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ZETTELS KLEINES ZIMMER

Das Forum zu "Zettels Raum"



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Dieses Thema hat 134 Antworten
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 Kommentare/Diskussionen zu "Zettels Raum"
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vielleichteinlinker Offline



Beiträge: 504

16.05.2013 22:28
#101 RE: Aus der Aufmerksamkeitsökonomie: Diskriminierung als Geschäftsmodell? Antworten

Ich werde Ihnen morgen noch ausführlicher antworten, jetzt nur ganz rasch ein Punkt, weil der eben rasch behandelbar ist und weil es ein interessanter Fall ist.

Zitat
Wirklich? Wieso dürfen wir denn dann noch "Chinese" oder "Jude" sagen? Ich glaube diese Transportfunktion nicht. Ich denke eher, dass es hier um Machtausübung geht.



Zuerst: Sie dürfen doch wohl sagen was Sie wollen. Die Frage lautet, welcher Begriff angebracht ist und welcher nicht, weil er verletztend oder diskriminierend ist. Selbst den dürfen Sie weiter benutzen, wenn Sie verletzten oder diskriminieren wollen. Oder, weil Sie alles anders sehen. Die wichtigste Aussage zu dem ganzen Thema ist: Niemand schreibt Ihnen vor, was Sie zu sagen haben. Es ist nur so, dass manche Sachen eben mehr Informationen transportieren als Sie vielleicht denken.

Die These mit der Machtausübung mal außenvor gelassen: Diese Transportfunktion existiert. Und sie tut das - sorry - ob Sie daran glauben oder nicht.

Worte haben mehrere Bedeutungsebenen. Zwei der wichtigsten sind die denotative und die konnotative. Die denotative Ebende transportiert das Wort eine Vorstellung davon, welches Teil der Welt wir beschreiben. Auf der konnotativen Ebene transportier das Wort eine - einfach ausgedrückt - Vorstellung davon, wie der Teil der Welt, den wir beschreiben, zu werten ist.

Ein Beispiel: Hund. Nehmen wir an, wir wissen, was mit Hund gemeint ist. Auf der denotativen Ebene meint "Köter" das Gleiche, "Töle" auch. Aber auf der konnotativen Ebene sind wir bei den beiden anderen Begriffen einige Stufen nach unten gewandert.

Feststellen lässt sich das am genauesten anhand der Bezeichnungen, die wir für die Begriffe nutzen. Einen "Hund" wird man, im Deutschen, vermutlich eher mit Begriffen bezeichnen wie "Freund", "Haustier", "Helfer", "Retter" während eine "Töle" "kläfft", "stinkt" und ein Köter vielleicht "beißt" und wahrscheinlich auch "stinkt".

Das ist bei "Neger" nicht anders, in dem eben noch die Bezeichnungen der Zeit mitschwingen, in denen Neger "wild" waren, "tanzen" konnten. Auf der Konnotativen Ebene ist "Neger" nicht der freundlichste Ausdruck, den wir haben, deswegen würde ich ihn vermeiden. Aber, Ihre Frage, warum dann noch "Jude" und "Chinese".

Nun, der "Chinese" ist seltener und war nicht so problematisch belegt wie der Neger. Und "Jude" ist ein peinliches Trauerspiel denn tatsächlich meiden viele Sprecher "Jude" weil es negativ belegt ist. Diese Belegung stammt aus zu großen Teilen aus der Zeit des Nationalsozialismus. Deswegen - und aus anderen Gründen und weils ja immer noch komplizierter ist - häufen sich die "jüdischen Mitbürger" und "jüdischen Menschen" in den Zeitungen und sonstwo...

Wie gesagt, das nur ganz schnell. Auf die anderen Sachen gehe ich morgen gerne ein. Ich muss doch erst einmal die Schaaf-Entlassung verkraften...

nachdenken_schmerzt_nicht Offline




Beiträge: 2.007

17.05.2013 11:09
#102 RE: Aus der Aufmerksamkeitsökonomie: Diskriminierung als Geschäftsmodell? Antworten

Auch wenn nicht auf so hohem Niveau wie meine Vorredner - denn ich nutze Kinderbücher als Anschauungsmaterial-, möchte ich mich gerne in die Diskussion kurz einklinken.

Zitat von Kritiker im Beitrag #96
Stichwort Neger: Was an dem Wort macht es rassistisch? Rassistisch ist doch nicht das Wort, sondern das Denken der Menschen. Und das ändert sich nicht, auch dann nicht, wenn man das Wort Neger abschafft.


Zitat von vielleichteinlinker im Beitrag #97

Es transportiert noch immer Vorstellungen des "Negers" aus einer Zeit, da das Wort rassistisch verwendet wurde.


Ich glaube der hier sichtbar werdende Widerspruch läßt sich nicht auflösen, weil er möglicherweise in persönlichen Erfahrungen oder Denkmustern liegt.

Ich bin von ersterem Zitat fest überzeugt. Kann aber die zweite Einstellung nicht widerlegen.

Mein Lieblingskinderbuch, welches ich mit 20 Jahren noch ab und an gelesen habe und hoffentlich bald meiner kleinen Tochter vorlesen kann, war "Jim Knopf und Lukas der Lokomotivführer".

Ich habe bei der Verwendung des Wortes Neger damals nie eine negative Empfindung gehabt. Jim und Lukas waren meine Helden. Ich habe sie beide geliebt. Das von der Kohle Lukas so schwarz war wie Jim fand ich toll. Alles war positiv besetzt für mich, bzw ich habe nie über das Wort Neger in irgendeine Richtung nachgedacht. Es war ein Wort zur Beschreibung eines rein faktischen Zustandes: Das Jim eben dunkle Haut hatte.

Rassismus war für mich niemals ein Thema. Ich habe irgendwann individuelle Erfahrungen gemacht und gemerkt, dass es überall nette und weniger nette Menschen gibt. Und das obwohl ich das Wort Neger in meiner Kindheit so oft gelesen habe. Meine Erfahrung ist, die Werte entstehen in der Erziehung. Vor allem durch vorleben der Eltern und der Menschen die man liebt. Nicht durch Wortwahl in Kinderbüchern.

Nutze ich heute das Wort Neger oder lese ich es, bin ich negativ berührt. In meinem Denken und Fühlen zur Sache hat sich nichts geändert.

Ich würde daher sogar sagen, dass die Dämonisierung solcher Worte Rassismus eher noch befeuert als abmildert. Einfach auch deswegen weil sie die „Unterschiedlichkeit“ (ob echt oder konstruiert) zum Dauerthema macht, die vorher nie interessierte.

Wer Rassismus nicht möchte, sollte seine Kinder in Liebe und gegenseitigem Respekt erziehen, Liebe und Respekt vorleben. Das ganze, soweit es geht, auf die Gesellschaft ausdehnen.Der Rest wird schnell zu Ideologie, die schneller schadet als nützt.

In der Kindererziehung darf ich es täglich erfahren. Vorleben erzieht, fromme Reden nicht.

Ich denke nicht rassistisch und daran wird keine Wortwahl die ich je treffe etwas ändern und ich bezweifele, dass sich Menschen mit rassistischer Einstellung durch Wortwahl ändern oder es ohne bestimmte Wörter schwerer fällt diese Einstellung an ihrer Kinder weiter zu geben.

"Namen sind Schall und Rauch" hat einer meiner Physikprofessoren einmal geprägt - in anderem Zusammenhang. Ich finde das passt auch hier.

Herzlichst


nachdenken_schmerzt_nicht

"Dort, wo es keine sichtbaren Konflikte gibt, gibt es auch keine Freiheit." - Montesquieu

nachdenken_schmerzt_nicht Offline




Beiträge: 2.007

17.05.2013 11:43
#103 RE: Aus der Aufmerksamkeitsökonomie: Diskriminierung als Geschäftsmodell? Antworten

Zitat von vielleichteinlinker im Beitrag #101

Worte haben mehrere Bedeutungsebenen. Zwei der wichtigsten sind die denotative und die konnotative. Die denotative Ebende transportiert das Wort eine Vorstellung davon, welches Teil der Welt wir beschreiben. Auf der konnotativen Ebene transportier das Wort eine - einfach ausgedrückt - Vorstellung davon, wie der Teil der Welt, den wir beschreiben, zu werten ist.

Ein Beispiel: Hund. Nehmen wir an, wir wissen, was mit Hund gemeint ist. Auf der denotativen Ebene meint "Köter" das Gleiche, "Töle" auch. Aber auf der konnotativen Ebene sind wir bei den beiden anderen Begriffen einige Stufen nach unten gewandert.



Ein schönes Beispiel um auch meine Sicht noch einmal durchzuexerzieren.

Für mich war das Wort Neger lange Zeit überhaupt nicht negativ belegt. Um in ihrem Beispiel zu bleiben, hatte es die Wertigkeit des Wortes "Hund". Heute hätte es eher die Bedeutung von "Köter".

Aber das hat rein garnichts mit meiner inneren Einstellung zu tun. Dass ich zum Beispiel Hunde nicht so mag und Freunde in vielen Kulturen habe.

Natürlich gebe ich ihnen Recht, dass der Gebrauch negativer konnotierter Worte, negative Botschaften transportiert. Nur gibt es da eben unterschiedliche Wahrnehmung. Für Sie scheint zum Beispiel das Wort "Neger" schon immer negativ konnotiert gewesen zu sein. Für mich war es das nie, meine Erfahrung/Wahrnehmung ist, dass Kontext und Intention beim sprachlichen Aiusdruck viel entscheidender sind als die Wortwahl.

Wenn ich zu meiner 6 Monate alten Tochter zum Beispiel sage, "du kleiner Fresser" dann ist sie für mich trozdem eines der Wesen auf dieser Welt welches ich am meißten Liebe. Und wenn Sie daneben stünden und mich das sagen hörten, kämen sie höchstwahrscheinlich auch zu keinem andern Schluß. Trotzdem würden viele Menschen behaupten, das Wort "Fresser" ist negativ konnotiert.

"Man sieht nur mit dem Herzen gut." Ich halte dieses Zitat, welches ich früher liebte, mittlerweile nicht mehr für eine allgemeingültige Wahrheit. Zu wenig wird dazu meiner Meinung nach zum "Sehen" der Verstand benutzt. Vielleicht sollte man es abwandeln. "Man spricht nur mit dem Herzen wahr."
Dann zumindest würde es das zum Ausdruck bringen was ich meine.

Die Einstellungen man könnte mit Sprachregelung und damit mit Ideologie die Herzen der Menschen ändern ist in meinen Augen so falsch wie gefährlich und letztendlich tut dies in meinen Augen die Reglementierung der Sprache, wie wir Sie heute oft erleben.

Das "Neusprech" aus George Orwells Roman ist ein wesentliches Charakteristikum des Schreckens in dieser Gesellschaft und mich wundert oft, dass die engen Parallelen zu dem was heute passiert, von nur so wenigen Menschen gesehen werden.

Herzlichst

nachdenken_schmerzt_nicht

\\\"Dort, wo es keine sichtbaren Konflikte gibt, gibt es auch keine Freiheit.\\\" - Montesquieu

nachdenken_schmerzt_nicht Offline




Beiträge: 2.007

17.05.2013 12:18
#104 RE: Aus der Aufmerksamkeitsökonomie: Diskriminierung als Geschäftsmodell? Antworten

Zitat von vielleichteinlinker im Beitrag #101
Und "Jude" ist ein peinliches Trauerspiel denn tatsächlich meiden viele Sprecher "Jude" weil es negativ belegt ist. Diese Belegung stammt aus zu großen Teilen aus der Zeit des Nationalsozialismus. Deswegen - und aus anderen Gründen und weils ja immer noch komplizierter ist - häufen sich die "jüdischen Mitbürger" und "jüdischen Menschen" in den Zeitungen und sonstwo...

Verzeihen Sie drei Beiträge in Folge. Aber aus meiner Sicht zeigt das doch ganz deutlich: Dieses Wort ist so negativ konnotiert, dass es keiner mehr ausprechen mag. Trotzdem exisiert in unserer Gesellschaft weiterhin ein latenter Antisemtismus, dass er mich oft beschämt. Man nennt ihn eben jetzt nicht mehr so, sondern findet "nette Umschreibungen", wie z.B. "Antizionismus".
Wenn man es böse formulieren will, hat die Verbannung von Worten aus dem Sprachgebrauch hier dazu geführt, "dass man negative Einstellungen wieder ausleben kann ohne die Gefahr der Ächtung, weil man der alten, negativ konnotierten, Begrifflichkeit nicht mehr frönt".

Man spricht eben nur mit dem Herzen wahr. :-)

Zitat von vielleichteinlinker im Beitrag #101
Wie gesagt, das nur ganz schnell. Auf die anderen Sachen gehe ich morgen gerne ein. Ich muss doch erst einmal die Schaaf-Entlassung verkraften...

Auch wenn mein Herz einem anderen Verein gehört, für den ich schon manche heiße Träne vergossen habe, der aber derzeit nicht mal mehr in der ersten Liga spielt, hat mich diese Nachricht ziemlich traurig gemacht.

"Dort, wo es keine sichtbaren Konflikte gibt, gibt es auch keine Freiheit." - Montesquieu

adder Offline




Beiträge: 1.073

17.05.2013 12:19
#105 RE: Aus der Aufmerksamkeitsökonomie: Diskriminierung als Geschäftsmodell? Antworten

Zitat von nachdenken_schmerzt_nicht im Beitrag #103
Die Einstellungen man könnte mit Sprachregelung und damit mit Ideologie die Herzen der Menschen ändern ist in meinen Augen so falsch wie gefährlich und letztendlich tut dies in meinen Augen die Reglementierung der Sprache, wie wir Sie heute oft erleben.

Das "Neusprech" aus George Orwells Roman ist ein wesentliches Charakteristikum des Schreckens in dieser Gesellschaft und mich wundert oft, dass die engen Parallelen zu dem was heute passiert, von nur so wenigen Menschen gesehen werden.

Herzlichst

nachdenken_schmerzt_nicht


Das die Political Correctness nicht mit Orwells Newspeak gleichgesetzt wird, liegt wohl nur daran, dass es die entsprechenden Interessengruppen verstehen, "ihre Weltsicht" als "gut" darzustellen. Ich persönlich verabscheue PC mittlerweile sehr, da es meiner Meinung nach die tatsächliche Meinung des Sprechenden überdeckt. Wer "Menschen mit Migrationshintergrund" sagt, aber "böser [hier Volkszugehörigkeit einfügen], der mir meine Arbeit wegnimmt und den ich verachte" meint, ist nicht besser als wenn er dieses offen sagen würde - er ist nur klüger/verschlagener.

Noch dazu wird Menschen mit PC vermittelt, dass nicht schlimm ist, was man sagt, sondern nur wie (bzw. wer es sagt). Theoretisch ist das aber nicht sehr hilfreich: wenn ich keine "Neger" mag, dann hilft es auch nicht, wenn ich "Maximalpigmentierte" sagte. Da ich aber "Neger" überhaupt nicht anders bewerte als andere, kann ich auch den Begriff "Neger" verwenden - immerhin tun diese selbst das ja auch. Schlimm ist aber doch nicht der Begriff an sich, sondern die Tatsache, dass andere Menschen abgewertet werden - und das ändert sich nicht, nur weil ich die verwendeten Begriffe ächte.
Ähnliches läuft ja auch mit den verbotenen "verfassungsfeindlichen Symbolen". Da die Hakenkreuzflagge verboten wurde, wird von den Neo-Nationalsozialisten die alte Kaiserreichs-Kriegsflagge verwendet. Die Tatsache, dass es verfassungsfeindliche Menschen gibt, die aktiv gegen die Verfassung vorgehen und die Freiheit anderer beschränken wollen, wird nicht durch das Verbot ihrer Symbole gemildert - ganz im Gegenteil werden so nur ganz andere Dinge in eben diesen (auf sie bezogen) absurden Vorwurf gezogen.
Im Beispiel des "Negers" oder "Mohren": da das aus dem Amerikanischen übernommene "Nigger" (statt Negro=Neger) stark rassistisch geprägt war, wurde die Verwendung dieses Wortes langsam aber sicher immer stärker geächtet. Echte Rassisten, die die Mohren weiter diskriminieren wollten, wichen deshalb auch auf den Begriff "Neger" aus - was all die Bürger, die diesen Begriff völlig harmlos verwendet hatten, plötzlich auch zu Rassisten in den Augen der feinfühligen Minderheit (nicht aber der Mohren selbst) machte...

Kritiker Offline



Beiträge: 274

17.05.2013 13:27
#106 RE: Aus der Aufmerksamkeitsökonomie: Diskriminierung als Geschäftsmodell? Antworten

Hallo vielleichteinlinker

Zitat von vielleichteinlinker im Beitrag #97

Weil wir durch sprachliche Manifestation gesellschaftliche Interpretationen verfestigen.


Ich bin hier klar anderer Meinung. Wir drücken unsere gesellschaftlichen Interpretationen in Sprache aus, verfestigen sie damit aber nicht. Wie sollte das auch geschehen.

Nehmen wir mal die Beispiele, in denen ein Schimpfwort zu einer neutralen oder gar positiven Bezeichnung wurde.
"geil" war früher unanständig, heute bezeichnet es etwas ganz tolles und ist normaler Sprachgebrauch.
Baptisten sind eine Religionsgruppe, die mit dieser Bezeichnung früher verunglimpft wurden. Sie haben diese Bezeichnung aber angenommen und sie wird heute völlig wertfrei verwendet.

Das zeigt, dass Sprache dem Denken folgt und nicht umgekehrt. Daher wird eine "genderneutrale" Sprache nichts, rein gar nichts bringen (außer als politisches Druckmittel im Machtkampf), wohl aber die Erziehung zu gleichem Denken, was die Geschlechter angeht.

Zitat von vielleichteinlinker im Beitrag #97

Die uralte Geschichte, die bei keinem mehr zieht weil die jeder schon kennt"]A man and his son were in a car crash. The father died, but the son was critically injured and rushed to hospital. When he reached the operating table, the doctor on duty looked at him and said "Oh god, it's my son!!!" How can this be?



Ich weiß nicht, was diese Geschichte eigentlich besagen soll. Eigentlich belegt sie, was ich ausgedrückt habe. "doctor" ist ein geschlechtsneutrales Wort. Trotzdem wurde auch in England früher ein Mann dahinter gedacht, heute eigentlich nur noch selten.
Man kann das auch mit der deutschen Bezeichnung Doktor durchspielen. Nicht das Wort ist das Problem, das Denken dahinter. Ändert man das Wort, hat man gar nichts erreicht, außer dass man die Sprache vehunzt.

Zitat von vielleichteinlinker im Beitrag #97

Mein Punkt ist der: Die Vorstellung, dass es so etwas wie ein "Generisches Maskulinum" gibt, lässt sich schwer untermauern aber einfach infrage stellen.



Huch? Das heisst, sie sind gegen das generische Maskulin, weil es leichter ist, dagegen zu sein als dafür?

Zitat von vielleichteinlinker im Beitrag #97

Naja, blind möchte ich nicht sein und Sexismus trifft natürlich immer beide, wenn man es, wie Sie, schlicht als Unterscheidung versteht.



Nein, Sexismus ist etwas Negatives, weil es Machtausübung oder Druck allein auf Grund der geschlechtlichen Zuordnung bedeutet.
Ein Mann, der in einer Frau nur die Erfüllung seiner sexuellen Wünsche sieht, handelt sexistisch.
Eine Frau, die in einem Mann eine Bedrohung sieht, nur weil er ein Mann ist, handelt sexistisch.
Ein Mann, der einer Frau kein Durchsetzungsvermögen zutraut, nur weil sie eine Frau ist, handelt sexistisch.
Eine Frau, die einem Mann kein Einfühlungsvermögen zutraut, nur weil er ein Mann ist, handelt sexistisch.
usw. usw.

Sexismus kommt bei beiden Geschlechtern vor und hat ihre Ursache darin, dass wir als Menschen gerne in Gruppen einteilen und Kategorisieren. Das ist nichts Schlimmes, solange es nicht zur Ausübung von Macht oder Gewalt verwendet wird.

Wie heisst es so schön: Es gibt zwei Arten von Menschen. Die einen teilen die Menschheit in zwei Arten ein und die anderen sind vernünftig.

Der Kritiker

nachdenken_schmerzt_nicht Offline




Beiträge: 2.007

17.05.2013 15:22
#107 RE: Aus der Aufmerksamkeitsökonomie: Diskriminierung als Geschäftsmodell? Antworten

Zitat von Kritiker im Beitrag #106
Das zeigt, dass Sprache dem Denken folgt und nicht umgekehrt.
Absolute Zustimmung. In einem Satz, wozu ich drei Beiträge brauchte. Was man hier alles lernen kann!


Zitat von Kritiker im Beitrag #106
Daher wird eine "genderneutrale" Sprache nichts, rein gar nichts bringen (außer als politisches Druckmittel im Machtkampf), .... Ändert man das Wort, hat man gar nichts erreicht, außer dass man die Sprache vehunzt.
Dies sehe ich aber in der tat nicht ganz so unkritisch und möchte das zum einen mit einem Zitat von adder Begründen:
Zitat von adder im Beitrag #105
Ich persönlich verabscheue PC mittlerweile sehr, da es meiner Meinung nach die tatsächliche Meinung des Sprechenden überdeckt.
Ginge es rein um das Verhunzen der Deutschen Sprache, deren Ausdrucksmöglichkeiten ich wundervoll finde, wäre ich traurig aber nicht aufgebracht. Aber es geht um mehr, nämlich um das was adder schreibt. Und was auch ich in meinen Beiträgen aufgegriffen habe. Es wir möglich/unverfänglich, fragwürdige Inhalte zu vertreten/äußern, wenn man nur die Begriffe meidet. Man betrachte den heutigen Antisemitismus in Deutschland, von dem ich auch lange glaubte es gäbe ihn nicht mehr.
Oder ein anderes Beispiel. Sexismus gegen Männer existiert im allgemeinen Sprachgebrauch nicht, er wird nicht in Begriffe gekleidet, bzw. er ist eindeutig männlich und es gibt die weibliche Form nicht. Aber real existiert Sexismus gegen Männer und wie.
Wie soll man es sonst nennen, dass in einem europäischen Land (ich glaube es war Österreich) männliche Bewerber für ein Medizinstudium trotz besserer Qualifikation gegenüber weiblichen Bewerbern abgelehnt werden, um eine Quote zu erfüllen? Das ist Sexismus in Reinform. Genauso wie die aktuelle politische Diskussion über die Frauenquote. Die Qualifikation ist dabei überhaupt kein Thema und das ist der eigentliche Skandal. Gerecht ist eine Quote und wenn man damit auch einen völlig unqualifizierten Bewerber einem qulifizierten vorziehen muß.
Das verstößt nach meinem Verständnis sogar gegen das AGG.

Zum anderen finde ich ganz unabhängig davon den Eingriff in die persönliche Freiheit eines Menschen, der über die Sprache so geschieht, sehr bedenklich.

Das ist "Umerziehug unter Androhung von Strafe". Dort wo es funktioniert ist das Strafmaß die gesellschaftliche Ächtung.

Für mich fühlt sich das an, wie der Weg nach Utopia. Eine Welt in der ich persönlich nicht leben möchte.

Herzlichst


nachdenken_schmerzt_nicht

"Dort, wo es keine sichtbaren Konflikte gibt, gibt es auch keine Freiheit." - Montesquieu

Fluminist Offline




Beiträge: 2.015

19.05.2013 16:55
#108 RE: Aus der Aufmerksamkeitsökonomie: Diskriminierung als Geschäftsmodell? Antworten

Zitat von nachdenken_schmerzt_nicht im Beitrag #103
Die Einstellungen man könnte mit Sprachregelung und damit mit Ideologie die Herzen der Menschen ändern ist in meinen Augen so falsch wie gefährlich und letztendlich tut dies in meinen Augen die Reglementierung der Sprache, wie wir Sie heute oft erleben.

Das "Neusprech" aus George Orwells Roman ist ein wesentliches Charakteristikum des Schreckens in dieser Gesellschaft und mich wundert oft, dass die engen Parallelen zu dem was heute passiert, von nur so wenigen Menschen gesehen werden.

Die selbsternannten Tugendwächter dieser Tage (um ein Zettelsches Wort zu gebrauchen) ächten gewisse Worte, weil sie den Mißbrauch, der die Worte erst zu bösartigen Waffen macht, gern selbst begehen.

Jemanden als Neger zu klassifizieren und aufgrund dieser Benennung schlecht zu behandeln, z.B. für eine bestimmte Arbeit unfähig zu halten, ist ebenso ungerecht und widerlich wie eine Sportlerin, die sich nichts hat zuschulden kommen lassen, als Nazibraut zu bezeichnen und auf dieser Basis Konsequenzen hinsichtlich ihrer Teilnahme an internationalen Wettbewerben zu fordern.
Nicht die Worte und die Klassifikation als solche sind das Problem, sondern daß auch und gerade die Tugendwächter davon überzeugt sind, daß die Bezeichnung direkt einen Handlungsbedarf und eine Handlungsberechtigung impliziert.
Beispielsweise auch, wenn auf ziemlich dünner und konstruierter Grundlage eine Getränkefirma summarisch mit dem Kunstwort "trans*feindlich" belegt und daraus eine Vermeidungsempfehlung für ihre an sich wohl tadellosen Produkte abgeleitet wird.

Der Vorgang ist ganz parallel dazu, wie sich die DDR als antifaschistischer Staat definiert, dabei aber viele Elemente des Nazideutschlands, etwa die zentralistisch-gleichgeschaltete Verwaltungsstruktur, die politische Jugendorganisation, die Bespitzelung der Bürger, den Militarismus bis hin zum Schnitt der Uniformen beibehalten hat.

Hier sind Leute am Werk, die Worte mit Wirklichkeiten verwechseln und sich durch den Standpunkt, die anderen hätten die falschen Worte verwendet, selbst dazu ermächtigen, die Taten der anderen, mit den "richtigen" Worten garniert, zu wiederholen. Sie verabscheuen nicht die Diskriminierung, sondern wollen nur ihre eigenen diskriminatorischen Kategorien durchsetzen.

vielleichteinlinker Offline



Beiträge: 504

24.05.2013 16:22
#109 RE: Aus der Aufmerksamkeitsökonomie: Diskriminierung als Geschäftsmodell? Antworten

Zitat von Kritiker
Ich bin hier klar anderer Meinung. Wir drücken unsere gesellschaftlichen Interpretationen in Sprache aus, verfestigen sie damit aber nicht. Wie sollte das auch geschehen?.



Das ist nicht so einfach. Ich habe ja auf die Studie hingewiesen, die das Generische Maskulinum in Frage stellt. Wenn man sich aber unter "männlichen" Begriffen auch vorzugsweise "Männer" vorstellt, dann ändert das das Verhalten gegenüber Frauen in gleicher Position. Wer sich einen "Manager" vorstellt, stellt sich meist einen Mann vor. Eine Frau auf gleicher Position wird gegen diese geistige Entsprechung erst ankommen müssen, bevor sie als natürlich wahrgenommen werden.

Zitat von Kritiker
"geil" war früher unanständig, heute bezeichnet es etwas ganz tolles und ist normaler Sprachgebrauch.



Das stimmt nicht. "Geil" hat noch immer diese unanständigen Bestandteile, sie werden aber - je nach Kontext - ignoriert. Aber: Es gibt noch immer Begriffe wie "Dauergeil" oder "Notgeil" die unerklärt unanständig konnotiert sind. Vermutlich ist das der Grund, warum Sie "geil" nicht in einem Vorstellungsgespräch verwenden würden.

Zitat von Kritiker
Daher wird eine "genderneutrale" Sprache nichts, rein gar nichts bringen (außer als politisches Druckmittel im Machtkampf), wohl aber die Erziehung zu gleichem Denken, was die Geschlechter angeht.


Genderneutrale Sprache bringt etwas, natürlich. Warum soll ich sprachlich permanent Leute ignorieren, unter den Tisch fallen lassen, manchmal beleidigen und diskriminieren, wenn ich es auch lassen kann?

Zitat von Kritiker
Man kann das auch mit der deutschen Bezeichnung Doktor durchspielen.



Nein, kann man nicht. Die Mutter wäre "Ärztin" oder "Doktorin".

Grundsätzlich finde ich ist geschlectergerechte Sprache etwas erstrebenswertes.

Paul Offline




Beiträge: 1.285

24.05.2013 19:39
#110 RE: Aus der Aufmerksamkeitsökonomie: Diskriminierung als Geschäftsmodell? Antworten

Zitat von vielleichteinlinker im Beitrag #109

Grundsätzlich finde ich ist geschlectergerechte Sprache etwas erstrebenswertes.



Grundsätzlich finde ich das auch, aber nur dort, wo es auch wirklich angebracht ist.

Aber ist es angebracht, wenn man "man" nicht von "Mann" unterscheiden kann oder will, deshalb die Sprache mit "frau" zu verhunzen? Oder mit "mensch".

Überhaupt, scheint mir das Sprachverständnis auf der Strecke geblieben zu sein.
Ein Beispiel soll das verdeutlichen:
Das Wort "Christen" bezeichnet eine Mehrzahl von Christen, sowohl männliche als auch weibliche.
Welchen Sinn ergibt nun die Anrede: "Liebe Christinnen und Christen"? Richtig, keinen wirklichen, weil es "doppelt gemoppelt" ist. Wie z.B. ein "weißer Schimmel".
In der Einzahl müsste man sagen: "Liebe Christin, lieber Christ".
Meint man die Mehrzahl, reicht "liebe Christen" völlig. Es sind dann alle gemeint, sogar die Kinder.

Mir ist aufgefallen, dass die weibliche Form bei negativen Tatbeständen weggelassen wird, z. B. "Mörderin und Mörder" liest man wohl eher selten. Um ehrlich zu sein, habe ich das noch nicht gelesen.

vielleichteinlinker Offline



Beiträge: 504

24.05.2013 19:49
#111 RE: Aus der Aufmerksamkeitsökonomie: Diskriminierung als Geschäftsmodell? Antworten

Zitat
verhunzen

Zitat
angebracht



Ob die Dinge "verhunzt" werden oder "angebracht" sind, das entscheiden Sie ja für sich selbst. Sagen Sie gerne weiter nur männliche Formen, der Sprachgebrauch entsteht durch Gebrauch der Sprache.

Zitat
Mir ist aufgefallen, dass die weibliche Form bei negativen Tatbeständen weggelassen wird, z. B. "Mörderin und Mörder" liest man wohl eher selten.



Sie können ja einen Fall sammeln, in dem die jemand, der geschlechterneutral formuliert das nicht tut.

Pirx Offline



Beiträge: 92

24.05.2013 20:42
#112 RE: Aus der Aufmerksamkeitsökonomie: Diskriminierung als Geschäftsmodell? Antworten

Zitat von Paul im Beitrag #110
Das Wort "Christen" bezeichnet eine Mehrzahl von Christen, sowohl männliche als auch weibliche.
Welchen Sinn ergibt nun die Anrede: "Liebe Christinnen und Christen"? Richtig, keinen wirklichen, weil es "doppelt gemoppelt" ist. Wie z.B. ein "weißer Schimmel".
In der Einzahl müsste man sagen: "Liebe Christin, lieber Christ".
Meint man die Mehrzahl, reicht "liebe Christen" völlig. Es sind dann alle gemeint, sogar die Kinder.


Ein schönes Beispiel ist auch folgender Satz, wenn ich ausdrücken will, dass z.B. alle Mitglieder einer Familie Christen sind: "Müllers sind Christen."
Wie soll man denn das geschlechtsneutral formulieren? "Müllers sind Christinnen und Christen." ?
Wenn nun aber die Familie Müller aus Vater, Mutter und Söhnen besteht? "Müllers sind Christin und Christen" ?
Oder Vater, Mutter, und Töchter? "Müllers sind Christinnen und Christ"?

Gar nicht so einfach

Llarian Offline



Beiträge: 7.124

24.05.2013 21:19
#113 RE: Aus der Aufmerksamkeitsökonomie: Diskriminierung als Geschäftsmodell? Antworten

Zitat von vielleichteinlinker im Beitrag #109
Wenn man sich aber unter "männlichen" Begriffen auch vorzugsweise "Männer" vorstellt, dann ändert das das Verhalten gegenüber Frauen in gleicher Position.

Vielleicht. Unabhängig davon ist das aber Projektion einer eigenen Schwäche auf andere. Denn zu unterstellen, dass andere so denken, ist eben genau das, eine Unterstellung.

Zitat
Genderneutrale Sprache bringt etwas, natürlich. Warum soll ich sprachlich permanent Leute ignorieren, unter den Tisch fallen lassen, manchmal beleidigen und diskriminieren, wenn ich es auch lassen kann?


Weil ich zum einen die Sprache vergewaltige und zum anderen überhaupt erst einmal einräume dass hier jemand beleidigt oder diskriminiert wird. Das ist aber nicht der Fall. Und man muss nicht auf jeden Unsinn, bei dem sich jemand beleidigt fühlt auch reagieren.

Zitat

Nein, kann man nicht. Die Mutter wäre "Ärztin" oder "Doktorin".


Ärztin ist im Sprachgebraucht wohl inzwischen zulässig, dennoch sieht man an der korrekten Berufsbezeichnung "Arzt", die auch für Frauen gilt, das der Begriff nicht mehr sauber definiert ist. Frauen sind eben in diesem Fall sowohl Ärztin als auch Arzt. Bei Doktorin kann man den künstlichen Klang noch besser wahrnehmen. Ich kenne soweit ich mich erinnere keine Promovierte, die sich nicht Frau Doktor nennen würde statt "Doktorin".

Zitat
Grundsätzlich finde ich ist geschlectergerechte Sprache etwas erstrebenswertes.


Ich finde es hirnverbrannt, traditionslos und ausgesprochen lästig. Aber es kann ja jeder seine Meinung haben. Ein schönes hat es: Wenn man die Welt der Uni verlassen hat und sich in der produktiven Wirtschaft befindet hört der Blödsinn angenehmerweise sehr schnell auf. So erstrebenswert scheint das nicht überall zu sein.

Techniknörgler Offline



Beiträge: 2.738

24.05.2013 23:06
#114 RE: Aus der Aufmerksamkeitsökonomie: Diskriminierung als Geschäftsmodell? Antworten

Zitat von Kritiker im Beitrag #106

Das zeigt, dass Sprache dem Denken folgt und nicht umgekehrt. Daher wird eine "genderneutrale" Sprache nichts, rein gar nichts bringen (außer als politisches Druckmittel im Machtkampf), wohl aber die Erziehung zu gleichem Denken, was die Geschlechter angeht.



Ich stimme ihrem Beitrag in allem zu, möchte allerdings etwas ergänzen:

Zitat

(außer als politisches Druckmittel im Machtkampf)



Das freilich hat tasächlich eine Auswirkung. Die Sprachpolizei nervt und verbreitet miese Stimmung. Sie vergiftet tatsächlich die Kommunikation, auch da man sich mit nebensächlicher Form aufhalten muss, aber vor allem wegen dem offensichtlichen Aspekt der (angemaßten) Machtausübung und dem Missbrauch zur moralischen Verdammung anderer.

______________________________________________________________________________

“Being right too soon is socially unacceptable.”
― Robert A. Heinlein

vielleichteinlinker Offline



Beiträge: 504

25.05.2013 01:17
#115 RE: Aus der Aufmerksamkeitsökonomie: Diskriminierung als Geschäftsmodell? Antworten

Zitat
Vielleicht. Unabhängig davon ist das aber Projektion einer eigenen Schwäche auf andere. Denn zu unterstellen, dass andere so denken, ist eben genau das, eine Unterstellung.



Nein. Das ist das Ergebnis empirischer Untersuchungen.

Zitat
Weil ich zum einen die Sprache vergewaltige und zum anderen überhaupt erst einmal einräume dass hier jemand beleidigt oder diskriminiert wird. Das ist aber nicht der Fall. Und man muss nicht auf jeden Unsinn, bei dem sich jemand beleidigt fühlt auch reagieren.



Die Sprache vergewaltige ist Ihre Ansicht von schöner Sprache. Darüber kann man geteilter Meinung sein. Diskutieren kann man das nicht. Also wird der zweite Punkt interessant: Sie legen also fest, wann etwas beleidigend genug ist, damit es ein Anderer nicht mehr ertragen muss und wann dem nicht so ist. Interessant.

Zitat
Ärztin ist im Sprachgebraucht wohl inzwischen zulässig, dennoch sieht man an der korrekten Berufsbezeichnung "Arzt", die auch für Frauen gilt, das der Begriff nicht mehr sauber definiert ist. Frauen sind eben in diesem Fall sowohl Ärztin als auch Arzt. Bei Doktorin kann man den künstlichen Klang noch besser wahrnehmen. Ich kenne soweit ich mich erinnere keine Promovierte, die sich nicht Frau Doktor nennen würde statt "Doktorin".



Das ist jetzt eine ernste Frage: Sollen wir hier wirklich, ehrlich, den Unterschied zwischen Person, Beruf, Mediziner und Titel diskutieren? Ich habe das nun schon zum zweiten Mal gesehen und bin davon ausgegangen, das ist einer der ach-so-witzigen Ausflüchte, die bei derlei Unterhaltungen immer wieder kommen.

Und zum Rest:

Zitat
hirnverbrannt...traditionslos...ausgesprochen lästig...Blödsinn



Da das offensichtlich das Niveau ist auf dem Sie das diskutieren möchten, klinke ich mich nun aus. Wenn Sie etwas nicht interessiert, dann können Sie es übrigens auch ignorieren. Alles mit den eigenen Relevanzkriterien niederzubrüllen scheint aber eher zum guten Ton zu zählen, wenn man das Thema anschneidet.

Aber vielleicht noch ein Punkt zum Nachdenken für Sie: Bis etwa in die 20er Jahre war das Wort "Krüppel" völlig gebräuchlich für Menschen, die etwa nur ein Bein hatten. Benutzen Sie diesen Begriff noch heute, für Gehbehinderte? Am Besten im direkten Gespräch? Wir alle bemühen uns - einige mehr, andere weniger - auf verletzende Begriffe zu verzichten. Ich frage mich ernsthaft, warum es bei Ihnen und anderen Kommentatoren hier solche Gallenstürme auslöst, wenn andere die Grenze anders ziehen als Sie?

vielleichteinlinker Offline



Beiträge: 504

25.05.2013 01:25
#116 RE: Aus der Aufmerksamkeitsökonomie: Diskriminierung als Geschäftsmodell? Antworten

Zitat
Wie soll man denn das geschlechtsneutral formulieren? "Müllers sind Christinnen und Christen." ?



Angenommen wir finden keinen Weg, wie man das formulieren kann, muss dann alles über Bord? Also ist Frau Merkel ab morgen wieder Bundeskanzler wenn wir jetzt nicht endlich eine für alle passende Formulierung finden, um endlich die Müllers geschlechtergerecht zu taufen? Das ist doch albern.

Faber Offline




Beiträge: 142

25.05.2013 03:01
#117 RE: Aus der Aufmerksamkeitsökonomie: Diskriminierung als Geschäftsmodell? Antworten

Zitat von vielleichteinlinker im Beitrag #109
Grundsätzlich finde ich ist geschlectergerechte Sprache etwas erstrebenswertes.


Ich nicht. Ich kann nicht mal mit dem Begriff "geschlechtergerecht" etwas anfangen, umso weniger, je länger ich darüber nachdenke. Was soll das sein? Nicht zufällig kommt darin ein Lieblingsbegriff der Linken vor, nämlich "Gerechtigkeit"; wer könnte schon etwas gegen Gerechtigkeit haben. Ich weiß natürlich, was denen vorschwebt, die diese "Gerechtigkeit" fordern, und wie ihre Argumentation aussieht. Aber verstehen tue ich es nicht ansatzweise.

Geschlechtergerecht wäre es, wenn alle Frauen Linkshänder wären und alle Männer Rechtshänder, und man daraufhin die Umwelt so umgestalten würde, daß beide gleichermaßen gut zurechtkommen.

Auf der einen Seite tut man alles, die Gleichheit zwischen Mann und Frau zu betonen und krönt diesen Gedanken in "linksprogressiven" Kreisen mit der Verwendung des Wortes "Mensch" anstatt "man", weil "man" wie "Mann" klingt. Nur um anschließend wieder eine Differenzierung der Geschlechter in "Mensch" und "Menschin" zu fordern. Einerseits ständig die Vielfalt und Buntheit betonen, andererseits der Gleichheit das Wort reden. Irgendetwas funktioniert da nicht.

Vielleicht wäre es einfach das Beste, sich den wirklich wichtigen Themen anzunehmen, anstatt Probleme zu konstruieren, wo keine sind. Fragt doch mal die 08/15-Mandy Müller vom Bratwurststand, ob sie sich durch die Anrede "Liebe Bürger!" diskrimminiert fühlt.

Paul Offline




Beiträge: 1.285

25.05.2013 03:51
#118 RE: Aus der Aufmerksamkeitsökonomie: Diskriminierung als Geschäftsmodell? Antworten

Zitat von vielleichteinlinker im Beitrag #115

Aber vielleicht noch ein Punkt zum Nachdenken für Sie: Bis etwa in die 20er Jahre war das Wort "Krüppel" völlig gebräuchlich für Menschen, die etwa nur ein Bein hatten. Benutzen Sie diesen Begriff noch heute, für Gehbehinderte? Am Besten im direkten Gespräch? Wir alle bemühen uns - einige mehr, andere weniger - auf verletzende Begriffe zu verzichten. Ich frage mich ernsthaft, warum es bei Ihnen und anderen Kommentatoren hier solche Gallenstürme auslöst, wenn andere die Grenze anders ziehen als Sie?


Ich war zwar nicht gemeint, habe aber trotzdem nachgedacht.
Leider bin ich zu keinem plausiblen Ergebnis gekommen. Wer legt eigentlich fest, dass "Krüppel" ein verletzender Begriff ist? "Schwuler", der früher verletzend war, ist es heute nicht mehr? Kann es sein, dass dies durch eine Weiterentwicklung des Gebrauchs der Umgangssprache geschieht. Warum aber werde ich als Älterer daran gehindert die Frage nach dem Sinn zu stellen? Wenn ich sie stelle, werden mir "Gallenstürme" unterstellt?

Kann es sein, dass die Gründe für diese Sprachveränderungen rational nicht erklärt werden können? Warum wird dann trotzdem so getan, als ob man sie erklären könnte?

Ich jedenfalls werde einen Krüppel, ohne ihn zu diskriminieren, einen Krüppel nennen. Einen Schwulen werde ich nur so bezeichnen, wenn ich ihn diskriminieren will.

Ja, ja, ich schwimme gerne gegen den Strom. Na und?

Paul Offline




Beiträge: 1.285

25.05.2013 04:03
#119 RE: Aus der Aufmerksamkeitsökonomie: Diskriminierung als Geschäftsmodell? Antworten

Zitat von vielleichteinlinker im Beitrag #116
Angenommen wir finden keinen Weg, wie man das formulieren kann, muss dann alles über Bord? Also ist Frau Merkel ab morgen wieder Bundeskanzler wenn wir jetzt nicht endlich eine für alle passende Formulierung finden, um endlich die Müllers geschlechtergerecht zu taufen? Das ist doch albern.


Nein, "Bundeskanzlerin" ist eingeführt und wird auch, soweit ich das sehe von niemandem beanstandet.

Aber, lieber vielleichteinlinker, wie bezeichnen Sie die weiblichen Bundestagsabgeordnete? Als Abgeordnetin? Kann es sein, dass es für alles Grenzen gibt?

Bei "liebe Bürgerinnen und Bürger" ist bei mir die Grenze schon überschritten, weil das nur noch Unfug ist oder dem Redner als mangelndes Sprachverständnis ausgelegt werden kann. "Liebe Bürger" bezeichnet als Mehrzahl sowohl Männlein als auch Weiblein.

stefanolix Offline



Beiträge: 1.959

25.05.2013 08:15
#120 RE: Aus der Aufmerksamkeitsökonomie: Diskriminierung als Geschäftsmodell? Antworten

Zitat von Pirx im Beitrag #112
Zitat von Paul im Beitrag #110
Das Wort "Christen" bezeichnet eine Mehrzahl von Christen, sowohl männliche als auch weibliche.
Welchen Sinn ergibt nun die Anrede: "Liebe Christinnen und Christen"? Richtig, keinen wirklichen, weil es "doppelt gemoppelt" ist. Wie z.B. ein "weißer Schimmel".
In der Einzahl müsste man sagen: "Liebe Christin, lieber Christ".
Meint man die Mehrzahl, reicht "liebe Christen" völlig. Es sind dann alle gemeint, sogar die Kinder.


Ein schönes Beispiel ist auch folgender Satz, wenn ich ausdrücken will, dass z.B. alle Mitglieder einer Familie Christen sind: "Müllers sind Christen."
Wie soll man denn das geschlechtsneutral formulieren? "Müllers sind Christinnen und Christen." ?
Wenn nun aber die Familie Müller aus Vater, Mutter und Söhnen besteht? "Müllers sind Christin und Christen" ?
Oder Vater, Mutter, und Töchter? "Müllers sind Christinnen und Christ"?

Gar nicht so einfach


Deshalb werden ja so abenteuerliche Konstruktionen wie ChristInnen oder Christ_innen erfunden, die man in Gesprächen nicht richtig verwenden kann und die vor allem den Lesefluss stören. Christ_innen ist der abenteuerliche Versuch, auch den Menschen gerecht zu werden, die weder Mann noch Frau sein wollen. Früher waren das einfach Christen. Christen übersetze ich in: christliche Menschen. Das umfasst alle Menschen, die sich zum christlichen Glauben bekennen, völlig unabhängig von ihrem biologischen oder »gefühlten« Geschlecht.

Für mich als Vielleser ist die gendergerechte Schreibweise nicht nur eine Sprachverhunzung, sondern auch eine Behinderung beim Lesen. Seit mehr als 2.000 Jahren bemühen sich Menschen um eine gute Typografie. Typografie dient der Erleichterung des Lesens. Darüber wurden viele kluge Bücher verfasst und es wurden unzählbar viele Stunden Arbeit hineingesteckt: In Werkzeuge zum Schreiben, in die Schriftentwicklung, in die Satz- und Drucktechnik, in Computerprogramme und natürlich in das lesegerechte Gestalten der Texte.

Und dann macht so ein Unsinn alle Bemühungen zunichte. – Allerdings kann man vielleicht auch einen positiven Aspekt erkennen: Wer die Sprache verhunzt, hat meist auch inhaltlich nicht viel zu bieten ;-)

stefanolix Offline



Beiträge: 1.959

25.05.2013 08:31
#121 RE: Aus der Aufmerksamkeitsökonomie: Diskriminierung als Geschäftsmodell? Antworten

Zitat von Paul im Beitrag #119
Zitat von vielleichteinlinker im Beitrag #116
Angenommen wir finden keinen Weg, wie man das formulieren kann, muss dann alles über Bord? Also ist Frau Merkel ab morgen wieder Bundeskanzler wenn wir jetzt nicht endlich eine für alle passende Formulierung finden, um endlich die Müllers geschlechtergerecht zu taufen? Das ist doch albern.


Nein, "Bundeskanzlerin" ist eingeführt und wird auch, soweit ich das sehe von niemandem beanstandet.

Aber, lieber vielleichteinlinker, wie bezeichnen Sie die weiblichen Bundestagsabgeordnete? Als Abgeordnetin? Kann es sein, dass es für alles Grenzen gibt?

Bei "liebe Bürgerinnen und Bürger" ist bei mir die Grenze schon überschritten, weil das nur noch Unfug ist oder dem Redner als mangelndes Sprachverständnis ausgelegt werden kann. "Liebe Bürger" bezeichnet als Mehrzahl sowohl Männlein als auch Weiblein.


Dass Frauen zur Bundeskanzlerin, zur Präsidentin der deutschen Bundestages und zur Präsidentin des Bundesverfassungsgerichts gewählt wurden – das sind Errungenschaften in einem jahrhundertelangen Kampf um die politische und gesellschaftliche Gleichberechtigung der Frau. Das aktive Wahlrecht für Frauen ist in Deutschland noch nicht einmal hundert Jahre alt und in der Schweiz gab es gar einige rückständige Regionen, die es erst Ende des 20. Jahrhunderts eingeführt haben.

Mit diesen Fortschritten hat aber die gendergerechte Sprache überhaupt nichts zu tun. Sie wurden auch ohne diesen Unsinn erreicht. Ob wir bei der nächsten Bundestagswahl Abgeordnete wählen oder Abgeordnet_innen, spielt gar keine Rolle. Entscheidend ist: Alle Menschen sollen vor dem Gesetz gleich sein, sollen gleiche Rechte und Pflichten haben, sollen gleichermaßen Verantwortung übernehmen können.

Diejenigen, die uns solche unsinnigen Schreibweisen aufdrängen wollen, haben aber keine Gleichberechtigung im Sinn, sondern eine Privilegierung bestimmter Gruppen. Um zum Ausgangspunkt zurückzukommen: Die radikalen »Genderist*Innen« (hier ist die unsinnige Schreibweise beabsichtigt) wollen erreichen, dass bestimmte Meinungsäußerungen unterdrückt werden, während andere zugelassen sind.

So protestieren sie mit Boykottaufrufen gegen einen Werbeclip mit Travestie-Kunst. Aber wenn in einem Feministinnenwitz gesagt wird: »Was sollte eine Frau tun, wenn ein Mann im Zickzack durch ihren Garten läuft? – Weiterschießen!«, dann fällt das für sie vermutlich unter künstlerische Freiheit. Darin kommt eine anmaßende Doppelmoral zum Ausdruck.

vielleichteinlinker Offline



Beiträge: 504

25.05.2013 09:36
#122 RE: Aus der Aufmerksamkeitsökonomie: Diskriminierung als Geschäftsmodell? Antworten

Zitat
Als Abgeordnetin



Eine Abgeordnete ist eine Abgeordnete, so wie eine Studierende schon immer eine Studierende war. Diese Form ist sehr elegant und für beide Geschlechter gilt sie gleichermaßen. War das nun ein Versuch einen Witz zu machen?

Paul Offline




Beiträge: 1.285

25.05.2013 10:15
#123 RE: Aus der Aufmerksamkeitsökonomie: Diskriminierung als Geschäftsmodell? Antworten

Zitat von vielleichteinlinker im Beitrag #122

Zitat
Als Abgeordnetin


Eine Abgeordnete ist eine Abgeordnete, so wie eine Studierende schon immer eine Studierende war. Diese Form ist sehr elegant und für beide Geschlechter gilt sie gleichermaßen. War das nun ein Versuch einen Witz zu machen?



Nein, es war der Versuch, Sie auf den Teppich zurück zu holen und Ihnen die Idiotie dieser Sprech- und Schreibweise deutlich zu machen.

Übrigens, Ihr Beispiel trifft's nicht. "Student und Studentin" wäre die richtige Entsprechung zu "Abgeordnedetin". Das andere wäre "eine Studierende" oder "ein Studierender", also die Ableitung aus einer Tätigkeit. Bei "eine Abgeordnete" ist das nicht gegeben.

Wie sagte meine Oma immer? "Junge, deutsche Sprach, sein schwere Sprach."

Bis demnächst mal wieder, liebe(r) vielleichtein(e)linke(r).
Oi,Oi,Oi, wie soll man das geschlechtsspezifisch hinbekommen?

LG Paul (nicht Pauline!)

stefanolix Offline



Beiträge: 1.959

25.05.2013 10:16
#124 RE: Aus der Aufmerksamkeitsökonomie: Diskriminierung als Geschäftsmodell? Antworten

Zitat von vielleichteinlinker im Beitrag #122

Zitat
Als Abgeordnetin


Eine Abgeordnete ist eine Abgeordnete, so wie eine Studierende schon immer eine Studierende war. Diese Form ist sehr elegant und für beide Geschlechter gilt sie gleichermaßen. War das nun ein Versuch einen Witz zu machen?



Es heißt nicht »die Studierende«, sondern »die Studentin«.

Studentinnen und Studenten können dann als »Studierende« bezeichnet werden, wenn sie gerade Wissen erwerben oder wenn sie geprüft werden. Im Wortsinn: Wenn sie sich um Wissen bemühen. In ihrer Freizeit oder während der Ausführung einer Nebentätigkeit sind sie keine »Studierenden«.

stefanolix Offline



Beiträge: 1.959

25.05.2013 10:20
#125 RE: Aus der Aufmerksamkeitsökonomie: Diskriminierung als Geschäftsmodell? Antworten

Zitat von Paul im Beitrag #123
Zitat von vielleichteinlinker im Beitrag #122

Zitat
Als Abgeordnetin


Eine Abgeordnete ist eine Abgeordnete, so wie eine Studierende schon immer eine Studierende war. Diese Form ist sehr elegant und für beide Geschlechter gilt sie gleichermaßen. War das nun ein Versuch einen Witz zu machen?


Nein, es war der Versuch, Sie auf den Teppich zurück zu holen und Ihnen die Idiotie dieser Sprech- und Schreibweise deutlich zu machen.

Übrigens, Ihr Beispiel trifft's nicht. "Student und Studentin" wäre die richtige Entsprechung zu "Abgeordnedetin". Das andere wäre "eine Studierende" oder "ein Studierender", also die Ableitung aus einer Tätigkeit. Bei "eine Abgeordnete" ist das nicht gegeben.



Schreiben Sie doch einfach »die Parlamentarierin« ;-)

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