Die FDP als Wohlfühlpartei, die sich mit jeder anderen Partei wunderbar versteht, dabei das beste von allem (widersprüchlichen) repräsentiert, das ist offenbar die Utopie in der FDP-Parteizentrale gewesen. Everybody's darling wollte man sein, bei jedem beliebt und hoch angesehen, als intellektuelle Spitze jeden Wertes und jeder Strömung, Perfektion der dialektischen Aufhebung aller Widersprüche zwischen den unterschiedlichen Leitwerten.
Der schnöde Liberalismus mit seiner "quantitativen Freiheit", die Definition der Freiheit als Schutz der eigenen Autonomie, mit dessen Versprechen man 2009 noch ein zweistelliges Wahlergebnis errang, war einem nicht mehr fein genug, man wollte zu höheren Weihen hinauf.
Nix war. Hat nicht geklappt, aber jetzt erst recht. Welche Gelegenheit böte sich besser zum Durchstarten, als jetzt, wo sich die primitiven Liberalen, für die Wirtschaftsliberalismus dazugehört, nach anderen Alternativen umschauen und die FDP endgültig vom Wohlwollen der Medien und damit Journalisten abzuhängen scheint?
Dabei fällt mir auch folgende Aussage aus einem Essay von Christian Bommarius in der Berliner Tageszeitung ein:
Zitat Hatte sie jahrelang Wahlkämpfe mit dem heillosen Versprechen von niemandem gewünschter Steuersenkungen bestritten, verzichtete sie zuletzt sogar auf dieses, auf ihr einziges Thema und gab sich endlich selbst die Kugel: Ihr Flehen um die Zweitstimme als „Merkel-Stimme“ war nichts anderes als die Selbstaufgabe einer Partei, die ihren Existenzgrund so wenig zu erkennen vermochte wie die Wähler.
Quelle: http://www.berliner-zeitung.de/bundestag...8,24415252.html Letzteres stimmt natürlich, mit der Zweitstimmenkampagne hat sich die FDP selber zum Wurm gemacht. Aber die erstaunliche Begriffsstutzigkeit vieler Linksliberaler, auch unter den beruflichen Schreibern, erstaunt mich immer wieder. Wie kann man mit "von niemandem gewünschte[n]" Forderungen ein zweistelliges Ergebnis einfahren, während die Aufgabe dieser angeblich von niemandem geliebten Forderungen das Ausscheiden aus dem Bundestag zur Folge hat?
Ich denke durchaus, dass es einen intellektuell aufrichtigen Sozialliberalismus geben kann. Es wäre ein innerer Streit zwischen sozialdemokratischen und liberalen Werten, die in einer Art inneren sozialliberalen Vermittlungsausschuss zu einem Ausgleich gebracht werden sollen, ähnlich dem liberalkonservativen Vermittlungsausschuss des geschätzten Zettel. Voraussetzung dafür ist aber, sich der Widersprüchlichkeit bewusst zu sein. Man muss sich bewusst sein, es mit zwei konkurrierenden Leitwerten zu tun zu haben, zwischen denen ein Kompromiss gefunden werden soll. Das geht aber nur, wenn man sich deren Bedeutung klar ist, denn ansonsten kann das eine kein Gegengewicht zum anderen sein. Den Widerspruch zu leugnen und weg zu reden ist unredlich und führt zwangsläufig zu einem verschwinden der Bedeutung eines der beiden Elemente. Liberalismus als Joker, der alles meinen kann, ergibt in dieser Mischung keinen Sozialliberalismus, sondern einen Sozialjoker.
Ob man denn einen solchen, richtigen Sozialliberalismus will ist eine andere Frage.
Was ich jedoch nicht nachvollziehen kann ist, wie Sozialliberale in den Kommentarspalten und Medien den Protektionismus - zum Beispiel für Apotheker - dem konsequenten Liberalismus, der den klassischen Wirtschaftsliberalismus (plus Kartellrecht) umfasst, zuschreiben.
Aus dem oben bereits zitierten Essay von Christian Bommarius:
Zitat Damals sagte ihr erster Vorsitzender, der spätere erste Bundespräsident Theodor Heuss: „Ich suche den wagenden und den sich selbst behauptenden Menschen, der zugleich in der breiten Verantwortung und Gebundenheit steht.“ Das war ein anspruchsvolles Leitmotiv. [...] Sie wäre also eine Partei, die nicht – oder erst an hinterer Stelle – für Steuererleichterungen eintritt, sondern für Menschen- und Bürgerrechte, die Liberalismus nicht zum Synonym für Turbokapitalismus erklärt, sondern zum beharrlichen Streben nach Gerechtigkeit und Emanzipation jedes Einzelnen. In ihrem Programm müssten Sätze stehen wie dieser: „Die liberale Reform des Kapitalismus erstrebt die Aufhebung des Ungleichgewichts des Vorteils und der Ballung wirtschaftlicher Macht, die aus der Akkumulation von Geld und Besitz und der Konzentration des Eigentums an den Produktionsmitteln in wenigen Händen folgen.“ So stand es in den Freiburger Thesen, dem letzten großen gesellschaftspolitischen Entwurf der FDP von 1971.
Was ist denn der Schutz des kleinen, bürgerlichen Apothekers vor großen, kapitalistischen Apothekenketten mit ihrer gefährlichen Kapitalanballung anderes, als eine Maßnahme zum Schutz der "Selbstständigkeit und Emanzipation" des einzelnen Kleinbürgers als Stütze der Gesellschaft vor der Handlungsfreiheit des Anderen? Freilich auf Kosten der Freiheit von jemandem, der einen günstigeren, effizienteren Vertrieb über eine Kette aufbauen könnte. Im Kontext des Freiburger Sozialjokerliberalismus macht das Sinn, was freilich von Apothekern noch auf andere Bereiche ausgedehnt werden müsste, um nicht als Klientelismus herüber zu kommen. Es hat aber nichts mit Befehlsempfang als Gegenleistung für Parteispenden zu tun, sondern ist mindestens genauso intellektuell von schwammigen Idealen, in die man die gefühlt als richtig empfundene Beliebigkeit fassen kann, untermauert wie die Grünen. Mit Liberalismus hat es aber nichts mehr zu tun. Gleichzeitig sind die Sozialjokerliberalen wohl die einzigen, die den Konsequenzen aus ihrer Grundhaltung selber Klientelismus vorwerfen und sich Koruptions- und Lobbyvorwürfe von Seiten anderer als Schuh ihrem eigenen Wirt - den Liberalen - anziehen.
Ich habe den Artikel "Veggie Day ist liberal" ganz bewußt nicht gelesen.Die Überschrift hat mich abgeschreckt.Man muß mit seinen Kräften haushalten. Umso heftiger ist nun meine Übelkeit nach Lektüre Ihres Artikels.Niemals hätte ich diese Überschrift einem FDPler zugeordnet. Sollte dieses Bla-Bla, diese heillosen Verenkungen des Herrn Gohl, tatsächlich den Wesenskern der neuen-alten FDP bilden, so sehe ich deren Zukunft sehr finster. Könnte aber auch ganz anders kommen.Proportional zum Schwinden des Wohlstands in einem starken Sozialstaat steigt die Akzeptanz für "liberale Politik". Die FDP ist klein und flexibel genug,darauf schnell und überzeugend reagieren zu können. Ganz konkret hat die FDP zwei große Chancen in naher Zukunft: Euro und Energiewende.
Es gibt zwei wesentliche Parolen, die das links-grüne Lager (Linke, Grüne, SPD, CDU) und das liberale (im Prinzip AfD und früher einmal die FDP) unterscheiden:
Links-grün führt die "Gerechtigkeit" wie eine Monstranz vor sich her, das liberale Lager hat den "Markt" im Blick, und damit die Eigenverantwortung.
Links-grün wird sicherlich immer neue Gerechtigkeiten erfinden können, die Steuer-, Lohn-, Generationen-, Geschlechter-, Sprach-, Sozialhilfe- und jede Menge weitere Gerechtigkeiten, die wir uns bisher noch nicht so vorstellen können. Im Endeffekt läuft es immer auf dasselbe hinaus - Other peoples Money, other peoples Jobs, wenn Du mehr hast als andere, nehmen wir es Dir weg. Sei froh, wenn wie Dir überhaupt was lassen, hast lange genug als Made im Speck gelebt (na ja, bei der CDU ist diese extreme Haltung nicht ganz so ausgeprägt).
Man sehe sich nur einmal so etwas wie "gerechte Vermögensverteilung" an, wobei unter "gerecht" in der Regel "Gleichverteilung" verstanden wird. Und es ist immer dieselbe Leier: Zunächst wird die wachsende! Konzentration des Vermögens beklagt, dann wird von gerechter Teilhabe gefaselt, dann werden sich für die meisten Imbezilen gut anhörende "Lösungs"-Vorschläge unterbreitet, die darauf hinauslaufen, die eine oder andere Steuer einzuführen oder -moderat- zu erhöhen.
Tatsächlich gibt es leicht steigende Vermögenskonzentrationen, die aber wohl im wesentlichen darauf zurückzuführen sind, daß der Wert des Produktivkapitals steigt (zum Glück, sonst wäre die vor allem mittelständische Wirtschaft nicht die Jobmaschine, die sie ist), und man stelle sich einmal vor, wie produktiv die Betriebe noch arbeiten würden, wenn nicht ein Eigner, sondern eine Vielzahl von Leuten ("stake-holder") das Sagen hätten - die Unternehmen wären schneller tot als man gucken könnte, "Gerechtigkeit" wäre der Killer eines Großteil der Arbeitsplätze.
Die FDP ist ein Trümmerhaufen, ich war lange Zeit Mitglied, ich wünsche sie mir nicht zurück.
Es ist also vergleichsweise einsam geworden im Lager derjenigen, die die Eigenverantwortung als konstitutives Merkmal einer Demokratie sehen.
Selten habe ich hier etwas besseres gelesen. Das ist aber so etwas von auf den Punkt. Bin ich froh, daß es zumindest einige gibt, die die Problem der FDP so offen legen. Ich mußte an den Kaiser in seinen neuen Kleidern denken. Zur FDP konnte man heute auch noch finden: http://www.achgut.com/dadgdx/index.php/d...stmord_in_raten
Was Gohl schreibt, find ich ziemlich dünn. Da wird auf der gesamten Klaviatur des Zeitgeistes gepfiffen. Mein Eindruck: Gohl betrachtet Freiheit vor allem Auswahl, aus mehreren Angeboten zu wählen. Dass das mit Zwang einhergeht, übersieht er freilich, denn einen Kantinenbetreiber zu zwingen, täglich ein vegetarisches Menü anzubieten, ist genauso Zwang wie ein verordneter Veggie-Day. Tatsächlich ist die Freiheit des Konsumenten größer, wenn er täglich ein vegetarisches oder ein nichtvegetarisches Menü wählen kann, aber an die Freiheit des Kantinenbetreibers denkt er gar nicht. Für ihn kann so eine Politik den wirtschaftlichen Ruin bedeuten, denn ein zusätzliches Menü bedeutet zusätzliche Infrastruktur, also Kosten. Und bei den Kosten lässt man den Kantinenbetreiber alleine. Das ist nicht nur antiliberal, sondern auch unvernünftig und auch nicht im Sinne Gohl, denn seine "qualitative Freiheit" ist dann futsch, wenn die Kunden gar keine Wahl haben, weil die Kantine geschlossen ist.
Gohl offenbart die Krise des Liberalismus und der FDP: Wenn schon FDPler und selbsternannte Liberale einen so unausgegorenen Freiheitsbegriff anhängen, dann können sich in der Bevölkerung nur schwer liberale Wertvorstellungen durchsetzen. Liberalismus ist zwangsläufig unbequem, weil Liberalismus an die Eigenverantwortung appelliert. Nur weil der Begriff Eigenverantwortung abgedroschen klingt, ist er nicht falsch. Wenn Geißler, Blüm und Lafontaine ihre Geringschätzung für Eigenverantwortung ausdrücken, dann ist das kein Zeichen für Querdenkertum, nur weil das Querulanten sind. Die Jungens reiten auf der obersten Welle des Zeitgeistes. Lobbypolitik beispielsweise für Apotheker ist das eine. Ärgerlich zwar, weil nicht zur liberalen Ordnungspolitik passend, aber wenigstens berechenbar. Aber jede Reverenz an den Zeitgeist hat der FDP mehr geschadet als die nicht zur Ordnungspolitik passende Apothekenpolitik. Beste Beispiele: Die FDP Sachsen hat 2004 "Herz statt Hartz" plakatiert. Oder aber Guidos "Wir haben verstanden.", nach dem Gau in Fukushima.
Gohl plädiert dafür, dass die FDP sich dem Zeitgeist anpasst. Das hieße zwangsläufig eine Sozialdemokratisierung der FDP. Ich kann mich noch gut erinnern an einen euphorischen Friedrich Merz beim Leizpiger Parteitag: "Das ist das Ende der Sozialdemokratisierung der CDU." - Heute ist die CDU sozialdemokratischer denn je. Eine blau-gelbe Kopie der CDU brauchen wir nicht. Ich bin sogar der Meinung, dass die FDP schon schlimmere Zeiten hinter sich hatte. Viele beklagen die Entwicklung der FDP seitdem Westerwelle Parteivorsitzender wurde. Tatsächlich aber hat die FDP unter Kinkel die schlimmste Zeit gehabt. Sie wurde nicht mehr als eigenständig wahrgenommen, was Guido wieder zurechtrücken musste. Liberale Ordnungspolitik wurde vielleicht noch gemacht, immerhin, aber kaum noch öffentlich vertreten. Man sollte den Wählern ordnungspolitisch auch klar darlegen. Ich weiß, dass das hartes Brot ist und dass das nicht auf Wahlplakate passt.
Gerade neulich habe ich wieder was gesehen, was mich heute noch ärgert: ZDF Zoom. Es ging um die Postbank. Das Geschäftsgebahren der Postbank heiße ich keineswegs gut. Die Reporterin stellt sich dann hin und macht der FDP Vorwürfe, dass sie darauf bestand, die Postbank nicht nur zu privatisieren, sondern auch noch von der Deutschen Post zu trennen. Dahinter steckt eine tiefe Missachtung gegenüber der Freiheit und der Verantwortung des Einzelnen, denn sie missachtet einfach den Fakt, dass es keinen Automatismus gibt, der dazu führt, dass privatisierte Unternehmen sich so entwickeln wie die Postbank. Sie tut ja gerade so, als hätte die FDP in unverantwortlicher Weise ein wildes Tier freigelassen. Die Postbank war aber kein wildes Tier und das Management der Postbank hat sich nunmal entschieden, eine Bank zu werden, die ihre Kunden abzockt. Der Zeitgeist spielte natürlich auch eine Rolle, denn welche Bank hat nicht seine Kunden abgezockt. Die Sparkassen haben schon in den 90ern mit LBS und Deka-Fonds übervorteilt.
Es in der Reportage kam so rüber, als wäre die gesamte Privatisierung falsch gelaufen, auch der Deutschen Post. Aber das ist mitnichten wahr, denn als Post-Aktionär sehe ich die Entwicklung sehr positiv, denke überhaupt nicht ans Verkaufen, sondern möchte weiterhin solide Dividenden kassieren. Ich ärgere mich deshalb so darüber, dass es Menschen, die sich nach dem Sehen der Reportage berechtigterweise über die Postbank empören, schwer gemacht wird, eine solide wirtschaftspolitische Auffassung zu entwickeln. Emotionen sind keine Argumente.
Der Autor hat insofern recht, als ein frischer Apfel besser ist als fünf faulige wurmstichige. Bloß hat es halt nichts mit Freiheit zu tun, wenn man nur genau einen Apfel vorgesetzt bekommt, egal, wie wohlschmeckend der sein mag. Zumal es auch noch Leute geben soll, die keine Äpfel mögen.
Nachdem ich den Artikel gelesen habe, haben sich meine restlichen Bedenken bezgl. des Scheiterns der FDP an der 5% größtenteils verflüchtigt. An dem Punkt stellt sich nichtmehr die Frage nach der reinen Lehre, sondern das hat ganz grundsätzlich nichtmehr viel mit Liberalismus zu tun.
Zitat von FrancisoDAnconia im Beitrag #4Selten habe ich hier etwas besseres gelesen. Das ist aber so etwas von auf den Punkt. Bin ich froh, daß es zumindest einige gibt, die die Problem der FDP so offen legen. Ich mußte an den Kaiser in seinen neuen Kleidern denken. Zur FDP konnte man heute auch noch finden: http://www.achgut.com/dadgdx/index.php/d...stmord_in_raten
Zitat von Der Ikarusflug der SozialliberalenWie kann man mit "von niemandem gewünschte[n]" Forderungen ein zweistelliges Ergebnis einfahren, während die Aufgabe dieser von niemandem geliebten Forderungen das Ausscheiden aus dem Bundestag zur Folge hat?
Mir spricht diese Frage aus der Seele, lieber Techniknörgler. Und ich habe mir sehr viele Gedanken gemacht, wie ich als Wähler, nicht als politisch denkender Bürger der sich engagiert, darauf verantwortungsvoll reagieren kann. Es ist m.E. nicht verantwortungsvoll, sozialdemokratische Politikkonzepte zu wählen, weil es entweder keine klassisch-liberalen gibt oder diese nur vorgegeben werden um Wahlen zu gewinnen.
Seiner Verantwortung wird der klassisch-liberale Wähler gerecht, der die Lücke im Angebot verdeutlicht und nicht verschleiert. Einfach nicht wählen zu gehen reicht nicht aus. Diese politische und aus voller Verantwortung für die Vielfalt der Meinungen im politischen Betrieb getroffene Entscheidung, muss offensiv verteidigt und auch beworben werden.
Die Politik ist ein Marktplatz und sie folgt Marktgesetzen. Es gibt ganz klar eine Nachfrage bei rein marktwirtschaftlichen Positionen. Diese Nachfrage herauszustellen und deutlich zu machen ist die Aufgabe einer marktwirtschaftlichen Stimme. Tut sie das nicht, muss sie sich nicht beschweren heimatlos zu sein. Die marktwirtschaftlichen Stimmen in einer Partei die nur (vor-) täuscht marktwirtschaftlich-liberale Positionen zu vertreten, sollten aus Verantwortung ihren Wählern und natürlich auch gegenüber sich selbst, diese Partei verlassen und sich mit Gleichgesinnten zusammenschließen. Vielleicht ist dies in der AfD möglich, vielleicht wäre eine Neugründung nötig. Es gibt nicht nur einen Weg. Aber der, welcher bis jetzt beschritten wurde von diesen Wählern und diesen Gewählten ist m.E. ein dritter, ein inkonsequenter Weg.
Ich habe in der letzten Woche das es eine relative Einigkeit gibt. Zum einen in den Medien und wohl auch der neuen FDP- Spitze, dass die FDP sich nach links öffnen muss, um wieder erfolgreich zu sein. Auf der anderen Seite, bei den Kritikern eines solchen Kurs, ist man sich einig, dass das der Todesstoß für die FDP wäre. Auch ich glaube, dass die Wahl Christian Lindners und die damit einhergehend Neuausrichtung das Ende der FDP (zumindest als liberale Partei) besiegelt. Das soll aber keine generelle Kritik am "Sozialliberalismus" sein. Ich lehne eine inhaltliche Verengung der FDP ab. Das habe ich übrigens schon 2009, als Westerwelle nur noch das Thema Steuern kannte. Eine liberale Partei (ich schrecke mittlerweile davor zurück sie FDP zu nennen) muss alle Facetten abbilden, den Witschaftsliberalismus, genauso wie die Bürgerrechte, genauso wie den Sozialliberalismus, genauso wie liberale Lösungen in der Währungs-, Europa-, und Aussenpolitik. Liberalismus bedeutet nicht nur Eigenverantwortung, sondern auch Verantwortung für seine Mitmenschen und die Gesellschaft zu übernehmen. Das bedeutet auch, dass Menschen, die aus vielfältigen Gründen, nicht für sich selbst sorgen können, finanzielle Unterstützung erhalten und schon Hayek sagte, dass diese finanzielle Unterstützung durchaus über dem reinen Existenzminimum liegen kann. Liberale stehen für eine offene Gesellschaft und daran sollte auch jeder Bürger teilhaben können und dazu braucht es auch ein Maß an verfügbaren Einkommen. Wie die staatliche Unterstützung nun konkret ausgestaltet sein soll, sei erstmal dahin gestellt. Die Hartz- Gesetzgebung ist aber wenig geeignet. Es kann auch keine Liberalen froh machen, wenn Löhne gezahlt werden, von denen der Arbeitnehmer nicht leben kann und noch zusätzliche Mittel vom Staat braucht. Noch schlimmer wird das ganze, wenn Arbeitgeber bewusst auf das "Aufstocken" setzen, um so die Löhne zu drücken. Es mag ein Problem von wenigen sein, doch man darf davor nicht die Augen verschließen. Dafür muss auch eine klare liberale Lösung gefunden werden, diese Lösung kann kein Mindestlohn sein.
Dann gibt es noch einen letzten Punkt, über den man diskutieren muss, wenn die Inhalte stehen. Wie will man diese Inhalte politisch umsetzen. Auch die größten Optimisten werden nicht glauben, dass eine liberale Partei eine absolute Mehrheit holen kann. Man muss also einen Koalitionspartner finden, oder man bleibt der ewige Besserwisser, der die besten Lösungen hat, aber nie Gestalten kann. Eine Koalition bedeutet auch Kompromisse eingehen zu müssen und die möglichen Koalitionspartner sind alle sozialdemokratisch bis sozialistisch.
Dass der Autor vor kurzem Leiter der FDP Abtreilung für Planung und Programm war und offenbar Christian Lindner zugearbeitet hat, stimmt mich nicht gerade optimistisch für die Zukunft. Auf den Punkt gebracht durch die Bullshit-Phrase "Freiheit zu gestalten".
Freiheit kann doch nur Freiheit sein, wenn der Einzelne gestalten kann (*), nicht aber wenn die Politik für ihn gestaltet. Die Forderung nach Freiheit ist daher immer (!) eine Abwehrhaltung gegenüber Staatseingriffen. Nur wer das nicht versteht, kann der Meinung sein es könne die FDP oder gar den Liberalismus retten, wenn sie als politische Partei einer Kantine Menu-empfehlungen gibt. Der Staat als Ratgeber, als Schlichter und Mediatpr seiner sich streitenden Kindern, die nicht wissen, was sie aufs Kantinenmenu setzen sollen und was nicht. Lächerlich.
(*) Auch das halte ich für ein ungünstige Definition/Beschreibung von Freiheit, da nicht unzweideutig. Als nächstes würde die Forderung erhoben der Staat müsse den Bürgern mehr Gestaltungsmöglichkeiten geben - gemeint mehr Geld. Wenn aber von Freiheit im Zusammenhang mit gestalten gesprochen werden kann, dann auf der Ebene der Bürger und Individuen, nicht des Staates.
Zitat von Prospero im Beitrag #10 Eine liberale Partei (ich schrecke mittlerweile davor zurück sie FDP zu nennen) muss alle Facetten abbilden, den Witschaftsliberalismus, genauso wie die Bürgerrechte, genauso wie den Sozialliberalismus, genauso wie liberale Lösungen in der Währungs-, Europa-, und Aussenpolitik.
Warum? Als die Nationalliberale Partei 1866 aus der Spaltung der Deutschen Fortschrittspartei hervorging, war das für die Wähler eine Klarstellung. Es gab in Deutschland Nationalliberale, die die Politik Bismarcks unterstützten und nicht mehr politisch angreifen wollten. Sie waren gegen den Freihandel und begruben den Klassischen Liberalismus deutscher Prägung. Dass die Freisinnigen sich aus dieser Vereinnahmung der nationalliberalen Umklammerung lösten, erhielt heutigen klassischen Liberalen einen Bezug auf ein Erbe, welches durch Politiker wie Eugen Richter gerettet wurde. Nationalliberale wie Friedrich Naumann gingen Anfang des vorigen Jahrhunderts so weit, Karl Marx zu verehren und seine Vorstellungen zu übernehmen. Es mag für jeden Einzelnen unterschiedliche Auffassungen geben, wie Liberalismus sich seiner Ansicht nach darstellen sollte. Wenn er aber meint, alle Facetten recht illiberal in eine Partei pressen zu können, u.a. auch die nationalsozialen, riskiert er den Verlust liberaler Alleinstellungsmermale. Die FDP wandelt seit Ihrer Gründung auf nationalsozialen Pfaden. Es wäre ein immenser Fortschritt für die politische Kultur eine neue Deutsche Fortschrittspartei in klarer Abgrenzung zur FDP als Angebot an den Wähler vorfinden zu können. Nein, der deutsche Liberalismus darf sich nicht in einer Partei bündeln. Die Geschichte des deutschen Liberalismus zeigt, wie schädlich dies für die Wahrnehmung des Vorhandenseins von wirtschaftsliberalen, den Freihandel und die Bürgerrechte unterstützenden Liberalen in Deutschland ist. Der Liberalismus ist die heterogenste politische Bewegung die es überhaupt gibt. Individualismus, Freiheit und Entfaltung des Einzelnen, nicht irgendeiner Gruppe, sind für die klassischen Liberalen die Punkte, welche Freiheit definieren. Das sehen bei weitem nicht alle Liberale so - und ich rede hier nicht von Libertären. Dieser ausgeprägten Heterogenität muss entsprochen werden. Und ich hoffe das wird es auch eines Tages.
Zitat von Prospero im Beitrag #10Liberalismus bedeutet nicht nur Eigenverantwortung, sondern auch Verantwortung für seine Mitmenschen und die Gesellschaft zu übernehmen.
Wie gesagt, es gibt nicht den "Liberalismus". Vor allem für einen Liberalen nicht. Und nein, er bedeutet nicht Verantwortung für seine Mitmenschen zu übernehmen. Schon gar nicht ungefragt. Verantwortung ist bis zum Versagen der individuellen Möglichkeiten und Kräfte: Eigenverantwortung. Sie ist der Kern liberalen Denkens. In der Betonung der Eigenverantwortung artikuliert sich die Akzeptanz und die Anerkennung der persönlichen Freiheit des anderen Individuums.
Zitat von Prospero im Beitrag #10Das bedeutet auch, dass Menschen, die aus vielfältigen Gründen, nicht für sich selbst sorgen können, finanzielle Unterstützung erhalten und schon Hayek sagte, dass diese finanzielle Unterstützung durchaus über dem reinen Existenzminimum liegen kann.
Das steht am Ende aller Bemühungen. Die Hilfe zur Selbsthilfe ist dem vorgelagert. Ein Liberaler findet sich grundsätzlich nicht damit ab, dass es Menschen gibt, die nicht für sich selbst sorgen können. Sie haben es immer und immer wieder erneut zu versuchen. Die Hilfe soll nicht dazu führen, dass sie diese Versuche aufgeben. Im Gegenteil. Der Anreiz die Lösung der individuellen Probleme im individuellen Lösungsansatz selbst zu leisten, soll aufrechterhalten werden. Somit gibt es überhaupt keine Bürger die sich nicht selbst helfen können, sondern lediglich eine temporäre Situation welche dieser Umschreibung entspricht.
Zitat von Prospero im Beitrag #10Es kann auch keine Liberalen froh machen, wenn Löhne gezahlt werden, von denen der Arbeitnehmer nicht leben kann und noch zusätzliche Mittel vom Staat braucht. Noch schlimmer wird das ganze, wenn Arbeitgeber bewusst auf das "Aufstocken" setzen, um so die Löhne zu drücken. Es mag ein Problem von wenigen sein, doch man darf davor nicht die Augen verschließen. Dafür muss auch eine klare liberale Lösung gefunden werden, diese Lösung kann kein Mindestlohn sein.
Es gibt eine ganze Reihe von Liberalen, die auf gar keinen Fall in die Vertragsfreiheit eingreifen möchten, nur um ihrem Frohsinn Futter geben zu können. Prinzipien wie die Vertragsfreiheit stehen einfach davor, oder im Weg - je nach Perspektive. Wenn Arbeitgeber tatsächlich auf das "Aufstocken" setzen und dies keine Propaganda ist, dann läuft dies ebenfalls unter Vertragsfreiheit. Hier werden keine Löhne gedrückt. Die bestimmt der Markt und nicht der Staat. Sind sie zu niedrig, sollte man keinen Vertrag schließen. Ein Ausgleich, etwa durch eine NE, darf deshalb auch nicht aus einer schlecht bezahlten eine gut bezahlte Arbeit machen.
Zitat von Prospero im Beitrag #10Dann gibt es noch einen letzten Punkt, über den man diskutieren muss, wenn die Inhalte stehen. Wie will man diese Inhalte politisch umsetzen. Auch die größten Optimisten werden nicht glauben, dass eine liberale Partei eine absolute Mehrheit holen kann. Man muss also einen Koalitionspartner finden, oder man bleibt der ewige Besserwisser, der die besten Lösungen hat, aber nie Gestalten kann. Eine Koalition bedeutet auch Kompromisse eingehen zu müssen und die möglichen Koalitionspartner sind alle sozialdemokratisch bis sozialistisch.
Im Fall der FDP war nicht einmal der Versuch während der Koalitionsverhandlungen, wie sich später herausstellte, zu erkennen, einige der Wahlversprechen, welche damals vor noch zwei Jahren auch die Angela Merkels waren, überhaupt durchzusetzen. Den Mund weniger voll nehmen und dafür mehr Durchsetzungsstärke der persönlichen Eitelkeit überordnen, würde schon ausreichen.
Hans-Dietrich Genscher, die unumstrittene Führungsfigur der Sozialliberalen und Ziehvater von Guido Westerwelle und Christian Lindner, hat schon mal erklärt wer "bei uns noch richtig ist". Gemeint ist Frank Schäffler und damit auch alle, die bei der Mitgliederbefragung gegen den ESM stimmten. http://www.spiegel.de/politik/deutschlan...w-a-926332.html Die Aufforderung an entschiedene Liberale in der FDP die Partei zu verlassen, stellt klar, welcher Art von Liberalismus diese Partei eine Heimat bietet.
Und welcher nicht.
Und ob der Liberale Aufbruch eine Zukunft in der FDP hat - oder eben nicht.
Wie bei so mancher Revolution braucht man als Liberaler nur darauf warten, bis die Ubergangsparteifuehrung in den bald kommenden naechsten Wahlen (hoffentlich) nochmal scheitert. Bis dahin sollte man die These "Der Absturz der FDP kam von zu wenig Markt in der Regierung" auf kleiner Flamme am Kochen halten und die Zeit nutzen das eigene Netzwerk zu spannen. Sofern die FDP-Fuehrung nicht bereit ist, als Sammelbecken links- und wirtschaftsliberale gleichermassen einzubinden, wird das nichts werden.
Zitat Man muss sich bewusst sein, es mit zwei konkurrierenden Leitwerten zu tun zu haben, zwischen denen ein Kompromiss gefunden werden soll. Das geht aber nur, wenn man sich deren Bedeutung klar ist, denn ansonsten kann das eine kein Gegengewicht zum anderen sein. Den Widerspruch zu leugnen und weg zu reden ist unredlich und führt zwangsläufig zu einem verschwinden der Bedeutung eines der beiden Elemente.
Guter Punkt. Tatsächlich erstaunt es mich immer wieder, dass jemand, der in der FDP mehr Soziales berücksichtigt sehen will, geradezu zwanghaft versucht, das in einem Freiheitsbegriff unterzubringen. Aber dann wieder verwundert es mich nicht: Die Existenz von Zielkonflikten auch nur zu bejahen, ist in der Politik nicht vorgesehen.
-- L'État, c'est la grande fiction à travers laquelle tout le monde s'efforce de vivre aux dépens de tout le monde. (Frédéric Bastiat) Je länger das Dritte Reich tot ist, um so stärker wird der Widerstand gegen Hitler und die Seinen. (Johannes Gross)
Zitat von Techniknörgler im Beitrag #15Man schaue sich aber mal die hämischen Linken an: Deren Stammtisch träumt nun von gescheiterten Existenzen und hält sich dabei für was besseres.
Sprachlos würde mich aber nicht ein beruflicher Neuanfang (auch auf niedrigem Gehaltsniveau) machen, sondern lediglich dieser Hass und diese Häme.
So sind Linke nun mal. Die halten sich selbst für die größten Samariter, die nichts geringeres als ein Paradies auf Erden schaffen wollen und scheitern bereits menschlich an solch kleinen Dingen. Ich verlange kein Mitleid von denen für FDP-Politiker, sondern allenfalls, dass ihren Mund halten. Da die sich die Mühe machen, in die Tasten zu hauen und ihre Abneigung zum Ausdruck zu bringen, meinen die das ziemlich ernst.
Um die FDP-Politiker mache ich mir aber keine große Sorgen. Die haben was anständiges gelernt. Die sind nicht direkt von der Schulbank direkt in den Plenarsaal. Hätte Anna Lührmann nicht jemanden geheiratet, der ihr Vater sein könnte und ein Diplomatengehalt mit nach Hause bringt, dann wäre sie heute in Hartz IV. Ihre Studiengänge sind auch typisch links: "Politik und Organisation" und "Gender and Peace studies". Ich weiß nicht, was sich solche Leute vorstellen: Dass die Welt nur auf jemanden wartet, der "Gender and Peace studies" studiert hat, und alle Probleme löst, vom Koreakonflikt bis zum Wickeltisch im Männerklo. Die FDP-Politiker haben anständige, lebensnahe Berufe vorzuweisen. Schon allein deshalb bin ich geneigt, eher die FDP als die Grünen zu wählen, ganz unabhängig von den Inhalten.
Und bei allen Sorgen um die FDP, bin ich doch recht froh, dass die FDP immer wieder interessante Personen aus dem Hut zaubert: Nicola Beer. Ich kannte sie nicht und weiß jetzt auch noch nicht, für welche Inhalte sie steht. Aber ihre Vita finde ich bodenständig und sympathisch. Von Frau Beer fühle ich mich als Leistungsträger eher vertreten als von jenen Leuten, die außer der Politik nichts anderes mehr vorzuweisen haben.
Zitat Man schaue sich aber mal die hämischen Linken an: Deren Stammtisch träumt nun von gescheiterten Existenzen und hält sich dabei für was besseres.
Diese Art Angriffe schlagen mit voller Wucht auf die Ausführenden zurück. Ich habe bisher keine einzige Stimme einer Person vernommen, die vom Ende der FDP-Fraktion betroffen wurde und deswegen entweder öffentlich gejammert oder staatliche Unterstützung eingefordert hätte.
Die Linken werden nie begreifen, dass Scheitern zum Leben dazu gehört und keinen Makel darstellt. Linkes Denken ist nicht zuletzt deswegen zutiefst inhuman.
-- L'État, c'est la grande fiction à travers laquelle tout le monde s'efforce de vivre aux dépens de tout le monde. (Frédéric Bastiat) Je länger das Dritte Reich tot ist, um so stärker wird der Widerstand gegen Hitler und die Seinen. (Johannes Gross)
Zitat von HR im Beitrag #20Ist es eigentlich völlig abwegig darauf zu hoffen, daß ein "liberaler Aufbruch" um Schäffler als neue Partei in den Ring steigt?
-- L'État, c'est la grande fiction à travers laquelle tout le monde s'efforce de vivre aux dépens de tout le monde. (Frédéric Bastiat) Je länger das Dritte Reich tot ist, um so stärker wird der Widerstand gegen Hitler und die Seinen. (Johannes Gross)
Mir scheint, Herr Schäffler erhält zur Zeit soviele gute Ratschläge, daß er, als westfälischer Sturkopf, vorläufig noch in der FDP bleibt. Interessant wird es wohl erst im Dezember. mfG
Beitrag bezieht sich auf: "Ist es eigentlich völlig abwegig darauf zu hoffen, daß ein "liberaler Aufbruch" um Schäffler als neue Partei in den Ring steigt?"
Es wäre eine Option, die allerdings das Lager der "Liberalen" in weitere Teile zersplittern würde, mit der Folge, dass es mehrere Parteien mit liberalen Tendenzen gäbe, die eine geringe Chance auf den Einzug ins Parlament hätten. Es bleibt abzuwarten, wie sich die FDP nun inhaltlich positioniert. Wenn sie weiterhin eine sozialdemokratische Politik betreiben und der LA keine Akzente setzten sollte, müsste er m. E. konsequent über eine Parteineugründung nachdenken, ansonsten macht er sich unglaubwürdig.
Es ist schade, dass wir in Deutschland keine "echte" liberale Partei mehr haben. Da beneide ich unsere österreichischen Nachbarn, bei denen mit der Stronach-Partei und der NEOS zwei - zumindest auf dem Papier - liberale Parteien ins Parlament geschafft haben. Ob die AfD die liberale Lücke hierzulande füllen kann, wird sich wohl erst im Laufe der Zeit zeigen...
P.S. Auch bei mir gab es eine "Neugründung". Habe schon vor Wochen sporadisch hier im Forum mitgeschrieben, allerdings mittlerweile meinen Loginnamen vergessen...
--- Braucht die Welt noch einen liberalen Blog? Nein, aber es gibt ihn trotzdem: widdersecke.wordpress.com
Lieber Techniknörgler, vielen Dank für diesen sehr guten Beitrag. In der Tat sind Leute wie Gohl mit ihrem schwurbelnden Liberalismus-Verständnis ein Problem für die FDP.
Zitat von Techniknörgler im Beitrag #1Die FDP als Wohlfühlpartei, die sich mit jeder anderen Partei wunderbar versteht, dabei das beste von allem (widersprüchlichen) repräsentiert, das ist offenbar die Utopie in der FDP-Parteizentrale gewesen. Everybody's darling wollte man sein, bei jedem beliebt und hoch angesehen, ...
Um das zu verstehen, muß man aber auch die besondere Situation nach 2009 ins Gedächtnis zurückrufen.
Die FDP ist von Westerwelle in Jahren Oppositionsarbeit nach vorne gebracht worden - die 14% sind ja nicht vom Himmel gefallen. Er und andere haben "Liberalismus" wieder in Mode gebracht, die bräsige Klientel-Politik früherer Jahre in den Hintergrund treten lassen und einer ganzen Generation von Jungpolitikern das Gefühl gegeben, mit ihrem FDP-Engagement auf der richtigen Seite der Geschichte zu stehen. Und es war ja auch durchaus so, daß auch viele eigentlich linke Journalisten in der Endphase der großen Koalition leicht widerstrebend zugestehen mußten, daß etwas mehr Liberalismus vielleicht doch nötig wäre.
Dann kam der große Kater nach dem Wahlsieg. Die Parteiführung (der taktischen Fehlberatung des unseligen Genschers folgend) hat im Koalitionsvertrag wesentliche Fehler gemacht und sich auch bei der Präsentation von Merkel über den Tisch ziehen lassen. Und prompt war die Beißhemmung in den Medien weg. Beginnend mit der Möwenpick-Lüge begann die schlimmste Anti-FDP-Kampagne, die ich je erlebt habe (und die Stimmung nach dem "Verrat" von 1982" war schon schlimm genug). Auf einmal war es überhaupt nicht mehr lustig und angesagt, in der FDP zu sein. Sondern man war Ziel von Spott und Häme. Insbesondere als dann gleich ganz vernichtende Landtagswahlergebnisse folgten.
Das haben viele der sonnenverwöhnten Jungpolitiker nicht ausgehalten. Man kann ja viel gegen Westerwelle sagen - aber er kann Gegenwind aushalten. Und hat dann (nicht sehr glücklich) mit der "spätantiken Dekadenz" gegen die Meute gehalten. Was grundsätzlich die einzig wirksame Reaktion war. Man hätte es aber durchhalten müssen.
Aber da haben dann die Leichtmatrosen die Panik bekommen und geputscht. Ohne Plan, wie es denn weitergehen soll. Und dann kam dieses Gohl'sche Parteiprogramm - weichgespült und substanzlos. Das schlechteste in der langen Geschichte der Liberalen in Deutschland. Das Programm wie der aktuelle ZEIT-Artikel ist das Produkt von Leuten, die den medialen Gegenwind nicht aushalten und unbedingt lieb gehabt werden wollen.
Die sich aber in der FDP nicht mehr durchsetzen werden. Es ist nicht mehr die Zeit für Weicheier.
Zitat ... die FDP endgültig vom Wohlwollen der Medien und damit Journalisten abzuhängen scheint?
Richtig formuliert: "abzuhängen scheint". Denn es wird kein solches Wohlwollen geben, der Wiederaufstieg der FDP wird gegen den deutschen Journalismus durchgekämpft werden.
Zitat von HR im Beitrag #20Ist es eigentlich völlig abwegig darauf zu hoffen, daß ein "liberaler Aufbruch" um Schäffler als neue Partei in den Ring steigt?
Das Wort "abwegig" würde ich hier nicht verwenden, aber es ist sehr unwahrscheinlich.
Erstens weiß Schäffler sowohl um seine eigenen persönlichen Grenzen (er wäre absolut kein guter Parteivorsitzender) als auch um die Fast-Unmöglichkeit, mit einer neuen Partei zu réüssieren. Hat ja auch die AfD nicht geschafft, und daneben ist nun wirklich kein Platz mehr.
Und zweitens zeigen die nervösen Reaktionen z. B. eines Genscher, das Schäfflers Chancen in der FDP mittelfristig sehr gut sind. Es ist schließlich die Bundesführung gegen die er opponiert hat, die mit ihrer Linie das Desaster bei der Wahl zu verantworten hat. Und wie bei jeder Krise gibt es derzeit bei der FDP massiv Neueintritte. Und die meisten davon neigen eher der Schäffler-Sichtweise zu.
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