Und wo sind in dem Schema die radikalliberalen bis libertären Richtungen vertreten?


So bei 8:30 Uhr.

Viele Grüße, Erling Plaethe

stefanolix Offline



Beiträge: 1.959

14.02.2013 17:11
#20 RE: Kommunismus Antworten

Zitat von Erling Plaethe im Beitrag #13
Besser ist es deshalb sich ein Kreisschema vorzustellen. Oben befindet sich das demokratische Spektrum, an dem rechts und links davon die beiden Richtungen des Parlaments der Kreislinie folgend nach unten verlaufen. Dort wo sie sich treffen, befindet sich der Totalitarismus. Rechts und links von ihm, seine Varianten Kommunismus und Faschismus. Der Juche ist dann eben am untersten Punkt des Kreises, oder leicht rechts oder links davon, je nach Ansicht.


Da unten ist es so abscheulich, dass »leicht rechts« oder »leicht links« davon keine Rolle mehr spielt. Ich würde deshalb den Kreis oben und unten abflachen. Auf einer kurzen Linie des Schreckens stünden unten die schlimmsten totalitären Modelle. Auf einer Linie der akzeptablen Systeme stünden demgemäß oben die erträglichen demokratischen Modelle (also z. B. auch mal vier Jahre Rot/Grün, solange man sie problemlos wieder abwählen kann).

stefanolix Offline



Beiträge: 1.959

14.02.2013 17:13
#21 RE: Kommunismus Antworten

Zitat von Erling Plaethe im Beitrag #19
Zitat von Rayson im Beitrag #14

Zitat von Erling Plaethe
Oben befindet sich das demokratische Spektrum, an dem rechts und links davon die beiden Richtungen des Parlaments der Kreislinie folgend nach unten verlaufen.
Und wo sind in dem Schema die radikalliberalen bis libertären Richtungen vertreten?

So bei 8:30 Uhr.



Nein, die radikalen Libertären können IMHO darin gar nicht nicht vertreten sein, wenn wir von einem Schema der Staatsformen reden.

Doeding Offline




Beiträge: 2.612

14.02.2013 17:19
#22 RE: Kommunismus Antworten

Zitat von Florian
Die landesweite Trauer war kein Porpaganda-Märchen, sondern absolut echt.



I woiß net, echte Trauer müßte wohl nicht bei Todesstrafe verordnet werden.
Aber vielleicht stimmt es auch. Möglicherweise ist Nordkorea diejenige Diktatur, in der Orwells "1984" am idealtypischsten realisiert ist. Als ich das Buch zufällig genau 1984 gelesen habe, schreckte mich am meisten die Kontrolle über die Emotionen, und wie sie dort realisiert wurde. Der letzte Satz des Buches blieb mir unvergessen: "Er liebte den großen Bruder", im Moment seiner Exekution.
Herzlichen Gruß,
Andreas Döding

Erling Plaethe Offline




Beiträge: 4.660

14.02.2013 17:27
#23 RE: Kommunismus Antworten

Zitat von stefanolix im Beitrag #20

Da unten ist es so abscheulich, dass »leicht rechts« oder »leicht links« davon keine Rolle mehr spielt. Ich würde deshalb den Kreis oben und unten abflachen. Auf einer kurzen Linie des Schreckens stünden unten die schlimmsten totalitären Modelle. Auf einer Linie der akzeptablen Systeme stünden demgemäß oben die erträglichen demokratischen Modelle (also z. B. auch mal vier Jahre Rot/Grün, solange man sie problemlos wieder abwählen kann).

Einverstanden. Eine Ellipse?

Viele Grüße, Erling Plaethe

stefanolix Offline



Beiträge: 1.959

14.02.2013 17:28
#24 RE: Kommunismus Antworten

Zitat von Doeding im Beitrag #22

Zitat von Florian
Die landesweite Trauer war kein Porpaganda-Märchen, sondern absolut echt.


I woiß net, echte Trauer müßte wohl nicht bei Todesstrafe verordnet werden.
Aber vielleicht stimmt es auch. Möglicherweise ist Nordkorea diejenige Diktatur, in der Orwells "1984" am idealtypischsten realisiert ist. Als ich das Buch zufällig genau 1984 gelesen habe, schreckte mich am meisten die Kontrolle über die Emotionen, und wie sie dort realisiert wurde. Der letzte Satz des Buches blieb mir unvergessen: "Er liebte den großen Bruder", im Moment seiner Exekution.
Herzlichen Gruß,
Andreas Döding



Die Todesstrafe wurde beim letzten Machtwechsel gegen Vertreter der Nomenklatura verhängt, die man nach dem Tod des alten Machthabers aus dem Weg räumen wollte. Diese Personen wären IMHO auch beseitigt worden, wenn sie sich an diesem Tag nicht betrunken hätten. Das scheint mir eher ein Vorwand gewesen zu sein.

Erling Plaethe Offline




Beiträge: 4.660

14.02.2013 17:35
#25 RE: Kommunismus Antworten

Zitat von Doeding im Beitrag #22

Zitat von Florian
Die landesweite Trauer war kein Porpaganda-Märchen, sondern absolut echt.


I woiß net, echte Trauer müßte wohl nicht bei Todesstrafe verordnet werden.
Aber vielleicht stimmt es auch. Möglicherweise ist Nordkorea diejenige Diktatur, in der Orwells "1984" am idealtypischsten realisiert ist. Als ich das Buch zufällig genau 1984 gelesen habe, schreckte mich am meisten die Kontrolle über die Emotionen, und wie sie dort realisiert wurde. Der letzte Satz des Buches blieb mir unvergessen: "Er liebte den großen Bruder", im Moment seiner Exekution.


Haben Sie mal "1979" von Christian Kracht gelesen? Bei dieser Lektüre kann man es buchstäblich nachempfinden. Der war auch mal da…

Viele Grüße, Erling Plaethe

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